FORTBILDUNG DEUTSCHES ÄRZTEBLATT HIV-Infektion und AIDS Frank-Detlef Goebel ehr als 60 Prozent der AIDS-Fälle in der Bundesrepublik werden in den Städffigb vg*4ä ten Berlin, München, Hamburg, Köln, Düsseldorf und Frankfurt betreut. Doch breiten sich HIV und AIDS auch außerhalb von Großstädten aus. Fünfzehn Prozent der von uns behandelten AIDSPatienten wohnen nicht in München, sondern in kleineren Städten in ganz Bayern. Es besteht kein Zweifel daran, daß heute bei jedem niedergelassenen Arzt und in jedem Krankenhaus Patienten mit HIV-Infektionen erscheinen können. Es ist daher sinnvoll und notwendig, sich mit den einer HIV-Infektion folgenden Krankheitsbildern vertraut zu machen. Die gewohnte Vorstellung, die Zugehörigkeit zu einer sogenannten Risikogruppe sei das wichtigste Indiz für eine HIV-Infektion, verliert zunehmend an Bedeutung (Abbildung 1). Der Anteil der heterosexuell akquirierten Infektionen nimmt zu. Da dies besonders für die noch nicht an AIDS erkrankten Patienten gilt, ist auf erste Symptome und Indikatoren einer HIV-Infektion zu achten. Durch die heute verfügbaren präventiven Behandlungsmöglichkeiten liegt ein rechtzeitiger Nachweis im Interesse des Patienten, da die Lebenserwartung der Erkrankten von dem frühzeitigen Erkennen opportunistischer Infektionen abhängig ist. Erste klinische Symptome einer HIV-Infektion sind bei etwa 10 bis 20 Prozent der Patienten als akute HIV-Krankheit wenige Wochen nach der Infektion zu beobachten. Die Beschwerden entsprechen denen einer akuten Virusinfektion mit Fieber, Gliederschmerzen, feinflekkigem Exanthem, eventuell Lymphknotenschwellung, Durchfällen, starken Kopfschmerzen. Im Differential- Die HIV-Infektion ist heute auch in Deutschland so verbreitet, daß sich in jeder Praxis und Klinik HIV-Patienten vorstellen können. Die Beschäftigung mit den resultierenden Krankheitsbildern gehört daher zu den Fortbildungspflichten. Große Aufmerksamkeit ist vor allem den „Markerkrankheiten" zu schenken, die früh auf eine solche Infektion hinweisen. Je früher die Diagnose einer opportunistischen Infektion gestellt und eine adäquate Therapie eingeleitet werden, desto besser ist die Prognose. Fortschritte werden auch in der prophylaktischen Behandlung der Komplikationen des Immundefektes erzielt. In der antiviralen Therapie ist AZT (Zidovudine) inzwischen etabliert, die Berichte über seine Effekte in der Frühtherapie bei asymptomatischen Patienten zwar vielversprechend, aber noch nicht definitiv zu beurteilen. blutbild zeigt sich eine Mononukleose. Bei prospektiven Studien an Personen mit bekanntem Infektionszeitpunkt (zum Beispiel Nadelstichverletzungen bei medizinischem Personal) trat eine solche akute Krankheit bei drei Vierteln der Betroffenen auf, ein Hinweis darauf, daß diese HIV-Krankheit wohl häufiger vorkommt, aber fehlgedeutet wird, zumal in diesem Stadium keine HIVAntikörper nachweisbar sind. An diese Krankheit schließt sich ein sehr unterschiedlich langer Latenzzeitraum an, in dem der Patient subjektiv gesund ist, lediglich ein positiver HIV-Antikörpertest auf die Infektion hinweist. Nach prospektiMedizinische Poliklinik (Vorstand: Professor Dr. med. Nepomuk Zöllner), Ludwig-Maximilians-Universität München ven Kohortenstudien in den USA beträgt die mittlere Inkubationszeit, das heißt von der HIV-Infektion bis zum Vollbild AIDS etwa acht bis zehn Jahre, die Manifestationsrate ist hoch, nach zehn Jahren ist mehr als die Hälfte der Infizierten an AIDS erkrankt (1). Solange der Patient klinisch gesund ist, sollte eine halbjährliche Kontrolle mit Anamnese, körperlicher Untersuchung und Laborprogramm (Tabelle 1) sowie einem Oberbauchsonogramm stattfinden. Klinische Symptome einer HIV-Infektion Zu den ersten klinischen Symptomen gehört das Lymphadenopathiesyndrom (LAS), charakterisiert durch schmerzlose, über ein Zentimeter im Durchmesser vergrößerte Lymphknoten an mindestens zwei extrainguinalen Stationen länger als drei Monate tastbar. Das Verschwinden früher palpabler Lymphknoten ist als schlechtes Zeichen, nämlich als beginnende lymphozytäre Depletion zu deuten. Eine Biopsie solcher Lymphknoten ist in der Regel überflüssig, da die histologische Untersuchung nur eine unspezifische Adenitis ergibt. Eine Biopsie oder Exstirpation ist nur bei den üblichen — HIV-unabhängigen — Kriterien notwendig, etwa bei derben, schnell wachsenden Knoten mit Verdacht auf Lymphom oder Tuberkulose etc. Der AIDS-related complex (ARC) ist definiert durch mindestens zwei pathologische Laborbefunde sowie klinische Symptome wie Diarrhoe, Gewichtsabnahme, Fieber etc. In dieser Phase treten vor allem Haut- und Schleimhautveränderungen auf. Fast pathognomonisch ist die orale Haarleukoplakie (Abbildung 2) als weißliche, nicht abstreif- Dt. Ärztebl. 88, Heft 7, 14. Februar 1991 (51) A-475 bare Beläge an den Zungenrändern. Mundsoor ist in diesem Stadium ein häufiger und typischer Befund. Bei allen Hauterscheinungen müssen drei prinzipielle Gesichtspunkte an HIV denken lassen: CD ungewöhnliche Altersklasse, zum Beispiel Deliwarzen bei Erwachsenen, @ seltene Manifestationsformen, zum Beispiel ulzerierender Herpes simplex, @ atypische Lokalisation, zum Beispiel symmetrischer oder mehrsegmentaler Befall durch Herpes-zaster-Virus. Das Vollbild AIDS ist von den Centers of Disease Control (USA) definiert worden. Kriterien sind bei positiver HIV -Serologie das KaposiSarkom, das maligne Non-HodgkinLymphom und "opportunistische" Infektionskrankheiten. Kaposi-Sarkom (KS) Das KS ist ein multifokal wachsender, gefäßreicher Tumor vor allem der Haut. In etwa 25 Prozent der Fälle mit Hautbefall ist das KS im Gastrointestinaltrakt nachweisbar. Tabelle 1: Routinelaboruntersuchungen bei HN-Infektion Basisuntersuchung: - BKS - großes Blutbild - Thrombozyten - alkalische Phosphatase - Transaminasen - GGT - Serumelektrophorese - Lymphozytensubsets - Hepatitis-Serologie - Lues-Serologie - Toxoplasmose-Serologie Kontrolluntersuchung: - BKS - großes Blutbild - Thrombozyten - alkalische Phosphatase - Transaminasen - GGT - Serumelektrophorese - Lymphozytensubsets Besonders maligne ist die Lungenbeteiligung, häufig schnell wachsend als disseminierter Befall beider Lungen (Abbildung 2) (Röntgenbild: diffuse , kleinknotige Infiltrationen). Bei pulmonaler Insuffizienz kann die Differentialdiagnose gegenüber diffusen Pneumonien schwierig sein, besonders dann, wenn ein tumoröses und ein infektiöses Geschehen gleichzeitig vorliegen. ~ Therapie: Die Behandlung des Haut-Kaposi-Sarkoms besteht in lokaler Exzision und/oder Laserbehandlung. In frühen Stadien kann eine Alpha-Interferon-Therapie zur Remission führen. Eine vorsichtige Chemotherapie mit Vinblastin oder Kombinationsschemata zeigt auch passagere Erfolge. Die Progression bei Befall innerer Organe ist kaum aufzuhalten. Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) Etwa drei bis fünf Prozent der HIV-Infizierten entwickeln ein NHL, davon sind etwa 70 Prozent hochmaligne B-Zell-Lymphome (zum Beispiel Burkitt-Lymphom, immunoblastisches Lymphom) (2). 20 Prozent manifestieren sich primär im zentralen Nervensystem, bei zwei "Risikogruppe" in Prozent 100,-------.------.-------.------,l.------.-------~~----~~-------. 90 - ------ - -- - ------ ----- - ------- - ---- - 80 - ---------- 70 - ----- -- -- - 60 - ----- - ---- 50 - ---- -- -- -- 40 - ---------- 30 - ---------- 20 - -- - --- ---- c:::::::J Homo-/Bisexuelle - i.v. Drogenabhängige - Durch Bluttransfusion inf. c::::J HWG c::::J Haemophile c::::J Sexualpartner aus .,Risikogruppen " c::::J Unbekannt (Patientenangaben) 10 - h. 1984 1984 1985 1986 ------ - - -------- ----- ---- - - ------- -------- ----- -- - --- ----- - fll r-~~ ~ r1. ~-n- 1987 1988 1989 n 1990 (6 Monate) Abbildung l: Zugehörigkeit HN-infizierter Patienten der Medizinischen Poliklinik München zu ,. Risikogruppen" von 1982 bis zum 1. Halbjahr 1990 (in Prozent) A-478 (54) Dt. Ärztebl. 88, Heft 7, 14. Februar 1991 Dritteln der Patienten findet sich ein extranodaler Befall. Die Diagnose erfolgt histologisch oder bei ZNSBefall computer- oder kernspintomographisch. Bei leptameningealer Infiltration lassen sich im Liquor mit monoklonalen Antikörpern markierbare B-Lymphozyten nachweisen . ..,... Therapie: Die Behandlung besteht aus Bestrahlung und/oder Chemotherapie. Unter der Bestrahlung fallen regelhaft die Helferlymphozyten ab, so daß dadurch der HIV -spezifische Immundefekt verstärkt wird. Auch die Polychemotherapie ist durch eine bereits bestehende Abwehrschwäche limitiert. Die Prognose des Patienten hängt in erster Linie vom Stadium und histologischen Typ des Lymphoms ab, aber auch davon, ob der Patient bereits Opportunistische Infektionen Mit der Verminderung der CD4positiven Helferlymphozyten steigt das Risiko einer opportunistischen Infektionskrankheit. Zwar ist die Anzahl der in Frage kommenden Er- Abbildung 2: Orale Haarleukoplakie an den Zungemändem eines HN-infizierten Patienten andere AIDS-definierende Krankheiten hatte. Die durchschnittliche Lebenserwartung nach Diagnose eines hochmalignen Lymphoms liegt zwischen drei und 18 Monaten. reger relativ klein (Tabelle 2), doch kann ihr Nachweis im Einzelfall sehr schwierig sein. Die Inzidenz dieser Erreger bei HIV hängt von ihrer Prävalenz in der Gesamtbevölkerung ab. So manifestiert sich AIDS zum Beispiel in Afrika besonders durch gastrointestinale Erreger, die Toxo- Tabelle 2: Häufige Erreger opportunistischer Infektionen Erreger bevorzugte Organmanifestation - Protozoen Pneumocystis carinii (Pilz?) Taxaplasma gondii Cryptosporidium Isospora belli Strongyloides Pneumonie Enzephalitis Enteritis Enteritis Enteritis - Viren Cytomegalievirus Herpes-simplex-Virus Varizella-zoster-Virus Papova-Virus Retinitis, Enteritis, Pneumonitis chronische Hautulzerationen multidermale Gürtelrose progressive multifokale Leukenzephalopathie - Pilze Candida Cryptococcus neofarmans Aspergillus fumigatus Mundsoor, Oesophagitis, Pneumonie Meningitis, Pneumonie, Prostatitis Pneumonie, Karditis - Bakterien Mycobacterium tuberculosis atypische Mykobakterien Salmonellen disseminierter Befall, Pneumonie disseminierter Befall, Enteritis Bakteriämie, Enteritis A-480 (56) Dt. Ärztebl. 88, Heft 7, 14. Februar 1991 plasmose ist häufig in Europa, in den USA seltener, Histoplasmose ist in Europa kaum existent, in den USA dagegen häufiger. Die Diagnostik bei AIDS-Patieten wird dadurch erschwert, daß serologische Untersuchungen fast bedeutungslos sind, gleichzeitig Mehrfachinfektionen auftreten und die Differenzierung zwischen Besiedlung und Krankheitserreger schwierig sein kann. Das klinische Bild der AIDS-Manifestationen kann außerordentlich vielgestaltig sein. Prädilektionsstellen sind Gehirn, Lunge und Gastrointestinaltrakt. Auch Herz, Nieren oder endokrine Organe können betroffen oder mitbeteiligt sein. Da nicht alle Variationen beschrieben werden können, wird das Schwergewicht auf die Darstellung der häufigsten Komplikationen des Immundefektes gelegt. Pneumocystis-carinii-Pneumonie (PeP): Führende Symptome der PeP sind trockener Husten, Fieber und Dyspnoe. Der Beginn ist meist schleichend, die Anamnesedauer kann Monate betragen (3). In späten Pneumoniestadien ist die Diagnose einfach: typische Symptome, im Röntgenbild beidseits diffuse, interstitielle Infiltrate, Vitalkapazität reduziert, die Blutgasanalyse zeigt eine Hypoxämie, BKS und LDH sind erhöht, dagegen die Leukozytenzahl im Blutbild trotz Pneumonie normal. Der Erregernachweis erfolgt im spontanen Sputum (nur in fortgeschrittenen Fällen positiv), besser und früher im Sputum, das durch 10- bis 15minütige Inhalation von dreiprozentiger Kochsalzlösung induziert wird. Fällt diese Untersuchung wiederholt trotz dringenden Verdachtes auf PeP negativ aus, wird eine bronchoalveoläre Lavage mit transbronchialer Biopsie durchgeführt. Mit diesem Verfahren kann man einen Pneumocystenbefall praktisch sichern oder ausschließen. ~ Therapie: Therapie der Wahl ist hochdosiertes Cotrimoxazol oral oder parenteral (Tabelle 3). Alternativ können Pentamidin intravenös, Dapsone oder Eflornithin oral gegeben werden. Die Pentamidin-lnhalation bei "leichten Pneumonien" ist noch nicht etabliert. Erfolgsparameter der Therapie ist die Besserung des klinischen Bildes nach einigen Tagen, Rückgang derLDH und Hypoxämie sowie allmähliche Zunahme der Vitalkapazität. Bei klinischer Besserung wird die Therapie über drei Wochen fortgeführt, tritt diese jedoch nicht innerhalb von sechs bis sieben Tagen ein oder kommt es zu Nebenwirkungen (häufig sind allergische Reaktionen und Leukopenien), so muß auf ein anderes Medikament umgesetzt werden. Nach überstandener Pneumonie sollte eine Rezidivprophylaxe durch Pentamidin-Inhalation (4) oder mit Cotrimoxazol forte (5) durchgeführt werden. Entscheidend für die Effektivität der Inhalationsprophylaxe ist die regelmäßige Anwendung sowie die durch den Vernebler erreichbare Teilchengröße von 2 f-t, um die Substanz bis in die Lungenperipherie zu Abbildung 3: Röntgen-Thoraxbild eines Patienten mit disseminiertem KaposiSarkom der Lunge ohne Hautbeteiligung applizieren. Gelegentlich auftretende Hypoglykämie-Symptome während oder kurz nach der Inhalation lassen sich durch eine vorherige kleine Mahlzeit verhindern. Ideal wäre eine ~ystemische präventive Behandlung mit einem Medikament, das sowohl gegen Pneumocystis carinii wie auch Toxoplasma gondii wirksam wäre. Damit ließen sich auch die in der Literatur - sehr vereinzelt - beschriebenen Fälle einer Dissemination von Pneumocystis carinii zum Beispiel in der Leber, im Knochenmark oder Herzmuskel etc. vermeiden. Durch eine konsequente Rezidivprophylaxe beziehungsweise Anwendung bei allen HIV-Infizierten mit Helferlymphozyten unter 200/Mikroliter (6) wird die PeP ihren Tabelle 3: Therapie der Pneumocystis carinii Pneumonie Therapie Prophylaxe Cotrimoxazol 120 mg/kgKG/Tag oral oder i.v. Pentamidin-Aerosol 60-300 mg alle 2-4 Wochen Cotrimoxazol 960 mg 2 x /Tag Dapsone 100 mg/Tag? Pentamidin 4 mg!kgKG/Tag i.v. Alternativen (zum Teil experimentell) Trimethoprim 20 mg!kgKG/Tag + Dapsone 100 mg!Tag oral Trimethrexat 30 mg/m 2 Körperoberfläche/Tag i. v. Eflornithin 400 mg/kgKG/Tag i. v. Pentamidin-Aerosol 600 mg!Tag Stellenwert als häufigste opportunistische Infektion und als Erstmanifestation von AIDS verlieren. Candidiasis: Die Candidiasis der Mundhöhle ist ein leicht zu erkennender Indikator für eine HIV-Infektion. Neben den weißlichen, anfangs abstreifbaren Belägen an der Zunge, dem Gaumen und besonders im Bereich des Vestibulums klagt der Patient lediglich über Brennen bei~. Essen und Alkoholkonsum. Bei Osophagusbefall treten typischerweise retrosternale Schmerzen vor allem beim Schlucken auf. Differentialdiagnostisch kommen bei diesen Beschwerden vor allem CMV-, HSV- und seltener zum Beispiel Kryptokokkenbedingte Ulzerationen in Frage. ~ Therapie: Bei entsprechenden Beschwerden und gleichzeitigem Mundsoor wird ein Therapieversuch mit Konazol-Derivaten durchgeführt. Nur bei Fehlen des Mundsoors oder nach erfolglosem Behandlungsversuch führen wir zur Klärung eine Endoskopie durch. Weitere Komplikationen durch Candida wie die sehr seltenen Pneumonien oder Septikämien müssen mit Amphotericin B, eventuell kombiniert mit Flucytosin parenteral, behandelt werden. Toxoplasmose: In Abhängigkeit von der Lokalisation und Größe der zerebralen Toxoplasmoseherde kann die Sympto- Dt. Ärztebl. 88, Heft 7, 14. Februar 1991 (57) A-481 matik von diskreten Wesensveränderungen bis zur Hemiplegie gehen. Der Nachweis erfolgt durch Computertomographie mit Kontrastmittel, die in typischen Fällen multilokuläre Defekte mit ringförmiger Kontrastmittelanreicherung und perifokalem Ödem zeigt. Noch sensitiver ist die Kernspintomographie. AntikörperTiter und Liquoruntersuchungen erbringen keinen Erkenntnisgewinn, eine Hirnbiopsie ist nicht indiziert. ...,.. Gesichert wird die Diagnose durch den Erfolg der Behandlung mit Daraprim in Kombination mit einem Sulfonamid oder Clindamycin. Während einer Pyrimethamin-Gabe muß Polinsäure zur Verminderung der myelotoxischen Nebenwirkungen appliziert werden. Die Therapie erfolgt mindestens über drei bis sechs Wochen. Erfolgskriterien sind Rückgang der neurologischen Symptome, des Fiebers und Rückbildung der radiologischen Befunde innerhalb von zwei bis drei Wochen. Eine Erhaltungstherapie ist wegen der Rezidivgefahr notwendig. Bei Therapieversagen kann nach sorgfältigem Abwägen des Gesamtzustandes des Patienten und der vermuteten Prognose, aber auch in Abhängigkeit von der Lokalisation des Befundes eine Hirnbiopsie zur Diagnose eines Non-Hodgkin-Lymphoms oder eines Hirnabszesses erwogen werden. Cytomegalie-Virus (CMV): Allgemeinsymptome der CMVKrankheit sind Fieber und Kachexie; Organmanifestationen sind Retinitis, Gastroenteritis, Adrenalitis, seltener Pneumonitis und Enzephalitis. Der Augenhintergrund zeigt ~elativ typische Veränderungen mit Odem, Cotton-woal-Exsudaten und Hämorrhagien. Der histologische Nachweis von sogenannten Eulenaugenzellen hat nur dann Relevanz, wenn die Biopsie aus einem eindeutig pathologischen Befund, zum Beispiel einer gastrointestinalen Ulzeration entnommen ist. Auch bei CMV ist ein positiver serologischer Befund nicht diagnostisch eindeutig verwertbar, eine Virusanzucht aus Granulozyten kann auch bei Patienten ohne CMV-Krankheit gelingen. A-484 Tabelle 4: HIV-bedingte klinisehe Syndrome des zentralen und peripheren Nervensystems akute Enzephalitis subakute Enzephalitis aseptische Meningitis AIDS-Demenz-Komplex vakuoläre Myelopathie chronische sensorisch-motorisehe Polyneuropathie demyelenisierende Neuropathie Mononeuritis multiplex autonome Neuropathie? ...,.. Therapie: Die Therapie (7) erfolgt mit Dihydroxypropoxymethylguanin (DHPG) oder alternativ mit Foscarnet als täglicher Infusion. Die notwendige Erhaltungstherapie gestaltet sich wegen der regelhaft auftretenden Leukopenie unter DHPG beziehungsweise Niereninsuffizienz oder Hypokalzämie bei Foscarnet sehr schwierig. der Typisierung und Resistenzprüfung vorliegt. Je nach Resistenzmuster sollte eine 3- oder 4fach-Kombination versucht werden; die Behandlungsergebnisse sind jedoch unsicher. Eine effektive Therapie von Mycobacterium avium intracellulare ist bisher nicht bekannt. Kryptokokkose: Eintrittspforte für Cryptococcus neofarmans ist die Lunge, von der aus die Dissemination erfolgt. Haupt-, aber auch Spätmanifestation ist bei drei bis fünf Prozent der AIDS-Patienten die Meningitis mit klassischen Symptomen, die jedoch sehr diskret sein können. Der Kryptakokkennachweis erfolgt aus dem Liquor im Tusche-Präparat, in der Spezialkultur und auch durch eine Antigenbestimmung im Serum beziehungsweise Liquor. ...,.. Therapie: Die Behandlung (9) mit Amphoterkin B zusammen mit Flucytosin über sechs Wochen ist bei frühem Therapiebeginn erfolgreich. Alternativ kommt Fluconazol in Frage. Nach Beendigung der Akutbehandlung ist eine Erhaltungstherapie notwendig. Kryptosporidien: Mykobakterien: Zahlreiche AIDS-Patienten erMit der Zunahme von AIDS kranken früher oder später an steigt auch die Inzidenz der Tuber- Durchfällen wechselnder Intensität kulose an. Mycobacterium tubercu- und Dauer. Diese erfordern eine oft losis manifestiert sich häufig extra- schwierige Ursachensuche (10). In pulmonal wie auch die verschie- etwa 20 Prozent der Fälle läßt sich denen atypischen Mykobakterien. kein Erreger identifizieren. In Frage Allgemeinsymptome wie Fieber, kommen zum Beispiel CMV, atypiGewichtsabnahme, Lymphknoten- sche Mykobakterien, Lamblien, Salschwellungen und Diarrhoe stehen . monellen, Campylobacter und andeim Vordergrund. Granulome als re Bakterien. Vor allem bei Nichtklassische Gewebereaktion können Europäern kommen auch Isospora wegen des Immundefektes fehlen. belli und Amöben vor. Etwa zwei bis Da Mykobakterien auch schon in drei Prozent der AIDS-Fälle erkranfrühen Stadien der HIV-Infektion ken an massiven wäßrigen, nicht bluauftreten können, sind bei unklarem tigen Diarrhoen durch KryptosporiFieber von allen Patientenproben dien. Dabei kann es zu extremen entsprechende histologische und mi- Wasserverlusten kommen. Der Errekrobiologische Untersuchungen un- gernachweis erfolgt in der Stuhlproerläßlich. be oder in der Darmbiopsie beson...,.. Therapie: Die übliche Korn- ders aus dem terminalen Ileum. binationstherapie der Tuberkulose ...,.. Therapie: Eine effektive Theist auch bei HIV-Infizierten gut rapie ist nicht bekannt, Volumenwirksam (8). Bei atypischen Myko- und Elektrolytersatz stehen im Vorbakterien erfolgt zunächst die glei- dergrund. Ein Therapieversuch 'mit che Behandlung, bis das Ergebnis dem Somatostatin-Analog SM (60) Dt. Ärztebl. 88, Heft 7, 14. Februar 1991 201-995 zur Reduktion der sekretorischen Wasserverluste ist in einigen Fällen erfolgreich. Wie bei allen Fieberzuständen unklarer Genese sind auch bei AIDS-Patienten die Untersuchungen durch Blutkulturen notwendig. Die häufigsten positiven Befunde ergeben sich durch Salmonellen, Mykobakterien, Enterokokken und Staphylococcus aureus. Beteiligung des Nervensystems Eine ausreichende, den Folgen des HIV-Lymphotropismus entsprechende Klassifizierung der neurologischen Komplikationen existiert bis heute nicht (11). Eine — allerdings grobe — klinische Einteilung zeigt die Tabelle 4. Erste klinische Symptome in Form einer akuten Meningitis oder Enzephalitis sind bereits im Zusammenhang mit der akuten HIVKrankheit beschrieben worden. Bei vielen asymptomatischen Patienten lassen sich im Liquor eine lymphozytäre Pleozytose und eine mäßige Eiweißvermehrung feststellen. Das klinische Bild der HIV-Infektion mit ZNS-Beteiligung reicht von geringen Kopfschmerzen, diskreten Konzentrationsstörungen und eindeutigen Krankheitsbildern einer akuten aseptischen Meningitis, Hirnnervenausfällen, Paresen und epileptischen Anfällen bis hin zur mehr oder weniger schnell sich entwickelnden Demenz. Der Verlauf ist außerordentlich variabel, spontane Rückbildungen werden beobachtet wie auch eine in Schüben verlaufende Progredienz. AIDS Dementia Komplex: - - Die häufigste Komplikation des HIV am ZNS ist der AIDS-DemenzKomplex, der viele AIDS-Patienten in fortgeschrittenen Stadien mehr oder weniger ausgeprägt betrifft. Dieser Begriff aus dem englischen Sprachgebrauch definiert einen Zustand mit kognitiven und motorischen Defekten sowie schweren Verhaltensstörungen. Im Computertomogramm zeigt sich eine zunehmen- Abbildung 4: Zunahme der mittleren Lebenserwartung HIVinfizierter Patienten nach Diagnosestellung „AIDS" bzw. „AIDS-related complex" mit mindestens halbjähriger Behandlung mit AZT und Pentamidin-Aerosol im Vergleich zu unbehandelten „matched controls". In jeder Gruppe 30 Patienten, insgesamt 120 Patienten. Die Unbehandelten sind historische Kontrollen. Mittlere Überlebensdauer in Monaten 26 24 i 22- nach der Diagnosestellung "ARG" nach der Diagnosestellung "AIDS" -- 20 18 --16 --14 - 12 10 86420 AZT und Pentamidin de Hirnatrophie. Dieses Krankheitsbild bedarf noch einer klareren nosologischen Beschreibung. Periphere Neuropathie: Im Krankheitsverlauf zunehmend finden sich periphere Neuropathien mit ausgeprägten sensiblen, sensomotorischen und auch ausschließlich motorischen Störungen. Auch neurogene Myopathien sind beschrieben. Eine HIV-assoziierte autonome Neuropathie ist bisher noch nicht bewiesen. Zunehmende Bedeutung erhalten die peripheren Neuropathien im Zusammenhang mit der Therapie der Malignome, der opportunistischen Infektionen wie auch der HIV-Infektion selbst. Therapie der HIV-Infektion Seit 1986 ist eine signifikante Lebensverlängerung mit verbesserter Lebensqualität durch Azidothymidin (AZT, Zidovudine) bei Patienten Ohne AZT und Pentamidin mit ARC und AIDS nachgewiesen worden. Für diese Stadien ist AZT auch in Deutschland zugelassen. Klar indiziert ist AZT auch in früheren Stadien als ARC und AIDS bei Thrombozytopenie, wenn die Alternativbehandlung lediglich in langfristiger Kortikosteroidgabe oder Splenektomie besteht. Nach mehreren Einzelbeschreibungen hat AZT auch einen positiven Effekt bei dem AIDS-Demenz-Komplex. Bei deutlichen kognitiven, motorischen oder Verhaltensstörungen ist ein Therapieversuch mit AZT auch dann angezeigt, wenn noch kein fortgeschrittener Immundefekt vorliegt. Unter der AZT-Therapie lassen sich Besserung des Allgemeinbefindens, Abnahme neurologischer Störungen einschließlich Beschwerden der peripheren Neuropathie sowie ein Anstieg der Thrombozyten und vorübergehend der Helferlymphozyten (12) beobachten. Nach einer Konsensuskonferenz (13) hat die amerikanische Food and Drug Administration zur Dosis folgende Therapieempfehlung herausgegeben: Dt. Ärztebl. 88, Heft 7, 14. Februar 1991 (61) A 485 - ..,.. Bei HIV-infizierten Patienten mit eindeutiger klinischer Symptomatik sollten in den ersten vier Wochen täglich 1200 mg AZT, verteilt auf fünf Einzeldosen, gegeben werden. Danach Dauertherapie mit 500 mg/die in fünf Einzeldosen. Die Nebenwirkungsrate von AZT bei AIDS-Patienten ist hoch (14). An su~jektiven Beschwerden kann es zu Ubelkeit, Magendruck, Erbrechen, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit und vielem anderen kommen. Die Entscheidung jedoch, ob die Beschwerden eines Patienten unter AZT Folge dieses Medikamentes oder der Grundkrankheit und ihrer zahlreichen Komplikationen sind, ist im Einzelfalle sehr schwer zu treffen. Zu Therapiebeginn werden vor allem gastrointestinale Erscheinungen registriert, die sich jedoch im Verlauf der Therapie häufig verlieren. Der limitierende Faktor besteht in den myelotoxischen Effekten. Eine Makrozytase des roten Blutbildes ist bei über 90 Prozent der Patienten zu registrieren und kann als brauchbarer Complianceparameter angesehen werden. Bei Patienten mit dem Vollbild AIDS entwickelt sich bei langfristiger Gabe eine makrozytäre Anämie in bis zu 40 Prozent der Fälle. In 20 bis 30 Prozent der Patienten in den Spätstadien kommt es zu einer Granulozytopenie, die zum Therapieabbruch zwingen kann. Schon in den ersten AZT-Studien hat sich gezeigt, daß die Nebenwirkungen auf das Knochenmark um so stärker sind, je weiter fortgeschritten das Krankheitsstadium bei Therapiebeginn war. In einer placebokontrollierten Studie an asymptomatischen HIV-Infizierten mit einer Helferzellzahl unter 500/Mikroliter wurde eine signifikante Verzögerung der Krankheitsprogression unter AZT beschrieben (15). Die myelotoxische Nebenwirkung zeigte sich bei zwei bis drei Prozent der Behandelten. Dieses Studienergebnis sowie der Befund einer Progressionsverzögerung in einer weiteren Studie bei Patienten mit einem "milden ARC" *) Nach Drucklegung: Inzwischen wurde AZT auch in der Bundesrepublik für die Behandlung asymptomatischer Patienten mit Helferzellzahlen < 500/ml zugelassen. A-488 hat die FDA bewogen, generell eine AZT-Therapie mit 500 mg/die bei Patienten mit einer Helferzellzahl unter 500/Mikroliter auch ohne klinische Symptome zu empfehlen. In mehreren Ländern hat man sich dieser Empfehlung offiziell angeschlossen. *) Welchen Einfluß eine Frühtherapie auf die gesamte Lebenserwartung der Behandelten hat, ist ebenso unklar wie Ausmaß und klinische Bedeutung der in einigen Untersuchungen nachgewiesenen Resistenzentwicklung des HIV gegen AZT. Eine endgültige Beurteilung der Langzeiteffekte einer Frühtherapie mit Nutzen- und Risikoabwägung ist derzeit nicht möglich. Wir selbst haben unter dem Eindruck der beschriebenen Krankheitsverzögerung in der amerikanischen Studie die Tendenz, nicht immer mit dem Therapiebeginn bis zu Entwicklung des AIDS-related complex oder des Vollbildes AIDS zu warten. Hat ein Patient weniger als 500 Helferlymphozyten pro Mikroliter und zeigt sich bei kurzfristigen Wiederholungen eine klare Tendenz zur Abnahme, diskutieren wir mit ihm einen früheren Therapiebeginn. Da bei Resistenzentwicklungen gegen AZT keine Abnahme der Empfindlichkeit gegenüber anderen Nukleosidanaloga bisher zu beobachten waren, sehen wir zum Beispiel im Dideoxyinosin (16) bei AZT-Versagen eine relativ bald verfügbare Alternative. Die Zahlen in Klammem beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über den Verfasser. FUR SIE REFERIERT Pankreaserkrankungen: Ultraschall und ERCP Die Sonographie ist als Screening-Verfahren bei Verdacht auf Pankreaserkrankungen weitgehend akzeptiert, vielerorts wird jedoch eine Computertomographie angeschlossen, bevor eine endgültige Klärung der Diagnose durch eine endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikographie (ERCP) erfolgt. In einer prospektiven Studie untersuchte der Autor die diagnostische Wertigkeit der modernen Sonographie bei 208 Patienten, bei denen eine ERCP durchgeführt wurde. 15 Patienten mit erweiterten Gallengängen, für die sich mit beiden Untersuchungsverfahren keine Erklärung fand, wurden ausgeschlossen. Bei 120 Patienten fand sich ein pathologischer ERCP-Befund. Bei 101 Patienten stimmte der Ultraschallbefund überein, was eine Sensitivität von 84 Prozent ergibt. 73 Patienten boten einen unauffälligen ERCP-Befund, bei 70 war auch das Sonagramm als unauffällig beurteilt worden (Spezifität 95 Prozent). Der Autor kommt zu dem Schluß, daß man bei Einsatz moderner Ultraschallgeräte direkt zur ERCP zur diagnostischen Bestätigung und, wenn indiziert, zu Papillotomie oder Implantation gehen und keine weiteren bildgebenden Verfahren mehr einsetzen sollte. W Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. med. Frank-Detlef Goebel Medizinische Poliklinik der Universität München Pettenkoferstraße 8a W-8000 München 2 (64) Dt. Ärztebl. 88, Heft 7, 14. Februar 1991 Lindsell, D. R. M.: Ultrasound imaging of pancreas and biliary tract. Lancet 1: 390-393, 1990 Radiology Department, John Radcliffe Hospital, Headington, Oxford OX3 9DU, UK