Alexandra David-Neel

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02
Teil:
025
Fahne:
2./3. Dezember 2000
Nr. 282
unterstützt sich dort, aber man hasst sich auch. Im
Westen konnte ich daraus ausbrechen und die
Nichtigkeit
Dinge
der
kennenlernen.»
In den USA, nach verschiedenen nordeuropäischen Staaten das siebte Exilland, übernahm Bei
Dao an der Universität von Kalifornien eine ZeitGegenwartsliteratur
dozentur für chinesische
und
begründete
mit anderen exilierten Schriftstellern
die Zeitschrift «Jintian» wieder: «Wir sind eine
zwischen China und der AussenArt Territorium
Dialog
welt im
mit der westlichen Kultur. Wir
versuchen frei zu sein, von den Kräften der Ideologie,
lange
die China so
dominiert haben und
vom Kommerzialismus, der es jetzt dominiert.»
erfolgWährend die chinesischen Behörden
reich verhindern, dass Bei Daos neuere Werke in
gelesen werden,
China
machten sie den Autor
Ausweisung
durch die
weltweit bekannt. Seine
Lyrik ist in mindestens 25 Sprachen übersetzt. Als
einziger
Chinese kam er in die Runde der
bisher
fünf «aussichtsreichsten Kandidaten» für den
Literaturnobelpreis. Was die chinesische Regierung
sagt,
egal:
dazu
ist Bei Dao
«Ich möchte
über
nicht mehr öffentlich sprechen.
Farce macht, stösst sie sich immer mehr am Kastensystem.
Himalaja, nach SikSie flieht in den
liegt Tibet,
das verbotene
kim. Von dort aus
just
Reich-,
Lhasa nicht
aber in Wanderweite,
in
jedenfalls
nach ihren Massstäben. Und das ist ihr
eigentliches
Lebensziel. Zweimal stösst sie schon
von Sikkim aus nach Tibet vor, einmal nach
Shigatse,
vorgestellt
wo sie dem Pantschen Lama
wird. Doch der englische Resident in Sikkim
wegen
weist sie
unerlaubten Grenzübertritts beiDarjeeling
zeiten nach
aus.
Von Bei Dao ist auf Deutsch der Band «Notizen vom
Sonnenstaat» bei Hanser erhältlich. Das Buch «Post Bellum»,
Sinologen Wolfgang
ebenfalls von dem Bonner
Kubin übersetzt, soll nächstens bei Hanser erscheinen. Weitere Werke finbürgerlichem
den sich zum Teil unter dem
Namen Zhao ZhenPseudonymen
kai oder weiteren
in Anthologien wie der Suhrkamp-Ausgabe
lernt Alexandra den
In Sikkim Sidkeong,
den Prinzen
kennen. Er will den wundergläubigen, magisch
veräusserlichten lamaistischen Buddhismus seines Volkes im Sinn des ursprünglichen
Buddhismus reformieren. Er ist ein
aufgeklärter
Weg
Aristokrat. Alexandras
von Ceylon nach Sikkim ist schlüssig. Aber Prinz Sidkeong
stirbt zu früh. Über die Todesursachen
gemunkelt.
gibt
wird
Auch unter Buddhisten
es
verteidigen
Kirchen und Priester, die Pfründen zu
haben . . . Ebenfalls noch in Sikkim d
w
i
r
Alexangeflohenen
dra dem aus Tibet
Dalai Lama, es ist
Vorgänger
jetzigen,
der dreizehnte, der
des
der sie
vorgestellt.
wird,
1962 in Frankreich aufsuchen
wichtigste Begegnung
Die
ist indessen die mit
Gönpschen,
dem
dem Abt des Klosters Lachen.
Hier erlebt Alexandra ihre wahre «initiation laque».
ma¨i
Dieser Mönch, Asket und Lehrer unterentsagungsreichen
Jahren in den
weist sie in zwei
inneren, ernsthaften Sinn esoterischer Lehren des
gibt
tibetischen Buddhismus. Er
ihr ihren tibetischen Namen: «Leuchte der Weisheit», wenn
auch nicht deren «Ozean» wie der Dalai Lama ist
sie nun. Sie wird mit den Ritualen, den Mantras
üppigen
Götter- und Bilderund Mandalas, der
welt, den Himmeln und Höllen des Lamaismus,
dieser katholischen Variante des Buddhismus, bemagischen
kannt, seinen
Praktiken, die für Wundergläubige
sein sensationelles veräusserlichtes
Faszinosum sind. Doch das Zentrum ihres
Lebens ist die Meditation. Und Meditation heisst
hier, nicht nur zu lernen, sich zu versenken, sonDingen
Dingen
dern bei und mit den
über den
zu
sein, jederzeit und unter allen Bedingungen einen
gelassenen Beobachterstandpunkt
von aussen
Verblendung
ohne Gier, Hass und
einzunehmen.
Die in ihren Lehrjahren erworbene Gelassenfolgenden Wanderjahren
heit d
w i r sie in den nun
nötig
begegnet
nepalesischen
öfters
haben. Sie
im
Urwald einem Tiger und schaut ihn an, bis er
gerät
Yogis,
sich trollt. Sie
unter eine Horde
die
Verspeisen
sich von dem
einer anerkannten ZauEnergiegewinn versprechen
berin besonders viel
und nimmt ihnen mit Geduld und einem Geunvegetarispräch
unter lauter Erleuchteten den
Appetit. Aber selbst sie würde die Strapaschen
zen dieser anderthalb Jahrzehnte nicht überstanden haben, wenn sie nicht einen unersetzlichen
Begleiter gehabt
jüngere
hätte. Es ist der 30 Jahre
Yongden.
genauso
genauso
Lama
ist
klein
Die
Politik
Intellektuellen sollten sowieso lieber nach sich
fragen.
Seit hundert Jahren versuchen die
selber
Intellektuellen, Chinas Probleme zu lösen aber
sie sind selbst ein Problem.»
«Hundert Blumen».
Eine Frau erforscht Tibet
Abs.:
Das abenteuerliche Leben der Alexandra David-Neel (1868-1969)
02:50:05
Von
Ludger
Sie ist die berühmteste
des 20. Jahrhunderts: die Französin Alexandra David-Neel. Als erste Europäerin hat sie das verbotene Tibet erkundet und
Lhasa erreicht ein Ziel, an dem um dieselbe Zeit Sven Hedin scheiterte. Ihre Reisebeschreibungen,
Religionen
Romane und ihre zahlreichen Bücher über die
des Ostens,
zugleich
zu einer der lesenswervor allem den lamaistischen Buddhismus, haben sie
gemacht.
testen Reiseschriftstellerinnen und Orientalistinnen dieses Jahrhunderts
Tag:
02.12.00
Ausgabe:
Leben «abenteuerlich» zu nennen, kommt
Ihr Untertreibung
gleich.
Die deutsche Überset«Voyage
einer
zung
nzz
Auftrag:
Ku
und
ihrer
d'une Parisienne a` Lhassa»
Weg
ist überschrieben: «Mein
durch Himmel und
keineswegs
gesagt.
Höllen». Das ist
zu viel
Ein
Vierteljahrhundert
ist sie, meistens zu Fuss, durch
Gebirge
Steppen,
die Wüsten und
über die
Zengereist.
tralasiens und Chinas
Das Erstaunlichste
lange
an diesem Leben war vor allem das
Leben.
Denn nur zu oft war sie dem Tode nah.
Aus dem Kloster Kumbum im wilden Nord52-Jährige
osten Tibets schreibt die
in einem ihrer
Reisebriefe im Februar 1920:
Ich könnte 90 Jahre alt werden wie mein Vater, 87
sogar
wie meine Mutter oder
die Hundert überschreiUrgrossväter,
ten wie zwei meiner
und ich könnte bis
dahin auch durchaus bei klarem Verstand bleiben,
Bücher schreiben . . .
Literatur
084
Kurztext:
Lütkehaus
Forschungsreisende
02.12.00
NeuöZürcörZäitung
LITERATUR UND KUNST
- -- - --- -Samstag/Sonntag,
Und sie hat mit den Urgrossvätern Recht behalten: Auf fast 101 Lebensjahre «bei durchaus
gebracht.
klarem Verstand» hat sie es
Noch als
Hundertjährige
Reisepass
liess sie sich ihren
verlängern,
um bei einem Anfall von Reiselust nicht
ohnmächtig
Gefängnis
Sesshaftigkeit
dem
der
ausgeliefert
Weltkriege
zu sein. Zwei
neben dem
Krieg
Deutsch-Französischen
umfasst ihr Leben.
Bei ihrer Geburt ist Napoleon III. noch an der
Macht. Bei ihrem Tod hat die Studentenbewegung
gerade begonmit der Pariser Mai-Revolte
nen, und die ersten Menschen landen auf dem
Mond.
wird Alexandra David in
Am 24. Oktober 1868
geboren.
St-Mand´e bei Paris
1873 zieht die FamiBelgien um,
lie ins liberalere
wohin der Vater
1851, nach dem Staatsstreich Napoleons III., für
emigriert
acht Jahre
war. Frühe Fluchten sind
charakteristisch für das nicht still zu stellende
kleine Mädchen, das die Einsamkeit sucht. Alexandra d
w i r an einer Klosterschule erzogen die
sicherste Methode, wie man Ketzerinnen, Rebellinnen, «Apostatinnen» schafft. Sie distanziert
prompt von Kirche und Christentum. Sie
sich
liest Platon, die stoischen Philosophen, Epiktet,
Seneca, dazu den gelassen heiteren Epikur und
Religionen
ist so bestens für die östlichen
vorbereitet, die auf das «Nichtanhaften», die Befreiung
Verblendung
und
von Gier,
Hass
setzen.
haben östliche Weisheitslehren um
Im Westen
Hochkonjunktur. Die 20-Jährige macht
diese Zeit
sich zunächst nach London auf, auch um für die
Englisch
Weltreisen perfekt
zu lernen.
englischen
Bald liest sie, einstweilen noch in der
Übersetzung,
Bhagavad
Upanishaden,
die
die
Gita, die Tantras. In der Londoner Society of the
Supreme Gnosis,
der «Gesellschaft der allerhöchsten Erkenntnis», dann der Londoner und
Niederlassung
Pariser
der Theosophischen Gesellschaft wird sie mit allerlei Esoterikern und
Spiritisten bekannt.
neugierig
Alexandra David ist durchaus
auf
Okkultes, auf die obligaten «Mysterien». Das
Impuls
Asienreisen,
wird ein
ihrer
ihres Interesses
geplanten
zumal am tibetischen Buddhismus mit seinen
magischen
Praktikern sein. Aber sie ist noch mehr
ein wacher, kritisch-nüchterner Geist, der durch
Aufklärung,
die Schule der französischen
des
Priestertrugeuropäischen
Atheismus mit seiner
gegangen
theorie
ist. Sie ist der einen Kirche nicht
entlaufen, um flugs in der nächsten unterzugehen.
Mystikerin
Eine rationale
ist sie und wird das ihr
lang
gnadenLeben
bleiben. Und sie beobachtet
genau.
Sie amüsiert sich über die westlichen
los
Mystagogen
Jünger,
glaubwürund ihre
die nichts
diger
Unglaubliche
als das
finden.
Hier kann die noch suchende Alexandra ihren
gerät
jedenfalls
Hafen
nicht finden. Sie
in eine
tiefe existenzielle Krise, aus der sie erst in einem
Selbstbefreiung
herausfindet. Sie studiert
Akt der
des Mus´ee Guimet, an
in Paris, in der Bibliothek ge
der Sorbonne, dem Coll`e
de France Sanskrit
und intensiviert vor allem ihre Buddhismus-Studien. In ihnen findet sie das, was sie als rationale
eigentlich
Religion
Mystikerin
braucht: nicht
eine
gar
und schon
keinen neuen oder alten Götterglauben,
Philosophie
sondern eine
der Selbstbefreiung,
Selbsterlösung.
der
Von 1891 bis 1893
Ceylon
reist sie erstmals nach Asien, nach
und
Indien. Auf Ceylon ist der ursprüngliche, der
Theravada-Buddhismus noch am ehesten anzuAdyar bei Madras, wo zwei
treffen. In Indien, in
später
Jahrzehnte
der Stern eines anderen ratioMystikers, derjenige Krishnamurtis,
nalen
aufgehen wird,
tritt sie im Juni 1892 der Theosophischen Gesellschaft bei.
vorläufigen
Nach der
Heimkehr nimmt ihr
Leben indes erst einmal eine scheinbar überWendung.
raschende
An den Konservatorien von
Brüssel und Paris schliesst sie die schon vor ihrer
begonnene Gesangsausbildung
Asienreise
ab. Sie
feiert Triumphe in den französischen Kolonien
des Fernen Ostens, in Vietnam, von Hanoi über
Nang
Saigon
Hue und Da
bis nach
im Mai 1968
einiges
werden diese Namen um
dissonanter in
klingen
ihren Ohren
. . . Dann wird sie nach
erfolgloseren
Zwischenspiel
1900
einem
Pariser
engagiert,
wegen
nach Tunis
bevor ihre Karriere
Stimmerkrankung
begegeiner
abbricht. In Tunis
Eisenbahningenieur Philippe Neel,
net sie dem
gepflegten,
einem bestens aussehenden, äusserst
überaus charmanten Mann in wohl dotierter PosiEigentlich
gesind beide nicht für die Ehe
tion.
schaffen. Trotzdem heiraten sie 1904. Sie lieben
wenigstens
Anfang
sich,
scheint es am
so. Noch
mehr zanken sie sich. Und doch harren sie ungeschieden
Ehejahre
37
aus. Es ist eine Art von
gehen
Korrespondenz-Ehe.
Denn an Philippe
jene
zahllosen Reisebriefe, die unter allen
Büchern Alexandras wohl ihr Hauptwerk sind,
brillant geschrieben, witzig, ironisch, drastisch,
geistreich,
voll von Abenteuern, Beobachtungen,
Reflexionen, Porträts, Geschichten von Göttern
genug
und Menschen. Oft
scheint es so, als sei
geschlossen
lange
diese Ehe
und so oft, für so
ermögunterbrochen worden, um diese Briefe zu
Biograph
Jean
lichen. Alexandras französischer
vign
Chalon nennt sie eine neue Madame de S´e
e.
´
Vergleich
gegriffen.
Dieser
ist nicht zu hoch
1911 schliesst sie ihre buddhistischen Publikagrossen
tionen einstweilen mit einem ersten
Buch
ab: «Le Modernisme
bouddhiste et le Bouddhisme du Bouddha»,
Verbindung
die
Thronfolger,
Er
und
zäh wie sie. In Sikkim lernt sie ihn, dessen Name
«Ozean des Mitleids» ist, kennen. Und er d
w i r ihr
fortan bis zu seinem Lebensende zur Seite stehen,
Träger,
als Diener, Koch, Wäscher, Schneider,
als
Experte für Lamaismus, als Übersetzer und als
Sekretär.
Kein erotisches Verhältnis verbirgt sich hinter
Beziehung,
sondern es ist das von Meisterin,
Jünger,
Herrin und
schliesslich das von «Mutter
Yongden
und Sohn»:
wird von Alexandra nach
der
adoptiert. Aber diese Bezietibetischem Recht
hung zwingt
auch zu einem Blick auf die Schatgrossen
strenge
tenseiten dieser
Frau. Sie ist eine
Herrin. Sie kommandiert Yongden rigoros herum.
schlägt
sogar.
Manchmal
sie ihn
Die buddhisti-
das
Im Oktober 1923 setzen die beiden alles auf
eine Karte: Sie versuchen Lhasa auf einer bisher
begangenen
Route durch das
von Weissen nicht
sagenhafte
Land Po zu erreichen. Sie reisen wie
Pilgerpaar.
schon zuvor als
Die Quelle des PoTsangpe
wird von ihnen entdeckt. Und Ende
jenes Ziel,
Januar 1924 wird Lhasa erreicht,
das
Sven Hedin immer verschlossen blieb. Diese triumphale
Pointe kann sich die nun als AbenteureForschungsreisende praktizierende
Femirin und
entgehen
nistin natürlich nicht
lassen: «Wo sind
grossen
die
Verkünder der weiblichen Zerbrech<Ewig
lichkeit! Jenes berühmte
Weibliche> . . .
unglaublich
Was für Eseleien!» So
ist diese Leistung,
später,
dass Jahrzehnte
nach Alexandras
Tod, die Französin Jeanne Denys behaupten
wird, Alexandra habe Lhasa nie erreicht, eine
Hochstaplerin, eine Betrügerin.
Ernsthaftere Gefahr droht von einer anderen
Seite. Denn war Lhasa nun wirklich die Erfüllung?
Die «Sonnenstadt», der atemberaubende
Potala, der goldene Jokhang das alles, natürlich,
just
Gipfel
ist eindrucksvoll. Doch
auf dem
ihres
Erfahrung,
Wanderlebens macht Alexandra die
die vom Buddha bis zum Euro-Buddhisten Schopenhauer
das Zentrum der Lehre von der Leere
Dinge,
Ziellosigkeit
aller
der
aller Wünsche, der
Nichtigkeit
Erfüllungen
aller
ist: dass Wünsche
Erfüllungen
noch nicht erkannte Illusionen und
Desillusionierungen
sind.
Europa.
1925 die Rückkehr, die Heimkehr nach
Aber was heisst schon das Wort «Heimkehr» für
eine Nomadin wie Alexandra, was kann es nach
Weltkrieg,
einem
einem Zivilisationsbruch sondergleichen
heissen? Und was soll nach einer fast
15-jährigen Trennung
das «Heim» sein? Nach
einigem
Digne
Suchen findet sie 1928 in
in der
Hochprovence ein Anwesen, das zu
ihr und
Yongden passt.
Berge
Die
halten zwar keinen
Vergleich
des Schnees aus, aber
mit der Heimat
Vorberge
man kann sich an die
von Sikkim und
Nepal erinnert fühlen. Das Klima ist günstig. Und
Dzong»,
«Samten
die «Feste der Meditation»,
ausgebaut,
bald im Stil eines tibetischen Klosters
bietet meditative Ruhe. Heute residiert dort unter
ruhigen
nicht mehr so
Verhältnissen die Fondation Alexandra David-Neel.
Die «Reise einer Pariserin nach Lhasa» d
wir
Welterfolg. «Heilige
zum vielfach übersetzten
und
Hexer», «Mönche und Strauchritter» und die anspruchsvollen «Initiations lama¨ques» sind ihre
i
Erfolgstitel.
weiteren
Als die «Frau auf dem Dach
«Bezwingerin
der Welt», die
der verbotenen
Stadt», ja als «Ehrwürden Dame Lama» d
w i r sie
Zeitungen,
den Akademien bis hin zum
von den
allerheiligsten
französischen Präsidenten und zum
Coll`ege de France gefeiert.
Sesshaftigkeit
Nach einem Jahrzehnt relativer
meldet sich der «Reisedämon», der nomadische
Trieb, 1937 wieder zurück. Die nun 68-jährige
Yongden
Alexandra bricht mit
noch einmal auf.
Diesmal ist mit Hilfe der Transsibirischen Eisenbahn, deren Distanzen man nun doch nicht mit
bewältigen mag,
trancehaftem Gehen
zunächst
Peking
das Ziel. Und es ist wie beim ersten Mal:
grosse,
lange
Eine
aber nicht zu
Reise soll es werden
und es werden neun Jahre daraus. Doch
Verlängerung unfreiwillig.
diesmal ist die
Der
japanisch-chinesische Krieg erzwingt
sie. Nur die
Gravitation ist dieselbe: In den Wirren der
lebensgefährlichen Kriegswanderschaft
nähert
sich Alexandra wieder Tibet an, um schliesslich in
grenznahen
wenigseinem
Kloster
Ta-tsien-lu
in
tens eine relativ sichere Bleibe zu finden.
zwischen
modernem
Reformbuddhismus
ursprünglichen
und der
Lehre des Buddha herstellt. Danach bricht sie
auf, für ein paar Monate, vielleicht ein Jahr,
glaubt
wie das Ehepaar
glauben
oder zu
vorgibt.
Fast fünfzehn Jahgeworden,
re sind es
fast eine Reise ohne
Wiederkehr, Alexandra
eigentliDavid-Neels
beginnt
ches Leben
mit
43. Sie ist vom «Reisedämon», vom nomadischen Trieb, förmlich
1941 erhält sie die Nachricht vom Tod ihres
Yongden
Mannes. 1946 kehren Alexandra und
Digne
Dzong»
nach
den «Samten
zurück. Wieliegt in Weltkrieg
der
ein
zwischen Abreise und
folgt,
unglaubliche
Rückkehr. Was
sind fast
weiLebensjahrzehnte.
tere
Ihren 80. Geburtstag feiert
Yongden
sie zusammen mit
in einem Camp auf
spielt der Körper
über 2000 m Höhe. Dann
weniger
immer
mit. Die Arthritis, die sie schon
geplagt hat,
immer
wird schlimmer. Ja, der böse
Humor der Götter hat sich mit ihr etwas besonTragisch-Ironisches ausgePerfides,
ders
etwas
grösste
dacht: Diese
Wanderin zwischen den
gehunfähig.
getragen
Sie muss
Welten d
wir
werYongden
je
den.
steht ihr wie eh und
bei. Doch
Philippe
nach
stirbt auch er 1955 vor ihr.
-
Mit 90 macht Alexandra den Führerschein. Ihr
Geist bleibt bis zum Ende intakt. Sie schreibt weivorzügliche, unterhaltsame, geistreiche,
terhin
witzige
gelehrte
gibt Interviews,
und
Bücher. Sie
empfängt Besucher,
die einen weiblichen Guru
«grand
suchen und auf eine
old dame» treffen,
unbarmherzig
Selbständigkeit
die sie
auf ihre
Geburtstag
gebührend gefeistösst. Der 100.
wird
schweigSeptember
1969 erkrankt sie. Ein
ert. Im
unglaubTodeskampf
samer
und dann ist der
geträumt;
lich Traum ihres Lebens zu Ende
sie
selber hat noch ihre Grabschrift formuliert: «Hier
ruht die Asche von Alexandra David-Neel, ErforAdoptivscherin Tibets . . . und die Asche ihres
Yongden,
sohnes Lama
ihres treuen Gefährten
Begleiters
und
. . .»
besessen.
geht
Zunächst
die
CeyReise wieder nach
lon, wo sie bei dem
deutschstämmigen
Nyanatiloka
Mönch
ihre Kenntnis des Theravada-Buddhismus
vertieft. In Indien sucht
sie von neuem die
Theosophische
GesellAdyar bei
schaft in
Madras, dann den
grossen
Sri Aurobindo
Pondicherry
bei
auf.
Aber im sozial brutal
zweigeteilten Kalkutta,
dieser indischen Monstrosität, die den My«heiligen
thos vom
Indien» zur zynischen
praktiziert sie keineswegs.
Individualpsychologisch gesehen,
ist sie eine ausgeprägte Narzisstin, sozialpsychologisch
eine
geHerrin aus dem Westen, eine Pariser Dame
blieben, die ihre tibetischen Domestiken schlagkräftig
Mores lehrt.
sche Gewaltfreiheit
Jean Chalon: Alexandra David-Neel. Das Porträt einer Unbezähmbaren. Knaur-Taschenbuch, München 1998. 288 S., Fr.
14.-.
Samten-Dzong,
Alexandra David-Neel. (Bild
Fondation A. David-Neel)
Neue Zürcher Zeitung vom 02.12.2000
Barbara und Michael Foster: Alexandra David-Neel. Die
Frau, die das verbotene Tibet entdeckte. Die Biographie. Herder-Verlag, Freiburg
1999. 416 S., Fr. 42.-.
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