vom boxen - Christian Reiner

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VOM BOXEN
Poetische Annäherung an den Boxsport nach Texten von Muhammad Ali und Wolf Wondratschek
Zwischen Sprache, Musik, Bewegung und Bild
Wolf Wondratscheks Texte und Muhammad Alis Zitate dienen als musikalisches Material für Stimme, Trompete und
einem aus Gongs und verschiedenen Elementen bestehendem Schlagwerk. Sie werden gesprochen, geboxt,
geschrien, getrommelt, gedehnt, gequetscht, gestreichelt und durch Trompeten geblasen, tauchen ab, um im
nächsten Moment in improvisierten Sequenzen oder als projiziertes Schriftbild wieder aufzutauchen.
Was denkt ein Boxer wenn er schlägt?
VOM BOXEN ist die vierte Zusammenarbeit von Christian Reiner mit dem Schriftsteller Wolf Wondratschek. Nach
„Pieces for Light and Chance“ am Tanzquartier Wien und zwei Bearbeitungen der Lyrik aus „Chucks Zimmer“ bilden
hier die textliche Grundlage Wondratscheks Reportagen, Essays und Gedichte, die 2005 im dtv Verlag als „Im Dickicht
der Fäuste” erschienen sind.
Das 1998 gegründete Künstlerkollektiv „Oral Office“ erscheint in seiner jüngsten Arbeit als vierköpfiges Ensemble mit
einem Erzähler, einem Schlagzeuger, einem Trompeter und einer Live-Zeichnerin. Im Bühnenraum ein dreibeiniger
Stuhl, ein von der Decke hängendes Seil und ein Boxhandschuh. Hinzu kommt ein speziell für bildende Künstlerinnen
entwickeltes Zeicheninstrument - das Tagtool - mit welchem sowohl bühnengestaltende Zeichnungen, als auch
Schrift über Projektionen unmittelbar in das Bühnengeschehen einfließen.
"Es müssen die Fledermäuse in die Trompeten blasen, die Schlangen kreischen und die Alligatoren sich verschlucken,
das ist dann Boxen." (Wolf Wondratschek)
Ensemble
Christian Reiner (Stimme) | Ritsche Koch (Trompete)
Eric Schaefer (Schlagwerk) | Annika Lund (Bild, Seil)
Dauer
60 Minuten | Geeignet ab 16 Jahren | Uraufführung im Mai 2010 in Wien
Bühne
VOM BOXEN ist spielbar ab einer Flächengröße von etwa 7 x 5 Metern mit einer Höhe von 4 Metern.
Die Produktion ist sehr flexibel und kann in den meisten Fällen an die Raumgröße angepasst werden.
Die Uraufführung des Stückes VOM BOXEN fand auf der Bühne des "Theater des Augenblicks" in Wien
statt, welche 14 x 10 Meter misst.
Technik
Benötigt wird eine Lichtanlage, ein Mikrofon inkl. Ständer, eine Tonanlage mit zugehörigem Lautsprecher (nur
Stimme verstärkt). Nach Möglichkeit auch ein dreibeiniger Stuhl. Dieser kann jedoch auch mitgebracht werden.
Produktionsinformation
Regie: Christian Reiner & „Oral Office“ | Texte: Wolf Wondratschek, Muhammad Ali, Christian Reiner
Musik: Eric Schaefer, Ritsche Koch | Bühnenbild: Annika Lund | Licht: Andrea Korosec
Kontakt/Booking: [email protected] | +43 676 797 71 70
Näheres und Videoclips auf www.christianreiner.com
Unterstützt durch
Pressestimmen/ Oral Office / Tagtool
Artikel von Heinz Wagner aus dem "Kurier" vom 9. Mai 2010
Pflug ziehende Fliegen - Poetisch-musikalisch-bildschöne Performance rund um Boxen
So poetisch, musikalisch und kunstvoll kann Boxen sein. VOM BOXEN heißt die jüngste Performance von „Oral Office”.
Inspiriert von den Texten Wolf Wondratscheks, der literarische Reportagen rund um diesen Sport und einige der
berühmtesten Protagonisten verfasst hatte („Im Dickicht der Fäuste”, dtv), entstand dieser Mix aus kreativem
Umgang mit Texten daraus, Musik und Geräuschen sowie live-digitalen Zeichnungen. Gepresstes Blasen aus der
Trompete, quietschen auf Teilen der drums, kratzen mit den Sticks auf den Wänden oder Trommelwirbel auf dem
Schlagzeug, wunderschöne Schrift mit Fragen, wie „Was denkt ein Boxer bevor er
in den Ring steigt?”, eine fast tänzerisch agierende Darstellerin (auch die Digitalzeichnerin), die einen SoloBoxhandschuh über Seilzug bewegt – das und noch vieles mehr, vor allem die stimmakrobatisch vorgetragenen Texte
laden ein zu einem rund dreiviertelstündigen Eintauchen in eine für viele ZuschauerInnen neue, fremde Welt.
Zur vorherigen Produktion:
Artikel von Helmut Ploebst aus Tanzjournal 05/2004
„Pieces for Light and Chance“ (Hamilton/Reiner/Wondratschek)
(...) Nicht einen Augenblick kommt es zum Ansetzen einer kohärenten Erzählung, aber Hunderte Geschichtenfetzchen
flattern auf der Bühne und lösen sich auf, immer wieder strukturiert durch Lautmalerei und Bewegungskonstrukte.
Der komplexe Dialog (…) ist fragil und zugleich kraftvoll, immer wieder blitzt Humor auf, Sätze werden unterbrochen,
Wortgebäude lösen sich in Lauttrümmer auf. Die Performance des Texts folgt choreographischen Plänen. Bei „Pieces
for Light and Chance“ könnte auch ein Scheitern des improvisierten Dialogs interessante Konsequenzen nach sich
ziehen, weil das Grundkonzept der Arbeit solide fundiert ist. Die Lesung Wondratscheks als fixierte Erzählung und das
improvisierte Zwiegespräch als offene Form jedenfalls waren an diesem Abend sinnvoll aneinandergeknüpft und
ergaben eine von der ersten bis zur letzten Minute mitreißende Vorführung.
Oral Office
Das Künstlerkollektiv Oral Office wurde 1998 in Stuttgart gegründet und entstand aus dem experimentellen Duo aus
Stimme und Trompete mit Christian Reiner und Ritsche Koch. Das lose Kollektiv, welches aus Musikern, bildenden
Künstlern, Tänzern, Filmemachern und Autoren besteht, beschäftigt sich in erster Linie mit den verschiedenen
Ausdrucksmöglichkeiten und Verbindungen von gesprochenem Wort und anderen Kunstformen. Zu den Arbeiten von
„Oral Office“ zählen die Performancereihe „Office - Forum für improvisierte Musik und gesprochenes Wort" (19992001) am Stuttgarter Theater Rampe, die stetige Hörspielinstallation „English Sports" (1999) im deutschen
Sportmuseum, die Vertonungen der Bücher von Thomas Beutel „Der Engel unter der Schwelle..." und „Das
Zeitmesser" (1999-2000) am Stuttgarter Staatstheater, „Von Tischlern und anderen" (2004) im Wiener Konzerthaus,
die Performancereihe „Drei für Alle" (2005) in der Kunsthalle Wien und das Comic-Theaterstück „Theresas Traum"
(2005) am Dschungel Wien. Der Film „Stadt als Beute" (2004) brachte die Performance des „Oral Office“ auch auf die
Kinoleinwand.
Tagtool
Das Tagtool wurde von den aus Tulln stammenden Visual-Künstlern Markus Dorninger und Matthias Fritz während
der Oral-Office-Produktion „Gregors Garten oder die unglaubliche Geschichte von Gregor mit den großen Händen“
(2006) entwickelt. Dieses Werkzeug ermöglicht bildenden Künstlerinnen und Künstlern das augenblickliche und teils
improvisatorische Zusammenspiel mit Schauspielern, Musikern und anderen auf der Bühne Agierenden. Seit
Entstehen des Tagtools kommt es in Produktionen des „Oral Office“ immer wieder zum Einsatz.
Mehr Information über das Tagtool finden Sie auf www.tagtool.org.
Ensemble
Wolf Wondratschek
Geboren 1943 in Rudolstadt/Thüringen. Seit 1965 Journalist, Schriftsteller und Boxfan. 1969 erschien sein erstes
Buch "Früher begann der Tag mit einer Schußwunde", seither stetig Veröffentlichungen. Darunter „Chuck's Zimmer“
(1974 Zweitausendeins), „Kelly-Briefe“ (1998 Matthes & Seitz), „Mozarts Friseur“ (2002 Hanser), „Mara“ (2003
Hanser), „Orpheus in der Sonne - Vier Gedichtzyklen“ (2003 Hanser), „Saint Tropez und andere Erzählungen“ (2005).
Seine seit 1965 geschriebenen Texte, Reportagen und Gedichte zum Boxsport erschienen in dem Band „Im Dickicht
der Fäuste“ (2005, dtv). Heute lebt Wolf Wondratschek in Wien. Sein nächstes Buch erscheint im Februar 2011.
Christian Reiner
Geboren 1970 in München. Ab 1986 Sänger, seit 1995 Stimm- und Sprachkünstler. Er entwickelt Theaterperformances und Literaturprogramme im Zwischenbereich von Sprache und Musik und kooperiert mit Künstlern
verschiedener Genres. Neben den von ihm initiierten Projekten, wie dem Duo mit dem Improvisationstänzer Julyen
Hamilton und einigen Musik/Text-Formationen tritt Reiner auch am Theater und beim Film in Erscheinung. Weiters
spricht er Hörspiele und Dokumentationen für Ö1, ZDF, ORF, Deutschlandradio und andere. Nach seinen Studien
Phonetik (LMU München) und Sprechkunst-Sprecherziehung (Musikhochschule Stuttgart) erhielt Reiner für seine
Arbeiten zahlreiche Auszeichnungen und wurde 2001 vom Berliner Stadtmagazin TIP zum Künstler des Jahres in der
Sparte Schauspiel-Performance-Newcomer gewählt. 2000-2005 lebte er in Berlin, heute in Wien.
Annika Lund
1978 in Tübingen geboren und aufgewachsen. Lernte in Oberammergau das Herrgottsschnitzer-Handwerk, bis in
Stuttgart im Studium, Fachbereich Figurentheater, das Interesse an Bewegung als Ausdrucksmittel erwachte und mit
bildnerischem Material zusammengeführt wurde. Zahlreiche Gastspiele in Deutschland, Österreich, Polen,
Luxemburg und in der Türkei. Seit 2006 lebt Annika Lund in Wien, wo sie sich weiterhin mit Bewegung
auseinandersetzt und als Figurenspielerin in freien Produktionen tätig ist, unter anderem an der Neuen-BühneVillach, "Die sexuellen Neurosen unserer Eltern“ (Oktober 2009 mit Christian Reiner), aus der auch die
Zusammenarbeit in VOM BOXEN hervorging.
Eric Schaefer
Geboren 1976 in Frankfurt am Main. Schaefer spielt seit 1988 Schlagzeug. Ab 1995 studierte er klassische Perkussion
und Neue Musik in Köln und Berlin bei Christoph Caskel, David Friedman und Jerry Granelli. Schaefer tourt seit 1998
in verschiedenen Projekten und Bands durch Europa, Asien, Südafrika und die USA. Er spielt und spielte neben
anderen mit Michael Thieke, David Moss, Michael Anderson und seinen Bands „Nickendes Perlgras“, dem Trio „[em]“
und „Demontage“. Seit 2008 ist er Hauptfachdozent für Jazzschlagzeug an der Dresdner Hochschule für Musik. Er
wurde 2005 mit dem Karl-Hofer-Preis der Universität der Künste, Berlin ausgezeichnet und erhielt 2010 den SWRJazzpreis, der mit seiner Vielseitigkeit vom Rockjazz bis zu experimentellen Formen begründet wurde.
Ritsche Koch
Geboren 1979 in Tulln, Niederösterreich. Koch spielt seit seinem 12. Lebensjahr Trompete und studierte in Wien und
Berlin. Seit 1997 Auseinandersetzung mit experimenteller Improvisation. 1998 Gründung von „Oral Office" zusammen
mit Christian Reiner, intensive Forschungsarbeit an der Verschmelzung von Sprache und Musik.
2002 Gründung des Duos „Ritsche & Zast" mit dem Berliner bildenden Künstler Thomas Bratzke. Seit 2002 Mitglied in
verschiedenen Berliner Bands. 2003 Mitwirkung beim Tanzstück „Risse" des Berliner Choreographen Hans-Werner
Klohe. Seit 2006 mit den Popbands „Miss Platnum", „Seeed", „Peter Fox" und „The Notwist" Tourneen und
Festivalauftritte in ganz Europa sowie in Südamerika und Japan. Ritsche Koch lebt in Berlin.
Textauszüge
(Ein Boxer) träumt, denkt, holt, stellt, fragt, sieht Licht, aber nein.
Er geht, stellt, wer, der sieht, was. Aber was hat er ihm denn gesagt?
Auch Träume, sagt er, auch Träume muss man trainieren.
An diesem Morgen ist der Himmel grau. Ein eiskalter Ostwind bläst von Polen über die Oder herüber. Auf einem
Feldweg habe ich meinen Mietwagen geparkt und bin hoch zum Damm gegangen, durch das mit Rauhreif sch...
Schilfgras. Lagunen, der Weiher, Wildschwäne fliegen über das... Eine trostlose Gegend, vergessen, verlassen. Im
Sommer vielleicht einladend, für Liebespaare und Angler. Vielleicht. Aber bei diesen Temperaturen, durchgefroren
bis auf die Knochen, hilft nur der Gedanke, dass ich hier auf einen Mann warte, der hoffentlich gleich angerannt
kommt.
Wer? Wer? Wer? der! wer? wer er? Der? Hop! Wer? Wer der? Wer er? Wer? Der! Wer der? Er? Hop!
Den Schock, eine andere Galaxie als Eindringling zu betreten, kann nur verdauen, wer sich nicht einschüchtern lässt.
Den Aufruhr, der ihn bei Betreten der Arena erschüttern wird, kann nur überhören, wer die Ruhe, die hier gerade
herrscht, in sich aufbewahrt hat.
Plötzlich war da dieses kleine Mädchen. Ich wusste überhaupt nicht, was ich anfangen soll, mit diesem Mädchen.
Aber dieses kleine Mädchen hat mir Dir Dinge erzählt. Zählt, zählt, er zählt, er zählt. Sie hat versucht, ein einziges
Mal...
Nimm mein Mädchen, sagt der Boxer, alles andere ist zu kompliziert.
Mitte Januar, Zigarette im Mund. Es gibt Tage, und heute ist so einer, an denen man zum ersten mal wieder an
Selbstmord denkt. Man rennt in die Küche, kocht vielleicht Kaffee, bevor es zu spät ist und... der Einfachheit halber
doch lieber Fernsehprogramm. Mein Fernseher kommt mir vor wie ein Aquarium, angefüllt mit eleganten
Züchtungen, im obersten Stockwerk, dort wo die Wolken nicht hinkommen. Hop! Dann schaut der Boxer auf einen
Sprung vorbei. Nimm mein Mädchen, sagt der Boxer, alles andere ist zu kompliziert.
Junger Mann, wenn ich dir sage, daß eine Fliege einen Pflug ziehen kann,
dann frag mich nicht wie , sondern spann´ sie an.
Damals einmalig vielleicht einen Einzigen. Sei einmalig. Und liebte deshalb auch nur einen Einzigen. Nachdem sie das
erste Mal vor die Türe ging, kam sie fest entschlossen zurück und erzählte die ganze Zeit davon, dass sie so furchtbar
gerne…
The Thrilla in Manila
Nur ein paar Stunden noch bis zum Kampf. Amerikas größtes Ego steigt wieder in den Ring, der schwarze
Schmetterling. Muhammad Ali, die schnellfüßigste Verkörperung menschlicher Intelligenz. Wahrscheinlich stehen die
Wetten gegen ihn, die Experten setzen auf Frasier, auf diesen in Zement gepackten schwarzen Mann, dem man seit
seiner Niederlage gegen Foreman, vielleicht der fürchterlichsten Niederlage in der Geschichte des Boxsports,
eingeredet hat, dass Ali alt ist und keine Kraft mehr hat, um einen austrainierten Mann auszunocken. Hast Du seine
Oberarme gesehen? Aber dann kam Kinshasa, die Nacht als Ali zurückkam, die Nacht als Foreman fiel, jener Boxer,
von dem die ganze Welt glaubte, er würde Ali das Maul stopfen.
Ein Mann ohne Angst,
Muhammad Ali,
aber das mit den Fäusten ist nur die eine Hälfte seiner
Strategie, die andere Hälfte ist Allah
und der Rest Poesie.
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