r 1 Reliefsphäre 1 Grundlegende endogene Prozesse Bei den endogenen Prozessen geht es um Ereignisse, die im Inneren der Erde ablaufen. Dabei erschweren verschiedene Probleme eine klare Vorstellung von diesen Vorgängen: Da die Zusammenhänge und Abläufe überaus kompliziert sind, muss mit stark vereinfachten Modellen gearbeitet werden, die die Sachverhalte aber oft nur grob wiedergeben können. Zudem laufen die endogenen Prozesse in Zeiträumen von Millionen Jahren ab. Das Denken in diesen Dimensionen entzieht sich der menschlichen Vorstellungskraft. Verdeutlichen lässt sich das am folgenden Beispiel: Glas erscheint als sehr hartes und festes Material. Trotzdem verhält sich dieser Feststoff wie eine Flüssigkeit. Glas fließt auch im festen Zustand, nur unendlich langsam, denn es besteht nicht aus Kristallen, sondern ist amorph. Seine Moleküle sind immer in Bewegung, um den geordneten kristallinen Zustand zu erreichen. Und das würde viele Millionen Jahre dauern. Da eine direkte Beobachtung von Vorgängen im Erdinneren nicht möglich ist, müssen diese indirekt erschlossen werden. Das Wissen ist also in erster Linie hypothetisch; es muss bei neueren Erkenntnissen immer wieder überprüft und revidiert werden. 1.1 Schalenbau der Erde Man hat nur wenige direkte Einblicke in das Innere der Erde. Bekannt ist, dass in der Erdkruste pro 100 m Tiefe die Temperatur um 1 °C zunimmt (geothermischer Gradient). Man kennt magmatische und metamorphe Gesteine und hat durch Vulkanausbrüche Erkenntnisse über die Zusammensetzung und die Konsistenz magmatischer Schmelzen aus dem Bereich des Erdmantels. Bei Tiefbohrungen bis 12 km – ein tieferes Vordringen ist aufgrund von Temperatur und hohem Druck nicht möglich – fand man Gestein, das bei hohem Druck und Temperaturen um 300 °C weich und verformbar ist. Das Wissen über den Schalenbau der Erde beruht auf den indirekten Untersuchungsmethoden der Seismologie (Erdbebenkunde). 2 r Reliefsphäre Seismische Wellen Erschütterungen eines Erdbebens breiten sich in unterschiedlichen Wellen nach allen Seiten aus und durchqueren auch das Erdinnere. Primärwellen sind Druckwellen, die sich in festen Gesteinen wie in Flüssigkeiten ausbreiten. Scherwellen können dagegen keine Flüssigkeiten durchdringen. Beide Wellenarten werden an der Erdoberfläche gebrochen und erzeugen Oberflächenwellen mit großen Amplituden. Diese Rayleigh-Wellen kann man mit Meereswellen vergleichen. Die Scherwellen durchlaufen mit konstanter Geschwindigkeit die Lithosphäre (feste Erdkruste), ohne absorbiert zu werden. Unter der Lithosphäre bis zu einer Tiefe von 300 km nimmt die Geschwindigkeit der Scherwellen ab, sie werden teilweise absorbiert. Daraus schließt man, dass dieser Bereich aufgeschmolzen ist. Diese Zone heißt Asthenosphäre. In Tiefen von 2 900 – 5 000 km können keine Scherwellen gemessen werden, die Primärwellen werden hier deutlich langsamer. Daraus kann man folgern, dass der äußere Erd- Reliefsphäre r 3 kern flüssig ist. Da ab 5 100 km die Primärwellen wieder schneller werden, muss der Erdkern fest sein. Die Auswertung von Seismogrammen zeigte, dass die Primär- und Scherwellen nicht nur ihre Geschwindigkeit und ihre Richtung ändern, sondern auch ihre Gestalt (P ↔ S). Die Bereiche, in denen das geschieht, bezeichnet man als Diskontinuitätsflächen. Aus diesen Phänomenen konnte man den Schalenbau der Erde erschließen. Die unterschiedliche Geschwindigkeit von P- und S-Wellen in verschiedenen Materialien gibt Geologen Informationen über die Gesteinsarten im Erdinneren. Proben verschiedener magmatischer Gesteine an der Erdoberfläche wurden gesammelt und auf ihre Leitfähigkeit bei unterschiedlichen Temperaturen und Drücken untersucht. Diese eindeutig zuzuordnenden Daten konnten dann mit den Daten aus dem Erdinneren verglichen werden. Das ermöglichte die folgenden Rückschlüsse: Erdkruste • hohe Geschwindigkeit der P-Wellen von 6 –7 km/s, Temperatur steigt bis 700 °C, Druck bis 12 Kilobar; • schwerere ozeanische Kruste aus dunklen vulkanischen Gesteinen (z. B. Basalt) mit einer Dichte von 3 g/cm3, ca. 5 km mächtig; • leichtere kontinentale Kruste aus helleren Gesteinen (z. B. Granit und Gneis) mit einer Dichte von ca. 2,6 g/cm3, etwa 35 km dick, unter Gebirgen bis 70 km; • feste Erdkruste durch sogenannte MohorovičićDiskontinuität vom Erdmantel getrennt. Erdkruste