Kabinettsvorlage des Innenministers vom 23. 6. 1947 NW 30/44 Durchschri Betri: Gemeindewahlen im Herbst 1947. I Nach der Verordnung Nr. 31 der Militärregierung haben in diesem Jahre die Wahlen zu den Vertretungen der Gemeinden und Ämter am 14. September und die Wahlen zu den Vertretungen der Stadt- und Landkreise am 12. Oktober stattzufinden. Es ist nur ein Drittel der Vertreter neu zu wählen. Der Rücktritt spielt sich wie folgt ab: Aus jedem der Wahlbezirke, in denen in der Regel 3 (manchmal jedoch auch 6 oder 9) Vertreter gewählt wurden, scheidet ein Drittel aus und wird ein Drittel neu gewählt. Auf diese Weise wird der größte Teil der Bezirke zu Einmann-Wahlkreisen (nur ein verschwindend kleiner Teil von Bezirken wird zu Zweioder Dreimann-Wahlkreisen werden). Ebenso scheiden von den aus der Reserveliste gewählten Vertretern ein Drittel aus.Es scheiden aus jedem Wahlbezirk derjenige (oder diejenigen) Vertreter aus, die in ihrem Wahlbezirk die geringste Stimmenzahl erhalten haben. Das Entsprechende gilt für die Reserveliste. Hier scheidet ebenfalls dasjenige Drittel der Vertreter aus, die mit den geringsten Stimmenzahlen noch einen Sitz erhalten haben. Dieses Ausscheiden erfolgt ohne Ansehen der Partei. Es vollzieht sich wie gesagt, automatisch nach der geringsten Stimmenzahl (Regelung in Anweisung Nr. 1 der Militärregierung zur Verordnung Nr. 31). II Die Militärregierung hat informatorisch gefragt, was für Meinungen in der Regierung und im Lande hinsichtlich der Gemeinde- und Kreiswahlen bestünden. Die Erfahrungen sowohl bei den letzten Gemeinde- wie bei den Landtagswahlen haben gezeigt, daß mit den Vorbereitungsarbeiten für die Wahl gar nicht früh genug angefangen werden kann, daß aber alle Vorbereitungsarbeiten nur dann sinnvoll gestaltet werden können, wenn sowohl der Wahltermin wie das Wahlrecht selbst eindeutig festliegen. Es ergeben sich daher folgende Fragen: 1.) Sollen die Gemeindewahlen im Herbst überhaupt abgehalten werden? Für den Fall, daß diese Frage verneint wird, müßten die jetzt geltenden Bestimmungen der Militärregierung dahin abgeändert werden, daß nicht ein Drittel der Vertreter in diesem Jahr zurücktritt. 2.) Wenn Neuwahlen stattfinden sollen, soll nur ein Drittel der Vertreter oder sollen alle Vertreter neu gewählt werden? Wenn alle Vertreter neu gewählt werden sollen, bedarf es ebenfalls einer Änderung der Militärregierungsvorschrien. 3.) Wenn eine Neuwahl stattfinden soll, soll sie für drei oder für vier Jahre erfolgen? Je nach Beantwortung dieser Frage ist ebenfalls eine Änderung der geltenden Bestimmungen notwendig. 4.) Soll der Neuwahl eines Drittels oder der Neuwahl der Gesamtvertretung auf drei oder auf vier Jahre das bisherige Gemeindewahlrecht zugrundegelegt werden oder ein anderes System? Je nach Beantwortung dieser Frage ist ebenfalls eine unter Umständen sehr umfassende Neuordnung des Gemeindewahlrechts notwendig. Dabei ergeben sich die aus den Debatten um das Landtagswahlrecht bekannten Streitfragen, ob Verhältniswahlrecht, Mehrheitswahlrecht oder kombiniertes System. III Von diesen grundsätzlichen Fragen abgesehen, sind auf jeden Fall einige formale Änderungen an den bisherigen Bestimmungen des Gemeindewahlrechts erforderlich, um sie hinsichtlich aktivem Wahlrecht, Wählbarkeit und Wählerlisten dem Landtagswahlrecht anzugleichen. IV Es ist notwendig, daß so schnell wie möglich zwischen allen politisch verantwortlichen Kräen des Landes eine Verständigung über die Gemeindewahlen, gegebenenfalls das Gemeindewahlsystem erfolgt. Es muß unter allen Umständen sichergestellt werden, daß nicht wieder erst wenige Wochen vor dem Wahltermin Klarheit über den Wahltermin selbst und das Wahlsystem besteht. Es wird also notwendig sein, daß sich das Kabinett unverzüglich eine Meinung bildet und daß dann eine Abstimmung mit den Fraktionsführern der politischen Parteien im Hauptausschuß des Landtags erfolgt. Bis spätestens 15. Juli müßten die vorstehend gestellten Fragen nicht nur eindeutig geklärt, sondern durch abschließende Beschlüsse geregelt sein. gez. Dr. Menzel