MPG-official form - Max Planck Institute for Chemical Ecology

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16. Oktober 2012
Nr.9/2012 (101)
Blattduftstoffe vermitteln biologischen Pflanzenschutz
und steigern pflanzliche Fitness
Studie in neuer Fachzeitschrift eLife zeigt erstmals, dass natürliche
Schädlingsbekämpfung durch Raubinsekten die Fitness von Pflanzen steigern
kann
Um die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung zu sichern, ist eine
Modernisierung der Landwirtschaft nötig, die sich neuer Erkenntnisse aus der
Pflanzenökologie bedient. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für chemische
Ökologie konnten anhand von Freilandstudien an wildem Tabak nachweisen, dass
dessen indirekte Abwehr von Fraßfeinden, hervorgerufen durch Abgabe von
Duftstoffen zur Anlockung von Raubinsekten, die Anzahl der Schädlinge reduziert und
gleichzeitig die Blütenbildung steigern kann. Biologische Schädlingsbekämpfung kann
also dank natürlicher Abwehrmechanismen von Pflanzen die landwirtschaftlichen
Erträge nachweislich verbessern. Die Ergebnisse erschienen am 15. Oktober 2012 in
der ersten Ausgabe der neuen, für jedermann zugänglichen (Open Access)
Fachzeitschrift eLife.
Geschäftsführender
Direktor
Prof. Dr. Bill S. Hansson
Tel.: +49 (0)3641 – 57 1400
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Forschungskoordination
Dr. Jan-W. Kellmann
Tel.: +49 (0)3641 - 57 1000
Mobil: +49 (0)160 - 1622377
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Presse
Angela Overmeyer M.A.
Tel.: +49 (0)3641 – 57 2110
FAX:+49 (0)3641 – 57 1002
[email protected]
Anschrift
Beutenberg Campus
Hans-Knöll-Straße 8
07745 Jena
Internet
www.ice.mpg.de
Eine Raubwanze wird durch grüne Blattduftstoffe angelockt und vertilgt daraufhin ein Tabakschwärmer-Ei
(links) beziehungsweise eine frisch geschlüpfte Raupe (rechts). Die Pflanze hat sich so indirekt ihres
Fraßfeindes entledigt.
Copyright: Merit Motion Pictures, Winnipeg, Manitoba, Canada
Abwehr von Schädlingen ist nicht automatisch an Ertragssteigerungen
gekoppelt
Fast alle bislang untersuchten Pflanzenarten senden nach Schädlingsbefall
spezifische Geruchsstoffe in ihre Umgebung aus, um sich indirekt gegen einen
attackierenden Fraßfeind zu wehren. Bis zu 90 Prozent kann eine Pflanze den durch
ihren Fraßfeind hervorgerufenen Schaden reduzieren, sobald ihr Duftstoff-Signal den
Feind ihres Feindes angelockt hat. Klassische Beispiele sind das Anlocken von
Schlupfwespen oder Raubwanzen bei Mottenraupenbefall auf Blättern oder
unterirdisch der „Hilferuf“ von Maiswurzeln an raupenfressende Nematoden, sobald
die Larve des Maiswurzelbohrers Maiswurzeln befällt. Wirkt sich aber die
Abwehrreaktion einer Pflanze positiv auf ihre Entwicklung, ihr vegetatives und vor
allem generatives, also blüten- und samenbildendes Wachstum aus? Denn
Abwehrmaßnahmen wie die Aussendung von Duftstoffen oder auch die Produktion
verdauungshemmender Eiweiße, die die Blattnahrung von Raupen schwer verdaubar
machen, kosten Energie und Ressourcen - die am Ende bei der Samenreife fehlen
können. Am Ende einer erfolgreichen Abwehr kann sich eine Pflanze zwar gerettet
haben, aber in welchem Zustand ist sie verblieben? Natürliche Abwehr oder anders
gesagt: biologischer Pflanzenschutz ist aber für die Landwirtschaft nur dann von
besonderem Interesse, wenn der erwartete Ernteertrag mindestens gesichert, besser
aber noch gesteigert werden kann.
Wilder Tabak lockt mit grünen Blattduftstoffen Wanzen der Gattung Geocoris an, die
dann junge, blattfressende Raupen insbesondere der Gattung Manduca attackieren.
Solche grünen Blattduftstoffe, beispielsweise (E)-2-Hexenal und verwandte
Verbindungen, werden vermehrt abgegeben, sobald geschlüpfte Manduca-Raupen an
den Blättern zu fressen beginnen. Protease-Hemmer wiederum werden in
Pflanzenblättern gebildet, die, sobald sie die Raupe mit ihrer Blattnahrung
aufgenommen hat, den Verdau von Blatteiweißen stören und die Nahrung mithin
minderwertig machen, was zur Schwächung der Raupen führt.
Die Zahl junger Raupen und Motteneier ist bei Tabakpflanzen im Vergleich zu
transgenen Versuchspflanzen, die grüne Blattduftstoffe oder Protease-Hemmer nicht
mehr oder nur noch begrenzt produzieren können, wie erwartet deutlich reduziert.
Aber wie sieht es mit dem Ertrag der Wildtyp-, also verteidigungsbereiten Pflanzen
aus im Vergleich zu den transgenen, nicht mehr abwehrbereiten Versuchspflanzen?
Meredith Schuman, Kathleen Barthel und Ian Baldwin haben nun erstmals einen
direkten Zusammenhang zwischen grünen Duftstoffen, der damit verbundenen
Abwehr von Manduca-Raupen und einer Zunahme der Blütenbildung signifikant
nachgewiesen. Dagegen steigert die Bildung von Protease-Hemmern die
Blütenanzahl nicht. Die Forscher vermuten jedoch, dass die von den Raupen mit der
Blattnahrung aufgenommenen Verdauungshemmer zur Unterernährung führen und
die Tiere so ihren Parasiten oder Raubtieren wenig Widerstand entgegensetzen
können. Dies wiederum könnte einen indirekten, aber positiven Effekt auf die
Blütenbildung haben. Um dies zu testen, haben die Wissenschaftler ein besonderes
Experiment durchgeführt: Sie ließen Raupen an einer Wildtyp und einer ProteaseHemmer defizienten Pflanze zwei Tage lang fressen und imitierten danach den Angriff
einer Raubwanze mithilfe von Nadeln und Pinzetten. Die Raupen, die auf den WildtypPflanzen Protease-Hemmer zu sich genommen hatten, reagierten sehr geschwächt
und passiv, während die Protease-Hemmer-freien Tiere sich deutlich und aktiv gegen
den „menschlichen“ Angriff zur Wehr setzten.
(Siehe Kurzfilme auf http://www.ice.mpg.de/ext/735.html)
Verminderung von Pestizideinsatz?
In der biologisch-organischen Landwirtschaft wird als Alternative zu Insektiziden
biologische Schädlingsbekämpfung betrieben, beispielsweise Schlupfwespenarten
gegen die Raupen des gefährlichen Maiszünslers. „Angesichts immer wieder
auftretender Resistenzen von Schädlingen gegen Pflanzenschutzmittel ist die
Erforschung und Anwendung biologisch-natürlicher Schädlingsbekämpfung besonders
wichtig“, sagt Ian Baldwin vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena.
Die hier vorgestellten Ergebnisse wurden in der ersten Ausgabe der neuen
internationalen Fachzeitschrift eLife publiziert, die mit Unterstützung des Howard
Hughes Medical Institute, des Wellcome Trust und der Max-Planck-Gesellschaft ins
Leben gerufen wurde. eLife stellt eine neue Form wissenschaftlichen Publizierens dar,
es werden fundamental neue Erkenntnisse aus der Biomedizin und den
Lebenswissenschaften veröffentlicht. Dazu gehört ein freier, kostenloser und
unmittelbarer Zugang zu wissenschaftlichen Artikeln, Qualitätssicherung durch ein
unabhängiges Team von praktizierenden Wissenschaftlern, sowie ein schneller,
innovativer Veröffentlichungsprozess – kurz: ein Journal für Wissenschaftler, von
Wissenschaftlern gemacht. Eine Vorabauswahl der eingereichten Manuskripte erfolgt
durch Fachredakteure der Zeitschrift, bei positiver Bewertung werden die Artikel durch
einen der 175 Fachkollegen von eLife zur Begutachtung an unabhängige Experten
weitergeleitet. Fachkollege und Gutachter beraten sich, sobald Gutachterkommentare
eingereicht wurden, und stellen den Autoren fundierte und übersichtlich angeordnete
Anmerkungen zur Verfügung. Unnötige und zeitraubende Wiederholungen bei
Durchsicht und Korrektur werden somit vermieden. In der Anfangsphase werden keine
Bearbeitungsgebühren für die Veröffentlichung in eLife erhoben. [JWK]
Originalveröffentlichung:
Meredith C. Schuman, Kathleen Barthel, Ian T. Baldwin (2012). Herbivory-induced
volatiles function as defenses increasing fitness of the native plant Nicotiana attenuata
in nature. eLife, doi: 10.7554/elife.00007
dx.doi.org/10.7554/elife.00007
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Ian T. Baldwin, [email protected], +49(0)3641-57 1100
http://www.elifesciences.org/
Bildmaterial:
Angela Overmeyer M.A., +49 3641 57-2110, [email protected] oder via
http://www.ice.mpg.de/ext/735.html
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