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Juli
2002
Psychiatrie und Psychotherapie
DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR PSYCHIATRIE, PSYCHOTHERAPIE UND NERVENHEILKUNDE (DGPPN)
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Über Sexsucht kursieren wilde Vorstellungen – Therapie durch Enthaltsamkeit
Am Ende steht meist der seelische Zusammenbruch. Sexsucht ist für die Erkrankten ähnlich qualvoll wie etwa
Spiel- oder Kaufsucht. Sie zerstört
Existenzen, zerrüttet Familien und
führt zu Straftaten. Nach US-Schätzungen könnten bis zu sechs Prozent
der Bevölkerung betroffen sein. Die
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie,
Psychotherapie und Nervenheilkunde
(DGPPN) macht darauf aufmerksam,
dass Sexsucht eine behandlungsbedürftige psychische Erkrankung ist.
Über ihr Problem zu sprechen, fällt
den Betroffenen häufig sehr schwer.
Denn noch mehr als andere Süchte ist
Sexsucht tabuisiert und schambesetzt.
„Sexsucht ist oft gekoppelt mit Alkohol- oder Medikamentenabhängigkeit,
Essstörungen oder Depressionen", er-
läutert Prof. Wolfgang Berner von der
Abteilung für Sexualforschung am Universitätskrankenhaus Eppendorf in
Hamburg. „Sie wird oft von solchen anderen Abhängigkeiten überdeckt und
ist daher zunächst schwer zu erkennen,
wenn der Patient nicht von sich aus darüber spricht."
Die „Suchtkarriere” beginnt, wie bei
anderen Abhängigkeiten auch, damit,
dass die Betroffenen immer mehr Zeit
und Energie für die Suchtbefriedigung
aufwenden, die sie doch nicht wirklich
erreichen. Die Erkrankten verlieren die
Kontrolle über ihr Verhalten, immer
mehr Geld geht für Telefonsex, Pornographie, Bordell- und Klubbesuche verloren; mitunter verlieren Betroffene aufgrund sexueller Belästigung oder Internet-Surfens ihren Arbeitsplatz, werden
straffällig wegen Exhibitionismus oder
sexuellen Missbrauchs.
Auch körperliche Auswirkungen
sind möglich – durch sexuelles Risikoverhaltens, unnötige chirurgische Eingriffe, Verletzungen an Geschlechtsteilen oder eine schädlichen Einnahme
von Aphrodisiaka. Einige amerikanische Autoren sprechen von drei bis
sechs Prozent der Bevölkerung, die
sexsüchtig sind, wobei der Begriff weit
gefasst ist und damit die Häufigkeit
eher zu überschätzen scheint: Darunter
fallen zwanghaftes Masturbieren ebenso wie etwa Promiskuität, Exhibitionismus, Sado-Masochismus, Telefonsex,
obszöne Anrufe, Prostitution und Sex
mit Kindern oder Schutzbefohlenen.
Drei Viertel der Erkrankten sind Männer.
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SCHLAFSTÖRUNGEN – SIEBZIG PROZENT BLEIBEN UNBEHANDELT
Gravierende Folgen: Erhöhtes Unfallrisiko, Depressionen und Infektionskrankheiten
Fünf Prozent der Deutschen leiden an
krankhaften Ein- und Durchschlafstörungen. Über Monate oder Jahre
kämpfen sie mit Tagesmüdigkeit, sind
abgespannt und unkonzentriert. Die
Folgen sind fatal: Die Unfallhäufigkeit
in Verkehr, Beruf oder Haushalt steigt
um das Fünffache. Und die Gefahr, an
einer Depression zu erkranken, liegt
bei Schlafgestörten viermal höher als
bei Gesunden. „Schlafstörungen sind
keine Bagatelle“, so Prof. Dr. Max
Schmauß, Präsident der Deutschen
Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde
(DGPPN), „zu oft bleiben diese Erkrankungen noch unbehandelt.“
„Wer mehr als dreimal pro Woche
über mindestens einen Monat hinweg an
Ein- und Durchschlafstörungen mit Tagesmüdigkeit leidet, sollte zum Arzt gehen“, rät Prof. Dr. Göran Hajak (DGPPN)
von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Regensburg. Eine Hauptursache für Ein- und
Durchschlafstörungen ist chronischer
Stress. Auch organische oder psychische Erkrankungen können schuld
sein. Nicht selten haben sich die
Schlafstörungen so verselbstständigt,
dass sie fortbestehen, auch wenn die
Ursachen beseitigt sind. Zwar liegen
die Hausärzte in Deutschland bei der
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AUS DEM INHALT
2 Depressionen machen
doppelt krank
Herzerkrankungen, Osteoporose,
Diabetes häufige Folgeerkrankungen
3 Augen-Blicke: Neue Therapie
hilft Trauma-Opfern
Schnelle Augenbewegungen unterstützen das Gehirn bei der AngstBewältigung
4 Parkinson-Patienten: Jeder
Zweite leidet unter Depressionen
Depression ist oft ein Vorbote
von Parkinson
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JULI 2002
DEPRESSIONEN MACHEN DOPPELT KRANK
DGPPN: Herzerkrankungen, Osteoporose, Diabetes häufige Folgeerkrankungen
Wer an Depressionen erkrankt ist, leidet oft doppelt. Denn er trägt ein deutlich höheres Risiko, einen Herzinfarkt
oder Schlaganfall zu erleiden. Auch
das Risiko für Diabetes und Osteoporose steigt. Auf den engen Zusammenhang zwischen Depressionen und
körperlichen
Folgeerkrankungen
weist die Deutsche Gesellschaft für
Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) hin.
Zahlreiche internationale Studien
belegen einen engen Zusammenhang
zwischen Herzerkrankungen und Depressionen. „Eine depressive Störung
erhöht deutlich das Risiko von HerzKreislauf-Erkrankungen“, stellt Prof.
Hans-Peter Kapfhammer (DGPPN) von
der Psychiatrischen Klinik der LudwigMaximilian-Universität München fest.
„Vermutlich ist eine Herzerkrankung –
nach dem Suizid – die zweithäufigste
Todesursache bei depressiven Patienten.“ Den Hauptgrund sieht der Mediziner in der permanenten Aktivierung der
körpereigenen Stress-Systeme in den
depressiven Phasen. Ein an Depressionen erkrankter Mensch fühlt sich gewissermaßen unter Dauerstress. Die psycho-biologischen Mechanismen geraten außer Kontrolle und beeinträchti-
gen wichtige Herz-Kreislauf-Faktoren
wie Blutdruck, Herzfrequenz und Blutgerinnung. Hinzu kommt, dass depressive
Menschen überdurchschnittlich stark
rauchen und sich häufig wenig bewegen.
Störungen des Hormonstoffwechsels verursachen auch eine weitere häufige Folgeerkrankung von Depressionen: Diabetes mellitus. Personen, die an
einer Depression erkrankt waren, hatten nach einer amerikanischen Studie
ein im Vergleich zur gesunden Bevölkerung doppelt so hohes Risiko, an Diabetes zu erkranken. Auch Osteoporose ist
eine typische Begleiterkrankung. So
wurde in einer Lübecker Studie eine um
ca. 15 Prozent geringere Knochendichte
bei depressiv erkrankten Patienten festgestellt. Altersbedingte Knochenerkrankungen traten im Schnitt fünf bis acht
Jahre früher auf als in vergleichbaren
Altersgruppen. Auch dies liegt vermutlich an Störungen in der Hormonausschüttung, die zunächst die Depression
und später die Osteoporose auslösen.
Herzinfarkt und Diabetes sind aber
nicht nur typische Folgeerkrankungen
einer Depression, sie lösen auch selbst
Depressionen aus. So wird oft beob-
Fortsetzung von Seite 1
Schlafstörungen…
Diagnose von Schlafstörungen europaweit an der Spitze. Aber auch hierzulande bleiben noch vierzig Prozent dieser Erkrankungen unerkannt. „Das liegt
oft auch an den Patienten“ so Prof.
Göran Hajak, „die die Ärzte nicht über
ihre Schlafprobleme informieren. Hinzu kommt: Von den Patienten mit
Schlafproblemen erhält nur die Hälfte
eine gezielte ärztliche Behandlung.“
Das bedeutet: Insgesamt 70 Prozent aller Schlafstörungen werden nicht oder
nur unzureichend therapiert. Viele Patienten nehmen verschriebene Schlafmittel nicht ein, aus Angst, abhängig zu
werden. Auch psychologische Entspannungstrainings werden häufig abgebrochen, weil sie nach Ansicht vieler Patienten nicht richtig helfen, was aber oft an
mangelhafter Schulung liegt. „Wer seine
Schlafstörungen nicht konsequent behandeln lässt, setzt Körper und Psyche
einer schweren Dauerbelastung aus“, so
Prof. Max Schmauß (DGPPN). Das Risiko eines Unfalls, einer Infektionskrankheit, einer Depression steigt enorm.
Optimal für die Behandlung von
schweren Ein- und Durchschlafstörungen ist eine Kombination aus Verhaltenstherapie und Medikamenten. Bei
vielen Patienten hat das Bett im Unter-
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achtet, dass gesunde Patienten unmittelbar nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Schlaganfall oder Herzinfarkt
eine depressive Symptomatik entwickeln. Ein Viertel der Patienten ist davon betroffen, ein weiteres Viertel zeigt
leichte, noch nicht behandlungsbedürftige depressive Symptome. Frauen erkranken doppelt so häufig wie Männer
an der „Depression nach Herzinfarkt“
Die Wechselwirkungen zwischen
Depressionen und körperlichen Erkrankungen werden von Fachärzten wie Psychiatern, Kardiologen, Internisten usw.
bisher zu wenig beachtet. Prof. Dr. Jürgen Fritze, Geschäftsführer der DGPPN,
fordert daher: „Bei depressiven Patienten sollten die Risikofaktoren für HerzKreislauf-Erkrankungen routinemäßig
untersucht und mitbehandelt werden,
bei Herzpatienten die therapiebedürftigen depressiven Syndrome.“ Für die
Therapie setzen sich neuartige Psychopharmaka – Serotonin-Wiederaufnahmehemmer – immer mehr durch.
Sie eignen sich aufgrund ihrer Nebenwirkungsarmut gut für die Behandlung
von Depressionen und scheinen auch
mögliche Begleiterkrankungen wie HerzKreislauf-Erkrankungen und Diabetes
nicht ungünstig zu beeinflussen.
bewusstsein seine Rolle als Schlafplatz
verloren. Auch wenn sie vorher müde
waren – sobald sie in die Kissen sinken,
sind sie wieder hellwach. Hier setzt die
Stimulus-Kontrolltherapie an: Wer länger als eine Viertelstunde wach liegt,
soll das Bett verlassen. Auch Fernsehen
oder Essen im Bett sind tabu. Die Patienten bekommen pro Woche drei bis
vier Tabletten, die sie einnehmen, wann
sie es für nötig halten. Es sind Schlafmittel einer neuen Generation, sogenannte
Benzodiazepin-Rezeptor-Agonisten. Sie
wirken ähnlich wie die bekannten Benzodiazepine, aber mit geringerer Suchtgefahr. Eventuell kommen auch niedrig
dosierte Antidepressiva in Frage. Auch
sie wirken schlaffördernd und weisen
kein Abhängigkeitspotenzial auf. Die
Kombinationstherapie zeigt gute Erfolge:
Bereits nach kurzer Zeit reduzieren die
Patienten von sich aus Schritt für Schritt
die Tablettendosis.
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Opfer von Gewalt, sexuellem Missbrauch oder schweren Verkehrsunfällen leiden oft jahrelang unter Posttraumatischen
Belastungsstörungen
(PTBS). Eine neue Psychotherapie, abgekürzt EMDR, hilft ihnen, die schrecklichen Erinnerungen nach kurzer Zeit in den Griff zu bekommen. Das Prinzip: Schnelle
Augenbewegungen während
des Erinnerungsprozesses unterstützen das Gehirn bei der
Verarbeitung des Erlebten.
„Aktuelle Studien zeigen die
Wirksamkeit von EMDR“, so
Prof. Peter Falkai, Sprecher
der Deutschen Gesellschaft
für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde
(DGPPN). „Für viele PTBS-Patienten bringt diese Methode
eine nachhaltige Besserung.“
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rapie lässt der Patient die Horrorerlebnisse in seinem Inneren erneut ablaufen,
durchlebt wieder die Emotionen und Gedanken, die er dabei hatte. Zugleich folgt
er mit den Augen der sich hin- und herbewegenden Hand des Therapeuten.
matik und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover. „Menschen, die über längere Zeit traumatisiert wurden, z.B. durch sexuellen Missbrauch in der Kindheit, brauchen unter
Umständen bis zu zwanzig Sitzungen
oder mehr.“ Dass die Besserung durch EMDR dauerhaft ist,
zeigen verschiedene Studien.
Hinzu kommt die Akzeptanz bei
den Patienten: Nur wenige brechen eine EMDR-Therapie ab.
„Es ist zu begrüßen, dass EMDR
nun auch in Deutschland Fuß
fasst“, so Prof. Peter Falkai (DGPPN), „es handelt sich um eine
sinnvolle Erweiterung des Therapieangebotes für PTBS.“
AUGEN-BLICKE:
NEUE THERAPIE HILFT
TRAUMA-OPFERN
Schnelle Augenbewegungen
unterstützen das Gehirn bei der
Angst-Bewältigung
Katastrophen wie der
Amoklauf in Erfurt hinterlassen bei den
Beteiligten oft schwere seelische Verletzungen. Die schrecklichen Erinnerungen führen zu Alpträumen, dauernder
Unruhe, Zittern und Schweißausbrüchen. Schätzungsweise vier Prozent
der Deutschen leiden unter einer solchen Posttraumatischen Belastungsstörung. Die EMDR-Therapie (Eye movement desensitization and reprocessing / Augenbewegungs-Desensibilisierung und Neuverarbeitung) wurde in
den USA entwickelt: Während der The-
Fortsetzung von Seite 1
Der sexuelle Ruin
In den USA gibt es rund fünf vollstationäre und 50 Tagesklinikeinrichtungen für Sexsüchtige.
Die Ursachen einer Sexsucht sind
vielfältig. Prof. Berner (DGPPN): „Häufig ist eigener sexueller Missbrauch in
der Kindheit oder Jugendzeit im Spiel
oder zumindest ein gestörter Umgang
mit Intimität in der Familie.“ Betroffene
berichten auch über sehr frühe sexuelle
Erfahrungen, die sie als „überwältigend" erlebten, ähnlich Drogenabhängigen bei ihrem ersten „Kick”. Diese Erfahrung wird immer wieder gesucht,
um Stress, Angst, Einsamkeit und Depressionen zu betäuben. Oft ist die
Sucht gekoppelt mit einem schwachen
Selbstwertgefühl,
Persönlichkeits-
Die Augenbewegungen beschleunigen
den Verarbeitungsprozess im Gehirn.
Allmählich verblassen die Bilder, verlieren ihre Macht über die Psyche, positivere Gedanken stellen sich ein.
HOHE AKZEPTANZ
Ein wesentlicher Vorteil von EMDR
ist die oft kurze Behandlungsdauer.
„Bei Patienten mit einer leichteren
PTBS reichen oft schon eine oder zwei
Therapie-Sitzungen“, so Dr. Martin
Sack von der Abteilung für Psychoso-
störungen oder geringer Intelligenz.
Auch neurobiologische Faktoren scheinen eine Rolle zu spielen. Das körpereigene Belohnungssystem über Hormone und Botenstoffe kann verändert
sein, oder bestimmte Bereiche des Gehirns sind gestört.
Nach amerikanischem Vorbild gibt
es inzwischen auch in Deutschland
mehrere
Selbsthilfegruppen
für
Sexsüchtige und ihre Angehörigen. In
psychiatrischen Kliniken mit Schwerpunkt Sexualforschung wird Beratung
und Therapie angeboten. Je nach Art
der Störung kann am Anfang eine
mehrmonatige völlige sexuelle Abstinenz empfehlenswert sein. Das „Zölibat“ ist für die Betroffenen mit massiven psychischen Entzugserscheinungen wie Angstzuständen, Weinkrämpfen oder Wutausbrüchen verbunden.
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Welche Rolle dabei die Augenbewegungen spielen, wird
zur Zeit erforscht. Wahrscheinlich lösen sie Blockaden auf, die
die Informationsverarbeitung
im Gehirn behindern. Erlebnisse, die
mit starkem Stress verbunden sind,
werden in tieferen Hirnregionen als gefühlsbeladene Bilder gespeichert. Bei
PTBS-Patienten bleiben sie dort „eingesperrt“ und können nicht in der
Großhirnrinde, wo Sprache und Bewusstsein ihren Sitz haben, rational verarbeitet werden. „Möglicherweise spielen
sich bei EMDR ähnliche psychische Prozesse ab wie beim Träumen, das auch
von schnellen Augenbewegungen begleitet wird“, so Dr. Martin Sack.
Prof. Peter Falkai, Sprecher der DGPPN:
„Der Patient soll so wieder lernen, Intimität ohne Sexualität zu erleben, unterdrückte Schmerz-, Scham- und Schuldgefühle zuzulassen und sie nicht durch
zwanghaften Sex zu überdecken.” Eine
meist noch jahrelange Psychotherapie
schließt sich an. Auch Medikamente
werden eingesetzt, besonders wenn begleitend andere psychische Störungen
wie Depressivität, erhöhte Impulsivität
oder Zwanghaftigkeit vorliegen; dazu
gehören u.a. neuartige Psychopharmaka, die so genannten Selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, die wenig belastende Nebenwirkungen zeigen.
Wichtig ist es, andere Süchte wie Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch
gleichzeitig zu behandeln. Eine große
Rolle spielt die Angehörigenarbeit, die
Bestandteil der Therapie sein muss.
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JULI 2002
PARKINSON-PATIENTEN: JEDER ZWEITE
LEIDET UNTER DEPRESSIONEN
Depression ist oft ein Vorbote von Parkinson
Fast die Hälfte aller Parkinson-Patienten leidet gleichzeitig unter Depressionen. Viele Ärzte glauben, dass die Patienten nur wegen ihrer körperlichen
Beschwerden depressiv werden. Doch
neue Forschungen zeigen: Auch wenn
die Parkinson-Symptome sich bessern,
bleibt die Depression häufig bestehen.
Der Grund: Beide Krankheiten haben
eigene neurobiologische Ursachen –
oft setzt die Depression sogar
schon vor dem Parkinson ein.
„Eine Depression kann eine
Frühwarnung vor einer beginnenden Parkinson-Erkrankung
sein“, so Prof. Dr. Max
Schmauß, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN).
Bewegungstherapien und Psychotherapien. Sie sollten vor allem Probleme
in der Partnerschaft und im Rollenverhalten thematisieren, mit denen depressive Parkinson-Patienten besonders häufig zu kämpfen haben. Tauchen Parkinson-Patienten erst einmal
aus ihrem seelischen Tief auf, können
sie auch ihre motorischen Störungen
psychisch viel besser verkraften.
In Deutschland leiden etwa 100.000
Parkinson-Patienten zusätzlich an einer
Depression. Sie sind permanent niedergeschlagen und ängstlich, reagieren oft gereizt, fühlen sich ungeliebt
und alleingelassen. Im Unterschied zu
anderen Depressionspatienten spielen
Selbstvorwürfe, Schuld- und Versagensgefühle bei ihnen kaum eine Rolle.
Stattdessen erleben sie durch die dunkle Brille ihrer Depression die Behinderungen der Parkinson-Krankheit als besonders niederdrückend. Ihre Lebensfreude ist deshalb viel stärker getrübt
als bei psychisch gesunden ParkinsonPatienten.
„Manche Patienten erkranken an einer Depression, schon etliche Jahre bevor sich die Parkinson-Symptome zeigen“, so Dr. Matthias Lemke. Seine Forschungen belegen: Wer an einer Depression erkrankt, trägt auch ein erhöhtes Parkinson-Risiko. Oft zeigen depressive Patienten schon frühe Vorboten
des Parkinson, die im Alltag noch gar
nicht auffallen: Die Mimik wirkt leicht
erstarrt, die Feinmotorik funktioniert
nicht mehr so gut, die Schritte sind kleiner als normal. „Wenn Ärzte bei der Behandlung von Depressionen auch auf
solche Anzeichen achten, kann eine
Parkinson-Krankheit schon im Frühstadium erkannt werden“, so Dr. Matthias
DEPRESSIONEN OFT VERNACHLÄSSIGT
Bislang bleiben Depressionen bei
Parkinson-Patienten allerdings zu oft
unentdeckt, meist wird nur die neurologische Erkrankung behandelt. „Hier
müssten Psychiater und Neurologen
noch besser zusammenarbeiten“, so
PD Dr. Matthias Lemke (DGPPN), Leitender Arzt an den Rheinischen Kliniken Bonn. Eine gezielte Behandlung
mit Antidepressiva, die auf die Parkinson-Medikamente abgestimmt sind,
kann die Lebensqualität beträchtlich
steigern. Gute Wirkungen zeigen auch
Lemke. Je eher dann eine neurologische Behandlung eingeleitet wird, desto besser sind die Erfolgsaussichten.
WECHSELWIRKUNGEN IM GEHIRN
Bis jetzt weiß man noch nicht im
Einzelnen, wie Parkinson und Depression zusammenhängen. Doch dass es
neurobiologische Wechselwirkungen
gibt, ist klar. Ein Bindeglied ist der Botenstoff Dopamin. In Phasen
starken Dopaminmangels leiden Parkinson-Patienten nicht
nur
unter
motorischen
Störungen, sondern sind oft
auch besonders depressiv.
Hier setzt die Behandlung mit
Dopaminagonisten an: Diese
Medikamente wirken im vorderen Stirnhirn und bessern
die Symptome beider Krankheiten. Ohne Medikamente arbeitet die
Tiefenhirnstimulation: Dabei werden
Nervenzellen im Zwischenhirn mit Hilfe von Elektroden stimuliert. Die leichten Stromimpulse bringen den Stoffwechsel in Schwung und bewirken die
Ausschüttung von Botenstoffen. Auch
diese Behandlung wirkt sowohl gegen
die Depression als auch gegen die Bewegungsstörungen. „Die Forschungen
zu Parkinson und Depression sind vielversprechend. Es zeichnen sich wirkungsvolle Medikamente und Behandlungsmethoden ab, mit denen
sich beide Krankheiten zugleich behandeln lassen“, so Prof. Dr. Max
Schmauß (DGPPN).
Impressum
Herausgeber:
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie,
Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN)
Dr.-Mack-Straße 1, 86156 Augsburg
Tel.: 08 21 / 4 80 31 82
Fax: 08 21 / 4 80 31 32
Verantwortlich für den Inhalt:
Prof. Dr. med. Peter Falkai
Die Texte und Grafiken
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