Der Preis ist heiß – Der Weg zum wertbasierten Anzeigen-Pricing Bewegte Zeiten: Seit Jahren sind die Anzeigenumsätze rückläufig. Gefragt sind deshalb neue Strategien, um Privatkunden, Firmen und Mediaagenturen als Inserenten für die Zeitungen zu gewinnen. Erfolgsversprechend erscheint dabei der Ansatz, nicht länger auf Daumenregeln, Bauchgefühl und Traditionen, sondern auf die Vermittlung des tatsächlichen Wertes einer Anzeige für die Kunden zu setzen. Der Preis ist heiß – Der Weg zum wertbasierten Anzeigen-Pricing Der Preis ist heiß – Der Weg zum wertbasierten Anzeigen-Pricing Schaubild 1 Zwei Säulen sind die Grundlage einer exzellenten Preisstrategie Pricing-Excellence Von Florian Bauer Preisfindung Seit einigen Jahren sehen sich Verlage einem wachsenden und immer ernster werdenden Bündel von Problemen gegenüber: Die Produktionskosten steigen, die Auflagen sinken, die Anzeigenerlöse gehen zurück und werden zudem merklich volatiler. Es sind Rezepte gefragt, wie diesen Entwicklungen begegnet werden kann. Für Vertriebserlöse gibt es bereits vielversprechende Ansätze. An dieser Stelle sei deshalb den Anzeigenerlösen mehr Aufmerksamkeit geschenkt, bilden sie doch nach wie vor – trotz aller Schwankungen – die zweite, unverzichtbare Umsatzsäule. Notwendig sind neue Strategien, neue Denkweisen und neuer Mut. Die erste Herausforderung ist, ein Verständnis für die unterschiedlichen Bedürfnisse der verschiedenen Kundengruppen zu entwickeln. Denn im Anzeigengeschäft gibt es nicht nur „den einen“ Kunden, sondern selbst auf hoher Aggregationsstufe mindestens drei, die wiederum nach einer individuellen Ansprache, Produkt- und Preisstrategie verlangen: Mediaagenturen, (lokale/regionale) Geschäftskunden und private Anzeigenkunden. Jedes Segment hat seine eigenen Erwartungen, Vorstellungen und Verhaltensweisen in Bezug auf eine Anzeigenschaltung. 236 So lebt beispielsweise eine Agentur von dem Rabatt, den sie aushandeln kann, und hat daher auch nichts gegen hohe Listenpreise einzuwenden. Die Geschäftskunden stellen eine besondere Herausforderung dar, da es sich hierbei um eine sehr heterogene Gruppe handelt. Es sind verschiedenste Branchen, Unternehmensgrößen und Zielvorgaben vertreten, was eine nochmals differenzierte Kundenansprache und Preisgestaltung verlangt. Zudem lassen sich Geschäftskunden im Gegensatz zu Mediaagenturen durchaus von hohen Listenpreisen abschrecken. Sie denken eher in „Ad-hoc-Budgets“ als in Rabatten oder „Kickbacks“. Ein wiederum anderes Verhalten legt die dritte Zielgruppe an den Tag: Private Kunden planen keine regelmäßige Schaltung von Zeitungsannoncen. In der Regel haben sie einen kurzfristigen Bedarf zu befriedigen, wodurch der Preis eine andere Rolle spielt, eine teilweise noch geringere als bei Agenturen, und Rabattverhandlungen gewöhnlich entfallen. Es gilt, alle drei Kundenperspektiven zu verstehen und in einer differenzierten Preisstrategie zu berücksichtigen. Denn alle „über einen Kamm zu scheren“, heißt nichts anderes, als Marge zu verschenken. Bisher wird diese Heterogenität der Kundensegmente jedoch weitgehend vernachlässigt – sowohl im Preisdurchsetzung Preishöhe Operative Ebene Preisstruktur Strategische Ebene Bundling Preisdifferenzierung Wertbasiert Konsequent Grundlage Quelle: Vocatus Hinblick auf das Angebotsportfolio als auch auf die Preisstruktur und die Kommunikation. Unter Berücksichtigung dieser verschiedenen Kundenbedürfnisse gilt es, insbesondere die Preis- aber auch die Produktstrategie zu optimieren. Im Folgenden wird dabei vor allem auf die Geschäfts- und Privatkunden eingegangen, da die Metrik der Mediaagenturen eine vollkommen andere ist. Sie unterscheidet sich BB0512 zum einen zu sehr von den anderen beiden Segmenten und zum anderen lässt die Verhandlungsposition von Verlagen gegenüber Mediaagenturen viel weniger Gestaltungsspielraum zu. Ein Grund mehr, diesen Spielraum bei den anderen Werbungtreibenden zu nutzen, die einem dies ermöglichen. Preisstrategien im Anzeigengeschäft basieren auf traditionellen Ansätzen, die historisch ge- 237 Zeitungen 2012/13 wachsen sind und mit der Zeit immer weiter ausgebaut wurden. Inzwischen sind die Strukturen sehr komplex und selbst für Profis kaum mehr zu durchschauen. Eine effektive Preisstrategie steht auf zwei Säulen: einer wertbasierten Preisfindung und einer konsequenten Preisdurchsetzung (siehe Schaubild 1), die beide konsequent gepflegt und kontinuierlich hinterfragt werden müssen. Entwickelt man die Preisstrategie für Anzeigen auf Basis dieser Grundlage, lassen sich passgenaue und kundenorientierte Maßnahmen ableiten, die ungeahnte Erlöspotenziale versprechen. Doch bevor die Preisstrategie optimiert werden kann, ist es zunächst einmal wichtig, den (derzeitigen) Anzeigenmarkt zu analysieren und mögliche Problemfelder zu identifizieren. Der Glaube an den „Homo oeconomicus“ Ein Pfeiler der Preisstrategie ist die Preisfindung. Doch woran macht derzeit ein Verlag seine Anzeigenpreise fest? An allem, nur meist nicht am subjektiven Wert, den eine Anzeige für den Kunden schafft. Zum einen liegt der Ursprung dafür in einer „inside-out“ gerichteten Perspektive. Man bepreist das Produkt „Anzeige“ entlang von produkt(ions)orientierten Dimensionen: nach Millimeter, Farbe oder Tausender-Kontakt-Preis (TKP). Aber der Kunde kauft nicht Millimeter oder Farbe und TKP. Was er kauft, ist Umsatz, Kundenbesuche, das Gefühl, das Richtige zu tun oder die Hoffnung auf einen positiven Imageeffekt. Diese Bedürfnisse werden durch die Preisstrategien der Verlage aber nicht abgebildet. Damit wird es aber auch unmöglich, den Preis aus Kun- 238 Der Preis ist heiß – Der Weg zum wertbasierten Anzeigen-Pricing densicht wertorientiert zu rechtfertigen. Und dann beginnt zwangsläufig das „Gefeilsche“ um Prozente, weil dies die einzig verbleibende Dimension ist, die am Ende beide Parteien verstehen. Zum anderen ist der Grund für die suboptimalen Preisstrategien in einem falschen Konsumentenbild zu suchen: Viele Verlage sehen den Werbetreibenden nach wie vor als einen sogenannten „Homo oeconomicus“; ein Phantom, das alle Preise kennt, intensiv vergleicht und sich grundsätzlich für das Angebot mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis entscheidet. Aber, es gibt diesen Kunden in der Realität kaum. Im Gegenteil, Werbungtreibende − und auch Geschäftskunden – sind am Ende nur Menschen, deren Hauptbeschäftigung nicht die Buchung von Anzeigen ist. Sie machen bei Entscheidungen „Fehler“, die zwar aus ökonomischer Sicht unverständlich, aber vorhersagbar und damit preisstrategisch nutzbar sind. So lassen sich viele Kunden mehr über andere Preismotive wie etwa ein einfaches Buchungssystem, überschaubare Kosten oder eine klare Kostenkontrolle als über einen möglichst günstigen Effektivpreis locken. Genau das gilt es zu nutzen. Wie „irrational“ das Verhalten eines Kunden sein kann, zeigt Schaubild 2. Bei einer Studie in einem B2B-Dienstleistungssektor wurden zwei Preismodelle gegenübergestellt: zum einen ein „Pay as you go“-Modell und zum anderen ein fixes Angebotspaket. Ersteres bietet eine variable, leistungsabhängige Abrechnung. Jeder Kostenpunkt wird separat aufgeführt, und ökonomische Risiken schließen sich praktisch aus, da nur genau das bestellt wird, was Schaubild 2 Beispiel Akzeptanz alternativer Preismodelle „Pay as you go“ • variable, leistungsabhängige Abrechnung • transparent, weil alle Kostenpositionen separat aufgeführt werden • fair, weil ökonomische Risiken für beide Seiten auch vorab begrenzbar sind (z. B. Mindestbestellumfang oder „Kostenairbag“) „Pakete“ • verschiedene Pakete mit unterschiedlichen Leistungsumfängen und festen Preisen • wenn Leistung im vorgegebenen Zeitraum nicht abgerufen wird, verfällt sie • faktisch hoher Preis, weil auch Leistungen eingepreist werden müssen, die nicht abgerufen werden Präferenz KMU 29% 71% „Homo oeconomicus“? Begründung der Präferenz: Verständlichkeit: 94% Kostenkontrolle: 86% Quelle: Vocatus auch benötigt wird. Dem gegenüber steht ein Angebotspaket, das einen festen Preis hat und verschiedene Leistungsumfänge pauschal beinhaltet. Wird die Leistung nicht abgerufen, verfällt sie nach einer bestimmten Zeit. Im Gegensatz zum ersten Ansatz ist der Preis relativ hoch, da auch Angebote eingepreist werden, die der Kunde eigentlich gar nicht benötigt. Der „Homo oeconomicus“ hätte sich relativ eindeutig für das variable „Pay as you go“-Modell entschieden, da es aus finanzieller Sicht günstiger und transparenter ist. Dennoch haben in der Studie 71 Prozent der Befragten das Angebotspaket gewählt. Begründet wurde die Präferenz mehrheitlich mit der besseren „Verständlichkeit“ und einer BB0612 „einfacheren Kostenkontrolle“. Insbesondere Letztgenanntes war ein entscheidender Punkt: Viele Kunden würden de facto damit zu viel bezahlen, aber der Entscheider hat vom ersten Tag an die absolute Sicherheit, dass er am Ende des Jahres sein Budget nicht überschreiten wird. Dahingegen muss er in der „Pay as you go“-Variante bis zum letzten Tag des Geschäftsjahrs mit dem geringen, aber doch vorhandenen Risiko leben, dass sein Etat noch überzogen werden könnte, was häufig signifikant negative Konsequenzen nach sich ziehen würde. Im umgekehrten Fall (Budgetunterschreitung) sind die Folgen aber auch nicht positiv – im Gegenteil: Für das nächste Jahr würde das Budget aufgrund des geringen Ver- 239 Zeitungen 2012/13 brauchs weiter reduziert. Allein dieses Beispiel zeigt, für Kunden – auch im B2B-Bereich – sind Motive jenseits einer möglichst günstigen Endsumme oftmals deutlich ausschlaggebender für die Kaufentscheidung als der Preis selbst. Versteht man dieses Verhalten und verabschiedet sich vom Glauben an den „Homo oeconomicus“, können diese Einsichten gezielt genutzt werden, um die eigene Strategie passgenau auszurichten. Säule 1: Die Preisfindung ist nicht wertbasiert Optimaler Weise setzt sich die erste Säule der „Preisfindung“ aus vier Aspekten zusammen, deren Ausgestaltung sich primär am wahrgenommenen Wert des Produkts aus Kundensicht orientiert („Value-based Pricing“): • Preishöhe • Preisstruktur • Bundling • Preisdifferenzierung Gegenwärtig orientieren sich die meisten Verlage jedoch nicht an diesem Idealfall, sondern halten sich bei der Preisfindung an altbekannte Abläufe, Glaubensansätze und dem eben beschriebenen Bild des „Homo oeconomicus“. Ein kurzer Blick, wie derzeit die Preise für Anzeigen festgesetzt werden, verdeutlicht den Status quo und die Optimierungsmöglichkeiten: Als preisstrategische Basis werden typischerweise die Preislisten des Vorjahres herangezogen, meist jedoch, ohne die bisherigen Strukturen überhaupt zu hinterfragen (Zitat eines Verlagsmitarbeiters: „Preisfindung? Die Preisliste habe ich von meinem Vorgänger 240 Der Preis ist heiß – Der Weg zum wertbasierten Anzeigen-Pricing übernommen“). Darauf aufbauend werden die neuen Preise bestimmt. Beeinflusst wird die Festlegung dabei von verschiedenen Faktoren: Wie ist die allgemeine Wirtschaftslage in der Region beziehungsweise bei meinen Anzeigenkunden? Hat der Wettbewerb seine Preise erhöht? Erlaubt die bisherige Auflagenentwicklung überhaupt einen Aufschlag? Sind die Produktionskosten gestiegen? Zusätzlich gibt es bestimmte „Daumenregeln“, wie eine maximale prozentuale Steigerung pro Jahr (O-Ton: „Mehr als drei Prozent können wir uns nicht erlauben“). Auch wird typischerweise darauf geachtet, dass bestimmte Preisrelationen erhalten bleiben, die für sich genommen aber nie validiert wurden (O-Ton: „Eine private Kleinanzeige darf nicht mehr kosten als 70 Prozent der vergleichbaren Geschäftsanzeige. Das haben wir schon immer so gemacht, das ist im Markt üblich.“) Daraus entsteht eine Preisstruktur, die sich kaum am eigentlichen Kundennutzen orientiert, sondern lediglich tradierte Ansätze fortschreibt. Schaubild 3 zeigt typische Dimensionen einer Anzeigenpreisstruktur, die im Verlagsalltag gelebt werden, jedoch nur bedingt den tatsächlichen Kundenwert widerspiegeln. Säule 2: Die Preisdurchsetzung ist nicht konsequent Die zweite Säule im Anzeigengeschäft ist eine konsequente Preisdurchsetzung. Sie ist genauso wichtig wie eine fundierte, wertbasierte Preisfindung, denn erst beides zusammen ergibt eine exzellente Preisstrategie. Während bei der Preisfindung „Wertorientierung aus Schaubild 3 Beispiele der Preisstruktur vs. Kundenwert Dimension der Preisstruktur Abbildung des Wertes aus Kundensicht Rubrik Preise werden je nach Rubrik unterschiedlich angesetzt, ausschlaggebend ist zum Beispiel die Preishöhe des angebotenen Produkts: Immobilienverkäufe teurer als Vermietungen; Verkäufe von Hausrat billiger etc. Werbeform Beilagen werden anders bepreist als Anzeigen in der Zeitung Up-Selling Bündelangebote/Kombipreise werden nach dem Schema festgesetzt: Summe der Einzelprodukte minus x Rabatt Auflage Preise werden auch über die Auflage differenziert: Mo-Fr billiger als Sa, da weniger Auflage Region Preise variieren auch regional über verschiedene Ausgaben, ausschlaggebend ist die Wettbewerbssituation und die wirtschaftliche Situation der Kunden vor Ort Kundensegment Bestimmte Preisrelationen zwischen Privatkunden, Geschäftskunden und Mediaagenturen werden als Zielwerte vorgegeben. So leiten sich aus einem Preispunkt für ein Segment die Preispunkte der anderen Segmente ab Niedrige Wertorientierung Quelle: Vocatus Kundensicht“ das Qualitätskriterium darstellt, ist es im Hinblick auf die Preisdurchsetzung die „Konsequenz“, mit der eine einmal definierte Preisstrategie umgesetzt wird. Denn die denkbar beste Preisliste hilft nichts, wenn sie im Markt nicht von jedem einzelnen Vertriebsmitarbeiter durchgesetzt wird. Doch sowohl auf strategischer als auch auf operativer Ebene gibt es hier mehrere Problemfelder, die einer beständigen Realisierung der festgeschriebenen Preise im Wege stehen: Hohe Wertorientierung BB0712 „Unsere Preisstrategie ist eine Rabattstrategie“ – Ein großes, von vielen Verlagen schon als unabwendbare Realität akzeptiertes Problem sind die vorherrschenden Rabattschlachten. Die Preislisten werden kaum mehr konsequent genutzt, sondern durch eine reine Rabatttaktik ersetzt. Die Preise selbst sind Makulatur. Seitens vieler Häuser ist es selbstverständlich, hohe und vor allem unbegründete Vergünstigungen zu gewähren. Es verkauft sich kaum mehr eine Anzeige zum regulären 241 Zeitungen 2012/13 Listenpreis. Inzwischen haben die Rabatte mit bis zu 80 Prozent Größenordnungen erreicht, die nicht nur ans Absurde grenzen, sondern die Wertigkeit des Produkts „Anzeige“ nachhaltig unterminieren. Getreu dem Zitat von Wilhelm Busch: „Mit scharfem Blick, nach Kennerweise, schau ich zunächst mal nach dem Preise. Doch bei genauerer Betrachtung steigt mit dem Preise auch die Achtung.“ – ist ein Produkt, das nichts kostet oder das unbegründet rabattiert wird, auch nichts wert. Das gilt insbesondere für solche, deren Wert weder messbar ist noch sich in der Preisstruktur abbildet, wie es bei Anzeigen meist der Fall ist. Wenn man nur den „Glauben an das Produkt“ verkauft, sinkt die Höhe des „geglaubten“ Wertes mit jedem Rabattpunkt. Dabei stellen sich zu wenig Vertriebsmitarbeiter die Frage, wie viele Werbeplätze mehr verkauft werden müssten, um dieses Rabattniveau wieder „hereinzuholen“. Ganz abgesehen von den langfristigen Kosten dieser Strategie: Welcher Kunde würde jemals wieder „reguläre“ Preise bezahlen, wenn er einmal vom süßen Nektar großer Rabatte gekostet hat? Natürlich werden Preisnachlässe genutzt, um den Buchungsanreiz zu verstärken. Aber wenn wir uns auf die Geschäfts- und Privatkunden konzentrieren, ist es wirklich der Rabatt, der sie zur Schaltung bewegt? In erster Linie geht es den Kunden um die Anzeigen an sich und deren Wert für ihr Anliegen. Sie hätten die Anzeige auch ohne Rabatt gebucht, werden diesen aber auch nicht ablehnen. Schauen wir uns den Automobilmarkt an: Der Hersteller redet in Anzeigen meist über Nachlässe und Sonderangebote und beim Händler haben Sie zehn Prozent Rabatt, bevor Sie eine Tasse Kaf- 242 Der Preis ist heiß – Der Weg zum wertbasierten Anzeigen-Pricing fee in der Hand halten. Damit werden Kunden zum Feilschen erzogen: Wer Rabatte sät, wird Schnäppchenjäger ernten. All das soll aber nicht bedeuten, dass Rabattierungen grundsätzlich falsch sind. Ist der Preisnachlass gerechtfertigt, fair, zeitlich begrenzt und wird das auch so entsprechend kommuniziert, kann er ein adäquates Mittel der Vertriebsstrategie sein. Die Wertigkeit der erbrachten Leistung wird nur dann zerstört, wenn die Rabatte ungerechtfertigt sind und das Verhältnis zwischen Produkt, Preis und dem wahrgenommenen Nutzen verschleiert wird. „Wir bepreisen individuell“ – Dieses Statement ist ein Aspekt, der die Rabattschlachten weiter anheizt. Es fehlen klar definierte Zielvorgaben für Verkaufspreise und Rabatte, wodurch Vertriebsmitarbeiter relativ freie Hand bei Anzeigenverkäufen haben. Meist ist überdies auch kein systematisches Rabattcontrolling oder sinnvolles Incentive-System vorhanden, das sich beispielsweise an erzielten Margen orientiert. Je mehr Spielraum Mitarbeiter haben, umso verstärkt fließen deren persönliche Erfahrungen und Einschätzungen in den Verkauf ein. Dies hat zur Folge: Wenn keine klare Linie vorgegeben ist, gibt es sehr viele individuelle Lösungen. Typischerweise sind diese zu stark rabattorientiert, da sich vergünstigte Angebote leichter veräußern lassen. „Wir müssen mitziehen, weil andere preisaggressiv sind“ – Selbstverständlich ist die Ursache für eine Rabattschlacht nicht nur verlagsintern begründet. Herrscht im Markt ein starker Preiskampf, fällt es schwer, die eigenen Preise konstant hoch zu halten. Hier spielt die Psychologie eine entscheidende Rolle: Will ich als einziger Marktteilnehmer an den bisherigen Preisen festhalten oder folge ich nicht doch lieber der Masse? Jeder sieht sich als Getriebener eines Preiskampfes, den eigentlich niemand will, aber jeder mitmacht. Die Folge: Es kommt zu einem Teufelskreis, in dem die Preise immer weiter nach unten gedrückt werden. Um diesem zu entkommen, sollten sich Verlage von der Rabatttaktik verabschieden und stattdessen den Wert einer Anzeige in den Vordergrund stellen. Dabei wird der Glaube an die Notwendigkeit des Rabatts als Verkaufskatalysator auch von der notorischen Überzeugung genährt, dass immer die anderen den Preiskampf angezettelt haben und man selbst reagieren müsse: Über 80 Prozent aller B2B-Vertriebsmitarbeiter, deren Branche sich in einem Preiskampf befindet, glauben, dass der andere Anbieter angefangen hat – dies folgt auf recht eindrückliche Weise dem entlarvenden Ergebnis, dass rund 90 Prozent der Autofahrer der Meinung sind, dass sie besser fahren als der Durchschnitt. „Der eigentliche Wert, der verkauft wird, ist unklar“ – Orientiert man sich verstärkt an dem Wert einer Anzeige, kann ein dauerhafter Preiskrieg verhindert werden. Allerdings kann sich eine wertbasierte Strategie nur dann entwickeln, wenn Verlage die Perspektive ihrer Kunden einnehmen und sich die Verkaufsargumentation streng an dem Wert ausrichtet, der aus Kundensicht durch die Anzeige entsteht. Derzeit werden sowohl die Treiber dieses Wertes als auch die Unterschiedlichkeit der Perspektiven verschiedener Kundenseg- mente zu wenig verstanden. Dies lässt sich auch am Fehlen nutzenbasierter Kundensegmentierungen ablesen, die in vielen anderen Branchen üblich sind und dort den gesamten Verkaufsprozess strukturieren. „Preiserhöhungen werden nach Bauchgefühl entschieden“ – Um in einem inflationären Wirtschaftsmarkt mit steigenden Betriebs- und Produktionskosten bestehen zu können, sind regelmäßige Preiserhöhungen unabdingbar. Doch die Angst vor einem größeren Preissprung und stetigen, konsequenten Erhöhungen ist groß. Oftmals finden Preiserhöhungen unsystematisch statt, und sowohl der Zeitpunkt als auch die prozentuale Erhöhung werden vor allem durch das Bauchgefühl festgelegt. Dabei stößt eine differenzierte und wertbasierte Erhöhung mit entsprechender Argumentation viel eher auf Verständnis bei den Kunden als eine pauschale Anhebung der Preise über alle Angebote hinweg. So kann ein Mittel der Preiserhöhung auch die Einführung neuer Preisdimensionen sein, die mit dem Wert aus Kundensicht korrelieren. Alternativ könnten komplizierten Anzeigenberechnungen einfache Leistungsangebote entgegengestellt werden, wenn die Buchungsentscheidung von der Komplexität unverständlicher Dimensionen gehemmt wird. Auch Bündelpakete mit innovativen Bestandteilen können vielversprechend sein, was auch das Beispiel in Schaubild 2 zeigt. All das wiederum kann nicht am grünen Tisch, sondern nur mit einem fundierten Verständnis der unterschiedlichen Kundenbedürfnisse entschieden werden. 243 Zeitungen 2012/13 Lösungsansätze für eine nachhaltige Preisstrategie Beide Problemfelder – Preisfindung und Preisdurchsetzung – bergen enormes Optimierungspotenzial. Viele notwendige Fragen wurden aber bisher weder gestellt, geschweige denn beantwortet: • Wertwahrnehmung: Worin sehen Anzeigenkunden den Wert einer Anzeige? Orientiert sich dieser ausschließlich am Gewinn, der sich durch das Inserat erzielen lässt oder am TKP beziehungsweise an einem diffusen „Passungsgefühl“? Ist das für alle Segmente gleich? • Preisbereitschaft: Spielt die Kaufkraft in einer Region eine Rolle bei der Preisbereitschaft und gilt das für alle Unternehmen oder gibt es auch kundensegmentspezifische Unterschiede? Sind sich die Kunden innerhalb einer Gruppe in ihrer Zahlungsbereitschaft ähnlicher als zwischen verschiedenen Gruppen? • Preiswissen: Kennt der Kunde die Auflage und Preise und vergleicht er beides immer bei unterschiedlichen Ausgaben oder Anbietern? Oder basiert seine Entscheidung eher auf einem groben „Preisimage“? • Preisinteresse: Welche Rolle spielt überhaupt der Preis? Ist das Preisniveau eines Titels wichtiger als das Budget des konkreten Angebots? Ist das für alle Segmente gleich? 244 • Entscheidungsprozess: Wie groß muss der Kundenvorteil aus Bündelangeboten beziehungsweise Angebotspaketen sein, damit der Kunde mehr schaltet? Muss das immer nur ein monetärer Vorteil sein? Welche Formate sind „Ankerprodukte“? Welche sind so innovativ oder einzigartig, dass sich noch kein Referenzpreis entwickeln konnte? Haben die unterschiedlichen Kundensegmente die gleichen Bedürfnisse und die gleichen Entscheidungsregeln? Eine verbesserte Preisfindung und konsequentere Preisdurchsetzung bei regionalen und lokalen Geschäftskunden ist der erste Schritt für die Optimierung des Anzeigengeschäfts. Hier sind die Potenziale ungleich größer und schneller zu heben als im klassischen Agenturgeschäft. Innovative Ansätze, die auf vertieftem Kundenverständnis aufbauen, sind dafür jedoch notwendig. Die Ablösung der heute noch üblichen „Bauchgefühl-Taktik“ durch ein fundiertes Vorgehen ist unerlässlich. Nur so lassen sich die vorhandenen und bisher ungenutzten Margenpotenziale gezielt ausschöpfen, ohne unnötige Preiskämpfe weiter anzufachen. Meinungsmacher oder eher nicht? Das PMG Zitate-Ranking zeigt es Ihnen! Das PMG Zitate-Ranking zeigt auf Mausklick, wie häufig Ihre Titel in allen Ressorts ausgewählter Print-, TV- und Hörfunkmedien zitiert werden – laufend aktualisiert, transparent und so aufbereitet, wie Sie es wünschen. Und: Dabei werden auch die Themen der Zitate erfasst und zusammengestellt. Der Autor Dr. Florian Bauer, Vorstand beim Beratungs- und Marktforschungsunternehmen Vocatus AG, München Für mehr Informationen rufen Sie uns einfach an: (0)30 2 84 93-103. Oder senden Sie uns eine Mail: [email protected]. UÊÊ/À>ë>ÀiÌiÃÊ Ê>ÞÃiÛiÀv> Ài UÊÊ>Õvi`Ê>ÌÕ>ÃiÀÌiÊ À}iLÃÃi UÊÊ`Û`ÕiÊ}À>wÊÃV Ê>ÕvLi ÀiÌiÌiÊÕ`ÊiÌiÀÌiÊ À}iLÃLiÀV Ìi Infos unter www.presse-monitor.de