Gewaltiger war nur der Urknall - Max-Planck

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ASTROPHYSIK
Das soll der Aufmacher werden
Die Explosionswolke eines
kurzen Gamma Ray Bursts in
einer Aufnahme des 10-MeterKeck-Teleskops. Das Objekt mit
der Bezeichnung GRB050509b
befindet sich an der Stelle S1.
Gewaltiger war
nur der Urknall
Seit rund 40 Jahren registrieren Astronomen im Gammastrahlenbereich unvermittelt am Firmament auftauchende Blitze. Vor zehn Jahren stellte sich heraus,
dass es sich hierbei um die gewaltigsten Explosionen im Universum handelt.
Seitdem hat sich das Forschungsgebiet dieser Gamma Ray Bursts so stürmisch
entwickelt wie kaum ein anderes in der Astrophysik. Auf Schloss Ringberg trafen
sich im Frühjahr auf Einladung des Garchinger MAX-PLANCK-INSTITUTS
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mehr als 50 Forscher, um über das Thema zu diskutieren.
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urioserweise begann dieses
Kapitel moderner Astrophysik
mit einer Entdeckung des amerikanischen Militärs. In den 1960erJahren umkreisten Aufklärungssatelliten die Erde, um nach Gammastrahlung zu fahnden, die bei
oberirdischen Atombombenversuchen frei wird. Einer dieser Späher
registrierte 1969 tatsächlich einen
Gammablitz. Allerdings war der
nicht von der Erde gekommen, sondern aus dem Weltraum. Es folgten
weitere Blitze dieser Art, was bald
die Neugier einiger Astronomen
weckte. Detaillierte Untersuchungen
waren jedoch schwierig, weil die
Erdatmosphäre die Gammastrahlung
verschluckt. Man benötigte also im
Weltraum stationierte Teleskope.
Die Lage änderte sich entscheidend, als 1991 die amerikanische
Raumfahrtbehörde NASA das Compton-Observatorium, an dem auch
Physiker aus dem Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in
Garching beteiligt waren, in eine
Erdumlaufbahn brachte. Das Ergebnis war absolut verblüffend: Etwa
einmal pro Tag registrierte Compton
irgendwo am Himmel einen kosmischen Blitz, wobei die Dauer zwischen einigen hundertstel Sekunden
und wenigen Minuten variierte.
Für die Ursache gab es indes keinerlei Anhaltspunkte. Das Compton-Teleskop konnte die Positionen nämlich
nur sehr ungenau festlegen: So war es
nicht möglich, die Ausbrüche anschließend mit optischen Teleskopen aufzuspüren. Seither stellten die Astrophysiker mehr als hundert Theorien über
die Natur der Bursts auf, bis hin zur
– freilich nicht ganz ernst gemeinten –
Idee explodierender Warp-Antriebe
von Raumschiffen intelligenter Wesen.
Rettung brachte das italienischniederländische
Weltraumteleskop
BeppoSAX. Es konnte die Gammablitze genau lokalisieren und sandte
automatisch die Himmelskoordinaten
an ein Netzwerk von Astronomen,
die ihre teilweise robotisch betriebenen Teleskope so schnell wie möglich auf die jeweils angegebene Stelle
am Firmament ausrichteten. Auf die-
sagt Thomas Janka vom Max-Planckse Weise gelang es 1997 erstmals, im
Institut für Astrophysik in Garching,
Bereich des sichtbaren Lichts das
der den Ringberg-Workshop mit orNachleuchten von zwei Gamma Ray
ganisiert hat.
Bursts zu beobachten.
Damit schien ein Jahrzehnte altes
Eine Spektralanalyse zeigte dann,
Rätsel der Astrophysik endlich gedass diese Himmelskörper in Milliarklärt zu sein. Doch wie so oft in der
den von Lichtjahren entfernten GalaHimmelsforschung kam es wieder
xien steckten. Damit handelt es sich
anders: Schon mit dem Compton-Teum die heftigsten Explosionen im Unileskop hatten die Astronomen beversum – nur der Urknall war gewalmerkt, dass es offenbar zwei Klassen
tiger. Der bisherige Rekordhalter mit
von Gamma Ray Bursts gibt: lange
der Bezeichnung GRB050904 war rund
Ausbrüche, die bis zu mehrere Minu13 Milliarden Lichtjahre entfernt. Wäre
ten dauern können, und kurze mit
er in etwa 4000 Lichtjahren Abstand
einer Dauer bis zu etwa drei Sekunexplodiert, hätte er am irdischen Firden. Letztere machen immerhin ein
mament wenige Sekunden lang so hell
Drittel aller Bursts aus. Sie verlögestrahlt wie unsere Sonne.
schen aber so rasch, dass es jahreIn einigen Fällen entdeckte man an
der Stelle des Gammablitzes eine Supernova,
gelegentlich sah man
im späten Nachglühen
Anzeichen dieser explodierenden Sterne.
Danach setzte sich die
Theorie durch, dass es
sich um sehr massereiche, schnell rotierende Sterne handelt,
die am Ende ihres Lebens bersten und zu
einem Schwarzen Loch
zusammenbrechen. Bei
diesem Vorgang erhitzt Die Erfolgsgeschichte von Compton begann 1991. Bis zu seinem Absturz
sich die Materie bis auf neun Jahre später entdeckte der Satellit mehr als 2700 Gamma Ray Bursts.
mehrere hundert Millilang nicht möglich war, deren Nacharden Grad und schießt in zwei geglühen mit optischen Teleskopen
bündelten Strahlen entlang der Rotaaufzufinden. Das änderte sich mit
tionsachse ins All, die wie zwei
dem im November 2004 gestartegewaltige Scheinwerfer Gammastrahten amerikanischen Weltraumteleslung aussenden. Sobald die mit nakop Swift, das für diesen Forschungshezu Lichtgeschwindigkeit fortrabereich den Beginn einer neuen Ära
senden Teilchen auf umgebende
bedeutete. In den beiden Jahren nach
Materie stoßen, heizt diese sich auf
seiner Inbetriebnahme hat sich die
und leuchtet dann auch im RöntgenAnzahl der Veröffentlichungen zu
bereich und im sichtbaren Licht.
Gamma Ray Bursts vervierfacht. Wie
EIN TELESKOP NIMMT
Projektleiter Neil Gehrels von der
DAS NACHGLÜHEN INS VISIER
NASA auf Schloss Ringberg berichDiese Feuerbälle wurden mit den irtete, kann dieses Instrument im
dischen Teleskopen beobachtet. Da
günstigsten Fall die Astronomen indie Sternexplosionen noch heftiger
nerhalb von 15 bis 20 Sekunden per
sind als normale Supernovae, nannte
E-Mail oder SMS alarmieren.
man sie Hypernovae. „Wir vermuten,
Damit gelang es vor zwei Jahren
dass unter mehreren hundert Supererstmals, kurze Bursts mit großen Tenovae nur eine Hypernova auftritt“,
leskopen oder empfindlichen RöntF OTO : NASA
F OTO : K ECK O BSERVATORY
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EIN STERN GERÄT
DIE LEBENSKRISE
IN
Neutronensterne gelten als die kompaktesten Himmelskörper, die sich
theoretisch denken lassen. Sie entstehen, wenn ein massereicher Stern
am Ende seines Lebens den Brennstoff im Innern verbraucht hat. Dann
setzt die innere Energieproduktion
aus, und der Stern, der ehemals größer als die Sonne war, stürzt in sich
zusammen. Wenn er einen Durchmesser von etwa 20 Kilometern erreicht hat, stoppt der Kollaps – und
ein Neutronenstern ist entstanden.
Seine Materie ist so dicht, dass ein
Stück von der Größe eines Zuckerwürfels auf der Erde mehrere hundert
Millionen Tonnen wiegen würde. Da
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generell mehr als die Hälfte aller
Sterne zu Doppelsystemen gehören,
muss es auch Doppel-Neutronensterne geben, die sich gegenseitig umkreisen. Dabei strahlen sie Gravitationswellen ab, was dem Paar Energie
entzieht. Als Folge kommen sich die
beiden Körper auf einer spiralförmigen Bahn langsam näher. In dem
Augenblick, wo sich ihre Oberflächen
berühren, verschmelzen sie innerhalb
von wenigen tausendstel Sekunden
miteinander. Dabei wird der neue
Körper so massereich, dass er unter
der Wucht der eigenen Schwerkraft
zu einem Schwarzen Loch zusammenbricht. Ein Teil der Materie, in
der Temperaturen von bis zu hundert
Milliarden Grad und Dichten bis zu
einer Million Tonnen pro Kubikzentimeter herrschen, rast noch in Form
eines ringförmigen Torus für kurze
Zeit um das Schwarze Loch herum,
bevor er schließlich ebenfalls verschluckt wird. Damit verschwindet
innerhalb von wenigen Sekunden die
Materie von zwei bis drei Sonnen.
Bei diesem kataklysmischen Vorgang spielt sich eine Fülle von Kernund Teilchenreaktionen ab, auf die
Ehud Nakar (Caltec, USA) ausführlich
einging. Es kommt zu einem Ausbruch hochenergetischer Materie in
zwei gebündelten Gasstrahlen (Jets)
in Richtung der Rotationsachse und
damit senkrecht zum dichten Torus.
Wenn im Rechner ein Schwarzes Loch
Alarm im All: Das Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte (ESO) in den chilenischen Anden ist in das Warnsystem des Weltraumteleskops Swift eingebunden. Eine per E-Mail eintreffende Meldung (rechts) gibt die Himmelskoordinaten des Gammastrahlenausbruchs an.
E DINBURGH
ischen Südsternwarte (ESO) den Geschwindigkeitsweltrekord: Im vergangenen Jahr konnte es einen kurzen
Burst nur siebeneinhalb Minuten nach
dem Gammaausbruch aufspüren.
Die Faktenlage ist bei den kurzen
Gamma Ray Bursts noch sehr dürftig. Eines aber scheint offensichtlich:
Wenn eine derart gigantische Energiemenge innerhalb von wenigen
Sekunden abgestrahlt wird, kommen
als Ursache nur sehr kompakte Himmelskörper in Betracht. Als wahrscheinlichste Erklärung gelten zwei
Neutronensterne, die miteinander
verschmelzen und zu einem Schwarzen Loch zusammenbrechen. Was bei
einem solchen Vorgang passiert, demonstrierten Maximilian Ruffert von
der Universität in Edinburgh, Roland
Oechslin und Miguel Aloy (MaxPlanck-Institut für Astrophysik), Emmanuela Rantsiou (Northwestern
University, USA) und William Lee
(UNAM, Mexiko) anhand von Computersimulationen.
OF
gendetektoren auf Satelliten zu beobachten. Die Überraschung war
groß, als man die Bursts in elliptischen Galaxien lokalisierte. In diesen Sternsystemen ereignen sich fast
nie Supernovae – und damit schon
gar nicht die viel selteneren Hypernovae. In den wenigen Fällen, in denen sich das Nachglühen mit einem
optischen Teleskop beobachten ließ,
fanden sich auch keine der für Supernovae typischen Signaturen.
Liegen den beiden Klassen von
Gamma Ray Bursts vielleicht zwei
unterschiedliche Ursachen zugrunde?
Das war eine der Fragen, über die die
Spezialisten auf Schloss Ringberg oft
bis in die Nacht hinein diskutierten.
Bis heute konnte lediglich bei fünf
kurzen Gamma Ray Bursts der nachleuchtende Feuerball spektroskopisch
beobachtet werden, in weiteren neun
Fällen ließ sich das Nachglühen im
Bereich des sichtbaren Lichts sowie
im Röntgen- und Radiobereich aufnehmen. Wie Gehrels ausführte, belegen diese wenigen Fälle, dass die
kurzen Gammablitze nur etwa ein
Tausendstel der Energie abstrahlen
wie die langen. Das ist aber immer
noch etwa so viel, wie bei einer Supernova in Form von Licht frei wird
und entspricht etwa der Energieabgabe unserer Sonne über mehrere
Milliarden Jahre hinweg.
Da die Feuerbälle der kurzen Bursts
wesentlich schwächer erscheinen als
die der langen und auch schneller
verblassen, sind die größten Teleskope
erforderlich, um die Handvoll Feuerbälle kurz vor ihrem Verglimmen zu
beobachten. Wie Sylvio Klose von der
Thüringischen Landessternwarte Tautenburg berichtete, hält bei den Großteleskopen im sichtbaren Bereich das
Very Large Telescope der Europä-
F OTOS : M AXIMILIAN R UFFERT , T HE U NIVERSITY
Aufwändige Computersimulationen verdeutlichen, wie Neutronensterne innerhalb von einigen tausendstel Sekunden miteinander verschmelzen.
F OTOS : M IGUEL A LOY , E WALD M ÜLLER , H ANS -T HOMAS J ANKA , MPI
FÜR
A STROPHYSIK
F OTOS : ESO
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Auch Magnetfelder werden als Ursache dafür diskutiert, dass Energie in
solchen Jets mit nur 10 bis 20 Grad
Öffnungswinkel ins All schießt. „Diese Materie hat nach unseren Kenntnissen eine Geschwindigkeit von rund
99,9995 Prozent der Lichtgeschwindigkeit“, sagt Thomas Janka.
In Entfernungen von zehn bis hundert Millionen Kilometern erzeugen
die Jets dann den als Gammablitz
sichtbaren kurzen Ausbruch energiereicher Strahlung. Prallt die Jetmaterie danach auf umgebende interstellare Materie (Gas und Staub), so heizt
sich diese ebenfalls auf und strahlt.
Das ist der nachleuchtende Feuerball,
den die Astronomen mit Röntgenund optischen Teleskopen beobachten und dessen Licht ihnen etwa verrät, in welcher Entfernung sich das
Objekt befindet.
Die derzeitigen Computermodelle
können die Beobachtungsergebnisse
der kurzen Gamma Ray Bursts im
Prinzip erklären. Dennoch ist vieles
noch unklar: Welche Rolle spielen
Magnetfelder bei der Erzeugung und
Beschleunigung der Jets? Wie genau
verschmelzen zwei Neutronensterne?
Wann kollabiert das dabei entstehende Objekt zum Schwarzen Loch
und wie viel Materie verbleibt danach
für einige Zeit im Torus? Letztere Fragen hängen von den nur unzureichend
bekannten Eigenschaften dichter Neutronensternmaterie ab und entscheiden
darüber, welche Doppelsternsysteme
im letzten Augenblick ihrer Existenz
Gammablitze aussenden können.
GEISTERTEILCHEN MIT
EXTREM HOHEN ENERGIEN
Grundsätzlich kommen auch nicht
nur verschmelzende Neutronensterne
als Ursache für die kurzen Gammablitze in Frage. Es können ebenso
gut gemischte Systeme sein, in denen ein Schwarzes Loch und ein
Neutronenstern sich umkreisen. Auch
diese beiden Objekte verschmelzen
letztlich miteinander und setzen explosionsartig Energie frei.
Der beobachtbare Energieausstoß
eines kurzen Gamma Ray Bursts ist
gewaltig. Dennoch geht bis zu tausendfach mehr Energie in die Emission von unsichtbaren Teilchen: den
Neutrinos. Sie entstehen auch bei
normalen Supernovae in großer Zahl.
Ihr erster und bislang einziger Nachweis beim Ausbruch der astronomisch
gesehen nahen Supernova 1987A in
der Großen Magellanschen Wolke galt
damals als Sensation. Neue Anlagen
sind im Bau, mit denen man hofft,
zukünftig auch Neutrinos von Gamma Ray Bursts nachzuweisen. Allerdings erwartet man diese Teilchen bei
extrem hohen Energien, wie sie Modelle für die Entstehung in den Jets
vorhersagen.
Neutrino-Teleskope haben mit bekannten Teleskopen nichts gemeinsam. Die derzeit größte Anlage namens ICECUBE entsteht in der
Antarktis und soll speziell solch
extrem hochenergetische Neutrinos
nachweisen. Sie besteht im Prinzip
aus vielen empfindlichen Lichtdetektoren, die in einem Bereich zwischen 1400 und 2400 Meter Tiefe im
Eis versenkt werden. Diese elektronischen Augen überwachen das
zwischen ihnen befindliche Eisvolumen. Stößt hierin ein aus dem Kosmos kommendes Neutrino mit einem
mit 2,5 Sonnenmassen und ein Neutronenstern mit 1,6 Sonnenmassen kollidieren, entsteht ein gewaltiger Strudel und die Materie erhitzt sich.
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Eine Falle für Neutrinos bauen die Forscher derzeit in der Antarktis. Die Detektoren
des Observatoriums ICECUBE werden 1400 bis 2400 Meter tief ins Eis versenkt und sollen
die kosmischen Geisterteilchen nachweisen.
Atomkern zusammen, entsteht ein
geladenes Teilchen; das erzeugt einen kurzen Lichtblitz, den die Instrumente registrieren. Da sich auch die
Herkunftsrichtung der Neutrinos ermitteln lässt, kann man auf diese
Weise die verursachende Quelle am
Himmel lokalisieren. Wie Marek Kowalski von der Berliner HumboldtUniversität berichtete, sollten 10 bis
100 Sekunden nach dem beobachteten Gamma-Ausbruch Neutrinos die
Erde erreichen. Dieser Neutrinoblitz
ließe sich leicht der verursachenden
Quelle zuordnen und würde den Astrophysikern einen völlig neuen Beobachtungszugang zu diesem Phänomen erschließen. Ein Teil des
ICECUBE arbeitet bereits, der Endausbau soll im Jahr 2010 abgeschlossen sein. Dann überwachen 4800
Sensoren ein Volumen von einem
Kubikkilometer Eis.
GRAVITATIONSWELLEN ALS
PRÜFSTEINE FÜR DIE THEORIE
Großes Interesse an dem Studium von
Gamma Ray Bursts haben zudem Gravitationswellenforscher. Dies äußerte
sich auch darin, dass die Deutsche
Forschungsgemeinschaft den Ringberg-Workshop über ihren Sonderforschungsbereich-Transregio 7 „Gravitational Wave Astronomy“ mitfinanziert
hat. Verschmelzende Neutronensterne
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und Schwarze Löcher gehören zu den
stärksten Quellen von Gravitationswellen und damit zu den Top-Kandidaten für deren Nachweis.
Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie sagt die Existenz von Gravitationswellen vorher, doch bislang ließen sie sich noch nie direkt nachweisen.
Sie gelten deshalb als ein bedeutender
Prüfstein für die heutige Theorie der
Gravitation. Hierin erzeugt jeder Körper um sich herum eine Raummulde,
ähnlich wie eine Kugel auf einem
Gummituch. Gerät ein anderer Körper
in diesen gekrümmten Bereich hinein,
weicht er von seiner geradlinigen Bewegung ab und folgt der Krümmung.
Dies erweckt den Anschein, als würden sich beide Körper mit einer unsichtbaren Kraft (der Schwerkraft) anziehen. Auch Licht läuft auf einer
krummen Bahn durch ein Gravitationsfeld hindurch.
Gravitationswellen entstehen immer
dann, wenn eine Materieverteilung beschleunigt ihre Form ändert. Dann
überlagert sich dem gekrümmten
Raum eine rippelartige Struktur, die
sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet. Man kann sie sich ähnlich vorstellen wie Wellen auf der Oberfläche
eines Gewässers. Verschmelzen zwei
massereiche Körper miteinander, wird
schlagartig eine gewaltige Gravitationswelle ins All abgestoßen.
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Läuft die Gravitationswelle über die
Erde hinweg, so staucht sie kurzzeitig
den Raum, das heißt, die Abstände
zwischen allen Objekten ändern sich.
Dieses Phänomen konnte noch nie direkt nachgewiesen werden, weil es
unvorstellbar klein ist: Stauchung
und Dehnung machen nur den Bruchteil eines Atomkerndurchmessers aus.
Mit der deutsch-britischen Gravitationswellen-Antenne GEO 600 in Ruthe bei Hannover und den zwei LIGOAnlagen in den USA erreichen die
Forscher erstmals die enorme Empfindlichkeit, um diese rhythmische
Raumstauchung zu messen.
Gelänge der Nachweis, so könnte
man zum einen Einsteins Allgemeine
Relativitätstheorie überprüfen; zum
anderen beinhalten die Gravitationswellen Informationen über die astrophysikalischen Vorgänge, wie man sie
auf keinem anderen Wege erhält. Nur
so wird es etwa möglich sein, den Zusammenhang von kurzen Gammablitzen und verschmelzenden Doppelsternen eindeutig zu belegen.
„Zurzeit können wir mit GEO 600
Längenänderungen von 10-19 Metern
messen, das entspricht einem Zehntausendstel des Durchmessers eines Protons. Damit können wir verschmelzende Neutronensterne und Schwarze
Löcher bis zum Rand des Virgo-Galaxienhaufens nachweisen“, sagt Peter
Aufmuth vom Max-Planck-Institut für
Gravitationsphysik (Albert-EinsteinInstitut) in Golm. Eine Verbesserung
der Empfindlichkeit um einen Faktor
zwei würde GEO 600 in den Bereich
des rund 70 Millionen Lichtjahre entfernten Virgo-Haufens bringen und die
Anzahl der Galaxien im Messbereich
um weit mehr als tausend erhöhen.
Von entscheidender Bedeutung für
den Erfolg der GravitationswellenDetektoren und auch für kosmologische Forschungen ist die Frage, wie
häufig sich kurze Gamma Ray Bursts
ereignen. Die von mehreren Astrophysikern, wie Chris Belczynski
(New Mexico State University, USA)
und Richard O‘Shaughnessy (Northwestern University, USA), vorgetragenen Werte demonstrierten, wie
weit die Astronomen noch von einem
umfangreichen Verständnis dieser
Vorgänge entfernt sind. Für eine
durchschnittliche Galaxie wie die
Milchstraße erwartet man zwischen
drei und 200 Kollisionen von zwei
Neutronensternen pro einer Million
Jahre. Gemischte Systeme aus einem
Neutronenstern und einem Schwarzen Loch sind zwar noch seltener,
lassen sich aber bis in größere Entfernungen nachweisen.
RAUMZEIT BRINGT
COMPUTER AN DIE GRENZEN
Damit stehen die Chancen für GEO
600 und LIGO im Moment noch nicht
sehr gut für einen Nachweis. Erst von
etwa 2014 an, wenn die Anlagen mit
neuer Technik ausgestattet worden
sind, sollten pro Jahr einige zehn Ereignisse nachweisbar sein. Aufmuth
zeigte sich jedoch angesichts der Unsicherheit der Vorhersagen gelassen.
Die Gravitationswellen-Detektoren
in Deutschland und den USA laufen
jedenfalls und werden immer genauer.
Wenn sie eine Welle nachgewiesen haben, werden Theoretiker ihren zeit-
lichen Verlauf analysieren
und mit Computermodellen
vergleichen, die sie derzeit
von kollidierenden Objekten
machen. Diese Rechnungen
treiben momentan verfügbare
Computer an ihre Grenzen.
Wenn sich nämlich ein
Schwarzes Loch oder ein
Neutronenstern bewegt, verbiegen diese Körper unablässig das Raumgewebe und sie
verändern überdies den Lauf
der Zeit. Die Raumzeit wird
somit selbst zu einer variab- Mit dem Weltraumteleskop Hubble gelang es mehrfach, das Nachlen physikalischen Größe, die leuchten von langen Gamma Ray Bursts aufzunehmen. Hier werden
bei jedem Simulationsschritt auch die Galaxien sichtbar, in denen sie explodiert sind.
neu berechnet werden muss.
Umläufe hinweg stabil und auch die
Bislang stürzten die Berechnungen
Form der Gravitationswelle beim Zuregelmäßig bereits nach einem Umsammenstoß lässt sich berechnen.
lauf der Körper ab oder lieferten unDiese Computersimulationen werden
sinnige Ergebnisse. Doch wie Luca
es ermöglichen, aus den gemessenen
Baiotti und Bruno Giacomazzo vom
Signalen Rückschlüsse auf die EigenMax-Planck-Institut für Gravitationsschaften der verursachenden Himphysik berichteten, hat es gerade in
melskörper zu ziehen. Das wäre der
den vergangenen Monaten erstaunliBeginn der Gravitationswellen-Astroche Fortschritte gegeben. Jetzt bleinomie.
ben die Rechnungen über mehrere
THOMAS BÜHRKE
F OTOS : NASA/ESA, A. F RUCHTER (STS C I), GOSH-K OLLABORATION
F OTO : U NIVERSITY
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W ISCONSIN
KONGRESSBERICHT
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