Vorwort Luise Rinser, eine der meistgelesenen deutschen Autorinnen des letzten Jahrhunderts, wurde anlässlich ihres 100. Geburtstags am 30. April 2011 wieder aktuell. Zu diesem Jubiläum erschien eine umfangreiche und gründlich recherchierte Biografie von José Sánchez de Murillo.1 Doch auch manche Medien nahmen den Termin zum Anlass, sich mit Luise Rinser zu befassen. Allerdings lag der Schwerpunkt vor allem auf der Frage nach der Rolle, die sie im Dritten Reich gespielt hat. Dies führte dazu, dass ihr Bild wieder einmal stark verzerrt wurde. Die – zum Teil bis dato noch nicht bekannten – Einzelheiten werden in der Biografie eingehend behandelt und in ihrem historischen und menschlichen Kontext dargestellt. Damit wurde der einseitigen und meist auch recht oberflächlichen Darstellung der Medien eine fundierte Analyse gegenübergestellt, die eine Grundlage für eine nicht nur faktische, sondern auch psychologisch und historisch begründete Sicht bietet. Aufgrund der weitverbreiteten Neigung, jene Gesichtspunkte hervorzuheben, die den Charakter des „Sensationellen“ in sich tragen, geriet die Tatsache in den Hintergrund, dass Luise Rinser in erster Linie Schriftstellerin war. Sie hat ein umfangreiches Werk hinterlassen, in dem sie auch eine Idee, eine Lebensauffassung zu vermitteln suchte, die für Generationen von Frauen und Männern wichtig und wegweisend wurde. Darauf sollte eine von der Luise Rinser-Stiftung geplante Tagung ihre Aufmerksamkeit richten. Ursprünglich war geplant, es in einen größeren Zusammenhang zu stellen. So sollte, wie das Thema der Tagung – „Vom Ursprung der Dichtung“ – erwarten lässt, nicht nur von Luise Rinser die Rede sein; vielmehr dachten wir an eine Ergründung des Phänomens „Dichtung“ und seiner Ursprünge. Im Zuge der Vorbereitung erwies sich, dass dieser Rahmen wohl doch zu weit und anspruchsvoll gesetzt war und außerdem mehr Zeit erfordert hätte, als an einem Wochenende zur Verfügung stand. So konzentrierte die Tagung sich schließlich doch auf Luise Rinser. Sehr früh war uns klar, dass der richtige Ort hierfür Wessobrunn sei. In dem kleinen Dorf in der idyllischen Landschaft des oberbayerischen „Pfaffenwinkels“ gibt es ein kleineres, erst vor wenigen Jahren eröffnetes „Studienhaus“, das wegen seiner Lage, Größe und Atmosphäre für diese Veranstaltung der ideale Rahmen schien. Wessobrunn – „Ort meiner Kindheit“ – hatte für Luise Rinser eine fast mythische, ja sakrale Bedeutung. Dort wurde sie als Dichterin geboren. Mit dem Ort, an dem sie als Kind häufig die Ferien verbrachte, war sie durch zwei Persönlichkeiten eng verbunden: Pfarrer des Ortes und Geistlicher im Kloster der Benediktinerinnen war Franz Hörtensteiner, ein origineller Kirchenmann, José SÁNCHEZ 2011. DE MURILLO, Luise Rinser. Ein Leben in Widersprüchen, Frankfurt a. M. © 2012 W. Kohlhammer, Stuttgart 1 10 Vorwort der für Luises Entwicklung eine wichtige Rolle spielte. Eine Schwester von Luise Rinsers Mutter, Franziska, genannt Tante Fanny, war dessen Haushälterin. Mit ihr verband die kleine Luise eine innige Zuneigung, da sie bei ihr viel Wärme und Verständnis erfuhr, also einen Ausgleich zur Strenge und Härte der Eltern erlebte. In der großen Klosteranlage mit ihrem weitläufigen Garten konnte sich das Kind – von Natur, Kunst und Religiosität umgeben – frei entfalten. In diesem Umfeld wurde das junge Mädchen ergriffen durch die Entdeckung der Welt des Geistes, von der es wesenhaft geprägt wurde. Luise Rinsers menschliche und künstlerische Entwicklung ist ohne diese Grunderfahrung nicht zu verstehen und nachzuvollziehen. In Wessobrunn ereignete sich ihre entscheidende dichterische Seinserfahrung, die sie für immer prägte. Die Vorträge der Tagung, die im Mai 2011 stattfand, sind in diesem Band abgedruckt. Einzelne Beiträge besonders hervorzuheben, schiene mir unangebracht, da jeder einen besonderen Aspekt behandelte und daher nur alle zusammen ein vielschichtiges Bild von Luise Rinsers Persönlichkeit vermitteln. Dennoch soll auf eine Veranstaltung besonders hingewiesen werden, da sie nicht in der Form eines Referates stattfand und daher auch kein Text abgedruckt werden kann: die Piano-Performance „Vom Klang des Lebens – Luise Rinser und die Musik“ von Peter Michael Hamel und seinem Sohn Johnny (eine CD mit der Aufnahme dieses Abends liegt diesem Band bei). Welche Rolle die Musik im Leben Luise Rinsers spielte, kam auch zur Sprache im Vortrag von Walter-Wolfgang Sparrer über ihre Beziehung zu dem koreanischen Komponisten Isang Yun. Außerdem sei auf das Kapitel über ihre Ehe mit Carl Orff in der Biografie von José Sánchez hingewiesen. Allgemein kann man wohl feststellen, dass die Bedeutung der Musik für die Autorin und ihr tiefes Verständnis musikalischer Fragen bisher noch zu wenig beachtet wurden. In den Rahmen der Tagung war auch die Enthüllung eines Denkmals – angefertigt nach einem Entwurf von Ulla M. Scholl – für Luise Rinser im Garten des Rathauses von Wessobrunn eingebettet, für das sich Bürgermeister Helmut Dinter in einer Jahre dauernden Auseinandersetzung in der Gemeinde konsequent eingesetzt hatte. Im Anschluss daran sprach José Sánchez noch „Über die Stille“, und darin besonders über Luise Rinsers Lieblingsdichter Hölderlin. © 2012 W. Kohlhammer, Stuttgart An dieser Stelle sei allen gedankt, die auf die je angemessene Weise zum Gelingen der Tagung beigetragen haben. An erster Stelle gebührt Dank dem Bürgermeister von Wessobrunn, Helmut Dinter, der die Organisatoren schon in der Vorbereitungsphase auf besonders entgegenkommende und wohlwollende Art unterstützt und auch im weiteren Verlauf mit seiner Hilfe und seinem Engagement begleitet hat. Großer Dank sei auch den Damen der Studienstiftung, Andrea Riecken und Sabine Steif, gesagt, ohne deren Einsatz Vorwort 11 die Durchführung der Tagung nicht möglich gewesen wäre. Vor allem Sabine Steif stand uns während der gesamten Veranstaltung in ihrer liebenswürdigen Art unermüdlich mit Rat und Tat zur Seite. Sehr zum Gelingen hat auch der Catering-Service des Hotels „Zum Eibenwald“ beigetragen, dessen Besitzer, Michael Daisenberger, uns ausgezeichnet mit Speis und Trank versorgt hat. Es sei auch allen Damen und Herren von Herzen gedankt, die mit ihren Ausführungen die Tagung zu einer Quelle neuer Erkenntnisse werden ließen. Auch alle Teilnehmer, die kein Referat zu halten hatten, trugen durch ihre interessierte und engagierte Beteiligung dazu bei, dass schließlich alle dankbar und erfüllt den Tagungsort verließen. Christoph Rinser © 2012 W. Kohlhammer, Stuttgart Im Frühjahr 2012