Ausgabe 3/2014 Inhalt Menschenbilder im Neoliberalismus1 Spieglein, Spieglein... Frauen- und Männerbild2 Macht Euch nützlich!4 Die Altenberichte der Bundes regierung5 Flüchtlinge Momentaufnahmen 2014 6 „Nützliche“ Migranten 7 Kinderwunsch auf Eis gelegt 8 Mädchen in Rosa und Jungs in Blau 9 Sexualisierte Werbung 10 Quantified self 11 Schlusspunkt 12 Menschenbilder im Neoliberalismus Neoliberalismus ist eine Ideologie, welche die Schaffung von Märkten und Wettbewerb als zentrale staatliche Aufgabe sieht. Sein totalitärer Anspruch ist, alle Interessen der Gesellschaft und der Staaten den Gesetzen des Marktes zu unterwerfen. Die Herrschaft des Neoliberalismus stellt nahezu alles in wird, dass er sich auch im Alter als ökonomisch verwertFrage, was bisher Gewicht und Bedeutung hatte. Das geht barer Teil dieser Gesellschaft erweist, „Macht Euch nützweit über das ökonomische System hinaus, es umfasst lich!“ lautet der kategorische Imperativ. auch kulturelle und regionale Identität, weltanschauliche, Wir stellen das trostlose Schicksal der Menschen dar, die sicher auch religiöse Überzeugungen und Wertorientiegeflüchtet sind aus Armut, Elend und Krieg und die für uns rungen. Die neoliberale Ideologie tut so, als ob es keine alle beschämende Art und Weise, wie hier, in einem der anderen tauglichen Maßstäbe mehr für das Zusammenlefinanzstärksten Länder der westlichen Welt, mit ihnen umben der Menschen gäbe als ökonomische – und das nennt gegangen wird. Dem gegenüber steht dann die Aussage sie dann Vernunft. des Instituts der deutschen Wirtschaft, dass Deutschland Längst hat sich in diesem System Neoliberalismus ein zur Sicherung seines Wohlstandes Migranten braucht – Menschenbild entwickelt, das nahezu ausschließlich auf auch hier die Unterteilung in „unnütze“ Flüchtlinge und seine ökonomische Verwertbarkeit hin ausgerichtet ist. „nützliche“ Migranten. Wenn das Menschenbild die jeweiligen gesellschaftlichen Bereits kleine Kinder werden auf Rollenbilder festgelegt, Verhältnisse und ihre Vorstellung vom Wesen des Mendie Werbung pflegt ein ganz spezielles, nämlich ein im hoschen widerspiegelt, dann, so meinten wir in der querhen Maße sexistisches Frauenbild, und wir alle werden Redaktion, sei es allerhöchste Zeit, mal genauer zu unauf Selbstoptimierung ausgerichtet. tersuchen, wie sich das in einzelnen Bereichen auswirkt. Allen diesen vorgestellten Menschenbildern ist gemeinWir haben uns das Frauen- und das Männerbild vorgesam, dass sie zeigen, wie die Individuen auf ihre ökononommen, wie es in den Medien dargestellt wird und wie mische Verwertbarkeit reduziert und den Gesetzen des es unser Konsumverhalten prägt. Wir untersuchen das Marktes unterworfen werden sollen. Wehren wir uns! „neue“ Bild vom alternden Menschen, dessen PotenziDagmar Fries ale ganz plötzlich entdeckt werden und von dem erwartet Spieglein, Spieglein … Impressum: quer – die Zeitung des ver.di - Landesfrauenrates Bayern Schwanthalerstr. 64 80336 München V.i.S.d.P.: Bettina Messinger, Landesfrauensekretärin Telefon: 089 / 5 99 77-2303 Fax: 089 / 5 99 77-2199 Mail: [email protected] Redaktionsteam: Gertrud FetzerWenngatz, Dagmar Fries, Lisa Kotschi, Bettina Messinger, Corinna Poll, Walburga Rempe, Barbara Tedeski Redaktion/Layout: Dagmar Fries Schlusskorrektur: Gisela Breil Namentlich gekennzeichnete Artikel geben die Meinung der VerfasserInnen und nicht zwingend die der Redaktion wieder. Redaktionsschluss: 31.10.2014 Abbildungsnachweis: Martin Sonneborn 2; Antisexistisches Aktionsbündnis 3; Candida Performa 4; Depositphotos 6, 8, 9, 10; G. Wangerin 6,7; Pinkstinks 11;Klaus Stuttmann 12 Druck: Druckwerk München Auflage: 5000 Expl. 2 Frauen- und Männerbild auf Abwegen Das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache definiert Menschenbild als die jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisse widerspiegelnde Vorstellung vom Wesen des Menschen, einen Eintrag ‘Frauenbild’ oder ‘Männerbild’ gibt es nicht. Dummerweise sorgen die gesellschaftlichen Verhältnisse dafür, dass Frauen- und Männerbild sich sehr stark unterscheiden. Das zeigt sich in allen Medien, die uns tagtäglich mit Bildern konfrontieren. Media Report to Women analysiert seit Jahren die Darstellung von Politikerinnen in den Medien. In der aktuellen Ausgabe müssen sie (wieder einmal) feststellen, dass sich leider nicht viel geändert hat: die Auswertung ergab, dass bei Kandidatinnen immer noch in erster Linie zählt, wie sie aussehen, während ihre Ansichten im Vergleich dazu weniger Beachtung finden. (MRTW Vol. 42, Nr. 3 Sommer 2014) Die Global Media Monitoring Study stellt fest, dass weltweit im Durchschnitt 25% der zitierten oder benannten Personen in Sachartikeln Frauen sind. Das spiegelt sich auch in den vielen Klischeebildern, die die Bildagenturen anbieten. Dem versucht jetzt die Initiative LeanIn-Collection andere Bilder entgegen zu setzen. Ob deren Fotos von Ärztinnen, Wissenschaftlerinnen bei der Arbeit, Männern mit Babies im Arm etc. angenommen werden, bleibt abzuwarten. Emanzipation durch Ad-Blocker? Werbung ist ein wichtiger Spiegel der gesellschaftlichen Rollenzuweisung, mit dem diese perpetuiert und verfestigt wird. Tagtäglich sind wir einigen tausend Werbebotschaften ausgesetzt. Das Frauenbild in der Werbung scheint sich auf den ersten Blick gewandelt zu haben: Inzwischen finden sich weniger Darstellungen von braven Hausfrauen, die Hauptdarstellerinnen sind ‚Familienmanagerinnen‘ oder haben zumindest die Lizenz zum Staubwischen. Die Frau werkt zwar immer noch im Haushalt – der weitaus größere Anteil der dargestellten Frauen bewegt sich im privaten Bereich –, allerdings durchaus unter dem Vorzeichen der Professionalisierung. Aber wenn wir genauer hinschauen, müssen wir feststellen, dass die billigen Klischees des ‚sex sells‘ wieder stärker in den Vordergrund treten. Offensichtlich gehen Werbedesigner immer noch davon aus, dass Männer mehr Geld ausgeben, wenn (halb)nackte Frauen das beworbene Produkt dekorieren. Fest steht, dass 2013 die zweithöchste Beschwerdezahl in der Geschichte des deutschen Werberates verMit Sicherheit ein Grund, sich beim Deutschen Werberat zu beschweren - Plakat, aufgedeckt von © Martin Sonneborn auf facebook zeichnet wurde – und der mit Abstand häufigste Beschwerdegrund war auch diesmal wieder frauendiskriminierende Werbung. Manche Diskussionen, bei denen viele von uns gehofft hatten, dass sie seit langem erledigt seien, werden von der Werbeindustrie wieder aufgeworfen. So hat der Jeansproduzent Paddocks ganz eigene Ansichten zu der Ansage ‚Nein heißt nein‘: Der Text zu einem knutschenden Paar (in Jeans, natürlich) heißt schlicht „No means Yes, maybe ...“. Pink stinks – hellblau duftet? Eine zwar nicht ganz neue Masche, aber mit stark steigender Tendenz ist die Unterscheidung zwischen Produkten für Mädchen/Frauen und Jungen/Männer. Ob das die „rosa Überraschungseier“ sind, die Barbies und die rosa Klamotten für die Mädchen und die Adventure-Figuren und das passende Outfit für Jungen oder die Chips für den Männer- und den Mädelsabend – es wird suggeriert, dass es in allen Bereichen gravierende Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt, sowohl was Geschmack als auch was Fähigkeiten und Bedürfnisse angeht. Gegen den Trend, dass die Produkte ‚für Mädchen‘ ausschließlich auf Aussehen, Mode, Make-up und Shoppen ausgerichtet sind, hat sich 2009 in Großbritannien die Initiative Pinkstinks gegründet (seit 2012 gibt es auch eine Gruppe in der BRD). Mit Öffentlichkeitsarbeit ist es ihnen z.B. gelungen, Toys“R“Us dazu zu bringen, kein Spielzeug mehr ‚nur für Jungen‘ oder ‚nur für Mädchen‘ ins Sortiment zu nehmen. Zusammen mit der Brave Girl Alliance versucht Pinkstinks, andere Rollenmodelle als die allseits beworbenen Models in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen. (https://pinkstinks.de) Inzwischen hat die Kosmetikindustrie auch die Männer als Kunden entdeckt: Immer mehr werden die Werbeaufforderungen, die Haare zu „tunen“, mit Hilfe von Cremes u.ä. Anzeichen des Älterwerdens zu bekämpfen … An Frauen wie Männer wird die Anforderung gestellt, nach Möglichkeit perfekt auszusehen. Und wenn die Natur partout nicht den Maßstäben entsprechen will, wird eben mit dem Messer nachgeholfen. Die Zahl der „Schönheitsoperationen“ wächst – insbesondere schon bei ganz jungen Menschen. Und natürlich sollen wir nicht nur gut aussehen, sondern möglichst reibungslos funktionieren. Wer kennt nicht die Werbung für all die Mittel, die Schmerzen sofort verschwinden lassen. Neu ist, dass jetzt schon starke Medikamente für Kinder damit beworben werden, dass das Kind schließlich den (Sport)wettbewerb nicht verpassen darf … Das archaische Menschenbild in PC- und Online-Spielen steht schon länger in der Kritik, jetzt hat sogar der Spiele-Entwickler Steve Jaros eingeräumt, dass die Kritik berechtigt ist. Nicht ganz so einsichtig wie manche der Produzenten ist die Community, die die Kritikerinnen massiv angreift – das reicht von Spielen, in denen Mann die Kritikerin verprügeln kann, bis hin zu Morddrohungen. Überhaupt scheint die Regel zu gelten: Sobald eine feministische Stimme im Netz zu laut wird, hagelt es Hass-Kommentare und Vergewaltigungsdrohungen (siehe dazu auch den videoblog ‚feminist frequency‘). Hause bleiben“ bedacht. Die englische Variante brachte bei einer Untersuchung der UN am 9. März 2013 die Ergänzungsvorschläge zu „Women should“: „stay at home“, „be slaves“, „be in the kitchen“, „not speak in church“. Nach dem Sturm der Entrüstung, die die Veröffentlichung auslöste, ergänzt Autocomplete „women should“ gar nicht mehr, aber zu „A woman should“ kommt dann doch wieder „not preach“, „be silent“ etc. Da die Autocomplete-Funktion darauf basiert, was besonders oft eingegeben wird, könnte man schon etwas Angst vor diesen Usern bekommen ... Renate Wicorek hat mit dem Hashtag #aufschrei und inzwischen auch mit ihrem Buch Weil ein #aufschrei nicht reicht gekontert. Und sie schließt ihr Plädoyer mit dem schönen Satz Das F in Feminismus steht für Freiheit – aber der Freiheit einen Schritt näher kommen wir nur, wenn wir diese Rollenbilder durchbrechen. Corinna Poll Ein Vorschlag zur Gegenwehr vom Antisexistischen Aktionsbündnis München ... Ein anderes Beispiel für den ganz alltäglichen Sexismus im Netz ist die Auto-vervollständigen-Funktion bei Google. Die Eingabe „Frauen sollten“ wird mit den Ergänzungsvorschlägen „keine Rechte haben“, „nicht arbeiten“ und „zu 3 Macht Euch nützlich! Demographischer Wandel, Überalterung der Gesellschaft, Aufkündigung des Generationenvertrages – das alles sind Schlagzeilen, die schon lange die gesellschaftliche Debatte bestimmen und durchaus als „apokalyptischer Bevölkerungsdiskurs“ (Thomas Etzenmüller) verstanden werden können. Aber nun gibt es seit mehreren Jahren einen zweiten Diskussionsstrang, der in den Medien und in der Politik gepflegt wird. Plötzlich werden die Potenziale des Alters entdeckt, wird schon fast feierlich von den Perspektiven des Alters gesprochen und wird ein neuer Blick auf das Alter gefordert. Welches Menschenbild steckt hinter diesem Wandel? Oder sind das doch nur zwei Seiten ein und derselben Medaille? Zunächst ist natürlich zu klären: Um wen geht es eigentlich, wenn vom „Alter“ die Rede ist? Und wer gehört zur Gruppe der „Nicht-Alten“? Die Einteilung der Weltgesundheitsorganisation spiegelt den herrschenden gesellschaftlichen Konsens dazu wider. (siehe Kasten) Auffällig ist, dass die Diskussionen (und ihre Zielsetzungen!) sich stark unterscheiden, je nachdem, von welcher Altersgruppe die Rede ist. Die (nach WHO-Definition) alternden und älteren Menschen werden – vordergründig gesehen - aufgewertet. Das heißt, solange sie erwerbstätig sind, werden gebetsmühlenartig die Attribute Erfahrung, Ausdauer und Loyalität beschworen. Gleichzeitig spricht man ihnen aber Kreativität, Innovativität und Spontanietät ab, nach dem Motto „Erfahrung kompensiert Abbau“. Auffällig ist ein weiterer Zusammenhang: Die Debatte um die (vorgebliche) Bedeu4 tung älterer ArbeitnehmerInnen fand nahezu gleichzeitig mit der Debatte um die Erhöhung des Renteneintrittsalters und der damit verbundenen faktischen Rentenkürzung statt. „Junge Alte“ sollen also aus naheliegenden Gründen zu mehr und längerer beruflicher Aktivität befähigt werden, damit sie nicht einem „immer weniger leistungsfähigen Sozialstaat“ zur Last fallen (oder wenn, dann nur noch möglichst kurz!) Die Altenberichte der Bundesregierung Im ersten Altenbericht der Bundesregierung (1993) steht noch der individuelle Nutzen einer auf Kompetenzförderung und Wohlbefinden zielenden Ruhestandspolitik im Vordergrund. Definition des Alters nach WHO: • alternde Menschen 50-60 Jahre; • ältere 61-75 • alte 76-90 • sehr alte 91-100 • langlebige > 100 Jahre Sieben Jahre (3. Bericht) später heißt es dann schon, dass die Überwindung der Ausgrenzung älterer Menschen eben „nicht nur ein Gebot der sozialen Verantwortung, sondern auch der wirtschaftlichen Vernunft“ sei. Was dann folgte, beschreibt Stephan Lessenich, Soziologe an der Universität Jena, wie folgt: „2005 gab der Fünfte Altenbericht der Bundesregierung zum Thema „Potenziale des Alters“ die Stoßrichtung für eine politische Neubestimmung dieser Altersphase vor. Eher unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit, in der die „Rente mit 67“ das altenpolitische Feld beherrscht, beginnt sich das produktivistische Altersleitbild in Modellprojekten und Anreizprogrammen umzusetzen. Das fügt sich ein in den aus anderen Bereichen bekannten sozialpolitischen Trend, zu fordern ohne zu fördern: Hier wird auf Eigenverantwortung und Indienstnahme der Älteren gesetzt, während gleichzeitig bis dato gewährleistete soziale Sicherheiten reduziert werden, Initiativen gegen Altersdiskriminierung weiter in den Kinderschuhen stecken und es an altersgerechten Arbeitsplätzen fehlt. Die aktuelle gesellschaftliche Neuverhandlung des Alters zielt Foto (wurde bearbeitet): © Candida.Performa at http://flickr.com/photos/40006794@ N02/3937474049 also gerade nicht auf die Würdigung des Alters in all seinen Facetten, sondern ganz konkret auf die Positivvision von „jung gebliebenen“ Leistungserbringern in höheren Lebensjahren. Von einer wirklichen Überwindung altersfeindlicher Bilder kann daher hierzulande bislang nicht die Rede sein: Nur wer sich noch aktiv einzubringen vermag, dem wird auch soziale Anerkennung zuteil. Von Pflegebedürftigen und Dementen ist in diesem Zusammenhang nie die Rede – sie begegnen uns weiterhin lediglich als „Passiva“ des Gesellschaftshaushalts, als zu Betreuende und zu Versorgende.“ Für den siebten Altenbericht, der nächstes Jahr vorgelegt werden soll, hat die Bundesregierung die Stoßrichtung bereits vorgegeben: Angefragt wurde ein Leitbild vom Alter, „das die Fähigkeiten und Stärken älterer Menschen betont und dazu beiträgt, dass diese ihren Beitrag in Wirtschaft und Gesellschaft leisten“. Ein Leitbild also, das allein ressourcenorientiert ist und auf die (noch) bessere ökonomische Verwertbarkeit alter und älterer Menschen abzielt. Nichts gegen die Würdigung der Potenziale älterer Menschen. Aber hier geht es um eine weitere „produktivistische Mobilmachung der Gesellschaft“ (Lessenich). “Aktives Altern” Gesund, gebildet und finanzstark wünscht man sich die silver agers. Aktives Altern wird erwartet, die Bereitschaft, für die EnkelInnen einzuspringen und so fehlende KiTa-Plätze zu ersetzen, möglichst noch das berufliche Knowhow ehrenamtlich zur Verfügung zu stellen und Fröhlichkeit und Optimismus zu verbreiten. Nach der gesetzlich verlängerten Lebensar- Die Altenberichte der Bundesregierung werden seit 1993 in jeder Legislaturperiode erarbeitet. Ziel ist die „kontinuierliche Unterstützung altenpolitischer Entscheidungsprozesse“. Bis heute wurden sechs Altenberichte erstellt, der siebte ist in Vorbereitung und für 2015 geplant. Wir dokumentieren die Titel und eine knappe Beschreibung der Berichte. So lässt sich die politische Neubestimmung des Altersleitbildes gut erkennen. 1. Die Lebenssituation älterer Menschen in Deutschland (1993) Dieser Bericht erstellt erstmals eine genauere Analyse. 2. Wohnen im Alter (1998) Es werden Qualitätsanforderungen an vorhandene und an neu zu bauende „Wohnwelten“ des allgemeinen Wohnungsbestandes sowie an spezifische Wohnformen und bei speziellem Hilfebedarf benannt. 3. Alter und Gesellschaft (2001) Der Bericht zieht eine Bilanz der allgemeinen Lebenssituation Älterer sowie deren Entwicklung innerhalb der ersten zehn Jahre nach Vollendung der deutschen Einheit und entfaltet Zukunftsperspektiven und Handlungsempfehlungen. Erstmals werden die individuellen und gesellschaftlichen Ressourcen älterer Menschen und deren Bedeutung für ein selbständiges, aktives und produktives Leben im Alter thematisiert. 4. Risiken, Lebensqualität und Versorgung Hochaltriger (2002) Dieser Spezialbericht befasst sich eingehend mit den Lebensbedingungen und Bedürfnissen der über 80-Jährigen, vornehmlich dementen Menschen. 5. Potenziale des Alters in Wirtschaft und Gesellschaft (2006) Der Bericht beschreibt die Potenziale älterer Menschen, einschließlich Migrantinnen und Migranten, in den folgenden untersuchten Feldern: Erwerbsarbeit, Bildung, Einkommenslage, Seniorenwirtschaft, Familie und private Netzwerke, Engagement und Teilhabe. Die meisten älteren Menschen strebten keineswegs einen völligen Rückzug aus wichtigen gesellschaftlichen Aktionsfeldern an. Wenn die Bedingungen stimmten, seien viele Seniorinnen und Senioren zu einer Fortsetzung oder sogar Ausweitung ihres Engagements in Beruf, Wirtschaft und Gesellschaft bereit. 6. Altersbilder in der Gesellschaft (2010) Der Bericht weist auf die nach wie vor dominierenden Altersbilder in zentralen Bereichen der Gesellschaft hin, die angesichts der Vielfalt der Lebensstile und der Lebensumstände im Alter häufig die Realität nicht widerspiegeln. Eine Überprüfung aller Altersgrenzen und der Ausbau ehrenamtlicher Strukturen werden vorgeschlagen. Die Kampagne Alter neu denken – Altersbilder startet im Dezember 2011. 7. Sorge und Mitverantwortung in der Kommune – Aufbau und Sicherung zukunftsfähiger Gemeinschaften (2015) Quelle: Wikipedia, gekürzt 5 beitszeit folgt nicht mehr der „wohlverdiente Ruhestand“, nein, auch nach dem möglichst späten Ausscheiden aus dem Erwerbsleben wird von den Alten umfassende Bereitschaft zum Engagement eingefordert: im Ehrenamt, in der Pflege, zum Erhalt eigener Leistungsfähigkeit. Zudem konzentriert sich dieses Leitbild – ohnehin vom Inhalt her fragwürdig genug ausschließlich auf den bürgerlichen Mittelstand. Alle diejenigen, die mit ihrer Rente kaum über die Runden kommen, die vom gesellschaftlichen Leben nahezu ausgeschlossen sind, weil ihnen schlicht die finanziellen Mittel dazu fehlen, werden ein weiteres Mal ausgegrenzt. Sie sind für die Ökonomisierung dieses Lebensabschnittes längst verloren. Dagmar Fries Das Klischee der Silver Agers in der Werbung: friedlich, freundlich, glücklich lächelnd und zahlungskräftig! Ja, so hätten sie es gerne ... Bildnachweis Seiten 10 und 11: Oben: © Depositphotos.com/hannamonika Rechte Spalte und Seite 7: © G. Wangerin 6 Flüchtlinge Momentaufnahmen 2014 Überwintern in Baracken, Containern oder Zelten? Flüchtlinge brauchen mehr als Essen und ein Dach über dem Kopf Der Winter steht bevor, doch die schleppende Suche nach beheizbaren Unterkünften für die Flüchtlinge in Deutschland offenbart ein Versagen staatlicher Organe. In den letzten Wochen ist die „Bayernkaserne“ in München zum Synonym für unhaltbare, entwürdigende Zustände geworden, ein hoffnungslos überfülltes Lager für Menschen, die zum Teil schwer traumatisiert sind oder als unbegleitete Minderjährige oft bloß ihr Leben retten konnten. Medienberichte über das Elend lösten diesmal, ein Jahr nach der Flüchtlingskatastrophe von Lampedusa, eine Welle der Solidarität in der Bevölkerung aus. Privatleute, Initiativen und Verbände organisierten Sachspenden und leisteten engagierte „Ersthilfe“, ohne die beschämende Vernachlässigung durch staatliche Stellen kompensieren zu können. Für Politik und Bürokratie kam es offenbar völlig überraschend: Dass von den Millionen Menschen, die aus den Armuts-, Kriegs- und Krisengebieten dieser Welt auf der Flucht sind, eine gewisse Anzahl nach Deutschland kommen würde, wer konnte das ahnen? Bei dem „enormen Anstieg der Flüchtlingsströme“, den Politiker beklagen, geht es – wohlgemerkt – um 170.000 bis 200.000 Asylanträge bundesweit, mit denen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in diesem Jahr rechnet. Bezogen auf über 80 Millionen Einwohner im wirtschaftlich stärksten Land Europas eine doch recht überschaubare Quote. Nur ein kleinerer Teil der Asylanträge in Deutschland wird zudem überhaupt anerkannt. Mitten in der „Festung Europa“ Nach EU-Recht müssen Flüchtlinge ihren Asylantrag in dem Land stellen, in dem sie zuerst eingereist sind. Deutschland liegt fernab von den traditionellen Flüchtlingsrouten (z.B. über das Mittelmeer oder die Balkanstaaten). Jeder Flüchtling, der nicht gerade per Flugzeug nach Deutschland kommt, hat also vorher schon ein anderes EU-Land betreten und kann jederzeit dorthin zurückgeschickt, „abgeschoben“ werden. Für Einreisende aus „sicheren Drittländern“ fühlen sich deutsche Behörden nämlich nicht zuständig. Allerdings sollten es die anderen EU- Länder wie Italien aus deutscher Sicht mit der Registrierung der Flüchtlinge etwas genauer nehmen – Ordnung muss sein. Auf die Flüchtlingstragödien, die sich an den Grenzen Europas ereignen, kann von hier aus offenbar leicht ein kühl distanzierter Blick geworfen werden. Denn in Deutschland gibt es keine Strände, an denen Boote voller Menschen oder deren Leichen angespült werden. Stattdessen gibt es Abschiebeverfahren, Haft, Lager. Und angeblich viel zu wenig Platz, um Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen. So wie das Credo der Innenministerkonferenz eben unverändert „noch mehr Repression und Abschreckung, noch mehr Fingerabdrücke, noch mehr Unterstellung von Missbrauchsabsicht, noch mehr Abschiebungen“ lautet (Prantl, SZ 18.10.2014). Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge Für Helfer und Betroffene ist die Lage der jungen Flüchtlinge besonders unerträglich, die sich allein bis nach Deutschland durchgeschlagen haben, weil sie von ihren Familien getrennt wurden, ihre Eltern verloren haben oder vor sexualisierter Gewalt geflohen sind. Wenn sie hier ankommen, werden sie vom Jugendamt in Obhut genommen, um zu klären, wie ihre familiäre, gesundheitliche und psychosoziale Situation ist. Für eine entsprechende personelle und finanzielle Ausstattung der Jugendämter zu sorgen, wäre Sache des Staates, denn nach der UN-Kinderrechtskonvention und der EU-Grundrechtecharta steht das Kindeswohl an allererster Stelle. Doch daran hapert es. Da viele Jugendliche ohne Ausweispapiere an- reisen, werden sie zur Altersbestimmung fragwürdigen Prozeduren (Röntgen-, genitale Untersuchungen) unterzogen. Etwa 30% von ihnen versuchen sich jünger zu machen, um als Mündel im Asylverfahren bessere Unterstützung zu erhalten. Umgekehrt geben sich manche aber auch als älter aus, um nicht von ihren 18- oder 19-jährigen Freunden getrennt zu werden oder Geld verdienen zu können. Selbstbestimmungsrecht Die „Willkommenskultur“ in Deutschland verlangt von Flüchtlingen, dass sie geduldig ihr weiteres Schicksal abwarten, sich hin und her oder abschieben lassen. Um ihnen Sicherheit und eine Zukunftsperspektive zu bieten, bräuchten sie eine rasche Aufenthaltsgenehmigung, den Abbau bürokratischer Hindernisse, die Abschaffung von Lagern, Essenspaketen und der Residenzpflicht. Das Recht, selbst entscheiden zu können, was sie essen, wo sie wohnen und arbeiten möchten, sowie die Bezahlung von Sprachkursen, Kinderbetreuung, Krankenver- sicherung wären erste Schritte zu einer gastfreundlichen Annäherung an die Neuankömmlinge. Walburga Rempe “Nützliche” Migranten Eine Studie des (arbeitgebernahen) Institutes der deutschen Wirtschaft (IW) ergab: Migranten nutzen dem deutschen Staat und der Wirtschaft. Der Direktor des Institutes, Michael Hüther, forderte: Deutschland muss sich zur Sicherung des Wohlstands und seiner Wirtschaftskraft weiter öffnen, um im internationalen Konkurrenzkampf bestehen zu können. Die Studie berichtet von einem erhöhten Bedarf an Fachkräften in den kommenden Jahren, besonders in den Gesundheits- und Pflegeberufen. Auch Mathematiker, Ingenieure, Naturwissenschaftler und Techniker würden gebraucht. Bis 2030 verringere sich aufgrund des Demographiewandels die Zahl der Fachkräfte, umgerechnet auf Vollzeitstellen, um 2,4 Millionen. Dabei ist eine Zahl von etwa 100.000 Zuwanderern bereits eingerechnet. Migranten seien häufig hoch qualifiziert und es gebe prozentual mehr Hochschulabsolventen unter ihnen als bei den Deutschen. Auch der Anteil der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten unter den Zuwanderern liege mit 41,9 Prozent höher als bei den in Deutschland Geborenen mit 35,5 Prozent. Sie finanzierten also die Rentenversicherung und das Gesundheitssystem mit. Quelle: DIE ZEIT, Januar 2014 7 Kinderwunsch - auf Eis gelegt? Social freezing und die möglichen Folgen Kommt da wieder eine aufregende Neuerung auf uns Frauen zu, die uns mehr Unabhängigkeit bringt und uns zu mehr Selbstbestimmung über den eigenen Körper ermächtigt? Oder wie ist das zu bewerten, was da aus dem Silicon Valley plötzlich zu uns rüber schwappt? Um es gleich vorweg zu nehmen: Die Autorin dieser Zeilen packt das (eis)kalte Grausen bei dieser Vorstellung. Facebook und Apple machen es vor: Sie wollen sich mit viel Geld in die Lebensplanung ihrer (jungen) Mitarbeiterinnen einmischen. Sie finanzieren jungen Frauen das Einfrieren von Eizellen, damit sie ihren Kinderwunsch zugunsten der Karriere verschieben können. Das alles ist natürlich freiwillig, wird versichert, niemand wird dazu gezwungen. Das wäre auch noch schöner, kann frau darauf nur antworten. Jedoch: Bis zu 20.000 Dollar zahlen die Unternehmen den Frauen, gedacht für die Kosten der Eizellentnahme und der anschließenden Lagerung (“egg freezing”). Da wird schon ein gewaltiger Druck aufgebaut. Was geschieht mit den Frauen im “gebährfähigen Alter”, die das nicht mitmachen wollen? Die eine Schwangerschaft erleben wollen und den Zeitpunkt dafür selbst bestimmen möchten, unabhängig von den ökonomischen Interessen des Unternehmens, in dem sie gerade tätig sind? Denn natürlich ist klar, dass sich ein Betrieb die Verfügungsgewalt über seine Beschäftigten möglichst umfassend sichern möchte. Da stören ältere oder kranke ArbeitnehmerInnen nur, schließlich besteht doch die Gefahr, dass sie nicht ganz so leistungsfähig sind, wie die Herren (ja, es sind meistens Männer!) Vorstände sich das so vorstellen. Und schwangere Frauen und 8 junge Mütter stören ganz besonders, erst brauchen sie Mutterschutz, dann womöglich Elternzeit, es gibt sicher Fehlzeiten, wenn Kinder mal krank werden - und das alles in einem Alter, in den sogenannten “besten Jahren”, wo sie doch eigentlich ganz besonders leistungsfähig wären und wie geschaffen für eine Karriere! © Depositphotos.com/videodoctor Damit ich nicht falsch verstanden werde: Es geht mir nicht um die Frage, ob hier in einen “natürlichen” Vorgang eingegriffen wird - jede medizinische Behandlung ist (auch) ein Eingriff in natürliche Abläufe. Wenn Frauen - aus welchen Gründen auch immer - sich ihre Fruchtbarkeit für einen späteren Zeitpunkt sichern wollen, dann sollen sie das tun. Es ist ihre Entscheidung. Und das ist der springende Punkt: Es muss auch ihre Entscheidung bleiben! Das “Angebot” der Unternehmen, das Kinderkriegen verschieben zu können, ist nicht so uneigennützig, wie diese gerne behaupten. Es ist und bleibt ein Eingreifen in einen sehr privaten Bereich, wie es Lebens- und Familienplanung nun einmal sind. Werden sich Frauen künftig dafür rechtfertigen müssen, weil sie das Kinderkriegen nicht auf später verschoben haben? Grausig die Vorstellung, der Arbeitgeber könnte genauestens Bescheid wissen über meinen Zyklus, die Zahl meiner eingefrorenen Eizellen, meine Lebensplanung. Wird das künftig eine Rolle spielen bei Bewerbungsgesprächen, wird mein mangelndes Interesse an social freezing möglicherweise als Indiz dafür gewertet, dass ich an einer Karriere nicht interessiert bin? Richtig, es ist schwer, Kinder und Karriere zu vereinbaren. Viele Frauen bringt es an die Grenzen dessen, was sie zu leisten imstande sind. Das wissen wir Gewerkschafterinnen seit langem - und seit langem kämpfen wir für bessere Bedingungen in Betrieb und Gesellschaft für Mütter und Väter und ihre Kinder. Und wir treten dafür ein, dass sich die Unternehmen, die Arbeitsbedingungen an die Beschäftigten anzupassen haben und nicht umgekehrt. Hier jedoch wird eine eindeutige Botschaft gesendet: Karriere geht nur ohne Kinder und wenn frau jung ist. Wenn sie schon Kinder haben will, sollte sie das auf später verschieben. Die Unternehmer wollen sich nicht ändern - die Frauen sollen sich ändern. Und das wollen wir nicht! Dagmar Fries Mädchen in Rosa und Jungs in Blau Schreib doch mal was zum Thema „Mädchen in Rosa“. Das war mein Auftrag. Schon lange habe ich mich mit einem Artikel nicht mehr so schwer getan wie mit diesem. Und warum? Ganz einfach: Immer wenn ich mich damit befassen wollte, habe ich bei dem Gedanken an Rosa rot gesehen. Mit Rosa verbinde ich niedlich, süß und prinzessinen-like. Kennen Sie Lillifee? Falls ja, dann wissen Sie was ich meine. Um mich dem Thema anzunähern wollte ich wissen, ob das eigentlich schon immer so war. Blau gleich Jungs und Rosa gleich Mädchen. Laut Wikipedia war die Farbverteilung früher anders: „Rosa wirkt sanft und weich, weshalb es seit den 1920er Jahren allgemein mit Weiblichkeit assoziiert wird. Vorher galt Rosa als männlicher Babyfarbton. Rot hat die Assoziationen Leidenschaft, Blut, aktiver Eros und Kampf. Somit galt es lange Zeit als „männliche“ Farbe und Rosa, das „kleine Rot“, wurde Jungen zugeordnet. Blau dagegen ist in der christlichen Tradition die Farbe von Maria. Somit war Hellblau, das „kleine Blau“, den Mädchen vorbehalten.“ Der Farbpsychologe Professor Harald Braem widerspricht dieser Einschätzung. Er meint: „Jungen lieben Blau, metallische Farben und Schwarz, als Versinnbildlichung des Protests. Mädchen hingegen gehen auf Rosa und Pink. Das ist ein weltweites Phänomen. Rosa entspannt, stimmt friedlich, vermittelt Geborgenheit und Liebe und bietet quasi einen Schutzraum, was alle Mädchen instinktiv erkennen. Viele Forscher sehen die Ursache für die unterschiedlichen Farbwahrnehmungen der Geschlechter dafür in der menschlichen Veranlagung: Während die Männer zur Jagd gingen und sich am Himmel, am Wetter und am Wasser orientierten, haben sich die Frauen um die unmittelbare Umgebung und das Sammeln von Beeren, Obst und Gemüse gekümmert. Aus diesem Grund haben sie eine erhöhte Aufmerksamkeit auf die unterschiedlichen Rottöne von reifen Beeren und Früchten gerichtet.“ Aber auch für diese Sicht gibt es berechtigte Zweifel. Gingen wirklich nur Männer in der Steinzeit jagen? Hätten sie große Wildtiere überhaupt in den kleinen Sippen ohne die Frauen erlegen können? Wirklich weiter bringen mich diese verschiedenen Blicke auf die Geschichte auch nicht. Lassen wir doch mal eine Frau zu Wort kommen und zwar Imke Schmincke, Mitarbeiterin des Lehrstuhls Genderstudies an der Ludwig-Maximilians-Universität in München: „Rosa verbindet man mit Eigenschaften wie zart, zurückhaltend, verspielt. Wenn Mädchen diese Eigenschaften verinnerlichen, könnte das dazu führen, dass es karriereschädigend für sie ist - eine Prinzessin kann schließlich keine Karriere machen.“ Persönlichkeit zu entwickeln, wenn wir sie von klein auf in diese Geschlechterklischees zwängen. Viele Mütter von Mädchen berichten, dass sie versucht hätten, sich dem Rosa-Wahn zu entziehen. Die meisten sind aber gescheitert. Die Bekleidungs- und Spielzeugindustrie macht ihnen hier einen dicken Strich durch die Rechnung. Hier greift jetzt die Inititiative Pinkstinks ein. Pinkstinks ist eine Kampagne gegen Produkte, Werbeinhalte und Marketingstrategien, die Mädchen eine limitierende Geschlechterrolle zuweisen. Diese „Pinkifizierung“ trifft Mädchen und Jungen gleichermaßen und Pinkstinks möchte diesem Trend entgegenwirken. Sie werben für ein kritisches Medienbewusstsein, Selbstachtung, ein positives Körperbild und alternative weibliche Rollenbilder für Kinder. Bettina Messinger Abbildungen auf dieser Seite: © Depositphotos.com/ lunamaria (links) und /woodhouse (unten) Eines ist also sicher: Mit den festgelegten Farben für Jungs und Mädchen verfestigen wir von Anfang an klassische Rollenbilder. Wir nehmen den Kindern die Möglichkeit, alle Facetten ihrer 9 Sexualisierte Werbung Was hat ein spärlich bekleideter Frauenkörper mit Elektroartikeln zu tun? Warum denkt eine Brauerei den Bierkonsum mit dem Bild von drei nackten Frauen zu erhöhen? Warum glaubt ein Autohersteller seine Autos verkaufen sich besser wenn sich im Kofferraum drei gefesselte, in Leder gekleidete Frauen mit üppigen Brüsten befinden? Und warum wird überhaupt häufig mit Frauenkörpern geworben - ohne jeden Bezug zu dem beworbenen Produkt? Man könnte fast den Eindruck gewinnen, dass sich mit produktbezogener Werbung kein Umsatz mehr erzielen ließe, so häufig setzen manche Werbemacher auf die einfache Weisheit „sex sells“ (Sex verkauft (sich)). Allein in der Alkoholwerbung in den Jahren 1983 bis 2003 zeigt sich ein Anstieg sexualisierter Darstellungen von Frauen (Darstellung von Nacktheit, sexuellem Verhalten oder Anspielungen und Doppeldeutigkeiten) von vier auf 33 Prozent. Werbung findet heute überall statt, im Fernsehen, im Radio, im Internet, in den Printmedien und im öffentlichen Raum. Es ist unmöglich, der Werbung zu entgehen und somit wird man auch mit sexistischer Werbung täglich konfrontiert. Sie ist für die meisten von uns schon so „normal“ geworden, dass sie uns überhaupt nicht mehr auffällt. Diese allgegenwärtigen Bilder von nackten Frauen sind keineswegs harmlos, sie verstärken den Sexismus in der Gesellschaft, wie Forscherinnen aus Princeton herausgefunden haben. Wer Frauen nur noch als Lustobjekte wahrnimmt sieht sie als käufliches Produkt. Welchen Einfluss Werbung hat und wie sie sich in unser Gedächtnis einprägt, zeigt ein kleiner Test: Sicherlich kann jeder folgende Sätze ergänzen: Nichts ist unmöglich … oder have a 10 break, have a … . Die ständige Wiederholung von Werbesätzen prägt sich ebenso ein wie die ständige Wiederholung von Bildern. Und so verinnerlichen sich bei Mädchen und Frauen, die diese Werbung täglich sehen, diese „Standards“ und sie definieren danach den eigenen Wert. Nur wenn der eigene Körper dem in der Werbung entspricht (jung, attraktiv, schlank), ist man sexy, alles andere ist unattraktiv. Und Männer und Jungs bekommen das Bild der immer verfügbaren Frau, deren ganzes Bestreben ist, für den Mann zur Verfügung zu sein und seinen Lustgewinn zu erhöhen. In einer Studie von 1997 wurden Männern sexistische Werbespots gezeigt. Anschließend mussten sie Frauen beurteilen, die sich um einen Job bewarben. Im Vergleich zu Kontrollgruppen, die vorher keine sexistischen Werbespots sahen, beurteilten die Männer die selben Frauen als weniger kompetent und erinnerten sich mehr an die körperlichen Eigenschaften dieser Frauen. Die Werbung suggeriert uns wie die Welt und die Menschen zu sein haben und bedient sich dabei gängiger Klischees. Die Frau als putzende Hausfrau und Mutter, immer auf ihre Schönheit bedacht, immer sexy. Der Mann als Macher, stark und voller Tatendrang. Hinzu kommt, dass auch die Heterosexualität als die „Norm“ definiert, ja geradezu zelebriert wird. So erklärte etwa der Vorsitzende der „Barilla“ Gruppe, Guido Barilla, in einem Interview mit dem italienischen Sender Radio 24: „Die heilige Familie ist in unserer Firma ein fundamentaler Wert, einen Werbespot mit Homosexuellen würden wir nie machen. Sexistische Werbung hat klare Auswirkungen auf die Gesellschaft, sie verfestigt tradierte Rollenbilder und behindert damit die Gleichstellung zwischen den Geschlechtern. Verstehen die Werbemacher tatsächlich nichts von Kreativität jenseits sexueller Darstellungen? Wo sind die Frauen in Führungspersonen in der Werbeindustrie, die merken, wenn die Grenze zur Geschlechterdiskriminierung überschritten Foto: © Depositphotos.com/edfoto wird? Oder bleibt wirklich als einzige Möglichkeit, sexualisierte Darstellungen in der Werbung mittels Gesetz zu regeln? Schließlich ergibt sich aus dem Grundgesetz die Pflicht des Staates, die Gleichberechtigung zu fördern. Geschlechtsdiskriminierende Werbung hingegen verfestigt bestehende Stereotypen. Das antisexistische Bündnis „Pinkstinks“ (www.pinkstinks. de) hat einen Gesetzentwurf entwickelt, der sexistische Werbung verbieten soll. Unterstützt wird das Vorhaben u.a. vom Deutschen Frauenrat, Terre des Femmes und dem Deutschen Juristinnenbund und damit den drei wichtigsten Frauenrechts-NGOs in Deutschland. Gertrud Fetzer-Wenngatz In diesem Jahr hat Pinkstinks eine Kampagne gestartet und eine Gesetzesnorm gegen Sexismus in der Werbung online gestellt. Das Ziel der Kampagne ist das Verbot von sexistischer Werbung durch eine Erweiterung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) um folgende Norm: § 7a UWG Diskriminierende Werbung (1) Eine geschäftliche Handlung, durch die Marktteilnehmende in diskriminierender Weise angesprochen werden, ist unzulässig, wenn nicht verfassungsrechtlich geschützte Interessen ausnahmsweise überwiegen. Die Dis- kriminierung kann sich aus der Aussage einer Werbung, ihrem Gesamteindruck oder der Gesamtheit der einzelnen Teile einer Werbekampagne ergeben. (2) Werbung ist geschlechtsdiskriminierend, wenn sie Geschlechtsrollenstereotype in Form von Bildern oder Texten wiedergibt oder sich in sonstiger Weise ein geschlechtsbezogenes Über-/Unterordnungsverhältnis zwischen den Personen in der Werbung oder im Verhältnis zu den von der Werbung adressierten Personen ergibt. Werbung ist insbesondere geschlechtsdiskriminierend, wenn sie 1. Menschen aufgrund ihres Geschlechts Eigenschaften, Fähigkeiten und soziale Rollen in Familie und Beruf zuordnet oder 2. sexuelle Anziehung als ausschließlichen Wert von Frauen darstellt oder 3. Frauen auf einen Gegenstand zum sexuellen Gebrauch reduziert, insbesondere indem weibliche Körper oder Körperteile ohne Produktbezug als Blickfang eingesetzt werden oder der Eindruck vermittelt wird, die abgebildete Frau sei wie das Produkt käuflich.“ Ziel der Norm ist es, der Verfestigung von Geschlechtsrollenstereotypen durch Werbung entgegenzuwirken. Geschlechtsrollenstereotype wirken freiheitseinschränkend. Sie reduzieren die Geschlechter „Mann“ und „Frau“ auf feste, teilweise enge Eigenschafts-, Verhaltens- und Interessenmuster und schränken damit die Entfaltungsfreiheit von Menschen jeden Geschlechts ein. Quelle: www.pinkstinks.de - dort kann frau auch unterschreiben! Quantified Self Self-tracking - am besten mit den richtigen Apps und Vitalitätssensoren – vernetzt mit Waage, Schrittzähler, Schlafsensoren. Integriert in Smartphone und Kleidung, und wenn dein Verhalten vom erwünschten abweicht, kommt sofort ein Feedback. Erinnern an das tägliche Sportprogramm, ein elektronischer Tritt in den Hintern, wenn das Essverhalten mal wieder nicht stimmt und natürlich das obligatorische Winken mit der Terminliste … Das Dumme ist, dass viele gar nicht merken, dass sie nicht die einzigen sind, die sich beobachten. Bewegungsprofile sind da nur das kleinste Problem. Wäre es nicht ganz spannend für die Krankenkassen, genau darüber Bescheid zu wissen, wie gesund (oder eben gerade nicht) ihr Kunde lebt? Und perspektivisch vielleicht die Zahlungen vom Wohlverhalten abhängig zu machen. Andere Interessenten an diesen Daten sind natürlich alle, die Dir etwas verkaufen wollen. Und wir sollten nicht die verschiedenen mehr oder weniger geheimen „Dienste“ vergessen – ist doch einfacher, mitzulesen als mühsam zu beschatten und zu bespitzeln. Dazu sind immer häufiger gar keine Intrusionen in die mehr oder weniger ungesicherten privaten Netzwerke notwendig, weil die Beobachtungsobjekte so freundlich sind, die Daten selbst zu veröffentlichen. Und warum Druck auf die Menschen ausüben, wenn sie im Rahmen der Selbstoptimierung die gewünschten Verhaltensweisen selbst trainieren? Community und gadgets geben schon die erforderlichen Impulse. Big brother ist längst von der big family assimiliert worden. Corinna Poll 11 Schlusspunkt! Deutsche Sitzgelegenheit für Asylsuchende © Alle Karikaturen auf dieser Seite: Klaus Stuttmann 12