Zur Diskussion gestellt

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Der glykämische Index und die glykämische
Last der optimierten Mischkost optimiX®
Anette Buyken, Andrea Wendt, Mathilde Kersting und Anja Kroke, Forschungsinstitut für
Kinderernährung, Dortmund
Seitdem sich die Hinweise häufen, dass eine Kost mit niedrigem glykämischen Index (GI) bzw. niedriger glykämischer Last (GL) das Risiko für Diabetes mellitus Typ 2 und koronare Herzkrankheiten senken
kann und möglicherweise einen viel versprechenden Ansatz zur Behandlung von Übergewicht darstellt, ist eine Diskussion um praxisnahe Konzepte für die Umsetzung einer derartigen Kost entbrannt.
Inwieweit sich bereits bestehende lebensmittelbezogene Ernährungsempfehlungen auch durch einen niedrigen GI und eine niedrige GL auszeichnen, soll hier am Beispiel des für Kinder und Jugendliche entwickelten Präventionskonzeptes der optimierten Mischkost
optimiX® untersucht werden.
Hintergrund
Der glykämische Index (GI) wurde bereits in den 1980er Jahren entwickelt
und unterscheidet kohlenhydrathaltige Lebensmittel nach ihrer Wirksamkeit auf den Blutzuckerspiegel [17].
Zur Ermittlung des GI werden Dauer
und Höhe des Blutzuckeranstieges
nach Verzehr von 50 g verwertbaren
Kohlenhydraten aus einem Lebensmittel mit dem Blutzuckeranstieg
nach Aufnahme von 50 g Glukose verglichen. Die Angabe erfolgt in Prozent
bezogen auf die Fläche unter der Blutglukosekurve [6]. Kohlenhydrathaltige Lebensmittel, die einen schnellen
und/oder hohen Blutzuckeranstieg
auslösen, haben einen hohen glykämischen Index. Um auch die Menge
des verzehrten kohlenhydrathaltigen
Lebensmittels zu berücksichtigen,
wurde zudem der Begriff der glykämischen Last (GL) eingeführt [25], der
sich auf die glykämische Gesamtbelastung der tatsächlich verzehrten
Portion bezieht (Bsp.: 1 Scheibe Weißbrot (GI: 73) enthält 14 g Kohlenhydrate, d. h. ihre GL ist 73/100 14 g =
10,2 g).
In den letzten Jahren haben zahlreiche Kurzzeitstudien an Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen einen
Zusammenhang zwischen einer hohen GL einer Mahlzeit und geringerer
Sättigung bzw. gesteigerter Nahrungsaufnahme in der Folgemahlzeit gezeigt [21]. Erste Interventionsstudien
140
sprechen auch bei Kindern und Jugendlichen für den Erfolg einer Kost
mit niedrigem GI oder niedriger GL
in der Behandlung von Übergewicht
[8, 27, 28]. Darüber hinaus zeigten
eine Reihe aktueller epidemiologischer Studien an Frauen und Männern mittleren Alters, dass eine Kost
mit hohem GI bzw. hoher GL das Risiko für einen Diabetes mellitus Typ 2
und koronare Herzkrankheiten erhöht
[13, 19, 24–26], auch unabhängig von
der Höhe der Ballaststoffzufuhr. Obwohl diese Zusammenhänge nicht
von allen Studien bestätigt werden
[23, 29], gibt es bereits vielfältige Vorschläge für die Berücksichtigung des
GI und der GL in der Nahrungsauswahl [20, 30, 32]. Andererseits existieren bislang kaum Daten über den GI
bzw. die GL gängiger Ernährungsempfehlungen. Um dies zu überprüfen,
bedarf es beispielhafter Speisepläne
mit genauen Lebensmittelangaben,
anhand derer der GI und die GL ermittelt werden können.
Für die praktische Umsetzung der
bestehenden Referenzwerte für die
Nährstoffzufuhr (D-A-C-H) [7] hat das
Forschungsinstitut für Kinderernährung (FKE) Dortmund das Konzept
der „optimierten Mischkost“ optimiX®
[10] für Kinder und Jugendliche entwickelt. Ausgehend von einem Kohlenhydratanteil von 55 % an der Gesamtenergie (En%), bei Anteilen von
30 En% aus Fett und 15 En% aus Protein, ist die Kost so optimiert worden,
dass der Bedarf aller für Wachstum,
Entwicklung und Gesundheit wichtigen Nährstoffe gedeckt ist und auch
Empfehlungen für die Prävention späterer ernährungsbeeinflusster Krankheiten Rechnung getragen wird. OptimiX® basiert auf drei einfachen Regeln
für die Lebensmittelauswahl:
1. reichlich pflanzliche Lebensmittel
und reichlich Getränke,
2. mäßig tierische Lebensmittel,
3. sparsam fett- und zuckerreiche Lebensmittel.
OptimiX®-Speisepläne für 7 Tage verdeutlichen die Zusammenstellung der
empfohlenen Lebensmittel in täglich
5 verschiedenen Mahlzeiten.
Im Rahmen der vorliegenden Auswertung wurde überprüft, ob sich die
fettmoderate, kohlenhydratreiche optimiX®-Kost auch durch einen niedrigen glykämischen Index (GI) bzw. eine
niedrige glykämische Last (GL) auszeichnet.
Methoden
GI-Zuordnung
Allen kohlenhydrathaltigen Lebensmitteln der optimiX®-Speisepläne
wurde ein GI-Wert zugeordnet (vgl.
Tab. 1). Bislang liegen für etwa 750 Lebensmittel publizierte GI-Werte vor,
die meisten Daten beziehen sich jedoch auf Lebensmittel aus Kanada,
Australien oder den USA. Daher konnten nur 25 % der Lebensmittel direkt
Ernährungs-Umschau 52 (2005) Heft 4
Zur Diskussion gestellt
ten Mandarinen in Zuckersirup den GI
von Früchtecocktail in Zuckersirup).
Für Gemüse sind nur wenige GI-Werte
verfügbar, da man große Mengen dieser Lebensmittel verzehren müsste,
um 50 g Kohlenhydrate aufzunehmen.
Daher erhielten alle Gemüse, für die
kein GI vorlag, den Mittelwert aus den
verfügbaren GI-Werten für Möhren,
Erbsen, Kürbis und rote Beete (mittlerer GI: 59). Für verbleibende Lebensmittel wurden die GI-Werte anhand
von Rezepten, die in der Nährstoffdatenbank LEBTAB des FKE vorhanden
sind, berechnet (s. u.). Die übrigen
Lebensmittel (8 %), die hauptsächlich
Fett oder Protein und nur einen relativ
geringen Kohlenhydratanteil von unter 5 g/100 g enthalten, erhielten einen GI von 0.
ein publizierter GI-Wert zugeordnet
werden. Den anderen Lebensmitteln
wurde entweder der GI eines ähnlichen Lebensmittels zugeordnet (48 %)
oder der GI wurde berechnet (19 %).
Als ähnlich galten Lebensmittel der
selben Lebensmittelgruppe (z. B. erhielten Walnüsse den aus Cashewkernen und Erdnüssen gemittelten GI),
Lebensmittel aus der selben Region
(z. B. erhielten tropische Früchte den
GI anderer verwandter tropischer
Früchte), Lebensmittel, die vergleichbar zubereitet werden (z. B. erhielten
Kartoffelkroketten den GI von Pommes frites), Lebensmittel mit vergleichbaren Zutaten (z. B. erhielten
„honey loops“ den GI von „honey
smacks“) und Lebensmittel mit vergleichbarem Zuckergehalt (z. B. erhiel-
Tab. 1: Beispiel einer Tageskost von optimiX® für 4- bis 6-jährige Kinder1
Mahlzeit Lebensmittel
pro Lebensmittel
GI
g KH
GL g
Frühstück
70 g Roggenvollkornbrot
10 g Sonnenblumenmargarine
Wurstbrot
30 g Brühwurst-Aufschnitt
u. Bananen- 80 g Joghurt, 1,5 % Fett
Joghurt
50 g Bananen
50 g Milch, teilentrahmt,
1,5 % Fett
58
0
0
27
52
30
29
<1
<1
4
10
2
17
0
0
1
5
1
2. Frühstück 150 g Obst
10 g Haferflocken
Obstsalat
10 g Weizenkeime
200 ml Kräutertee
40
55
41
0
16
6
3
<1
6
3
1
0
Mittagessen 120 g Backofen-Pommes
30 g Ketchup
Pommes
70 g Hackfleischteig
frites,
15 g Rapsöl
Frikadellen 5 ml Essig
und Salat
50 g Paprika, grün, roh
50 g Tomaten, roh
2 g frische Kräuter
200 ml Mineralwasser
75
68
46
0
0
59
59
59
0
29
8
4
0
<1
2
1
<1
0
22
6
2
0
0
1
1
<1
0
Nachmittags-100 ml Apfelsaft
mahlzeit
100 ml Mineralwasser
30 g Fruchtgummi
40
0
78
11
0
24
4
0
19
Abendessen 70 g Weizenvollkornbrot
10 g Sonnenblumenmargarine
80 g Tomaten, roh
Gemüsebrot 40 g Paprika, grün, roh
und Frucht- 40 g Paprika, rot, roh
Buttermilch 150 g Buttermilch
70 g Bananen
5 g Zucker
Getränk (energiearm)
nach Belieben
71
0
59
59
59
35
52
68
28
<1
2
1
1
6
14
5
20
0
1
1
1
2
7
3
Gesamt pro Tag
206
Spannbreite aller 7 Tage
172–211
1
123
89–123
pro Mahlzeit
GI
GL (g pro
1000 kcal)
52
58
43
76
70
62
66
155
61
95
1
60
791
52–60
66–79
Dieser hinsichtlich des GI und der GL relativ ungünstigste Tagesplan wurde ausgewählt, um Details für die später diskutierten Mahlzeiten (Mittagessen, 2. Frühstück) zu liefern.
Ernährungs-Umschau 52 (2005) Heft 4
Auswertung
Grundlage der Auswertung bildeten
die 7-Tages-Speisepläne, die beispielhaft für 4- bis 6-jährige Kinder, 13- bis
14-jährige Mädchen bzw. Jungen entwickelt wurden (Beispielplan s. Tab. 1).
Für die Errechnung der mittleren
GI- und GL-Werte wurde die in klinischen und epidemiologischen Studien übliche Vorgehensweise herangezogen [25]. Die mittlere GL für die
7-Tage-optimiX®-Speisepläne, jeden
einzelnen Tagesspeiseplan und alle
einzelnen 35 (5 7) Mahlzeiten ergab
sich aus der Multiplikation der Menge
an verwertbaren Kohlenhydraten (g)
der entsprechenden empfohlenen Lebensmittel mit dem zugehörigen GI
und der Aufsummierung dieser Produkte (GL-Werte). Durch anschließende Division der Summe dieser Produkte durch die Summe der Kohlenhydratmengen erhielt man den mittleren GI.
Die mittlere GL soll über den glykämischen Effekt der tatsächlich verzehrten Kohlenhydratmengen Aufschluss geben. Bei Kindern und Jugendlichen variiert die Höhe des absoluten Kohlenhydratverzehrs jedoch
mit Alter und Geschlecht in Abhängigkeit von der Energiezufuhr, d. h., Unterschiede in der GL spiegeln wesentlich die unterschiedlich hohe Energiezufuhr wider. Um für die drei beispielhaften Alters- bzw. Geschlechtsgruppen der optimiX®-Speisepläne vergleichbare GL-Werte zu erhalten, folgten wir dem Vorschlag von EBBELING et
al. [8] und bezogen alle GL-Daten in
Gramm auf die Gesamtenergie, also
auf 1 000 kcal.
Die Bewertung der berechneten GIWerte basiert auf Richtwerten, die von
BRAND-MILLER et al. postuliert werden:
niedriger GI ≤55, hoher GI ≥70 [3]. Diese Autoren haben auch Richtwerte für
die Bewertung der GL einer Tageskost
insgesamt (niedrige GL <80 g, hohe GL
>120 g) bzw. einer Portion (niedrige
GL <10 g, hohe GL >20 g) vorgeschlagen, ohne jedoch zu erläutern, für welchen Gesamtenergiebedarf sie gelten
sollen. Für die hier vorgestellten Berechnungen für Kinder und Jugendliche mit deutlich unterschiedlichem Gesamtenergiebedarf wurde
eine Kohlenhydratzufuhr von 55 En%
(134 g/1 000 kcal) als gegeben angenommen und aus den Richtwerten für
den GI bei dieser Höhe der Kohlenhydrataufnahme folgende Richtwerte für
die GL abgeleitet: niedrige GL ≤74 g
pro 1 000 kcal; hohe GL ≥95 g pro 1 000
kcal.
141
Zur Diskussion gestellt
Tab. 2: Mittlere Nährstoffzufuhr (±SD) des 7-Tage-Speiseplanes optimiX® nach Altersgruppen
4- bis 6-jährige
Kinder
13- bis 14-jährige
Mädchen
55 ± 4
74 ± 8
105 ± 12
55 ± 4
75 ± 8
155 ± 12
55 ± 4
74 ± 7
184 ± 15
193 ± 14
22 ± 9
28 ± 4
49 ± 9
52 ± 11
1 419 ± 141
284 ± 8
34 ± 13
41 ± 5
72 ± 16
79 ± 16
2 100 ± 199
334 ± 8
39 ± 12
49 ± 7
87 ± 18
90 ± 14
2 481 ± 201
55 ± 4
6±2
31 ± 4
10 ± 1
55 ± 4
6±2
31 ± 4
10 ± 1
54 ± 4
6±2
31 ± 4
11 ± 1
7±2
15 ± 2
7±2
15 ± 3
7±2
15 ± 2
GI
GL (g pro 1 000 kcal)
GL (g pro Tag)
Kohlenhydrate (g/Tag)
Zucker (g/Tag)
Ballaststoffe (g/Tag)
Fett (g/Tag)
Eiweiß (g/Tag)
Energie (kcal/Tag)
Kohlenhydrate (En%)
Zucker (En%)
Fett (En%)
Gesättigte Fettsäuren (En%)
Mehrfach ungesättigte
Fettsäuren (En%)
Eiweiß (En%)
13- bis 14-jährige
Jungen
En%: Prozent der Gesamtenergie
Ergebnisse
Von den 35 Mahlzeiten für 4- bis
6-jährige Kinder hatten 23 Mahlzeiten einen niedrigen GI (≤55) und
18 Mahlzeiten eine niedrige GL pro
1 000 kcal (≤74). Der Speiseplan für
13- bis 14-jährige Mädchen (Jungen) enthielt 21 (22) Mahlzeiten mit
einem niedrigen GI und 17 (21)
Im Mittel aller 7 Tage lag der GI der
optimiX®-Speisepläne für 4- bis 6-jährige Kinder, 13- bis 14-jährige Jungen
und 13- bis 14-jährige Mädchen bei 55
und die GL, bezogen auf 1 000 kcal, bei
74–75 g (Tab. 2).
Tab. 3: GI- und GL-Werte1 ausgewählter Mahlzeiten der optimiX®-Speisepläne vor und
nach dem Austausch der Lebensmittel mit hohem GI gegen ähnliche Lebensmittel mit
niedrigerem GI2 beispielhaft für 4- bis 6-jährige Kinder
Mahlzeit
Lebensmittel
Zwischenmahlzeit
(5. Tag vgl.
Tab. 1)
100 ml Apfelsaft
100 ml Mineralwasser
30 g3 Fruchtgummi
4
Frühstück
(2. Tag)
Zwischenmahlzeit
(1. Tag)
pro Lebensmittel
GI
g KH GL g
40
0
78
25 g Doppelkeks mit
Kakaocremefüllung
52
80 g Apfel, roh
200 ml Kräutertee
100 ml Milch, 1,5% Fett
50 g Cornflakes
38
0
30
81
50 g Cornflakes Vollkorn
mit Früchten
56
60 g Karotten, roh
200 ml Kräutertee
10 g Kalbsleberwurst
40 g Weizenbrot aus
Vollkornmehl
47
0
0
71
40 g Weizenvollkornbrot
aus ganzen Körnern
52
11
0
24
15
9
<1
5
39
32
3
<1
0
16
15
pro Mahlzeit
GI
GL (g pro
1 000 kcal)
4
0
19
66
155
47
80
68
141
49
90
65
99
54
81
8
4
0
1
32
18
1
0
0
11
8
1
Kriterien für GI und GL: niedriger GI ≤55%, hoher GI ≥70%; niedrige GL ≤74 g pro1 000 kcal, hohe GL ≥95 g pro1 000
kcal; 2auszutauschende Lebensmittel mit hohem GI sind fett gedruckt. Alternativvorschläge mit niedrigerem GI sind
grün umrandet. Die Austauschvorschläge sind nicht hinsichtlich der Nährstoff- und Energiezufuhr optimiert; 330 g
Fruchtgummi entsprechen z. B. 30 kleinen bzw. 10 großen Gummibärchen; 425 g entsprechen einem Doppelkeks mit
Kakaocremefüllung
142
Mahlzeiten mit niedriger GL pro 1 000
kcal.
Für 3 der 35 einzelnen Mahlzeiten
des Beispielspeiseplans ergaben sich
in jeder Altersstufe sehr hohe GL-Werte (Tab. 3). So führten Cornflakes (GI:
81) im Frühstück zu berechneten GLWerte pro 1 000 kcal von 140–144 g;
Fruchtgummi (GI: 78) in einer Zwischenmahlzeit bewirkte je nach Altersstufe GL-Werte pro 1000 kcal von
155–157 g. In einer weiteren Zwischenmahlzeit führte der relativ hohe
GI von Weizenvollkornbrot zu hohen
GL-Werten der Mahlzeit von 88 bis
99 g/1 000 kcal. Exemplarisch für 4bis 6-jährige Kinder zeigt Tabelle 3,
wie die GL-Werte durch den Austausch der Lebensmittel mit hohem
GI gegen ähnliche Lebensmittel mit
niedrigerem GI gesenkt werden könnten. Diese Austauschvorschläge dienen nur als Diskussionsgrundlage und
sind – anders als die optimiX®-Beispielpläne – nicht hinsichtlich der
Nährstoff- und Energiezufuhr optimiert.
Bei zwei weiteren Mahlzeiten erreichten die GI-Werte in allen Altersgruppen den oberen Richtwert von 70.
Verantwortliche Lebensmittel waren
hier eine mit Salami belegte Scheibe
Vollkornbrot aus Weizenvollkornmehl
(ohne Körner) (GI: 71) und BackofenPommes frites (GI: 75, vgl. Tab. 1).
Diskussion
Praxisnahe Ansätze zur Senkung des
GI und der GL in der Kost erfreuen
sich derzeit hoher Aufmerksamkeit
unter manchen Ernährungswissenschaftlern und der interessierten Öffentlichkeit. Diese Konzepte reichen
von Lebensmittelpyramiden, die sich
ausschließlich am GI der Lebensmittel
orientieren [20, 32], über die Kombination einer bevorzugten Auswahl von
Lebensmitteln mit niedrigem GI mit
einer fettmodifizierten, kohlenhydratärmeren Kost [30], bis hin zur Senkung der GL allein durch eine restriktive Kohlenhydratzufuhr (so genannte
„Low-carb“-Diäten). Angesichts der
noch nicht ausreichenden Evidenz für
die mittel- und langfristigen Gesundheitsvorteile einer Kost mit niedrigem
GI bzw. niedriger GL erscheinen diese
Konzepte häufig unbegründet drastisch.
In der vorliegenden Untersuchung
konnte gezeigt werden, dass das kohlenhydratreiche Präventionskonzept
optimiX® für Kinder und Jugendliche
auch ein Beispiel für eine nährstoffopErnährungs-Umschau 52 (2005) Heft 4
Zur Diskussion gestellt
timierte Kost mit niedrigem GI und
energiebezogen niedriger GL ist. Gegenüber den oben genannten drastischen Ansätzen bietet dieses Konzept
den Vorteil, dass es die Ernährungsgewohnheiten deutscher Kinder und Jugendlicher berücksichtigt, den Nährstoffbedarf in Wachstum, Entwicklung
und Gesundheit nachweislich deckt
und mit den derzeit gängigen Präventionsempfehlungen konform geht.
Bei den vorliegenden GI- und GLWerten für optimiX® handelt es sich
um berechnete GI- und GL-Werte, die
auf zugeordneten, publizierten Daten
basieren (vgl. Methodik). Inwieweit
sich der GI einer Mahlzeit aus den GIs
der Zutaten prognostizieren lässt, ist
jedoch umstritten: Einige Autoren berichten nur einen niedrigen prognostischen Wert [9, 14], andere fanden
hingegen eine hohe Korrelation von
errechneten und gemessenen Werten
und eine gleichbleibende Hierarchie
der Blutzuckerwirksamkeit von Lebensmitteln, unabhängig von der Zusammensetzung oder Zubereitung der
Kost [1, 5, 31]. Darüber hinaus liegen
für viele in Deutschland üblicherweise
verzehrte Lebensmittel keine GI-Daten vor (z. B. deutsche Vollkornbrote)
[11], so dass hier bei 48 % der Lebensmittel der GI-Wert eines ähnlichen Lebensmittels verwandt und für 19 % der
Lebensmittel ein GI errechnet wurde.
Insgesamt sollten die errechneten GIDaten daher nur als Orientierungswerte interpretiert werden. Andererseits bietet diese in klinischen und
epidemiologischen Studien übliche
Vorgehensweise die einzige Möglichkeit zur Schätzung der GI-Werte, da
die experimentelle Ermittlung der GIWerte mit wiederholten Bluttests bei
Kindern und Jugendlichen ethisch
nicht vertretbar wäre.
Im Vergleich mit Interventionsstudien zu den Auswirkungen einer Kost
mit niedrigem GI auf den Fett- und
Zuckerstoffwechsel sowie das Körpergewicht erscheinen die mit optimiX®
erzielten Werte durchaus günstig.
Zwar liegen für stoffwechselgesunde
Kinder und Jugendliche keine Interventionsstudien vor, die in optimiX®
erreichten GI- und GL-Werte fallen jedoch bereits in den Bereich von Studiendiäten für Stoffwechselkranke, die
hinsichtlich des GI optimiert sind.
Dies zeigt sowohl der Vergleich mit einer Reduktionskost mit niedrigem GI
für adipöse Jugendliche (Interventionskost GI: 53, GL: 69 g pro 1 000 kcal
vs. Kontrollkost GI: 56, GL: 79 g pro
1 000 kcal) [8] als auch der Vergleich
mit 7 Interventionsstudien an zumeist
übergewichtigen Frauen und Männern mittleren Alters (n = 11–55, Interventionskost GI: 40–54, GL: 40–74 g pro
1 000 kcal vs. Kontrollkost GI: 56–75,
Zusammenfassung
Der Glykämische Index und die Glykämische Last der optimierten Mischkost
optimiX®
A. Buyken, A. Wendt, M. Kersting, A. Kroke, Dortmund
Die vorliegende Studie ermittelte den glykämischen Index (GI) und die glykämische Last (GL) der optimierten Mischkost optimiX®. optimiX® wurde vom Forschungsinstitut für Kinderernährung für Kinder und Jugendliche entwickelt und
beinhaltet einen beispielhaften 7-Tages-Speiseplan.
Anhand publizierter GI-Werte wurden für alle Mahlzeiten die GI- und GL-Werte
errechnet. Deren Bewertung basierte auf folgenden Richtwerten: niedriger GI
≤55, hoher GI ≥70, niedrige GL ≤74 g, hohe GL ≥95 g pro 1000 kcal.
Im Mittel aller 7 Tage lag der GI der optimiX®-Kost sowohl für 4- bis 6-jährige
Kinder als auch für 13- bis 14-jährige Jungen und 13- bis 14-jährige Mädchen bei
55 und die GL lag bei 74 g pro 1 000 kcal. Für 5 der 35 einzelnen Mahlzeiten des
Beispielspeiseplans ergaben sich hohe GI- oder GL-Werte. Cornflakes (GI: 81)
und Fruchtgummi (GI: 78) führten dabei zu GL-Werten von bis zu 144 und 157 g
pro 1 000 kcal für ein Frühstück bzw. eine Zwischenmahlzeit. Durch den Austausch dieser Lebensmittel gegen ähnliche Lebensmittel mit niedrigerem GI
(z. B. Cornflakes gegen Vollkorncornflakes mit Früchten) lassen sich die Werte
jedoch senken. Bei drei weiteren Mahlzeiten wurden die oberen Richtwerte für
den GI bzw. die GL erreicht. Verantwortliche Lebensmittel waren hier Vollkornbrot aus Weizenvollkornmehl (ohne Körner) (GI: 71) und Pommes Frites (GI: 75).
optimiX® stellt eine praktische Umsetzung der aktuellen Referenzwerte der
Deutschen Gesellschaft für Ernährung dar, die sich auch durch einen niedrigen
GI und eine niedrige GL auszeichnet.
Ernährungs-Umschau 52 (2004), pp. 140–144
Ernährungs-Umschau 52 (2005) Heft 4
GL: 72–114 g pro 1 000 kcal) [2, 4, 12,
15, 16, 18, 22].
Um die Akzeptanz von optimiX® zu
gewährleisten, enthalten die Beispielpläne auch „geduldete“ Lebensmittel
mit geringer Nährstoffdichte, die bis
zu 10 % der Gesamtenergiezufuhr liefern. Interessanterweise war gerade
die GL zweier Mahlzeiten mit diesen
„geduldeten“ Lebensmitteln deutlich
erhöht. Aufmerksamkeit verdient hier
insbesondere die Frühstücksmahlzeit
mit Cornflakes (GI: 81). Das GI-/GLKonzept postuliert, der Verzehr von
Mahlzeiten mit hohem GI erhöhe die
Insulinausschüttung stark und hemme die Glukagonfreisetzung deutlich,
eine Stoffwechsellage, die auch 2 bis 4
Stunden nach einer Mahlzeit mit hohem GI noch anhalte, obwohl keine
weiteren Nährstoffe angeliefert werden. In der Folge könne der Blutzuckerspiegel bis hin zur Unterzuckerung absinken, was zu Hunger und
vermehrten Nahrungsverzehr führe
[21]. Gemäß dem Modell wäre auf
Grund eines möglichen Dominoeffektes insbesondere ein hoher GI bzw.
eine hohe GL in der 1. Hauptmahlzeit
des Tages bedenklich, die sich jedoch
durch einen Austausch der „einfachen“ Cornflakes gegen andere Frühstückszerealien mit niedrigerem GI
deutlich senken lassen.
Kritische Anmerkungen erfordert
zudem der Verzehr von Fruchtgummis
(basierend auf Glukosesirup, GI: 78).
Aus Sicht des GI-/GL-Konzeptes ist die
häufige Bevorzugung von Fruchtgummis gegenüber fettreichen Süßigkeiten wie z. B. Schokolade nicht gerechtfertigt. Bei seltenem maßvollem
Verzehr – wie in optimiX® vorgesehen
– dürften sich zudem die hohe
Energiedichte und der hohe Fettgehalt
einer fettreichen Süßigkeit kaum auf
die mittleren 7-Tages-Nährstoffdaten
auswirken. Insgesamt scheint es daher
nicht sinnvoll, innerhalb der Gruppe
der Süßigkeiten zwischen „günstigen“
und „ungünstigen“ zu unterscheiden;
von Bedeutung ist letztlich lediglich
deren geringer Anteil an einer gesunden Kost.
Neben diesen nachvollziehbar kritischen Punkten hinsichtlich des GI
bzw. der GL ergab die Auswertung der
einzelnen Mahlzeiten auch Hinweise
darauf, dass der Verzehr von Weizenbrot aus Vollkornmehl zu einer hohen
GL führen kann, die sich durch den
Austausch gegen Weizenvollkornbrot
aus ganzen Körnern senken ließe. Da
die zu Grunde liegenden GI-Daten jedoch nicht auf Analysen von Lebens-
143
Zur Diskussion gestellt
mitteln aus Europa beruhen, kann
hierzu keine abschließende Aussage
getroffen werden. In der Ernährung
von Kindern und Jugendlichen ist ein
regelmäßiger Verzehr von Vollkornbrot
auf Grund des hohen Ballaststoffgehaltes und der höheren Nährstoffdichte insgesamt bereits als Erfolg zu werten.
Der Verzehr von Kartoffeln war in
optimiX® aus Sicht des GI-/GL-Konzeptes weit weniger kritisch zu beurteilen als häufig angenommen. So
führte der Verzehr von Backofen-Pommes frites (GI: 75) und gekochten Kartoffeln (GI: 54) zu GI-Werten von 70
bzw. 69 in den entsprechenden Mahlzeiten, was gerade dem Grenzwert für
einen hohen GI entspricht. Allerdings
wäre ein regelmäßiger Verzehr von
Kartoffelzubereitungen mit hohem
GI (Pommes frites, Kartoffelpüree,
Backofenkartoffel) für den GI und die
GL der Kost von Kindern und Jugendlichen eher ungünstig.
Abschließend legen die Daten den
generellen Schluss nahe, dass sich
praktische Umsetzungen der aktuellen Referenzwerte der Deutschen Gesellschaft für Ernährung für Kinder
und Jugendliche, wie sie durch optimiX® vorgeschlagen werden, in der
Regel auch durch einen niedrigen GI
und eine niedrige GL auszeichnen.
Literatur:
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144
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Korrespondenzadresse:
Dr. oec. troph. Anette E. Buyken, PhD
Forschungsinstitut für
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Heinstück 11
44225 Dortmund
E-Mail: [email protected]
Ernährungs-Umschau 52 (2005) Heft 4
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