Mit Mittelmaß zum geometrischen Optimum Hans-Jürgen Bandelt FB Mathematik der Uni HH Tag der Mathematik, 14. November 2015 Mathematik muß nicht Spaß machen , aber sie kann Freude bereiten Vier Probleme und des Pudels Kern ihrer Lösung Nr. 1 Welche Rechtecke unter solchen gleichen Umfangs haben die größte Fläche? Ohne Worte (Euklid läßt grüßen): Wähle δ = (b – a)/2 und erhalte ein Quadrat mit gleichem Umfang bei um (b – a)2/4 größerer Fläche. Und hier läuft das bißchen Algebra dazu mit: Der Flächeninhalt des Quadrats ist immer größer als des beliebigen Rechtecks vom gleichen Umfang: [(a + b)/2]² = (a² + 2ab + b²)/4 = (a² – 2ab + b²)/4 + 4ab/4 = [(a – b)/2]² + ab ≥ ab und es gilt Gleichheit nur im Falle a = b. Nach Quadratwurzelziehen: Ungleichung vom arithmetischen und geometrischen Mittel (a + b)/2 ≥ ab, wobei Gleichheit nur für a = b gilt. Nr. 2 Welche Quader gleicher Gesamtkantenlänge haben das größte Volumen? Ohne Worte (nach Schumann 1984): Start Quader Zwischenhalt Quadratsäule Zwischenhalt Quadratsäule Ziel Quader In zwei Schritten wurde so schließlich der Quader, der noch kein Würfel war, zu einem Würfel mit größerem Volumen bei gleich gebliebener Gesamtkantensumme umgebaut. Die Gesamtkantenlänge eines Quaders der Abmessungen a mal b mal c ist K = 4(a + b + c) und das Volumen ist V = abc. Der Würfel zur Kantenlänge (a + b + c)/3 hat dieselbe Gesamtkantenlänge K und als Volumen [(a + b + c)/3]3. Nach Kubikwurzelziehen erhält man die Ungleichung vom arithmetischen und geometrischen Mittel (a + b + c)/3 ≥ 3(abc), wobei Gleichheit nur bei a = b = c gilt. Nr. 3 Wann ist ein Produkt von n positiven Zahlen mit fest vorgegebener Summe am größten? Teilen wir die Zahl 20 additiv auf in vier Zahlen: 2 + 3 + 6 + 9 = 20. Dann ist 2369 = 324. Geht‘s größer? Jo! 3566 > 2369, denn 56 > 29 bei 5 + 6 = 2 + 9 = 11. Weiter: 4556 > 3566, denn 45 > 36. Finale: 5555 > 4556 > 3566 > 2369. Ergo, mehr als 5555 = 625 kann man nicht erreichen. Das arithmetische Mittel (2 + 3 + 6 + 9)/4 = 5 ist also größer ist als das geometrische Mittel ⁴(2369) = ⁴324 = 18 = 32 4,24264. . Mit der obigen 3-Schritt-Methode sieht man allgemein, daß für 0 < a ≤ b ≤ c ≤ d gilt: [(a + b + c + d)/4]⁴ ≥ abcd, bzw. (a + b + c + d)/4 ≥ ⁴abcd, mit Gleichheit genau dann, wenn a = b = c = d. Ebenso beweist man in n – 1 Schritten die Ungleichung vom arithmetischen und geometrischen Mittel für n positive Eingabezahlen : (a1 + … + an)/n ≥ n(a 1 …an) mit Gleichheit genau dann, wenn a1 = … = an Diese Beweismethode wurde schon vor 115 Jahren genutzt: Variation des Problems Nr. 3 Wann ist ein Produkt von n natürlichen Zahlen mit fest vorgegebener Summe am größten? Kein Problem mit der Crawfordschen Methode, auch wenn das jeweilige arithmetische Mittel A eine gebrochene Zahl ist: Man muß nur immer A entweder ab- oder aufrunden, so daß genau die gewünschte Summe herauskommt, z.B.: Für n = 2 und Summe 13, also A = 13/2, ist das Produkt 67 = 42 am größten, wenn keine gebrochenen Zahlen benutzt werden dürfen; und es ist 42 < 42¼ = 169/4. Für n = 3 und Summe 7, also A = 7/3, ist das Produkt 223 = 12 am größten unter Ganzzahligkeitsforderung; und es ist 12 < 1219/27 = 343/27. Für n = 5 und Summe 22, also A = 22/5, liefert das Produkt 44455 den größten Wert unter Ganzzahligkeitsforderung. Frage zum Ausknobeln: Unter welchen Umständen genau ist das größte Produkt von n natürlichen Zahlen bei vorgegebener Summe Σ > n gerade ihr arithmetisches Mittel hoch n genommen, also (Σ/n)n abgerundet? Bsp.: 67 = 42 < 42¼ = (13/2)2 Nr. 4 Aus einer rechteeckigen Pappe soll eine offene Schachtel größtmöglichen Inhalts nach Entfernen von vier Quadraten an den Ecken durch Knicken hergestellt werden. a≤b 2a x 2b Entfernen bzw. einschneiden und umklappen Knicklinien Offene Schachtel Die Schachtel habe die Höhe x (= Seitenlänge der ausgeschnittenen Quadrate). Dann geht 2x von Breite 2a und Länge 2b des Rechtecks ab, so daß das Schachtelvolumen gleich wird zu V = x(2a – 2x)(2b – 2x) = 4x(a – x)(b – x) Spezialfall „quadratische Schachtel“, also a = b: V = 4x(a – x)² = 16[x (a – x)/2 (a – x)/2] Das Produkt als dritte Potenz eines geometrischen Mittels kann nach oben abgeschätzt werden durch die dritte Potenz des entsprechenden geometrischen Mittels: V ≤ (16/27)[x + (a – x)/2 + (a – x)/2]³ = (16/27)a³ Gleichheit und damit das Maximum von V tritt genau ein, wenn x = (a – x)/2 , d.h. x = a/3 Das Verhältnis von Höhe x zu Breite/Länge 2a ist optimal bei 1:6. Und nun wird‘s heftiger: Allgemeine Situation a ≤ b: V = 4x(a – x)(b – x) Wenn a < b, dann kann niemals a – x = b – x werden Die Faktoren a – x und b – x werden nunmehr gewichtet mittels λ, μ > 0 mit λ + μ = 1, so daß V = (4/λμ) x λ(a – x) μ(b – x) ≤ (4/27λμ) [λa + μb]³ mit Gleichheit genau dann, wenn für 0 < x < a gilt: λ(a – x) = x = μ(b – x) und λ + μ = 1, d.h. x/(a – x) + x/(b – x) = λ + μ = 1, d.h. (a – x)(b – x) – x(a – x) – x(b – x) = 0. (a – x)(b – x) – x(a – x) – x(b – x) = 3x² – 2(a + b)x + ab = 0. Diese quadratische Gleichung hat als einzige Lösung 0 < x < a x = (1/3)[a + b – (a² + b² – ab)] a≤b 2a x x = (1/3) [a + b – (a² + b² – ab)] Entfernen bzw. einschneiden und umklappen 2b Knicklinien Offene Schachtel Kleiner Literaturhinweis Claus, H.J.: Extremwertaufgaben: Probleme, ihre Geschichte, Lösungen, Methoden. Wiss. Buchgeselleschaft (1992) Niven, I.: Maxima and minima without calculus. Dolciani Mathematical Expositions No. 6, The Mathematical Association of America (1981) Tikhomirov, V.M.: Stories about Maxima and Minima. The American Mathematical Society (1990)