Community Marketing

Werbung
 Community-Marketing im Zeichen des Regenbogens
Im Herbst 2009 erregte ein Werbeprospekt des Baumarktes in Deutschland großes
Aufsehen. In mitten der typischen Produktpräsentation eines Heimwerkermarktes lachte
einem ein schwules Paar entgegen. Mit der gleichen Selbstverständlichkeit, wie einige Seiten
später ein heterosexuelles Paar zu sehen ist. Und das, obwohl das Prospekt an alle
Haushalte und nicht etwas „nur“ in irgendeinem schwul-lesbischen Szenelokal verteilt wurde.
Auch 2009 ist das für viele Menschen im ersten Augenblick ungewöhnlich und fremd. Dabei
ist Deutschland kein Land, das in der Frage der Akzeptanz von gleichgeschlechtlich
liebenden/lebenden Menschen rückschrittlich wäre. Anders als in Österreich ist dort
Homosexualität längst im Mainstream angekommen und Partnerschaften bereits seit Jahren
staatlich anerkannt. Zahlreiche Künstlerinnen und Künstler sind längst out (wie z.B. Dirk
Bach, Hella von Sinnen, Thomas Herrmans, Alfred Biolek, Hape Kerkeling) und werden nicht
nur bei jeder Gelegenheit von privaten TV-Anstalten eingesetzt, sondern zählen zu den
Quotenbringern. Auch abseits der schönen Künste stehen Homosexuelle im Rampenlicht. So
haben Hamburg und Berlin einen offenen schwulen Bürgermeister und sogar der deutsche
Außenminister reist mit Gatten auf Staatsbesuch. Land auf, Land ab werden zum
Christopher Street Day Paraden zum Gedenken an den ersten Befreiungsschlag der
Community Ende der 1960er gefeiert. Und trotzdem, Werbung, die gleichgeschlechtliche
Paare zeigt, fällt noch immer auf und polarisiert. Aber warum ist das noch ein Thema?
Werbung, die homosexuelle Paare zeigt, ist weder neu, noch besonders innovativ. Schon
seit den 1980er wurde innerhalb der Community Gay-Marketing betrieben. Damals
beschränkte man sich auf Bücher und Zeitschriften, Filme, Freizeitangebote, Kleidung und
Dienstleistungen, etwas später kamen Reisen und Interieur hinzu. Die AIDS-Krise bewirkte
einen Tabu-Bruch. Erstmals wurden Schwule auf Plakaten abgebildet, die auch außerhalb
der Community-Grenzen zu sehen waren. Das Thema Homosexualität wurde medial breit
diskutiert und erreichte fast alle Gesellschaftsschichten. Das bereitete den Boden für große
Unternehmen, die neben ihren klassischen Zielgruppen spezielle Angebote für homosexuelle
Frauen und Männer bieten oder zumindest ihre Marketingkommunikation an den
Bedürfnissen dieser ausrichten wollten. Bereits Mitte der 90er wurden erste entsprechende
Sujets eingesetzt. Auffällig war dabei, dass es fast ausschließlich Kampagnen waren (und
bis heute sind), die sich an Schwule richten. Lesben werden nach wie vor nicht als potente
Zielgruppe wahrgenommen. Ein Umstand der nicht zuletzt mit Rollenstereotypen von
Männern und Frauen zusammenhängt. Seit dieser Zeit, wurde und wird dieses Thema immer
wieder medial aufgegriffen. Ein Spot über ein Deo schaffte es Mitte der 1990er sogar in die
ZIB 2, nur weil darin ein schwules Paar zu sehen war und auch wenn man an die aktuelle
lokale Berichterstattung über das Hornbachprospekt in verschiedenen deutschen
Regionalblättern und –foren betrachtet, der Kern der Diskussion hat sich nicht verändert. Die
einen diskutieren nach wie vor darüber, ob das sein müsse, die anderen, in wie fern es sich
bei dieser Werbung um ein gesellschaftspolitisches Anliegen handle oder ob es nur um das
Erschließen einer lukrativen Zielgruppe geht. Die Antwort auf diese Fragen ist kurz: Ja, es
muss sein, weil Werbung ein Spiegel unserer Gesellschaft ist. Es gibt homosexuelle
Menschen, also zeigt sie die Werbung auch. Sicher handelt es sich dabei nicht um ein
gesellschaftspolitisches Anliegen. Warum sollte das auch sein? Unternehmen machen
Werbung um ihre Produkte zu verkaufen. Nicht mehr und nicht weniger. Sicher, mitunter
tragen sie damit zu einem gesellschaftlichen Wandel bei. Sie eröffnen den Menschen neue
(Produkt)Möglichkeiten und das wirkt sich auf unser Leben aus. Die Welt verändern wollen
sie jedenfalls nicht. Sollen sie auch nicht. Dafür haben wir in unserer Gesellschaft andere
Gruppen: die Politik, die Wissenschaft, die Zivilgesellschaft. Natürlich gibt es da und dort
auch Unternehmen, die selbstlos agieren, einen Beitrag für das Gemeinwohl leisten und sich
sozial engagieren. Das ist wunderbar, aber tun wir bitte nicht so, als sei dies der
Selbstzweck. Dafür haben wir eine Vielzahl an NPO- bzw. NGO.
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1 Das schöne daran ist aber, dass die Unternehmen auch dann etwas zum gesellschaftlichen
Wandel beitragen wenn sie es gar nicht anpeilen. Denn Werbung spiegelt unsere
Gesellschaft. Sicher, wir alle sind entnervt von den stereotypen Bildern und den schönen,
sportlichen, jungen, erfolgreichen und smarten Menschen, die die Werbung uns heute zeigt.
Aber betrachten Sie Werbung mal in Zeitraffer, da wird Ihnen schnell klar, dass Werbung
unseren Lebensstil zeigt. In den 1950ern und 1960ern sieht die Welt auch in der Werbung
ganz anders aus. Und das gilt auch für die späteren Dekaden. Im Rückspiegel erkennen wir,
wie sehr sich das Leben geändert hat. Heute dominieren neue Medien und neue
Kommunikationsformen unser Leben. Sie selbst lesen gerade in einem Medium, das vor 15
Jahren in dieser Form nicht möglich gewesen wäre, vor 25 Jahren massenmediale Utopie
war und vor 35 Jahren fern des vorstellbaren. Die Frage, ob nun Werbung reagiert oder aktiv
agiert und neue Themen zeigt, kann leicht beantwortet werden. Werbung zeigt
Produktinnovationen, aber greift keine innovativen gesellschaftlichen Themen auf. Große
Unternehmen fürchten schlechte Publicity wie der Teufel das Weihwasser. Zu viel gibt es zu
verlieren. Große Unternehmen springen erst auf den Zug auf, wenn es ungefährlich ist.
Nun gut, Werbung mit Schwulen ist nicht neu, aber warum wird immer noch darüber
diskutiert? Weil sie eben noch immer selten ist. Schwule und Lesben sind heute in vielen
Bereichen der Arbeitswelt sichtbar, sind in vielen Filmen und Serien ein fixer Bestandteil und
viele Menschen haben schwule und lesbische Freunde. Aber die Werbung hinkt dem eben
noch ein bisschen nach. Und deswegen, ist immer dann, wenn ein Sujet auftaucht, die
Überraschung groß. Anders als in den USA, wo fundamentale Christen gezielte Kampagnen
gegen Firmen starten, die Homosexuelle als Zielgruppe ansprechen, ist Europa in dieser
Frage viel entspannter. Es wird kurz diskutiert, aber niemand stößt sich mehr daran. Würden
mehr Unternehmen Schwule und Lesben in ihrer Kommunikation zeigen, würde wohl
niemand mehr darüber reden. Ebenso wenig wie über andere Prospekte, Inserate oder
Spots.
Bleibt noch die Frage, ob Homosexuelle wirklich so eine lukrative Zielgruppe sind. Nach wie
vor weiß man nicht, wie viele homosexuelle Menschen es eigentlich wirklich gibt. Und das
wird sich nicht so bald ändern. Es fängt bei der Frage an, ab wann zählt man jemanden zu
der Gruppe der Homosexuellen und wann zu jener der Heterosexuellen. Bereits seit den
1950ern gibt es dazu Untersuchungen. Jede von ihnen versucht, das Problem zu lösen. Und
scheitert schlussendlich daran. Bin ich schon homosexuell, wenn ich ab und zu ein
gleichgeschlechtliches Abenteuer habe oder muss ich überwiegend homosexuell lieben?
Oder muss ich mich selbst als homosexuell definieren. Das ist nicht leicht. Und die Jugend
von heute hält von dieser Klassifikation noch weniger. So kommen ganz unterschiedliche
Zahlen zu Stande. Manche Wissenschafter sprechen von 10%, andere von 7% bis hin zu 23%, Anteil an der Gesamtbevölkerung. Und auch mit einem anderen Vorurteil muss man
aufräumen. Homosexuelle finden sich in allen Gesellschaftsschichten, in allen Berufen, in
allen Altersgruppen, sie haben gute und schlecht bezahlte Jobs, sie leben am Land und in
der Stadt, sie besitzen ein Auto oder nicht, sie tragen nicht alle teure Kleidung und auch ihre
Freizeitgewohnheiten sind ebenso vielfältig, wie dies unter heterosexuellen Menschen der
Fall ist. Also bitte, kein Anlass für eine Goldgräberstimmung.
Zahlt es sich nun für ein Unternehmen aus sich dieser Zielgruppe anzunehmen. Ja, natürlich!
Auch wenn Schwule und Lesben wirtschaftlich nicht potenter sind, als andere Gruppen, sind
sie dennoch treue Kundinnen und Kunden. Denn sie schätzen es, mit spezifischen
Angeboten angesprochen zu werden, die ihren Bedürfnissen entsprechen und sich perfekt in
ihre Lebenswelten integrieren. Sie freuen sich, als Kunden und Kundinnen höflich behandelt
zu werden und Aufmerksamkeit zu bekommen. Sie danken für gutes Service und erzählen
gerne ihren Freuden vom tollen Verkäufer oder der kompetenten Mitarbeiterin. Sie finden,
dass das doch kein Unterschied zu heterosexuellen KundInnen darstellt? Das hat ja auch
niemand behauptet. Denn die Antwort ist so simpel: es zahlt sich ebenso sehr aus, die
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2 Zielgruppe der Schwulen und Lesben effektiv zu bearbeiten, wie jede andere Zielgruppe.
Denn zielgerichtetes Marketing wirkt.
Kontakt und Information:
praxiserfolg OG
Unternehmensberatung
Mag. Peter Stepanek
Geschäftsführer, Projektleiter Prävention und Gesundheit
Viehmarktg. 1B/2/B1
A-1030 Wien
Tel. 01/798 66 45
[email protected]
www.praxiserfolg.at
Der Autor hat im Jahr 2005 die erste Diplomarbeit an einer österreichischen Universität zum
Thema „Homosexuelle als Zielgruppe des Marketings“ verfasst
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