Planetarische Nebel

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Planetarische Nebel
6. Teil
8000 und 23000 Kelvin . Wi e sich di e Mess ungen über dieses Intervall verte ilen, zeigt das
Histogramm der A bbildung 30. Hie rn ach liegen offe nsichtli ch di e me isten beo bachteten
Werte zwischen 9000 Kund 16000 K.
von Frank Gieseking
13 b) Wie dünn die Hüllen sind
Nachdem wir in dem vergangenen Kapitel gesehen haben, daß die Emissionslinien der Hüllen Planetarischer Nebel zu einer Diagnose ihrer Zentralsterne beitragen können, wollen wir nun abschließend nach diagnostischen Linien zur Ableitung der physikalischen Zustandsgrößen der Hüllen
selbst suchen.
13. Wie uns die Emissionslinien eine
Ferndiagnose der HPN ermöglichen
Wir wollen uns da bei auf di e folgenden wichtigen Parameter beschränken: Die E lektronentemperatur Tc' di e Elektron endichte ne und di e
chemische Z usa mm ensetzung. Den G rundgedanken der Bestimmungsmeth ode für den ersten Parameter ahnen wir schon seit langem:
13 a) Wie heiß die Hüllen sind
Den Schlüssel zu ei ner mögli chen Bestim mungsmeth ode von Te finden wir in der früh eren Ab b. 16. Do rt nämli ch wurde geze igt, daß
zwei metasta bile Term e des 0 1Il durch Elektro nenstoßanregung bevölkert werden können,
wo bei zur Bevö lkerung des o bersten Terms
eine entsprec hend hö here Bewegungse nergie
benötigt wird, die mit wachsender Elektronente mperatur in immer größe rem A usmaß zur
Verfügung steht. Daher liefe rt die relati ve Bevölkerung be ider Term e, di e sich in dem Intensitätsve rh ältnis de r vereinigten 4959 A und
5007 A Emissio n zu der 4363 A Emissio n
wide rspiegelt, ein empfindli ches Maß für di e
Elektro nentempe ratur.
Die Verh ältnisse we rden genaue r bele uchtet
in Abb. 27, in der di e Häufi gkeitsverteilung der
Bewegungsenergie der Elektronen in einer
se hr heißen un d einer sehr kühl en HPN gezeigt
wird. Elek tronen, di e den 2.50 e V hoch liegende n ID 2-Term des 0 III anregen sollen, müssen
mindestens 938 k m / s schn ell sein . Die Anregung des bei 5.33 eV liegend en ISo-Term s gelingt soga r erst solchen Elek tronen, di e schneller als 1369 k m /s sind . Die A bbildung ze igt nun
qu antitati v, wie mit steige nder E lektro nentemperatur der relati ve A nteil der Elektronen mit
Geschwindigkeiten oberhalb 1369 km / s gegenüber der Gesamtza hl all derer mit G eschwindi gkeiten obe rhalb nur 938 km /s zunimmt. Die
dara us fo lgende relative Bevölkerungszun ahme des für die 4363 A E missio n verantwo rtlichen ISo-Term s (de ren Stärke ja pro po rti onal
der Bevö lkerungsdi chte di eses Te rm s ist), bewirkt eine entsp rechende relati ve Verstärkung
diese r Emission gegenüber de r ve reinigten
(5007 + 4959) A E missio n. Wie d ie Intensitätsve rh ältnisse be ider E missionen schließlich
qu antitati v von der E lekt ronentemperatur a bhänge n, ze igt di e Abb. 28.
Eine prakti sche A nwendung wird für drei
Beispiele in A bb. 29 vo rgestellt. Hier wird gezeigt, wie zwischen einer der kühlsten HPN
(siehe auch A bb. 14) und einer der heißesten
178
di e relati ve Stärke der 4363 A E mi ssion langsa m zunimmt.
Das 0 111 Ion liefe rt un s nic ht di e einzigen
tem pera tu ra b hängige n Spektrall in ien verh ältni sse. Grundsä tzli ch läßt sich eine Temperaturdi agnose in eine r HPN auch mit anderen genügend häufig vo rkommenden Io nen durchführen, wenn sie energetisch gee ignet gestaffelte,
durch Elektro nenstöße anregbare Term e von
ni cht allzu unterschi edli chen Le bensdauern
besitzen, so daß meßba re Spektrallinienverhältnisse erwartet werden kö nnen. (Da grundsätzli ch di e Bestimmung ei nes jeden de r hi er
be handelten drei Hüllenparameter unabhängig
von den jeweils beiden anderen sein sollte,
bleibt nur noc h zu prüfen, ob di e in Aussicht
geno mm enen Linienve rh ältnisse bei den in
Frage komm enden Elektronendichten weitgehend un abhängig von di esen ble iben. D a
Linienverhältnisse jeweils ein und derselben
Io nensorte betrachtet werden, bleibt di e Bestimmung von Tc von vornh erein natürlich una bhängig von der che mischen Zusamm ensetzung.)
In di ese r Hinsicht erweist sich das einfa ch ionisierte Sticksto ffato m, dessen Termschema
aus der früh eren Abb. 17 zu ersehen ist, dem
0111 Ion sehr ähnlich . Tatsächlich ist das in der
Abbildung nahegelegte Spektrallinienverhältnis 1(6583 A + 6548 A)/l(5755 A) zu einer alternativen Temperaturdi agnose der HPN herangezogen worden.
Unabhängig von solchen di agnostischen
Spektrallinien (deren Liste mit den genannten
Fällen natürli ch noch nicht vollständig ist), sollten grundsätzlich auch die kontinuierlichen
Spektrenanteile der HPN eine Temperaturdiagnose erm öglichen. Wi e ein Rückbli ck auf
di e Abbildungen 20 und 21 ze igt, erwarten wir
nämlich , daß sowohl di e ge bunden-frei-Kontinua, als auch das frei-frei-Ko ntinuum abhängig
vo n der Häufigkeitsverteilung der Bewegungsenergie der Elektro nen, und mithin von der
Elektronentemperatur sind. So ist denn auch
eine Temperaturdi agnose angewendet worden,
di e etwa di e Stärke des Balmer-Ko ntinuums
mit der Stärke der Hß-Linie vergleicht. So ist
ebenfa lls das nach Abb. 21 vo rnehmlich bei
Radi owe llenlängen beobachtbare frei-freiKontinuum herangezogen wo rden, um aus dem
Verl auf des langweiligen Radi ospektrums auf
di e Elektronentemperatur zu schlie ßen.
E ine oder mehrere dieser dargestellten Meth oden sind in zwi schen auf eine Reihe vo n
HPN angewe ndet wo rden. Dabei liegen di e gemessenen Elektronentemperaturen zwischen
Be i der Bestimmung der Elektro nendi chten
wollen wir zwei verschi edene Wege ge he n.
D en e rsten ha ben wir bereits bei der Diskussio n der Shklovsky-Entfernungen in Kapitel 4
kennengelernt. Do rt sahen wir, daß di e Gesa mtl e uchtkraft (ergi s) einer HPN etwa im
Li chte der leicht meßbaren Hß-E missio n naturge mäß der G esamtza hl freier E lektronen Ne
sowi e der G esamtzahl ihrer Wasse rstoff-Reko mbin ati o nspartner, also der Protonen, N+
propo rti o nal sind : L(Hß) - NeN+. D a beide
Zahlen in den HPN in guter Näherung als
gleich angese hen werden könn en, erhalten wir
nac h E inführung des io ni sierten Volumens
L(Hß) - n ~ ' V, wobei ne die gesuchte Elektronendi chte ist. Bei bekannter Entfernung und
Win keldurchm esse r der HPN läßt sich das
Volumen a bschätzen. G eht man zunächst von
der Näherung eine r ho mogenen Kuge l aus, so
überschätzt man im allge meinen das tatsächli ch
zur Hß-E missio n beitragende Hüllenvolumen.
Di ese m Umstand kann Rechnung getragen
werden durch Einführung eines geschätzten
Füllfaktors F < 1, so daß wir schließlich erh alten: L(Hß) = C n ~ . V . F. Die Ko nstante C fo lgt
aus der quanten mechani schen Behandlung der
Reko mbin ati o n und enth ält e rwartungsgemäß
noch e ine Abh ängigke it von Tc, di e jedoch mi t
. 0.84 ni cht allzu stark ausfällt. Der o bige Zusammenhang läßt sich schließli ch nach ne aufl ösen.
Dringend erwünscht ist es nun , di e so gewo nnenen Elektronendichten durch Anwendung
andere r Methoden unabhängig zu bestätigen.
Bei der erne uten Suche nach di agnostischen
Spektrallinien erinn ern wir uns daran, daß di e
E ntvölkerungsrate metastabiler Term e durch
E lektronenstöße zweite r Art (siehe u. a. Ka pitel 7) naturge mäß durch deren Häufigkeit und
mithin durch die räumlich e Dichte der E lektronen ne gegeben ist. Da wir di ese wieder unabhängig von der chemi schen Zusammensetzung bestimmen wollen, werden wir uns wi eder
für Intensitätsverhältnisse vo n Spektrallinien jeweils eines bestimmten gee igneten Ions interessieren. Da wir weiterhin di esmal we itgehend
unabhängig von Te bleiben wollen, müssen unsere gesuchten di agnostischen Terme energetisch mögli chst eng benachbart sein. Betrachten wir dazu ern e ut di e Abb. 17, so fallen uns
sofo rt zwei mögli che Kandidaten ins Auge:
Diese sind das S 11 und das 0 II Io n mit ihren
metastabilen Dubletts, vo n denen besonders
di e am leichtesten zu bevölkernden ni ederenergetischen inte ressieren. Werfe n wir in
Abb. 31 einmal einen genaueren Blick auf das
Termschema des 0 Il Ions, so fa llen un s zunächst di e vergle ichsweise se hr langen Le bensdauern des 2D-Dubletts a uf. Von Wichtigkeit
wird sich nun di e um mehr als einen Fakto r 10
unterschiedliche Le bensdauer der beiden fraglichen Term e erweisen. Schli eßen wir in dem
Sterne und Weltraum 1984/3
.... Abb. 27: Häujigkeitsverteilung der Elektronengeschwindigkeiten in einer "kühlen" (IOOOOOK)
und einer heißen (20 000 0 K) HPN. Erst oberhalb
der Grenzgeschwindigkeiten von 938 kml s bzw.
1369 kml s besitzen die Elektronen ausreichende
Bewegungsenergie, um den metastabilen I D2 bzw. I So- Term des 0 111 durch Stoßanregul1g zu
bevölkern. Bei zunehmender Elektronentemperatur wächst der relative Anteil der schnelleren
Elektronen.
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0:
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200
400
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1200
1400
GESCHWINDIGKEIT
IN
1600
1800
KM /S
14959+5007
14363
Abb. 28: Intensitätsverhältnis der verbotenen Emissionslinien
des 0 III bei (4959
+ 5007) A und 4363
A in Abhängigkeit
von der Elektronentemperatur. Wie aus
Abb. 27 erwartet,
nimmt mit steigendem Te die relative
Stärke der 4363 A
Emission zu und
mithin das angegebene Intensitätsverhältnis ab.
40
50
100
200
300
400
500
1000
7000
9000
11000 13000 15000· K
ELEKTRONENTEMPERATUR
folgenden Gedankenexperiment einmal di e
Zugänge auf das D-Dublett aus dem P-Dublett
aus und nehmen an, daß keine Übergänge zwischen den bei den Termen des D-Dubletts stattfinden . Es mögen weiter d.ie beiden Terme des
D-Dubletts durch Elektronenstöße erster Art
aus dem Grundzustand heraus gleiCh häufig bevölkert sein. Betrachten wir nun die Entvölkerung des D-Dubletts durch Stöße zweiter Art
und durch Strahlungsübergänge bei den folgenden bei den Grenzfällen:
1) Die Elektronendichte sei sehr gering
(ne -< 0). Dann spielt die Entvölkerung durch
Stöße zweiter Art keine Rolle, da die mittlere
freie Zeit zwischen zwei aufeinanderfolgenden
Stößen sehr viel größer als die mittlere Lebensdauer beider Terme ist. Dann also kehrt jedes
auf die beiden Terme des Dubletts gelangte
Elektron innerhalb der Zeit zwischen zwei aufeinanderfolgenden Stößen durch Strahlungsübergänge in den Grundzustand zurück, und
die Intensitäten I der beiden Emissionslinien
hängen nur von der (hier gleich angenommenen) Bevölkerungsrate beider Terme durch
Stöße erster Art ab, so daß wir erwarten 1(3729
A) = 1(3726 A).
2) Die Elektronendichte sei sehr groß (ne
-< 00). Dann geschehen innerhalb der Lebensdauer' beider Terme zahllose Stoßanregungen
und Stoßabregungen des Dubletts, da die mittlere freie Zeit zwischen zwei aufeinanderfolgenden Stößen diesmal sehr viel kleiner als die
Lebensdauer der Terme ist. In diesem Fall, in
dem also die Be- und Entvölkerung des: Dubletts durch Elektronenstöße dominiert, wird
die Intensität der verbotenen Emission dadurch bestimmt, wie gern (wie wahrscheinlich)
die Elektronen innerhalb einer bestimmten
Zeiteinheit den einen oder den anderen Strahlungsübergang ausführen. Nun also wird das
Intensitätsverhältnis beider Emissionen durch
die Übergangswahrscheinlichkeit (Kehrwert
der Lebensdauer) bestimmt und wir erwarten
1(3729 A)/1(3726 A) = 40 Minuten!7 Stunden,
so daß die kurzweilige Emission diesmal etwa
zehnfach so stark ausfallen sollte wie di e langweilige. (Wir sollten hier jedoch bedenken daß
diese Betrachtungen für die entsprechenden
Linienverhältnisse gelten, und uns daran erin-
14000 0 K (NGC 7662)
t
Sterne und Weltraum 1984/3
y
18000° K
(IC 4997)
.... Abb. 29: Veranschaulichung des diagnostischen
Spektrallinienverhältnisses (4959 + 5007) AI
4363 A in den Spektren dreier HPN unterschiedlicher Elektronentemperatur. - Die unverbreiterten Spaltspektren wurden mit dem 106-cmCassegrain- Teleskop des Observato.riums Hoher
List der Universitäts-Sternwarte Bann erhalten.
179
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ELEKTRONENTEMPERATUR
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Abb. 30: Geglättetes Histogramm der Häufigkeitsverteilung der gemessenen Elektronentemperaturen
von 68 gut untersuchten HPN.
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13 c) Die Chemie der Hüllen
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S 3/2
11 ]
Abb. 31: Das zur Messung der Elektronendichten relevante Termschema des
Termaujspaltung ist wieder stark überhöht gezeichnet.
180
nern, daß bei zu groß werdenden Dichten wegen der dann vorherrschenden strahlungslosen
Stoßentvölkerung beide verbotenen Linien
schließlich natürlich unbeobachtbar werden.)
Eine gen aue re quantenmechanische Analyse, die die exakten Stoßquerschnitte und die
Übergänge aus dem P-Dublett einbezieht, liefert schließlich: 1(3729 A)/I(3726 A) = 1.5 für
ne -; 0 und 1(3729 A)/I(3726 A) = 0.35 für ne
- ; 00 . Der Übergang zwischen beiden Grenzfällen liegt in einem Dichtebereich, der für die
HPN erwartet wird (siehe Abb. 32). - Ein Beispiel einer praktischen Anwendung zeigt das
kurzweilige Spektrum von IC 2149 in Abb. 33.
Das dort gemessene Linienverhältnis des [0 11]
Dubletts von etwas über 0.6 führt über die
Abb. 32 zu einer Elektronendichte von 3200
Elektronen pro cm 3 .
Das hier im einzelnen untersuchte Linienverhältnis des Oll Ions besitzt den Nachteil,
daß zur Trennung beider Linien bereits relativ
hohe spektroskopische Dispersionen erforderlich werden. Eine wesentlich geringeJ e spektrale Auflösung reicht für die Messung der ganz
analogen diagnostischen Linien bei 6731 A und
6711 A des schon erwähnten zweiten Kandidaten, des S 11 Ions. Tatsächlich ist auch dieses
Ion für Dichtemessungen in HPN herangezogen worden.
Betrachten wir wieder die Ergebnisse, so finden wir eine relativ große Streubreite, der beobachteten Elektronendichte, die sich über 3
Größenordnungen zwischen den Extremen
von hundert bis zweihunderttausend Elektronen pro cm 3 erstreckt. Die tatsächliche Verteilung der beobachteten Werte über dieses Intervall zeigt das geglättete Histogramm der Abb.
34. Offensichtlich liegen die bei weitem meisten Werte zwischen 1000 cm- 3 und 20000
o 11 Ions.
- Die
Neben der hervorragenden Rolle der Hüllen
Planetarischer Nebel zur generellen Bestimmung kosmischer Elementhäufigkeiten insbesondere der häufigsten Sorten wie H , He, C, N
und 0 zählt die Chemie der HPN darüber hinaus zu den wichtigsten Prüfstejnen der Theorie
des Sternaufbaus und der Sternentwicklung.
Von besonderem Interesse sind in diesem Zusammenhang die relativen Anteile (Häufigkeitsverhältnisse) von C, N und 0, da z. B. das
Wasserstoffbrennen im CNO-Zyklus eine
Stickstoffanreicherung bewirkt oder z. B. Helium-Brennen durch den 3-(l-Prozeß während
der fortgeschrittenen Phasen der Sternentwicklung eine ständige Vermehrung von Kohlenstoff zur Folge hat. - So wird die Chemie der
HPN bestimmt 1) durch die ursprüngliche
Chemie des stellaren Vorfahren, 2) durch die
während dessen Lebens in seinem Innern abgelaufenen diversen Kernfusionsprozesse und 3)
schließlich durch das Ausmaß, in dem das aus
schwereren Elementen bestehende fusionierte
Material aus dem Sterninnern in die später abgestoßene und heute beobachtete Hülle gelangt ist.
Die chemische Analyse der HPN ist eine der
schwierigsten Aufgaben, die uns die PlanetariSterne und Weltraum 1984/3
--4340 Hy
1. 6
1.4
1.2
I 3729
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0.2
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10 5 cm- 3
ELEKTRONENDICHTE
Abb. 32: Intensitätsverhältnis der in Abb. 31 veranschaulichten verbotenen Emissionslinien des 0 II
bei 3729 A und 3726 A in Abhängigkeit von der Elektronendichte. (Diese Abbildung, wie auch die
Abb. 28, beruht auf Daten von C. Goudis.)
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schen Nebel stellen. Hierzu benötigen wir
nämlich praktisch alle bisher gesammelten Erkenntnisse: So läßt sich aus der Intensität der
Emissionslinien eines bestimmten Ions nur
dann auf die Häufigkeit des entsprechenden
chemischen Elementes schließen, wenn vorab
bekannt ist, in welchem Ausmaß die beobachtete Ionisationsstufe dieses Elementes überhaupt in der HPN angeregt wurde. So benötigen wir also eine genaue Kenntnis der in der
untersuchten HPN vorliegenden Ionisationsbedingungen (siehe auch die Behandlung der
"Anregungsklasse" in Teil 4). Dazu gehört auch
eine detaillierte Behandlung von Ladungsaustauschreaktionen (auf die man übrigens ursprü nglich durch das Auftreten scheinbarer
chemischer Anomalien erst aufmerksam gemacht wurde). Weiter ist die Stärke einer bestimmten Em issionslinie nicht nur von der
Häufigkeit des entsprechenden Ions, sondern
natürlich auch von der relativen Bevölkerung
des verantwortlichefl Terms und sei ner Lebensdauer abhängig. Für eine chemische Analyse benötigen wir daher auch Rekombinationskoeffizienten F n(T e) und Obergangswahrscheinlichkei ten A mn bei Auswertung von
Rekombinationslinien oder zusätzlich Stoßquerschnitte a nm , b mn und die Elektronendichte nc bei Auswertung verbotener Linien. Nun
erst können die Stärken der Emissionslinien
verschiedener Ionen miteinander verglichen
werden, um sch ließlich Häufigkeitsverhältnisse der entsprechenden E lemente abzuleiten.
Absolute Häufigkeiten etwa in den Einheiten
Anzahl der Atome des E lementes X pro cm 3
ergeben sich erst bei Kenntnis der absoluten
Häufigkeit mindestens eines E lementes. Eine
solche läßt sich jedoch meistens wenigstens für
den Wasserstoff angeben, da sie unter der Annahm e seiner vollständigen Ionisation und bei
der vergleichsweise geringen Häufigkeit anderer Ionen wegen nc ~ n H aus der Elektronendichte folgt.
Sterne und Weltraum 1984/3
Die Bestimmung der chemischen Zusammensetzung der HPN ist nun durch verschiedene grundsätzliche Probleme erschwert:
1) Die HPN besitzen meistens eine komplizierte ionenabhängige Morphologie. So erwarten wir neben allen anderen möglicherweise
auftretenden Besonderheiten grundsätzlich
eine vom Ionisationspotential der Atome und
Ionen bestimmte in Abb. 35 erläuterte "Stratifika ti on", di e für verschiedene Ionen wohlbestimmte unterschiedliche räumliche Häufigkeitsgradi enten verursacht und mithin untersc hi edliche Häufigkeitsgradienten der entsprechenden chemischen E lemente vortäuschen
kann. Die Analysen werden häufig auch durch
reelle Häufigkeitsgradienten erschwe rt.
2) Da die Häufigkeit eines chemischen Elementes in einer HPN die Summe der Häufigkeiten seiner Atome und aller seiner Ionen ist,
hängt die Zuverlässigkeit jeder Häufigkeitsangabe davon ab, wie vollzäh lig sämtliche Ionen
erkannt wurden. Nicht alle Ionen zeigen gut
auswertbare Emissionen in leicht zugänglichen
Spektralbereic hen. (So liegen die am zuverlässigsten auf die C hemie Rückschlüsse erlaubenden sogenan nten "Resonanzlinien" der meisten
interessierenden Ionen in dem nur der Satellitentech nik zugänglichen ultravioletten Spektralbereich : siehe auch nachfolgender Abschnitt.)
3) Die atomistischen Parameter sind insbesondere für die schweren Ionen noch nicht
vollständig und genau genug bekannt.
Die auf den Wasserstoff normi erte mittlere
chemische Zusammensetzung von knapp zwei
Dutzend gut untersuchten HPN zeigt die Tabelle im Vergleich zur Sonne und dem OrionNebel , einem Vertreer der extrem jungen Population unserer Galaxis. Diese mittlere Chemie der HPN zeigt offensichtlich in groben Zügen keine bedeutenden Abweichungen von der
allgemeinen "kosmischen Häufigkeitsverteilung" der chemischen Elemente, die etwa 90%
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Abb. 33: Veranschaulichung der Diagnose der
Elektronendichte am Beispiel des Planetarischen
Nebels IC 2149. - Das rechte Spektrum zeigt die
Emissionslinien der HPN. Daneben wird hier einmal eines der beiden stets mit auf die photographische Platte belichteten Vergleichsspektren des
Eisenbogens gezeigt, die zur exakten Wellenlängeneichung herangezogen werden. - Geht man
mit dem Intensitätsverhältnis des am blauen
Ende des Spektrums besonders hervorgehobenen
diagnostischen Dubletts des [0 I1J in die Abb. 32
ein, so ergibt sich eine Elektronendichte von 3200
Elektronen pro cm3 . - Das Spektrum wurde mit
dem 106 -cm-Cassegrain- Teleskop des Observatoriums Hoher List der Universitäts-Sternwarte
Bonn erhalten.
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ELEKTR ON EN Die HTE
A bb. 34: Geglättetes Histogramm der Häufigkeitsverteilung der gemessenen Elektronendichte
von 84 gut untersuchten HPN.
fi gkeit des Helium und einiger schwerer Elemente wie Stickstoff bzw. Kohl enstoff.
HPN
H
1000
130
C
0.7
N
0.3
o
0.6
Ne
0.1
S
0.015
He
Sonne
OrionNebel
1000
60?
0.45
0.1
0.8
0.04
0.017
1000
100
0.4
0.1
0.45
0.06
0.026
Wasserstoff, 10% Helium und etwa 1 Promille
schwererer Elemente aufwe ist. Ein genauerer
Blick auf unsere Tabelle jedoch zeigt bereits
eine für die HPN erwartete leichte Überh äuMit zunehmender Qualität der chemischen
Analysen der HPN können heute auch Häufigkeitsverteilungen individueller Objekte miteinander verglichen werden. Dabei interessieren
insbesondere
die
Häufigkeitsverhältnisse
H e/H und N /O : Da das N/O-Verhältnis während der Fusion des Wasserstoffs zu Helium
bei Wirksamkeit des eNO-Zyklus in bestimmter vorhersagbarer Weise anwächst, ist das
N/ O-Verhältnis also in bestimmter Weise mit
dem H e/ H-Verhältnis verknüpft. Bei Annahme gewisser Modellvorstellungen von dem
Ausmaß, unter dem dieses im Inneren der Sterne fusionierte Material in die später abgesto ßenen HPN gelangt, kann mithin ein Zusammenhang zwischen dem N /O- und dem H e/ H-Verhältnis der HPN th eoretisch vorh ergesagt werden. So eröffnet sich hier eine der seltenen
Gelegenh eiten, unsere Modellvorstellungen
vom Inneren der Sterne empirisch zu testen.
Ein neueres Beispiel eines solchen Diagramms
zeigt di e Abb. 36. Obwohl di e· Details des erwarteten Zusammenhangs noch umstritten
sind, bestätigen die Beobachtungen doch den
182
allge meinen Trend, der bei Wirksa mkeit des
e NO-Zyklus erwartet wird. Mit weiterer Verfeinerung der chemischen Analysen werden in
Zukunft auch andere Häufigkeitsverhältnisse
(besonders wichtig z. B. e l O) für derartige Untersuchungen herangezogen werden können,
um so schließlich auf möglichst vielen unabhängigen Wegen unse re Modelle vom Aufbau
und der Entwicklung der Sterne noch weiter
einzuengen.
Hß
He I
13 d) Neuere Diagnosen
Seit der neueren technischen E rschließung
anderer Spektralbereiche - wie das fern e 1n-
[S 11]
Abb. 35: Die aus einern spaltlosen Spektrum von ~
I C 418 zusammengestellten monochromatischen
Bilder im Lichte der wichtigsten Emissionen. Es zeigen sich deutliche morphologische Unterschiede. Eine ihrer Ursachen ist eine erwartete
"stratifikation" oder Schichtung der Hülle, die
darin besteht, daß die schwerer ionisierbaren Ionen und Atome (solche mit dem höheren Ionisationspotential) in den inneren Partien der HPN
die höherenergetischen Photonen der ZPN aufbrauchen, so daß in den Außengebieten nur noch
Photonen zur Ionisation der leichter ionisierbaren Ionen und Atome vorhanden sind. So verteilt
sich das 0 III Ion wesentlich zentraler als das 0
II Ion. So wird das Helium nur in den innersten
Partien der Hülle, der Wasserstoff jedoch in einern wesentlich größeren Raumvolumen ionisiert.
Diese ionenabhängige Morphologie muß bei einer
chemischen Analyse berücksichtigt werden: So
zeigt die Abbildung beonders anschaulich, wie
ohne Berücksichtigung dieser Morphologie beispielsweise das N IO- oder auch das HeIHVerhältnis verfälscht werden kann, wenn es
aus Spektrallinienverhältnissen derselben räumlichen Struktur entnommen wird. - (Die Abbildung ist enstanden unter Verwendung einer Illustration von Wilson und Aller im A strophysical
Journal.)
[Ne 111 ]
[0 111]
Sterne un d Welt raum 1984/ 3
frarot und das ferne Ultraviolett - durch Verbesserung der Empfänger und durch Einsatz
von erdumkreisenden künstlichen Satelliten
stehen heute eine Fülle weiterer diagnostischer
Linien für die Bestimmung von Te' ne und der
Chemie der HPN zur Verfügung.
So sind etwa viele diagnostische Emissionslinien in fernen , von erdgebundenen Teleskopen nicht erreichbaren ultravioletten Spektralbereichen wesentlich empfindlichere Indikatoren der physikalischen Bedingungen der HPN
und ZPN . Beispielsweise sind im UV-Spektrum der HPN Unterschiede in der Anregungsklasse wesentlich stärker ausgeprägt als im
sichtbaren Emissionslinienspektrum.
Alternative Spektrallinien zur Temperaturund Dichte-Diagnose finden sich sowohl im
UV - als auch im IR-Spektral bereich , wobei der
physikalische Grundgedanke wie bei den bisher betrachteten diagnostischen Linien immer
derselbe bleibt. So eignet sich beispielsweise
ein [C IIl]-Dublett bei 1908 A zur Diagnose
der Elektronendichte. So läßt sich für heißere
HPN ein weiteres metastabiles Dublett des 0
III bei 7.5 eV zur Diagnose der Elektronentemperatur heranziehen, indem die verbotenen Übergänge von jenem Dublett (1661 A
und 1666 A) mit denjenigen von dem uns bereits bekannten ISo-Term (2322 A) verglichen
werden (siehe hierzu das Termschema der
Abb. 16). Auch das in dieser Abbildung (stark
überhöht) dargestellte Grundtriplett 3p 01 2 liefert diagnostische Emissionen. So sind die innerhalb dieses Tripletts stattfindenden verbotenen Übergänge empfindlich abhängig von
Stoßabregung, so daß die im fernen Infrarot bei
52 ~m und 88 ~m auftretenden Emissionen zu
empfindlichen Indikatoren der Elektronendichte werden.
I
10
I
I
I
I
-
I-
N/O
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0
0
0
1
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0
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He/H
A bb. 36: Das N I 0 -Häujigkeitsverhältnis in Abhängigkeit von dem He!H -Verhältnis . - Durch Diagramme dieser Art gelingt es, die Theorie des Sternaufbaus und der Sternentwicklung zu testen. Obwohl
die Details noch umstritten sind, stehen die Beobachtungen qualitativ im Einklang mit unseren theoretischen Vorstellungen von der im eNO-Zyklus stattfindenden Fusion des Wasserstoffs zu Helium. Die offenen bzw. gefüllten Kreise unterscheiden zwischen Objekten einer alten bzw. jungen Population.
Da erstere von Sternen abstammen, deren Ausgangsmaterial ärmer an schweren Elementen war, zeigt
diese Population der HPN erwartungsgemäß ein systematisch geringeres HeIH- Verhältnis . - (Die Abbildung ist eine veränderte Version einer Graphik von Kaler aus dem Astrophysical Journal.)
Schließlich liegen, wie bereits erwähnt, die
(bei erlaubten Übergängen in den Grundzustand entstehenden) "Resonanzlinien" der meisten Atome und Ionen, die den Nachweis und
die Bestimmung relativer Häufigkeiten besonders genau und zuverlässig ermöglichen würden, unterhalb 3000 A. - Abschließend sollten
wir uns hier auch wieder des Zwei-PhotonenKontinuums erinnern, welches durch seine
Sensitivität gegenüber Dichte und Temperatur
ebenfalls Diagnose-Möglichkeiten eröffnet.
All diese neuen Vorstöße sind schwerwiegend beeinträchtigt durch atmosphärische und
interstellare (UV) Absorption und teilweise
noch zu berechnende atomistische Parameter.
Daher bleibt di e Untersuchung der HPN in
den neu erschlossenen Spektral bereichen auch
in der Zukunft eine Herausforderung für die
verschiedensten technischen und physikalischen Disziplinen.
Wir wollen di esen Überblick über einige Eigenschaften der Hüllen der Planetarischen Nebel abschließen durch einen Blick in das Skizzenheft Menzel's, eines der bedeutenden Wegbereiter zur Erforschung dieser Objekte, und
betrachten wir die Abb. 37, in der wir einige
der wichtigsten "Persönlichkeiten" wiedererkennen.
Schluß
Sterne und Weltraum 1984/ 3
Abb. 37: Donald H. Menzel stellt seinem Kollegen Pol Swings einige seiner Freunde vor.
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