Herbert Diwisch <[email protected]> Stalin (Iossif Wissarionowitsch Dschugaschwili) Der 1879 in dem kaukasischen Landstädtchen Gori geborene Schustersohn hatte die typische Laufbahn eines russischen Berufsrevolutionärs hinter sich. Er entstammte zwar proletarischen Verhältnissen, hat aber nie selbst manuell gearbeitet, sondern seit seinem Ausschluß aus dem Priesterseminar in Tiflis ausschließlich in der revolutionären Tätigkeit seinen Lebensinhalt gesucht. 1912 wurde er ins Führungsgremium des Zentralkomitees der bolschewistischen Partei aufgenommen und 1922 vom Plenum des ZK der Partei zum Generalsekretär gewählt. Kampf um die Nachfolge Lenins Noch vor seinem Tod hat Lenin versucht Stalin als seinen möglichen Nachfolger auszuschalten, blieb damit aber ohne Erfolg. Als er am 21.1.1924 starb, entbrannte ein innenpolitischer Machtkampf um die Nachfolge. Vorerst übernahm ein Dreimännerkollegium (Triumvirat), dem Sinowjew, Kamenev und Stalin angehörten, die Nachfolge der obersten Parteiführung. Stalin, seit 1922 Generalsekretär der kommunistischen Partei und damit für die gesamte Organisationsarbeit der Partei verantwortlich, hatte die beste Ausgangsposition um Lenins Nachfolger zu werden. Zuerst galt es aber in einem innerparteilichen Machtkampf die Gegner auszuschalten. Neben Sinowjew und Kamenev war dies vor allem Trotzkij (Organisator und Befehlshaber der Roten Armee), der einen starken Rückhalt in der Arbeiterschaft und der Armee hatte. Ein Umstand der Stalin half, war die Tatsache, daß im Politbüro alle einander mißtrauten, vor allem aber fürchtete man, Trotzkij könnte eine Militärdiktatur errichten. Stalins Prinzip war es, jeweils eine Meinung zu vertreten, die der jener genau entgegengesetzt war, die sein Gegner vertrat. So verbündete sich Stalin kurzzeitig mit Sinowjew und Kamenev um gegen Trotzkij vorzugehen, der für die "permanente Revolution" war. So wurde der "Trotzkismus" als eine gefährliche Abweichung diagnostiziert. 1925 mußte Trotzkij als Volkskommissar für das Kriegswesen zurücktreten. 1926 wurde er aus dem Politbüro ausgeschlossen, später auch aus der Partei und schließlich aus Rußland verbannt. Er wurde 1940 in Mexiko im Auftrag Stalins ermordet. Kurz nachdem Trotzkij aus allen politischen Ämtern entfernt war, entledigte sich Stalin aller Zweckbündnisse und ging gegen Sinowjew und Kamenev vor, die zwar Reue zeigten, aber schließlich im Jahre 1936 Opfer der Moskauer Säuberungen wurden. Sie wurden im ersten der drei Schauprozesse verurteilt und erschossen. Später schaltete Stalin auch die rechte Opposition innerhalb der Partei aus. Hiervon waren vor allem Bucharin, Tomskij und Rykov betroffen. Stalin verstand es, sich geschickt des Parteiapparats zu bedienen um seine Ziele zu erreichen. Es half ihm auch, daß es ihm frühzeitig gelungen war, die Staatspolizei (Tscheka, seit 1922 GPU) unter seinen Einfluß zu bringen. An seinem 50. Geburtstag 1929 ließ sich Stalin als Erbe und Vollender des Werkes Lenins feiern. Aus dem Parteisekretär war in wenigen Jahren der totale Beherrscher des Parteiapparates und der mächtigste Mann im Staat geworden. Der Sozialismus in einem Lande Als deutlich war, daß sich die Hoffnungen auf eine Weltrevolution nicht so bald erfüllen würden und sich die Perspektiven für die von Trotzkij geforderte "permanente Revolution" verdüsterten, stellte Stalin 1925 auf dem Parteikongreß erstmals die These vom "Sozialismus in einem Lande" auf. Er wollte nicht auf die Weltrevolution oder revolutionäre Entwicklungen in den anderen Staaten warten. Um allerdings in der Sowjetunion aus eigener Kraft eine "vollendete sozialistische Gesellschaft" zu erreichen, schien es Stalin notwendig, die westlichen Staaten auf wirtschaftlichem Gebiet einzuholen, denn die industrielle Revolution hatte in Rußland noch nicht stattgefunden: Die Sowjetunion war am Beginn des 20. Jahrhunderts in der Industrialisierung weit hinter der westlich - kapitalistischen Welt zurück. Herbert Diwisch <[email protected]> Stalinismus Unter Stalinismus werden nicht - im Sinne der Totalitarismustheorie politische Institutionen und Erscheinungen wie Einparteienherrschaft, Terror, Personenkult u. ä. verstanden, sondern das sozialökonomische System, das sich im Zusammenhang mit der forcierten Industrialisierung und der Massenkollektivierung herausbildete. Industrialisierung Sozialismus und industrielle Entwicklung stehen nach marxistischer Lehre in einem unlösbarem Zusammenhang, denn die technische Vervollkommnung der Maschinenindustrie und die ihr gemäße Wirtschaftsform des Kapitalismus bringen ja erst das Proletariat hervor, dem es bestimmt ist, die sozialistische Endphase der Weltgeschichte zu verwirklichen. Lenin machte allerdings aus diesem Widerspruch eine finale These: er meinte, daß der Kommunismus - das Ziel - in einer Verbindung von Sowjetmacht und Elektrifizierung bestehe. Stalin führte dieses Prinzip weiter. Um neben den kapitalistisch feindlichen Mächten auf die Dauer bestehen zu können, und schließlich das Ziel - die Weltrevolution - verwirklichen zu können, sah er die einzige Chance in einer industrialisierten und hochgerüsteten Sowjetunion. Mit dem ersten Fünfjahresplan 1928 schlug die Sowjetführung nun eine neue Industria- lisierungspolitik ein. Die in den Jahren 1927 - 1929 eingetretenen Krisen in der Getreide- versorgung dienten Stalin zum Anlaß, die NÖP (Marktwirtschaft und Privatisierung in der Landwirtschaft, im Handel und der Industrie) abzubrechen. Von nun an wurde der Ausbau einzelner Schlüsselindustrien in außerordentlich beschleu- nigtem Tempo vorangetrieben. Man konzentrierte sich auf einige wenige Industriezweige (Metallproduktion, Maschinenbau, Motoren - und Flugzeugbau, Automobil - und Traktorenerzeugung, chemische Industrie und Energieerzeugung), ohne dabei auf gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge Rücksicht zu nehmen. Die neue Industrialisierungsstrategie stützte sich auf bestimmte Möglichkeiten wie zum Beispiel den Arbeitswettbewerb (Prämiensystem, Titel "Helden der Arbeit") und das ununterbrochene Betriebsjahr, welches eingeführt wurde. Allerdings stellte der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften ein ernsthaftes Problem dar. Daher wurde das Netz der Betriebsberufschulen ausgebaut. Am Ende des zweiten Fünfjahresplanes 1937 hatte man eine mächtige Schwerindustrie mit zahlreichen neuen Produktionszweigen geschaffen. Es waren Tausende neue Betriebe entstanden, fast die gesamte Industrie war elektrifiziert. Auch in bisher unerschlossenen Gebieten des Urals und in Sibirien waren Industriezentren und neue Verkehrswege entstanden. Zahlreiche neue Kraftwerke, die energieintensivere Produktionen ermöglichten waren gebaut worden. Die Rüstungsproduktion erlangte eine wachsende Bedeutung. Ende der dreißiger Jahre belegte die Sowjetunion im Volumen der Produktion hinter den USA den zweiten Platz. Innerhalb von einem Jahrzehnt war aus dem Agrarstaat der zweitgrößte Industriestaat der Welt geworden. Doch die quantitativ eindrucksvollen Erfolge konnten nicht darüber hinwegtäuschen, daß diese durch enorm hohe Opfer in der Bevölkerung entstanden waren. Die Industrialisierung war durch rücksichtslosen Terror erzwungen worden. Der massive Einsatz und die Disziplinierung von Arbeitskräften beutete die Bevölkerung aus, die Konsumgüterproduktion wurde stark vernachlässigt. Der Ausbau der Industriezweige wurde auch durch die Massenkollektivierung gefördert, welche viele Arbeitskräfte bereitstellte. Die handwerklichen Kleinbetriebe bzw. das Kleinbürgertum wurden vernichtet. Herbert Diwisch <[email protected]> Außerdem wurden Ressourcen verschwendet. Man holzte die Wälder ohne reproduktive Forstwirtschaft ab, ebenso wie man nur die ergiebigsten Erzadern ausbeutete. Die Produktionszahlen stimmten zwar, die Produktionskosten waren aber enorm hoch und die großen quantitativen Erfolge wurden oft durch die schlechte Qualität der Erzeugnisse wieder aufgehoben. Immer wieder wurden Massen ungeschulter Arbeitskräfte eingesetzt, die die kollektivierte Landwirtschaft in ausreichendem Maße zur Verfügung stellte, und Mehrleistungen durch verstärkten Druck auf die Arbeiter erzwungen. Die produktiven Möglichkeiten des technischen Apparats blieben aber unausgeschöpft. Die Kollektivierung der Landwirtschaft (Zusammenschluß von Klein - und Mittelbetrieben) Parallel zur Industrialisierung vollzog sich die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft, die in wenigen Jahren die Bauern in Kollektivwirtschaften (Kolchosen = Genossenschaften und Sowchosen = staatliche Musterbetriebe) eingliederte und den Privatbesitz an Grund und Boden abschaffte. Gründe für die Kollektivierung waren einerseits, daß Stalin die letzte selbständige Bevölkerungsgruppe unter die totale Kontrolle des Parteistaates bringen wollte und andererseits, daß aus wirtschaftlicher Sicht der landwirtschaftliche Großbetrieb besser geeignet war Überschüsse für den Markt bzw. für die Zwecke des Staates zu produzieren. Auf diesen Großbetrieben war der Einsatz von Maschinen und Traktoren lohnender und die Bauern konnten als "Werktätige" leichter unter Kontrolle gehalten werden. Das eigentliche Ziel der Kollektivierung war aber die Abschaffung des Privateigentums in der Landwirtschaft - der "Klassenkampf auf dem Lande" - und damit ein wichtiger Schritt auf dem vom Kommunismus propagierten Weg zur klassenlosen Gesellschaft. Nach Stalins Verständnis war die Kollektivierung in der Landwirtschaft auch eine Voraussetzung für seine Industrialisierungs - politik. Allerdings traten nur wenige, vor allem ärmere Bauern, freiwillig den neugebildeten Kollektiven bei. Vor allem die Kulaken, die bäuerliche Mittelschicht wehrte sich: Sie schlachteten ihr Vieh und vernichteten Getreide. So wurde die "Liquidierung des Kulakentums" eines der großen Ziele Stalins. Man nannte sie auch die "Revolution von oben", da sie auf Initiative der staatlichen Macht beruhte. Sie wurde gegen den massiven Widerstand der Bauern und mit großer Brutalität durchgesetzt. Etwa eine halbe Million Kulaken wurden im tiefsten russischen Winter in die entlegensten Teile des Landes, meist nach Sibirien, deportiert und mußten entweder Zwangsarbeit in Straflagern (Gulag) leisten ( => Industrialisierung) oder sie verhungerten bzw. erfroren, da ihnen weder Unterkünfte noch Nahrung zur Verfügung gestellt wurden. Die Durchführung der Deportationen lag bei der GPU bzw. Liquidierungskommandos. Insgesamt wurden etwa 3 Millionen Bauern deportiert, die meisten kamen dabei ums Leben. Durch die Gewaltmaßnahmen und die überstürzten Deportationen waren Teile der ländlichen Infrastruktur völlig zerstört oder erheblich in Mitleidenschaft gezogen worden. Notschlachtungen hatten den Viehbestand dezimiert, weite Ackerfluren blieben unbestellt und hohe Ernteausfälle verschärften die Engpässe bei der Nahrungsversorgung. Die Folge war ein völliger Zusammenbruch der dörflichen Ordnungen und eine schreckliche Hungersnot, die in den Jahren 1932/33 weit über 5 Millionen Opfer forderte. Die Zwangskollektivierung endete in einem wirtschaftlichen Fiasko, doch bekam der Staat damit die bäuerliche Bevölkerungsmehrheit unter direkte Kontrolle. 1938 war die privat- bäuerliche Produktion praktisch verschwunden, Sowchosen und Kolchosen teilten sich in 99% der Anbaufläche. Insgesamt forderte die stalinistische Agrarpolitik rund 11 Millionen Tote. Herbert Diwisch <[email protected]> Der totalitäre Staat - Säuberungen - Personenkult Die Entwicklung des sowjetischen Herrschaftssystems verlief weiter in Richtung einer faktischen Alleinherrschaft des Diktators Stalins. Die KPdSU war die einzig zugelassene politische Organisation und wurde zur Stütze des totalitären politischen Systems des Stalinismus. Ein zentrales Element des Stalinismus war der Massenterror, der Widerstand und jede Kritik rücksichtslos unterbunden hat, der vor allem aber die Bevölkerung einschüchterte und willkommene Sündenböcke schuf. Vor Denunziationen und willkürlichen Verhaftungen war niemand mehr sicher. Die Auflösung der traditionellen gesellschaftlichen Strukturen ließ die Kriminalitätsrate rapide ansteigen und so entwickelte man ein ausgeklügeltes System erzwungener Arbeit. Kriminelle und politisch Gefangene wurden in gemeinsamen Arbeitslagern (ca. 5-6 Mio. Insassen) in Sibirien und des Hohen Nordens zusammengefaßt, wo viele an den unmenschlichen Bedingungen starben. Stalin nahm die Ermordung des Leningrader Parteisekretärs S. M. Kirov zum Anlaß, eine umfassende Säuberung einzuleiten. Zu Kirov ist zu sagen, daß am "Parteitag der Sieger" 1934 eine große Anzahl der Delegierten gegen Stalin als Generalsekretär gestimmt hatte und Kirov- hätte er kandidiert - Stalin vermutlich überlegen gewesen wäre. Man nimmt an, daß Kirov im Auftrag Stalins ermordet wurde. Der folgenden Säuberung fielen die alte Garde der Bolschewiki und anderer Parteien, die Spitzen der Armee, Bürokratie und politischen Polizei, die gesamte Elite der nichtrussischen Nationen und zahlreiche Vertreter der russischen geistigen Elite zum Opfer. Die Säuberungswelle gipfelte in den Jahren 1936-1938 in den Moskauer Schauprozessen, denen vor allem prominente Überlebende der alten Parteielite und verdiente Altkommunisten aus der internationalen Arbeiterbewegung zum Opfer fielen. Während der Untersuchungshaft durch Dauerverhöre und Folter gebrochen, gestanden die Angeklagten ihre angeblichen Verbrechen gegen den Staat und wurden schließlich exekutiert. Durch unablässige Propaganda versuchte Stalin von Terror und Gewalttaten abzulenken. Er ließ sich in einem beispiellosen Personenkult als "großer und genialer Führer und Lehrer" feiern. Der Stalinkult umfaßte bald das ganze Leben der Sowjetbürger: Schule, Beruf, Freizeit, Kultur und die Massenmedien. Auch die Kunst und Künstler mußten im Dienst des Personenkults stehen. Der Sozialistische Realismus war das neue Schlagwort in der Kunst. So gelang es Stalin, die Mehrheit der Bevölkerung durch neue Ideologien zu mobilisieren und zu integrieren. Die Idee des sozialistischen Aufbaus vermochte vor allem junge Leute zu begeistern. Der proletarische Internationalismus wurde durch den Sowjetpatriotismus ersetzt, der russisch-nationale und populistische Ideen wiederaufnahm. Der Weg in den 2. Weltkrieg Stalin versuchte der feindlichen Haltung Hitlers mit der Volksfronttaktik zu begegnen. Der sowjetisch-tschechoslowakische Beistandspakt (1935) hätte mit französischer Unterstützung zur Eindämmung expansiver Ambitionen Hitler-Deutschlands beitragen sollen, blieb jedoch 1938/39 beim Zusammenbruch der Tschechoslowakei wirkungslos. Am 23. 8. 1939 unterzeichneten die beiden Außenminister Molotov und Ribbentrop in Moskau den Hitler-Stalin-Pakt. Er beschloß die Aufteilung der künftigen Interssensphären in Ostmitteleuropa. Die sowjetische Interessensphäre umfaßte Finnland, Estland, Lettland, Bssarabien und Ostpolen. Deutschland sollte Westpolen bekommen. Weiters garantierte der Nichtangriffspakt Hitler, bei seinem geplanten Angriff auf Polen nicht in einen Zweifronten - krieg verwickelt zu werden. Nachdem Hitler Polen im September 1939 in einem Blitzkrieg besiegt hatte, wurde das Land wie vertraglich festgelegt, aufgeteilt. Im selben Jahr besetzte die Herbert Diwisch <[email protected]> Sowjetunion auch Estland, Lettland und Litauen, wandelte sie 1940 in Sowjetrepubliken um und gliederte sie in die UdSSR ein. Der Angriff auf Finnland (Winter 1939/40) brachte der Sowjetunion enorme Verluste und den Ausschluß aus dem Völkerbund (Dezember 1939). Im März 1940 wurde der Konflikt mit einem Friedensvertrag wieder beigelegt. Stalin erkannte im politischen Zusammengehen Deutschlands und Japans, die Achse Berlin - Tokio, die Gefahr eines Zweifrontenkrieges, zumal Japans Ambitionen, beherrschende Macht in einem großasiatischen Wirtschaftsraum zu werden bekannt waren, und schloß im April 1941 einen Neutralitätspakt mit Japan. Der "Große Vaterländische Krieg" Am 22. 6. 1941 gab Hitler seiner Wehrmacht den Befehl zum Angriff auf die Sowjetunion. Der Angriff schien die Sowjetführung völlig zu überraschen und die Deutschen konnten in den ersten Wochen des Krieges immense Erfolge verzeichnen. Gründe hierfür waren vor allem die sich bemerkbar machende Führungsschwäche der Roten Armee, die anfängliche Unterstützung der Deutschen durch Balten und Ukrainer, die die Deutschen zunächst als Befreier sahen, aber auch die Millionen übergelaufenen Rotarmisten (unzufriedene Kulaken, Freunde hingerichteter Offiziere, von Stalin enttäuschte Jungkommunisten). Das brutale Auftreten der Deutschen und die schlechte Behandlung der Überläufer verstärkte allerdings den Widerstand in der Bevölkerung. Stalin nützte die immer größer werdende Angst vor fremden Besatzungs- soldaten und rief zur Verteidigung Rußlands auf. Er gab dem Krieg den propagandistischen Namen "Großer Vaterländische Krieg". Für die Bevölkerung nahm der Krieg einen neuen Charakter an. Man kämpfte nicht mehr für den Sozialismus, sondern für das Vaterland. Viele verbanden den zu erwartenden Sieg mit der Hoffnung auf ein freieres Leben. Die sowjetischen Soldaten leisteten von nun an erbitterten Widerstand. Es bildeten sich Partisanengruppen, die hinter der Front Sabotage betrieben. Nachdem die Deutschen ohne große Gegenwehr Leningrad eingeschlossen hatten, rückten sie weiter bis in die unmittelbare Nähe von Moskau vor. Hier erlitt die deutsche Wehrmacht aber ihre erste große Niederlage. Die für einen Winterkrieg nur mangelhaft ausgerüsteten Soldaten mußten hunderte Kilometer zurückweichen. Die deutschen Verluste stiegen sprunghaft an. Zwar gelang es den Deutschen in der Sommeroffensive 1942 die Krim und mehrere Halbinseln zu erobern und bis zu den Ölfeldern am Kaspischen Meer und zum Hochkaukasus vorzustoßen, doch scheiterten alle Versuche Stalingrad zu erobern. Eine sowjetische Großoffensive vom 19. - 22. 11. 1942 schloß die 6. deutsche Armee im Kessel von Stalingrad ein. General Friedrich Paulus, von Hitler persönlich zum Ausharren verpflichtet, sah sich nach aussichtsloser Gegenwehr am 2. 2. 1943 zur Kapitulation gezwungen. Von nun an war die Rote Armee im Vorteil, die Deutschen mußten zurückweichen und die besetzten Gebiete räumen. Die Truppenlandung der Westalliierten in der Normandie am 6. 6. 1944 eröffnete die zweite Front in Westeuropa und machte die Lage für Deutschland immer aussichtsloser. Am 9. 5. 1945 mußte Deutschland die bedingungslose Kapitulation anerkennen. Im Verlaufe der letzten Kriegsmonate war die Sowjetunion bei ihrem Vorrücken bis nach Mitteldeutschland gelangt und hatte eine ganze Reihe von Staaten in Ost- und Südosteuropa besetzt. Polen, Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und der östliche Teil Österreichs waren nach Kriegsende in russischer Hand. Stalin stand nach dem 2. Weltkrieg auf dem Höhepunkt seiner Macht. Herbert Diwisch <[email protected]> Stalins Satelliten - Der "Eiserne Vorhang" senkt sich Nach dem Krieg waren etwa 50 Millionen Menschen in ganz Europa auf der Flucht. Seit die Rote Armee im Winter 1944/45 die deutsche Grenze erreicht hatte, strömten Millionen von Deutschen in den Westen (=>Repatrierung). Man fürchtete sich vor der brutalen Vorgangs- weise der Russen - nicht zu Unrecht: Rußland, das die größten Opferzahlen aus dem 2. Weltkrieg zu beklagen hatte (etwa 20 Millionen), versuchte aus dem "Trümmerfeld Europa" möglichst viel Kriegsbeute herauszuholen, Voraussetzung dafür war die Vertreibung der Deutschen aus den östlichen Gebieten. Hunderttausende, die die deutschen Ostgebiete nicht mehr rechtzeitig verließen, wurden von den Sowjets in die UdSSR verschleppt. Außerdem erhob die Sowjetunion Anspruch auf sogenanntes deutsches Eigentum in der Sowjetzone. So wurden halbe Fabriken und Bahnlinien demontiert und nach Rußland gebracht. Stalin sowjetisierte in den folgenden Jahren die besetzten Staaten Polen, Tschechoslowakei (1948 in freien Wahlen für den Kommunismus entschieden), Ungarn, Rumänien, Bulgarien und Ostdeutschland (1949 DDR). Man bezeichnete diese Staaten auch Satelliten Moskaus oder Volksdemokratien. Damit war die Sowjetunion neben den USA zur zweiten Weltmacht geworden. Churchill prägte 1946 den Begriff "Eiserner Vorhang". Man verstand darunter die Trennung Europas in den kommunistisch geprägten Osten und den Westen. Der Kalte Krieg bis Stalins Tod 1953 Nach dem 2. Weltkrieg verhärtete sich das Klima zwischen den USA und der Sowjetunion wieder. Ideologische Gegensätze und unterschiedliche machtpolitische Zielsetzungen vor allem der Sowjetunion führten schließlich zum "Kalten Krieg". Man versteht darunter die Konfrontation zwischen den USA und der UdSSR, eine Fortsetzung des Ringens um die Herrschaft über Menschen und Güter mit nichtkriegerischen Mitteln. Aus Furcht vor einem direkten militärischen Zusammenstoß mit neuen, verheerenden Waffensystemen versuchten die beiden Supermächte, ihre eigene Position zu stärken und die des Gegners zu schwächen. Die Truman - Doktrin 1947 legte die Containmentpolitik fest. Man wollte den Kommunismus eindämmen. Dies geschah durch wirtschaftliche Unterstützung der nicht kommunistischen Länder Europas. Es wurde ein wirtschaftliches Hilfsprogramm aufgestellt, das nach dem Namen des damaligen Außenministers "Marshall-Plan" genannt wurde. Von 1948 - 1952 empfingen die westeuropäischen Länder Milliardenbeträge an Sachlieferungen und Krediten. So bildete der Marshall-Plan eine Grundlage des westeuropäischen Nachkriegswohlstandes. Vor allem die Wirtschaft Westdeutschlands faßte wieder Fuß, während in der sowjetisch besetzten Zone die Demontage von Industrieanlagen und die Ablieferung von Gütern und Rohstoffen weitergingen. Amerika bot auch den Staaten Osteuropas Marshall-Plan-Hilfe an. Stalin zwang jedoch die Regierungen der kommunistischen Staaten zu einem Verzicht. Dafür wurde als Pendant zum Europäischen Wirtschaftsrat (OEEC) der "Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe" (COMECON, 1949) gegründet. Beide Seiten sicherten ihren Machtbereich durch Verteidigungsbündnisse ab. Im Westen war dies die Gründung der Nordatlantikpakt Organisation (NATO, 1949), im Osten kam es zum Abschluß des Warschauer Paktes (1955). Der Kalte Krieg steuerte mit der von Stalin verfügten Berlin - Blockade (Juni 1948 Mai 1949) einem ersten Höhepunkt zu und besiegelte auf Jahrzehnte die Teilung Deutschlands. Stalin wollte mit der Isolation Berlins erreichen, daß es ganz kommunistisch wird, hatte allerdings keinen Erfolg da Herbert Diwisch <[email protected]> Westberlin 10 Monate erfolgreich von den USA aus der Luft versorgt wurde. Um einen eskalierenden, globalen Schlagabtausch zu vermeiden kam es zu Stellvertreter- kriegen wie zum Beispiel in Korea (1950 - 1953). Stalin versuchte hier mit chinesischem Beistand eine Ausweitung des kommunistischen Herrschaftsbereiches in Ostasien und provozierte die amerikanische Intervention. 1953 beendete ein Waffenstillstand den Krieg und bestimmte in etwa die alte Zonengrenze als Staatsgrenze. Als Stalin am 5. März 1953 starb atmeten die Menschen auf der ganzen Welt auf. Mit Nikita Chruschtschow begann eine neue Ära.