Physikalisches Institut der Universität Bayreuth

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Physikalisches Institut der Universität Bayreuth
PHYSIKALISCHES PRAKTIKUM FÜR FORTGESCHRITTENE
ELEKTRONENSPINRESONANZ (ESR)
W. Bietsch
W. Hartl
Seite
Inhalt
1. Physikalische Fragestellung
2
2. Vorbereitung
4
3. Apparatur
5
4. Warnungen und Hinweise
15
5. Messprogramm
16
Version 7-2011
1. Physikalische Fragestellung
Magnetische Resonanz ist heute eine Standardmessmethode in Physik, Chemie und
Biologie zur Untersuchung der mikroskopischen Eigenschaften von Festkörpern, Flüssigkeiten und Gasen. Die Elektronenspinresonanz (ESR) ermöglicht die detaillierte Charakterisierung von Systemen mit quasifreien Elektronen, z.B. Leitungselektronen in
hochdotierten Halbleitern, bzw. von Systemen mit ungepaarten Elektronenspins, z.B.
chemische Radikale. Ziel dieses Versuchs ist es, sich in die theoretischen Grundlagen der
ESR einzuarbeiten und den Aufbau eines einfachen ESR-Spektrometers zu verstehen.
E
mS = +1/2
∆E = gµBB0
mS = -1/2
B0
0
Abbildung 1: Energieniveauschema für ein freies Elektron im äußeren Magnetfeld
1
Das einfachste System in der ESR ist ein freies Elektron . In einem äußeren Magnetfeld sind
für das Elektron zwei Spineinstellungen erlaubt, parallel und antiparallel zum Magnetfeld
(vgl. Abb. 1). Diese beiden Einstellungen sind energetisch aufgespalten. Die
Aufspaltungsenergie beträgt:
∆E = h⋅ν = g⋅µBB0
µB bezeichnet das Bohrsche Magneton (siehe 1.1), B0 bezeichnet das von außen angelegte
Magnetfeld und g steht für den g-Faktor des Elektrons. Für den Fall eines freien Elektrons
gilt: g=2.002322. Die Frequenz ν entspricht der klassischen Larmorfrequenz des
präzedierenden Elektrons. Im Fall von nicht freien Elektronen weicht der g-Faktor vom Wert
des freien Elektrons ab. Eine Ursache dafür ist z.B. die Spin-Bahn-Wechselwirkung von
nicht s-artigen Elektronen (siehe 1.2). Im einfachsten Fall besteht das ESR-Spektrum aus
einer einzigen Linie. Wechselwirkt nun der Elektronenspin mit einem oder mehreren
Kernspins, werden die Spektren unter bestimmten Bedingungen (siehe 5.3.1) komplizierter.
Die Linie wird durch die Hyperfeinwechselwirkung aufgespalten. Bei Wechselwirkung mit
einem Kernspin von z.B. I = 3/2 werden 2I+1 = 4 Linien sichtbar.
1
d.h. keine Wechselwirkung mit der Umgebung
2
In der Praxis wird die zu untersuchende Probe zwischen die Polschuhe eines Magneten
gebracht. Zusätzlich wird ein (kontinuierliches) hochfrequentes elektromagnetisches Feld hν
eingestrahlt. Im Resonanzfall, d. h. wenn
h⋅ν = gµBB0
ist, werden in der Probe magnetische Dipolübergänge (vgl. 1.1) zwischen unterem und
oberem Energieniveau angeregt (veranschaulicht durch den Doppelpfeil in Abb. 1). Dabei
wird dem Hochfrequenzfeld die Energie h⋅ν entzogen. Dies kann im Fall keiner Sättigung
durch eine geeignete Anordnung sehr empfindlich und genau gemessen werden. Im
Praktikumsversuch ist ein sehr einfaches ESR-Spektrometer aufgebaut, das aber alle
Komponenten enthält, aus denen kommerzielle Spektrometer bestehen. Mit ihm sollen gFaktor und Hyperfeinstruktur von ausgewählten Systemen gemessen werden.
1.1 Das Bohrsche Magneton
Ein Elektron, das auf einer Kreisbahn umläuft, ist einem elektrischen Ringstrom äquivalent.
Aus der Elektrodynamik ist bekannt, dass ein Ringstrom ein magnetisches Dipolfeld erzeugt.
2
Das magnetische Moment µ einer Leiterschleife ist definiert als
µ = I⋅A.
Dabei ist A die vom Strom I umschlossene Fläche. Für ein Elektron, das auf einer Kreisbahn
mit der Geschwindigkeit v umläuft, gilt:
I=
q
e⋅ω
=−
T
2π
1
µ = I ⋅ A = − eωr 2
2
d. h.
Führt man den Bahndrehimpuls l = mvr = mωr2 ein, so erhält man für das magnetische
Moment des umlaufenden Elektrons
µ =−
e
l.
2m 0
Als Einheit des magnetischen Moments im atomaren Bereich wird dasjenige Moment
definiert, das einem Elektron mit dem Drehimpuls l = h entspricht. Dies ist der Bahndrehimpuls eines Elektrons auf der innersten Bahn eines Wasserstoffatoms im Bohrschen
Modell. Dieses sogenannte Bohrsche Magneton ist definiert durch
µB =
2
e⋅h
= 9.274078 ⋅ 10 -24 Am 2 .
2m 0
hier seien nur die Beträge der jeweiligen vektoriellen Größen betrachtet.
3
1.2 Landé-Faktor
Der g-Faktor verknüpft die Größe des magnetischen Moments eines Atoms mit seinem
Gesamtdrehimpuls. Für reinen Bahnmagnetismus (s = 0) ist
g = 1, für reinen
Spinmagnetismus (l = 0) gilt g = 2 (genauer 2.002322). Allgemein lässt sich folgende
Beziehung angeben:
j(j + 1) + s(s + 1) - l(l + 1)
.
g = 1+
2j(j + 1)
Diese Formel kann aus dem Vektormodell der Atomphysik hergeleitet werden. Zur
Vertiefung sei auf die angegebene Literatur verwiesen.
2. Vorbereitung
2.1 Stichworte
Die folgenden Stichworte seien als grober Leitfaden für die Vorbereitung gegeben. Die
angeführten Literaturzitate seien als grober Anhaltspunkt zur Einarbeitung in die jeweiligen
Fragestellung empfohlen:
−
−
−
−
−
−
−
−
−
Resonanzbedingung
Linienform der ESR-Linie
Relaxation und Sättigung
Linienverbreiterung und Linienverschmälerung von Resonanzlinien
Hyperfeinstruktur
Erzeugung von Mikrowellen mit dem Reflexklystron
Ausbreitung elektromagnetischer Wellen in Rechteck-Hohlleitern
Prinzipielle Funktionsweise eines ESR-Spektrometers
Lock-In-Verstärker
2.1 Literatur
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
(7)
Haken Wolf, Atomphysik und Quantenphysik
Carrington and A.D. McLachlan, Introduction to Magnetic Resonance.
K. Scheffler und H.B. Stegmann, Elektronenspinresonanz
G.E. Pake, Paramagnetic Resonance
J. E. Wertz and J. R. Bolton, Electron Spin Resonance.
Gerthsen, H.O. Kneser, H. Vogel, Physik.
C. P. Slichter, Principles of Magnetic Resonance
4
2.2 Fragen zur Vorbereitung
1) Was versteht man unter Sättigung? Welches ESR-Signal würde man ohne Relaxation
beobachten?
2) Welche Arten der Linienverbreiterung bzw. -verschmälerung gibt es?
3) Wie sieht das ESR-Spektrum aus, wenn ein Elektron mit einem Kern mit I = 1
wechselwirkt? Erklären Sie anschaulich mit Hilfe einer Skizze das Zustandekommen des
ESR-Spektrums. Was kann man aus dem Abstand der Linien ablesen?
4) Wie sieht das Spektrum aus, wenn ein Elektron mit zwei äquivalenten Kernen mit I = 1
wechselwirkt (Skizze der Energieniveaus)? Unter welchen Bedingungen kann man es
experimentell beobachten?
5) Was ändert sich im Vergleich zum vorhergehenden Fall, wenn die Kerne nicht äquivalent
sind, d.h. wenn die Kerne unterschiedliche Hyperfeinkopplungskonstanten haben?
6) Welche Information über die Elektronenverteilung gewinnt man aus der Größe der
Hyperfeinwechselwirkung? Gilt das ohne Einschränkung für alle Elektronen?
7) Erklären Sie den Versuchsaufbau.
8) Welche Möglichkeiten der Mikrowellenerzeugung gibt es? Welchen Vorteil hat es, wenn
man die Frequenz des Hochfrequenzfeldes möglichst groß wählt?
9) Erklären Sie den Abgleich der Brückenanordnung. Wie wird beim vorliegenden Aufbau
die Diode vorgespannt?
10) Wie ändert sich die Diodenvorspannung, wenn die Mikrowellenleistung erhöht wird?
11) Erklären Sie die Wirkungsweise eines Lock-In-Verstärkers. Warum verbessert sich das
Signal-Rausch-Verhältnis? Erklären Sie wie mit Hilfe des Lock-In-Verstärkers das
Messsignal als die 1. Ableitung der Absorptionskurve nach dem B0-Fled entsteht.
3. Apparatur
3.1 Allgemeines
Der Aufbau eines ESR-Spektrometers ergibt sich unmittelbar aus der oben angeführten
Resonanzbedingung:
h⋅ν= g⋅µBB0.
5
Abbildung 2: Blockschaltbild des ESR-Spektrometers
6
Es wird ein statisches Magnetfeld, ein Mikrowellenquelle und ein Mikrowellendetektor
benötigt. Grundsätzlich besteht jedes ESR-Spektrometer (mindestens) aus den drei
folgenden Komponenten:
•
•
•
Mikrowellenteil: Erzeugung und Detektion des Mikrowellenfeldes
Elektronik: Verstärkung und Aufzeichnung der Messsignale
Magnetfeld: Steuerung und Stabilisierung des statischen Magnetfelds
Die Probe befindet sich zwischen den Polen eines Elektromagneten in einem Hohlraumresonator. Bei Erfüllung der Resonanzbedingung wird ein Teil der einfallenden Leistung
absorbiert und der Resonator wird gedämpft. Dies bewirkt eine Amplitudenänderung der
Mikrowelle am Detektor. Das Signal wird durch einen Lock-In Verstärker verstärkt und über
einen Vorverstärker zum Computer geleitet. Das Programm ESR steuert über einen DigitalAnalog-Konverter das Netzteil für das statische Magnetfeld und liest über einen AnalogDigital-Wandler das Ausgangssignal des Lock-In Verstärkers ein (siehe Abb. 2).
Aus technischen Gründen wird im Festfrequenzbetrieb (hier bei 9.5 GHz, X-Band)
gearbeitet, d. h. die Mikrowellenfrequenz bleibt konstant und das Magnetfeld wird zur Aufnahme eines Spektrums über einen bestimmten Bereich verändert.
3.2 Mikrowellenerzeugung
Im Praktikum wird zur Erzeugung der Mikrowellen ein YIG-Oszillator (Nr. 1 in Abb. 2)
verwendet. Er besteht im wesentlichen aus einem YIG-Kügelchen (Yttrium-Eisen-Granat
Y3Fe5O12, Durchmesser ca. 0,5mm) in dem, bei gleichzeitig angelegtem statischen
Magnetfeld H0, resonant eine rechtsdrehend zirkular polarisierte Magnetisierung M angeregt
werden kann (s. Abb.3a). Die Anordnung wirkt als linear abstimmbares Bandpassfilter mit
4
einer sehr kleinen relativen Bandbreite entsprechend einer Resonatorgüte von etwa 10 , da
YIG eine sehr geringe Dämpfungskonstante hat. Die Resonanzfrequenz wird hauptsächlich
durch die Stärke des statischen Magnetfeldes im Spalt eines kleinen Elektromagneten
bestimmt. Durch Ändern des Spulenstromes ist eine präzise Abstimmung bis ca. 10 GHz
möglich. Mit zwei orthogonalen Koppelschleifen kann in der einfachsten Filteranordnung ein
Durchgangsresonator mit koaxialen Anschlüssen und einer Abstimmung über ein Magnetfeld
H0 aufgebaut werden. Mit der einen Koppelschleife wird HF über einen Oszillator mit
negativer Impedanz in den Resonator eingekoppelt und mit der anderen Koppelschleife über
einen SMA-Ausgang ausgekoppelt. Ein typischer Aufbau eines normalerweise gekapselten
YIG-Oszillators in Abb. 3b zu sehen. Die frequenzstabile HF-Strahlung wird vom SMAAusgang über ein halbflexibles Kabel direkt in die Hohlleiteranordnung der ESR-Apparatur
eingekoppelt.
7
Abbildung 3: a) Rechtsdrehende zirkular polarisierte Magnetisierung M in der YIG-Kugel
b) Prinzipieller Aufbau eines YIG-Oszillators (Fa. Micro Lambda, Inc.)
Nach dem Einschalten des YIG-Netzgeräts sollte ca 30 Minuten gewartet werden bis sich im
YIG-Oszillator ein Temperaturgleichgewicht eingestellt hat. Zusätzlich ist es möglich dem
Spulenstrom eine variable Rampenspannung periodisch zu überlagern (wobbeln). Damit
kann auf dem Oszilloskop direkt ein Ausschnitt einer abgestrahlten "Modenkurve" betrachtet
werden. Die Aufnahme von ESR-Spektren ist jedoch nur im Betrieb mit ausgeschaltetem
Wobbelstrom möglich!
3.3 Mikrowellentransport
Die Ausbreitung von Mikrowellen geschieht beim ESR-Spektrometer im Praktikum in
Rechteck-Hohlleitern – im sogenannten T10-Mode. Die größte elektrische Feldstärke tritt in
der Mitte des Hohlleiters auf. Die magnetischen Feldlinien sind geschlossen und parallel zu
den Breitseiten des Hohlleiters. Abb. 4 zeigt eine Momentaufnahme der Feldverteilung im
Rechteck-Hohlleiter.
Abbildung 4: Feldverteilungen im Rechteck-Hohlleiter
8
Der Einwegleiter (Nr. 2 in Abb. 2) verhindert das Eindringen reflektierter Mikrowellen in das
Klystron. Durch den Richtkoppler (Nr. 3 in Abb. 2) wird ein Teil der Mikrowellenleistung zur
Frequenzmessung abgezweigt. Mit dem Dämpfer (Nr. 4 in Abb. 2) kann die hindurchtretende
Mikrowellenleistung definiert abgeschwächt werden. Die Skala ist in Dezibel (dB) geeicht. Es
gilt folgende Beziehung:
P 
Dämpfung
= −10 ⋅ log aus  .
dB
 Pein 
0 dB bedeutet keine Abschwächung, -10 dB bedeutet Dämpfung auf 1/10, -20 dB bedeutet
Dämpfung auf 1/100 usw.
3.4 Resonatoren
Der Resonator des Praktikumsspektrometers ist als Hohlraumresonator (Nr. 9 in Abb. 2)
ausgeführt und wird durch ein abgeschlossenes Stück Hohlleiter gebildet. Durch Reflexionen
an den Stirnseiten bildet sich eine stehende Welle aus.
Abbildung 5: Feldverteilung im TE102-Rechteckhohlraumresonator
Abb. 5 zeigt die Feldverteilung im Resonator. Die Probe befindet sich am Ort der maximalen
Magnetfeldamplitude. Am Probenort oszilliert das Magnetfeld mit der Mikrowellenfrequenz.
Wird das Klystron mit der Resonanzfrequenz des Resonators betrieben, so ist die
Magnetfeldamplitude im Resonator stark überhöht. Sie ist um den Faktor Q größer als im
9
Hohlleitersystem außerhalb des Resonators. Q ist die Güte des Resonators, völlig analog
zur Güte eines mechanischen oder elektrischen Oszillators. Die Güte Q eines Oszillators ist
definiert durch das Verhältnis
Q = 2π ⋅
im Resonator gespeicherte Energie
.
pro Periode verbrauchte Energie
Q ist umso höher, je geringer die Verluste in den Resonatorwänden und in der Probe sind.
Der Resonator im Praktikum erreicht eine Güte von etwa Q=1600. Mit anderen Resonatoren
sind Güten bis über 10000 möglich. Die Güte geht also durch die Magnetfeldamplitude direkt
in die Nachweisempfindlichkeit des Spektrometers ein. Über eine kleine in der Stirnwand
befindliche Bohrung (Iris) wird der Resonator an den Hohlleiter angekoppelt. Mit einem
Metallplättchen, das auf der Stirnseite einer Kunststoffschraube sitzt, wird der Grad der
Kopplung des Resonators an das Mikrowellenfeld im Hohlleiter eingestellt.
3.5 Mikrowellenbrücke
Die von der Probe absorbierte Leistung ist im Verhältnis zur vom Klystron gelieferten
Leistung sehr klein, d.h. ein direkter Nachweis ist kaum möglich. Mit Hilfe einer Brückenanordnung lässt sich dies umgehen. Man lässt das Spektrometer in "Reflexion" arbeiten, d.h.
Eingang und Ausgang des Resonators werden zusammengelegt und man misst die
reflektierte Leistung. Wird das statische B0-Feld so eingestellt, dass keine ESR-Absorption
stattfindet, kann der Resonator mit der Koppelschraube so abgeglichen werden, dass
reflektierte Leistung minimal wird (Idealfall: keine Reflektion). Bei Auftreten der Elektronenspinresonanz wird der Resonator gedämpft, es wird Leistung reflektiert. Zur Trennung der
ein- und auslaufenden Welle dient ein "magisches T" (Nr. 7 in Abb.2).
Abbildung 6: Das "magische T"
10
Dieses Bauelement (Abb. 6) teilt eine aus A kommende Welle zu gleichen Teilen auf B und
C auf. Arm D erhält keine Leistung also keine Leistung von A. Die vom Resonator reflektierte
Leistung geht zur Hälfte in den Detektorarm D und zur Hälfte in den Arm B, wo in einem
"Wellensumpf" (Nr. 8 in Abb. 2) die gesamte einfallende Mikrowellenleistung absorbiert wird.
3.6 Detektion
Der Nachweis von Mikrowellen geschieht mit einer Kristalldiode, die wie in Abb. 7 gezeigt,
längs der Schmalseite des Hohlleiters parallel zum elektrischen Feld steht. Die Punktkontaktdiode richtet die HF-Spannung gleich und erzeugt einen Gleichstrom (siehe Abb. 8).
Die Gleichrichtung geschieht in einem Metall-Punktkontakt gegen eine Silizium-HalbleiterOberfläche. Dies hat den Vorteil sehr geringer Kapazitäten. Für kleine Feldamplituden ist der
Diodenstrom I ∝ U2; d. h. die Diode besitzt also eine quadratische Kennlinie. Das Signal wird
nichtlinear. Ferner ist aufgrund der geringen Steigung der Kennlinie die Empfindlichkeit sehr
gering. Eine Linearisierung des Signals und eine Steigerung der Empfindlichkeit lässt sich
durch eine Verschiebung des Arbeitspunkts in einen steileren Bereich der Kennlinie
erreichen.
Abbildung 7: Der Detektor
Beim Spektrometer im Praktikum wird diese Verschiebung des Arbeitspunktes durch eine
gezielte Fehlanpassung der Brücke erreicht. Der Detektor erhält zusätzlich eine konstante
Leistung, die den „Vorstrom“ (durchgezogene Linie 3 in Abb. 8) erzeugt. Tritt ESR auf, so
verändert sich der Strom entlang der Kennlinie. Durch die Vorspannung erzielt man einen
deutlichen Gewinn an Empfindlichkeit. Das hier verwendete Verfahren hat allerdings den
Nachteil, dass der Diodenvorstrom von der in die Brücke eingespeisten Leistung abhängig
ist.
11
Abbildung 8: Gleichrichtung und Arbeitspunkt der Diode
Eine wichtige Eigenschaft der Detektordioden ist ihr Rauschverhalten. Besonders bei bei
kleinen Frequenzen um 0 Hz ist das Rauschen sehr hoch. Da sich ESR-Signale im
allgemeinen nur langsam verändern, wird durch dieses Rauschen ein empfindlicher
Nachweis effektiv verhindert. Die Lock-In-Technik (siehe 3.8), bei der das Signal mit einer
Frequenz von 10 kHz moduliert wird, ermöglicht eine weitgehende Eliminierung des
Rauschens.
3.7 Frequenzmessung
Im Praktikum wird die Mikrowellenfrequenz mittels eines Durchgangsresonators (Nr. 5 in
Abb. 2) gemessen, dessen Eigenfrequenz mechanisch verändert werden kann. Die
eingestellte Frequenz kann anhand einer Mikrometerskala (Abb. 9) auf der Einstellschraube
und einer Eichtabelle bestimmt werden.
Abbildung 9: Mikrometerskala
12
Stimmt die eingestellte Frequenz mit der Klystronfrequenz überein, so ist die Absorption
maximal, die transmittierte Mikrowellenleistung geht zurück. Dies wird von einer Detektordiode registriert und auf einem Voltmeter angezeigt.
Eine Frequenzmessung ist nur bei Festfrequenzbetrieb möglich. Drehen Sie die Mikrometerschraube langsam durch und beobachten Sie den Zeiger des Messinstruments. Bei
Resonanz sinkt die Spannung stark ab. Suchen Sie das Minimum und lesen Sie die
Mikrometerstellung ab (rote Zahlen). Das Ablesen des in Abb. 9 veranschaulichten Beispiels
ergibt 4.237 Skalenteile. Aus der im Praktikum vorhandenen Eichtabelle ergibt sich die
zugehörige Frequenz zu 9.646 GHz.
3.8 Phasenempfindliche Detektion, Lock-In-Technik
Die durch ESR-Absorption hervorgerufenen Änderungen des Detektorsignals sind vor allem
für Proben mit schwacher Absorption so klein, dass sie nicht direkt als Spannungsänderung
Messbar sind. Zur Empfindlichkeitssteigerung nutzt man die sogenannte Lock-In-Technik,
bei der das ESR-Signal moduliert wird. Das erreicht man durch die Überlagerung eines mit
10 kHz oszillierenden B-Feldes über das statische Magnetfeld B0. Das Zusatzfeld wird durch
zwei kleine Helmholtzspulen (Nr. 10 in Abb. 2) erzeugt, die an den Breitseiten des
Resonators angebracht sind. Die Amplitude des Modulationsfeldes ist am Lock-In-Verstärker
einstellbar. Das Entstehen des Wechselspannungssignals am Detektor kann mit Hilfe von
Abb. 10 verstanden werden.
Abbildung 10: Das Entstehen des ESR-Signals
13
Für fünf verschiedene Werte des statischen Magnetfeldes innerhalb der Absorptionslinie ist
die Magnetfeldmodulation und die am Detektor abgegriffene Wechselspannung skizziert
(Hierbei wurde angenommen, dass die Brücke abgeglichen ist, also außerhalb der
Resonanz keine Diodenspannung auftritt).
Das Diodensignal ist dem Betrag der Steigung der Resonanzlinie proportional. Links des
Maximums ist die Phase von Modulationssignal (B0-Modulation) und Diodensignal
(moduliertes ESR-Signal) identisch. In der rechten Hälfte unterhalb der Resonanzline sind
ESR-Signal und B0-Modulation gegenphasig. Da der Lock-In-Verstärker phasenempfindlich
detektiert, führt dies zu einer Vorzeichenumkehr beim Ausgangssignal (positiv für linke
Flanke der Absorptionskurve, negativ für rechte Flanke der Absorptionskurve). Man erhält
also als Messkurve die differenzierte Absorptionskurve (Abb. 11).
Abbildung 11: Das demodulierte Signal
Die Intensität des registrierten Signals ist bei kleinen Modulationsamplituden in etwa
proportional zur seiner Amplitude. Zur Erreichung eines günstigen Signal/RauschVerhältnisses ist es also sinnvoll, den Modulationshub möglichst groß zu wählen. Eine
Grenze ist erreicht, wenn der Hub größer wird als die Linienbreite der Absorption. Die ESRLinie wird dadurch breiter und flacher. Diesen Effekt bezeichnet man als Modulationsverbreiterung. Optimal ist eine Modulationsamplitude in der Größenordnung der Linienbreite.
Mit der Modulationstechnik legt man das Messsignal in einen Frequenzbereich, in dem die
Detektordiode kaum mehr rauscht. Durch die schmalbandige Verstärkung bei der
Modulationsfrequenz wird auch das Eingangsrauschen des Lock-In-Verstärkers weitgehend
eliminiert. So sind extrem hohe Verstärkungsfaktoren möglich. Beim Spektrometer im
Praktikum können noch Diodenspannungsänderungen bis 2.10-8 Volt nachgewiesen
werden. Die Grenzempfindlichkeit beträgt etwa 5.1013 Spins pro Gauß Linienbreite bei einer
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Zeitkonstante von 1 s. (Die Zeitkonstante wird durch ein RC-Glied am Ausgang des Lock-InVerstärkers bestimmt und bewirkt eine Mittelung des Rauschens.)
3.9 Das statische Magnetfeld
Zur Aufnahme eines Spektrums wird die Mikrowellenfrequenz konstant gehalten und das
statische Magnetfeld computergesteuert mit konstanter Geschwindigkeit variiert. Das
statische Magnetfeld muss räumlich homogen sein – ansonsten würde man eine zusätzliche
Linienverbreiterung erhalten. Um maximale Homogenität des Magnetfeldes zu erreichen,
wird der Resonator in einem möglichst engen Luftspalt zwischen den Polschuhen eines
Elektromagneten positioniert. Die Kurzzeitstabilität des Netzteils, das den Magneten
versorgt, muss sehr gut sein, da sich Schwankungen des Feldes ebenfalls auf die
gemessene Linienbreite auswirken.
Der Magnet im Praktikum erreicht eine maximale Feldstärke von 0.53 Tesla. Die Feldstärke
wird (zusätzlich) mit einer Hallsonde (Nr. 11 in Abb. 2) gemessen und digital angezeigt.
4. Warnungen und Hinweise
−
Gehen sie mit den Probenröhrchen vorsichtig um. Sie bestehen aus Quarz und sind
daher leicht zerbrechlich! Dasselbe gilt auch für die kristallinen Proben.
−
Folgende Bedienelemente dürfen nur vorsichtig und mit wenig Kraft verdreht werden:
die Schraube an der Probenhalterung
die Koppelschraube
der mechanische Abstimmknopf des Klystrons.
−
Vermeiden Sie eine Verschmutzung des Resonatorinnenraums!
−
Legen Sie bei Arbeiten in der Nähe des Magneten Ihre Armbanduhren ab!
−
Stellen Sie den Dämpfer für die Klystronleistung immer auf Minimum, bevor Sie
das Klystron auf Betrieb schalten oder
die Probe herausnehmen oder einsetzen.
−
Umbauten oder Reparaturen nur in Anwesenheit des Betreuers vornehmen!
RUFEN SIE BEI STÖRUNGEN SOFORT DEN BETREUER!
15
5. Messprogramm
5.1 Apparatives
−
Messen Sie die Klystronleistung als Funktion der Reflektorspannung für eine Mode.
Tragen Sie hierzu die Spannung der Messdiode (relativer Maßstab) gegen die Reflektorspannung auf.
−
Messen Sie die Klystronfrequenz als Funktion der Reflektorspannung für einen Mode.
(Beachten Sie, dass für diese beiden Messungen zwei getrennte Messreihen erforderlich
sind!)
−
Stellen Sie die Klystronfrequenz auf Resonanz mit dem leeren Resonator und
bestimmen Sie die Resonanzfrequenz.
Die Verkabelung für die jeweiligen Messungen sind selbst vorzunehmen und vor in Betriebnahme mit dem Betreuer zu besprechen.
5.2 Abstimmung des Spektrometers, Bestimmung des g-Faktors von DPPH
−
Mit polykristallinem DPPH (siehe 5.3.1 Abb. 12) soll die Mikrowellenbrücke, der Lock-InVerstärker und der Magnetfeldsweep eingestellt werden. Das Signal soll bezüglich
seiner Form und des Signal-Rausch-Verhältnisses optimiert werden.
Stimmen Sie die Brücke zunächst ohne und dann mit Probe ab. Bestimmen Sie die
Resonanzfrequenz.
−
Messen Sie das ESR-Spektrum von DPPH mit ca. 15 verschiedenen Modulationsamplituden. Was stellen Sie fest? Welche Modulationsamplitude würden Sie als optimal
bezeichnen? Beachten Sie hierzu die Breite und die Amplitude der aufgenommenen
Linie.
Tragen Sie Linienbreite und Linienamplitude in Abhängigkeit von der Modulationsamplitude auf. Wo liegen die optimalen Messbedingungen vor?
−
Bestimmen Sie den g-Faktor und die Linienbreite BSS von DPPH. Schätzen Sie den
Fehler ab. Welche Linienform finden Sie?
Achten Sie bei allen Aufgabenstellungen generell auf rauscharme und bezüglich der
Linienform einwandfreie Spektren (Symmetrie und Nullinie). Optimieren Sie bei jedem
Spektrum die Modulationsamplitude, Verstärkung und Zeitkonstante des Lock-In-Verstärkers
16
und Magnetfeldsweepbereich (zentriertes Spektrum). Notieren Sie zu jedem Spektrum
folgende Parameter:
Probe
Sweepbereich und Linienmitte (Magnetfeld im Nulldurchgang)
Linienbreite BSS
Sweepgeschwindigkeit
Klystronfrequenz und Klystronleistung (Dämpferstellung)
Verstärkung, Phasenwinkel und Zeitkonstante
Modulationsamplitude
Beachten Sie bei den einzelnen Messungen die Fehlerquellen, die Sie haben und
berücksichtigen Sie deren Auswirkung auf das Messergebnis.
5.3 Bestimmung der Hyperfeinstruktur
5.3.1 polykristallines DPPH
Diphenylpikrylhydrazyl (DPPH) ist ein organisches Radikal mit einem ungepaarten Elektron.
Das Elektron hält sich hauptsächlich an den beiden zentralen Stickstoffkernen des Moleküls
auf. Diese beiden Kerne sind als äquivalent zu betrachten. Stickstoff besitzt einen Kernspin I
= 1. Aus diesem Grund beobachtet man im Spektrum einer verdünnten DPPH-Lösung 2nI+1
= 5 Linien (n ist dabei die Zahl der äquivalenten Kerne). Grundbedingung für die
Beobachtung einer aufgelösten Hyperfeinstruktur ist, dass die Kernspinrelaxationszeit
mindestens so lang ist wie die Korrelationszeit des Elektrons. Das ist die Zeit, in der,
vereinfacht gesagt, der Elektronspin mit einem bestimmten Kernspin wechselwirkt.
Abbildung 12: Struktur von DPPH
Zusätzlich darf die Hyperfeinstruktur nicht durch eine schnelle Bewegung des Elektronenspins, bei der er mit vielen verschiedenen Kernen wechselwirkt, ausgemittelt werden. Es gibt
zwei Möglichkeiten der Linienverschmälerung:
•
•
Über mehrere Moleküle/Kerne hinweg delokalisierte Elektronen in Festkörpern (z. B.
Leitungselektronen in hochdotierten Halbleitern und Metallen) und
In Kristallen (siehe 5.4), bei denen die elektronischen Wellenfunktionen der einzelnen
Moleküle/Atome stark überlappen ist das paarweise Umklappen benachbarter Spins
in jeweils entgegengesetzte Richtung möglich. Dieser durch die sogenannte
Austauschwechselwirkung vermittelte Spinumklapp ermöglicht die Bewegung eines
17
Spins durch einen Festkörper, ohne dass Ladungsträger ihren Ort verändern. Genau
das ist in (poly-) kristallinem DPPH der Fall.
In diesem Teil des Versuchs soll die Hyperfeinstruktur von DPPH untersucht werden. Hierzu
verwendet man eine Lösung von DPPH. Die Intensität des Signals dieser Probe ist ziemlich
klein. Durch Optimierung der Messparameter soll ein möglichst unverrauschtes Spektrum
erreicht werden. Jedoch darf die Modulationsamplitude nicht zu weit erhöht werden, denn
durch Modulationsverbreiterung würde die Hyperfeinstruktur im Spektrum nicht mehr
aufgelöst.
−
Bestimmen Sie die isotrope Hyperfeinwechselwirkungskonstante.
−
Welches Intensitätsverhältnis der Linien ist theoretisch zu erwarten?
5.3.2 Mn2+ in Lösung
In einer wässrigen Lösung von MnCl2 liegen isolierte hydratisierte Mn2+-Ionen vor. In der 3dSchale befinden sich 5 ungepaarte d-Elektronen. Die Hyperfeinstruktur des 55Mn2+ wird
2+
durch die Wechselwirkung des Mn -Kerns mit den Elektronen in der 3d-Schale verursacht.
55
2+
−
Wie groß ist der Kernspin von
Linienzahl?
−
Bestimmen Sie die isotrope Hyperfeinkopplungskonstante. Berechnen Sie damit die
Spindichte |Ψ(0)|2 am Kernort.
−
Warum findet man eine endliche Aufenthaltswahrscheinlichkeit von d-Elektronen am
55
2+
Kernort? Welchen Wert finden Sie für Mn ?
Mn
aufgrund der experimentell beobachteten
5.4 Bestimmung des g-Tensors eines CuCl2 5 H2O Einkristall
−
Bestimmen Sie die Anisotropie des g-Faktors für einen Cu(II)Cl2-Einkristall
−
Welche Linienform finden Sie für den Cu(II)Cl2-Einkristall?
−
Bestimmen Sie die Austauschfrequenz νex = J/h entlang der Kristallachse mit den
kürzesten Cu-Cu-Abständen. Hinweis (vgl. Principles of Magnetic Resonance ed. C. P.
Slichter, oder FP-Handapparat, E. Dormann "ESR-Spektroskopie" in Spektroskopie
amorpher und kristalliner Festkörper von D. Haarer et al., etc.):
∆Bpp ≈ <∆Bdd>/(J/h)
~ "Verhältnis der dipolaren Wechselwirkung zum Spinaustausch"
18
Überlegen Sie sich schon zur Vorbereitung an Hand von Abb. 13 und der Zusatzliteratur,
welche und wie viele Messungen man durchführen muss, um die Anisotropie des g-Faktors
eindeutig zu bestimmen? Welchen Vorteil für die Messung hat es, wenn man die Kristallstruktur, d. h. die Kristallachsen bzw. die Wachstumsrichtung des CuCl2 5 H2O Einkristall
kennt?
Abbildung 13: Kristallstruktur von CuCl2 5 H2O Einkristall
O−
Cl−
Cu2+
Projektion auf die a-b-Ebene
Projektion auf die b-c-Ebene
Projektion auf die a-c-Ebene
19
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