MPG-official form - Max Planck Institute for Chemical Ecology

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15. Oktober 2015
Nr. 18/2015 (152)
Das Baukastenprinzip von Sexuallockstoffen
Der Austausch einer einzelnen Aminosäure im Enzym von Tabakschwärmerweibchen ist verantwortlich für die Produktion neuer Sexualpheromone
Wissenschaftler des Instituts für Organische Chemie und Biochemie in Prag und des
Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena untersuchten die
Pheromonchemie von Motten und entdeckten einen neuen evolutionären
Mechanismus: Ein einzelner Aminosäurerest in Desaturasen, Doppelbindungen
einführenden Enzymen, des Tabakschwärmers Manduca sexta ändert die
enzymatischen Produkte derart, dass aus einfach- und zweifach-ungesättigten
Vorstufen der Sexuallockstoffe dreifach-ungesättigte Varianten entstehen. Die
Empfindlichkeit der Enzyme im Hinblick auf Änderungen ihrer spezifischen
Wirksamkeit als Folge kleiner Mutationen kann zu erheblichen Divergenzen in der
Pheromonkommunikation von Motten beitragen. Die Entstehung neuer
Insektenarten ist die Folge (Proceedings of the National Academy of Sciences of the
United States of America, October 2015).
Fluoreszenz-fotomikrografische Aufnahme der Pheromondrüse am Hinterleib
eines Tabakschwärmerweibchens, wo die Biosynthese des Sexuallockstoffs
stattfindet.
Image: Aleš Svatoš, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie
Sexualpheromone stellen eine sehr diverse Gruppe von chemischen Verbindungen
dar, die insbesondere bei Insekten eine entscheidende Rolle beim Auffinden eines
Paarungspartners spielen, aber auch für andere Lebensformen von Bedeutung sind.
In den meisten Mottenarten produzieren die Weibchen artspezifische Pheromone,
die aus flüchtigen Fettsäurederivaten bestehen und Männchen über erhebliche
Distanzen anlocken können. Die Sexuallockstoffe sind in erster Linie langkettige,
aliphatische Acetate, Alkohole oder Aldehyde; sie enthalten bis zu drei KohlenstoffKohlenstoff-Doppelbindungen mit unterschiedlichen Konfigurationen an den
verschiedenen Positionen entlang des Kohlenstoffgerüsts. Insbesondere sind es
Fettsäure-Desaturasen, Enzyme, die Doppelbindungen an bestimmten Positionen in
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den Pheromonvorstufen verschiedener Kettenlänge einführen, die für die Vielzahl
der möglichen Pheromonstrukturen verantwortlich sind. Die Aufrechterhaltung einer
funktionierenden chemischen Kommunikation erfordert, dass Signalempfänger und
Sender aufeinander abgestimmt sind. Das bedeutet, dass die chemische
Zusammensetzung eines Sexuallockstoffs der Vorliebe des Empfängers für diesen
Duft entsprechen und keinen Änderungen unterworfen sein sollte. Da die
genetischen Merkmale für die Pheromonproduktion und die Vorlieben für bestimmte
Sexuallockstoffe nicht aneinandergekoppelt sind, vermuteten Wissenschaftler, dass
Veränderungen auf Sender- oder Empfängerseite zu Unstimmigkeiten führen
würden, was ein ernstzunehmender Selektionsnachteil wäre.
Ein internationales Team von Chemikern, Biochemikern, Molekularbiologen und
Bioinformatikern des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena und des
Instituts für Organische Chemie und Biochemie in Prag nutzte den Tabakschwärmer
Manduca sexta als Modellorganismus, um die molekularen und evolutionären
Mechanismen aufzuklären, die dem Erwerb neuer Pheromonkomponenten zugrunde
liegen. Der Sexuallockstoff von Tabakschwärmerweibchen enthält einzigartige
dreifach-ungesättigte konjugierte Aldehyde, die auf das Paarungsverhalten der
Manduca sexta-Männchen einen wesentlichen Einfluss haben.
Bei ihren Analysen stießen die Wissenschaftler auf einen wichtigen neuen
Biosyntheseweg, der zu einer plötzlichen Veränderung der Pheromonzusammensetzung führt
und lediglich auf
einer einzigen,
winzigen
Umbaumaßnahme beruht: Isoleucin wurde an der Position 224 in der Manduca
sexta-Desaturase MsexD2 durch eine andere Aminosäure, Alanin, ersetzt. Dadurch
wurde die Spezifität des Enzyms MsexD2 für Produktion konjugierter Diene (mit zwei
Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindungen) durch die Spezifität des Enzyms MsexD3
für die Produktion konjugierter Triene (mit drei Kohlenstoff-KohlenstoffDoppelbindungen) ersetzt. Durch den Tausch der beiden Aminosäuren an dieser
ganz bestimmten Stelle in den Desaturase-Enzymen wurde ihre spezifische
Wirksamkeit verändert. Die erste der beiden Desaturasen findet man auch in
Seidenspinnerweibchen (Bombyx mori), einer mit dem Tabakschwärmer verwandten
Art. Eine Duplikation und Mutation dieses Enzyms könnte für die Entwicklung dieser
beiden Arten aus einem gemeinsamen Vorfahren vor etwa 12 Millionen Jahren
verantwortlich sein.
„Wir waren überrascht, wie gut unsere Ergebnisse zu der kürzlich publizierten
Struktur von CoA-Fettsäure-Desaturasen passen; die Position 224 befindet sich
genau in dem für die Reaktion wichtigen Bereich des Enzymkanals, wo die
Umwandlung der Fettsäureketten in ungesättigte Verbindungen katalysiert wird“,
betont Aleš Buček, der Erstautor der Studie. Außer den beiden Desaturasen gibt es
fünf weitere Transkripte, die nun weiter untersucht und funktionell charakterisiert
werden müssen. Sie unterstreichen, wie komplex die Pheromon-Biosynthese in
Tabakschwärmerweibchen ist. „Das ist eine faszinierende Story, die 1997 begann,
als Iva Pichová und ich beim Mittagessen die gemeinsame Arbeit an diesem Projekt
beschlossen. Aber erst vor kurzem konnten wir dieses Projekt mit Hilfe von
modernsten Analyse-Instrumenten und Next Generation Sequencing-Verfahren zum
Erfolg führen“, meint Aleš Svatoš, der am Max-Planck-Institut die Forschungsgruppe
Massenspektrometrie und Proteomik leitet und mit seinem Heimatinstitut in Prag eng
kooperiert. „Jetzt haben wir alle analytischen Werkzeuge, die wir benötigen, um
unsere Ergebnisse in anderen Mitgliedern der Schmetterlingsfamilie Bombycoidea
zu validieren und zu verfeinern“, bestätigt Iva Pichová. [AS/AO]
Originalveröffentlichung:
Buček, A., Matoušková, P., Vogel, H., Šebesta, P., Jahn, U., Weißflog, J., Svatoš, A.,
Pichová, I. (2015). Evolution of moth sex pheromone composition by a single amino
acid substitution in a fatty acid desaturase. Proceedings of the National Academy of
Sciences of the United States of America. doi:10.1073/pnas.1514566112
http://dx.doi.org/10.1073/pnas.1514566112
Weitere Informationen:
Dr. Aleš Svatoš, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Hans-Knöll-Straße 8,
07745 Jena, Tel. +49 3641 57-1700, E-Mail [email protected]
Kontakt und Bildanfragen:
Angela Overmeyer M.A., Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Hans-Knöll-Str.
8, 07743 Jena, +49 3641 57-2110, E-Mail [email protected]
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