Südkorea: neue Wachstumsimpulse gesucht

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Ausgabe 2 | 8. März 2017
Südkorea: neue Wachstumsimpulse gesucht
Weijun Yin
International Banking,
BHF-BANK
Südkorea hat eine beeindruckende Wachstumsgeschichte geschrieben. Zeitweilig erreichte es Platz 10 unter den Wirtschafts­
nationen der Welt. Nun zeigen sich verschiedene strukturelle Probleme. Um sich aus der Schwächephase zu befreien, muss Südkorea
noch mehr in Forschung und Entwicklung investieren. Die Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Energiequellen soll stark aus­
gebaut werden.
Chaebols dominieren die Wirtschaft
Samsung steht nicht nur für ein Fünftel
des Bruttosozialprodukts, sondern auch
für 25% des Exports. Die vier größten Konzerne des Landes erwirtschaften rund
© Rawpixel/iStock/Thinkstock/Getty Images
Hat Samsung Probleme, so leidet ganz
Südkorea. Der Umsatz des Konzerns steht
für rund ein Fünftel des südkoreanischen
Bruttosozialprodukts. Entsprechend dramatisch ist es für die gesamte Volkswirtschaft, wenn der Smartphone-Weltmarktführer ein Debakel wie die gescheiterte
Einführung des Galaxy Note 7 erlebt. 5
Mrd EUR hat das Fiasko den Mischkonzern
gekostet. Jüngst kamen weitere Negativschlagzeilen hinzu: Der Sohn des erkrankten Firmenoberhaupts steht unter Korruptionsverdacht und wurde deshalb verhaftet. Er soll Schmiergelder an eine Vertraute
von Präsidentin Park Geun-hye gezahlt
haben. Am Beispiel Samsung zeigen sich
somit gleich zwei Probleme Südkoreas:
die starke Abhängigkeit von einigen wenigen Großkonzernen wie Samsung, Hyundai, LG Group, SK Group, SsangYong und
Hanjin sowie die Vetternwirtschaft.
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Quo vadis? Südkorea sucht nach einem Weg in eine saubere Zukunft.
90% aller Unternehmensgewinne. In Südkorea werden sie als Chaebols bezeichnet,
was so viel wie „reiche Sippen“ bedeutet
und sehr große Familienunternehmen mit
vielen verschiedenen Sparten umschreibt.
Sie galten lange als sehr agil und anpassungsfähig und wurden während der
Jahrzehnte der Militärdiktatur als Motoren des südkoreanischen Wirtschaftswun-
ders („das Wunder am Han-Fluss“)
betrachtet. Mit dem Staat, der ihre Investitionen finanzierte, Exporte erleichterte
und sie vor ausländischer Konkurrenz
schützte, waren sie eng verwoben. Schon
damals galt: Was gut ist für Samsung, ist
gut für Südkorea. So entstand eine enge
Verbindung zwischen den Familienkonzernen und der Militärdiktatur – zum
Nachteil von Wirtschaftsakteuren, die
nicht zu diesem Kreis zählten. Auch wenn
die Privilegien der Chaebols offiziell aufgehoben wurden und die Präsidentin –
sie ist die Tochter von Park Chung-hee,
der das Land rund zwei Jahrzehnte als
Militärdiktator regierte – versprochen
hatte, die Wirtschaft zu demokratisieren,
bleiben die lange gewachsenen Strukturen bestehen.
Viele Südkoreaner sind deshalb trotz
eines Wirtschaftswachstums von knapp
3% in den vergangenen Jahren und einer
insgesamt sehr niedrigen Arbeitslosigkeit
(3,6%) unzufrieden. Vor allem junge Südkoreaner haben es schwer, Arbeit zu finden. Die Preise für Wohnraum sind insbesondere im Ballungsraum Seoul extrem
hoch, was mit ein Grund dafür ist, dass die
privaten Haushalte von hohen Schulden
belastet sind. Die Vermögen sind sehr
ungleich verteilt. Der angestaute Unmut
war mit ausschlaggebend für die Massenproteste Ende 2016, die schließlich dazu
führten, dass das Parlament gegen Präsidentin Park Geun-hye ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet hat.
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Starke Industrialisierung
und Exportorientierung
Südkorea ist einer der „Tigerstaaten“,
denen in den Jahrzehnten seit 1960 eine
extrem gute Wirtschaftsentwicklung
gelungen ist. Das Bruttoinlandsprodukt
pro Kopf liegt auf EU-Durchschnitt. Das
Land hat einen positiven Haushaltssaldo,
die Staatsverschuldung beträgt 39% des
BIP, ein im internationalen Vergleich ausgesprochen günstiger Wert. Die Industrie
hat etwa ein Drittel Anteil am Bruttoinlandsprodukt und beschäftigt etwa 20%
aller Arbeitskräfte. Vor allem (Unterhaltungs-)Elektronik, Kraftfahrzeuge, Schiffe,
chemische Erzeugnisse und Stahl werden
produziert. Ein weiteres Drittel des BIP
geht auf den Dienstleistungssektor
zurück. Die südkoreanische Wirtschaft ist
stark exportorientiert. Sie führt ein vielfältiges Spektrum an hochwertigen Gütern
aus und hat hierfür einen weiten Abnehmerkreis auf der ganzen Welt.
Schiffbaukrise und Abwanderung
der Autoindustrie
Die Kennziffern vermitteln den Eindruck
einer guten wirtschaftlichen Situation,
allerdings wird das Bild von verschiedenen Problemen überschattet. Reedereien
und Schiffbauindustrie sind in einer Krise.
Vor wenigen Jahren waren Südkoreas
Werften noch Weltmarktführer beim Bau
riesiger Containerfrachter, Öl- und Gastanker. Inzwischen bestehen Überkapazitäten, China hat sich als starker Konkur-
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rent etabliert. Viele Schiffbauunternehmen sind überschuldet, die Ausrüstung
ist zum Teil veraltet. Im Schiffbau werden
wohl Zehntausende Arbeitsplätze verlorengehen. Hanjin Shipping, eine der größten Reedereien der Welt, musste Insolvenz anmelden. Die Krise der Schiffbauer
belastet ihrerseits Stahlindustrie und
Finanzsektor. Staatsbanken haben den
angeschlagenen Werften Milliardenhilfen
gewährt.
In der Autoindustrie zeichnet sich ein
Trend zur Abwanderung ins Ausland ab.
Im Jahr 2016 haben Hyundai und Kia
zwei große Werke in China und Mexiko
eröffnet. Das neue Hyundai-Werk in
Changzhou soll künftig als „Smart Factory“ mit der höchsten Produktivitätsrate
innerhalb der Hyundai-Gruppe glänzen.
Für 2017 plant der Konzern sogar, noch
ein weiteres Werk, in Chongqing, zu eröffnen. Gründe für diese Auslagerungswelle
sind neben der schwachen Binnenkonjunktur überwiegend die hohen Lohnkosten und die im internationalen Vergleich niedrige Produktivität. Nach Aussagen von Branchenverbänden liegen
die Löhne der Arbeiter der südkoreanischen Automobil­industrie mindestens
auf dem gleichen Niveau wie in Deutschland oder den USA.
Die zunehmende Abwanderung von Fabriken schlägt sich selbstverständlich auf
die Produktionszahlen der gesamten
Volkswirtschaft nieder. Laut Statistik der
Zentralbank (Bank of Korea) lag der Anteil
der Auslandsfertigung der verarbeitenden Industrie 2005 noch bei 6,7% und
erhöhte sich im Jahr 2014 bereits auf
18,9%. Bald dürfte der Anteil demzufolge
bereits 20% erreichen, mit weiter steigendender Tendenz. Interessanterweise ist
China dabei gar nicht mehr die Primärdestination, weil auch dort die Lohnkosten
deutlich angezogen haben. Die Industrie
hat vor allem Vietnam als neuen Standort
entdeckt. Schätzungen zufolge produziert Samsung dort bereits 40% bis 50%
seiner Smartphones. Auch andere Firmen
wie LG planen eine Konzentration ihrer
Aktivitäten in Vietnam.
Chancen für deutsche
Unternehmen
Trotz dieser kritischen Aspekte bleibt
­Südkorea für Unternehmen aus Deutschland ein interessanter Exportmarkt. Südkorea ist einer der wichtigsten Wirtschaftspartner Deutschlands in Ostasien
und nach China der wichtigste deutsche
Exportmarkt in der Region. Für Südkorea
ist ­wiederum Deutschland der bedeutendste Handelspartner in Europa. Das
Handelsvolumen betrug 2015 rund 27
Mrd USD. Zudem zählen Unternehmen
aus Deutschland zu den führenden europäischen Investoren im Land. Rund 500
deutsche Unternehmen sind in Südkorea
engagiert.
Nach einer im Januar 2017 veröffentlichten Umfrage der Deutsch-Koreanischen
Industrie- und Handelskammer steht die
Wirtschaft Südkoreas vor einem umfassenden Modernisierungsprozess. Die
Unternehmen des Landes werden demnach verstärkt in Forschung und Entwicklung investieren müssen, um wieder
einen deutlichen Qualitätsvorsprung vor
Konkurrenten etwa aus China zu gewinnen. Hieran anknüpfend, bieten sich für
deutsche Hersteller von Investitionsgütern im Hightechsegment hinreichende
Chancen.
Besondere Aufmerksamkeit sollten Hersteller und Betreiber aus dem Bereich der
erneuerbaren Energien dem südkoreanischen Markt widmen. Südkorea will seine
Kapazitäten bei Solar-, Bio- und Windenergie, Geothermie und Wasserkraft so
ausbauen, dass sie bis 2035 etwa ein Fünftel des Energiebedarfs decken können.
Bei der Biogaserzeugung sind Unternehmen aus Deutschland bereits ins Geschäft
gekommen.
Südkorea ist wegen seiner langen Küsten
ein sehr interessanter Standort für Windkraftanlagen. Die Investition in Windkraftanlagen wird staatlich gefördert, die Technik fast durchweg im Ausland eingekauft,
so dass die Türen für Unternehmen aus
Deutschland offenstehen. Die BHF-BANK
kann als erfahrener Partner in der Außenhandelsfinanzierung bei der Verwirklichung von Geschäftsplänen zum Beispiel
mit Hermes-gedeckten Finanzierungen
oder Akkreditivbestätigungen zur Seite
stehen.
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