40 Tier BAUERNBLATT l 21. Juni 2014 ■ Erfolgreich füttern: Aborte – was steckt dahinter? Ursachen und Gegenmaßnahmen Manche Kälber werden zu früh oder lebensschwach geboren. Einige Trächtigkeiten werden vorzeitig beendet, und die Kühe verkalben. Wie es zu einem Abort kommen kann und welche Maßnahmen dann ergriffen werden sollten, erklärt der folgende Artikel. Im Idealfall kommt 40 Wochen (280 plus/minus fünf Tage) nach der Befruchtung einer Kuh ein lebendes Kalb zur Welt. Der Abgang der Nachgeburt innerhalb von zwei bis sechs Stunden nach der Geburt des Kalbes beendet ein komplikationsloses Geburtsgeschehen. Doch der Weg von der Vereinigung von Ei- und Samenzelle bis zum selbstständig lebensfähigen Kalb ist lang. Die Frucht ist einer Reihe von Gefahren ausgesetzt, die dazu führen können, dass sie abstirbt und vorzeitig ausgestoßen wird. Oder das Kalb wird zu früh oder lebensschwach geboren. die dabei entstehende Flüssigkeit von der Schleimhaut aufgesogen (resorbiert) oder fließt als grauer Schleim aus der Schamspalte, was häufig unbemerkt bleibt. ● Abort (Fehlgeburt) Ab dem 43. Trächtigkeitstag bis zur Geburt wird die Frucht Fötus genannt. Ein Abort ist der Abbruch einer Trächtigkeit mit Ausstoßung eines unreifen, nicht lebensfähigen Fötus. Man unterscheidet den Frühabort bis zur 19. Trächtigkeitswoche vom Spätabort in der zweiten Hälfte der Trächtigkeit. ● Frühgeburt Austreibung einer noch nicht ausgereiften, aber unter günstigen Bedingungen lebensfähigen Frucht (ab zirka 260. Tag) ● Totgeburt Austreibung einer reifen, aber in der Geburt oder kurz vorher gestorbenen Frucht ● Geburt einer lebensschwachen Frucht Ein Kalb wird lebend, aber mit erheblicher Schwäche geboren (Atemnot, Trinkschwäche, kein Stehvermögen) und stirbt häufig in den ersten 48 Stunden. es zu Blutungen und einer Auflösung der Plazenta kommen. Wodurch kann ein Abort ausgelöst werden? Sind im letzten Drittel der Trächtigkeit vorzeitig Fruchthüllen zu sehen, müssen Nachgeburt und Frucht möglichst komplett in einem sauberen, abwaschbaren Gefäß zur Abklärung der Abortursache ins Labor gebracht werden. 18. Tag der Trächtigkeit. Aus der Hülle des Embryos wachsen kleine Zotten (Kotyledonen) in die 75 bis 120 Karunkeln an der Innenauskleidung der Gebärmutter ein und bilden eine feste Verankerung (Plazentom). Hier findet über feinste Blutgefäße der Nährstoffaustausch zwischen der Frucht und dem Muttertier statt. Die Blutgefäße entwickeln sich zum Nabelstrang, führen die Nährstoffe dem Embryo/Fötus zu und entsorgen die Stoffwechselabfallprodukte. Grafik: Ein Kalb in der Gebärmutter ist durch Fruchtwasser, Bei einer komplikationslosen Geburt Fruchthüllen und Plazenta geschützt. Trotzdem können äu- reißt der Nabelstrang ab, und die in ßere Gefahren die Plazenta beschädigen oder durchdringen den Karunkeln zahlreich verlaufenden Blutgefäße schrumpfen. Damit und zum Verkalben führen lösen sich die Kotyledonen aus den Karunkeln, und zwei bis sechs (maBakterien Viren ximal acht) Stunden nach der Geburt sollte die Nachgeburt komplett abgegangen sein. Parasiten Wird diese feste Verankerung zwischen Gebärmutter und Fruchthülle zum Beispiel durch bakterielle Gifte (Toxine) angegriffen, kann sich das Schimmeltoxine Gewebe entzünden (Plazentitis), und die Verbindung kann sich lösen. Der Fötus wird nicht mehr mit Nährstoffen versorgt und kann absterMedikamente ben. Oder die Erreger (zum Beispiel angeborene BVD-Virus, Schmallenberg-Virus, LisMissbildungen terien) dringen über die Plazenta in Verletzungen den Fötus ein und schädigen den OrUmweltgifte ganismus, sodass Missbildungen entStress stehen oder der Fötus abgetötet wird. Auch durch Unfälle wie zum Aus Bostedt, „Fruchtbarkeitsmanagement beim Rind“, modifiziert durch Zaspel. Beispiel einen schweren Sturz kann Man unterscheidet folgende Fälle: ● embryonaler Tod Zwischen dem ersten und 42. Tag der Trächtigkeit wird die Frucht in der Gebärmutter als Embryo bezeichnet. In dieser embryonalen Wie kann es zu einem Phase entwickeln sich alle OrgansysAbort kommen? teme und Gewebe. Am Ende des zweiten Trächtigkeitsmonats hat der Der Angriffspunkt für eine AbortEmbryo eine Größe von 6 bis 7 cm. auslösung ist die Plazenta (MutterStirbt er in diesem Zeitraum ab, wird kuchen). Diese bildet sich ab dem Viele Ursachen können zu Aborten führen. Durch die systematische Bekämpfung der klassischen Abortauslöser wie der Brucellose oder der BHV-1-Infektion ist die Ursache für einen Abort heute schwieriger auf einen bestimmten Erreger zurückzuführen. Vielmehr hat sich das Abortgeschehen zu einer „Faktorenerkrankung“ entwickelt. Das bedeutet, dass verschiedene Ursachen, so zum Beispiel der Trächtigkeitszeitpunkt, die Stoffwechsel- und Hormonlage oder der Immunstatus des Muttertieres mit der Pathogenität eines Krankheitserregers zusammenspielen und einzelne Tiere unterschiedliche Krankheitsverläufe zeigen. Zum Beispiel kann eine Infektion des Euters mit E. coli bei einer Kuh eine Mastitis hervorrufen. Bei einer anderen Kuh mit einem geschwächten Immunsystem, die zudem vielleicht noch ein Schimmelnest in der Silage gefressen hat, kann eine Infektion des Euters mit den gleichen E.-coli-Keimen hohes Fieber auslösen und eine Streuung der Erreger und seiner Toxine im Körper hervorrufen (Septikämie). Die durch die Schimmelpilze vorgeschädigte Plazenta entzündet sich durch die E.-coli-Toxine, die Ernährung des Fötus wird gestört, er stirbt ab und wird abortiert. Laboruntersuchung zur Ursachenfindung Ein Abort kann in jedem Trächtigkeitsstadium auftreten, manchmal werden ein vorangehender Fieberschub oder Veränderungen in der Milchleistung bemerkt. Das Verkalben kann aber auch ohne äußerlich erkennbare Anzeichen passieren. Allein durch die äußere Betrachtung eines abgestoßenen Fötus ist noch keine Aussage über die Ursache möglich. In einem zugelassenen Labor wird das Abortmaterial zudem histologisch untersucht. Das heißt, es werden Gewebsschnitte von Plazenta, Gehirn und Herz angefertigt, angefärbt und unter dem Mikroskop untersucht. Verschiedene Testmethoden werden zum Nachweis oder Tier ■ BAUERNBLATT l 21. Juni 2014 Trächtigkeitsstadium kommt es zur gen und geschlossen zum Labor Fehlgeburt, zur Mumifikation oder bringen. Dafür sorgen, dass keine Auflösung des Fötus, zur Geburt Flüssigkeiten austreten und die Ummissgebildeter Kälber oder auch zur Geburt von unauffälligen Kälbern, die aber den Parasiten tragen und bei der nächsten Trächtigkeit wiederum auf ihren Fötus übertragen. Maßnahmen gegen Neosporose im Bestand: Eine Therapie gibt es nicht. Hunde sollten weder Zugang zu Nachgeburten oder Fehlgeburten haben noch Kot auf den Futtertisch oder ins Futterlager absetzen. Kühe Bei einem Abort im siebten Trächtigkeitsmonat ist mit Antikörpern (sero- das Kalb noch überwiegend unbehaart. positive Tiere) sollten Fotos: vet-consult gemerzt und neue Kühe vor Zukauf getestet werden. gebung (zum Beispiel das Auto) verunreinigen. Vorsicht: Brucellen, Chlamydien und Coxiellen (Q-FieWas ist bei einem Abort ber) sind Zoonoseerreger und könzu tun? nen auf den Menschen übertragen Deutschland ist seit 1999 aner- werden. Neben grippeähnlichen kannt frei von Rinderbrucellose. Die Symptomen können zudem bei Brucellose-Verordnung schreibt je- schwangeren Frauen Früh-, Fehldoch vor, dass jeder Besitzer von und Totgeburten die Folge sein. über 24 Monate alten Rindern den ● Je mehr Abortmaterial ins Labor Abort einer Kuh im letzten Drittel gebracht wird, desto größer sind der Trächtigkeit umgehend auf Bru- die Chancen, einen Erreger nachzucellose untersuchen lassen muss. Die weisen. Idealerweise sollten der unmeisten Abortfälle sind Einzelfälle, eröffnete Fötus, die frisch abgeganseuchenhafte Abortstürme, die gene Nachgeburt und eine Blutpromehr als 10 % der Kühe eines Be- be des Muttertiers untersucht werstandes betreffen, sind zum Glück den (falls nur noch Teile der Nachselten geworden. Bis zum Beweis geburt vorhanden sind, unbedingt des Gegenteils sollte aber jede Fehl- Kotyledonen mitsenden). Die Ungeburt wie ein infektiöser Fall be- tersuchung einer zweiten Blutprohandelt werden. Das bedeutet: be nach drei Wochen (Serumpaar● Föten, Fruchtwasser, Nachgeburts- probe) kann weitere Informationen teile und Gebärmuttersekret können über eine ursächliche Erkrankung große Mengen an Keimen enthalten liefern. und sollten nicht ohne Handschu- ● Das Material sollte bis zum Transhe/Schutzkleidung angefasst werden. port möglichst kühl gelagert, aber ● Tierarzt/-ärztin für die Untersu- nicht eingefroren werden. chung und Nachsorge der Kuh be- ● Die Kuh in einen separaten Krannachrichtigen. kenstall bringen und den Stallbe● Das Abortmaterial in ein sauberes, reich, in dem der Abort stattgefunleicht zu desinfizierendes Behältnis den hat, gründlich reinigen und des(Wanne oder großer Müllbeutel) le- infizieren. Kommt es in einem kurzen Zeitraum zu einer Häufung von AborTabelle: Viele infektiöse Erreger können eine Fehlgeburt auslösen ten, ist zusätzlich zu den Laborunterinfektiöse Aborterreger: suchungen eine tierärztliche BeBakterien Viren Parasiten standsuntersuchung mit ÜberprüBrucellen BHV-1-Virus Neospora caninum fung von Fütterung, MineralstoffSalmonellen BVD/MD-Virus und Spurenelementversorgung der Blauzungenvirus Leptospiren andere Toxine Kühe sowie des Managements im Rinderbetrieb anzuraten. Listerien Schmallenberg-Virus Schimmelpilze chungen von Föten mit oder ohne Plazenta identifiziert wurden. 2012 blieben 30 % der untersuchten Fälle ohne Erregernachweis, 2013 waren es 43 %. ● Schmallenberg-Virus (SBV) Kühe können sich durch Gnitzen mit dem Schmallenberg-Virus anstecken. Krankheitssymptome wie Milchrückgang, Fieber oder Durchfall können auftreten. Ist die Kuh tragend, geht das Virus durch die Plazenta auf die Frucht über. Es kann zu Fruchtresorption, mumifizierten Föten, Aborten, Totgeburten oder der Geburt von missgebildeten Kälbern kommen. Die Missbildungen betreffen die Gliedmaßen, Wirbelsäule und das Gehirn. Maßnahmen gegen Schmallenberg-Virus: Ein Impfstoff gegen SBV steht derzeit nicht zur Verfügung. Zur Verringerung des Infektionsdrucks kann nur versucht werden, die Stechmücken und Gnitzen abzuwehren. ● Neosporose Neospora caninum ist ein einzelliger Parasit (Protozoon), der weltweit als Verursacher von Fehlgeburten eine wichtige Rolle spielt. Als wichtigster Überträger gilt der Hund, der nach Fressen von Abortfrüchten, Nachgeburten oder rohem Fleisch ParasitenEier ausscheidet (Hund = Endwirt). Die Kuh kann sich an Hundekot, verunreinigtem Futter oder Wasser anstecken. Eine Erkrankung der Kuh ist kaum feststellbar, es werden Antikörper gegen die Parasiten gebildet. Trotzdem Ein Frühabort im dritten Trächtigkeitsmonat bleibt bleiben immer Parasiten im Nervengewebe häufig unbemerkt. zurück (persistierende der Einsatz von Medikamenten (zum Infektion) und können bei Belastung Beispiel Prostaglandine, Xylacin oder wieder aktiv werden. Bei einer ErstCortisonpräparate). infektion des Muttertieres in der Die wichtigsten infektiösen Abort- Trächtigkeit oder bei Reaktivierung erreger sind in der Tabelle aufge- der Parasiten gehen sie in über 90 % führt. der Fälle auf den Fötus über. Je nach Ausschluss von infektiösen Aborterregern durchgeführt. Problematisch für die Diagnostik ist, dass nicht jeder Erreger auch infektiöse Spuren am Tatort hinterlässt. So bleiben viele Laboruntersuchungen von Aborten ohne Erregernachweis. Eine Fehlgeburt kann sich auch erst mit zeitlicher Verzögerung ereignen, sodass der Erreger selbst nicht mehr im Gewebe nachweisbar ist, oder es werden mehrere Erreger gefunden. Bei der Auswertung der Laborergebnisse muss das Zusammenspiel der verschiedenen Ursachen berücksichtigt werden. Aborte können also durch infektiöse Erreger oder nichtinfektiös oder durch eine Kombination aus beidem hervorgerufen werden. Zu den nichtinfektiösen Auslösern einer Fehlgeburt zählen angeborene Missbildungen des Fötus (zum Beispiel durch chromosomale Anomalien), Vergiftungen (zum Beispiel durch das Mutterkornalkaloid Ergotamin oder Nitrat), Verletzungen (zum Beispiel Kopfstöße durch eine ranghöhere Kuh oder ein Sturz), Stress (zum Beispiel eine Klauenbehandlung) oder Welche Aborterreger kommen am häufigsten vor? Die Autorin dankt Dr. Katharina Kramer vom Landeslabor SchleswigHolstein für die Auswertung des in den letzten zwei Jahren untersuchten Abortmaterials in Schleswig-Holstein. Eine Häufigkeitsauszählung ergab, dass im Jahr 2012 das Schmallenberg-Virus (19,1 %) und im Jahr 2013 Neospora caninum (14,9 %) als häufigste Aborterreger bei Untersu- Trueperella pyogenes Chlamydien Coxiellen und andere Dr. Christiane Zaspel Tierärztin Tel.: 01 77-4 01 55 39 [email protected] 41