UniForschung Gut geklont, schlecht gehandelt? Inwiefern ist das Forschungsklonen „therapeutisch“? Da sich die Klontechnik insgesamt im Stadium der Grundlagenforschung befindet, wird auch vom „Forschungsklonen“ gesprochen. In dieser Bezeichnung ist festgehalten, dass die Klontechnik zurzeit viel eher im Bereich grundlegender Vorarbeiten zu möglichen medizinischen Einsätzen als im Bereich praktisch verfügbarer Verwendungen anzusiedeln ist; zudem kommt in dieser Formulierung der hohe moralische und verfassungsrechtliche Rang der Forschung zum Ausdruck. Roslin Institute, Edinburgh Mit Beginn des Jahres 2004 hat die naturwissenschaftliche, ethische, politische und gesellschaftliche Diskussion um Gefahren und Nutzen der Klontechnik eine neue Stufe erreicht. Nachdem es Ian Wilmut im Jahr 1997 erstmals gelungen war, mittels des somatischen Zellkerntransfers (somatic cell nuclear transfer, SCNT) ein Säugetier zu klonen – das bekannte Schaf Dolly – hat eine südkoreanische Forschergruppe um Woo Suk Hwang sieben Jahre später den Nachweis erbracht, dass diese Technik auch beim Menschen angewendet werden kann und Klonen im Humanbereich damit grundsätzlich möglich ist. Die Erfolgsrate bei den ersten erfolgreichen Experimenten in Südkorea war zwar auf Grund zahlreicher methodischer Schwierigkeiten und weitgehend unbekannter biologischer Einflussfaktoren sehr gering, aus 242 Eizellen konnte letztlich nur eine Stammzelllinie entwickelt werden. Bei den neuesten Experimenten, deren Ergebnisse im Mai dieses Jahres veröffentlicht wurden, gewann man aus 185 Eizellen aber bereits elf Stammzelllinien. Dieser unerwartet schnelle Fortschritt nährt Hoffnungen und Erwartungen, mit Hilfe der Klontechnik zukünftig Therapieoptionen für Krankheiten zur Verfügung stellen zu können, die zurzeit nicht oder nur schwer heilbar sind. Insbesondere die Erzeugung von Ersatzgewebe, das nicht der Immunabwehr unterliegt und daher ohne den begleitenden Einsatz einer risikobehafteten Immunsuppressionsbehandlung transplantiert werden könnte, ist ein primäres und ethisch als hochrangig zu qualifizierendes Ziel der biomedizinischen Forschung auf diesem Sektor. Neben diesen moralisch beachtenswerten positiven Potenzialen werden sowohl in der fachwissenschaftlichen wie in der öffentlichen Debatte aber auch ernsthafte und wesentliche ethische Bedenken geltend gemacht, die im Folgenden auf dem Hintergrund neuester Forschungsergebnisse diskutiert werden. Die ethischen Herausforderungen lassen sich in drei Fragen zusammenfassen: Inwieweit ist das Forschungsklonen „therapeutisch“? Droht Frauen eine Verpflichtung zur Eizellspende? Und welchen moralischen Status hat der frühe menschliche Embryo? Wichtiger Moment: Zellkerntransferembryo kurz vor der Teilung Mit der Pipette abgesaugt: verschiedene Stadien der Übertragung des Kerns einer Körperzelle in eine entkernte Eizelle Im Hinblick auf die Ziele und Absichten, die mit Klontechnik verfolgt werden können, ist der Begriff „Forschungsklonen“ aber zu undifferenziert. Denn theoretisch könnte das Verfahren des SCNT zu zwei völlig verschiedenen Zwecken verwendet werden: für die Entwicklung neuartiger Behandlungsmethoden oder für die Erzeugung „geborener Menschen“ – Embryonen also, die sich tatsächlich bis zur Geburt weiterentwickeln –, die mit einem anderen Menschen genetisch identisch sind. Dementsprechend ist das „Forschungsklonen mit dem Ziel therapeutischer Anwendungen“ sinnvollerweise vom „Forschungsklonen mit dem Ziel der Erzeugung geborener Menschen“ begrifflich zu unterscheiden. Von Gegnern jeglicher Form des Forschungsklonens wird geltend gemacht, diese Differenzierung von therapeutischen und reproduktiven Zielen diene zum einen dazu, medizinische Anwendungspotenziale zu suggerieren, die faktisch nicht verfügbar sind. Zum anderen werde damit verschleiert, dass die entsprechenden Verfahren, selbst wenn sie für therapeutische Einsätze entwickelt werden sollten, auch für reproduktive Zwecke nutzbar gemacht werden könnten. Es ist zwar richtig, dass der Hinweis auf mögliche therapeutische Anwendungen zur Verdeckung anderer Intentionen dienen kann und zurzeit noch keine auf Klonprozessen basierende Behandlungsmethoden verfügbar sind. Sollen aber entsprechende therapeutische Optionen überhaupt je zur Anwendung bereit stehen, ist eine umfangreiche Grundlagenforschung auf diesem Gebiet die unabdingbare Voraussetzung. Die Beschwörung eines „Dammbruchs“ im Sinne eines nicht oder nur schwer zu verhindernden Übergangs von therapeutischen zu reproduktiven Verwendungen der Klonverfahren begeht zwei Kurzschlüsse: erstens einen naturwissenschaftlichen, weil stark bezweifelt werden muss, ob die Transferklone, die zur Herstellung einer Stammzelllinie hinreichen, sich wirklich zu ganzen Menschen entwickeln können. Zweitens einen gesellschaftspolitischen: Das For31 ▼ Juniorprofessor Dr. Peter Dabrock vom Fachbereich Evangelische Theologie untersucht, gemeinsam mit dem Diplomtheologen Jens Ried, unter anderem bio- und sozialethische Fragestellungen im Zusammenhang mit neuen medizinischen Methoden. Eines seiner aktuellsten Themen: das Klonen im Humanbereich. Roslin Institute, Edinburgh Klonen mit dem Ziel therapeutischer Anwendungen stellt hohe Anforderungen an die Ethik und das Verhalten aller Beteiligten. Nur zwei der zahlreichen Fragen, die man an die Bioethik stellen kann. Plakate der Deutschen Behindertenhilfe – Aktion Mensch (der früheren Aktion Sorgenkind) werben für eine breite gesellschaftliche Diskussion. Künftiges „Materiallager“? Aus solch einem wenige Tage alten Embryo, einer Blastozyste, werden embryonale Stammzellen entnommen, um sie schließlich in das gewünschte Gewebe ausdifferenzieren zu lassen. 32 schungsklonen aber unzweifelhaft der Fall. Denn die Grundlagenforschung im Bereich der Klonverfahren bemüht sich nicht nur um die Analyse entwicklungsbiologischer Steuerungsmechanismen, sondern verfolgt als weiteres wesentliches Ziel die Erzeugung immunverträglichen Gewebeersatzes für die regenerative Medizin. Diese vom Fortpflanzungszweck verschiedene Intention bei der Verwendung von Klonverfahren muss sowohl in der Wortwahl als auch in der ethischen Bewertung ihren Niederschlag finden. Gefahren tatsächlich ohne größeren Druck zu einer solchen Spende bereit erklären könnte. Darüber hinaus ist zu bedenken, ob eine mögliche Ausweitung des Klonens einen erhöhten Bedarf an Eizellspenden erzeugt, der wiederum zu einer unerwünschten Kommerzialisierungsdynamik führt. Diese könnte ihrerseits dazu führen, besonders sozial schwächeren Frauen sowie Frauen in Entwicklungsländern die Hauptlast der Spende aufzubürden. Solche Entwicklungen könnten zu problematischen Verschiebungen im Bild der Frau, aber auch im Bild des Arztes führen. Der weibliche Körper könnte mehr und mehr als potenzielles biologisches Ersatzteillager gesehen werden und somit in eine implizite oder explizite Sozialpflichtigkeit hineingeraten. Außerdem würden mit der Entnahme von Eizellen zu Zwecken des Klonens der Arzt oder die Ärztin nicht mehr seinem beziehungsweise ihrem originären Heilungsauftrag nachgehen. Vielmehr würden bewusst mögliche Droht Frauen eine Verpflichtung zur Eizellspende? Für die Grundlagenforschung im Bereich des Klonens mit humanen Zellen ist es zurzeit erforderlich, die benötigten Eizellen Frauen zu entnehmen, die sich dafür freiwillig zur Verfügung stellen. In diesem Zusammenhang sind unter ethischem Aspekt zum einen die möglicherweise unverhältnismäßigen gesundheitlichen Gefährdungen der beteiligten Frauen durch die notwendige Hormonstimulation zu problematisieren. Zum anderen steht in Frage, ob die Bedingungen der freiwilligen und aufgeklärten Zustimmung der Eizellspende erfüllt sind. Denn selbst wenn man davon ausginge, dass das Gesundheitsrisiko innerhalb der Grenzen der Zumutbarkeit bliebe, könnten Zweifel aufkommen, ob sich eine Frau angesichts der unumgänglichen medizinischen Behandlung und der damit verbundenen möglichen gesundheitlichen Welchen moralischen Status hat der frühe menschliche Embryo? Die Frage nach dem moralischen Status des Embryos, der für die Forschung „verbraucht“ wird, erweist sich immer wieder als Bruchstelle moralischer und ethischer Diskurse und kann daher zu Recht als Nadelöhr der Diskussion gelten. Gewöhnlicherweise gruppieren sich die Auffassungen in dieser Debatte um die Alternative, ob der Embryo ein „Mensch“ oder ein „Ding“ sei, und sehen dabei von der Situation, in der ein Embryo Gegenstand eines Forschungsvorhabens oder eines medizinischen Eingriffs wird, weitestgehend ab. Die Anwendung des SCNT markiert aber eine so spezielle Handlungssituation, dass gefragt werden muss, ob man mit den gängigen Statusbestimmungen weiter operieren kann. Es verdichten sich nämlich die Hinweise darauf, dass diese Embryonen aus genetischen wie epigenetischen Gründen erheblichen, wenn nicht prinzipiellen Reprogrammie- Günter U. Höglinger Prof. Dr. Hans M. Eppenberger, Institute of Cell Biology, ETH Zürich schungsklonen mit dem Ziel der Erzeugung geborener Menschen wird weltweit nahezu einhellig abgelehnt. Dies geschieht teilweise, weil die Handlung an sich als moralisch verwerflich erachtet wird, teilweise durch Hinweis auf ihre unverantwortlichen Folgen. Das Forschungsklonen mit dem Ziel therapeutischer Anwendungen indessen ist Gegenstand kontroverser Debatten, wie noch die jüngsten Beschlüsse der Vereinten Nationen zeigen. Zudem ist die Möglichkeit, einen Begriff für (forschungs-)politische Zwecke nutzbar machen zu können, noch kein hinreichender Grund, gänzlich auf ihn zu verzichten, wenn sich herausstellen sollte, dass er wesentliche inhaltliche Momente transportiert. Dies ist beim For- Schädigungen gesunder Frauen in Kauf genommen, die auf diese Weise überhaupt erst zu Patientinnen würden. Einen möglichen Ausweg könnten die Erkenntnisse der Forschergruppe um den deutschen Molekularbiologen Hans R. Schöler weisen, der es gelungen ist, eizellenähnliche Strukturen aus Stammzellkulturen zu isolieren. Wenn auf diese Weise der biomedizinischen Forschung die benötigten Eizellen auf anderem Wege als durch Eizellspende zur Verfügung gestellt werden könnten, wäre zumindest der hier vorgebrachte ethische Einwand hinfällig. Neurale Stammzellen – „Vorläufer“ unter anderem von Gehirnzellen – in einer Kultur. Die Bilder stammen vom Marburger Neurologen Dr. Günter U. Höglinger, der den Zusammenhang von Neurogenese und Parkinson erforscht. ▼ Deutsche Behindertenhilfe – Aktion Mensch e.V. UniForschung UniForschung Ist Forschungsklonen mit dem Ziel therapeutischer Anwendungen ethisch zu rechtfertigen? Es spricht viel dafür, Embryonen, die durch die Verschmelzung einer Samen- und einer Eizelle entstanden sind, vom Zeitpunkt der Befruch tung an Menschenwürde und Lebensschutz zuzuerkennen – und zwar nicht zuletzt deshalb, weil sie das Potenzial besitzen, sich unter günstigen Bedingungen zu einem geborenen Menschen zu entwickeln. Die Transferklone, insbesondere so sie entsprechend manipuliert wurden, sind aber keine Embryonen in diesem Sinne. Deshalb kann in einer ergebnisoffenen und sachlichen Diskussion Wie funktioniert das Therapeutische Klonen? Beim Forschungsklonen mit dem Ziel therapeutischer Anwendungen wird das Verfahren des somatic cell nuclear transfer (SCNT) angewandt. Dabei wird der Zellkern einer Körperzelle (somatische Zelle) in eine entkernte Eizelle übertragen, die das genetische Programm der Körperzelle übernimmt. Aus diesem Transferklon entwickelt sich als frühes menschliches Leben eine Blastozyste, aus der dann eine Stammzelllinie entwickelt werden kann. Daraus können Stammzellen entnommen werden, die die Fähigkeit haben, in die verschiedenen Zellarten zu differenzieren. Sie könnten zur Züchtung von Ersatzgewebe für Transplantationen genutzt werden, welche dasselbe genetische Profil wie der potenzielle Organempfänger hat. Damit wäre die größte Hürde der regenerativen Medizin, die Abstoßung fremden Gewebes durch die körpereigene Immunabwehr, überwunden. Allerdings wird die Blastozyste bei der Herstellung der Stammzelllinie abgetötet. Mit freundlicher Genehmigung von Dr. Regine Schreiner und Nationaler Ethikrat rungsschwierigkeiten unterliegen, die die Entstehung eines lebensfähigen Menschen aus einem Transferklon nahezu verunmöglichen. Demnach hätte ein durch Zellkerntransfer erzeugter „Embryo“ im Hinblick auf die Entwicklung eines geborenen Menschen lediglich – und von vornherein – begrenztes Potenzial. Ob ein entsprechendes Potenzial überhaupt vorhanden ist, kann aber nur im Tierexperiment experimentell nachgewiesen oder widerlegt werden. Im Humanbereich indessen wäre der Nachweis moralisch abzulehnen, denn Analogieschlüsse aus verschiedenen Tierexperimenten weisen in Übereinstimmung mit der weiterhin gerin gen Erfolgsquote der Hwang-Experimente darauf hin, dass ein Transferklon in den seltensten Fällen überhaupt mehrere Tage lebensfähig ist und sich mit noch größerer Unwahrscheinlichkeit zur Geburtsreife zu entwickeln vermag. Angesichts dieses wissenschaftlichen Befunds stellt sich zumindest die Frage: Können die Transferklone überhaupt als „Menschen“ gelten und müssen sie dementsprechend geschützt werden? Diese Frage ist vor allem dann abschlägig zu beurteilen, wenn die mittels SCNT erzeugten Transferklone eine grundsätzlich begrenzte Entwicklungsfähigkeit besitzen. Dies wäre dann der Fall, wenn die Eizelle oder der somatische Zellkern vor dem Zellkerntransfer manipuliert würden. Nur die Manipulation dieser Bestandteile, nicht die der Nährlösung wäre nach derzeitiger deutscher Rechtslage möglich. Von der Eizelle über ausdifferenzierte Nerven-, Blut- oder Leberzellen bis hin zu deren Anwendung beim Patienten: schematische Darstellung des Therapeutischen Klonens zumindest erwogen werden, ob sie zugunsten der Entwicklung von Therapien für Schwerkranke sowie im Rahmen einer gesetzlichen Regelung, die die angeführten ethischen Bedenken berücksichtigt, geschaffen und „verbraucht“ werden dürfen. Dazu müssen die bioethischen Debatten intensiviert werden und die Erkenntnisse der Entwicklungsund Molekularbiologie in angemessener Weise beachtet werden. Vor allem sind dazu die Bereitschaft und die Sensibilität erforderlich, die andere Position verstehen zu wollen und sie nicht gleich moralisch zu diffamieren. Die Aufgabe der Ethik in einer pluralistischen Gesellschaft kann nämlich nicht nur darin bestehen, moralische Urteile zu bewerten und Entscheidungskriterien für kon- krete Konfliktfelder zu entwickeln. Sie muss darüber hinaus darauf reflektieren, warum divergierende legitime moralische Überzeugungen entstehen und wie sie innerhalb einer Gesellschaft in ein stabiles und zugleich flexibles Gleichgewicht gebracht werden können, sodass die verschiedenen Vorstellungen vom „Guten“ innerhalb des „Rechten“ Bestand haben können und nicht eine Moral die andere dominiert. >> Peter Dabrock, Jens Ried Ausführlich vorgestellt sind die Thesen von Peter Dabrock in „Menschenwürde und Lebensschutz. Herausforderungen theologischer Bioethik“ (Gütersloh 2004; wir stellen das Buch auf Seite 37 vor) sowie in „Therapeutisches Klonen als Herausforderung für die Statusbestimmung des menschlichen Embryos“ (herausgegeben von Peter Dabrock und Jens Ried, Paderborn 2005). Kontakt Juniorprofessor Dr. Peter Dabrock Dipl.-Theol. Jens Ried FB Evangelische Theologie, Fachgebiet Sozialethik/Bioethik Lahntor 3 35032 Marburg Tel.: (06421) 28 22447 beziehungsweise 23788 E-Mail: [email protected], [email protected] Internet: www.theologische-bioethik.de 33