7. Oktober 2016 Nr. 13/2016 (168) Maisschädling: Das Gehirn, nicht die Nase, sorgt für die richtige Partnerwahl Die Pheromonkommunikation von Maiszünslern wird über kleine Änderungen im Gehirn gesteuert Geschäftsführender Direktor Prof. Dr. David G. Heckel Tel.: +49 (0)3641 – 57 1500 [email protected] Presse Wie findet eine männliche Motte die richtige Partnerin, wenn zwei ähnliche Stämme weiblicher Motten mit ihren Pheromonen locken? In vielen Arten sind die Unterschiede in den Insektenantennen, mit denen die Mottenmännchen die Lockstoffe riechen, für die Wahl der Partnerin verantwortlich. Beim Maiszünsler scheinen jedoch Veränderungen im Hirn der Männchen die Wahl zwischen den zwei zur Verfügung stehenden Weibchenstämmen zu bestimmen. Dies konnte jetzt ein Team von Wissenschaftlern der Universität Amsterdam, der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften und des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie zeigen (Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, Early Edition, 3. Oktober 2016, DOI: 10.1073/pnas.1610515113). Angela Overmeyer M.A. Tel.: +49 (0)3641 – 57 2110 FAX:+49 (0)3641 – 57 1002 [email protected] Anschrift Beutenberg Campus Hans Knoell Str. 8 07745 Jena, Germany Internet www.ice.mpg.de Männliche (links) und weibliche (rechts) Motte des Maiszünslers Ostrinia nubilalis. Die Raupen des Schädlings befallen vor allem die Stängel von Maispflanzen. Sie können erhebliche wirtschaftliche Schäden im Maisanbau verursachen. Ein grundlegendes Verständnis der Pheromonkommunikation könnte zu einer besseren Schädlingskontrolle beitragen. Foto: Melanie Unbehend, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie. Mottenweibchen produzieren ein Sexualpheromon, eine für jede Art spezielle Mischung von chemischen Substanzen, mit denen sie die jeweiligen Männchen aus großen Entfernungen anlocken können. Die männlichen Motten spüren diese Substanzen mit den außergewöhnlich empfindlichen Sinneshärchen auf den Antennen, ihren Geruchsorganen, auf. Die Härchen enthalten spezialisierte Neuronen: Nervenzellen, die Pheromonrezeptoren aktivieren, wenn einzelne Duftkomponenten der Pheromone an diesen andocken. Unterschiedliche Arten haben verschiedene Pheromonrezeptoren, die für einzelne Düfte spezifisch sind; die Fähigkeit, ganz gezielt die Weibchen der eigenen Art aufzuspüren, verhindert, dass die Männchen auch von anderen Weibchen angelockt werden. In der Vergangenheit wurde bereits viel darüber geforscht, wie es möglich ist, dass ein ganz bestimmter Pheromonrezeptor von nur einem einzelnen Duftstoff aktiviert werden kann. Ein internationales Team von Wissenschaftlern unter der Leitung von David G. Heckel, Direktor der Abteilung Entomologie am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, fand jetzt heraus, dass sich das Pheromonsystem des Europäischen Maiszünslers Ostrinia nubilalis, einem wirtschaftlich bedeutsamen Schädling am Mais, von bisher bekannten Modellen unterscheidet: „Die Kartierung bestimmter Pheromonrezeptoren beim Maiszünsler hatten gezeigt, dass uns dieses Untersuchungsmodell keine Erklärungen liefert. Ein neuer Forschungsansatz war gefragt“, erläutert die Fotini Koutroumpa, die Erstautorin der Studie. Der Maiszünsler nutzt ein vergleichsweise einfaches Pheromon mit nur zwei isomeren Verbindungen (E und Z genannt), die bis auf die Ausrichtung einer Doppelbindung identisch sind. Die zwei „Pheromon-Stämme“ der Schädlingsart produzieren die beiden Verbindungen zu unterschiedlichen Anteilen: Weibchen des EStammes geben überwiegend das E-Isomer und nur Spuren des Z-Isomer als Lockstoff ab; sie sind daher hochattraktiv für die Männchen des E-Stammes. ZStamm-Weibchen produzieren ein Pheromon mit entgegengesetztem Mischungsverhältnis und locken damit ausschließlich Männchen des Z-Stammes an. In beiden Fällen sind beide Duftkomponenten absolut notwendig für die Anziehungskraft der Weibchen. Die Männchen der E- und Z-Stämme wiederum können beide Isomere wahrnehmen und nutzen dafür ähnliche bzw. identische Antennenstukturen und Pheromonrezeptoren. „Daher war es nicht klar, wodurch sich die Vorliebe der E- und Z-Männchen für die Weibchen des jeweils gleichen Stammes erklären ließ“, führt Ko-Autorin Astrid Groot die offenen Fragen weiter aus. Durch die Kreuzung der beiden Stämme im Labor und durch die Kartierung der Gene, die für die männliche Pheromonvorliebe zuständig sind, konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass die Pheromonrezeptoren tatsächlich keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen. Aufgrund von Verhaltensstudien und Genanalysen konnte überraschenderweise gezeigt werden, dass Gene, die das Wachstum und die Entwicklung von Nervenzellen steuern, nicht aber Gene, die die Pheromonrezeptoren aktivierten, die Verhaltensreaktionen der Männchen auf die unterschiedlichen IsomerAnteile erklärten. „Dieses Ergebnis passt zu unseren früheren Studien, die zeigen, dass E- und Z-Männchen unterschiedliche Verbindungen zwischen dem Gehirn und Neuronen, die Pheromonrezeptoren beherbergen, aufweisen, erklärt Teun Dekker von der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften in Alnarp. Dies legt nahe, dass die Weibchen der E- und Z-Stämme für die Männchen der beiden Stämme zwar gleich riechen, die unterschiedliche Verarbeitung der E- oder Z-dominierten Pheromone im Gehirn aber dennoch unterschiedliches Verhalten auslöst. Die Vorliebe der Mottenmännchen für die Weibchen des jeweils gleichen Stammes wird daher nicht von ihrer Nase, sondern von ihrem Gehirn gesteuert. Die Evolution des Kommunikationssystems über Duftstoffe ist damit noch viel komplexer als bislang angenommen. „Nachfolgende Studien zum winzigen und dennoch hochkomplexen Mottenhirn sollen jetzt weiteren Aufschluss darüber geben, wie sich die unterschiedlichen Pheromonsysteme tausender Mottenarten im Laufe der Evolution verändert und angepasst haben“, fasst David Heckel zusammen. [DGH/AO/KG] Originalveröffentlichung: Koutroumpa, F. A., Groot, A. T., Dekker, T., Heckel, D. G. (2016). Genetic mapping of male pheromone response in the European Corn Borer identifies candidate genes regulating neurogenesis. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (Early Edition), DOI: 10.1073/pnas.1610515113 http://dx.doi.org/10.1073/pnas.1610515113 Weitere Informationen: David G. Heckel, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Hans-Knöll-Str. 8, 07743 Jena, Germany, +49 3641 57 1500, [email protected] Kontakt und Bildanfragen: Angela Overmeyer M.A., Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Hans-Knöll-Str. 8, 07743 Jena, +49 3641 57-2110, E-Mail [email protected] Download von hochaufgelösten Fotos über www.ice.mpg.de/ext/downloads2016.html