Anorexia Nervosa

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1. Fachtagung für Psychologische Psychotherapie
am 8. April 2005
Anorexia Nervosa
Eine komplexe psychische Störung
Dr. Karoline Weiland-Heil
Psychologisches Ambulatorium
Fachbereich I – Psychologie
Universität Trier
Dr. K. Weiland-Heil, Universität Trier
1. Fachtagung für Psychologische Psychotherapie, 8. April 2005
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Inhalt
Anorexia Nervosa
Eine Zeitgeisterscheinung?
Eine eigenständige psychische Störung!
Der Weg in die Anorexia Nervosa
Risikofaktoren
Negative Selbstbewertungen
Familiäre Risikofaktoren
Auslösende Faktoren
Aufrechterhaltende Faktoren
Der Weg aus der Anorexia Nervosa
Therapeutisches Vorgehen
Verlauf und Heilungschancen
Fazit: Therapeutische Beziehung als Herausforderung
Zusammenfassung
Dr. K. Weiland-Heil, Universität Trier
1. Fachtagung für Psychologische Psychotherapie, 8. April 2005
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Anorexia Nervosa (AN) aus drei Perspektiven
Eindrucksperspektive
= Urteile und/oder Vorurteile
Fachliche Perspektive
= Empirische Forschungsergebnisse,
Einschätzung erfahrener KlinikerInnen
Innenperspektive
= Sichtweise der Betroffenen
Dr. K. Weiland-Heil, Universität Trier
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Ein Zitat aus dem Jahr 1888
(Playfair, nach Gerlinghoff et al., 1999)
•
„... Ich habe selten einen Fall gesehen, bei dem nicht Überarbeitung
oder Spannung vorausgegangen wären. Ich habe viele Beispiele
von jungen Mädchen gesehen, bei denen die Anorexie Folge
belastender Studien für irgendwelche höheren Examina für Frauen
war, wie sie jetzt so in Mode sind. Andere häufige Ursachen
ähnlicher Art sind Trauerfälle in der Familie, materielle Verluste,
Enttäuschungen in der Liebe, körperliche Überanstrengungen durch
Sport, die ich bei beiden Geschlechtern als Ursache sah. ...Die
befremdliche Weise, in welcher eine derartige Krankheit durch
moralische Vorhaltungen, durch unverständiges Mitleid, durch
übertriebenes, unkluges Herumdoktern und ähnliches gefördert
wird, führt zu einem der typischen Merkmale und stellt eine der
größten Schwierigkeiten im Verlauf der Behandlungen dar.“
(Hervorhebungen durch K. Weiland-Heil)
Dr. K. Weiland-Heil, Universität Trier
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Anorexia Nervosa - eine Zeitgeisterscheinung?
Eindrucksperspektive:
Anorexia Nervosa ist häufiger geworden
Innenperspektive:
Hungern und Dürrsein werden als einzigartige
Leistung verstanden
Wir-Gefühl als Anorektikerinnen
Dr. K. Weiland-Heil, Universität Trier
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Inzidenz und Prävalenz von Anorexia Nervosa
Fachliche Perspektive
Inzidenz
Keine Zunahme der Inzidenz zwischen 1970 und 1992 (Fombonne, 1995)
Prävalenz
1% in der Gruppe der 15-20jährigen (Steinhausen, 2005)
1% der Frauen zwischen dem 15. und 30. Lebensjahr (APA, 2000)
Zum Vergleich:
Bulimie:
zwischen 2 und 3%
Angststörungen:
zwischen 13 und 15%
Affektive Störungen: zwischen 9 und 13%
Veränderte Diagnosekriterien
DSM 1972: Gewichtsverlust von 25%,
Vergnügen am Gewichtsverlust
DSM 1996: Gewichtsverlust von 15%,
ausgeprägte Angst vor Gewichtszunahme
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Anorexia Nervosa –
eine eigenständige psychische Störung
Ethymologie:
„Magersucht“ kommt nicht von Sucht, sondern von siech = krank, hinfällig
Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren:
Essstörungen als nicht stoffgebundene Sucht
Hauptargument: Kontrolle und Kontrollverlust
Häufige prä- und komorbide andere Störungen (Quelle u.a. APA, 2000):
Depression:
prämorbid zwischen 50 und 75%
Zwangsstörungen: prämorbid zwischen 27 und 64%;
postmorbid bis zu 25%
Angststörungen:
mehr generalisierte Angststörung,
soziale und einfache Phobien
Zum Vergleich Bulimia Nervosa:
mehr soziale Phobien und Agoraphobien
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Zusammenfassung
- Anorexie ist eine komplexe psychische Störung.
Sie als Zeitgeisterscheinung abzutun greift zu kurz.
Es greift auch zu kurz, sie den Suchtkrankheiten zuzuordnen.
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Inhalt
Anorexia Nervosa
Eine Zeitgeisterscheinung?
Eine eigenständige psychische Störung!
Der Weg in die Anorexia Nervosa
Risikofaktoren
Negative Selbstbewertungen
Familiäre Risikofaktoren
Auslösende Faktoren
Aufrechterhaltende Faktoren
Der Weg aus der Anorexia Nervosa
Therapeutisches Vorgehen
Verlauf und Heilungschancen
Fazit: Therapeutische Beziehung als Herausforderung
Zusammenfassung
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Der Weg in die Anorexia Nervosa
Eindrucksperspektive:
Risikofaktoren, die häufig mit AN in Verbindung gebracht werden:
• die Unfähigkeit zu einer realistischen Körperwahrnehmung
• die gesellschaftliche Betonung von Schlankheit
• das Nicht Akzeptieren der Rolle als Frau
• ein negatives Selbstwertgefühl
• das Entstammten aus „Magersuchtsfamilien“
• häufiger sexueller Missbrauch
• Perfektionismus und Zwanghaftigkeit
Innenperspektive:
• „Es gibt nicht nur einen Grund oder Auslöser“,
• „Jede Magersüchtige ist anders“,
• „da ist soviel zusammengekommen“,
• „Meine Magersucht war ein Puzzle“
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Der Weg in die Anorexia Nervosa - Risikofaktoren
Fachliche Perspektive
Die Untersuchung von Fairburn et al., 1999:
67 weibliche Anorektikerinnen
Kontrollgruppen:
204 gesunde Vpn
102 Personen mit anderen Störungen
102 Bulimikerinnen
Unterteilung der Risikofaktoren in drei Bereiche:
1. Persönliche Risikofaktoren
2. Umweltfaktoren
3. Diätspezifische-Risikofaktoren
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Risikofaktoren
Ausgewählte Ergebnisse von Fairburn et al., 1999
Im Vergleich mit der nicht klinischen Kontrollgruppe waren die Anorektikerinnen
folgenden Faktoren in den drei Risikobereichen signifikant häufiger ausgesetzt:
Persönliche Risikofaktoren:
• negative Selbstbewertung,
• Perfektionismus,
• keine engen Freunde,
• prämorbide major Depression,
• Drogenmissbrauch
• Selbstverletzung,
• elterliche Depression,
• physischer u/o. sex. Missbrauch
Umweltfaktoren:
• elterliche Streitereien,
• elterliche Kritik,
• hohe elterliche Erwartungen,
• Geringes Engagement der Eltern
• Minimale Zuneigung
• Überprotektive Mütter und Väter
• häufige Umzüge,
Diätspezifische-Risikofaktoren:
• Diäthalten von Familienmitgliedern
• Kritische Kommentare über Figur, Gewicht
oder Essen durch Familienmitglieder
• Elterliche Geschichte von BN oder AN
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Risikofaktoren
Ausgewählte Ergebnisse von Fairburn et al., 1999
Vergleich mit der psychiatrischen Kontrollgruppe:
Anorektikerinnen sind:
• negativer in ihrer Selbstbewertung,
• höher in ihrem Perfektionismus,
Umweltfaktoren und diätspezifische-Risikofaktoren sind keine unabhängigen
Prädiktoren, sondern führen nur in Verbindung mit persönlichen Risikofaktoren
zu einer Anexorie.
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Risikofaktoren
Ausgewählte Ergebnisse von Fairburn et al., 1999
Vergleich mit den Bulimikerinnen:
Anorektikerinnen und Bulimikerinnen sind gemeinsam
einer Vielzahl von persönlichen, umweltspezifischen und
diätspezifischen Risikofaktoren ausgesetzt!
Spezifisch für Bulimikerinnen:
• Mehr Kinheitsübergewicht
• Mehr elterliches Übergewicht
• Häufigere psychiatrische Störungen der Eltern
• Häufigere Hänseleien wegen Übergewicht.
• Frühere Menarche (im Vergleich auch mit allen anderen Kontrollgruppen)
Bulimikerinnen sind den diätspezifschen Faktoren häufiger ausgesetzt
als die anderen Kontrollgrollgruppen (auch als die Anorektikerinnen).
Diese diätspezifschen Faktoren wirken –anders als bei den Anorektikerinnen- unabhängig von den persönlichen und den Umweltfaktoren!
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Spezifika der negativen Selbstbewertungen
Untersuchung von Björck et al.(2003) zur Selbstwahrnehmung von
essgestörten Frauen (Anorexie, Bulimie, Binge Eating Disorder und EDNOS)
mit Hilfe der Structural Analysis of Social Behavior (SASB):
Selbstemanzipation
Selbstvernachlässigung
Selbstbestätigung
aktive Selbstliebe
Selbsthass
Selbstschutz
Selbsttadel
Selbstkontrolle
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Spezifika der negativen Selbstbewertungen
Ergebnisse: Essgestörten Frauen haben - im Vergleich zu einer nicht-klinischen
Kontrollgruppe - signifikant negativere Selbstwahrnehmungen.
Selbstemanzipation
Selbstvernachlässigung
Selbstbestätigung
aktive Selbstliebe
Selbsthass
Spezifisch
für Anorexie:
Selbstschutz
Selbsttadel
Selbstkontrolle
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Spezifika der negativen Selbstbewertungen
Innenperspektiven
- Irgendwie wollte ich auffallen. Wenn ich schon sonst nichts Hervorragendes zu
bieten hatte, so wollte ich doch die Aufmerksamkeit auf meine überschlanke
Figur ziehen.
- Eine genaue Erklärung habe ich auch nicht, aber es kam vieles zusammen:
ich fand mich furchtbar hässlich, hatte Liebeskummer, hatte das Gefühl nicht
genug zu erzählen zu haben (mir fiel nie etwas Gescheites ein). Ich steigerte
mich immer mehr hinein, wie unmöglich und nicht liebenswert ich sei.
Selbstbewusstsein war gleich null.
- Ich glaube, dass mir das Vertrauen fehlt, einfach so auf der Welt existieren
zu dürfen. Ich wäre deshalb auf jeden Fall neurotisch geworden. Dass es
ausgerechnet Magersucht war, liegt wahrscheinlich daran, dass einem durch
Zeitschriften, Filme etc. dauernd suggeriert wird, als Frau bekäme man mit
einem schlanken Körper Anerkennung. Als Mann wäre ich wahrscheinlich
eher arbeitssüchtig geworden.
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Familiäre Risikofaktoren
Eindrucksperspektive:
Anorektikerinnen entstammen Magersuchtsfamilien.
Diese sind:
- wohlhabend – der goldene Käfig.
- vermascht, erlauben keine autonome Entwicklung.
- „Kühlschrank-Familien“, in denen wenig Emotionalität
zugelassen wird.
- in erster Linie leistungsorientiert.
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Familiäre Risikofaktoren
Fachliche Perspektive
Empirisch nachgewiesene Risikofaktoren
Fairburn et al. (1999): Elterliche Kritik, hohe Erwartungen bei gleichzeitigem geringer
emotionaler Zuwendung, Überprotektion, elterliche Streitereien,
elterliche Depression
Steinhausen (2005):
Es gibt kein spezifisches Muster der Familieninteraktion,
allerdings ein nicht näher bezeichnetes Ausmaß an familiärer
Dysfunktion.
Thiels (2004):
hohe elterliche Erwartungen;
kein kausaler Zusammenhang zwischen sexuellem Missbrauch
und AN: 30% der Essgestörten sind in ihrer Kindheit sexuell
missbraucht worden.
Aber: sexueller Missbrauch erhöht das Risiko psychiatrischer
Erkrankungen allgemein, nicht jedoch das speziell für
Essstörungen.
Analyse ausgewählter
Untersuchungen
ab 1993
Chassler (1997):
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Überproportional viele ambivalente Bindungsmuster gerade
bei Anexoria Nervosa.
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Familiäre Risikofaktoren
Fachliche Perspektive
Erfahrungen klinischer ExpertInnen:
Bruch (1973):
• Hohe Erwartungen bei gleichzeitiger Furcht vor Versagen
• Materielle Vergünstigungen als Verpflichtung, etwas Besonderes
zu sein
• Körperschemastörung als Ausdruck von Kampf um Autonomie
Gerlinghoff et al.(1999):
• man“-Orientierung
• „Mehltau“
Reich & Cierpka (2001):
Ich-Ideal von Leistung, Perfektion und Selbstkontrolle
Anorexie Nervosa als…
• Abgrenzung von den Eltern, ohne Forderungen zu stellen
• Autonomie ohne offene Trennung
• Aggression gegen Eltern ohne sich als aggressiv zu
erleben
• Anklage ohne anzuklagen
• Suche nach Aufmerksamkeit ohne offene Konkurrenz
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Familiäre Risikofaktoren
Innenperspektive
„Das einzige Mal, das ich mich jemals durchsetzte und tat was ich wollte, ohne
manipuliert zu werden von meiner Mutter, war während meiner Essstörung.“
„Trotz guter schulischer Leistungen und eigentlich durchweg guten Geratens
war sie nie zufrieden mit mir – es hätte eben alles noch eine Spur besser
sein können. Ich fühlte mich eingepfercht in die Rolle als vorzeigbare Tochter
aus gutem Hause – vermutlich war die Anorexie einer von vielen Versuchen
auszubrechen!“
„Wenn ich gesund wäre, würden sie mich nicht beachten.“
„Die anderen Leute gehen immer vor!“
„Wenigstens angesichts der eigenen Gestalt muss der Mensch doch die
Wahlfreiheit haben!“
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Zusammenfassung
- Anorexie hat einen komplexen ätiologischen Hintergrund.
auf individueller Seite: negative Selbstevaluationen und Perfektionismus
familiärer Kontext: hohe Leistungserwartungen und geringe emotionale Sicherheit
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Auslösefaktoren
Massive körperliche Veränderung während der Adoleszenz.
Erhöhte Autonomie- und Anpassungsanforderungen,
die das Individuum überfordern, z.B.
• Schulwechsel
• Umzug
• Ferienlager
• Schwere Belastungen der Familie
• Trennungs- und Verlusterfahrungen
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Aufrechterhaltende Faktoren
Körperliche und biochemische Prozesse durch Fasten
verändern Verhalten, Gefühle und Denken
(Stice, 2002; Steinhausen, 2005).
Der anorektische
Teufelskreis
Sozial-kognitive Prozesse: Aufmerksamkeit, Schonung,
Kontrolle, soziale Isolation durch Fasten
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Inhalt
Anorexia Nervosa
Eine Zeitgeisterscheinung?
Eine eigenständige psychische Störung!
Der Weg in die Anorexia Nervosa
Risikofaktoren
Negative Selbstbewertungen
Familiäre Risikofaktoren
Auslösende Faktoren
Aufrechterhaltende Faktoren
Der Weg aus der Anorexia Nervosa
Therapeutisches Vorgehen
Verlauf und Heilungschancen
Fazit: Therapeutische Beziehung als Herausforderung
Zusammenfassung
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Der Weg aus der Anorexia Nervosa
Eindrucksperspektive
-
Anorektische Patientinnen sind nicht therapiemotiviert: sie wollen
alles Mögliche verändern, nur nicht ihr Essverhalten.
-
Die Behandlung ist schwierig, langatmig und oft erfolglos.
-
Ohne Ernährungsmanagement keine Psychotherapie.
-
Psychotherapie geht vor Ernährungsmanagement.
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Der Weg aus der Anorexia Nervosa
Fachliche Perspektive - Therapeutisches Vorgehen
Alle gängigen Therapiemethoden finden Anwendung
z.B. medizinische Behandlung, Verhaltenstherapie, Psychoanalyse,
Gesprächstherapie, Familientherapie, Therapie nach Hilde Bruch
- praktiziert von unterschiedlichen Berufsgruppen,
- in ambulantem und/oder stationärem Setting,
- als Einzel und/oder Gruppentherapie.
Konkretes Vorgehen:
Meistens:
Einstieg über Ernährungsmanagement
im Rahmen kognitiver Verhaltenstherapie
vgl. z.B. Jacobi et al. (2000)
Seltener:
Einstieg über die Bearbeitung der interpersonalen Probleme
vgl. z.B. Fairburn (1997); Apple (1999)
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Verlauf und Heilungschancen
Fachliche Perspektive
Ausgewählte Befunde:
Häufig kommt es erst gar nicht zu einer Behandlung!
vgl. Franke (1994): 21% der von ihr katamnestisch befragten Anorektikerinnen
waren nie in Behandlung.
Behandlung wird oft nicht freiwillig begonnen!
vgl. Franke (1994): 38% kamen freiwillig, 68% wurden dazu gezwungen
Mehrfachbehandlungen sind häufig!
vgl. Franke (1994): 42% hatten eine - zwei, 22% drei – vier, 5% fünf und mehr
Behandlungen
Hohe Abbruchraten!
vgl. Clinton (1996): 40 - 50% brechen die stationäre Behandlung ab.
Einziger Prädiktor für einen Abbruch:
Diskrepanz der Erwartungen zwischen Therapeut und Klient
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Verlauf und Heilungschancen
Fachliche Perspektive
Ausgewählte Befunde:
Heilungschancen ca 50%!
vgl. Steinhausen (2005): 45 - 52% werden geheilt; 29-33% werden gebessert,
bei 20% chronifiziert die Störung.
Iatrogene Faktoren
vgl. Steinhausen (2005): - Programme mit überstürzter und zu großer
Gewichtszunahme.
- Mangelnde Berücksichtigung psychosozialer Faktoren
- Keine Berücksichtigung einer notwendigen
Gewichtszunahme
Mortalitätsrate
vgl. Steinhausen (2005): ca.5% (Schwankungsbereich 0-25%).
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Zusammenfassung
- Bei Anorexie ist in erster Linie Psychotherapie indiziert.
Das Gewicht kontrollierende Maßnahmen können als Voraussetzung für
Psychotherapie gelten, allein reichen sie nicht aus für dauerhaften Behandlungserfolg.
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Der Weg aus der Anorexia Nervosa
Innenperspektive - Was wirkt aus der Sicht der Betroffenen?
Prozentsatz der Zustimmung zu Items von Franke (1994):
99%: Ich habe selbst entschieden, ab wann ich wieder gegessen habe.
90% und mehr
Der Therapeut hat mir genau zugehört.
Ich konnte in der Therapie bestimmen, worüber ich sprechen wollte.
Ich habe gelernt, die Bedürfnisse meines Körpers (Müdigkeit, Hunger, Frieren)
zu erkennen.
Der Therapeut hat daran geglaubt, dass ich wieder gesund werde.
Der Therapeut hat mich und meine Gedanken und Gefühle ernst genommen
und respektiert.
Der Therapeut hat sich intensiv bemüht, mich zu verstehen.
Der Therapeut hat mich auf meine eigenen Gefühle und Bedürfnisse hingewiesen.
43% Ich wurde in regelmäßigen Abständen gewogen.
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Der Weg aus der Anorexia Nervosa
Innenperspektive - Was schadet aus der Sicht der Betroffenen?
nach Franke (1994):
Elektroschock
Apathie aufgrund von Medikamenten
Körperliche Nebenwirkungen medikamentöser Behandlung
Bestrafung bei Nichterreichen des Gewichts
Bettruhe
Token economy
Abhängigmachen körperlicher Aktivität von Gewicht
Sondenernährung
„geschadet hat mir, dass andere Leute nur auf Nahrungsaufnahme
pochten und keine seelischen Hintergründe gelten ließen. Dadurch
entwickelte ich eher eine Trotzreaktion“.
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Fazit: Therapeutische Beziehung als Herausforderung
Im therapeutischen Prozess sind die folgenden Faktoren
miteinander in Einklang zu bringen:
Motivationale Bedürfnisse (vgl. Grawe,2004)
Erfahrungen
der Patientin
Therapeutische
Beziehungsprinzipien
Bindung
Ambivalente Bindungen
sichere und verlässliche
Beziehung
Orientierung und Kontrolle
wenig Orientierung an
eigenen Maßstäben
hohes Ausmaß an
Autonomie
Selbstwerterhöhung und schutz
Selbsthass, an Leistung
gebundener Selbstwert
Fürsorge,nicht an Leistung
gebundene Zuwendung
Lustgewinn und
Unlustvermeidung
fehlende Lebensfreude,
viel Kontrolle
Spontaneität,Vermittlung
von Lebensfreude
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Zusammenfassung
- Die Behandlung der Anorexie stellt hohe interpersonale
Anforderungen an die TherapeutInnen.
Ein maßgeschneidertes Beziehungsangebot ist Voraussetzung dafür, die Klientin zu
erreichen.
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Inhalt
Anorexia Nervosa
Eine Zeitgeisterscheinung?
Eine eigenständige psychische Störung!
Der Weg in die Anorexia Nervosa
Risikofaktoren
Negative Selbstbewertungen
Familiäre Risikofaktoren
Auslösende Faktoren
Aufrechterhaltende Faktoren
Der Weg aus der Anorexia Nervosa
Therapeutische Verfahren
Verlauf und Heilungschancen
Fazit: Therapeutische Beziehung als Herausforderung
Zusammenfassung
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Zusammenfassung
- Anorexie ist eine komplexe psychische Störung.
Sie als Zeitgeisterscheinung abzutun greift zu kurz.
Es greift auch zu kurz, sie den Suchtkrankheiten zuzuordnen.
- Anorexie hat einen komplexen ätiologischen Hintergrund.
auf individueller Seite: negative Selbstevaluationen und Perfektionismus
familiärer Kontext: hohe Leistungserwartungen und geringe emotionale Sicherheit
- Bei Anorexie ist in erster Linie Psychotherapie indiziert.
Das Gewicht kontrollierende Maßnahmen können als Voraussetzung für
Psychotherapie gelten, allein reichen sie nicht aus für dauerhaften Behandlungserfolg.
- Die Behandlung der Anorexie stellt hohe interpersonale
Anforderungen an die TherapeutInnen.
Ein maßgeschneidertes Beziehungsangebot ist Voraussetzung dafür, die Klientin zu
erreichen.
- Anorexie ist versteh- und heilbar.
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„Es gibt viele Behandlungsmethoden, diesen Teufelskreis
zu durchbrechen. Nach meiner Erfahrung sind die meisten
zum Scheitern verurteilt, weil sie das Phänomen behandeln,
nicht die Person.“
(Zitat einer Betroffenen nach Margolis, 1985)
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