Zur Fortbildung Aktuelle Medizin ÜBERSICHTSAUFSATZ Die Biopsie des Nervus suralis in der neurologischen Diagnostik Neurologische Diagnostik Nervenbiopsie 1 Seite 357 • Gottfried Spalke Aus der Universitäts-Nervenklinik Marburg an der Lahn (Kommissarischer Direktor: Professor Dr. Hans Solcher) Die Biopsie peripherer Nerven — meist des Nervus suralis — ist nicht routinemäßig anwendbar. Der in Lokalanästhesie durchgeführte kleine Eingriff bleibt Facheinrichtungen vorbehalten, die über Möglichkeiten zu weiteren histologischen und elektronenmikroskopischen Untersuchungen verfügen. Die Indikation zur Biopsie kann bei primären oder sekundären Erkrankungen des peripheren Nervensystems gestellt werden. Durch die Elektronenmikroskopie haben sich die morphologischen Differenzierungsmöglichkeiten neuropathischer Prozesse wesentlich erweitert. In manchen Fällen sind krankheitsspezifische Aussagen möglich. Die Lichtmikroskopie als morphologische Untersuchungsmethode erfährt trotz ihrer nach wie vor essentiellen Bedeutung für wissenschaftliche und diagnostische Fragestellungen durch das begrenzte Auflösungsvermögen des sichtbaren Lichtes gewisse Einschränkungen. Dies gilt in besonderem Maße auch für die Beurteilung von Biopsien peripherer Nerven. Nachdem bereits im vorigen Jahrhundert die grundlegenden Arbeiten auf dem Gebiet der Neuroanatomie geleistet worden waren, schienen die Grenzen der Untersuchungsmöglichkeiten so weit erschöpft, daß mit wesentlichen neuen Erkenntnissen auf dem Gebiet der Morphologie des Nervensystems kaum noch gerechnet wurde. Dies änderte sich jedoch vor etwa 25 Jahren grundlegend mit Einführung der Elektronenmikroskopie in die biologische Forschung. Durch das weit höhere Auflösungsvermögen bis zu wenigen Ängström (1 Ä = 10-7 mm) waren nun die technischen Voraussetzungen gegeben, Strukturen bis in die Größenordnung molekularer Dimensionen hinein sichtbar zu machen. Die hierdurch wesentlich erweiterten morphologischen Differenzierungsmöglichkeiten wurden zur Voraussetzung für unser heute besseres Verständnis der Beziehungen zwischen biologischer Ultrastruktur und den biochemischen, physiologischen beziehungsweise pathophysiologischen Vorgängen der Zelle. So sind speziell hinsichtlich der Ultrastruktur des peripheren Nerven eine Reihe neuer Fakten bekanntgeworden. Es gelang zum Beispiel, die morphologischen Bauelemente des Axons darzustellen, das heißt unter anderem Neurotubuli und -filamente (Abbildungen 4a—b) als die wesentlichen Bestandteile zu identifizieren, die für den Axoplasmatransport und damit die Reizleitung beziehungsweise Reizübertragung des Nerven, zur Aufrechterhaltung seiner trophischen Funktionen sowie gewisse Regenerationsvorgänge von Bedeutung zu sein scheinen. Diese Strukturen sind es auch, die bei den verschiedensten neuropathisch wirkenden Noxen (zum Beispiel den Mitoseblockern Colchizin oder Vinbla- stin) empfindlich mit sichtbaren morphologischen Veränderungen reagieren. Ferner wurden Aufbau und Bildung der Markscheiden aus Membranen der Schwannschen Zellen erkannt und verfolgt, eine wesentliche Erkenntnis für die Beurteilung gewisser degenerativer und regenerativer Prozesse am erkrankten Nerven. Darüber hinaus konnten u. a. das Organisationsprinzip der für die elektrophysiologischen Vorgänge am Nerven so wichtigen Ranvierschen Schnürringe (Abbildung • 4b) aufgeklärt, der Feinbau der Synapsen und motorischen Endplatten dargestellt werden. Schließlich gelingt es nun auch, unbemarkte Axone, Schwannzellen (Abbildungen 5a—d) sowie die Elemente des neuralen Bindegewebes besser zu beurteilen und in die pathogenetischen Überlegungen einzubeziehen. Diese Vielzahl neu erkannter Strukturen ermöglicht heute eine wesentlich detailliertere morphologische Einteilung der polyneuropathischen Krankheitsbilder. Die Indikation zur Biopsie wird bei primären oder sekundären (symptomatischen) Erkrankungen des peripheren Nervensystems zu erwägen sein und meist im Rahmen eines stationären Aufenthaltes innerhalb einer Fachklinik gestellt werden, die über geeignete Einrichtungen zur Durchführung der Biopsie einschließlich histologischer und elek- DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 6 vom 10. Februar 1977 357 Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Nervenbiopsie Untersutronenmikroskopischer chungsmöglichkeiten sowie entsprechende Erfahrung verfügt. Wesentliche Vorinformationen über das jeweilige polyneuropathische Syndrom werden durch die klinischen Untersuchungen gewonnen, die sich auf die bekannten, meist distal betonten Sensibilitätsausfälle mit Kribbelparästhesien und Schmerzen, trophischen Hautveränderungen, Reflexabschwächung (häufig mit Beginn an den unteren Extremitäten), Paresen und mehr oder weniger ausgeprägten Muskelatrophien, eventuell mit Faszikulationen, richtet. Zusätzliche elektrophysiologische Untersuchungen wie die Messung der motorischen und sensiblen Nervenleitgeschwindigkeiten sowie das Elektromyogramm geben weitere Hinweise über Ausmaß und Verteilung des neuropathischen Prozesses. Die Wahl des zu untersuchenden Nerven richtet sich nach physiologischen and anatomischen Voraussetzungen. Für die meisten klinischen Fragestellungen hat sich die Biopsie des Nervus suralis, der als rein sensibler Endast den lateralen Fußrand versorgt, als zweckmäßig erwiesen. Dieser am besten untersuchte Nerv bietet gegenüber anderen folgende Vorteile: • ist er als distaler Nerv der unteren Extremitäten an den meisten polyneuropathischen Prozessen beteiligt, • liegt er geschützt zwischen Außenknöchel und Achillessehne— we- Abbildung 1: Nervus suralis a): Querschnitt durch den gesamten Nerven mit neun, von den Lamellen des perineuralen Bindegewebes (P) umgebenen Faszikeln (F), in denen markscheidenhaltige Nervenfasern erkennbar sind. G — Gefäß, E Epineurium ( x 64) b): Stärkere Vergrößerung. A — Markfasern, S Schwannsche Zellen mit marklosen Nervenfasern, En — endoneurales Bindegewebe ( x 420) 358 Heft 6 vom 10. Februar 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Zur Fortbildung Aktuelle Medizin sentlich zur Vermeidung von Fehlinterpretationen druckbedingter Läsionen. €) ist er durch seine konstante Lokalisation für Biopsie und Messungen der sensiblen Nervenleitgeschwindigkeit gut zugänglich, • werden Sensibilitätsstörungen als Biopsiefolge im Versorgungsbereich dieses Nerven später allgemein gut toleriert. Vorbereitung der Untersuchung Die Biopsie erfolgt in Lokalanästhesie oberhalb des Malleolus lateralis. Akute oder postoperative Komplikationen sind nicht zu erwarten; der Fuß kann bereits am folgenden Tag wieder belastet werden. Als Spätfolge ist jedoch mit einer, wenn auch klinisch bedeutungslosen Hypästhesie im Versorgungsbereich dieses Nerven am äußeren Fußrand zu rechnen. Nach spezieller Fixierung und Aufbereitung erfolgt die Einbettung der Gewebsproben, speziell im Hinblick auf die elektronenmikroskopische Untersuchung, in Kunstharz. Etwa 4 Tage nach der Biopsie steht das Material für die weitere Verarbeitung zur Verfügung. Untersuchungsmethoden Im folgenden seien 3 Untersuchungsmethoden und deren qualitative und quantitative Aussagemöglichkeiten hinsichtlich der Beurteilung des Krankheitsprozesses aufgezeigt: Lichtmikroskopische Untersuchung Bei der orientierenden lichtmikroskopischen Untersuchung stellt sich der Nerv als komplexe Struktur, bestehend aus Nervenfasern — unbemarkten und Markfasern, endoneuralem, perineuralem und epineuralem Bindegewebe sowie den Gefäßen dar (Abbildung 1). Eine klinisch manifeste Polyneuropathie läßt in der Mehrzahl der Fälle bereits bei Abbildung 2: Nervus suralis. Ausgedehnte Markfaserzerstörung mit massiven Myelinabbauprodukten (Ovoiden 0) in Schwannzellen und Makrophagen, zum Teil mit Abbau zu Neutralfett (F). (a — quer, b — längs); Vincristinpolyneuropathie ( x 600) dieser Übersichtsbetrachtung eine Reduktion der Markfasern erkennen. Dabei lassen sich zwei Läsionstypen abgrenzen: a) Die primär neuronalen (axonalen) Erkrankungen (axonale Polyneuropathie), b) die demyelinisierenden Neuropathien mit primärem Markscheidenzerfall (Demyelinisieru ngspolyneuropath ie). Axon und Markscheide bilden eine funktionelle Einheit. Primäre Läsionen des Axons gehen demnach zwangsläufig mit sekundären Veränderungen der Markscheide und Demyelinisierungsprozesse mit axonalen Läsionen einher. Beiden Gruppen sind parallel dem Ausmaß der Nervenfaserdegeneration und abhängig von der Entwicklungsdynamik des pathogenen Prozesses Sekundärreaktionen der Schwannschen Zellen gemeinsam: Neben Regenerationsvorgängen, die sich in Zellproliferationen (zu sogenannten Büngnerschen Bändern oder Zwiebelschalenbildungen) äu- DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 6 vom 10. Februar 1977 359 Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Nervenbiopsie Bern, lassen sich die von ihnen ausgehenden Remyelinisierungsvorgänge beobachten. Darüber hinaus werden zerstörte Markscheidenfragmente in Form sogenannter Myelinballen oder Ovoide im Zytoplasma der Schwannzellen (wie der Makrophagen) gespeichert, um später zu Neutralfetten weiter abgebaut zu werden (Abbildung 2). können bei der arteriitischen Neuropathie im Rahmen von Kollagenkrankheiten nachweisbar sein. fläche; die Faserdichte schwankt je nach Lebensalter zwischen 4000 und 11 000 Nervenfasern pro mm 2. Weitere Einzelheiten hinsichtlich der Feinstruktur der Axone, insbesondere der unbemarkten Fasern oder der Markscheiden, lassen sich lichtmikroskopisch nicht eindeutig beurteilen. Die Beurteilung der Gefäße spielt insofern eine untergeordnete Rolle, als ischämische Nekrosen des peripheren Nerven seltener vorkommen. Lediglich Intimafibrosen werden gelegentlich bei älteren Patienten beobachtet. O b) Aufstellung eines Markfaserspektrums in dem sämtliche Nervenfasern entsprechend ihrem Durchmesser in !Im-Gruppen von 2-16 [km eingeteilt und in ihrer prozentualen Dichte angegeben werden. Dabei ergibt sich normalerweise ein charakteristisches bimodales Verteilungsspektrum mit einem Gipfel bei 3-4 i..tm und einem zweiten Gipfel bei etwa 9 - 10 p,m (Abbildung 3a). Entzündliche perivaskuläre Infiltrate oder Gefäßwandveränderungen a) Bestimmung der Gesamtfaserdichte, bezogen auf mm 2 Faszikel- Quantitativ analytische Zählverfahren In Ergänzung zur Lichtmikroskopie werden quantitativ analytische Zählverfahren nach folgenden Parametern durchgeführt: Nervenfasern (S) Nervenfasern (%1 30 30 20 20 10 10 2 5 10 2 15 ,um Gesamtdurchmesser 5 Wie sich anhand dieser Histogramme ableiten läßt, werden bei polyneu ropath ischen Prozessen nicht immer sämtliche Nervenfasern gleichzeitig, sondern unterschied- 10 15 /um Gesamtdurchmesser Abbildung 3 b: Nervus suralis — Oben: Repräsentativer Querschnitt eines Faszikels — Unten: Histogramm der Markfasern (äußerer Durchmesser). Faserdichte/mm 2 Abbildung 3 a: Nervus suralis — Oben: Repräsentativer Querschnitt eines Faszikels — Unten: Histogramm der Markfasern (äußerer Durchmesser). Faserdichte/mm 2 Faszikelfächu290rdziet.PaholgscVr- Faszikelfäch7690.NormasbidleVtungsspektrum 360 teilungsmuster mit Schwund der großkalibrigen Nervenfasern. Diabetische Polyneuropathie Heft 6 vom 10. Februar 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Zur Fortbildung Aktuelle Meclizin Nervenbiopsie Abbildung 4: Nervus suralis (elektronenmikroskopische Aufnahmen) a) : Intakte Nervenfaser. Lamellen der Mark-(Myelin-)scheide im Bild unten rechts erkennbar (Ausschnittsvergrößerung x 30 000). Axon (Ax) mit Neurotubuli, Neurofilamenten und Mitochondrien (Mi). S - Schwannsche Zellen b): Schnürringregion mit längsverlaufenden intakten NeurotubuMitochondrien li (N). Mi ( X 20 000) c) : Axonale Degeneration mit pathologischer Aggregation von Mitochondrien (Mi), vesikulären Elementen und Lipidkörpern (L) . Ax- Axon, M- Markscheide, MyMarkscheidendegenerationsprodukt Neurale Muskelatrophie d): Axonale Degeneration mit fortgeschrittener, vollständiger Zerstörung der axonalen Strukturen (Ax); daneben noch zwei erhaltene Markfasern (A) . Ax Axon , M - Markscheide, My Markscheidenabbau . Neurale Muskelatrophie ( x 3500) e) : Markscheidendegeneration (Marködem) mit AufsplitterunQ der Myelintamellen (M). Chronische Bleipolyneuropathie f) : Markscheidendegeneration mit Einlagerung lamellärer Strukturen. Alkoholische Polyneuropathie lieh befallen. So sind zum Beispiel initial häufig am stärksten die großkalibrigen Nervenfasern betroffen (Abbildung 3b), wohingegen die mittleren und kleinen vollzählig sind oder infolge von Regenerationsvorgängen zahlenmäßig sogar oberhalb der Normwerte liegen können. Zu dieser Gruppe zählen die meisten axonalen Polyneuropathien: Sowohl diejenigen vom ~ distalen Befallstyp (zum Beispiel Intoxikationen mit Tri-ortho -kresylphosphat, INH, bei zytostatischer Behandlung: u. a. Vinblastin oder Cyclophosphamid , urämische, alkoholische und diabetische Polyneuropathien) wie auch jene vom ~ neuronalen (proximalen) Befallsmuster, das heißt mit primärer Prozeßlokalisation in den sensiblen Spinalgang Iien-, den Hinterwurzelader den motorischen Vorderhornganglienzellen (zum Beispiel paraneoplastische Polyneuropathie, peroneale Muskelatrophie). gend bei Demyelinisierungsneuropathien beobachtet (zum Beispiel Diphtherie, Bleiintoxikation oder bei Störungen des Lipidstoffwechsels [Leukodystrophie]). Aus der proportionalen Verschiebung des Spektrums zwischen groß- und kleinkalibrigen Fasern resultieren letztlich auch infolge einer Störung des Gleichgewichts der im Rückenmark eintreffenden sensiblen Impulse die Symptome der Hyperpathie und der sensiblen Reizerscheinungen wie der Parästhesien. Demgegenüber steht ein Läsionstyp mit Beginn der Erkrankung an den kleinkalibrigen Nervenfasern mit entsprechend ihrer Funktion besonders trophischen Störungen oder stärkerer Beeinträchtigung der Temperatur- und Schmerzempfindung. 8 Ein diskontinuierlicher Befall sowohl der groß- wie auch der kleinkalibrigen Nervenfasern wird vorwie- Die elektronenmikroskopische Untersuchung ermöglicht es als einzi- Elektronenmikroskopische Untersuchung DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 6 vom 10. Februar 1977 361 Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Nervenbiopsie ge, die Gewebselemente im Detail zu beurteilen und zu einer weitergehenden morphologischen Differenzierung der genannten Läsionstypen, das heißt der axonalen wie der Demyelinisierungspolyneuropathien, zu kommen. So sind Angaben möglich über Art und Ausmaß axonaler Veränderungen, Aufbau und Strukturauffälligkeiten der Markscheide u. a. Remyelinisierungsvorgänge und andere reaktive Schwannzellveränderungen, insbesondere hin- sichtlich der Ultrastruktur von Lipideinlagerungen im Zytoplasma, wobei sich unspezifisches Lipofuscin von spezifischen Lipidkörpern differenzieren läßt (Abbildungen 4-5). Auf diese Weise kann zum Beispiel durch den Nachweis sogenannter metachromatischer Sulfatidgranula im Schwannzellplasma die Verdachtsdiagnose einer metachromatischen Leukodystrophie (eine zu den Lipidosen zählende Erkrankung mit Beteiligung des zentralen und peripheren Nervensystems) bestätigt werden (Abbildungen 5e-f). Neben dieser Erkrankungsgruppe lassen sich bestimmte Läsionsmuster differenzieren, die durch eine Kombination aus Markfaserdegeneration mit ausgeprägten proliferativen Schwannzellreaktionen charakterisiert sind. Diese findet man typisch bei Krankheitsbildern aus der Gruppe der Systemdegenerationen Abbildung 5: Nervus (elektronenmikroskopische suralis Auf- nahmen) a): Marklose Nervenfasern (R) umhüllt von Schwannzellen. N Kern einer Schwannzelle, K - kollagenes Bindegewebe. Normalbefund (x 6000) b): Axonale Degeneration einer marklosen Nervenfaser in Form lokaler Anhäufung degenerierter Mitochondrien und vesikulärer Strukturen. Chronische sensorische Neuropathie c): Degeneration einer marklosen Nervenfaser (D) mit vollständigem Verlust der axonalen Strukturen. Daneben intakte Nervenfasern (A). Neurodermitis ( x 9000) d): Reaktive Schwannzellveränderungen mit Proliferation der Zeilfortsätze zu plattenartigen Formationen. K Kollagen. Neurale Muskelatrophie ( x 10.000) e): Speicherung metachromatischer Granula (mG) im Schwannzellplasma einer bemarkten Nervenfaser. Ax - Axon, En - endoneurales Bindegewebe. Metachromatische Leukodystrophie ( x 18.000) f): Stärkere Vergrößerung aus e). Spezifische Ultrastruktur mit charakteristischer Periodik der Speicherprodukte (S); hier Sulfatide ( x 90 000) 362 Heft 6 vom 10. Februar 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Nervenbiopsie wie der neuralen Muskelatrophie (Charcot-Marie-Tooth), der hypertrophischen Neuritis (Döjd rine-Sottas) oder bei Syndromen aus dem Formenkreis der Friedreichschen Ataxie. AUSSPRACHE Typhus abdominalis (1976), 5394. — Skrandies, 0., Hausmann, K.: Knochenmarkschäden nach Chloramphenicol in Hamburg und Umgebung. Med. Klinik 67 (1972), 569. Zu einem Beitrag von Dr. med. Anemone (wand in Heft 46/1976, Seite 2947 ff. Dr. Freitag Bakteriologische Abtlg. des AK Altona Paul-Ehrlich-Straße 1 2000 Hamburg 50 In dem Erfahrungsbericht über die Typhus-Epidemie 1974 in BadenWürttemberg wird von der Autorin, A. (wand, zur Chemotherapie des Typhus abdominalis die folgende Auffassung vertreten: Dr. Lübcke III. Medizinische Abtlg. des AK Altona Paul-Ehrlich-Straße 1 2000 Hamburg 50 Zusammenfassung Zusammengefaßt ergibt sich, daß die Biopsie peripherer Nerven in den meisten Fällen die Möglichkeit bietet, die Verdachtsdiagnose einer Polyneuropathie auch in subklinischen Krankheitsstadien zu objektivieren, das morphologische Syndrom zu klassifizieren und gegebenenfalls — wie bei einigen Lipidspeicherkrankheiten und kombinierten Systemdegene -rationen — näher zu spezifizieren; wesentlich ist ferner, daß besonders in bezug auf die große Gruppe der ätiologisch ungeklärten Polyneuropathien durch die genannten standardisierten morphologischen und histometrischen Methoden weitere Einblicke in Ort und Art der Primärläsion, der Prozeßqualität und -dynamik sowie in pathogenetische Zusammenhänge gewonnen werden können mit dem Ziel, weitere und bessere Möglibhkeiten einer kausalen Therapie ausfindig zu machen. Literatur Babel, J., Bischoff, A., Spoendlin, Ultrastructure of the Peripheral Nervous System and Sense Organs. G. Thieme Verl. Stuttgart 1970 — Boyd, I. A., Davey, M. R.: Composition of Peripheral Nerves. E. u. S. Livingstone Ltd. Edinburgh and London 1968 — Dyck, P. J., Thomas, P. K., Lambert, E. H.: Peripheral Neuropathy Vol. I und 11. Saunders Company Philadelphia, London, Toronto 1975 — Sluga, E.: Polyneuropathien, Schriftenreihe Neurologie Band 14, Springer Verlag Berlin, Heidelberg, New-York 1974 — Wechsler, W.: The Development and Structure of Peripheral Nerves in Vertebrates. In: Handbook of Clinical Neurology: Diseases of Nerves Bd. 7, 1-39, Amsterdam: North Holland Publ. Comp. 1970 „Da Chloramphenicol trotz seiner Nebenwirkungen auch heute noch das Mittel der Wahl für die Behandlung typhöser Erkrankungen ist, wurde der überwiegende Teil der Patienten mit Chloramphenicol behandelt." Diese Auffassung kann nach den heutigen Erkenntnissen nicht unwidersprochen bleiben. Nach den vorliegenden Publikationen muß Trimethoprim-Sulfamethoxazol bei der Behandlung des Typhus abdominalis im Vergleich mit Chloramphenicol als gleichwertiges Chemotherapeutikum angesehen werden. Von Kamat wird in einer Vergleichsstudie an 220 Typhusfällen sogar eine Überlegenheit des Trimethoprim-Sulfamethoxazols gegenüber Chloramphenicol herausgestellt. Wir selbst haben unter alleiniger Therapie mit Trimethoprim-Sulfamethoxazol. bei 23 Patienten (Typhus abdominalis (18), Paratyphus B (4), Paratyphus A, keine Therapieversager oder Dauerausscheidung beobachtet. Bei der potentiell knochenmarkschädigenden Wirkung des Chloramphenicols möchten wir z. Z. das Kombinationspräparat Trimethoprim-Sulfamethoxazol als Mittel der Wahl für die Behandlung typhös-paratyphöser Erkrankungen herausstellen. Literatur Anschrift des Verfassers: Dozent Dr. Gottfried Spalke Universitäts-Nervenklinik Ortenbergstraße 8 3550 Marburg Kamat, S. A.: Evaluation of Therapeutic Efficacy of Trimethoprim-Sulfamethoxazol and Chloramphenicol in Enteric Fever. Brit. med. J. 3 (1970), 320. — Lübcke, P., Freitag, V., Sziegoleit, M.: Aktueller Stand der Therapie mit Sal26 monellen-Infektionen. Therapiewoche Schlußwort Die Behandlung des Typhus abdominalis mit Chloramphenicol, Cotrimoxazol oder Ampicillin wurde in den letzten Jahren wiederholt diskutiert. Zweifellos können die genannten Antibiotika in der Therapie eingesetzt werden, sofern ein in vitro sensibler Salmonella-typhi-Stamm vorliegt. Die Vorteile der Chloramphenicolbehandlung sind in schnellerer Entfieberung und Verkürzung der Ausscheidungsdauer der Erreger im Stuhl zu sehen. Darüber hinaus muß bei der Co-trimoxazol-Behandlung mit einer Versagerquote um 10 Prozent gerechnet werden. Snyder und Mitarbeiterteilten diese Ergebnisse aus zwei in Chile durchgeführten Vergleichsstudien mit, die sie ;1973 an 67 und 1976 an 122 Patienten erhoben. Wegen der bekannten Nebenwirkungen sollte die Behandlung mit Chloramphenicol den Erkrankungen an Typhus abdominalis, Paratyphus, eitrigen Meningitiden und Infektionen, die durch sonst resistente Erreger verursacht sind, vorbehalten bleiben. Literatur Snyder, M. J., u. a.: Trimethoprim-sulfamethoxazole in the treatment of typhoid and paratyphoid'fevers. J. Infectious Dis. 128 (1973), 734737. — Snyder u. a.: Comparative efficacy of chloramphenicol, ampicillin, and Co-trimoxazole in the treatment of typhoid fever. Lancet 1976/11, 1155-1157. Dr. med. Anemone (wand Medizinische Universitätsklinik Bergheimer Straße 58 6900 Heidelberg DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 6 vom 10. Februar 1977 363