Aufsätze • Notizen FORUM Aufgaben von Ethik-Kommissionen Begründung ihrer Notwendigkeit am Beispiel der In-vitro-Fertilisation Fritz K. Beller Die Austragung einer Schwangerschaft nach einem In-vitro-fertilisierten Embryo durch Implantation in den Uterus ist geeignet, nach dem Interesse, das dieses „Experiment" in der Öffentlichkeit gefunden hat, eine Kontrolle von reproduktiven Experimenten zur Diskussion zu stellen. Bei den bisherigen Diskussionen wurde der Begriff „Ethik" gebraucht, ohne daß so recht klar zu sein scheint, worüber gesprochen wird. Aus der bisherigen Anwendung des Begriffs und der Unbefangenheit, mit der dieser Begriff verwandt wurde und wird, läßt sich der Schluß ableiten, daß der Begriff „Ethik" häufig mit dem Begriff „Moral" gleichgesetzt wird. Da sich kaum jemand seine moralische Integrität absprechen lassen möchte, konnte die ethische Seite gar nicht zur Diskussion gestellt werden. Die Sorge war, und ist nicht unverständlich, daß über die Ethik die Moral eines Forschers angezweifelt werden könnte. Eine „Gebrauchsethik" reicht nicht aus Offensichtlich infolge eines Mangels an philosophischen Grundkenntnissen hat sich eine „Gebrauchsethik" herausgebildet, die zur Lösung der heute anstehenden Probleme, die im folgenden besprochen werden sollen, nicht ausreicht. Wenn — mit Recht — Ethik-Kommissionen gefordert werden, dann müssen diese auf Grund von Normen urteilen, die nachvollziehbar sind. Nicht ganz unbegründet wurde die Frage gestellt, warum diese Diskussionen erst jetzt in Gang kommen. Die Tabuisierung von Begriffen wie „Experimente am Menschen" war in Deutschland vermutlich eine Folge der nationalsozialistischen Konzentrationslager-Versuche. Es wird vergessen, daß Mitscherlich und Mielke noch während der Nürnberger Prozesse im Auftrage der deutschen Ärzteschaft sich von diesen Versuchen distanziert haben. Es hätte also eines Tabus gar nicht bedurft, denn die Konzentrationslager-Versuche („Medizin ohne Menschlichkeit") waren eindeutig kriminelle Verstöße gegen die Menschlichkeit und nicht nur Vergehen gegen ethische Verhaltensmuster. Sie haben aber ein grundsätzliches Problem zur Diskussion gebracht, nämlich die Selbstbeschränkungen des Arztes, um es allgemein auszudrücken. Sie werden umschrieben mit einer Reihe von Verpflichtungen, von denen der Eid des Hippokrates der bekannteste ist. Solche Festlegungen gibt es meines Wissens in keinem Beruf in dieser elementaren Form, warum also für den Arzt? Marguerite Mead hat darauf hingewiesen, daß der Eid des Hippokrates vermutlich Jahrtausende überdauert hat, weil durch ihn aus einem Priester-Arzt, der je nach Willkür heilen oder töten konnte, der moralische Anspruch des Arztes entstand, der nur noch heilen durfte. Tötung von „lebensunwürdigem" Leben oder die Konzentrationslager-Versuche wären geeignet gewesen, diesen Verhaltenscode aufzuheben, sofern sie von einer größeren Gruppe von Ärzten getragen gewesen wäre, als das wirklich der Fall war. „Nürnberg-Code" fast vergessen Dennoch hat das Bekanntwerden dieser Versuche zu einem tiefen Er- schrecken vieler Ärzte geführt. Ihnen wurde bewußt, welche Verstrikkungen und Folgen sich aus Versuchen am Menschen ergeben können und wie eng die Grenze zum ethisch nicht mehr akzeptablen Versuch sein kann. Als Folge entstand irn Jahre 1947 der „Nürnberg-Code", der in einer freiwilligen Verpflichtung die Grundlage dafür abgeben sollte, unter welchen Bedingungen Forschungen am Menschen erlaubt sind. Merkwürdigerweise aber haben sich Wissenschaftler für über ein Jahrzehnt nicht an diesen Code gehalten. Offensichtlich glaubten sich Ärzte und/oder Forscher berechtigt, im Interesse eines fragwürdigen Fortschritts Versuche an Menschen auch ohne deren Einwilligung vorzunehmen. Eine lange Periode des Umdenkens war notwendig, bis man verstand, daß der Wunsch, ein bestimmtes Forschungsprojekt durchzuführen, bereits eine Einschränkung an Objektivität zugunsten eines subjektiven Wunsches beinhalten muß. Obwohl der „Nürnberg-Code" durch die Deklaration von Helsinki 1964 und schließlich in der Deklaration von Tokio 1975 erneuert, verbessert und erweitert wurde, blieb er doch für viele nur ein Lippenbekenntnis. Ausbildung für das Fach „Ethik in der Medizin" Als eine von vielen Folgen der Thalidomid-Katastrophe hat sich dieses Umdenken ausgebreitet und zu der Entwicklung von Ethik-Kommissionen geführt. In den USA wurde Ende der 60er Jahre, aufgrund des Interesses und der finanziellen Möglichkeiten der Kennedy-Familie, ein Institut für Bioethics gegründet, das der Georgetown University in Washington, D. C., angeschlossen ist. In diesem Institut wurden in den letzten zehn Jahren Professoren für das Fach „Ethik in der Medizin" ausgebildet. Daneben finden jährlich Intensivkurse statt, die es in der Vergangenheit erst ermöglicht haben, daß für die Ethik-Kommissionen in DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 7 vom 14. Februar 1980 401 Aufsätze • Notizen Ethik Kommissionen - den Kliniken der USA genügend Ärzte mit philosophischen Kenntnissen und andererseits Philosophen mit medizinischen Kenntnissen, zur Verfügung standen. Davon sind wir in der Bundesrepublik noch weit entfernt. Obwohl wir Ärzte dem zwiespältig gegenüberstehen, steht im Vordergrund der Betrachtung die Bedeutung der Aufklärung vor jeder therapeutischen Maßnahme (nicht nur einer Operation). Versäumt sie ein Arzt, hat er gegen ethische Grundregeln verstoßen. Das kann entweder unwissentlich sein oder aber, wenn es bewußt geschieht, „patronisiert" er den Patienten und befindet sich in einem ethischen Dilemma. Welche Rechte aber haben in diesem Zusammenhang Strafgefangene, Geisteskranke, Kinder oder schließlich das Ungeborene? Nutzen von Ethik Kommissionen - Befassen wir uns mit der zuletzt genannten Gruppe besonders. Es ist zu hoffen, daß es in einigen Jahren als selbstverständlich gilt, daß ein Forscher, der angewandte oder Grundlagenforschung im reproduktiven Bereich betreibt, sich seiner gesellschaftspolitischen Verantwortung bewußt ist und sich davon leiten läßt. Man kann nicht übersehen, daß jeder experimentelle Erfolg der Genmanipulation an Bakterien oder der Geschlechtsmanipulation am Warmblüter, um nur einige Beispiele zu nennen, schließlich auch beim oder am Menschen möglich sein oder sich auf den Menschen auswirken wird. Armitai Etzioni hat sehr eindrücklich die Forderung erhoben, daß jede Forschung, insbesondere aber diejenige, die mit reproduktiven Fragen des Menschen befaßt ist, kontrolliert werden muß. Auf welche Weise diese Kontrolle erfolgen kann, ist dagegen strittig. Ich glaube, daß hierfür Ethik-Kommissionen in Frage kommen, die aus Ärzten, Biologen, Philosophen, Juristen und Politikern zusammengesetzt sind, wobei zu hoffen ist, daß die moralische Integrität einer sol- 402 chen Kommission dafür sorgen wird, daß die Entscheidungen auch ohne juristische Vollmacht durchgeführt werden können. Wenn es gelingt, das Übergehen einer solchen Entscheidung von den Mitbürgern als unmoralisch festzulegen, wäre schon viel gewonnen. Aus diesem Zusammenhang ergibt sich, daß unter bestimmten Umständen ethische Normen zu moralischen Verpflichtungen führen können. Nicht übersehen werden kann, daß Ethik-Kommissionen unter Umständen forschungshemmend wirken können. Ich glaube jedoch, daß das in Kauf genommen werden muß, weil in Zukunft in einigen Fällen die Freiheit der Forschung im Interesse der Menschenrechte eingeengt werden muß. Langsam setzt sich der Gedanke durch, daß ein hemmungsloser Fortschrittglaube zum Schaden der Menschheit führen kann und der Grundsatz der Freiheit der Forschung einen sehr elitären Anspruch beinhaltet. Wenn wir auf die Rechte des Individuums zurückkommen und die Aufklärung, dann ist die Freiwilligkeit ein ethisches Grundproblem. Im Falle der Versuche an Kindern wurde 1978 dem amerikanischen Repräsentantenhaus eine Gesetzesvorlage des Departments of Health, Education and Welfare betreffend „Research involving children" vorgelegt. In der sogenannten RyanCommission (for the protection of Human Subjects and Biomedical Behavioral Research), die für die Vorlage federführend war, wurde zunächst diskutiert, ob Versuche an Kindern generell unethisch und daher abzulehnen wären. Die Kommission kam jedoch zu dem Schluß, daß eine Experimentation auch an kranken Kindern für die Erhaltung der Gesundheit von Kindern allgemein notwendig sein kann, wobei man sich in langer Begründung darüber ausließ, was es bedeutet, wenn ein etwaiges Risiko „nur wenig" über dem gesunder Kinder liegen darf. Wie steht es nun aber um die Rechte der Ungeborenen? Damit kommen wir zurück zu unserer Aus- Heft 7 vom 14. Februar 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT gangsfrage. Wie kann man diese Fragen beurteilen? Ethik und Moral Der Zugang zu einer „Ethik in der Medizin" ist über die Philosophie, und zwar die normative Ethik, möglich. Da die deutschsprachige Philosophie das Fach „angewandte Philosophie" seit Jahrzehnten vernachlässigt hat, ist das gar nicht einfach. Gegenwärtig vertritt in der Bundesrepublik kein Lehrstuhlinhaber das Fach Ethik in der Philosophie. Vielmehr wurde die Problematik von katholischen Moraltheologen abgedeckt, was vermutlich dazu beigetragen hat, die bereits erwähnte unglückliche Gleichsetzung der beiden Begriffe Ethik und Moral zu unterstützen. Das ist nicht etwa Schuld der Moraltheologen, sondern Folge der Unkenntnis der Situation durch die Ärzte. In der Tat ist es nicht so ganz einfach, die Begriffe zu trennen. Moral und Ethik gehen ineinander über. Aber es hilft gedanklich, der Moral Begriffe wie „gut" und „böse" zuzuordnen und der Ethik solche wie „richtig" und „falsch" (Schüller). Damit können für den medizinischen Bereich die Emotionen geglättet werden. Utilitarismus, Deontologismus, Naturrecht Welche Prinzipien der angewandten Philosophie bzw. der normativen Ethik kommen für die Lösung eines ethischen Dilemmas in Frage? Hier seien nur die wichtigsten kurz aufgeführt. Eine wichtige Theorie ist der Utilitarismus, die sog. Nützlichkeitstheorie (Jeremy Bentham und John Stuart Mill). Danach ist eine Handlung ethisch gerechtfertigt, wenn sie im Endeffekt mehr Gutes erbringt als jede andere gleichwertige Handlung unter gleichen Umständen. Dabei werden unter „Gutes" Begriffe wie Glück, Wohlbefinden u. a. gesetzt, die Gegenstand philosophischer Diskussion sind. Das utilaristische Prinzip ist ein teleologisches Prinzip, das heißt es wird durch einen Zweck begrenzt Ethik Kommissionen - oder ist auf einen Zweck ausgerichtet. Das Sprichwort: „der Zweck heiligt die Mittel" kann sich aus diesem Prinzip ergeben und ermöglicht eine ganze Reihe von Gedankenspielen, die verständlich machen, daß das Nützlichkeitsprinzip anfechtbar ist. Dieses Prinzip wurde daher erweitert oder vielleicht auch neu geformt von E. D. Ross, der versucht, eine verbindliche Reihenfolge von Pflichten einzuführen, ein subtiler Intuitionismus, der von R. L. Purtill als Situationsethik erweitert wurde. Eine weitere Theorie ist der Deontologismus, die Pflicht der Sittenlehre. Danach ist eine Aktion ethisch gerechtfertigt, wenn die sittliche Verpflichtung, aus der sie erfolgt, größer ist als alle ähnlichen Verpflichtungen, die sich aus gleichartigen Möglichkeiten ergeben. Zu diesen grundlegenden Theorien, die mit einer Reihe von Abwandlungen verwandt werden, kommt das Naturrecht hinzu, das vermutlich in seiner christlichen Form auf Thomas von Aquin zurückgeht und das sehr viel schwerer in eine Kurzform zu bringen ist. Fragenkomplex der „Bioethik" Das in vitro fertilisierte Baby beinhaltet nun eine ganze Reihe von Problemen, die in den Fragenkomplex der „Bioethik" gehören. In den Vereinigten Staaten ist in den letzten Jahren jede Experimentation an der Schwangeren, vor allem aber am Ungeborenen, unterblieben. Dies wurde dadurch erreicht, daß das National Institute of Health keine Forschungsunterstützungen für derartige Vorhaben vergeben hat. Zweifellos werden die Rechte des Ungeborenen offene Fragen beinhalten, die weder vom religiösen noch vom juristischen Standpunkt aus gelöst werden können. Beim „Retortenbaby" ist schon der Begriff falsch, weil nur der Befruchtungsvorgang in vitro erfolgt, der Foet aber dann in utero ausgetragen und geboren wird. Demgegenüber steht der Begriff des „Cloning", das heißt der asexuellen Reproduktion, bei der identische Zellen oder Lebewesen beliebig dupliziert werden. Ich hoffe, daß die Anwendung beim Menschen nie gelingen und die entsprechende Forschung mit allen Mitteln unterbunden wird, da ich die beliebige Herstellung von identischen Lebewesen mit Mensch-Sein auf dieser Erde nicht für vereinbar halte. Der Erfolg von Edwards und Steptoe ist ohne Frage therapeutisch ein wesentlicher medizinischer Durchbruch, wenn er sich reproduzieren läßt. Viele Frauen werden ein eigenes Kind austragen können, die bisher hierzu nicht in der Lage waren. Das würde im Sinne aller normativen ethischen Prinzipien akzeptabel sein, mit Ausnahme vielleicht des christlich determinierten Naturrechts, obwohl es auch da andere Auffassungen gibt. Kontrolle neuer reproduktiver Techniken Das ethische Dilemma entwickelt sich aus den Möglichkeiten, die sich aus der Anwendung dieser neuen reproduktiven Technik ergeben. Um das zu erklären, muß man auf das neue Abortgesetz zurückkommen. Der Neufassung des § 218 liegt die Feststellung aller Fachgesellschaften der westlichen Länder zugrunde, nach der eine Schwangerschaft nicht mit der Befruchtung, sondern erst mit der Einnistung des Eies in die Gebärmutter (Implantation) beginnt. Das erschien seinerzeit notwendig, um die vermutliche Wirkung der Intrauterinpessare (Spirale) nicht unter dem Begriff des frühen Abortivums einordnen zu müssen. Dieser an sich logische Gedanke führt unter den neuen Gesichtspunkten der In-vitro-Fertilisation zu einem schweren Konflikt. Der wesentliche Erfolg der Technik von Edwards und Steptoe besteht darin, daß das im Reagenzglas befruchtete Ei nach einer gewissen Zeit im Reagenzglas in der Gebärmutter zur Implantation gebracht wird. Nach dem Gesetz wird aber erst von der Implantation an die Schwangerschaft gerechnet, mit all den — wenigen — Rechten, die der Gesetzgeber einem Embryo zubilLebeligt. Ein in vitro. wesen ist aber demzufolge bis zur Implantation rechtlich völlig schutzlos. Abgesehen davon, daß die bisher aufgezählten Probleme ein rechtliches Eingreifen erfordern, sind ethische Normen zu berücksichtigen. Man bedenke beispielsweise, ein Arzt könnte inhumane In-vitro-Fertilisationen unkontrolliert durchführen und das neue Lebewesen, das möglicherweise bewußt oder unbewußt manipuliert worden ist, zur Implantation bringen. Des weiteren ist es nicht nur eine Frage des Geschmacks oder der Ästhetik, wenn ein überflüssiger in-vitro-fertilisierter menschlicher Embryo in den Ausguß gespült wird. Insofern widerspricht der Respekt vor der besonderen Leistung von Edwards und Steptoe in keiner Weise der ethischen Forderung nach Kontrolle dieser Versuche oder von Personen, die sie durchführen. So lange, bis der Gesetzgeber diesen Mangel im Gesetz korrigiert, müßten Ethik-Kommissionen den Schutz des neuen, in-vitro-fertilisierten Lebewesens übernehmen. Eine solche Kontrolle könnte z. B. darin bestehen, nur Laboratorien zuzulassen, die von einer EthikKommission überwacht werden. Aufgaben von Ethik-Kommissionen Eine Selbstlimitierung erscheint aber auch deshalb notwendig, um die unsachgemäße Anwendung von reproduktiven Techniken vor Mißbrauch zu schützen. Auch dafür gibt das „Retorten-Baby" ein gutes Beispiel ab. Diese neue reproduktive Technik ermöglicht es, einen Menschen ohne Eltern herzustellen. Ein Sperma irgendeines Mannes kann mit dem Ei irgendeiner Frau vereinigt und das neue Leben in die Gebärmutter irgendeiner Frau implantiert werden. Auch ohne die Vorstellung des Rassenwahns im Dritten Reich fällt die Vorstellung nicht schwer, daß ein diktatorisches Regime sich dieser reproduktiven Techniken ohne Menschlichkeit be- DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 7 vom 14. Februar 1980 403 Ethik-Kommissionen BRIEFE AN DIE REDAKTION dienen kann. Es ist kein erfreulicher Gedanke, daß Ethik-Kommissionen das nicht verhindern können. ÄRZTEMUSTER Auch deshalb war die neue Technik ein Durchbruch, aber—wie ich glaube — für den Menschen ein gefährlicher Durchbruch. Es scheint nicht absurd, den therapeutischen Erfolg den Gefahren gegenüberzustellen. Den Nutzen gegenüber den Gefahren auf der Basis von ethischen Prinzipien abzuwägen, das ist Aufgabe der Bioethik und von entsprechenden Ethik-Kommissionen. Schließlich ein Wort zur Zusammensetzung von Ethik-Kommissionen. Aus den Ausführungen dürfte klar sein, daß Ärzte allein, sofern sie sich nicht intensiv mit philosophischethischen Fragen befaßt haben, nur als Fachpartner mitsprechen können. In der Einbeziehung von Philosophen, Moraltheologen und Juristen sehe ich keine Überdominierung über die Biologie, sondern eine notwendige Balance. Ihre Hilfe kann ohne die Ausbildung in der Philosophie auch bei Medizinern, die noch in weiter Ferne steht, nicht entbehrt werden. Literatur (1) Etzioni, A.: Die zweite Erschaffung des Menschen. Westdeutscher Verlag, Opladen 1977 — (2) Hellegers, A. E.: Biological origins of bioethical problems. In: Obstetr. Gynec. Ann. Ralph Wynn (ed.) Appelton — Century — Crofts 1977, p. 1 — (3) McCormick, R., and P. Ramsey: Doing evil to achieve good. Loyola Univ. Press Chicago 1978 — (4) Mitscherlich, A., und F. Mielke: Medizin ohne Menschlichkeit Fischer 1948 — (5) Purtill, R. L.: Grundfragen der Ethik. Patmos Verlag Düsseldorf, 1977 — (6) Ross, W. D.: The Right and the Good. Oxford University Press, 1930 (7) Schüller, B.: Die Begründung sittlicher Urteile. Patmos Verlag Düsseldorf, 1973 — (8) Veatch, A. M.: Case studies in Medical Ethics Harvard University Press, Cambridge Mass., 1977 — (9) Moore, G. E.: Grundprobleme der Ethik. Becksche Schwarze Reihe Nr. 128 München, 1975 — (10) Research Involving Children. Report and Recommendations of the National Commission for the Protection of Human Subjects of Biomedical and Behavioral Research. Federal Register Part III, Department of Health, Education and Welfare. USA Jan. 13, 1978. Anschrift des Verfassers: Professor Dr. med. Fritz K. Beller Westring 11 4400 Münster 404 Heft 7 vom 14. Februar 1980 Zu Meldungen, die Apotheker setzten sich dafür ein, die Ärztemuster zu verbieten: Wer ist sachkundig? Dem Arzt einfach die Sachkunde für den Umgang mit Arzneimitteln abzusprechen betrachte ich als eine Frechheit gegenüber der Ärzteschaft. Welche Sachkunde braucht man denn überhaupt, um eine Pakkung Tabletten mit deutlicher Aufschrift des Verfalldatums dem Patienten zu überreichen? Könnten das nicht auch, aber viel billiger, Drogisten mit abgeschlossener Lehre, wie in anderen Ländern üblich? Wenn die Abgabe und Lagerhaltung von Medikamenten in den Apotheken größtenteils durch Helferinnen besorgt wird, warum sollen approbierte Ärzte dazu nicht in der Lage sein? (Fehler passieren überall! Neulich verwechselte eine „Apothekenangestellte" Perspiran und Paspertin.) Wie steht es eigentlich mit der „Sachkunde" und "Verantwortung" der Apotheker bei der umfangreichen Entgegennahme von Heilpraktikerrezepten? Die Ärzte haben sich um die Ärztemuster nicht gerissen. Ich halte sie aber in der jetzigen, reduzierten Form für notwendig .. . Dr. med. Hartmut Ziehm Herdestraße 4 2943 Esens/Ostfriesland Liebe Apothekerkollegen! Eure Aversion gegen Ärztemuster ist seit langem bekannt. Es wurde ja auch inzwischen in Euerm Sinne einiges erreicht. Wie ich bestätigen kann, nimmt es die Industrie mit der zahlenmäßigen Begrenzung der Muster sehr genau. Das von Euch geforderte Verbot in Bausch und Bogen trägt aber zu sehr den Stempel des vordergründig Materiellen. Wir Ärzte sind manchmal ganz froh, wenn wir Ärztemuster haben. Wir erhalten sie nur auf persönliche Anforderung, womit sichergestellt ist, daß DEUTSCHES ÄRZTEBLATT keine Muster mehr bei uns landen, mit denen wir nichts anfangen können. Eure Begründung, man habe ärztlicherseits gelegentlich Muster verabfolgt, die verfallen oder gar verdorben waren, mag stimmen. Aber — Hand aufs Herz: Gibt es nicht solche Ausrutscher auch bei den Apothekerkollegen? Kommt es nicht da auch manchmal zu Verwechslungen und zur Abgabe von verfallenen Medikamenten? Hier ist doch nicht nur das Pochen auf der speziellen Fachkunde, sondern die Erziehung zu Verantwortlichkeit und Zuverlässigkeit maßgebend. Ich als Doppelberufler, der beide Studiengänge absolviert hat, kann bestätigen, daß auch der Mediziner in der Lage ist, verantwortlich zu handeln und zuverlässig zu agieren. Entscheidend ist beim Zustandekommen von Mißgriffen immer, ob man fahrlässig gehandelt hat oder ob man sich einfach einmal geirrt hat. Daß Irren menschlich ist, gilt nicht nur für Ärzte, sondern auch für alle übrigen Berufe — auch für die Apotheker. Man sollte auch nicht immer sofort nach dem Gesetzgeber rufen. Wir alle wissen aus Erfahrung, daß der Kadi, wenn er leichtfertig gerufen wird, manchmal nicht nur den Beklagten, sondern auch den Kläger ganz schön belästigen kann. Ich fürchte hier besonders den ausgeprägten Hang der Deutschen zum Gesetzesperfektionismus, der oftmals unerträglich ist. Man sollte schlafende Hunde nicht wecken! Wir alle müssen finanziell das akademische Überangebot — und damit die über alle Maßen expandierende Niederlassung sowohl von Ärzten als auch von Apothekern — ebenso wie die uns verordnete Billigmedi2in schlukken. Diese Kröte rutscht nicht nur den Apothekern, sondern auch den Ärzten wenig wohlschmeckend durch den Hals. Wir sitzen wirklich in einem Boot: Lassen Sie uns, liebe Apothekerkollegen — doch unsere paar Arzneimuster. Sie würden den Bankrott ohnehin nicht aufhalten. Dr. E. Krüger Facharzt für innere Medizin und Apotheker Koblenzer Straße 121 5440 Mayen