I n f o r m at i o n 10 Jahre Textdichter-Förderung und über 100 Grundsteine Wie die Celler Schule die deutsche Musiklandschaft prägt ein Dreamteam n von 2005 – te En LL CE ex Die Von Tobias Reitz Wenn man seine Erinnerungen an die Schule aus den Windungen des Gedächtnisses hervor kramt, kommen nicht nur angenehme Gedanken ans Tageslicht: Hölzerne Bänke, miese Mathenoten und frustrierte Stimmung nach Elternabenden sind nur einige der Dinge, die man gern hinter sich gelassen hat. All dies wird man in der Celler Schule vergeblich suchen. Die schönen Seiten der Schule allerdings, die finden sich auch in Celle wieder, und das in geballter Form: die Grundsteinlegung für den beruflichen Werdegang, erstaunliche Erkenntnisse und Lerneffekte, der Kontakt mit den „Großen“, die Vernetzung mit Menschen, die man mag, und in jedem Jahr auch die eine oder andere Freundschaft fürs Leben. Nicht zu vergessen das viel gelobte breite Basiswissen. Und die Erkenntnis: Das Leben hat mehr offene Türen zu bieten, als man denkt … begabter Nachwuchsdichter ausdenken könnte. Sie konnte. Und wie! Wie aber entstand die Celler Schule? Und was ist sie eigentlich? Im Spätsommer 1995 saß man in der GEMAStiftung zusammen und sinnierte über die Nachwuchsprobleme in der deutschen Autorenlandschaft. Die Gelder der GEMA-Stiftung setzten sich zwar zum beträchtlichen Teil aus Nachlässen von Textdichtern zusammen, aber gefördert wurden fast ausschließlich die Komponisten. Eine Ausbildungsstätte für Textdichter gab es auch nicht. Was also tun? Man fragte Edith Jeske, schon damals Dozentin für Text an der Hochschule für Musik in Hamburg und selbst erfolgreiche Textdichterin von Pop bis Chanson und von Schlager bis Musical, ob sie sich ein Konzept zur Förderung Mit organisatorischer Unterstützung von Heike Baller wurden im Frühjahr 1996 die Pioniere der Celler Schule an den Start gebracht. Insgesamt 10 Teilnehmende für 5 Tage. Damals hieß die Einrichtung allerdings noch nicht Celler Schule, sondern etwas sperrig „Förderseminar für Textschaffende in der Unterhaltungsmusik“. Das ist heute nur noch der erklärende Untertitel. Der Name Celler Schule (entstanden im Seminar 2003) hat sich längst durchgesetzt. Aber zurück zu den Anfängen: „Wir waren sehr aufgeregt, ob wir diese fünf Tage überhaupt würden füllen können“, erzählt Edith Jeske heute lachend. Mittlerweile füllt ihr Seminar spielend vierzehn Tage bzw. seit diesem Jahr sogar fünfzehn. „Ein Rechenfehler von mir“, gesteht sie, „und der brachte so viel Spielraum, dass ich ihn ab sofort zum Prinzip mache. Also: Auch im nächsten Jahr wieder fünfzehn Tage!“ In diesen Tagen wird im Predigerseminar in Celle handfest gearbeitet: Alles über Reim, Metrum, Sprachebenen und musiktauglichen Satzbau, dazu Songfahrpläne und Kreativitätstechniken, Blockadenvorbeugung und Archivpflege – und regelmäßiges Coaching. Co-Dozenten pilgern alljährlich nach Celle, um ihr Wissen zu vermitteln: Jürgen vom Scheidt (Kreativitätspsychologie), Martin Wehrle (Selbstmarketing/ Verhandlung), Andreas Thiele (Aufbau und Organisation der GEMA), Hans Hee und Burkhard Brozat (Deutscher Textdichterverband) und viele mehr. ExAbsolventen stellen sich als CoachingHelfer und Referenten genauso zur Verfügung wie Musikerkollegen und erfolgreiche Köpfe der Branche. Willy Klüter, Frank Ramond, Christian Bruhn, Thomas Woitkewitsch, Rainer Bielfeldt, Pe Werner, Alex Parker, Maurice van Beek und viele mehr sind seit Jahren gern gesehene Gäste. Apropos Erfolge: In den vergangenen zehn Jahren hat die Celler Schule eine Menge erreicht. Kostprobe gefällig? Heike Fransecky (1999) gehört heute zu den fünf erfolgreichsten Schlager-Textdichterinnen Deutschlands, Tina Teubner und Bodo Wartke (beide Celle 1998) gewannen je einen deutschen KleinStehen seit fünf Jahren für den Erfolg in Celle: Edith Jeske und Tobias Reitz kunstpreis. Wolfgang Adenberg (1996) ist nach Dr. Michael Kunze der gefragte zweite Mann bei den Musical-Übersetzungen, Flo Peil (2005) gewann mit seiner Band Peilomat den Deutschen Rockpreis 2006 aus über 350 Bewerbungen, Andreas Zaron (1997) gelang die Karriere als erfolgreicher Schlagerinterpret und Auftragsschreiber, Erich Öxler (2000) platzierte unzählige Partysongs in den Media-Control-Charts und Michael Bodens (2004) Band Subway To Sally war sogar mehrfach für den ECHO nominiert! Aber die Prozesse in der Musikbranche sind ja bekanntlich Das wesentlichste Element langwierig. Fast noch spannender als in Celle ist Musik die etablierten sind dementsprechend die „Sprungbrett-Cellenten“, jene Nachwuchsschreiber, die durch die Celler 2 3 G E MA N a c h r i c ht e n 2006 • Au s g a b e 174 • N ove m b e r 2006 G E MA N a c h r i c ht e n 2006 • Au s g a b e 174 • N ove m b e r 2006 I n f o r m at i o n Exemplarische Ju ry für Celle: Heike Fransecky, Tobia s Reitz, Wolfgang Adenberg , Thom as Woitkewitsch, Edith Jeske, Kay Lorentz (v.li.) Projektarbeit mit Komponist Willy Klüter nach Bringt Inspirationen Celle: Pe Werner Schule den Impuls erhielten, sich auf soliden handwerklichen und künstlerischen Boden zu stellen und den Schritt ins Autorenleben zu wagen. Erfolgreiche Wege als Autoren und/oder Interpreten zeichnen sich ab. Interessierte sollten sich Namen wie Matthias Reuter, Martin Fliegenschmidt, Claudia Heinen, Kathleen Tielscher, Wiebke Wimmer merken. Auch für mich begann das professionelle Textdichterleben in Celle. Grob geschätzt hat die Celler Schule ihren Autoren alleine durch die ins Plenum gestreuten Aufgaben der letzten Jahre zu etwa 30 Veröffentlichungen auf dem deutschen Markt verholfen, unter anderem bei Künstlern wie Wolfgang Petry, Alex Parker oder Geraldine Olivier. „Das Renommee der Celler Schule ist die beste Bestätigung und weitere Ermutigung für alle, die mitgeholfen haben, sie zu dem zu machen, was sie heute ist“, erklärt Edith Jeske, die Mutter der Celler Schule oder – wie ihre Schüler sie am liebsten nennen – die „Musenmuddi“. Das sonst allgegenwärtige Hickhack zwischen den Genres ist in der Celler Schule kein Thema. Im Gegenteil. Wir achten darauf, dass das Teilnehmerfeld möglichst ausgewogen ist. Vom Volksmusikanten über den politischen Liedermacher bis zum Gothic-Rocker war schon alles an einem Tisch. Jedes Jahr ein spannendes Experiment für Veranstalter, Teilnehmer und Gäste. Für diese Ausgewogenheit sorgt eine sechs- bis siebenköpfige Jury aus erfolgreichen exCELLEnten und namhaften Vertretern der unterschiedlichen Genres. Da wird sich gerne auch mal gefetzt, wenn es um die Wertung geht. „Nur weil man weiß, wie ein gutes Schnitzel gemacht wird, ist man noch lange nicht gleichzeitig auch der König der Sahnetorten“, konstatiert Edith Jeske, „deshalb muss man schon aus unterschiedlichen Blickwinkeln auf die eingereichten Texte schauen.“ Zehn Teilnehmer sind pro Jahr dabei. Das bedeutet natürlich bei jährlich bis zu 100 Bewerbungen lange Gesichter bei denen, die es nicht geschafft haben. Aber Ausdauer wird belohnt. Wer an sich arbeitet und es ein 4 G E MA N a c h r i c ht e n 2006 • Au s g a b e 174 • N ove m b e r 2006 zweites, drittes oder gar viertes Mal versucht, wird sich dann vielleicht doch unter den Ausgewählten wieder finden. Der bisherige Rekord steht bei fünf Versuchen bis zur Zusage. Dass die Celler Schule noch lange bestehen bleibt, wünschen wir ihr nicht alleine. Der Termin für 2007 ist übrigens gesichert: Vom 8. bis 22. Mai 2007 hält der deutsche Autorennachwuchs wieder Einzug in Celle. Begleitet von einem hoch motivierten Organisationsteam um Edith Jeske, vielen Herzblutspendern – auch unter denen, die das Predigerseminar Celle zu einem so unvergleichlichen Ort für kreative Begeisterung machen. An dieser Stelle ein Dank für 10 Jahre, die uns eng miteinander verbunden haben. Ein Jahrzehnt Celle – und ein halbes für mich. Wir sind gespannt, wie es weitergeht und freuen uns auf das, was vor uns liegt. Und wenn Sie es auch verfolgen wollen: Unsere Homepage www. cellerschule.de ist soeben online gegangen.