Grundpraktikum Physik Teil II (SoSe) Das griechische Alphabet Name Alpha Beta Gamma Delta Epsilon Zeta Eta Theta Iota Kappa Lambda My Ny Xi Omikron Pi Rho Sigma Tau Ypsilon Phi Chi Psi Omega Minuskel Majuskel α β γ δ ε ζ η θ ι κ λ µ ν ξ o π ρ σ τ υ ϕ χ ψ ω A B Γ ∆ E Z H Θ I K Λ M N Ξ O Π P Σ T Y Φ X Ψ Ω Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Fakultät V, Institut für Physik, D-26111 Oldenburg Tel.: 0441-798-3153 Internet: http://physikpraktika.uni-oldenburg.de [email protected] April 2016 Abbildung auf dem Titelblatt: Interferenzmuster hervorgerufen durch die Verformung einer Wasseroberfläche durch Aufsetzen eines Wasserläufers. © Klaus Hinsch, AG Angewandte Optik, Institut für Physik, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg 1 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil II Inhaltsverzeichnis Reihenfolge der Versuche 2 Erinnerung: Hinweise zur Versuchsdurchführung und zur Protokollführung 3 Nichtlineare Fits mit Origin 10 Operationsverstärker 21 Bestimmung der FARADAY-Konstanten durch Elektrolyse 38 Abstands- und Abschwächungsgesetz für Beta- und Gamma-Strahlung 44 Geometrische Optik, optische Abbildung und Aberrationen 60 FRAUNHOFER- und FRESNEL-Beugung, Interferenz 79 Beugung an periodischen Strukturen, Gitter-Spektralapparat 97 Messung von Magnetfeldern 120 Frequenzverhalten passiver Netzwerke: Tiefpass und Hochpass 132 Elektromagnetischer Schwingkreis 135 Signalübertragung auf LC-Ketten und Koaxialkabeln 150 Polarisation von Licht 168 MICHELSON-Interferometer 181 2 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil II Reihenfolge der Versuche Termin KW Referat Anmerkung Thema Behandelt in VL 1 14 Allgemeine Einführung; Nichtlineare Fits mit Origin 2 15 Operationsverstärker 3 16 4 17 Maifeiertag So 01.05.16 5 18 Himmelfahrt Do 05.05.16 6 19 7 20 8 21 Beugung an periodischen Strukturen, GitterSpektralapparat 9 22 Messung von Magnetfeldern 10 23 Frequenzverhalten passiver Netzwerke: Tiefpass und Hochpass 11 24 Elektromagnetischer Schwingkreis 12 25 Signalübertragung auf LC-Ketten und Koaxialkabeln 13 26 Polarisation von Licht 14 27 MICHELSON-Interferometer Pfingstmontag Mo 16.05.16 Bestimmung der FARADAY-Konstanten durch Elektrolyse Abstands- und Abschwächungsgesetz für Betaund Gamma-Strahlung Geometrische Optik, Geometrische Optik, optische Abbildung und Aberrationen FRAUNHOFER- und FRESNEL-Beugung, Interferenz Übungen zu Matlab Zu einer am Informationsbrett des Grundpraktikums mitgeteilten Zeit wird ein Open Lab angeboten. Während dieser Zeit sind die Praktikumsräume geöffnet und die Geräte des Praktikums stehen zur Verfügung. Damit soll den Studierenden die Möglichkeit geboten werden, experimentelle Fähigkeiten eigenständig zu vertiefen und zu verbessern. Die Betreuung im Open Lab übernehmen abwechselnd die TutorInnen zusammen mit der technischen Assistenz. 3 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil II Erinnerung: Hinweise zur Versuchsdurchführung und zur Protokollführung Zur Erinnerung wiederholen wir auf den folgenden Seiten einige Passagen aus dem Kapitel „Allgemeine Hinweise zum Modul Grundpraktikum Physik und zur Protokollführung“ des Skriptes zum Grundpraktikum Physik – Teil I im Wintersemester. 1 Durchführung des Praktikums 1.1 Gruppenarbeit Zu Beginn des Semesters bilden die Studierenden Zweiergruppen (Teams), die bis zum Semesterende bestehen bleiben. Innerhalb der Teams muss eine gemeinsame Vorbereitung auf das Praktikum stattfinden, gefolgt von einer gemeinsamen Durchführung der Versuche, einer gemeinsamen Auswertung der Messergebnisse und einer gemeinsamen Protokollierung. Für jeden Teil des Protokolls sind beide Studierende verantwortlich. Die Vorbereitung, die Durchführung und das Protokoll werden in der Regel mit einer gemeinsamen Note bewertet. 1.2 Versuchsvorbereitung Die Vorbereitung auf einen Versuch muss vor dem Praktikumstermin anhand der Versuchsanleitung und durch Teilnahme am Begleitseminar geschehen. Die Versuchsanleitungen werden zu Beginn des Semesters ausgehändigt. Sie stehen darüber hinaus als PDF-Dateien auf den Internetseiten des Praktikums zur Verfügung. Es genügt möglicherweise nicht immer, nur die Anleitung durchzulesen. Insbesondere bei ernsthaften Verständnisproblemen muss auch die angegebene Literatur sowie die Vorlesungsmitschrift zur Vorbereitung mit herangezogen werden. Ohne gründliche Vorbereitung ist eine Durchführung der Versuche weder sinnvoll noch möglich. In den Praktikumsräumen steht ein Bücherschrank mit einer Büchersammlung zur Nutzung durch die Studierenden vor Ort zur Verfügung. Die Bücher werden grundsätzlich nicht ausgeliehen. Sie können während der Öffnungszeiten der Praktikumsräume jedoch jederzeit benutzt werden. Die Sammlung enthält neben der in den Anleitungen angegebenen Literatur weitere Lehrbücher, Formelsammlungen und Tabellenwerke, die für die Auswertung der Versuche hilfreich sind. Eine gründliche Versuchsvorbereitung schließt die Vorbereitung von Tabellen mit ein, in die während des Praktikums die Messergebnisse mit dokumentenechtem Stift eingetragen werden. Die vorbereiteten Messwerttabellen werden zu Beginn des Praktikums von den BetreuerInnen abgestempelt und müssen später dem Protokoll beigefügt werden. 1 Mit der Vorbereitung von Tabellen wird vor allem erreicht, dass man sich bereits vor Beginn der Experimente klar macht, welche Messreihen durchzuführen sind und welche Messgrößen für die Auswertung der Experimente zusätzlich benötigt werden. Außerdem wird bei vorbereiteten Messwerttabellen von vornherein vermieden, dass Messergebnisse während des Versuchs zunächst auf Schmierzetteln notiert werden, um anschließend ins „Reine“ übertragen zu werden. Ein solches Vorgehen ist erstens unökono1 Für Versuchsteile, in denen Messdaten mit dem PC erfasst oder direkt in Origin-Tabellen eingetragen werden sollen, sind keine vorbereiteten Tabellen erforderlich. 4 misch, schafft zweitens die Gefahr von Übertragungsfehlern und führt möglicherweise auch zur Versuchung, Messdaten nachträglich zu „bereinigen“. Ökonomisches Arbeiten bei der Vorbereitung, der Durchführung und der Auswertung der Praktikumsversuche setzt auch voraus, dass die Studierenden über folgende Hilfsmittel verfügen: Versuchsanleitung, Lehrbuch, mathematische Formelsammlung, Taschenrechner mit technisch-wissenschaftlichen Funktionen, Zugang zu Computern (ist für alle Studierenden im Grundpraktikum und im CIP-Raum des Instituts für Physik gewährleistet). 1.3 Versuchsdurchführung Während der Versuchsdurchführung müssen die Messergebnisse direkt in die vorbereiteten Messwerttabellen eingetragen werden. Die Ablesegenauigkeit der Messgeräte muss für die später zu erfolgende Fehleranalyse ebenfalls notiert werden. Schließlich müssen all die Gerätespezifikationen und sonstigen Parameter (z. B. Umgebungstemperatur) notiert werden, die für eine vollständige Versuchsdokumentation und -auswertung im Protokoll erforderlich sind. 2 Protokollführung 2.1 Bedeutung des Protokolls Das Versuchsprotokoll hat die Aufgabe, das gesamte Experiment von der Fragestellung über die Durchführung bis hin zur Auswertung dokumentarisch festzuhalten. Es muss hinsichtlich Inhalt und Form eine Einheit bilden. Es muss von einer fremden, mit der Materie insgesamt vertrauten Person gelesen und verstanden werden können und es muss diese Person prinzipiell in die Lage versetzen, ohne Einholen zusätzlicher Informationen das gleiche Experiment mit den gleichen Geräten jederzeit nachmachen zu können. Protokolle werden nicht nur als „lästige Pflicht“ im Rahmen von Praktika geführt. Das Führen und Archivieren eines Protokollbuchs gehört vielmehr unabdingbar zum Alltag des wissenschaftlichen Arbeitens. Im Zweifelsfall muss ein Protokollbuch als Beleg für erzielte Messergebnisse dienen. Die Fälschungsskandale in der Wissenschaft aus der Vergangenheit, z.B. der Fall des Physikers JAN HENDRIK SCHÖN aus dem Jahre 2002 2, haben Wissenschaftsorganisationen wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) dazu veranlasst, nochmals mit Nachdruck an die Verpflichtung zur Führung von Protokollbüchern und deren Bedeutung zu erinnern 3. 2.2 Inhalt und Aufbau eines Protokolls Ein Praktikumsprotokoll muss o o o in übersichtlicher Gliederung, mit nummerierten Kapitelüberschriften, auf nummerierten Seiten enthalten: 1. 2. 3. 4. Namen, Praktikumsgruppe und Datum der Versuchsdurchführung. Titel des Versuchs. Ein Inhaltsverzeichnis ist nicht erforderlich. Kurze Darstellung des Versuchsgegenstandes in einer Einleitung: was ist Ziel des Versuches, was soll gemessen werden? Dieser Teil des Protokolls sollte nicht länger als ¼ Seite sein. 2 3 Siehe z.B. S. Jorda, PHYSIK JOURNAL 1.11 (2002) 7-8. DFG: Vorschläge zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis, Bonn, 1998. 5 Daran anschließend folgt für jeden Versuchsteil eine Protokollierung gemäß der Punkte 5 - 10: 5. 6. 7. Eine kurze Nennung der Aufgabenstellung und Beschreibung der Versuchsdurchführung mit einer Darstellung des Versuchsaufbaus in Form einer Prinzipskizze mit kurzer Erläuterung. Skizzen können z. B. auch aus der Versuchsanleitung oder aus anderen Quellen übernommen werden. In diesem Fall muss die Quelle korrekt zitiert werden, s. Kap. 2.3. Skizzen werden wie andere Grafiken nummeriert und beschriftet (siehe Punkt 8). Beispiel: „Abb. xx: Anordnung zur Messung der Oberflächenspannung mit der Blasendruckmethode.“ Bei Bedarf Dokumentation derjenigen äußeren Versuchsbedingungen, die die Versuchsergebnisse beeinflussen können (z.B. Temperatur bei den Versuchen zur Oberflächenspannung und Viskosität) sowie Dokumentation möglicher Fehlerquellen (z.B. Ablesegenauigkeit von Messgeräten). Tabellarische Darstellung der Ergebnisse von Messreihen. Bei der Spalten- bzw. Zeilenbeschriftung muss die Form „physikalische Größe / Einheit der Größe“ gewählt werden, also z.B. „U / V“ für eine Spannung, „I / A“ für einen Strom, „t / s“ für die Zeit usw. Zur Begründung für diese Notation siehe Kap. 2.3, Punkt 1. Tabellen müssen innerhalb des Protokolls fortlaufend nummeriert und mit kurzen erläuternden Beschriftungen versehen werden, aus denen hervorgeht, was in der Tabelle dargestellt ist. Hier ein Beispiel: d/m ± 10-3 m 0,050 0,045 0,040 0,035 0,030 0,025 0,020 Tab. xx: 8. U/V ± 10-2 V 1,74 1,77 1,81 1,85 1,89 1,94 2,01 I / mA ± 10-1 mA 14,8 14,2 13,4 12,6 11,8 10,8 9,8 Spannung U und Strom I als Funktion der Eintauchtiefe d von Kupferelektroden in einen Elektrolyten. Zu jeder Tabelle muss ein Verweis im laufenden Text erfolgen, z.B. in der Form: „Die Messdaten finden sich in Tab. xx“. Grafische Darstellung der Ergebnisse von Messreihen. Jede Grafik muss neben einer fortlaufenden Nummer eine kurze erläuternde Beschriftung enthalten, aus der hervorgeht, was in der Grafik dargestellt ist. Die unabhängige Variable, d.h. die vorgegebene Größe (d in der o. a. Mustertabelle), wird auf der Abszisse dargestellt, die abhängige Größe auf der Ordinate. Die Skaleneinteilung und die Lage der Achsen-Nullpunkte muss so gewählt werden, dass der interessierende Kurvenverlauf gut zu erkennen ist. Die Koordinatenachsen müssen vollständig beschriftet sein. Bei der Achsenbeschriftung gilt das Gleiche wie bei der Spalten- und Zeilenbeschriftung von Tabellen: sie muss in der Form "physikalische Größe / Einheit der Größe" erfolgen. Falls gefordert, müssen Ausgleichskurven und / oder Fehlerbalken eingezeichnet sein. Auch hierzu ein Beispiel: 220 220 200 200 180 180 R/Ω R/Ω 6 160 160 140 140 120 120 0,02 0,03 0,04 Messdaten Ausgleichsgerade 20 0,05 30 d/m Abb. xx: 40 -1 50 -1 d /m Ohmscher Widerstand R eines Elektrolyten als Funktion der Elektroden-Eintauchtiefe d. Links R über d, rechts linearisierte Darstellung R über 1/d. Die Abstände zwischen den Werten der unabhängigen Variablen müssen so gewählt sein, dass der Verlauf der Messwerte der abhängigen Variablen gut zu erkennen ist. Sie sollen also dort besonders dicht liegen, wo sich im Diagramm „etwas tut“. Das folgende Beispiel der Amplitudenresonanzkurve eines gedämpften harmonischen Oszillators verdeutlicht dies. In der Umgebung der Eigenkreisfrequenz von ω0 ≈ 4,5 Hz wurden die Abstände der unabhängigen Variablen ω1 deutlich kleiner gewählt als außerhalb dieses Bereichs, so dass der Verlauf der Amplitude x0 in der Umgebung von ω0 gut zu erkennen ist: x0 / m 0,2 0,1 0,0 0 5 10 ω1 / Hz 15 Abb. xx: Amplitudenresonanzkurve eines gedämpften harmonischen Oszillators. Die Messpunkte dürfen in der Regel nicht miteinander verbunden werden. Eine gerade Verbindung würde z.B. einen linearen Zusammenhang zwischen den dargestellten Größen in dem von zwei Messwerten begrenzten Bereich suggerieren. Sollte eine Verbindung nötig sein, um den Verlauf der Messwerte besser erkennen zu können, muss die Verbindungslinie an den Messwerten mit sichtbarer Lücke unterteilt werden: 220 200 R/Ω 180 160 140 120 0,02 0,03 0,04 0,05 d/m Abb. xx: Ohmscher Widerstand R eines Elektrolyten als Funktion der Elektroden-Eintauchtiefe d. 7 Zu jeder Grafik muss ein Verweis im laufenden Text erfolgen, z.B. in der Form: „Abb. xx zeigt die grafische Darstellung der Messdaten“. 9. Berechnung von Zahlenwerten für die zu messenden Größen. Für jeden Zahlenwert muss der Fehler (die Messunsicherheit) angegeben werden, der entweder berechnet oder sinnvoll abgeschätzt wird. Einzelheiten dazu und zur Rundung von berechneten Zahlenwerten finden sich in der Anleitung zur „Fehler- und Ausgleichsrechnung“. 10. Interpretation und Bewertung der Versuchsergebnisse anhand eines Vergleichs mit den nach der Theorie erwarteten Ergebnissen bzw. mit Literaturwerten. Dabei ist eine realistische und kritische Bewertung der eigenen Messergebnisse deutlich wichtiger als ein möglichst genaues Treffen eines Zielwertes oder eine möglichst genaue Reproduktion von Literaturwerten. Auf eine Auflistung der benutzten Geräte kann verzichtet werden, da sie in der Anleitung unter „Zubehör“ bei den jeweiligen Versuchen aufgeführt sind. Es reicht daher ein entsprechender Verweis. 2.3 Regeln bei der Abfassung von Protokollen Bei der Abfassung des Protokolls muss man sich von vornherein daran gewöhnen, bestimmte Normen und Gepflogenheiten einzuhalten, wie sie später im Studium auch für die Erstellung von Examensarbeiten oder anderen wissenschaftlichen Texten üblich sind: 1. Eine physikalische Größe G wird als Produkt aus Zahlenwert {G} mal Einheit [G] dieser Größe angegeben, also (1) G = {G} × [G] Beispiel: eine elektrische Spannung U hat einen Wert von 5 V, es ist also U = 5 V, mit {U} = 5 und [U] = V. 2. Wegen der in Gl. (1) festgelegten Notation werden Tabellenspalten und –zeilen sowie die Achsen von Grafiken in der Form „G / [G]“ beschriftet, also z.B. „U / V“, „d / m“ usw. Der Quotient G / [G] ergibt nämlich gerade den Zahlenwert {G}, der in die Tabelle eingetragen oder an die Teilstriche der Achse geschrieben wird, wie z.B. 5 10 15 20 usw. Angaben der Art „U [V]“ oder „d [m]“ sind formal falsch! 4 Als Einheit [G] einer physikalischen Größe G muss immer die durch das Internationale Einheitensystem (SI: Système Internationale d'Unités) vorgegebene Einheit verwendet werden. Neben den sieben SI-Basiseinheiten für die Länge (Meter, m), die Masse (Kilogramm, kg), die Zeit (Sekunde, s), die Stromstärke (Ampere, A), die Temperatur (Kelvin, K), die Stoffmenge (Mol, mol) und die Lichtstärke (Candela, cd) gibt es abgeleitete SI-Einheiten, die sich immer als Produkt der Basiseinheiten darstellen lassen, also [G ] = m a kgb sc A d K e mol f 3. 4 cd g mit den zu bestimmenden Exponenten a, b, c, d, e, f und g. Für viele abgeleitete Einheiten sind eigene Namen gebräuchlich, wie z.B. das Pascal (Pa) für den Druck (Pa = kg m-1 s-2), das Volt (V) für die elektrische Spannung (V = kg m2 s-3 A-1) oder das Hertz (Hz) für die Frequenz (Hz = s-1). Zu den in Deutschland gesetzlich zugelassenen Namen abgeleiteter Einheiten siehe Skript zum WiSe. Für die meisten physikalischen Größen gibt es etablierte Symbole bzw. Formelzeichen (z.B. F für die Kraft, ω für die Kreisfrequenz, U für die elektrische Spannung usw.), von denen man nicht ohne wichtigen Grund abweichen sollte. Zur Liste dieser Symbole siehe Skript zum WiSe.. In Fachzeitschriften werden z.T. andere Arten der Beschriftung verlangt. Leider sind die Regeln nicht einheitlich. So wird z.B. in NATURE, PHYSICAL REVIEW LETTERS und im PHYSIK JOURNAL jeweils eine andere Notation verwendet. 8 4. 5. 6. 7. 8. 9. Die Symbole physikalischer Größen, also z.B. F, ω und U werden kursiv gesetzt, die zugehörigen Einheiten, im Beispiel N, Hz und V, dagegen gerade. Man schreibt also z.B. F / N, ω / Hz und U / V. Zwischen den Zahlenwert der physikalischen Größe und die Einheit wird ein Leerzeichen gesetzt, also z.B. F = 1,5 N oder U = 5 V. Im Text verwendete Symbole physikalischer Größen müssen grundsätzlich definiert werden. Es muss also z. B. heißen: „...das elektrische Feld E ist durch die Spannung U und den Abstand d gegeben; es gilt: E = U/d “. Bei der Anfertigung von Schaltskizzen sollte man sich an die Vorgaben des Deutschen Instituts für Normen (DIN) halten, die auch in den Versuchsanleitungen angewendet werden. Kopien der entsprechenden DIN-Normen 5 befinden sich im Bücherschrank. Für eine Reihe von Berechnungen benötigt man die Zahlenwerte physikalischer Konstanten. Zu den derzeitigen Bestwerten dieser Konstanten siehe Skript zum WiSe. Eine Auswahl davon findet sich auf der hinteren Umschlagseite dieses Skriptes. Zu jeder Tabelle und jeder Abbildung muss es einen Hinweis im laufenden Text des Protokolls geben (siehe Hinweise unter Punkt 7 und 8 in Kap. 2.2). Beispiele: „Den prinzipiellen Versuchsaufbau zeigt Abb. 2“ oder „Die Messwerte sind in Tab. 3 aufgelistet und in Abb. 6 grafisch dargestellt“. Werden Grafiken, Tabellen oder Textpassagen aus fremden Quellen (einschließlich Internetseiten!) in das Protokoll übernommen, so muss die Quelle korrekt zitiert werden. Wird beispielsweise eine Abbildung aus dem Skript zum Modul Grundpraktikum Physik, Teil I übernommen, muss am Ende der Abbildungsbeschriftung der Hinweis „(aus /1/)“ erfolgen. Am Ende des Protokolls wird dann angefügt: Literatur /1/ Skript zum Grundpraktikum Physik, Teil II, CvO Universität Oldenburg, Institut für Physik, April 2015 Bei Verwendung von Quellen aus dem Internet muss die Internetadresse in Form der URL (Uniform Resource Locator) und das Datum der Seitenabfrage angegeben werden 6, also z.B.: /2/ Physikalisch Technische Bundesanstalt (PTB): „Fragen zur Zeit“, URL: http://www.ptb.de/cms/themenrundgaenge/wegweiser/fragenzurzeit.html, Stand: 24.09.2014 Protokolle, die Grafiken, Tabellen oder Textpassagen aus fremden Quellen enthalten, ohne dass die Quellen zitiert werden, sind Fälschungen und werden mit mangelhaft bewertet. In diesem Zusammenhang wird nachdrücklich auf die Publikation „Gute wissenschaftliche Praxis“ der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg hingewiesen 7 sowie auf einen Artikel in der ZEIT 8. Beim Einsatz von Textverarbeitungssoftware für die Erstellung eines Protokolls gilt als oberster Grundsatz: ein Protokoll lebt in erster Linie von seinem Inhalt und seiner Struktur und nicht von seiner äußeren Form. Man sollte sich daher gut überlegen, ob man die Zeit, die z.B. für das Schreiben von Formeln mit einem Computer benötigt wird, nicht sinnvoller einsetzen kann. Handschriftliche Protokolle oder mit Hand eingesetzte Formeln sind, solange sie lesbar bleiben, völlig ausreichend. Zu guter Letzt noch eine eiserne Regel zum Thema Protokolle: Der jeweils nächste Versuch kann erst durchgeführt werden, wenn das Protokoll vom vorherigen Versuch abgegeben wurde. 5 6 7 8 Z.B. DIN EN 60617: „Grafische Symbole für Schaltpläne“; siehe auch Text „Zum Aufbau elektrischer Schaltungen…“.in diesem Skript. Für alle URL-Angaben in diesem Skript gilt das Datum 01.03.2015. http://www.uni-oldenburg.de/fileadmin/user_upload/physik/ag/physikpraktika/download/Faltblatt_GWP.pdf „Suchmaschine gegen den Gedankenklau – Universitäten rüsten sich gegen Plagiatoren - und verhängen schwere Strafen.“ DIE ZEIT, 08.02.07; http://zeus.zeit.de/text/2007/07/B-Plagiatskontrolle. 9 3 Literatur Jede Versuchsanleitung enthält eine eigene Literaturliste, in der die Bücher aufgelistet sind, die für die Vorbereitung auf die einzelnen Versuche besonders nützlich sind. Zum generellen Gebrauch im Praktikum sind weitere Bücher empfehlenswert, die auf der Internetseite http://www.unioldenburg.de/physik/lehre/praktika/literatur/ zusammengestellt sind. 10 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil II Nichtlineare Fits mit ORIGIN 1 Einleitung Im ersten Teil des Grundpraktikums Physik haben wir eine Reihe von Messungen durchgeführt, bei denen eine lineare Abhängigkeit zwischen zwei Größen x und y bestand: y = ax + c. Beispiele waren z. B. die Kalibrierung von Sensoren für Kraft, Druck und Lichtleistung (s. Abb. 1) oder die Messungen zur Bestimmung von Trägheitsmomenten. Um die Parameter a und c solch linearer Zusammenhänge zu bestimmen, wurden mithilfe einer linearen Regression (linearer Fit) die Steigung a und der Ordinatenabschnitt c der Ausgleichsgeraden durch die Messdaten berechnet. U / mV 120 80 40 0 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 cos (α) 2 Abb. 1: Linearer Zusammenhang zwischen der unabhängigen Größe cos2(α) und der abhängigen Größe U bei der Kalibrierung eines Fotodetektors 1. Schwarze Kreise: Messwerte. Roter Kreis: maskierter Messwert. Rote Linie: durch lineare Regression berechnete Ausgleichsgerade. Der maskierte Messwert bleibt bei der Berechnung der Ausgleichsgeraden unberücksichtigt. Wir haben aber auch Experimente durchgeführt, bei denen ein nichtlinearer Zusammenhang zwischen zwei Größen bestand. Nehmen wir als Beispiel den Zusammenhang zwischen der Anregungsfrequenz ω1 und der Schwingungsamplitude x0 bei der Messung der Amplitudenresonanzkurve eines gedämpften harmonischen Oszillators. Dieser Zusammenhang ist durch folgende Gleichung gegeben: (1) F1 m x0 = (ω 2 0 −ω ) 2 2 1 ω b + 1 m 2 Dabei ist F1 die Amplitude der anregenden Kraft, m die Masse des schwingenden Körpers, b die Reibungskonstante und ω0 die Eigenfrequenz, die durch die Federkonstante D und die Masse m bestimmt wird. Es gilt: 1 U ist die Ausgangsspannung des Fotodetektors, α die Winkelstellung eines Polarisationsfilters, der zwischen dem Fotodetektor und einem Laser steht, der linear polarisiertes Licht emittiert und den Fotodetektor beleuchtet. 11 (2) ω0 = D m Ist x00 die Schwingungsamplitude für den Fall ω1 → 0, so lässt sich Gl. (1) in die Form (3) x0 = x00 D D ω b m − ω 12 + 1 m m 2 2 bringen. Zur Bestimmung der Amplitudenresonanzkurve wird die unabhängige (vorgegebene) Größe ω1 variiert und für jedes ω1 die abhängige Größe x0 gemessen. Trägt man x0 über ω1 auf, erhält man einen Graphen wie in Abb. 2 dargestellt. Der Verlauf des Graphen wird durch die Parameter x00, D, b und m bestimmt. Ist die Federkonstante D bekannt, so lässt sich durch Variation der Parameter x00, b und m die durch Gl. (3) beschriebene Kurve finden, die am besten zu den Messdaten aus Abb. 2 passt. Da Gl. (3) eine nichtlineare Funktion darstellt, nennt man das Verfahren zur Suche der besten Parameter einen nichtlinearen Kurvenfit. Es gibt verschiedene numerische Verfahren, nach denen die besten Fitparameter gefunden werden können. Die besten Fitparameter sind z. B. diejenigen, für die die Summe S der Abweichungsquadrate zwischen den Messdaten und den nach Gl. (3) berechneten Funktionsdaten minimal ist. Eine weit verbreitete Strategie zur Suche der besten Fitparameter ist der Simplex-Algorithmus. Es ist nicht Ziel dieser Anleitung, die Mathematik hinter dieser Methode zu erläutern. Hierzu wird z. B. auf Vorlesungen zur Numerik verwiesen. Wir wollen im Folgenden zeigen, wie man mit dem in Origin integrierten Simplex-Algorithmus zur nichtlinearen Kurvenanpassung die besten Fitparameter aus den Messdaten gewinnen kann. 0.03 x0 / m 0.02 0.01 0.00 0 5 10 15 20 25 30 35 ω1 / Hz Abb. 2: Amplitudenresonanzkurven für zwei verschiedene Dämpfungskonstanten b bei gleichen übrigen Parametern (x00, D, m). Schwarze Kreise: b = b1, blaue Rauten: b = b2 < b1. Der rote Kreis ist ein maskierter Datenpunkt aus dem Datensatz für b = b1. 12 2 Durchführung eines nichtlinearen Kurvenfits mit ORIGIN 2.1 Vorbereitung: Einstellung des Dezimalzeichens Version 8 von Origin erlaubt die Umschaltung zwischen einer deutschen und englischen Sprachversion. Dadurch kann es zu Mehrdeutigkeiten bei der Interpretation des Dezimaltrennzeichens (Dezimalkomma bzw. Dezimalpunkt) kommen, die u.U. zu scheinbar unerklärlichen Fehlern führen. Um solche Probleme zu vermeiden, dürfen bei Verwendung von Origin nicht die Regions- und Sprachoptionen aus Windows übernommen werden, sondern es muss explizit der Dezimalpunkt als Trennzeichen eingestellt werden. Diese Einstellung erfolgt gem. Abb. 2 über → Hilfsmittel → Optionen → Zahlenformat → Trennzeichen → 1,000.0 Trennzeichen für ASCII-Import → 1,000.0 Der Punkt in der Angabe 1,000.0 ist das Dezimaltrennzeichen, das Komma nur eine visuelle Hilfe zur Hervorhebung von Tausender-Blöcken (englische Notation). Abb. 3: Einstellung des Dezimalpunktes als Dezimaltrennzeichen. 2.2 Grafische Darstellung der Daten, Auswahl des Datensatzes Die in einer Tabelle vorliegenden Messdaten werden in einer Grafik wie in Abb. 2 dargestellt. Das Grafikfenster wird durch Anklicken zum aktiven Fenster gemacht. Enthält eine Grafik mehrere Datensätze (Kurven), so wird durch Anklicken eines Messpunktes derjenige Datensatz markiert, für den ein nichtlinearer Fit erzeugt werden soll. Soll ein Fit mit gleicher Fitfunktion gleichzeitig für mehrere Datensätze erfolgen, müssen die entsprechenden Datensätze gleichzeitig markiert werden (Shift-Taste + linke Maustaste). 2.3 Definition der Fitfunktion und ihrer Parameter Durch Auswahl von Analyse → Anpassen → Nichtlinearer Fit → Dialog öffnen erscheint ein neues Fenster NLFit(Abb. 4). 13 Abb. 4: Fenster NLFit nach Start eines nichtlinearen Fits. Origin enthält eine Reihe von vordefinierten Funktionen (z. B. Gauß-Funktion, Lorentz-Funktion u.v.m.), die in Kategorien (z. B. Origin Basic Functions, Polynomial, Peak Function u.v.m.) unterteilt sind. Unter den vordefinierten Funktionen ist jedoch keine vom Typ der Gl. (3). Diese Funktion muss deshalb neu eingeben werden. Da im Praktikum später noch weitere neu einzugebende Funktionen benötigt werden, ist es sinnvoll, zunächst eine neue Kategorie mit dem Namen Grundpraktikum zu definieren. Das geschieht durch: Kategorie → Neu Ein weiteres Fenster mit dem Namen Fit-Funktionsgenerator erscheint. Dort gibt man im Feld Name den Namen für die Kategorie ein, also: Name → Grundpraktikum → OK Durch Klick auf OK kehrt man zum Fenster NLFit zurück. Dort wählt man Funktion → Neu Es erscheint erneut das Fenster des Fit-Funktionsgenerators (Abb. 5). Dort werden in den entsprechenden Feldern für das hier behandelte Beispiel folgende Einträge vorgenommen: 2 Funktionsname → Amplitudenresonanzkurve Unabhängige Variablen → w ( ω1 ) Abhängige Variablen → x0 ( x0 ) Parameternamen → x00,m,b,D 2 Bei mehreren Parametern werden diese durch Kommata voneinander getrennt. 14 Im Feld Funktion wird Gl. (3) in Origin-Notation eingetragen: x0 = x00*D/(m*sqrt((D/m - w^2)^2+(w*b/m)^2)) Abb. 5: Fenster des Fit-Funktionsgenerators. Anschließend wird in dem Fenster des Fit-Funktionsgenerators nach unten gescrollt, bis das Feld Parametereinstellungen sichtbar wird (Abb. 6). Abb. 6: Fenster des Fit-Funktionsgenerators mit sichtbar gemachten Feld Parametereinstellungen. 15 Durch Klick auf das Editor-Symbol neben dem Feld öffnet sich das Fenster Parametereinstellungen (Abb. 7). Dort werden folgende Einstellungen vorgenommen (alle Zahlenwerte in SI-Einheiten der entsprechenden Größen; Dezimalpunkt verwenden!): − − − D = 19.7 kg/s2 wird durch Setzen des Hakens in der Spalte Fest als fester Parameter markiert. x00, m und b sind variable Parameter, für die durch den Fit die Bestwerte gefunden werden sollen. Im Feld Fest wird deshalb kein Haken gesetzt. Für einen erfolgreichen Fit müssen für x00, m und b sinnvolle Startwerte 3 festgelegt werden, die in der Regel aus physikalischen Überlegungen abgeschätzt werden können, hier z. B. x00 = 0.01 m, m = 0.2 kg und b = 0.6 kg/s. Darüber hinaus kann man bei Bedarf festlegen, dass bestimmte Fitparameter in einem Bereich zwischen einer unteren (LB) und einer oberen Schranke (UB) liegen müssen 4. Eine solche Festlegung kann sich aus physikalischen Rahmenbedingungen ergeben. Hier werden beispielsweise für die Masse m nur Zahlenwerte aus dem Intervall 0.1 kg ≤ m ≤ 0.3 kg zugelassen. Abb. 7: Fenster zur Einstellung von festen und variablen Parametern, zur Definition von Startwerten und von unteren (LB) und oberen Schranken (UB) für die Fitparameter. Die „-1“ in der Spalte Signifikante Stellen ist gleichbedeutend mit „nicht definiert“. Durch Klick in die entsprechende Zelle kann die Zahl der signifikanten Stellen festgelegt werden. Für die Aufgaben im Praktikum ist eine solche Festlegung nicht erforderlich. Durch Klick auf OK werden die Parametereinstellungen übernommen und es erscheint wieder das Fenster des Fit-Funktionsgenerators. Dort sind im Feld Parametereinstellungen die vorgenommenen Einstellungen in Origin-Syntax wieder zu finden. Im Fenster des Fit-Funktionsgenerators führt ein Klick auf Speichern und danach auf OK zurück in das Fenster NLFit. Dort wird unter der Registerkarte Einstellungen der Menüpunkt Fit-Kurven gewählt und der Haken bei Zeige Vorschau auf Quell-Grafik entfernt (Abb. 8). Dadurch wird erreicht, dass im unteren Feld des Fensters NLFit eine Vorschau der Messdaten mit der Fitkurve angezeigt wird, die für die Startwerte der Fitparameter berechnet wird. Sollte die Kurve nicht angezeigt werden, muss durch Klick auf den blauen Abwärtspfeil unten rechts im Fenster NLFit das Fenster erweitert werden („Mehr zeigen“). 3 4 Ohne Festlegung sinnvoller Startwerte kann es passieren, dass durch den Fit nicht das globale Minimum der Funktion S, sondern nur ein lokales Minimum gefunden wird. LB: lower boundary; UB: upper boundary. 16 Abb. 8: Fenster NLFit nach Auswahl der Option Fit-Kurven unter der Registerkarte Einstellungen und Entfernen des Hakens bei Zeige Vorschau auf Quell-Grafik. Zugefügte Kommentare in Rot. Durch Herunterscrollen im oberen Bereich des Fensters NLFit gelangt man in der Rubrik „X-Datentyp“ zum Feld „Bereich“. Dort stellt man „Ausweiten auf gesamten Achsenbereich“ ein, womit erreicht wird, dass die Fitkurve, die später in das Diagramm gezeichnet wird, sich dort über den gesamten Bereich der Abszisse erstreckt. Sollte die Fitkurve augenscheinlich gar nicht zu den Messdaten passen, wurden entweder die Startwerte der Fitparameter vollkommen falsch gewählt oder beim Eingeben der Fitfunktion wurde ein Fehler gemacht. In dem Fall kehrt man durch Klick auf das Symbol „Anpassungsfunktion erstellen / bearbeiten“ 5 zum Fenster des Fit-Funktionsgenerators zurück und nimmt dort die nötigen Änderungen vor (siehe auch Hinweis unter Kap. 2.5). Wenn die Fitkurve einigermaßen gut zum Verlauf der Messdaten passt, kann durch Klick auf das Symbol „1 Iteration“ (s. Abb. 8) eine Iteration des Fits durchgeführt werden. Dadurch werden die Fitparameter verändert und eine neue Fitkurve mit diesen Parametern wird gezeichnet (Abb. 9). 5 Symbol Anpassungsfunktion erstellen / bearbeiten: 17 Abb. 9: Unterer Teil des Fensters NLFit nach Durchführung einer Iteration. Durch weitere Klicks auf „1 Iteration“ kann man verfolgen, wie sich mit jedem weiteren Iterationsschritt die Fitkurve durch Veränderung der Fitparameter den Messdaten immer besser anpasst. Will man den Fitprozess in Einzelschritten nicht weiter verfolgen, kann man durch Klick auf „Fit“ so viel Iterationsschritte durchführen lassen, bis der Fit konvergiert. Dies ist dann der Fall, wenn die Zielfunktion S sich bei Änderung der Fitparameter nur noch innerhalb eines kleinen Intervalls ändert. 6 Am Ende dieses Prozesses wird das Fenster NLFit automatisch geschlossen und die Fitfunktion wird in das ursprüngliche Diagramm gezeichnet (Abb. 10). Die Fitparameter werden in einer Tabelle im Diagramm und in einem Tabellenblatt der Arbeitsmappe ausgegeben. Amplitudenresonanzkurve (User) Modell 0.03 x0 = x00*D/(m*sqrt((D/m - w^2)^2+(w*b/m)^2)) Gleichung 4.25707E-7 Chi-Quadr Reduziert 0.99571 Kor. R-Quadrat Wert x0 / m 0.02 x0/m Standardfehler x00 0.01074 1.56607E-4 m 0.23806 0.00229 b 0.76713 0.01415 D 19.7 0 0.01 0.00 0 5 10 15 20 25 30 35 ω1 / Hz Abb. 10: Diagramm mit den Messdaten nach Abb. 2 und der endgültigen Fitfunktion. 6 Die Größe dieses Intervalls wird durch den Simplex-Algorithmus bestimmt. 18 2.4 Eingrenzung des Datenbereichs Manchmal kann es sinnvoll sein, den Datenbereich für einen Fit einzugrenzen. Abb. 11 zeigt als Beispiel die Ausgangsspannung U eines Mikrowellendetektors, die als Funktion eines Ortes s gemessen wurde. Gesucht ist der Ort s, bei dem U minimal ist. Den Ort minimaler Spannung kann man finden, indem man eine geeignete Fitkurve durch die Messdaten legt, deren Minimum analytisch berechnet werden kann. Da kein mathematischer Zusammenhang zwischen U und s bekannt ist, muss in diesem Fall eine Fitfunktion gesucht werden, die dem Verlauf der Messdaten nahekommt. Aus Abb. 11 ist zu entnehmen, dass der Verlauf der Messdaten im Bereich des Minimums parabelförmig aussieht. Deshalb kann für diesen Datenbereich ein Polynom 2. Ordnung als Fitfunktion gewählt werden. Um den Fit auf den Bereich des Minimums zu beschränken, muss dieser Datenbereich ausgewählt werden. Das geht am einfachsten mit dem Werkzeug Regionaler Daten-Selektor 7, der in der linken Werkzeugleiste (Toolbar) im Origin-Hauptfenster zu finden ist. Damit kann ein Rechteck über den interessierenden Datenbereich gezogen werden, dessen Begrenzungen anschließend durch rote Markerlinien gekennzeichnet sind (s. Abb. 11). Abb. 11: Auswahl des Datenbereiches für einen anschließenden Fit mit dem Werkzeug „Regionaler Daten-Selektor"“. Nach Auswahl des Datenbereiches kann der Fit erfolgen: Analyse → Anpassen → Polynomieller Fit → Dialog öffnen... Es öffnet sich das Fenster des polynomiellen Fits (Abb. 12), in dem die Ordnung des Polynoms (hier 2) und ggf. weitere Parameter eingestellt werden. Nach Klick auf OK wird der Fit durchgeführt. 7 Das Symbol des Regionalen Daten-Selektors ist 19 Abb. 12: Fenster zur Einstellung von Parametern eines polynomiellen Fits. Das Resultat des Fits zeigt Abb. 13. -0.20 Gleichung y = Intercept + B1*x^1 + B2*x^2 Gewichtung Keine Gewichtung Fehler der Summe der Quadrate -0.22 9.71748E-6 Kor. R-Quadrat 0.98317 Wert Schnittpunkt mit der Y-Achse U / mV -0.24 y 0.04652 Standardfehler 0.00744 B1 -0.11663 0.00264 B2 0.01033 2.31241E-4 -0.26 -0.28 -0.30 2 4 6 8 s / mm Abb. 13: Messdaten mit Fitfunktion (rote Linie, Polynom 2. Ordnung), die nur für den in Abb. 11 markierten Datenbereich berechnet und gezeichnet wurde. 20 2.5 Überprüfung der Syntax der Fitfunktion Bei der Eingabe komplizierter Fitfunktionen kann es nützlich sein, die Syntax der Fitfunktion zu überprüfen, also zu kontrollieren, ob die Fitfunktion richtig in die Origin-Sprache übertragen wurde. Dazu klickt man im Fenster des Fit-Funktionsgenerators auf das Editor-Symbol neben dem Feld Funktion. Dadurch öffnet sich das Fenster des Code Builders (Abb. 14). Klickt man dort auf Kompilieren, wird die Funktion kompiliert („übersetzt“). Erscheint danach im unteren linken Teilfenster des Code Builders die Nachricht Done!, liegt kein Syntaxfehler vor. Erscheint dagegen die Nachricht Compile Failed!, so ist die Fitfunktion fehlerhaft und muss korrigiert werden. In beiden Fällen gelangt man durch Klick auf Zurück zum NLSF wieder zum Fit-Funktionsgenerator zurück, in dem man, ggf. nach Korrektur der Fitfunktion, in der Fitprozedur fortfährt. Abb. 14: Fenster des Code Builders zur Überprüfung der Syntax von eingegebenen Fitfunktionen. 21 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil II Operationsverstärker Stichworte: Operationsverstärker, Gegenkopplung, invertierender und nicht-invertierender Verstärker, Integrator, Differentiator, Transimpedanzverstärker, Frequenzgang, Bandbreite, KIRCHHOFFsche Gesetze (Knoten- und Maschenregel) Messprogramm: Frequenzgang eines invertierenden Verstärkers, Funktionsweise und Frequenzgang eines Integrators, Transimpedanzverstärker mit Fotodiode. Literatur: /1/ WALCHER, W.: „Praktikum der Physik“, Teubner Studienbücher, Teubner-Verlag, Stuttgart /2/ HINSCH, H.: „Elektronik - Ein Werkzeug für Naturwissenschaftler“, Springer-Verlag, Berlin u.a. /3/ LERCH, R.: „Elektrische Messtechnik“, Springer-Verlag, Berlin u.a. 1 Einleitung Das Ziel dieses Versuches ist nicht, den inneren Aufbau eines Operationsverstärkers (OP) in Form eines detaillierten elektronischen Schaltbildes kennenzulernen und zu verstehen – das würde die Kenntnisse von Physikstudierenden in den Anfangssemestern auch deutlich überschreiten. Ziel ist es vielmehr, den OP als „Blackbox“ so zu begreifen, wie er in der Praxis eingesetzt wird: als Verstärkerelement, das erst durch eine äußere Beschaltung zu einem sinnvoll einsetzbaren elektronischen Bauteil wird und das vorgegebene Operationen mit Spannungssignalen durchführt. Solche Operationen (daher hat der OP seinen Namen) können z. B. sein: Verstärkung, Addition, Integration, Differentiation usw. 2 Theorie Abb. 1 (links) zeigt das Schaltsymbol für einen OP mit einem „Plus“-Eingang (+), einem „Minus“-Eingang (-) und einem Ausgang A. OP + Ue - A Re Ue U- U+ Ua + U Ra Ua Abb. 1: Links: Schaltsymbol eines OP (rot) und Definition von Spannungen. U_, U+ und Ua werden auf das Massepotential (⊥) bezogen. Mitte: Foto eines OP vom Typ 741 mit 2 × 4 = 8 Anschlusskontakten. Rechts: Ersatzschaltbild eines OP zur Definition des Eingangswiderstandes Re und des Ausgangswiderstandes Ra. Re liegt zwischen dem „Plus“- und dem „Minus“-Eingang. Den Ausgang des OP kann man als eine spannungsgesteuerte Spannungsquelle U mit dem Innenwiderstand Ra betrachten. 22 Der OP verstärkt die Eingangsspannungsdifferenz (1) U= e U+ −U− mit dem Leerlaufverstärkungsfaktor V0 > 0, sodass für die Ausgangsspannung Ua gilt: (2) = U a V= 0U e V0 (U + − U − ) Für den Fall U_ = 0 V folgt aus Gl. (2): (3) U − = 0 V → U a = V0U + In diesem Fall haben Eingangsspannung U+ und Ausgangsspannung Ua das gleiche Vorzeichen. Deshalb wird der „Plus“-Eingang des OP als nicht-invertierender Eingang bezeichnet. Dagegen gilt für den Fall (4) U+ = 0 V → Ua = −V0U − Die Eingangsspannung U_ und die Ausgangsspannung Ua haben in diesem Fall entgegengesetzte Vorzeichen. Deshalb wird der „Minus“-Eingang des OP als invertierender Eingang bezeichnet. Der ideale OP hat einen unendlich großen Leerlaufverstärkungsfaktor V0, einen unendlich großen Eingangswiderstand Re (Abb. 1 rechts), einen verschwindenden Ausgangswiderstand Ra (Abb. 1 rechts) und eine frequenzunabhängige Verstärkung. Der reale OP weicht von diesem Ideal ab: Leerlaufverstärkungsfaktor und Eingangswiderstand sind endlich, der Ausgangswiderstand ist größer als null und die Verstärkung ist frequenzabhängig (vgl. Kap. 2.3). In Tab. 1 sind die Kennwerte eines idealen OP und die typischen Werte für einen einfachen realen OP gegenübergestellt: Leerlaufverstärkung Eingangswiderstand Ausgangswiderstand Verstärkungs-Bandbreite Produkt (s. Kap. 2.3) Idealer OP V0 → ∞ Re → ∞ Ra → 0 fT → ∞ Realer OP V0 ≈ 104 - 107 Re > 1 MΩ Ra ≈ (2 – 100) Ω fT ≈ (0,5 - 10) MHz Tab. 1: Typische Kennwerte eines idealen und eines einfachen realen OP. Für die folgenden Überlegungen werden wir den OP überwiegend als „Blackbox“ mit den dargestellten idealen Eigenschaften betrachten. 2.1 Mit- und Gegenkopplung Wegen seines großen Leerlaufverstärkungsfaktors V0 ist der OP nicht ohne äußere Beschaltung einzusetzen; kleine Eingangsspannungsdifferenzen Ue im µV- bis mV-Bereich würden nach Gl. (2) bereits zum Erreichen der maximalen Ausgangsspannung führen, die ca. (2 – 3) V unterhalb der Betriebsspannung (typisch ± 12 V) des OP liegt. Deshalb wird bei der Beschaltung eines OP ein Teil der Ausgangsspannung auf den invertierenden Eingang des OP zurückgekoppelt. Bei dieser Gegenkopplung wirkt eine Änderung der Ausgangsspannung einer Änderung der Eingangsspannungsdifferenz entgegen. Das hat zur Folge, dass sich die Ausgangsspannung innerhalb kürzester Zeit auf einen stabilen Wert einstellt. Würde umgekehrt eine Änderung der Ausgangsspannung eine gleichsinnige Änderung der Eingangsspannungsdifferenz verursachen, indem ein Teil der Ausgangsspannung auf den nicht-invertierenden Eingang des OP zurückgekoppelt wird, so läge Mitkopplung vor. In diesem Fall würde die Ausgangsspannung 23 ständig ansteigen (oder sinken) und innerhalb kürzester Zeit ihren Extremwert erreichen: Der OP wäre übersteuert. Im Folgenden werden beispielhaft einige Beschaltungen des OP betrachtet. 2.2 Invertierender Verstärker Wir betrachten eine einfache Gegenkopplungs-Beschaltung des OP gemäß Abb. 2. Die zu verstärkende Klemmenspannung 1 U1 wird über den Widerstand R1 auf den invertierenden Eingang des OP gegeben, auf den gleichzeitig über den Widerstand R2 die Ausgangsspannung U2 zurückgekoppelt wird. Wegen des hohen Eingangswiderstandes des OP fließt praktisch kein Strom in den OP. Das bedeutet nach der Knotenregel für den Punkt P: (5) I1 − I 2 = 0 und damit (6) I= I= 1 2 : I I2 R2 I1 R1 P - Ue U1 + U2 Abb. 2: Invertierender Verstärker. Alle Spannungen sind auf das Massepotential bezogen. Die Klemmenspannung U1 wird zwischen den Eingangsbuchsen (offene Kreise links) angelegt. Die Ausgangsspannung U2 wird zwischen den Ausgangsbuchsen (offene Kreise rechts) abgegriffen. Betrachten wir die Wirkung der Gegenkopplung für die vorliegende Schaltung einmal im Zeitlupentempo. Zu Beginn der Betrachtung seien alle Spannungen gleich null. Anschließend wird eine positive Klemmenspannung U1 angelegt. Das bewirkt, da U2 anfangs noch null ist, ein Ansteigen der Eingangsspannung U_. Da U+ konstant null ist (Massekontakt), gilt gem. Gl. (1): Ue = −U− Diese Spannung wird um einen Faktor Ve verstärkt und erzeugt eine Ausgangsspannung U2, die in Analogie zu Gl. (2) gegeben ist durch: U 2 = Ve U e = − Ve U − 1 Man spricht von Klemmenspannung, weil es sich um die Spannung zwischen den Anschlussklemmen (Anschlussbuchsen) handelt. Die Klemmenspannung darf nicht mit der Eingangsspannungsdifferenz Ue verwechselt werden. 24 U2 ist also negativ und verringert durch die Rückkopplung über den Widerstand R2 die Spannung U_. Das hat wiederum eine verringerte Ausgangsspannung zur Folge, die wegen der Rückkopplung die Spannung U_ weiter verringert usw. Die Ausgangsspannung wird sich also solange ändern, bis U_ ≈ U+, die Eingangsspannungsdifferenz Ue (nicht die Klemmenspannung!) also einen Wert von etwa 0 V erreicht hat. Das bedeutet, dass in diesem Fall der invertierende Eingang des OP auf nahezu gleichem Potential liegt wie der nicht-invertierende Eingang, also auf Masse: U- ≈ U+ = 0 V. Damit fällt praktisch die gesamte Klemmenspannung U1 über dem Widerstand R1 ab und praktisch die gesamte Ausgangsspannung U2 über dem Widerstand R2, sodass nach der Maschenregel und mit Gl. (6) gilt (Vorzeichen gem. Abb. 2): (7) U1 = R1 I (8) U2 = − R2 I Auflösen von Gl. (7) und (8) nach I und gleichsetzen liefert: (9) U1 U = − 2 R1 R2 und damit: (10) U 2 = −U1 R2 R1 Für die Klemmenverstärkung V, die das Verhältnis der Ausgangsspannung U2 zur Klemmenspannung U1 angibt, gilt damit: (11) V= R2 U2 =− R1 U1 bzw. V = R2 R1 Für Wechselspannungssignale ist V als das Verhältnis der Spannungsamplituden (Index 0) definiert, also: (12) V= U 2,0 U1,0 = − R2 R1 Bei einer Beschaltung des OP gemäß Abb. 2 wird also die Klemmenspannung U1 im Verhältnis der Widerstände auf die Ausgangsspannung U2 verstärkt und invertiert. Daher der Name invertierender Verstärker. Aus der Tatsache, dass der invertierende Eingang bei einer Beschaltung nach Abb. 2 praktisch auf Masse liegt, folgt auch, dass der Eingangswiderstand des invertierenden Verstärkers durch R1 gegeben ist, also in der Regel deutlich kleiner ist, als der hohe Eingangswiderstand Re eines OP ohne vorgeschalteten Widerstand (vgl. Tab. 1). 2.3 Frequenzgang, Grenzfrequenz und Verstärkungs-Bandbreite Produkt Gemäß Gl. (11) und (12) sollte der Verstärkungsfaktor V ausschließlich durch das Verhältnis der Widerstände R1 und R2 gegeben und unabhängig von der Signalfrequenz sein. In der Realität zeigt ein OP jedoch ein frequenzabhängiges Verstärkungsverhalten. Der Verlauf des realen Verstärkungsfaktors Vr (Index r) als Funktion der Frequenz f eines sinusförmigen Eingangssignals heißt Frequenzgang oder Amplitudenübertragungsfunktion. Eine durch die Widerstände R1 und R2 vorgegebene Sollverstärkung (Index s) um den Faktor 25 Vs = − R2 R1 (Gl. (11)) wird nur im Bereich niedriger Frequenzen erreicht. Dort ist Vr = Vs. Mit zunehmender Frequenz nimmt Vr ab. Der OP verhält sich näherungsweise wie ein passiver Tiefpass 2 mit dem Frequenzgang (13) Vr ( f ) = Vs 1 f 1+ f g 2 Dabei ist fg die Grenzfrequenz, bei der Vr auf den Wert Vs / 2 abgenommen hat. Dies entspricht einer Abnahme um 3 dB (zu „dB“ siehe Anhang 4.2), weshalb fg auch 3 dB-Grenzfrequenz heißt. Für eine höhere Sollverstärkung Vs ist die zugehörige 3 dB-Grenzfrequenz fg niedriger, für eine niedrigere Sollverstärkung höher, sodass das sogenannte Verstärkungs-Bandbreite Produkt = fT V= (14) [ fT ] Hz s fg konstant bleibt. Abb. 3: Frequenzabhängigkeit des realen Verstärkungsfaktors Vr eines einstufigen OP (Frequenzgang oder Amplitudenübertragungsfunktion). Im gezeigten Beispiel ist Vs = 200 die Sollverstärkung, fg = 5 kHz die zugehörige 3 dB-Grenzfrequenz, Vg = Vs / 2 die Verstärkung bei der Grenzfrequenz und fT die Transitfrequenz. Erhöht man bei gleich bleibenden Widerständen R1 und R2 die Frequenz des Eingangssignals deutlich über die 3 dB-Grenzfrequenz hinaus, so sinkt der reale Verstärkungsfaktor Vr um denselben Faktor, um den die Frequenz f zunimmt. In einer doppelt-logarithmischen Auftragung von Vr über f ergibt sich dann 2 Die Eigenschaften eines Tiefpasses werden wir im späteren Versuch „Frequenzverhalten passiver Netzwerke...“ noch genauer kennenlernen. 26 eine Gerade mit der Steigung –1 (Abb. 3). Wird Vr in dB angegeben, entspricht diese Steigung einem Wert von –6 dB/Oktave 3 bzw. -20 dB/Dekade 4. Bei der Frequenz fT ist Vr auf den Wert 1 abgesunken, d. h. es findet keine Verstärkung mehr statt. Diese Frequenz heißt Transitfrequenz des OP. Ihr Wert ist gleich dem Verstärkungs-Bandbreite Produkt gem. Gl. (14). 2.4 Nicht-invertierender Verstärker Um einen nicht-invertierenden Verstärker aufzubauen, kann man in der Schaltung gem. Abb. 2 nicht einfach „+“ und „-“ vertauschen - aus der Gegenkopplung würde eine unsinnige Mitkopplung entstehen. Vielmehr muss man eine Schaltung gem. Abb. 4 verwenden. Auch hier gilt, dass in den OP praktisch kein Strom fließt, sodass wir in Analogie zu den Überlegungen beim invertierenden Verstärker davon ausgehen können, dass der Strom I2 durch R2 praktisch gleich dem Strom I1 durch R1 ist: (15) I= I= 1 2 : I Damit folgt nach der Maschenregel am Ausgang des OP: (16) = U 2 I ( R1 + R 2 ) Ue + R2 I2 U1 U2 R1 I1 Abb. 4: Nicht-invertierender Verstärker. Auch hier bewirkt die Gegenkopplung Ue ≈ 0 V, d. h. U+ ≈ U_ und damit U_ ≈ U1. Wir erhalten somit aus der Maschenregel am Eingang des OP: (17) U1 = I R1 Lösen wir Gl. (17) nach I auf und setzen das Ergebnis in Gl. (16) ein, so erhalten wir: (18) U2 = U1 ( R1 + R 2 ) R1 Die Klemmenverstärkung ist in diesem Fall: 3 4 Eine Oktave entspricht einem Frequenzintervall [f1, f 2] für das gilt: f 1 : f 2 = 1:2. Eine Dekade entspricht einem Frequenzintervall [f 1, f 2] für das gilt: f 1 : f 2 = 1:10. Darüber hinaus gibt es noch den Begriff der Terz für ein Frequenzintervall [f 1, f 2] für das gilt: f 1 : f 2 = 4:5 (große Terz) bzw. 5:6 (kleine Terz). 27 (19) V= R2 U2 = 1+ U1 R1 Bei dieser Beschaltung des OP wird die Klemmenspannung verstärkt, aber nicht invertiert, daher der Name nicht-invertierender Verstärker. Da das Eingangssignal bei dieser Beschaltung direkt am nicht-invertierenden Eingang des OP anliegt, ist der Eingangswiderstand in diesem Fall der hohe Eingangswiderstand des OP. Hinsichtlich der Frequenzabhängigkeit des realen Verstärkungsfaktors Vr gelten analoge Überlegungen wie in Kap. 2.3. 2.5 Integrator (invertierend) 2.5.1 Schaltung und Funktion Mithilfe einer Gegenkopplung, wie sie in Abb. 5 dargestellt ist, lässt sich die Integration von Spannungssignalen durchführen. Wenden wir die Knotenregel auf den Punkt P an und berücksichtigen wir wieder, dass in den OP praktisch kein Strom fließt, so erhalten wir: (20) I1 − I 2 = 0 und damit (21) I= I= 1 2 : I I2 I1 R U1 P - C + U2 Abb. 5: Integrator Für den Strom durch den Widerstand R gilt nach der Maschenregel (wegen der Gegenkopplung gilt auch hier Ue ≈ 0, d. h. der „-“-Eingang liegt praktisch auf Masse): (22) I= U1 R und für den Strom durch den Kondensator C nach der Maschenregel: (23) I = −C dU 2 dt Gleichsetzen von Gl. (22) und (23) ergibt: 28 (24) dU 2 1 = − U1 RC dt Integration über die Zeit liefert schließlich: (25) U2 = − 1 U1dt RC ∫ 2.5.2 Verhalten bei sinusförmigen Signalen Wir betrachten den wichtigen Spezialfall einer sinusförmigen Klemmenspannung mit der Frequenz f, der Kreisfrequenz ω = 2πf und der Amplitude U1,0: (26) U1 = U1,0 sin ωt Für diesen Fall ergibt sich als Ausgangsspannung des Integrators gem. Gl. (25): (27) U1,0 U 1 U2 = U1,0 sin ωt dt = cos ωt := U 2,0 cos ω t mit − U 2,0 = 1,0 ∫ RC ω RC ω RC Die Klemmenverstärkung V ist in diesem Fall das Verhältnis der Spannungsamplituden an Aus- und Eingang: V (28) = U 2,0 1 = U1,0 ω RC Gl. (28) ist zu entnehmen, dass die Verstärkung des Integrators für sinusförmige Signale umgekehrt proportional zur Kreisfrequenz ω verläuft. Die Verstärkung ist demnach bei niedrigen (tiefen) Frequenzen hoch und nimmt zu höheren Frequenzen hin ab. Dies entspricht dem Verhalten eines Tiefpasses. Der Frequenzgang V(ω) lässt sich übersichtlich darstellen, wenn man log (V) über log (f/1 Hz) aufträgt. Für einen idealen Integrator ergibt sich dann eine Gerade mit der Steigung -1. Betrachten wir zusätzlich zum Verstärkungsfaktor V den zeitabhängigen Teil der Klemmenspannung (sinω t) und der Ausgangsspannung (cosω t), so sehen wir, dass deren Phasenverschiebung konstant (29) ∆ϕ = 90° beträgt. 2.6 Differentiator (invertierend) 2.6.1 Schaltung und Funktion Eine Schaltung gem. Abb. 6 ist zum Differenzieren von Spannungssignalen geeignet. Aufgrund analoger Überlegungen wie unter Kap. 2.5 gelangt man zu der Beziehung: (30) U 2 = − RC dU1 dt 29 Frage 1: - Wie lässt sich Gl. (30) herleiten? R C P + U1 U2 Abb. 6: Differentiator 2.6.2 Verhalten bei sinusförmigen Signalen Für eine sinusförmige Wechselspannung mit der Kreisfrequenz ω finden wir hier als Frequenzgang V(ω) eine linear mit der Frequenz ansteigende Klemmenverstärkung: (31) V = ω RC Die Verstärkung ist demnach bei niedrigen Frequenzen klein und nimmt zu höheren Frequenzen hin zu. Dies entspricht dem Verhalten eines Hochpasses. Trägt man wieder V über f doppelt-logarithmisch auf, so erhält man für den idealen Differentiator eine Gerade mit der Steigung +1 (eine Gerade würde sich in diesem Fall natürlich auch bei linearer Darstellung ergeben). Die Phasenverschiebung beträgt auch hier wieder konstant (32) 2.7 ∆ϕ = 90° Impedanzwandler Impedanzwandler (Abb. 7) werden eingesetzt, um Signalquellen mit hohem Innenwiderstand an Schaltungen mit niedrigem Eingangswiderstand anzupassen 5 oder um aus anderen Gründen den Ausgangswiderstand einer Schaltung zu verringern 6. Der Ausgang der Signalquelle mit der Spannung U1 wird direkt mit dem „+“-Eingang des OP verbunden, dessen Eingangswiderstand groß ist (vgl. Tab. 1). Der Ausgang des OP wird auf den „-“-Eingang des OP zurückgekoppelt. Am Ausgang des OP liegt damit die gleiche Spannung an wie am Eingang (Maschenregel für den Fall Ue ≈ 0): U 2 = U1 5 6 Würde eine solche Signalquelle direkt an ein Gerät mit niedrigem Eingangswiderstand angeschlossen, würde die Spannung der Signalquelle zusammenbrechen (vgl. Versuch „Messung ohmscher Widerstände…“). Impedanzwandler zur Verringerung des Ausgangswiderstandes wurden z.B. im Versuch „Charakterisierung eines Sender-Empfänger-Systems“ eingesetzt, um die Signalquellen „Empfänger“ und „Laser-Distanzsensor“ optimal an die Messwerterfassungskarte des PC anzupassen. 30 Der Ausgangswiderstand dieser Schaltung ist der kleine Ausgangswiderstand des OP (vgl. Tab. 1). An den Ausgang des OP kann deshalb problemlos eine Schaltung mit einem niedrigen Eingangswiderstand angeschlossen werden. + U1 U2 Abb. 7: Impedanzwandler. 2.8 Transimpedanzverstärker, Strom-Spannungs-Wandler Ein Transimpedanzverstärker (Abb. 8 links), auch als Strom-Spannungs-Wandler oder Stromgesteuerte Spannungsquelle bezeichnet, wird verwendet, um einen Eingangsstrom I1 in eine dazu proportionale Ausgangspannung U2 zu wandeln. I2 R R I1 + - U2 + U Abb. 8: Links: Transimpedanzverstärker. Der Kreis links mit der waagerecht verlaufenden Sehne ist das Schaltsymbol einer Stromquelle. Rechts: Transimpedanzverstärker zur Wandlung des Fotostroms einer Fotodiode 7 in eine Ausgangsspannung U. Aus den gleichen Überlegungen wie bei den bereits beschriebenen OP-Beschaltungen folgt: (33) I= I= 1 2 : I und (34) U2 = − R I Als Transimpedanz Z bezeichnet man den Betrag des Quotienten aus Ausgangsspannung und Eingangsstrom, also 7 Eine (wie hier) ohne Sperrspannung betriebene Fotodiode bezeichnet man auch als Fotoelement. 31 (35) = Z U2 = R I Z = R bestimmt nach Gl. (35) den Proportionalitätsfaktor zwischen Eingangsstrom und Ausgangsspannung. Mithilfe großer Widerstände können beim Transimpedanzverstärker demnach kleine Ströme in große Spannungen gewandelt werden. Ein wichtiges Anwendungsbeispiel dafür ist die Umwandlung der kleinen Fotoströme einer Fotodiode (µA-Bereich) in große Spannungen (V-Bereich). Die zugehörige Schaltung zeigt Abb. 8 rechts. 3 Versuchsdurchführung Zubehör: Operationsverstärker Typ 741 oder 941 auf Steckplatine, zwei Netzgeräte (PHYWE (0 – 15 / 0 - 30) V), Steckwiderstände, Steckkondensatoren, Steckbrücken, Widerstandsdekade, Fotodiode SIEMENS BPW 34, Weißlicht-LED NICHIA NSPW500GS-K1, lichtdichtes Verbindungsstück Fotodiode / Weißlicht-LED, Funktionsgenerator AGILENT 33120A / 33220A, Digital-Oszilloskop TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B, Multimeter AGILENT U1272A / U1251B. Hinweise: - Betriebsspannung des OP: +12 V, -12 V, 0 V - Einige der benutzten Kondensatoren tragen eine 4-stellige Beschriftung in der Form „XXN Y“. Diese Kondensatoren haben eine Kapazität von XX ⋅10N pF mit einer Toleranz von ± 10 % (Y = K) oder ± 20 % (Y = M). - Alle Vorgaben für die durchzuführenden Messungen (Frequenzangaben, Widerstandswerte usw.) sind Orientierungswerte! 3.1 Frequenzgang des invertierenden Verstärkers 3.1.1 Messprinzip Mit einer Schaltung gem. Abb. 2 soll das Frequenzverhalten eines invertierenden Verstärkers für unterschiedliche Sollverstärkungen untersucht werden, d. h. die Abhängigkeit des Verstärkungsfaktors Vr von der Frequenz f einer sinusförmigen Klemmenspannung U1. Der Eingangswiderstand soll R1 = 1 kΩ sein, der Rückkopplungswiderstand R2 wird variiert (Widerstände mit Multimeter messen, Fehler vernachlässigbar). Als Klemmenspannung U1 dient eine sinusförmige Wechselspannung mit einer Amplitude von 100 mV und einem DC-Offset von 0 V, deren Frequenz f in folgenden Bereichen variiert wird: - für R2 = 5 kΩ für R2 = 10 kΩ für R2 = 15 kΩ für R2 = 20 kΩ im Bereich im Bereich im Bereich im Bereich 1 kHz 1 kHz 1 kHz 1 kHz ≤ ≤ ≤ ≤ f f f f ≤ ≤ ≤ ≤ 400 200 150 100 kHz kHz kHz kHz Die Variation der Frequenz f lässt sich mit dem FG AGILENT recht einfach realisieren. Der FG bietet die Möglichkeit, die Frequenz einer sinusförmigen Wechselspannung innerhalb der Zeitspanne ∆t (SweepTime) vom Anfangswert fa linear auf den Endwert fe zu erhöhen (Details dazu im Anhang 4.1). Das zugehörige Signal nennt man einen Frequenz-Sweep, der Vorgang selbst heißt im Deutschen wobbeln. Abb. 9 oben zeigt schematisch ein solches Signal U1(t) während der Zeitspanne ∆t. Gibt man das Signal U1(t) als Klemmenspannung auf den Eingang eines invertierenden OP, so erhält man am Ausgang das verstärkte Signal U2(t), dessen Amplitude aufgrund des begrenzten Verstärkungs-Bandbreite Produktes des OP mit zunehmender Frequenz abnimmt. Abb. 9 unten zeigt schematisch ein Beispiel. Beide Signale, U1(t) und U2(t), werden gleichzeitig auf einem Oszilloskop dargestellt. Die Zeitablenkung des Oszilloskops wird so eingestellt, dass für einen Bilddurchlauf gerade die Zeit ∆t (Sweep-Time) benötigt wird. Wegen der begrenzten horizontalen Auflösung des Oszilloskops sind einzelne Perioden der 32 Signale dann nicht mehr zu erkennen. Das ist für die weiteren Messungen jedoch unbedeutend, da zur Berechnung des Verstärkungsfaktors Vr gem. Gl. (12) nur die Signalamplituden U1,0 und U2,0 benötigt werden, deren Verlauf als Funktion der Frequenz sich aus dem Verlauf der Einhüllenden der Signale auf dem Oszilloskop ergibt (rote Kurven in Abb. 9). U1 / V 2 0 -2 0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 0.6 0.8 1 t/s U2 / V 2 0 -2 0 0.2 0.4 t/s Abb. 9: Schematische Darstellung eines Frequenz-Sweeps (oben, blau) als Eingangssignal U1(t) eines invertierenden OP. Während der Zeitspanne ∆t (hier 1 s) wird die Frequenz linear vom Anfangswert fa auf den Endwert fe erhöht. Unten ist schematisch das zugehörige Ausgangssignal U2(t) des OP (blau) dargestellt. Die roten Kurven sind die Einhüllenden der jeweiligen Signale. Da das Zeitintervall (36) [0, ∆t ] linear dem Frequenzintervall (37) [ fa , fe ] zugeordnet ist, entspricht jeder Wert t auf der Zeitachse einem Frequenzwert (38) f = fa + t ( fe − fa ) , ∆t Für jeden Wert von t bzw. f kann die Amplitude des Ausgangssignals an der Einhüllenden abgelesen werden. Nach Division durch die Amplitude des Eingangssignals ergibt sich die gesuchte frequenzabhängige Klemmenverstärkung Vr. Die im Praktikum vorhandenen Digital-Oszilloskope führen in der üblichen Betriebsart ERFASSUNG → Normale Abtastung (ACQUIRE → Sample) aufgrund ihrer beschränkten Anzahl von Abtastintervallen (2.500) bei der Darstellung von Sweep-Signalen zu sogenannten Aliasing-Effekten, die im Versuch Fourieranalyse näher betrachtet wurden. Die Aliasing-Effekte bewirken, dass die Signale U1(t) und U2(t) längs der Zeitachse nur mit Einbrüchen darzustellen sind, die das Ablesen von Amplituden erschweren 33 oder unmöglich machen. Mit einem Trick kann man dieses Problem jedoch umgehen. Durch Umschaltung des Oszilloskops in die Betriebsart ERFASSUNG → Spitzenwert (ACQUIRE → Peak Detect) wird zunächst die Zahl der Abtastintervalle halbiert (1.250). Gleichzeitig werden in jedem Abtastintervall die Spitzenwerte (Maximum und Minimum) des Signals als Funktion der Zeit erfasst (Abb. 10). n n+1 n+2 n+3 Abb. 10: Prinzip der Spitzenwerterfassung für ein Signal (blau) in den Abtastintervallen n bis n + 3. Rote Punkte: Maxima, schwarze Punkte: Minima. Diese Spitzenwerte (1.250 × 2 = 2.500) werden dargestellt. Sie bilden die Einhüllenden des Signals, die nur noch unbedeutende Störungen durch Aliasing aufweisen, die die weiteren Messungen nicht wesentlich beeinträchtigen. Im Beispiel in Abb. 11 sind diese Störungen als nach innen gerichtete Zacken auf den Einhüllenden zu erkennen. Abb. 11: Oszilloskopbild für ein Sweep-Signal als Eingangssignal (oben, CH1) eines invertierenden Verstärkers und zugehöriges Ausgangssignal (unten, CH2) des Verstärkers. Das Oszilloskop arbeitet in der Betriebsart ERFASSUNG → Spitzenwert. Für jeden Widerstand R2 wird die Klemmenverstärkung Vr als Funktion der Frequenz f gemessen. Dazu werden U1(t) und U2(t) in einem Oszilloskopbild gem. Abb. 11 dargestellt. Die Amplitude U10 des Eingangssignals U1(t) ist für alle Frequenzen näherungsweise konstant, deshalb kann U10 = 100 mV gesetzt werden. U2(t) muss in vertikaler Richtung immer so weit wie möglich gespreizt werden (Volts/Div von Grob auf Fein umstellen), da nur dann die volle vertikale Auflösung des Oszilloskops (8 Bit) für seine Messung ausgenutzt wird. 34 3.1.2 Datenaufnahme und Auswertung Zur Auswertung der Signale werden sie zunächst auf einer Compact-Flash-Karte oder einem USB-Stick (je nach Gerätetyp) gespeichert. Dazu müssen am Oszilloskop folgende Tastenfolgen gedrückt werden: Grundeinstellungen (nur einmal vornehmen): SAVE/RECALL Taste DRUCKEN Verzeichnis wählen → Aktion → Alle speichern → Speichert alles → GPRnn auswählen → Verzeichnis wechseln → Zurück Speichern: SAVE / PRINT Nach Betätigung der SAVE / PRINT–Taste werden vier Dateien im Unterverzeichnis ALLnnnn gespeichert, wobei nnnn eine fortlaufende Nummer ist, die bei jeder Betätigung der Taste SAVE / PRINT um 1 erhöht wird. Die vier Dateien sind: FnnnnTEK.SET FnnnnTEK.TIF FnnnnCH1.CSV FnnnnCH2.CSV ASCII-Datei mit Betriebsparametern Bilddatei mit Bildschirmfoto Daten von CH1 (u.a. Spannung U1 als Funktion der Zeit t) Daten von CH2 (u.a. Spannung U2 als Funktion der Zeit t) Für die quantitative Auswertung ist nur die letzte Datei von Bedeutung, die im CSV-Format vorliegt. 8 Mithilfe eines zur Verfügung gestellten Matlab-Skriptes (GPRTools.m, dort Option Tektronix CSV to ASCII) wird aus dieser Datei der Signalverlauf U2(t) für CH2 extrahiert und in einer ASCII-Datei gespeichert. Diese Datei erhält die Bezeichnung: FnnnnCH2_all.txt Spalte 1: t, Spalte 2: U2(t) für CH2 Außerdem extrahiert das Matlab-Skript aus dem Signalverlauf U2(t) die Amplitude U2,0(t), die ebenfalls in einer ASCII-Datei gespeichert und für die weitere Auswertung verwendet wird. Diese Datei erhält die Bezeichnung: FnnnnCH2_peaks.txt Spalte 1: t, Spalte 2: U2,0(t) für CH2 Die t-Werte (Spalte 1 der Datei) können mit Hilfe von Gl. (38) in Frequenzwerte umgerechnet werden. Die U2,0-Werte des Ausgangssignals des OP ergeben nach Division durch die Amplitude des Eingangssignals (100 mV) die gesuchte frequenzabhängige Verstärkung V(f): Vr ( f ) = U 2,0 ( f ) 100 mV Alle nötigen Berechnungen können mit Hilfe von Origin einfach durchgeführt werden. 8 CSV ist die Abkürzung für character separated values. Dies bedeutet, dass einzelne Einträge in der Datei (Zahlenwerte, Zeichenketten,…) durch ein definiertes Zeichen (englisch: character) voneinander getrennt sind. Hier ist das Komma das Trennzeichen. 35 Für jeden Widerstand R2 wird Vr über f doppelt-logarithmisch aufgetragen. Offensichtliche Ausreißer in den Daten, insbesondere im Bereich niedriger Frequenzen, werden maskiert 9. Anschließend wird ein nichtlinearer Kurvenfit durch die Messdaten Vr(f) gelegt. Als Fitfunktion dient Gl. (13) in der Form: (39) Vr ( f ) = V0 1 f 1+ f g 2 mit den Fitparametern V0 und fg. Für jeden Wert von R2 wird das Verstärkungs-Bandbreite Produkt fT = V0 fg inkl. Größtfehler berechnet und überprüft, ob fT = const. (Gl. (14)) im Rahmen der Messgenauigkeit erfüllt ist. 3.2 Funktionsweise und Frequenzgang eines Integrators Es wird ein Integrator gem. Abb. 5 mit R = 1 kΩ und C = 10 nF aufgebaut (beide Größen mit Multimeter messen; Fehler vernachlässigbar). Durch Betätigung der Tasten SHIFT + SWEEP wird der Sweep-Modus des Funktionsgenerators ausgeschaltet. Nacheinander werden an den Integrator eine rechteckförmige, eine dreieckförmige und eine sinusförmige Klemmenspannung mit einer Frequenz von 1 kHz, einer Amplitude von 500 mV und einem DC-Offset von 0 V angelegt. Auf dem Oszilloskop werden gleichzeitig die Klemmenspannung U1 und die Ausgangsspannung U2 des Integrators beobachtet. Das Bild auf dem Oszilloskop wird für jedes Eingangssignal in das Protokoll übernommen. Es kann mithilfe folgender Tastenfolge auf der Compact-Flash-Karte oder dem USB-Stick gespeichert werden: Grundeinstellungen: SAVE/RECALL Dateiformat Verzeichnis wählen → Aktion → Bild speichern → TIFF → GPRnn auswählen → Verzeichnis wechseln Speichern: SAVE / PRINT Das Bild wird in der Datei TEKnnnn.TIF gespeichert, wobei nnnn eine fortlaufende Nummer ist, die bei jedem Speichervorgang um 1 erhöht wird. Frage 2: - Welche zeitlichen Verläufe von U1 und U2 ergeben sich für die drei Fälle theoretisch (Rechnung, auch Phasenlage diskutieren!) und experimentell? Anschließend wird der Frequenzgang des Integrators gemessen. Dazu wird an den Integrator eine sinusförmige Klemmenspannung mit einer Amplitude von 500 mV und einem DC-Offset von 0 V angelegt. Die Frequenz wird manuell im Bereich 1 kHz ≤ f ≤ 10 kHz in 1 kHz-Schritten variiert. Für jede Frequenz wird die Amplitude der Klemmen- und der Ausgangsspannung am Oszilloskop gemessen und die Klemmenverstärkung V bestimmt. V wird über f doppelt-logarithmisch aufgetragen und die Ausgleichsgerade eingezeichnet. Die Steigung der Ausgleichsgeraden wird mit der nach Gl. (28) theoretisch erwarteten Steigung verglichen. 9 Zur Maskierung von Daten in einer Origin-Grafik eignet sich das Werkzeug Regionales Maskierungshilfsmittel (Symbol finden ist. ), das in der Tools-Symbolleiste (üblicherweise links) zu 36 3.3 Transimpedanzverstärker mit Fotodiode Eine Fotodiode vom Typ SIEMENS BPW 34, die aus dem Versuch „Sensoren…“ bekannt ist, wird mit dem Licht einer Weißlicht-LED vom Typ NICHIA NSPW500GS-K1 bestrahlt (Betriebsspannung der LED 5 V). Ein Verbindungsstück sorgt für einen Abstand von ca. 20 mm zwischen Fotodiode und LED und verhindert, dass Umgebungslicht auf die Fotodiode gelangt. Zunächst wird mit einem Ampèremeter der Fotostrom IL bei eingeschalteter LED und der Dunkelstrom Id bei ausgeschalteter LED gemessen. Anschließend wird der Fotostrom mit einem Transimpedanzverstärker gem. Abb. 8 (rechts) in eine Spannung gewandelt. Für fünf verschiedene Widerstände R im Bereich (1 - 20) kΩ (ausmessen mit Ohmmeter, Messwerte fehlerfrei) wird jeweils die Ausgangsspannung UL bei eingeschalteter LED und Dunkelspannung Ud bei ausgeschalteter LED mit einem Voltmeter gemessen. Anschließend wird (UL – Ud) über R aufgetragen, aus der Steigung der Ausgleichsgeraden der Fotostrom I bestimmt und mit dem zuvor ermittelten Messwert I = IL – Id verglichen. 4 Anhang 4.1 Erzeugung eines Sweep-Signals mit dem FG AGILENT Nach dem Einschalten wird der Funktionsgenerator durch Betätigung der Tasten SHIFT + SWEEP in den Sweep-Modus geschaltet; auf dem Display erscheint ein kleines SWP. Als Sweep-Signal soll für den Versuch aus Kap. 3.1 eine sinusförmige Wechselspannung mit folgenden Parametern benutzt werden: Amplitude Sweep-Time Startfrequenz Stoppfrequenz U1,0 ∆t fa fe fe fe fe = = = = = = = 100 2,5 1 400 200 150 100 mV s kHz kHz kHz kHz kHz für für für für R2 R2 R2 R2 = 5 kΩ = 10 kΩ = 15 kΩ = 20 kΩ Die Parameter fa = 1 kHz, fe = 400 kHz, ∆t = 2,5 s und U1,0 = 100 mV wurden in dem Funktionsgenerator in seinem internen Speicher „3“ abgelegt. Sie können abgerufen werden durch Betätigung der Taste RECALL; im Display erscheint zunächst die Angabe RECALL 0 mit blinkender „0“. Durch mehrmalige Betätigung der Taste ∧ wird die „0“ auf „3“ erhöht und danach die ENTER-Taste betätigt. Der Funktionsgenerator gibt nun an der OUTPUT-Buchse das gewünschte Sweep-Signal aus. An der SYNC-Buchse steht zu Beginn eines jeden Sweeps ein TTL-Signal zur Verfügung, mit dem das Oszilloskop extern getriggert wird. Um die anderen Stoppfrequenzen (fe = (200 , 150, 100) kHz) einzustellen, sind folgende Schritte nötig: o o o o o o SHIFT + ENTER drücken, dadurch in den MENU-Modus wechseln. Im Display erscheint A: MOD MENU mit blinkendem A. > drücken und dadurch auf das Sweep-Menu (B) umschalten. Im Display erscheint B: SWP MENU. ∨ drücken und dadurch in das Sweep-Menu wechseln. Im Display erscheint 1: START F, das Menu zur Einstellung der Startfrequenz fa. > drücken. Im Display erscheint 2: STOP F, das Menu zur Einstellung der Stoppfrequenz fe. ∨ drücken und dadurch die Parametereingabe für dieses Menu aktivieren. Mithilfe des Drehknopfes die gewünschte Frequenz einstellen. Dabei wird immer die blinkende Dezimalstelle der Anzeige verändert; mit den Tasten > und < lässt sich auf die gewünschte Stelle umschalten. ENTER drücken. Der Funktionsgenerator gibt nun das Sweep-Signal mit der veränderten Stoppfrequenz aus. 37 Der auf der Anzeige des FG erscheinende „Punkt“ ist der Dezimalpunkt; das „Komma“ dient nur zur optischen Trennung von je 3 Dezimalstellen. 4.2 Dezibel In der Messtechnik, insbesondere in der Elektrotechnik und Akustik, wird häufig eine logarithmische Größe VL für das Verhältnis V = U2/U1 zweier Spannungen U2 und U1 verwendet. Die Größe VL wird in Dezibel (dB) angegeben; sie hängt mit dem linearen Verhältnis V wie folgt zusammen: (40) U VL = 20 ⋅ log 2 dB = 20 ⋅ log V dB U1 Einige häufig verwendete Werte finden sich in Tab. 2. V ½ 1 2 1 2 10 100 1.000 VL / dB -6 -3 0 6 20 40 60 Tab. 2: Häufig benutzte dB-Angaben. 38 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil II Bestimmung der Faraday-Konstanten durch Elektrolyse Stichworte: Elektrolyt, Elektrolyse, Kathode, Anode, Ionen, Kationen, Anionen, Wertigkeit, relative Atommasse (Atomgewicht), FARADAYsche Gesetze, FARADAY-Konstante, Mol, AVOGADRO-Konstante, (Elementar)-Ladung, elektrisches Feld Messprogramm: Elektrolyse mit Kupferelektroden in einer Kupfersulfatlösung zur Bestimmung der Faraday-Konstanten. Literatur: /1/ WALCHER, W.: "Praktikum der Physik", Teubner Studienbücher, Teubner-Verlag, Stuttgart /2/ GERTHSEN, C. u. a.: "Physik", Springer-Verlag, Berlin u.a. /3/ DEMTRÖDER, W.: "Experimentalphysik 2 - Elektrizität und Optik", Springer-Verlag, Berlin u. a. 1 Einleitung Werden zwei Elektroden, die an eine Spannungsquelle mit der Spannung U angeschlossen sind, in eine Zelle eingetaucht, in der sich eine Säure, Lauge, Salzlösung oder Salzschmelze befindet, so fließt ein elektrischer Strom I durch die Zelle. Solche Stoffe, die infolge chemischer Zersetzung (z. B. durch Dissoziation in wässrigen Lösungen) Ionen bilden und den Strom leiten, heißen Elektrolyte, der gesamte Vorgang heißt Elektrolyse. An der negativ geladenen Elektrode, der Kathode, wird grundsätzlich Wasserstoff oder das Metall aus dem Elektrolyten abgeschieden, an der positiv geladenen Elektrode, der Anode, das Hydroxid oder der jeweilige Säurerest. Wir wollen zunächst kurz auf die historische Bedeutung der Elektrolyse für die Theoriebildung über den Aufbau der Materie eingehen. Anfang des 19. Jahrhunderts machten Wissenschaftler beim Studium der Elektrolyse eine Reihe von überraschenden Entdeckungen. So stellte sich beispielsweise heraus, dass Wasser, das man bis dahin als Element angesehen hatte, bei der Elektrolyse in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff gespalten wurde. Im Jahre 1807 fand HUMPHRY DAVY (1778-1829), dass aus Soda (Na2CO3) und Pottasche (K2CO3), zwei Stoffen, die damals ebenfalls als Elemente angesehen wurden, mithilfe der Elektrolyse zwei „neue“ Metalle gewonnen werden konnten, nämlich Natrium (engl. sodium) und Kalium (engl. potassium). Barium, Magnesium und Strontium sind weitere Beispiele für Metalle, die auf diese Weise entdeckt wurden. Waren diese ersten Entdeckungen auf dem Gebiet der Elektrolyse rein qualitativ, so wuchs schnell das Bedürfnis, die Vorgänge auch quantitativ zu verstehen und beschreiben zu können, zumal rasch erkannt wurde, welche enorme Bedeutung die Elektrolyse für die Herstellung chemisch reiner Metalle sowie für die Galvanotechnik haben würde. MICHAEL FARADAY (1791-1867), ein früherer Mitarbeiter von DAVY, führte hierzu die ersten systematischen Untersuchungen durch. Die Ergebnisse von FARADAYs Untersuchungen lassen sich in zwei Gesetzen zusammenfassen: 1. FARADAYsches Gesetz: Die Masse m eines Stoffes, der bei der Elektrolyse an einer Elektrode abgeschieden wird, hängt nur von der elektrischen Ladung Q ab, die durch die Elektrolysezelle geflossen ist: m ∼ Q. 39 Dieses Gesetz besagt also indirekt auch, dass andere Größen wie Elektrolytkonzentration, Temperatur, Elektrodenbeschaffenheit, Elektrodengeometrie usw. keinen Einfluss auf die abgeschiedene Masse haben. 2. FARADAYsches Gesetz: Die von der gleichen Ladung Q abgeschiedenen Massen mQ verschiedener Stoffe verhalten sich zueinander wie die Quotienten aus relativer Atommasse A (oder relativer Molekülmasse, vgl. Kap. 2.1) und Wertigkeit z der Stoffe. Es gilt also: mQ ∼ A/z. Das zweite Gesetz war für die damalige Theoriebildung über den Aufbau der Materie („Atomtheorie“, „Atomhypothese“) von enormer Bedeutung. Es stellte einen wichtigen Zusammenhang her zwischen elektrischer Ladung und Materie, also zwischen Physik und Chemie, indem es eine Eigenschaft eines Atoms, nämlich seine Wertigkeit z, mit einer definierten elektrischen Ladung verband. Es lag daher nahe, nicht nur der Materie, sondern auch der elektrischen Ladung eine „atomistische Struktur“ zuzuordnen, wie es HERMANN HELMHOLTZ (1821 - 1894) im Jahre 1881 tat. Die Existenz der von ihm postulierten kleinsten Ladungsmenge, die Elementarladung e, wurde im Jahre 1909 von ROBERT ANDREWS MILLIKAN (1868 - 1953) experimentell bestätigt und quantitativ bestimmt. Der heutige Bestwert für die Elementarladung ist: (1) e = 1,602176565 (35) 10-19 C Jedes Ion trägt bei der Elektrolyse so viele Elementarladungen, wie seine Wertigkeit z beträgt. Mit dieser Kenntnis kann das 2. FARADAYsche Gesetz auch so formuliert werden: (2) Um bei der Elektrolyse ein Atom oder ein Molekül einer z-wertigen Substanz abzuscheiden, benötigt man die Ladung z ⋅ e. Soweit der historische Abriss. Der durchzuführende Versuch hat das Ziel, über die Elektrolyse einer Kupfersulfatlösung die FARADAY-Konstante zu bestimmen. 2 Theoretische Grundlagen 2.1 Definitionen Die relative Atommasse („Atomgewicht“) A eines Elementes ist die relative Masse eines Atoms dieses Elementes bezogen auf eine prinzipiell willkürliche Einheit. Früher diente die Masse eines Wasserstoffatoms, danach die eines Sauerstoffatoms als Einheit. Am 1.1.1962 wurde schließlich (willkürlich) festgelegt: (3) Die relative Atommasse eines Atoms des Kohlenstoffisotops 12C beträgt 12,00000. Heute werden die relativen Atommassen der Elemente auf diese Einheit bezogen. Da die meisten Elemente auf der Erde als Isotopengemische vorkommen, ergeben sich für die relativen Atommassen recht krumme Zahlen. So besteht z. B. der auf der Erde vorkommende stabile Kohlenstoff zu 98,89 % aus dem Isotop 12C und zu 1,11 % aus dem Isotop 13C. Folglich ist die relative Atommasse von Kohlenstoff nicht 12,00000, sondern 12,01115. Die relative Molekülmasse („Molekulargewicht“) eines aus mehreren Atomen zusammengesetzten Moleküls ist die Summe der relativen Atommassen der im Molekül enthaltenen Atome. Ebenfalls auf der Basis des Kohlenstoffisotops 12C wurde die Einheit der Stoffmenge, das mol, festgelegt: (4) 1 mol eines Stoffes ist diejenige Stoffmenge, die genauso viele Teilchen (Atome, Moleküle) enthält, wie 12 g des Kohlenstoffisotops 12C. 40 Alle Größen, die sich auf die Stoffmenge beziehen, heißen molare Größen. Die molare Teilchenzahl NA („AVOGADRO-Konstante“) gibt an, wie viele Teilchen sich in 1 mol eines Stoffes befinden. Der heutige Bestwert ist: N A = 6,0221429 (27) 1023 mol−1 (5) Die molare Masse Mmol einer Stoffmenge n mit der Masse m ist per Definition: M mol = (6) m n Diese Größe ist eine Stoffkonstante. Sie hat die Einheit g ⋅ mol-1 und gibt an, wie viel Gramm eines Stoffes 1 mol entspricht. Mit der Definition der relativen Atom- bzw. Molekülmasse in Verbindung mit (3) und (4) sieht man, dass der Zahlenwert für die molare Masse eines Stoffes gleich der relativen Atomoder Molekülmasse des Stoffes ist. Für ein Element x mit der relativen Atommasse Ax gilt also: M mol = Ax g ⋅ mol -1 (7) Mit Einführung der molaren Masse kann man das 2. FARADAYsche Gesetz umformulieren: Um bei der Elektrolyse 1 mol (also NA Teilchen) eines z-wertigen Stoffes abzuscheiden, benötigt man die molare Ladung (Zahlenwerte wieder heutige Bestwerte): (8) Qmol= z e N A= z ⋅ 96485,3365 (21) C mol-1 Üblicherweise wird statt der Größe Qmol die benötigte Ladung F für die Abscheidung von 1 mol eines einwertigen Stoffes angegeben: (9) F e= N A 96485,3365 (21) C mol−1 = Diese Größe heißt FARADAY-Konstante. 2.2 Grundlagen der Elektrolyse Wir betrachten beispielhaft eine Elektrolyse-Zelle gemäß Abb. 1. Zwei ebene Kupferplatten K1 und K2 werden im Abstand l voneinander in einen Behälter getaucht, der mit einer sauren Kupfersulfat (CuSO4)Lösung gefüllt ist. Das Kupfersulfat dissoziiert in der Lösung gemäß: (10) CuSO 4 → Cu + + + SO 4 −− Es entstehen also zweifach positiv geladene Kupferionen und zweifach negativ geladene Sulfationen. Durch Anlegen einer Spannung U an die Kupferplatten entsteht ein elektrisches Feld E vom Betrag E = U/l zwischen den Platten, dessen Feldlinien parallel zueinander von der Anode zur Kathode verlaufen. In diesem Feld wirkt auf die Ionen mit der Ladung q = ± ze die Kraft: (11) F = qE = ± zeE Das positive Vorzeichen gilt für positiv geladene Ionen (Kationen), das negative Vorzeichen für negativ geladene Ionen (Anionen). Im vorliegenden Falle erhalten wir: (12) F = +2eE für die Kupferionen (Kationen) und 41 (13) F = −2eE für die Sulfationen (Anionen). - + Anode K1 A =U Kathode K2 E l Abb. 1: Schematischer Aufbau einer Elektrolysezelle. Infolge dieser Kräfte wandern die Kupferionen in Richtung des elektrischen Feldes zur Kathode (daher der Name Kationen), nehmen dort zwei Elektronen auf und schlagen sich auf der Elektrode nieder: (14) Kathode: Cu ++ + 2e → Cu Die Sulfationen wandern entgegen der elektrischen Feldrichtung zur Anode (daher der Name Anionen), geben dort ihre beiden Überschusselektronen ab, reagieren mit dem Kupfer der Elektrode und bilden Kupfersulfat, das wieder in die Lösung geht und dort dissoziiert: (15) Anode: (SO −− 4 ) − 2e + Cu → CuSO 4 → Cu ++ + SO 4 −− Als Resultat dieser Vorgänge nimmt die Masse an der Kathode zu und an der Anode um den gleichen Betrag ab: Die Kathode wächst auf Kosten der Anode. In diesem Fall, in dem die Anode als so genannte „Lösungselektrode“ dient, spricht man von einer „Elektrolyse mit angreifbarer Anode“. Im Gegensatz dazu geht bei einer „Elektrolyse mit unangreifbarer Anode“ aus z. B. Platin oder Gold kein Material in Lösung, sondern es findet nur eine Entladung des Säurerestes statt. Das Metall in der Lösung wird dann durch die Elektrolyse nach und nach verbraucht. Fließt durch die Zelle während der Zeit t der konstante Strom I, so fließt damit die Gesamtladung Q = It eines Vorzeichens durch die Zelle. Sie führt zu einer Massenzunahme vom Betrag m an der Kathode und einer gleich großen Massenabnahme an der Anode. Nach dem 2. FARADAYschen Gesetz in Verbindung mit Gl. (8) und (9) gilt: (16) Qmol z⋅F Q = = M mol M mol m und damit: (17) F= Q I ⋅t M mol = M mol z⋅m z⋅m Mithilfe dieser Gleichung lässt sich die FARADAY-Konstante F bestimmen. 42 2.3 Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis Im vorangegangenen Kapitel wurde die Theorie der Elektrolyse so dargestellt, wie sie auch in vielen Physik-Lehrbüchern zu finden ist. In der Praxis sehen die Vorgänge oft ein wenig anders aus. So wird es bei dem in diesem Versuch benutzten Elektrolysebad eine Reaktion von Sauerstoff aus der Lösung mit dem Kupfer der Anode geben, die dort zur Korrosion führt. Als Folge dieser Korrosion geht an der Anode nicht nur Kupfersulfat gem. Gl. (15) in Lösung, sondern es kommt konkurrierend auch zum Abtrag makroskopischer (Kupfer-)Körner von der Oberfläche. Das bedeutet zum einen, dass weniger Kupferionen an der Anode in Lösung gehen, als sich an der Kathode niederschlagen; das Kupfer aus der Lösung wird also langsam verbraucht. Zum anderen wird wegen des Kornabtrags der Massenverlust m- der Anode im Allgemeinen größer sein, als die Massenzunahme m+ an der Kathode. Die Berechnung der FARADAYKonstanten nach Gl. (17) wird also nur dann zu den richtigen Ergebnissen führen, wenn für m die Massenzunahme an der Kathode eingesetzt wird; sie kommt ja - wie gewünscht - ausschließlich durch Ablagerung von Kupferionen zustande. 3 Versuchsdurchführung Zubehör: Kupferelektroden aus Elektrolytkupfer (ca. 90 mm ⋅ 100 mm ⋅ 1,5 mm), Haltevorrichtungen für Elektroden, Plastikwannen, Kupfersulfatlösung, Netzgeräte (PHYWE (0 – 15) V / 5 A, (0 – 30) V / 2 A), Digital-Amperemeter (KONTRON DMM 3021, FLUKE 112), Stoppuhr, Analysenwaage (Genauigkeit 0,001 g), Reinigungsbäder (10 %-ige Salzsäure, destilliertes Wasser, Ethanol), Auffangwanne, Topfschwamm, Spritzflaschen mit destilliertem Wasser und Ethanol, Fön, Arbeitshandschuhe, Kittel, Schutzbrille. Hinweise: - Bei den FLUKE-Multimetern muss die Taste "Hz" beim Einschalten gedrückt werden, um ein Abschalten der Geräte nach 20 Minuten zu verhindern. - Die "(0 - 15 V) / 5 A"-Seite der Netzgeräte sollte nur als Stromquelle für Ströme über ca. 800 mA verwendet werden, da es andernfalls schwierig ist, die gewünschte Stromstärke einzustellen. Ziel des Versuches ist es, mit einer Anordnung gemäß Abb. 1 aus einer Elektrolyse mit Kupferelektroden in einer Kupfersulfatlösung die Faraday-Konstante zu bestimmen. 3.1 Vorbereitungen 3.1.1 Ansatz der Lösung Als gutes Rezept für den Elektrolyten erweist sich eine Lösung von 125 g Kupfervitriol (kristallisiertes Kupfersulfat; CuSO4⋅5 H2O), 50 g Schwefelsäure (H2SO4; im Wesentlichen zur Erhöhung der Leitfähigkeit der Lösung) und 50 g Ethanol in 1 l Wasser (nach /1/). Diese Lösung steht gebrauchsfertig zur Verfügung. Vorsicht beim Umgang mit den Elektrolysebädern, sie enthalten aggressive Schwefelsäure! Nicht mit bloßen Händen in die Flüssigkeiten fassen! Arbeitshandschuhe, Kittel und Schutzbrille benutzen! Beim Abspülen der Elektroden darauf achten, dass keine Lösung in den Ausguss gelangt, sondern jeweils in einer Wanne aufgefangen wird (Umweltschutz!). 3.1.2 Reinigung der Elektroden Die während des Praktikums benutzten Elektroden müssen zunächst zwecks Reinigung einmal für etwa 30 min in 10 %-ige Salzsäure gelegt werden. Dieser Schritt wird vor Beginn des Praktikums von der technischen Assistenz durchgeführt. 43 Vor ihrem ersten und jedem weiteren Einsatz im Elektrolysebad werden die Elektroden zunächst über einer Auffangwanne mit Wasser abgespritzt und dann über dem Ausguss unter fließendem Wasser kräftig abgebürstet (Topfschwamm benutzen). Danach werden sie mit destilliertem Wasser abgespritzt und anschließend in Ethanol gespült. Abschließend erfolgt die gründliche Trocknung mit einem Fön. Es dürfen auf keinen Fall Flüssigkeitsreste an den Elektroden verbleiben; besonders im Bereich der Haltevorrichtungen und der elektrischen Anschlüsse muss gründlich getrocknet werden! 3.2 Messprogramm Mit einer Anordnung gemäß Abb. 1 soll die Elektrolyse einer Kupfersulfatlösung für mindestens vier verschiedene Kombinationen von Stromstärke I und Elektrolysezeit t durchgeführt werden. Dabei soll die Stromdichte jeweils zwischen 0,01 A/cm2 und 0,02 A/cm2 und die Elektrolysezeit zwischen 15 min und 30 min liegen. Der Gang einer einzelnen Messung umfasst folgende Schritte: 1. Reinigung und Trocknen der Elektroden gemäß Kap. 3.1.2. 2. Wiegen der Elektroden. Vorsicht beim Umgang mit der Analysenwaage! Waage erst nach Einweisung durch die technische Assistenz benutzen! 3. Einsatz der Elektroden in Elektrolysebad, zügige Einstellung der Stromstärke (Spannungsregler am Netzgerät vorher auf Maximum) und Starten der Stoppuhr. 4. Abschalten der Stromquelle nach Ablauf der Messzeit, Entnahme der Elektroden. Elektroden über Auffangwanne zunächst vorsichtig mit destilliertem Wasser abspülen (Spritzflasche), dann mit Ethanol (Spritzflasche). 5. Elektroden anschließend mit Fön trocknen und erneut wiegen. Da der Niederschlag auf der Kathode unter Umständen nicht fest haftet, dürfen die Elektroden in dem eingetauchten Bereich auf keinen Fall berührt oder gar abgerieben werden! 6. Anode und Kathode während des Reinigungs-, Mess- und Wiegevorgangs nicht vertauschen! Eingeschlagene Markierungen „A“ und „K“ beachten! Frage 1: - Warum sollte die Einstellung der Stromstärke möglichst zügig erfolgen? Frage 2: - Wie groß wäre Q, wenn I während der Messzeit tm exponentiell vom Wert I1 auf den doppelten Wert I2 anstiege? Für jede Messung soll die Massenzunahme m+ an der Kathode und die Massenabnahme m- an der Anode ermittelt werden. Aus beiden Werten soll jeweils nach Gl. (17) ein Wert für die FARADAY-Konstante bestimmt werden. Die molare Masse des Kupfers beträgt Mmol = 63,546 g ⋅ mol-1. Sie kann als fehlerfrei angenommen werden. Für die aus der Massenzunahme an der Kathode berechneten Einzelwerte Fi (i = 1,…,4) werden jeweils die Größtfehler ∆Fi berechnet. Dabei werden für die gemessenen Größen I, t und m aus Gl. (17) die jeweiligen Ablesefehler als Größtfehler angenommen. Die Werte Fi werden mit ihren Größtfehlern ∆Fi in einem Diagramm über i aufgetragen. Aus den Einzelwerten Fi wird der gewichtete Mittelwert Fg sowie sein Fehler ∆Fg berechnet. Als Gewichte dienen dabei die reziproken Quadrate der Größtfehler, d. h. die Größen 1/∆Fi2. Fg wird mit ∆Fg mit in das Diagramm Fi(i) eingetragen und mit dem Literaturwert verglichen. Die aus den Massenabnahmen an der Anode berechneten Werte der FARADAY-Konstanten werden im Hinblick auf systematische Abweichungen vom Literaturwert analysiert (vgl. Kap. 2.3). 44 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil II Abstands- und Abschwächungsgesetz für Beta- und Gamma-Strahlung Stichworte: Radioaktiver Zerfall, Beta- und Gamma-Strahlung, Bremsstrahlung, Photo- und COMPTON-Effekt für Gamma-Strahlung, lineares Abschwächungsgesetz für Gamma-Strahlung, Reichweite von BetaStrahlung, GEIGER-MÜLLER-Zähler, Szintillationsdetektor, Photomultiplier. Messprogramm: Abstands- und Abschwächungsgesetz für Gammastrahlung mit Szintillationsdetektor, Abstands- und Abschwächungsgesetz für Betastrahlung mit GEIGER-MÜLLER-Zählrohr, Bremsstrahlung. Literatur: /1/ DEMTRÖDER, W.: „Experimentalphysik 4 – Kern-, Teilchen- und Astrophysik“, Springer, Berlin u. a. /2/ PETZOLD, W.; KRIEGER, H.: „Strahlenphysik, Dosimetrie und Strahlenschutz - Band 1: Grundlagen“, Teubner, Stuttgart /3/ VOGT, H.-G.; SCHULTZ, H.: „Grundzüge des praktischen Strahlenschutzes“, Carl Hanser Verlag, München /4/ FIRESTONE, R. B.: „Table of Isotopes“, Wiley, New York u. a., 1999 /5/ http://www.nist.gov/physlab/data/xraycoef/index.cfm: Abschwächungskoeffizienten für γ - Strahlung 1 Einleitung In diesem Versuch werden einige elementare Grundlagen zur Messung radioaktiver Strahlung und ihrer Wechselwirkung mit Materie behandelt. Im ersten Versuchsteil geht es um das sogenannte Abstandsgesetz, also um die Verringerung der Strahlungsintensität mit zunehmendem Abstand von der Strahlungsquelle, das im Bereich des Strahlenschutzes eine große praktische Bedeutung hat (wichtige Strahlenschutzregel: Abstand halten!). Der zweite Versuchsteil widmet sich der quantitativen Messung der Abschwächung von Beta- und Gamma-Strahlung in Materie, die ebenfalls von großer praktischer Bedeutung für den Strahlenschutz ist (Bleischürze beim Zahn- und Röntgenarzt - hoffentlich!). Der dritte Teil schließlich setzt sich mit den Besonderheiten der effektiven Abschirmung von Beta-Strahlung auseinander. Hier zeigt sich, dass ein wirksamer Schutz vor Beta-Strahlung nicht unbedingt mit den gleichen Materialien erreicht wird, wie ein wirksamer Schutz vor Gamma-Strahlung - eine für die Strahlenschutzpraxis ebenfalls wichtige Erkenntnis. 2 Theorie Die elementaren theoretischen Grundlagen für diesen Versuch sollten aus der Schule bekannt sein. Sie sind in den folgenden Stichworten nochmals zusammengefasst. In der angegebenen Literatur oder anderen Standardlehrbüchern kann dazu nachgelesen werden. Das Prinzip der zur Strahlungsmessung benutzten Detektoren (GEIGER-MÜLLER-Zählrohr und Szintillationsdetektor) ist in /1/ und /2/ beschrieben. 45 2.1 Bezeichnungen Zunächst sollen einige allgemein übliche Bezeichnungen eingeführt werden: Symbol Z N A=Z+N p n Einheit Physikalische Größe Ordnungs- oder Kernladungszahl: Zahl der Protonen in einem Atomkern Zahl der Neutronen in einem Atomkern Massenzahl Proton Neutron Elektron Positron Alpha-Teilchen Neutrino Antineutrino Gammaquant Js Plancksche Konstante; h = 6,626 069 57 (29) × 10-34 Js s-1 Frequenz eines Gammaquants eV, J Energie eines Gammaquants; 1 eV ≈ 1,602 × 10-19 J s Halbwertszeit s-1 Zerfallskonstante s mittlere Lebensdauer cm-1 Linearer Abschwächungskoeffizient für den Photoeffekt -1 cm Linearer Abschwächungskoeffizient für den COMPTON-Effekt -1 cm Linearer Abschwächungskoeffizient für die Paarerzeugung cm-1 Totaler linearer Abschwächungskoeffizient ββ+ α ν ν γ h f E = hf T1/2 λ = ln2/T1/2 τ = 1/λ µτ µσ µκ µ = µt+µσ+µκ Schreibweise von Atomkernen (Nukliden) X: A Z XN , z.B.: 1 1 H0 3 1H2 137 55 Cs82 241 95 Am146 137 241 Gebräuchlicher sind die kürzeren Versionen: A X, z.B.: 1 X-A, z.B.: H-1 H 90 Sr Cs Am oder 2.2 Radioaktiver Zerfall 2.2.1 Alpha-Zerfall Sr-90 Cs-137 Am-241 α-Zerfall findet hauptsächlich bei Atomkernen mit A > 200 statt, wenn der Mutterkern X durch den Zerfall in einen energetisch niedrigeren und damit stabileren Zustand eines Tochterkerns Y übergehen kann: A Z XN → A− 4 Z − 2YN − 2 + 24 He2 4 2 He 2 heißt auch α-Teilchen 46 Wird beim α-Zerfall nicht der energetische Grundzustand des Atomkerns Y bevölkert, sondern eines seiner angeregten Energieniveaus, findet anschließend ein Übergang von diesem Niveau auf den energetischen Grundzustand statt (Abb. 1). Dieser Übergang ist häufig mit der Emission eines oder mehrerer γQuanten verbunden, deren Energie gleich der Differenzenergie der beteiligten Energieniveaus ist. A Z E E1 E2 X α1 α2 γ1 γ2 0 A-4 Z-2 Y Abb. 1: Schema eines α-Zerfalls des Kerns X. In diesem Beispiel gibt es zwei α-Zerfallskanäle, bei denen die α-Teilchen α1 oder α2 emittiert werden und bei denen zwei unterschiedliche Energieniveaus E1 und E2 des Tochterkerns Y bevölkert werden. Der Übergang von den Energieniveaus E1 und E2 in den Grundzustand von Y, der per Definition die Energie 0 hat, erfolgt in diesem Beispiel unter Emission der Gammaquanten γ1 bzw. γ2. Die energetischen Grundzustände der Kerne sind blau gezeichnet. α- und γ-Strahlung haben diskrete Energien; die α-Energien liegen im Bereich 4 MeV - 9 MeV, die γ-Energien im Bereich einiger 10 keV - 3 MeV. 2.2.2 Beta-Zerfall β-Zerfall kommt in den drei Arten β --Zerfall, β +-Zerfall und Elektroneneinfang vor. Für diesen Versuch ist nur der β --Zerfall von Bedeutung, der bei Atomkernen aller Massenzahlen stattfinden kann, wenn der Mutterkern X durch Zerfall in einen energetisch niedrigeren und damit stabileren Zustand des Tochterkerns Y übergehen kann: A Z XN → A Z+1YN −1 + β − +ν E E1 A Z X β γ1 γ2 E2 0 γ3 A Z+1 Y Abb. 2: Schema eines β - -Zerfalls des Kerns X. In diesem Beispiel gibt es nur einen β -Zerfallskanal, über den das Energieniveau E1 des Tochterkerns Y bevölkert wird. Der Übergang von diesem Energieniveau in den Grundzustand von Y kann direkt unter Emission des Gammaquants γ1 erfolgen, oder über den Umweg des Energieniveaus E2 unter Emission der Gammaquanten γ2 und γ3. 47 Auch hier können zusätzlich γ-Quanten emittiert werden, wenn beim Zerfall zunächst ein angeregtes Energieniveau des Tochterkerns Y bevölkert wird (Abb. 2). Da beim Zerfall neben dem Tochterkern Y zwei Teilchen entstehen, die Energie aufnehmen können (das Elektron und das Antineutrino), hat die β Strahlung keine diskrete Energie, sondern eine kontinuierliche Energieverteilung. Sie reicht von der Energie null bis zur Maximalenergie Emax (vgl. Abb. 7), die bis zu einige MeV betragen kann. 2.2.3 Zerfallsgesetz und Aktivität Für einen einzelnen Atomkern eines radioaktiven Isotops lässt sich nicht vorhersagen, ob er innerhalb eines bestimmten Zeitraums zerfallen wird oder nicht. Quantitative Aussagen lassen sich nur über ein großes Ensemble von Atomkernen treffen. Zu einem Zeitpunkt t seien N(t) Kerne eines radioaktiven Isotops X vorhanden (N(t) ist nicht zu verwechseln mit der Neutronenzahl N). Die Zahl der innerhalb des folgenden Zeitintervalls dt zerfallenden Kerne, dN(t), ist proportional zu N(t) und dt. Mit der Proportionalitätskonstanten λ, der Zerfallskonstanten, gilt: dN (t ) = − λ N (t ) dt , (1) wobei das Minuszeichen die Abnahme von N(t) durch den Zerfall zum Ausdruck bringt. Aus Gl. (1) kann man ablesen, dass die Zerfallskonstante λ den Bruchteil der Kerne eines radioaktiven Isotops angibt, der im Mittel pro Zeiteinheit (Sekunde) zerfällt: λ= − (2) dN (t ) N (t )dt Ist N0 die Anzahl der vorhandenen Atomkerne eines Isotops X zum Zeitpunkt t = 0, so folgt durch Integration von Gl. (1) für die Zahl der noch nicht zerfallenen Kerne des Isotops zum Zeitpunkt t: N (t ) = N 0 e − λt (3) Als Aktivität A (nicht zu verwechseln mit der Massenzahl A) bezeichnet man die Größe: = A(t ) N= (t )λ (4) dN ( t ) = λ N 0 e − λt dt Die SI-Einheit der Aktivität ist das BECQUEREL: 1 Bq = 1 Zerfall/s. Die alte Einheit war das CURIE: 1 Ci = 3,7 × 1010 Bq. 2.3 Wechselwirkung von γ-Strahlung mit Materie Die Wechselwirkung von γ -Strahlung mit Materie erfolgt über drei Effekte: Photoeffekt 1, COMPTONEffekt und Paarbildungseffekt. In diesem Versuch spielt der Paarbildungseffekt aufgrund der Energie der verwendeten γ-Strahlung jedoch keine Rolle. 2.3.1 Photoeffekt Unter dem Photoeffekt versteht man die Totalabsorption eines γ -Quants an der Elektronenhülle des Atomkerns. Der Wechselwirkungsprozess findet aus Gründen der Impulserhaltung an stark gebundenen Elektronen statt, also vorwiegend Elektronen der K-Schale (Abb. 3). Das Elektron erhält dabei eine kinetische Energie Ek, die der Differenz zwischen der Energie des γ -Quants (hf ) und der Bindungsenergie Eb des Elektrons entspricht: 1 Hier ist der innere Photoeffekt gemeint, nicht der äußere Photoeffekt, für dessen Deutung im Jahre 1905 ALBERT EINSTEIN im Jahre 1921 den NOBELpreis für Physik erhalten hat. 48 E= hf − Eb k (5) Die Impulserhaltung ist erfüllt, auch bei der in Abb. 3 gezeichneten Situation, weil der Atomkern einen Rückstoßimpuls aufnimmt, wegen seiner großen Masse aber praktisch keine kinetische Energie. Abb. 3: Prinzip des Photoeffekts. Ein γ-Quant (rot) trifft auf ein Elektron (blau), das stark an den Atomkern (grau) gebunden ist. Das Elektron verlässt das Atom in Richtung des blauen Pfeils. 2.3.2 COMPTON-Effekt Die elastische und inkohärente Streuung von γ -Quanten an freien oder nur sehr schwach gebundenen Elektronen heißt COMPTON-Streuung (Abb. 4). Die Differenz zwischen der Energie des einfallenden γ -Quants (hf) und der Energie des gestreuten Quants (hfs) nimmt das Elektron als kinetische Energie Ek auf: E= hf − hf s k (6) γ γs θ Abb. 4: Prinzip des COMPTON-Effektes. Ein γ-Quant (γ, rot) trifft auf ein freies oder nur sehr schwach an einen Kern gebundenes Elektron (blau), an dem es gestreut wird. Das gestreute Quant (γs) fliegt unter dem Winkel θ weiter, das Elektron in Richtung des blauen Pfeils. 2.3.3 Abschwächungsgesetz Wir betrachten gem. Abb. 5 (links) den Durchgang von monoenergetischer γ -Strahlung durch einen Absorber der Dicke x. Die Intensität I (Zahl der γ -Quanten pro Zeit und Fläche) der Strahlung vor dem Absorber sei I0. Beim Durchgang durch den Absorber wechselwirken einige Quanten mit dem Absorbermaterial per Photo- und COMPTON-Effekt. Für die Intensität der Strahlung, die den Absorber ohne Wechselwirkung verlässt, gilt: (7) − µ +µ x −µ x = I ( x) I= I0 e ( τ σ ) 0 e wobei die Konstante µ der materialspezifische totale lineare Abschwächungskoeffizient ist ([µ] = 1/cm). µ setzt sich aus dem linearen Abschwächungskoeffizienten für den Photoeffekt, µτ , und dem linearen 49 Abschwächungskoeffizienten für den COMPTON-Effekt, µσ , zusammen 2. µτ ist annähernd proportional zu Z5 des Absorbermaterials und sinkt mit wachsender γ -Energie; µσ steigt näherungsweise linear mit Z und nimmt oberhalb von ca. 0,1 MeV ebenfalls mit wachsender γ -Energie ab (s. Abb. 6). x γs γ I (x) I0 D Abb. 5: Links: Zur Abschwächung der Intensität I einer Strahlung beim Durchgang durch einen Absorber (gelb) der Dicke x. Rechts: Beispiel für ein γ-Quant, das in einem Absorber unter einem kleinen Winkel COMPTONgestreut wird. Das gestreute Quant γs verlässt den Absorber und kann bei kleinem Streuwinkel in einem dahinter stehenden Detektor D nachgewiesen werden. 1000 Comptoneffekt Photoeffekt Paarbildungseffekt Total 100 µ / cm-1 10 1 0.1 0.01 1E-3 0.01 0.1 1 10 E / MeV Abb. 6: Lineare Abschwächungskoeffizienten µ von Eisen für γ -Strahlung (Daten nach /5/). Frage 1: - Wie gelangt man zu dem in Gl. (7) beschriebenen Gesetz? (Hinweis: Analogie zum Zerfallsgesetz und zur Kondensatorentladung.) 2 Der dritte Effekt, der zur Strahlungsschwächung beiträgt, ist die Paarbildung. Sie spielt jedoch bei den in diesem Versuch verwendeten γ-Energien keine Rolle und bleibt deshalb unberücksichtigt. 50 Von größerer praktischer Bedeutung ist die Frage, wie groß die messbare Intensität Im(x) der γ -Strahlung hinter dem Absorber ist. Frage 2: - Die messbare Intensität Im (x) weicht vor allem wegen des COMPTON-Effektes deutlich von der Intensität I(x) ab. Warum? Welche Intensität ist größer? (Zur Lösung s. Abb. 5 rechts.) Für Im (x) gilt näherungsweise ebenfalls ein Exponentialgesetz: I m ( x ) = I 0 e −ε x (8) wobei ε wiederum einen linearen Abschwächungskoeffizienten darstellt ([ε] = 1/cm). 2.4 Wechselwirkung von β -Strahlung mit Materie 2.4.1 Wechselwirkungsprozesse Für β -Teilchen gibt es drei wichtige Wechselwirkungsprozesse in Materie: 1. 2. 3. Elastische Streuung an Atomkernen ohne Energieverlust, lediglich Änderung der Bahnrichtung (beschrieben durch die RUTHERFORDSCHE-Streuformel). Inelastische Streuung an Atomkernen unter Emission von Bremsstrahlung, besonders bei großem Z des Absorbers und hoher β -Teilchenenergie. Inelastische Streuung an Hüllenelektronen, d. h. Elektronenanregung oder Ionisation. Bei Prozess 2 kann das Elektron maximal seine gesamte kinetische Energie abgeben. Bei Prozess 3 sind nach der Ionisation zwei freie Elektronen vorhanden. Wegen des Prozesses 1 haben die Elektronen ein großes Winkelstraggling, d. h. ihre Reichweite in einem Absorber entspricht nicht dem tatsächlich zurückgelegten Weg. Wegen der Prozesse 2 und 3 kommt es außerdem zu einem großen Energiestraggling, d. h. dass z. B. ursprünglich monoenergetische Elektronen bereits nach kurzer Weglänge im Absorber sehr unterschiedliche Energien haben. Es lässt sich daher keine Formel für die Reichweite von Elektronen in einem Absorber angeben, sondern nur eine empirische Beziehung für jeweils einen Energiebereich und ein Absorbermaterial. 2.4.2 Abschwächungsgesetz Für monoenergetische β -Strahlung gilt kein exponentielles Abschwächungsgesetz wie für γ -Strahlung. Beim radioaktiven β -Zerfall haben wir es jedoch nicht mit monoenergetischer β -Strahlung zu tun. Vielmehr weist die Energie der freigesetzten β -Strahlung immer eine typische Häufigkeitsverteilung auf, die von der Energie 0 bis zur β -Maximalenergie Emax reicht (Abb. 7). Für die Abschwächung von β -Strahlung mit einer solchen Energieverteilung durch einen Absorber der Dicke x gilt näherungsweise ein empirisch gefundenes Exponentialgesetz: (9) I m ( x ) ≈ I 0 e −ς x wobei ζ auch hier einen linearen Abschwächungskoeffizienten darstellt ([ζ]=1/cm) und die Intensitäten analog zu Gl. (7) definiert sind. 51 Abb. 7: Theoretischer Verlauf eines Betaspektrums für eine β -Maximalenergie von Emax = 1500 keV. N(E) ist die Häufigkeit (in beliebigen Einheiten), mit der β -Strahlung der kinetischen Energie E emittiert wird. (Ohne Berücksichtigung der COULOMB-Korrektur, durch die Elektronen beimβ --Zerfall abgebremst und Positronen beim β +-Zerfall beschleunigt werden.) 2.5 Fehlerbetrachtung Die exakte statistische Beschreibung des radioaktiven Zerfalls erfolgt auf Basis der BINOMIALverteilung (Atomkerne beeinflussen ihren Zerfall gegenseitig nicht). Ist jedoch die Zerfallskonstante λ sehr klein (λ « 1) und die Zahl N der betrachteten Atomkerne sehr groß (N » 1), so ist die Anzahl der während einer Messzeit ∆t zerfallenen Atomkerne, M, klein gegenüber N. Für den Erwartungswert oder Mittelwert 〈M〉 von M während der Zeit ∆t gilt dann: (10) M= λ N ∆t << N Unter diesen Voraussetzungen kann die statistische Beschreibung des radioaktiven Zerfalls in guter Näherung auf Basis der POISSONverteilung erfolgen. Das bedeutet: Wird M bei jeweils gleichen Anfangsbedingungen oft gemessen und werden die Messwerte anschließend in Form eines Histogramms aufgetragen, so ergibt sich als Einhüllende dieses Histogramms die Dichtefunktion der POISSONverteilung. Ein Vorteil der Näherung der BINOMIAL- durch die POISSONverteilung ist, dass die Standardabweichung σM für eine POISSONverteilung sehr leicht aus dem Mittelwert 〈M〉 berechnet werden kann. Es gilt nämlich: (11) σM = M wenn M POISSONverteilt. Geht schließlich N → ∞, so kann in guter Näherung die um 〈M〉 asymmetrische Dichtefunktion der POISdurch die symmetrische Dichtefunktion der GAUß- oder Normalverteilung mit gleichem Mittelwert und gleicher Standardabweichung ersetzt werden. 3 SONverteilung Bei den meisten Messungen wird nicht die Anzahl der während der Messzeit ∆t zerfallenen Atomkerne registriert, sondern die Anzahl der von einem Detektor nachgewiesenen Zerfälle, die wegen der begrenzten Nachweiswahrscheinlichkeit des Detektors in der Regel erheblich kleiner ist. Für diese Messgröße, die zur ersten proportional ist, gelten jedoch die gleichen Überlegungen zur Statistik. Wenn im Folgenden von M die Rede ist, ist immer diese Messgröße gemeint. 3 Die Messgröße M kann nur im Intervall 0 ≤ M ≤ ∞ liegen, die Dichtefunktion der GAUßverteilung ist jedoch im Wertebereich von –∞ bis +∞ definiert. Vgl. hierzu die Anmerkungen in der Anleitung zur „Fehler- und Ausgleichsrechnung“. 52 In der Praxis wird nur in seltenen Fällen eine Serie von Messungen durchgeführt, um 〈M〉 und die Standardabweichung σM zu ermitteln. Vielmehr wird in der Regel die Messzeit ∆t so groß gewählt, dass die Zahl der während der Messzeit ∆t detektierten Ereignisse einige 100 beträgt. Dann kann ein Messwert M in guter Näherung gleich dem bei einer Messserie erwarteten Mittelwert 〈M〉 gesetzt und die Standardabweichung als (12) σM ≈ M berechnet werden. Die dabei auftretenden Abweichungen zu den Werten von 〈M〉 und σM, die aus einer Messserie gewonnen würden, sind in diesem Fall vernachlässigbar. Auch bei diesem Versuch werden wir die Versuchsbedingungen so wählen, dass dieses Vorgehen erlaubt ist. Oftmals wird statt der Impulszahl M und ihrer Standardabweichung σM die Zählrate m mit Standardabweichung σm angegeben. Wird ∆t als nicht fehlerbehaftete Größe angesehen, so gilt: (13) m= M ∆t σm = M ∆t [m] = [σm] = 1/s Jeder Detektor misst infolge von Umgebungsstrahlung während der Zeit ∆t0 einen Nulleffekt M0. Für die zugehörige Nulleffekt-Zählrate m0 und deren Standardabweichung σ0 gilt: = m0 (14) M0 = σ0 ∆t0 M0 ∆t0 Der Nulleffekt ist bei der Bestimmung der Nettozählrate n einer Messung abzuziehen: (15) n = m − m0 = M M − 0 ∆t ∆t 0 Die Standardabweichung σn für die Nettozählrate n folgt aus der GAUßschen Fehlerfortpflanzung: (16) σn = σ m2 + σ 02 = M0 M + 2 ∆t ∆t02 Frage 3: - Wie erreicht man also kleine statistische Fehler? 53 3 Versuchsdurchführung Zubehör: GEIGER-MÜLLER-Zählrohr (VALVO Z 1410) in Al-Halter mit Plexiglas-Abdeckkappe, Steuergerät für Zählrohr mit Netzgerät, NaJ(Tl)-Szintillationsdetektor, Hochspannungsgerät (FUG HCN 35-3500) für Szintillationsdetektor, elektronischer Zeitschalter, Universalzähler, Operationsverstärker auf Steckplatine mit Zubehör und Netzgerät (PHYWE (0 - 15 / 0 - 30) V), Digital-Speicheroszilloskop (TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B), radioaktive Quellen (Cs-137, Sr-90; AMERSHAM BUCHLER) in Al-Halterungen, Stabdosimeter (EBERLINE FH 39RP), Absorberplatten (Fe, Al) unterschiedlicher Dicken, Plexiglasplatte (Dicke 2 mm), Dreieckschiene mit Reitern, Halter für GEIGER-MÜLLER-Zählrohr und Szintillationsdetektor, Halter für radioaktive Quellen, U-Halter für Absorberplatten, Messschieber. 3.1 Hinweis zum Strahlenschutz Die Strahlendosis (hier: Äquivalentdosis H), mit der ein Mensch belastet wird, der sich während der Zeit t in der Entfernung r von einer punktförmigen radioaktiven β - oder γ -Quelle mit der Aktivität A aufhält, ist gegeben durch: (17) H = Γ⋅ A⋅t r2 [H] = Sv (SIEVERT) Dabei ist Γ die Dosisleistungskonstante, die z. B. in /3/ tabelliert ist. Für Cs-137 ist= Γ 2, 47 × 10−17 Sv ⋅ m 2 Sv ⋅ m 2 , für Sr-90 ist= . Γ 1,04 × 10−20 Bq ⋅ s Bq ⋅ s Mit diesen Angaben und den auf den Quellen mit Bezugsdatum eingravierten Aktivitätsangaben lässt sich die Strahlendosis ermitteln, der man bei diesem Versuch ausgesetzt ist. Sie ist so niedrig (deutlich unterhalb der natürlichen Strahlendosis, deren Dosisleistung etwa 2,5 mSv/a = 285 nSv/h beträgt), dass zum Schutz vor der äußeren Bestrahlung durch die Quellen keine besonderen Maßnahmen während der Bearbeitung des Versuchs erforderlich sind. Zur Überprüfung kann während des Versuchs ein Stabdosimeter getragen werden, das vor und nach dem Versuch abgelesen wird. Grundsätzlich müssen aus Gründen des Strahlenschutzes beim Umgang mit radioaktiven Stoffen immer folgende Regeln eingehalten werden: • Abstand von den Quellen so groß wie möglich. • Kontakt mit den Quellen so selten wie möglich. • Mechanische Beschädigungen der Quellen unbedingt vermeiden, da andernfalls die Gefahr einer Inkorporierung radioaktiver Stoffe besteht. 3.2 Hinweise zu den verwendeten radioaktiven Quellen Abb. 8 zeigt schematisch den Aufbau der im Versuch verwendeten radioaktiven Quellen Cs-137 (γ-Strahler) und Sr-90 (β-Strahler). Die vereinfachten Zerfallsschemata beider Isotope sind in Abb. 9 dargestellt. Der Abbildung können Angaben über die Halbwertszeit, die Zerfallsart, die Energie der emittierten γ -Quanten und die Maximalenergien der emittierten β -Teilchen entnommen werden. Die Aktivität der Quellen ist mit Bezugsdatum auf den Quellen eingraviert. 54 a Abb. 8: Aufbau der verwendeten radioaktiven Quellen (rot), die in einem Al-Rohr (grau) eingefasst sind. a ist der Abstand der Quellen von der Vorderkante des Al-Rohres. Für die Cs-137-Quelle ist a = 7 mm, für die Sr-90-Quelle ist a = 8 mm. 137 55 90 38 Cs (30,1 a) β Sr (28,8 a) 0,514 MeV γ 0,662 MeV 137 56 Ba β1 0,546 MeV 90 39 Y(64 h) β 2 2,280 MeV 90 40 Zr Abb. 9: Vereinfachte Zerfallsschemata der verwendeten radioaktiven Quellen Cs-137 und Sr-90 (Daten nach /4/). Die angegebenen β -Energien sind die Maximalenergien Emax. Die Halbwertszeiten der Isotope sind in Klammern angegeben. Die Cs-137-Quelle ist so gekapselt, dass nur die γ-Strahlung mit einer Energie von ca. 662 keV austritt. Die Sr-90-Quelle ist so gekapselt, dass nur die energiereichen β -Strahlen austreten, die beim Zerfall von Y-90 nach Zr-90 emittiert werden. 3.3 Aufbau der Versuchsanordnungen In den unter Kap. 3.4 bis 3.8 beschriebenen Versuchen werden ein GEIGER-MÜLLER-Zählrohr und ein Szintillationsdetektor eingesetzt. Beide Versuchsanordnungen werden in Kap. 3.3.1 und 3.3.2 kurz beschrieben. Je zwei Teams erstellen zunächst gemeinsam den Versuchsaufbau mit dem Szintillationsdetektor. Anschließend führt ein Team die Versuche mit dem Szintillationsdetektor durch, während das andere Team mit dem GEIGER-MÜLLER-Zählrohr arbeitet. Nach etwa der Hälfte der Praktikumszeit werden die Versuchsanordnungen getauscht. 3.3.1 Geiger-Müller-Zählrohr Das GEIGER-MÜLLER-Zählrohr GMZ wird in einem Halter auf einer Dreieckschiene montiert und über ein Koaxialkabel mit dem Steuergerät STG verbunden (Abb. 10 links). Über dieses Kabel wird dem Zählrohr die erforderliche Hochspannung von ca. 470 V zugeführt. Jedes vom Detektor registrierte Strahlungsereignis führt zur Freisetzung von Ladungsträgern in dem Zählgas, damit zu einem verringerten elektrischen Widerstand im Gas und dadurch schließlich zu einem kurzzeitigen Abfall der der Hochspannung (Abb. 10 rechts), der vom Steuergerät als Zählimpuls registriert wird. Vor Inbetriebnahme des GEIGER-MÜLLER-Zählers muss die bereitliegende Bedienungsanleitung durchgelesen werden. Das Eintrittsfenster an der Vorderseite des Zählrohres ist nur wenige Mikrometer dick und kann leicht zerstört werden. Deshalb darf die davor angebrachte schützende Plexiglaskappe P niemals entfernt werden. 55 P GMZ + HV STG d Abb. 10: Links: Aufbau zur Messung der Impulszahl M mit dem GEIGER-MÜLLER-Zählrohr GMZ. Das Zählrohr besteht aus einem Metallmantel (grau) und einem mittig angebrachten Stift (schwarz), zwischen denen die Hochspannung HV angelegt wird. Das Rohr ist mit Zählgas gefüllt (grün). Es ist nach vorne mit einem dünnen Eintrittsfenster (pink) von einigen Mikrometer Dicke abgeschlossen. Eine Plexiglaskappe P von 0,25 mm Dicke dient zum Schutz dieses Fenster. Nach hinten ist das Rohr mit einem elektrischen Isolator (beige) zwischen Stift und Mantel abgeschlossen. Im Abstand d von der Plexiglaskappe befindet sich die radioaktive Quelle. Rechts: Oszilloskopbild der Hochspannung des GMZ mit den durch Strahlungsereignisse ausgelösten Spannungseinbrüchen. Der variierende zeitliche Abstand der Einbrüche ist ein Charakteristikum des radioaktiven Zerfalls: die Zerfälle erfolgen nicht mit festem zeitlichen Abstand, sondern zu zufälligen Zeitpunkten. 3.3.2 Szintillationsdetektor Der Szintillationsdetektor 4 (mit Thallium (Tl) dotierter Natriumjodid-(NaJ)-Kristall, Schreibweise: NaJ(Tl), mit angeschlossenem Photomultiplier PM) ist ebenfalls in einem Halter auf einer Dreieckschiene montiert; die Beschaltung zeigt Abb. 11. Über ein Hochspannungsgerät HV wird der Photomultiplier PM des Detektors mit einer Betriebsspannung von + 1.100 V versorgt. Die Betriebsspannung bleibt dauerhaft (auch nach Versuchsende!) eingeschaltet. Sollte das Hochspannungsgerät dennoch ausgeschaltet sein oder eine andere Spannung als 1.100 V anzeigen, ist umgehend der/die Betreuer/in oder die technische Assistenz zu informieren! Jedes vom Szintillationsdetektor registrierte Strahlungsereignis führt zur Freisetzung von einigen 104 - 105 Photonen (Lichtquanten), die an der Photokathode des Photomultipliers durch äußeren Photoeffekt Elektronen auslösen (Auslösewahrscheinlichkeit einige 10 %). Diese Elektronen werden über die Dynoden des Photomultipliers vervielfacht und ergeben schließlich an dessen Anode einen Spannungsimpuls, dessen Amplitude zur absorbierten Strahlungsenergie des registrierten Ereignisses proportional ist. Für unsere Versuche sind wir jedoch nur an der Anzahl der Strahlungsereignisse M während der Messzeit t interessiert, die mit der Anordnung in Abb. 11 wie folgt gemessen wird: Das am Ausgang Anode des Photomultipliers anliegende Signal wird mithilfe eines Operationsverstärkers invertiert und um den Faktor 10 verstärkt 5. Beide Signale (vor und nach Verstärkung) werden gleichzeitig auf dem Oszilloskop OS dargestellt; die Signalamplituden liegen im Bereich einiger 100 mV bis einige V. Frage 4: - Welches der Signale zeigt einen langsameren Impulsanstieg? Warum? (Hinweis: FOURIER-Spektrum der Signale und Transitfrequenz des Operationsverstärkers berücksichtigen.) 4 5 Szintillation: Lichterzeugung durch Absorption radioaktiver Strahlung. Beim Aufbau der OP-Schaltung ist zu beachten: Wenn der Ausgang des OP mit dem Eingang des elektronischen Zeitschalters verbunden wird, kommt es zu Rückkopplungen, die das Ausgangssignal des OP deutlich stören, solange die Netzspannung des Zeitschalters nicht eingeschaltet ist (Power Off). Durch Einschalten des Zeitschalters werden diese Störungen vermieden. 56 10 kΩ Anode NaJ(Tl) PM 1 kΩ + Uhr S Universalzähler d + HV OS Abb. 11: Aufbau zur Messung der Impulsanzahl M mit dem Szintillationsdetektor. Im Abstand d vom dünnen Metallmantel, der den Detektor umgibt, befindet sich die radioaktive Quelle. Weitere Beschreibung siehe Text. Der Ausgang des Operationsverstärkers wird über einen elektronischen Zeitschalter S mit dem Eingang A eines Universalzählers verbunden, der im Modus „Impulszählung“ (Schalterstellung N) betrieben wird. Der Zeitschalter stellt für eine einstellbare Zeit ∆t („Uhr“) eine elektrische Verbindung zwischen dem Ausgang des OP und dem Eingang des Universalzählers her, während der die Impulse gezählt werden. Die Triggerschwelle des Universalzählers wird, beim rechten Anschlag des Drehknopfes beginnend, soweit gegen den Uhrzeigersinn gedreht, bis ohne radioaktive Quelle etwa 50 Impulse/s gezählt werden. Hierdurch wird erreicht, dass die Triggerschwelle über dem Rauschpegel des Photomultipliersignals liegt und nur solche Impulse gezählt werden, die durch Strahlungsereignisse im Detektor verursacht wurden. 3.4 Nulleffekt Unter dem Nulleffekt m0 eines Detektors versteht man gem. Kap. 2.5 die durch die natürliche Umgebungsstrahlung verursachte Zählrate. Der Nulleffekt muss daher bei allen folgenden Messungen von der gemessenen Zählrate m abgezogen werden, um die Nettozählrate n zu erhalten. Um den Beitrag von m0 zur Standardabweichung σn von n (Gl. (16)) genügend klein zu halten, soll für die Standardabweichung σ0 von m0 gelten: (18) σ 0 ≤ 0, 05 m0 Dies setzt eine entsprechend lange Messzeit ∆t0 zur Bestimmung von m0 voraus, die beim GEIGERMÜLLER-Zählrohr ca. 60 min beträgt. Die Messung des Nulleffektes für die GEIGER-MÜLLER-Zählrohre wird deshalb vor Versuchsbeginn von der technischen Assistenz für die verschiedenen Zählrohre durchgeführt. Die Messergebnisse liegen an den einzelnen Messplätzen bereit. Für den Szintillationsdetektor wird der Nulleffekt einmal zu Versuchsbeginn über eine Messzeit von ca. 2 min gemessen (Schalter S für 2 min schließen). 3.5 Abstandsgesetz Das Abstandsgesetz beschreibt den Verlauf der Nettozählrate n als Funktion des Abstandes d zwischen einer punktförmigen radioaktiven Quelle konstanter Aktivität und einem Detektor. Unter der idealisierten Voraussetzung, dass keine Absorption der Strahlung auf dem Weg von der Quelle zum Detektor stattfindet und dass alle Quanten oder Teilchen, die auf das Eintrittsfenster des Detektors gelangen, von diesem mit gleicher Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, lässt sich das Abstandsgesetz für eine Anordnung gem. Abb. 12 aus einfachen geometrischen Überlegungen herleiten: 57 (19) d n= (d ) n1 1 − r02 + d 2 mit d = a + d1 a d1 r0 n1 Abstand der als punktförmig angenommenen Quelle vom Detektoreintrittsfenster. Apparatekonstante der Quelle (Abb. 8) Abstand zwischen Außenkante des Probenhalters und dem Detektoreintrittsfenster (Szintillationsdetektor) bzw. der Plexiglaskappe (GEIGER-MÜLLER-Zählrohr). Im letzten Fall muss zu d noch die Dicke der Kappe (0,25 mm) hinzu addiert werden, also: d = a + d1 + 0,25 mm. Radius des Eintrittsfensters: r0 = 12,5 mm für das Zählrohr r0 = 38,1 mm für den Szintillationsdetektor Nettozählrate für d = 0 Frage 5: - Wie gelangt man zu Gl. (19)? Das Abstandsgesetz soll für zwei verschiedene Kombinationen aus radioaktiver Quelle und Detektor gemessen werden: a) Cs-137-Quelle im Abstand d = d1 + a = (2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 15, 20, 25, 30, 35, 40) cm vom Szintillationsdetektor, b) Sr-90-Quelle im Abstand d = d1 + a = (2, 10, 12, 14, 16, 18, 20, 25, 30, 35) cm vom GEIGERMÜLLER-Zählrohr. r r0 D a d1 Abb. 12: Zur Anordnung von Detektor D und radioaktiver Quelle (rot, vgl. Abb. 8) bei Messung des Abstandsgesetzes. Die Quelle wird als punktförmig angenommen. Die Intensität der emittierten Strahlung verteilt sich gleichmäßig auf der Oberfläche einer Kugel vom Radius r. Das Eintrittsfenster des Detektors (pink) schneidet aus dieser Kugeloberfläche eine Kugelkappe aus. Im Fall a) können wir gemäß der Angaben in Abb. 9 von einer reinen γ -Quelle, im Fall b) von einer reinen β -Quelle ausgehen. Die Messzeit soll für die Messung mit dem Szintillationsdetektor jeweils ca. (0,5 – 1) min betragen. Bei der Messung mit dem GEIGER-MÜLLER-Zählrohr soll sie so gewählt werden, dass für die Standardabweichung σm der gemessenen Zählrate m gilt: (20) σ m ≤ 0, 05 m 58 Hieraus folgt mit Gl. (13) die erforderliche Impulszahl M während der Messzeit ∆t. Zur Ermittlung der richtigen Messzeit wird der Zähler bei größtem d probeweise gestartet, die zeitliche Veränderung des Zählerstandes einige Sekunden beobachtet und daraus die erforderliche Messzeit für die Bedingung aus Gl. (20) abgeschätzt. Diese Messzeit wird dann am Steuergerät eingestellt und anschließend mit der eigentlichen Messung begonnen. Für kleine Abstände kann die Messzeit unter Beibehaltung der Bedingung aus Gl. (20) verringert werden. Die Messergebnisse n(d) werden mit Fehlerbalken für n(d) doppelt-logarithmisch über d aufgetragen. Mit Hilfe von Origin wird ein nichtlinearer Kurvenfit mit der Zielfunktion aus Gl. (19) durch die Messdaten gelegt 6. Dabei ist n1 der einzige freie Fitparameter. r0 ist ein fester Parameter (siehe Angaben unter Gl. (19), jeweils fehlerfrei). Beim Vergleich des Verlaufs der Messdaten mit den Erwartungen gem. Gl. (19) wird auffallen, dass bei großen n (kleinen d) die Fitfunktion besser an die Messwerte angepasst zu sein scheint als bei kleinen n (großen d) 7. Dies lässt sich wie folgt erklären: Die Parameter der Fitkurve sind dann optimal, wenn die Summe der Abweichungsquadrate zwischen den Messwerten und den aus der Fitfunktion errechneten Funktionswerten minimal ist. Die Abweichungen bei großen n tragen demnach stärker zu dieser Summe bei als die Abweichungen bei kleinen n. 3.6 Abschwächung von γ -Strahlung in Materie Die Abschwächung von γ -Strahlung soll für das Absorbermaterial Eisen untersucht werden. Dazu wird mit dem Szintillationsdetektor die durch die Cs-137-Quelle verursachte Nettozählrate n(x) bei x = (5, 10, 15, 20, 25, 30, 35, 40) mm Eisen zwischen Quelle und Detektor gemessen (Dicken der Fe-Platten mit Messschieber ausmessen). Der Abstand zwischen Quelle und Detektor muss bei dieser Messung unverändert bleiben (d1 ca. 100 mm). Der Abstand zwischen dem Detektor und den Fe-Platten soll ca. 50 mm betragen, die Messzeit jeweils 1 min. Die Messergebnisse n(x) ∼ Im (x) werden mit Fehlerbalken für n(x) halblogarithmisch über x aufgetragen. Mit Hilfe von Origin wird eine Ausgleichsgerade durch die Messwerte gelegt 8. Aus der Steigung der Ausgleichsgeraden soll der Abschwächungskoeffizient ε für die 662 keV γ -Strahlung von Cs-137 für Eisen bestimmt und mit dem Literaturwert des totalen linearen Abschwächungskoeffizienten µ für Eisen (µ = 0,57 cm-1, /5/ und Abb. 6, Fehler vernachlässigbar) verglichen werden. Frage 6: - Bestätigen sich die Vermutungen hinsichtlich des Verhältnisses von µ zu ε bzw. von I(x) zu Im (x)? 3.7 Abschwächung von β -Strahlung durch Materie Die Abschwächung von β -Strahlung, die aus der Sr-90-Quelle freigesetzt wird, soll für das Absorbermaterial Aluminium untersucht werden. Dazu wird mit dem GEIGER-MÜLLER-Zählrohr die durch die Sr-90Quelle verursachte Nettozählrate n(x) für x = (0,5; 1,0; 1,5; 2,0; 2,5) mm Aluminium 6 7 8 Für die mit der Sr-90-Quelle gewonnenen Messdaten (GEIGER-MÜLLER-Zählrohr) wird der Messwert für d = 2 cm maskiert, sodass er bei der Berechnung der Fitkurve unberücksichtigt bleibt. Bei der Sr-90-Messreihe wird sich eine deutliche Abweichung des maskierten Messwertes bei d = 2 cm von der theoretisch erwarteten Kurve ergeben. Diese Abweichung erklärt sich aus der Totzeit des Detektors. Zeichnet man mit ORIGIN ein halb- oder doppelltogarithmisches Diagramm, so bleiben die dem Diagramm zugrunde liegenden Daten in der Datentabelle unverändert, erscheinen im Diagramm jedoch logarithmiert. Um durch diese logarithmierten Daten eine Ausgleichsgerade zu legen, muss im Dialogfenster der Fitroutine deshalb der Haken bei scheinbarer Fit gesetzt werden. 59 zwischen Quelle und Detektor gemessen (Dicken mit Messschieber ausmessen). Der Abstand zwischen Quelle und Detektor muss auch bei dieser Messung unverändert bleiben (d1 ca. 50 mm). Die Messzeit wird so gewählt, dass bei der größten Absorberdicke die Standardabweichung der gemessenen Zählrate kleiner 10 % von m ist. Die Messergebnisse n(x) ∼ Im (x) werden mit Fehlerbalken für n(x) halblogarithmisch über x aufgetragen und mit Hilfe von Origin wird eine Ausgleichsgerade durch die Messwerte gelegt. Aus der Steigung der Ausgleichsgeraden wird der Abschwächungskoeffizient ζ von Aluminium für die β -Strahlung aus der Sr-90-Quelle bestimmt (siehe Anmerkungen zur Sr-90-Quelle bei Abb. 9). 3.8 Bremsstrahlung Bei der Wechselwirkung von β -Strahlung mit Materie entsteht u.a. Bremsstrahlung (RÖNTGENstrahlung), und zwar umso häufiger und energiereicher, je größer die Kernladungszahl Z des Absorbers ist. Dazu folgender Versuch: Wir nehmen zwei Absorberplatten mit unterschiedlichem Z, die jedoch eine annähernd gleiche Massenbelegung (Quotient aus Masse und Fläche der Platte) haben. Bei gleicher Massenbelegung wird β -Strahlung einer bestimmten β -Maximalenergie von unterschiedlichen Materialien etwa gleich stark absorbiert (vgl. Abb. 13). Bestrahlt man demnach jede der Platten mit β -Strahlung gleicher Intensität, wird hinter den Platten jeweils etwa die gleiche, durch Absorption reduzierte β -Strahlungsintensität herrschen. Jedoch wird in der Platte mit dem größeren Z durch die β -Strahlungsabsorption mehr Bremsstrahlung (RÖNTGENstrahlung) erzeugt, sodass die Bremsstrahlungsintensität hinter dieser Platte höher ist als hinter der Platte mit kleinerem Z. In unserem Fall handelt es sich bei den Platten um eine etwa 2 mm dicke Plexiglasscheibe und ein etwa 1 mm dickes Aluminiumblech. Das Plattenpaar wird zunächst mit der Al-Platte zur Sr-90-Quelle zeigend zwischen Quelle und GEIGER-MÜLLER-Zählrohr eingebracht und die Zählrate gemessen (Messzeit ca. 200 s; Abstand d1 ≈ 1,5 cm). Anschließend wird das Plattenpaar umgedreht und bei gleicher Zählzeit und gleichem Abstand d1 erneut die Zählrate gemessen. Z1 Z2 Abb. 13: Auf zwei Platten (gelb) mit gleicher Massenbelegung aber unterschiedlicher Ordnungszahl Z1 > Z2 trifft β -Strahlung (dunkelblau) gleicher Intensität, die in den Platten gleich stark absorbiert wird. Hinter den Platten herrscht deshalb die gleiche verminderte β -Strahlungsintensität (hellblau), aber unterschiedliche Bremsstrahlungsintensität (dunkel- bzw. hellrot). Frage 7: - Wie groß sind die Massenbelegungen der benutzten Plexiglas- und Aluminiumplatten? - Warum sind die gemessenen Zählraten unterschiedlich? Hinweis zur Lösung: Z(Al) = 13, Plexiglas: [C5H8O2]n, Z(C) = 6, Z(O) = 8, Z(H) = 1. Überlegen Sie, was jeweils aus der der Quelle zugewandten Platte hinten austritt. Berücksichtigen Sie die entstehende Bremsstrahlung, deren Intensität mit wachsendem Z zunimmt, und die Tatsache, dass Bremsstrahlung in den beiden Platten etwa gleich stark absorbiert wird. - Wie muss also ein Material beschaffen sein, das einen möglichst effektiven Schutz vor β -Strahlung gewährleistet? 60 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil II Geometrische Optik, optische Abbildung und Aberrationen Stichworte: Linsenmacher-Gleichung, Abbildungsgleichung, GAUßscher Abbildungsbereich, BESSEL-Verfahren, Vergrößerung, Sehwinkelvergrößerung, Blende, Pupille, sphärische Aberration, chromatische Aberration, optische Geräte, Lupe, Fernrohr, Okular, Objektiv. Messprogramm: Brennweitenbestimmung mit der BESSEL-Methode, Messung der chromatischen und sphärischen Aberration einer Linse, Schärfentiefe, Sehwinkelvergrößerung mit einem Fernrohr. Literatur: /1/ HECHT, E.: „Optik“, Oldenbourg, München u. a. /2/ BERGMANN-SCHÄFER: „Lehrbuch der Experimentalphysik - Band III Optik“, de Gruyter, Berlin u. a. 1 Einleitung Beim Entwurf und der Realisierung optischer Instrumente und Experimente hat die geometrische Optik (Strahlenoptik) nach wie vor eine große praktische Bedeutung. Sie beruht auf vier Gesetzen, die sich aus dem FERMATschen Prinzip ableiten lassen: der Geradlinigkeit der Lichtausbreitung, der Umkehrbarkeit optischer Wege, dem Reflexionsgesetz und dem Brechungsgesetz. Neben soliden Kenntnissen der recht elementaren theoretischen Grundlagen der geometrischen Optik sind vor allem praktische Erfahrungen im richtigen Umgang mit einfachen optischen Komponenten nützlich, die in diesem Versuch gewonnen werden. Sie zählen mit zu den Grundvoraussetzungen, die Studierende mitbringen müssen, die sich im Laufe ihres Studiums mit moderner Optik bzw. Photonik befassen. 2 Theorie Wir gehen davon aus, dass die theoretischen Grundlagen der geometrischen Optik noch aus der Schulzeit bekannt sind. Wir werden uns daher im Folgenden darauf beschränken, die Punkte stichwortartig zu wiederholen, die für die Versuchsdurchführung direkt von Bedeutung sind. Auf die Herleitung der meisten Formeln wird verzichtet, da sie ebenfalls als bekannt vorausgesetzt werden. 2.1 Vereinbarungen und Näherungen des Brechungsgesetzes Wir halten zunächst einige allgemein übliche Vereinbarungen fest: - Bei der Zeichnung und Beschreibung von Strahlengängen wird grundsätzlich eine Lichtausbreitung von links nach rechts vorausgesetzt. - Der Raum links von einem abbildenden optischen System (im einfachsten Fall besteht es aus nur einer Linse) heißt Gegenstandsraum, der Raum rechts davon Bildraum. - Die durch die Linsenmitte und die Brennpunkte der Linse verlaufende Achse heißt optische Achse. In einem kartesischen Koordinatensystem ist dies die z-Achse. In den Abbildungen dieses Textes ist die optische Achse immer als horizontale, strichpunktierte Linie gezeichnet. Weitere Vereinbarungen ergeben sich aus Näherungen des Brechungsgesetzes (Abb. 1), das besagt: Tritt ein Lichtstrahl aus einem Medium 1 mit der Brechzahl n1 in ein Medium 2 mit der Brechzahl n2 ein, z. B. aus Luft in Glas, so gilt: 61 n1 sin α = n2 sin β (1) Dabei ist α der Winkel zwischen dem einfallenden Strahl und dem Lot auf die Oberfläche des Mediums 2 (Einfallswinkel) und β der Winkel zum Lot, unter dem sich der Strahl im Medium 2 weiter ausbreitet. α n1 β n2 Abb. 1: Definition von Winkeln beim Brechungsgesetz. Für sin α kann man mithilfe der Reihenentwicklung schreiben: sin α ≈ α − (2) α3 3! + α5 5! − ... In der geometrischen Optik spielen zwei Näherungen dieser Reihenentwicklung eine große Rolle. In der Theorie erster Ordnung beschränkt man sich auf so kleine Winkel α, dass nur der erste Term der Reihenentwicklung berücksichtigt werden muss, dass also näherungsweise gilt: sin α ≈ α Theorie erster Ordnung Die Theorie dritter Ordnung berücksichtigt auch etwas größere Winkel, sodass näherungsweise gilt: sin α ≈ α − α3 3! Theorie dritter Ordnung Bei den folgenden Überlegungen werden wir uns, wenn nicht ausdrücklich anders angegeben, auf die Theorie erster Ordnung (paraxiale Theorie) für dünne, sphärische Linsen beschränken. Das bedeutet: - Wir werden nur enge Lichtbündel betrachten, die sich in der Nähe der optischen Achse und mit kleiner Neigung (< 5°) gegen diese Achse ausbreiten (GAUßscher Abbildungsbereich). - Wir werden davon ausgehen, dass die Linsen so dünn sind, dass ihre Hauptebenen in der Linsenmitte zusammenfallen. 2.2 Abbildungseigenschaften von Linsen Die Brennweite f einer sphärischen Linse 1 lässt sich unter den in Kap. 2.1 genannten Voraussetzungen mithilfe der Linsenmacher-Gleichung berechnen: (3) 1 1 1 = (n − 1) − R1 R 2 f Dabei ist gem. Abb. 2: n: Brechzahl des Linsenglases; n hängt von der Wellenlänge λ des Lichtes ab. R1: Krümmungsradius der linken Linsenoberfläche. R2: Krümmungsradius der rechten Linsenoberfläche. 1 Eine sphärische Linse wird durch Flächen begrenzt, die die Form von Kugeloberflächen haben. Bei asphärischen Linsen sind die Oberflächen von anderer Form. 62 Es ist: R > 0 wenn die Oberfläche nach links gewölbt ist (d. h. der auf der optischen Achse liegende Punkt der Linsenoberfläche befindet sich weiter links als die übrigen Oberflächenpunkte). R < 0 wenn die Oberfläche nach rechts gewölbt ist (d. h. der auf der optischen Achse liegende Punkt der Linsenoberfläche befindet sich weiter rechts als als die übrigen Oberflächenpunkte). R2 R1 n Abb. 2: Zur Definition der Vorzeichen der Krümmungsradien einer sphärischen Linse aus Glas (grau) mit der Brechzahl n. Im dargestellten Beispiel ist R1 > 0 und R2 < 0. Frage 1: - Wie groß ist die Brennweite einer plankonvexen Linse aus Glas (n = 1,5), deren sphärische Fläche einen Krümmungsradius von R = 100 mm hat? - Spielt es für die Brennweitenbestimmung nach Gl. (3) eine Rolle, ob bei einer plankonvexen Linse die plane Linsenoberfläche rechts oder links liegt? Wir betrachten gem. Abb. 3 die Abbildung eines oberhalb der optischen Achse liegenden Gegenstandes G mit einer einzelnen Linse L in ein unterhalb der optischen Achse liegendes Bild B. Es gilt die GAUßsche Linsengleichung (Abbildungsgleichung): 1 1 1 = + f g b (4) Dabei ist: g: b: Gegenstandsweite g > 0: reeller Gegenstand links von der Linse; g < 0: virtueller Gegenstand rechts von der Linse Bildweite b > 0: reelles Bild rechts von der Linse; b < 0: virtuelles Bild links von der Linse Die transversale Vergrößerung M (der Abbildungsmaßstab) ist gegeben durch: h b b 1− M =b = − = hg g f (5) mit hb: Bildhöhe von optischer Achse aus gemessen. hg: Gegenstandshöhe von optischer Achse aus gemessen. hb,g > 0, wenn Bild bzw. Gegenstand oberhalb der optischen Achse liegen; hb,g < 0 sonst. 63 L G 2f 2f f f B g b Abb. 3: Abbildung mit einer Linse L und Definition von Bezeichnungen. Bei dieser und den folgenden Abbildungen ist die Brennweite f als Maß auf der optischen Achse eingetragen, deren Ursprung in der Linsenmitte liegt. Frage 2: - Was bedeutet eine negative transversale Vergrößerung? Bringt man zwei dünne Linsen mit den Brennweiten f1 und f2 dicht aneinander, so gilt für die Brennweite f dieses 2-Linsensystems: (6) 2.3 1 = f 1 1 + f1 f 2 Brennweitenbestimmung mit der BESSEL-Methode Mit Hilfe von Gl. (4) lässt sich prinzipiell die Brennweite einer Linse experimentell ermitteln, indem für eine scharfe Abbildung Gegenstands- und Bildweite gemessen werden. Die Messung dieser Größen ist jedoch vor allem bei kleinen Brennweiten mit einer erheblichen Unsicherheit behaftet, da die Linsenmitte als Bezugsgröße für b und g schwer auszumachen ist. In der Praxis bedient man sich deshalb zur Brennweitenbestimmung der sogenannten BESSEL-Methode (Abb. 4). e>4f G B d Abb. 4: Anordnung von Gegenstand G und Bild B bei der BESSEL-Methode. Beim Abstand e > 4f zwischen G und B gibt es zwei Linsenpositionen (rot und blau) im Abstand d, bei denen eine scharfe Abbildung erreicht wird. Bei diesem Verfahren wird ausgenutzt, dass es bei einer konstanten Entfernung e > 4f zwischen Bild und Gegenstand zwei Linsenpositionen gibt, die zu einer scharfen Abbildung führen. Bei einer Position findet eine Vergrößerung (rot in Abb. 4), bei der anderen eine Verkleinerung (blau in Abb. 4) statt. Für beide Positionen gilt 64 (7) g +b= e Setzt man b nach Gl. (7) in Gl. (4) ein, so folgt: (8) 1 1 1 + = g e−g f Hieraus folgt für g: (9) g 2 − eg + ef = 0 Diese Gleichung liefert zwei Lösungen für g, die den beiden Linsenpositionen entsprechen: (10) g1,2 e e2 =± − ef 2 4 Der Abstand d beider Positionen ist (11) d = g1 − g 2 = 2 e2 − ef 4 der über eine Differenzmessung einfach ermittelt werden kann. Damit folgt schließlich für die gesuchte Brennweite f: (12) 2.4 = f 1 d2 e − 4 e Abbildungsfehler Wir werden uns im Folgenden auf zwei besonders wichtige Abbildungsfehler beschränken, die sphärische und die chromatische Aberration. 2.4.1 Sphärische Aberration Die sphärische Aberration tritt auf, wenn bei der optischen Abbildung der paraxiale Bereich verlassen wird, wenn die Theorie erster Ordnung also nicht mehr gilt. Die Wirkung der sphärischen Aberration lässt sich recht anschaulich anhand der rechten Anordnung in Abb. 5 für eine plankonvexe Linse verdeutlichen: parallele Strahlen, die von einem unendlich weit entfernten Gegenstandspunkt stammen, treffen je nach Abstand von der optischen Achse unter unterschiedlichen Winkeln auf die brechende Linsenoberfläche. Bei einfachen sphärischen Flächen hat das zur Folge, dass die gebrochenen Strahlen die optische Achse nicht in einem Brennpunkt, sondern in unterschiedlichen Brennpunkten schneiden. Je größer der Abstand des einfallenden Strahls von der optischen Achse ist, desto kleiner ist die Brennweite. Eine Rechnung ergibt, dass die Brennweite f näherungsweise mit h2 abnimmt, wobei h der Abstand von der optischen Achse ist. Trägt man demnach f über h2 auf, ergibt sich in guter Näherung eine Gerade mit negativer Steigung: (13) f ( h ) ≈ f0 − k h2 Dabei ist f0 die Brennweite im paraxialen Bereich und k > 0 eine Konstante. 65 Abb. 5: Auswirkung der sphärischen Aberration bei unterschiedlicher Linsenorientierung. Für eine Linse mit unterschiedlichen Krümmungsradien R1 und R2 lässt sich die sphärische Aberration minimieren, indem die Linse so in den Strahlengang eingebracht wird, dass die Brechung auf beide Grenzflächen möglichst gleichmäßig verteilt wird, d. h. indem versucht wird, an beiden Flächen möglichst ähnliche Ablenkwinkel für die einzelnen Strahlen zu erreichen. Für die Abbildung unendlich weit entfernter Gegenstände müsste also bei einer plankonvexen Linse eine Orientierung gem. der rechten Anordnung in Abb. 5 gewählt werden. Sie führt zu deutlich kleineren Abbildungsfehlern als die linke Anordnung. Die sphärische Aberration lässt sich auch dadurch minimieren, dass vor der Linse eine Blende angebracht wird, die nur paraxiale Strahlenbündel durchlässt. Durch dieses Abblenden wird jedoch gleichzeitig das Bild dunkler. Man sagt, das Abbildungssystem (hier: Linse plus Blende) wird lichtschwächer. In einem hochwertigen Fotoobjektiv wird die sphärische Aberration durch Kombination mehrere Linsen zu einem Linsensystem (Objektiv) minimiert. Je teurer das Objektiv, desto mehr Linsen enthält es. 10 oder mehr Einzellinsen sind keine Seltenheit. Im Praktikum setzen wir Einzellinsen ein, werden es also immer mit sphärischer Aberration zu tun haben. 2.4.2 Chromatische Aberration Die chromatische Aberration wird durch die Abhängigkeit der Brechzahl n von der Lichtwellenlänge λ verursacht. Mit n = n(λ) folgt nämlich aus Gl. (3) für f = f(λ): (14) f (λ ) = 1 R1 R2 n ( λ ) − 1 R2 − R1 Da n(λ) im Allgemeinen mit zunehmender Wellenlänge abnimmt (s. Tab. 1 und Abb. 6), nimmt f(λ) mit λ zu. Das bedeutet, dass sich z. B. für rotes Licht eine größere Brennweite ergibt, als für grünes oder blaues Licht. Frage 3: - Wie wirkt sich demnach die chromatische Aberration bei der Abbildung von Gegenständen aus, die mit weißem Licht be- oder durchleuchtet werden? n(λ) lässt sich in guter Näherung durch die SELLMEIER-Gleichung beschreiben: (15) λ2 n2 ( λ ) = 1 + B1 2 λ − C1 + B2 λ2 λ 2 − C2 + B3 λ2 λ 2 − C3 wobei die Koeffizienten B1,…,3 und C1,…,3 experimentell bestimmt werden. Wird λ in µm angegeben, so lauten die Koeffizienten für N-BK7-Glas 2 (Fehler vernachlässigbar): 2 Die im Praktikum verwendeten Linsen sind aus N-BK7-Glas (Borkronglas). Daten aus SCHOTT AG: „Optisches Glas – Datenblätter“, Mainz, 2008 66 B1 = 1,03961212 C1 = 0,00600069867 µm2 B2 = 0,231792344 C2 = 0,0200179144 µm2 B3 = 1,01046945 C3 = 103,560653 µm2 Oftmals ist eine Polynom-Darstellung von n(λ) einfacher zu handhaben. Statt Gl. (15) kann man in guter Näherung auch schreiben: (16) n ( λ ) ≈ A1 + A2λ + A3λ 2 + A4λ 3 + A5λ 4 Wird λ in nm angegeben, so lauten die Koeffizienten A1 bis A5 für N-BK7-Glas (Fehler vernachlässigbar): A1 = 1,7403398 A4 = -2,2633115×10-9 nm-3 λ / nm 365,0 404,7 435,8 480,0 486,1 546,1 587,6 589,3 632,8 643,8 656,3 706,5 852,1 A2 = -1,1718506×10-3 nm-1 A5 = 8,1271722×10-13 nm-4 n 1,53627 1,53024 1,52668 1,52283 1,52238 1,51872 1,51680 1,51673 1,51509 1,51472 1,51432 1,51289 1,50980 Tab. 1: Brechzahl n(λ) für N-BK7-Glas2. Fehler von n und λ vernachlässigbar. A3 = 2,3962174×10-6 nm-2 1,540 Tabellendaten Polynomfit 1,535 1,530 1,525 n (17) 1,520 1,515 1,510 300 400 500 600 700 800 900 λ / nm Abb. 6: Grafische Darstellung der Daten aus Tab. 1 mit Fit durch ein Polynom 4. Grades. Auch die chromatische Aberration kann durch Kombination mehrerer Linsen zu einem Objektiv minimiert werden, wenn die Linsen aus Gläsern mit unterschiedlicher Brechzahl bestehen. Im Praktikum setzen wir Einzellinsen ein, werden es also auch immer mit chromatischer Aberration zu tun haben. 2.5 Blenden und Pupillen Dasjenige mechanische Element, welches das durch ein Abbildungssystem durchtretende Lichtbündel am meisten begrenzt, heißt Aperturblende. Als Aperturblende kann sowohl eine Linsenbegrenzung selbst (z. B. die Linsenfassung), als auch eine zusätzlich in den Strahlengang eingebrachte Blende (z. B. eine Irisblende) wirken. Für die Konstruktion hochwertiger abbildender optischer Instrumente ist es von entscheidender Bedeutung, die Lichtbündelbegrenzung durch die Aperturblende genau zu kennen. Das ist häufig recht kompliziert, da bei solchen Instrumenten üblicherweise Linsensysteme mit bis zu 10 oder noch mehr Einzellinsen als Objektive verwendet werden, bei denen die Aperturblende „mittendrin“ liegt. Zunächst einmal ist es wichtig zu wissen, wie viel Licht vom Gegenstand durch die Aperturblende gelangen kann, d. h. wie groß der Öffnungswinkel des eintretenden Lichtbündels ist, das überhaupt zur Abbil- 67 dung beitragen kann. Die Größe, die dieses Lichtbündel begrenzt, heißt Eintrittspupille - sie ist das vom Gegenstandsraum aus betrachtete Bild der Aperturblende. Nun kann es sein, dass ein Teil des Lichtes, das durch die Eintrittspupille gelangt, dennoch nicht zur Abbildung beiträgt, weil es z. B. an einer Stelle im Instrument abgeblockt wird, die hinter der Aperturblende liegt. Daher ist es wichtig, auch die Lage der Austrittspupille zu kennen, die das austretende Lichtbündel begrenzt - sie ist das Bild der Aperturblende vom Bildraum aus betrachtet. Aperturblende f f EP AP Aperturblende f f AP EP Abb. 7: Zur Lage von Aperturblende, Eintrittspupille EP und Austrittspupille AP. EP und AP sind grau dargestellt, wenn sie nicht mit der Aperturblende (schwarz) zusammen fallen. Oben: Aperturblende vor der Linse; unten: Aperturblende hinter der Linse. Abb. 7 soll dies verdeutlichen. Wir betrachten das einfache Beispiel eines Abbildungssystems mit einer Linse, bei der die Aperturblende entweder vor der Linse im Gegenstandsraum (oben) oder hinter der Linse im Bildraum (unten) liegt. Damit ist jeweils eine der beiden Pupillen leicht zu konstruieren. Im ersten Fall sieht man nämlich vom Gegenstandsraum aus direkt auf die Aperturblende. Das Bild dieser Blende, die Eintrittspupille EP, ist demnach die Blende selbst. Im zweiten Fall gilt Analoges für die Austrittspupille AP. Die Festlegung der Lage der jeweils anderen Pupille ist schon etwas schwieriger: Mithilfe geeigneter Strahlen (Parallelstrahlen, Brennpunktstrahlen, Mittelpunktstrahl) muss jeweils das entsprechende Bild der Aperturblende gefunden werden. Daraus wird deutlich, dass z. B. für hochwertige Objektive die Verhältnisse schnell kompliziert werden. Solche Objektive bestehen nicht selten aus 10 oder mehr Einzellinsen mit einer einstellbaren Aperturblende z. B. zwischen der 4. und 5. Linse. 2.6 Schärfentiefe Neben der Lichtbündelbegrenzung kommt der Aperturblende bei der optischen Abbildung eine weitere wichtige Bedeutung zu: Sie bestimmt die Schärfentiefe (auch Tiefenschärfe) der Abbildung, d. h. die Tiefe ∆g des Gegenstandbereiches, der bei fester Bildweite b noch scharf abgebildet wird. Die dafür maßgebende Größe ist der Aperturblendendurchmesser D (Abb. 8). Es ist in vielen Fällen üblich, diesen Durchmesser nicht direkt anzugeben, sondern in Form der Blendenzahl F, die das Verhältnis von Brennweite zu Aperturblendendurchmesser darstellt: (18) F= f D 68 Ein Objektiv mit einer Brennweite von 50 mm hat demnach bei einem Aperturblendendurchmesser von z. B. 25 mm die Blendenzahl F = 2 (gelegentlich auch als „f / 2“ angegeben) und bei einem Aperturblendendurchmesser von z. B. 6,25 mm die Blendenzahl F = 8 („f / 8“). Zur Berechnung des Schärfentiefebereiches betrachten wir gemäß Abb. 8 die Abbildung einer punktförmigen Lichtquelle Q mit einer Linse der Brennweite f auf den Sensor einer CCD-Kamera. Die Aperturblende vom Durchmesser D ist hier durch die Begrenzung der Linse gegeben. Die räumliche Auflösung von CCD-Sensoren wird üblicherweise durch die Anzahl m von schwarz/weißen Linienpaaren gleicher Breite pro Millimeter angegeben, die der Sensor noch aufzeichnen kann (typischer Wert: m = (100 – 200)/mm). Wir definieren die Abbildung deshalb als scharf, solange das Bild von Q einen Durchmesser d < 1/m hat (Abb. 9). b d CCD-Kamera Q B D L ∆b Abb. 8: Zur Schärfentiefe bei der optischen Abbildung. Ist der Sensor (lila) der CCD-Kamera um die Bildweite b von der Mitte der Linse L entfernt, ergibt sich ein scharfes Bild (Bildpunkt B) der punktförmigen Lichtquelle Q. Rückt die Kamera um ∆b näher an die Linse heran (hier stark übertrieben gezeichnet), ergibt sich ein verschmiertes Bild von Q mit dem Durchmesser d. 1/m d Abb. 9: Zur Definition der scharfen Abbildung für einen CCD-Sensor mit einer Auflösung von m Linienpaaren pro mm. Die grauen Quadrate stellen die Pixel dar. Der obere rote Bildpunkt ist per Definition scharf, da sein Durchmesser d < 1/m. Der untere Bildpunkt ist unscharf, da d > 1/m. Im Idealfall wird Q in einen Punkt B abgebildet, der den Abstand b von der Linse hat (Beugungseffekte vernachlässigt). In diesem Abstand von der Linse wird der CCD-Sensor platziert. Ausgehend von dieser Position kann man die Strecke ∆b berechnen, um die man den Sensor zur Lichtquelle hin verschieben darf, um Q noch scharf abzubilden, d. h. die Bedingung d < 1/m einzuhalten (Abb. 9). Man erhält: (19) ∆b< f (1 −M ) Dm Frage 4: - Wie gelangt man zu diesem Resultat? 69 Statt den Sensor um ∆b zu verschieben, kann auch die Lichtquelle Q um ∆g nach links oder nach rechts verschoben werden, sodass die Abbildung im o. a. Sinne gerade noch scharf ist. Die Größe 2 ∆g bezeichnet man als Schärfentiefebereich. 2.7 Optische Geräte 2.7.1 Lupe Eine Lupe soll von kleinen, in der Nähe des Beobachters befindlichen Gegenständen ein vergrößertes Bild erzeugen, wenn die Bildgröße, die durch maximale Annäherung des bloßen Auges an den Gegenstand erreicht werden kann, nicht ausreicht. Sei s die minimale Entfernung zwischen Auge und Gegenstand, bei der noch scharfes Sehen möglich ist (Nahpunkt des Auges). Dann gilt für den Sehwinkel α0, d. h. den Winkel, unter dem der Gegenstand der Höhe h0 vom Mittelpunkt der Augenpupille aus gesehen wird (s. Abb. 10): (20) tan α 0 = h0 s Augenpupille s h0 G α0 Abb. 10: Zur Definition des Sehwinkels α0. Da wir uns gem. Kap. 2.1 auf den paraxialen Bereich beschränken, gilt tanα0 ≈ α0 und damit: (21) α0 ≈ h0 s Wir bringen nun gem. Abb. 11 eine Sammellinse (Lupe) der Brennweite f vor das Auge und ordnen den Gegenstand in einem Abstand g < f vor der Sammellinse an. In diesem Fall gilt gem. Gl. (4) b < 0, |b| > g. Es entsteht also ein aufrechtes, virtuelles Bild des Gegenstandes mit der transversalen Vergrößerung (Gl. (5)) (22) h1 b b M = =1 − =1 + h0 f f Für den Sehwinkel α1, unter dem das virtuelle Bild der Höhe h1 gesehen wird, gilt im paraxialen Fall: (23) α1 ≈ h1 b+f Die Sehwinkelvergrößerung Ms ist definiert als: 70 (24) M= s α1 h1 s = α0 h0 b + f b Augenpupille h1 B f f G α1 Abb. 11: Zur Bildentstehung bei der Lupe. Mit Gl. (22) folgt: (25) M= M s b s s = 1 + b+f f b+f Wird der Gegenstand im Abstand g ≈ f vor der Linse angebracht, so geht b → -∞. In diesem Fall verlassen die Lupe nahezu parallele Lichtbündel, die vom entspannten Auge (Akkommodation auf ∞) auf die Netzhaut fokussiert werden. Für diese Bedingung (|b| → ∞) folgt aus Gl. (25) für alle praktischen Werte von f << b : (26) b s s M s ≈ 1 + ≈ f b f Für das Durchschnittsauge mit einem Nahpunkt bei s = 250 mm gilt also: (27) 2.7.2 Ms ≈ 250 mm f (f in mm) Astronomisches Fernrohr Astronomische (KEPLERsche) Fernrohre dienen der Sehwinkelvergrößerung für die Beobachtung weit entfernter Objekte. Sie bestehen aus einer Sammellinse großer Brennweite f1, dem Objektiv, und einer Sammellinse kleiner Brennweite f2, dem Okular. Das Objektiv entwirft von dem Gegenstand ein reelles Zwischenbild, das mit dem als Lupe eingesetzten Okular betrachtet wird (Abb. 12). Wir bezeichnen mit g1 und b1 die Gegenstands- bzw. Bildweite bezogen auf das Objektiv und mit g2 und b2 die Gegenstands- bzw. Bildweite bezogen auf das Okular. 71 Objektiv Okular α0 α1 B g2 b1 f2 a Abb. 12: Zur Bildentstehung beim astronomischen Fernrohr. Da für die üblichen Anwendungen des astronomischen Fernrohrs g1 → ∞ gesetzt werden darf, folgt b1 ≈ f1. Das Objektiv erzeugt also ein umgekehrtes reelles Zwischenbild B in der Nähe seiner hinteren Brennebene. Dieses Zwischenbild wird mit dem Okular als Lupe betrachtet, d. h. g2 ≈ f2 und damit b2 → - ∞. Das bedeutet für den Abstand a zwischen Objektiv und Okular: (28) a = b1 + g 2 ≈ f1 + f 2 Blicken wir mit dem entspannten Auge durch das Okular, so sehen wir ein umgekehrtes, virtuelles Bild des Gegenstandes. Für die Sehwinkelvergrößerung im paraxialen Fall gilt auch hier wie bei der Lupe Ms = α1/α0, wobei α0 der Sehwinkel ohne und α1 der Sehwinkel mit Fernrohr ist. Daraus folgt mit Berücksichtigung der unterschiedlichen Vorzeichen3 von α0 und α1 für g → ∞: (29) 3 α 1 hb hb f1 ≈ − : =− f2 α 0 f 2 f1 Ms = Wird in Abb. 12 der Winkel α1 gegen den Uhrzeigersinn und damit negativ gezählt, so muss α0 im Uhrzeigersinn und damit positiv gezählt werden. 72 3 Versuchsdurchführung Zubehör: Dreieckschiene, Reiter, U-Halter, Stativmaterial, höhenverstellbarer Zeiger und Stativstange mit Spitze als Justierhilfen, plankonvexe Linse (f ≈ 300 mm / ∅ ≈ 90 mm, N-BK7-Glas), Irisblende, Blendenbleche mit kreisförmigen Öffnungen (Durchmesser D = (11,1; 12,5; 14,3; 16,7; 20; 25) mm, Fehler vernachlässigbar), Blendenbleche mit kreisringförmigen Öffnungen (mittlere Radien der Kreisringe r = (7,1; 14,7; 19,5; 23,3; 26,6) mm, Fehler vernachlässigbar), Interferenzfilter (maximale Transmission bei ca. (405, 450, 488, 515, 532, 577, 632, 670, 694) nm, Halbwertsbreite der Transmissionskurven ca. 10 nm), Messdia mit USAF 1951 Resolution Chart, Spaltblende (Breite ca. 0,2 mm) in Drehhalterung, Halogenlampe mit Netzgerät und Kondensor, Mattscheibe, CCD-Kamera (DMK 21AF04) mit Rohraufsatz als Streulichtschutz und IEEE-1394-(FireWire)-Schnittstelle, PC mit IEEE-1394Schnittstelle, x/y/z-Verschiebetisch für Kamera, Fernrohr mit f1 = (1000 ± 10) mm und f2 = (100 ± 1) mm, Maßband, abwischbarer Filzstift, Messschieber, Taschenlampe, Werkzeug. Hinweis: Nach Beendigung der Versuche müssen alle Optiken mit den bereitliegenden Plastiktüten wieder abgedeckt werden. Transmission / % 40 30 20 10 0 λmax 600 610 620 630 640 650 660 670 λ / nm Abb. 13: Schematische Darstellungen zu verwendeten Versuchskomponenten. V.l.n.r.: Kreisblende, Kreisringblende, typische Transmissionskurve eines Interferenzfilters, USAF 1951 Resolution Chart. 3.1 Hinweise zur Versuchsanordnung In den folgenden Versuchsteilen 3.1.1 (Messung der chromatischen Aberration) und 3.1.2 (Messung der sphärischen Aberration) soll die Bestimmung der Linsenbrennweite f jeweils mit einer Anordnung gem. Abb. 14 nach dem BESSEL-Verfahren erfolgen (s. Kap. 2.3). Diese Anordnung wird zunächst beschrieben. Ein Objekt G (Messdia mit USAF 1951 Resolution Chart, einem definierten Strich- und Zahlenmuster, vgl. Abb. 13) wird von hinten mit einer Halogenlampe HL beleuchtet, deren Kondensor K für ein möglichst paralleles Lichtbündel sorgt. Direkt hinter dem Kondensor wird eine Mattscheibe MS angebracht, mit der eine gleichmäßige und diffuse Ausleuchtung des Dias erreicht wird. Eine Irisblende B1 zwischen MS und G sorgt dafür, dass nur das Strich- und Zahlenmuster auf dem Dia beleuchtet und somit das Streulicht minimiert wird. Mit einer Linse L (f ≈ 300 mm, ∅ ≈ 90 mm, plankonvex) wird das Muster auf dem Messdia auf den Sensor einer CCD-Kamera abgebildet. Vor die Kamera wird ein Rohr ST montiert, mit dem der Einfall von Streulicht auf den CCD-Sensor minimiert wird. Die Kamera ist über eine FireWire-Schnittstelle (IEEE 1394) mit dem PC verbunden. Die Steuerung der Bildaufnahme und die Bilddarstellung erfolgt über das Matlab-Skript BildEinlesen.m, dessen Bildschirmoberfläche in Abb. 15 dargestellt ist. Nach dem Start des Skriptes wird die Kamera zunächst initialisiert (Button Initialize Camera). Danach wird die Bildaufnahme gestartet (Start Live Image) und die Parameter Exposure Time (Belichtungszeit) und Offset werden so eingestellt, 73 dass es zu keiner Unter- oder Übersteuerung im Bild kommt 4. Die Wertebereiche, innerhalb derer die Parameter geändert werden können, werden links neben den Eingabefeldern angezeigt. Der Parameter Gain (Verstärkung) bleibt auf dem niedrigst möglichen Wert. Das Kamerabild wird im Matlab-Fenster BildEinlesen oben angezeigt, darunter ein Profilschnitt 5 längs der Bildzeile mit der im Feld Line No. eingestellten Nummer. a HL K MS B B1 L G CCD-Kamera F ST e Abb. 14: Versuchsanordnung zur Brennweitenbestimmung der Linse L. HL: Halogenlampe mit Kondensor K, MS: Mattscheibe, B1: Irisblende, F: Interferenzfilter, G: Messdia mit Strichmuster, B: Blende vor Linse L, ST: Rohr vor CCD-Kamera zur Streulichtminimierung, a: Apparatekonstante 6, e: Abstand Messdia / CCD-Sensor. Haben CCD-Sensor und Dia den festen Abstand e > 4f (für f ≈ 300 mm ist e ≈ 1300 mm eine gute Wahl), so gibt es zwei Positionen der Linse L, bei denen eine scharfe Abbildung erfolgt. In einer Stellung findet eine Vergrößerung statt, in der anderen eine Verkleinerung. Durch Aufsuchen dieser beiden Linsenpositionen und Messung ihres Abstandes d kann die Brennweite der Linse gem. Gl. (12) bestimmt werden. Für den Versuchsteil 3.1.1 (chromatische Aberration) wird die Brennweite der Linse für verschiedene Interferenzfilter F vor dem Messdia gemessen, für den Versuchsteil 3.1.2 (sphärische Aberration) für verschiedene Kreisringblenden B vor der Linse. Hinweise: (1) Bei den folgenden Versuchen erzielt man nur dann gute Resultate, wenn der optische Aufbau sorgfältig justiert wurde, d. h. alle Komponenten mittig zur optischen Achse ausgerichtet wurden. Abweichungen von der optimalen Justage im mm-Bereich führen bereits zu deutlichen Verfälschungen der Messergebnisse! (2) Zur vertikalen Justage der optischen Komponenten dient ein höhenverstellbarer Zeiger als Justierhilfe, zur horizontalen Justage (senkrecht zur optischen Achse) eine Stativstange mit Spitze. (3) Die verschiedenen Blenden B (Abb. 13 links) müssen genau mittig vor die Linse L montiert werden. Das erreicht man, indem die Blendenbleche jeweils so in den mit der Linse verbunden Blendenhalter eingesetzt werden, dass die Markierung auf den Blendenblechen (Farbpunkt oder Gravur oder Loch) nach rechts oben zeigt, wenn man aus Richtung der Halogenlampe auf die Blendenbleche schaut. 4 5 6 Eine Über- und Untersteuerung erkennt man daran, dass die maximalen und minimalen Grauwerte im Bild bei geringer Variation der Parameter Exposure Time und / oder Offset unverändert bleiben. Um auf der sicheren Seite zu sein, sollte der maximale Grauwert < 255 sein und der minimale Grauwert > 0. Als Profilschnitt wird der Verlauf der Intensität I(p) in Grauwerten längs der Pixel einer Bildzeile bezeichnet (p: Pixelnummer). Die Apparatekonstante a = 9,6 mm (Fehler vernachlässigbar) ist die Entfernung zwischen der Außenkante des Kameragehäuses (blau) und der Oberfläche des CCD-Sensors (lila). 74 Abb. 15: Bildschirmoberfläche nach Start des Matlab-Skriptes BildEinlesen.m, Initialisierung der CCD-Kamera (Initialize Camera), Einstellung von Parametern (Set Camera Parameters, Set Profile Data, Set Profile Cursor) und Aufnahme eines Kamerabildes (Start Live Image, Stop Live Image). Das Kamerabild wird oben dargestellt, der zugehörige Profilschnitt unten. Grauwerte werden als „Digital numbers“ (DN) ausgegeben. 3.1.1 Chromatische Aberration Für diesen Versuchsteil wird zur Minimierung der sphärischen Aberration eine Blende B mit einer kreisförmigen Öffnung (Kreisblende, s. Abb. 13) von 20 mm Durchmesser in den mit der Linse verbundenen Blendenhalter eingesetzt. Vor das Messdia G werden nacheinander verschiedene Interferenzfilter F montiert und jeweils die Brennweite f der plankonvexen Linse nach dem BESSEL-Verfahren gemessen. Die Wellenlänge für die maximale Transmission der Filter, λmax, (Abb. 13 Mitte) ist dem Aufdruck auf den Filtern zu entnehmen. Sie kann als fehlerfrei angenommen werden. Die Interferenzfilter sind jeweils so einzusetzen, dass diejenige Filterfläche, die silbrig reflektierend erscheint, zur Lichtquelle zeigt. f wird über λmax grafisch aufgetragen; die Größtfehler von f werden in Form von Fehlerbalken eingezeichnet. Mit Hilfe von Origin wird eine Ausgleichskurve durch die Daten gelegt (nichtlinearer Kurvenfit). Da für den Krümmungsradius der planen Linsenoberfläche gilt R2 = ∞, ist die Zielfunktion für die Ausgleichskurve f(λ) nach Gl. (14): f (λ ) = R1 n (λ ) − 1 75 Die Brechzahl n(λ) ist durch Gl. (16) gegeben. Der Krümmungsradius der nicht-planen Linsenoberfläche, R1 , soll mithilfe des nichtlinearen Fits gefunden werden. 3.1.2 Sphärische Aberration Für diesen Versuchsteil wird zur Minimierung der chromatischen Aberration ein Interferenzfilter F mit λmax ≈ 530 nm vor dem Messdia G angebracht. In den mit der Linse verbundenen Blendenhalter werden nacheinander fünf Kreisringblenden B (Abb. 13) mit unterschiedlichen mittleren Radien r eingesetzt und jeweils die Brennweite der Linse nach dem BESSEL-Verfahren gemessen. r kann der Versuchszubehörliste und dem Aufdruck auf den Kreisringblenden entnommen werden. f wird grafisch über r2 aufgetragen; die Größtfehler von f werden in Form von Fehlerbalken eingezeichnet. Aus einer Ausgleichsgeraden durch die Messwerte wird die Konstante k aus Gl. (13) und die Brennweite f0 bestimmt. 3.1.3 Schärfentiefe Für diesen Versuch dient ein Spalt von ca. 0,2 mm Breite als Gegenstand G. Vor dem Spalt wird ein Interferenzfilter F mit λmax ≈ 530 nm angebracht. Die Linse wird in die Position gebracht, bei der eine Verkleinerung vorliegt. In den mit der Linse verbundenen Blendenhalter werden nacheinander Kreisblenden B mit dem Durchmesser D (siehe Versuchszubehörliste und Aufdruck) montiert. Für jeden Durchmesser D wird jeweils die Länge 2∆b des Bereiches bestimmt, innerhalb dessen die CCD-Kamera verschoben werden kann, ohne dass das Bild des Spaltes eine definierte Unschärfe überschreitet. Diese Unschärfe wird wie folgt definiert: Zunächst wird die Kamera für jede Blende B in die Position gebracht, bei der das Spaltbild senkrecht in der Bildmitte liegt und scharf erscheint (Abb. 16 oben). Bei optimaler Einstellung hat der Profilschnitt durch das Spaltbild die kleinste Breite. Ein gängiges Maß für die Definition der Breite einer Kurve, das auch hier verwendet wird, ist die sogenannte Halbwertsbreite (Full Width at Half Maximum, FWHM). Ist Imax die Intensität im Maximum der Kurve und Imin die Intensität im Minimum, so ist die Halbwertsbreite die Breite der Kurve auf „halber Höhe“, also bei der Intensität (30) I FWHM =I min + ( I max − I min ) / 2 Imax und Imin werden durch das Matlab-Skript in dem Bereich des Profilschnitts ermittelt, der durch die beiden vertikalen Cursor (blau in Abb. 16) begrenzt wird. Beide Werte werden zur Orientierung im Feld Output Data in [R, L] als Max und Min ausgegeben. Im selben Feld erfolgt auch die Ausgabe der Halbwertsbreite als Zahlenwert (FWHM) 7. Zusätzlich wird die Halbwertsbreite als Linie im Diagramm angezeigt (magenta Linie im Profilschnitt). 7 Bei der Messung ist zu berücksichtigen, dass das Ausgangssignal der Kamera verrauscht ist (Photonenrauschen sowie thermisches und elektronisches Rauschen). Das führt dazu, dass die gemessenen Intensitäten und Halbwertsbreiten auch ohne Änderung der Versuchsbedingungen schwanken. Beispielsweise ist eine Schwankung der FWHM um ± 0,5 Pixel durchaus typisch. 76 Abb. 16: Scharfes Spaltbild (oben) und zugehöriger Profilschnitt durch die Bildmitte (unten) im Bereich der Pixel 250 (Left) bis 390 (Rigth) der ausgewählten Zeile Nr. 240 (Line No.). Die magenta Linie markiert die Halbwertsbreite des Spaltbildes (FWHM = 15,4 Pixel). Die vertikalen (blauen) Cursor (Left 280, Right 360) markieren den Bereich [L, R], innerhalb dessen der maximale (Max) und minimale (Min) Grauwert bestimmt wird. Die horizontalen (roten) Cursor sind hier ohne Bedeutung. Abb. 17: Unscharfes Spaltbild (oben) und zugehöriger Profilschnitt durch die Bildmitte (unten). Die Halbwertsbreite im Profilschnitt ist gegenüber der Scharfstellung auf den Wert FWHM = 18,7 Pixel angestiegen. 77 Anschließend wird die Kamera mithilfe des Verschiebetisches auf das Objekt zugeschoben und die Position gesucht, bei der das Spaltbild eine definierte Unschärfe erreicht. Als Maß für diese Unschärfe dient eine Verbreiterung der Halbwertsbreite des Spaltbildes im Profilschnitt gegenüber der Scharfstellung um z. B. 20 % (Abb. 17). Ist diese Unschärfe erreicht, wird die zugehörige Position b1 des Verschiebetisches abgelesen. Danach wird die Kamera vom Objekt weg bewegt und die Position b2 gesucht, bei der die gleiche Unschärfe erreicht wird. Aus diesen Daten wird die Größe 2 ∆ b = b2 − b1 berechnet. Schließlich wird 2∆b mit Fehlerbalken über 1/D aufgetragen und eine Ausgleichsgerade durch die Messdaten gelegt. Das Ergebnis wird mit den theoretischen Erwartungen (Proportionalität ∆b ~ 1/D, Gl. (19)) verglichen. 3.2 Sehwinkelvergrößerung mit einem Fernrohr Mit zwei Linsen (f1 = (1000 ± 10) mm, f2 = (100 ± 1) mm) wird auf einer Dreieckschiene ein Fernrohr aufgebaut (Abb. 12). Hinweis: Um vernünftige Ergebnisse zu erzielen, müssen beide Linsen auf einer gemeinsamen optischen Achse mittig ausgerichtet werden. Die dazu erforderliche Justierung der Linsen in ihren Halterungen wurde von der technischen Assistenz vor Versuchsbeginn durchgeführt und darf nicht mehr verändert werden! Die Linsen werden also in ihren Halterungen auf die Dreieckschiene aufgesetzt und dort nur noch an die richtigen Positionen geschoben. Mit dem Fernrohr wird ein Gegenstand in großer Entfernung betrachtet, dazu wird das Fernrohr durch das Laborfenster nach draußen gerichtet 8. Der Sehwinkel mit und ohne Fernrohr wird gemessen, die Sehwinkelvergrößerung bestimmt und das Ergebnis mit dem nach Gl. (29) erwarteten Resultat verglichen. Zur Bestimmung des Sehwinkels α0 ohne Fernrohr wird der Gegenstand mit bloßem Auge angepeilt (s. Abb. 18). Vom Versuchspartner/in werden an der etwa l = 3 m vom Auge entfernten Laborfensterscheibe zwei Markierungen angebracht, die scheinbar den gleichen Abstand s0 voneinander haben wie zwei markante Punkte P1 und P2 des Gegenstandes. Für den Sehwinkel α0 gilt dann in guter Näherung: l P1 α0 P2 s0 Auge Laborfenster Abb. 18: Zur Messung des Sehwinkels. Die Markierungen am Laborfenster (rote Punkte) haben scheinbar den gleichen Abstand s0 voneinander wie die Punkte P1 und P2 des mit dem bloßen Auge angepeilten Objektes. 8 Der Gegenstand ist eine Aluminiumschiene mit zwei Markierungen, die an einer dem Laborfenster gegenüber liegenden Hauswand angebracht ist. 78 (31) α0 ≈ s0 l Anschließend wird die gleiche Prozedur mit dem Fernrohr zur Bestimmung des Sehwinkels α1 wiederholt. Diesmal blickt man mit einem Auge durch das Fernrohr auf den Gegenstand und mit dem anderen am Fernrohr vorbei auf die Laborfensterscheibe in der Entfernung l. Wieder werden zwei Markierungen auf der Laborfensterscheibe angebracht, die diesmal scheinbar den gleichen Abstand s1 voneinander haben wie die beiden durch das Fernrohr betrachteten Punkte P1 und P2. Für den Sehwinkel α1 gilt dann: (32) α1 ≈ s1 l Daraus folgt für die Sehwinkelvergrößerung Ms: (33) α 1 l s1 s1 ≈ = α 0 l s0 s0 Ms = 79 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil II FRAUNHOFER- und FRESNEL-Beugung, Interferenz Stichworte: Ebene Welle, Kugelwelle, Amplitude, Phase, Intensität, HUYGENSsches Prinzip, Beugung, Interferenz, Fernfeld, Nahfeld, FRAUNHOFER-Beugung, AIRY-Scheibe, FRESNEL-Beugung, FRESNELsche Zonenplatte Messprogramm: Intensitätsmaxima und –minima im Beugungsbild eines Spaltes, Durchmesser der AIRY-Scheiben in den Beugungsbildern von zwei Lochblenden, Hauptbrennweite und Nebenbrennweiten einer FRESNELschen Zonenplatte. Literatur: /1/ HECHT, E.: „Optik“, Oldenbourg, München u. a. /2/ LIPSON, G., LIPSON, H. S., TANNHAUSER, D. S.: „Optik“, Springer, Berlin u. a. 1 Einleitung Beleuchtet man eine Öffnung in einem undurchsichtigen Schirm mit einer ebenen Lichtwelle („paralleles Licht“), so erwartet man nach den Gesetzen der geometrischen Optik hinter der Öffnung ihr scharf begrenztes Schattenbild. Tatsächlich stellt man fest, dass Licht auch in den geometrischen Schattenbereich gelangt. Die Ursache hierfür ist die Beugung von Lichtwellen an Hindernissen. Die entstehenden Beugungsbilder lassen sich mithilfe des HUYGENSschen Prinzips und der Interferenz von Lichtwellen erklären. Beugung ist das unerwünschte Phänomen, das die Abbildungseigenschaften optischer Instrumente begrenzt. Ein Punkt kann niemals in einen Punkt, sondern immer nur in sein Beugungsbild abgebildet werden, dessen Form und Größe durch die Apertur des Instruments (die Öffnung im oben angegebenen Sinn) bestimmt wird. Bei einem Mikroskop ist z. B. die wirksame Apertur die üblicherweise kreisförmige Fassung des Objektivs, die bei der Abbildung eines Punktes zu einem AIRYschen Beugungsbild (vgl. Kap. 2.3) führt. Beugung ist andererseits die erwünschte Erscheinung, die den Einsatz bestimmter optischer Instrumente (z. B. Gitter-Monochromatoren) und Messverfahren (z. B. Messmethoden der kohärenten Optik) erst möglich macht. 2 Theorie 2.1 Beugungsbild eines Spaltes im Fernfeld (FRAUNHOFER-Beugung) Wir betrachten gem. Abb. 1 ein Blech mit einem Spalt, der in y-Richtung die Breite D hat und in x-Richtung lang ausgedehnt ist. Der Spalt sei von einem homogenen Medium mit der Brechzahl n umgeben, z. B. von Luft mit n ≈ 1. Der Koordinatenursprung liege im Mittelpunkt des Spaltes. Der Spalt wird in z-Richtung mit einer ebenen, monochromatischen Lichtwelle der Wellenlänge λ und Frequenz ν beleuchtet. 1 1 λ ist die Wellenlänge im Medium, also λ = λ0/n mit λ0 der Wellenlänge im Vakuum. 80 Wir werden eine Lichtwelle wie üblich durch ihren elektrischen Feldvektor E darstellen 2. Für die folgenden Überlegungen gehen wir der Einfachheit halber von linear polarisiertem Licht aus. Die Richtung von E ist demnach konstant, sie zeigt z.B. in x- oder y-Richtung. Deshalb ist eine skalare Schreibweise, also E statt E, ausreichend. Nach dem HUYGENSschen Prinzip kann jeder Punkt Qj im Spalt als Emittent einer Kugelwelle Ej angesehen werden, die sich schreiben lässt als: = Ej (1) A0 cos (ω t − k rj ) rj mit A0 Quellstärke; sie muss so gewählt werden, dass sich in einem vorgegebenen Abstand vom Zentrum der Kugelwelle die korrekte Amplitude A0/rj ergibt Radius der Kugelwelle Kreisfrequenz Wellenzahl Zeit rj ω = 2πν k = 2π/λ t Frage 1: - Welche Einheiten haben Ej und A0? Die folgenden Rechnungen werden einfacher, wenn wir zur komplexen Schreibweise der Kugelwelle übergehen 3. Damit wird aus Gl. (1): (2) Ej = A0 i (ω t − k rj ) e rj y Wellenfronten R D P θ z -x Blech mit Spalt Abb. 1: Beugung an einem langen, schmalen Spalt der Breite D. Der Spalt wird von links mit einer ebenen Welle beleuchtet, die sich in z-Richtung ausbreitet und von der hier zwei Wellenfronten (grün) dargestellt sind. Der Punkt P hat vom Koordinatenursprung den Abstand R → ∞. Wir suchen die resultierende Intensität an einem beliebigen Punkt P(R,θ), der in der y/z-Ebene liegt, vom Koordinatenursprung den Abstand R → ∞ hat (Fernfeld) und dessen Ortsvektor mit der z-Achse (optische Achse) den Winkel θ einschließt. Wegen der langen Ausdehnung des Spaltes in x-Richtung findet prak2 3 Licht lässt sich als elektromagnetische Transversalwelle beschreiben. Bei der Wechselwirkung einer solchen Welle mit Materie sind die durch das elektrische Feld hervorgerufenen Effekte viel stärker als die durch das magnetische Feld verursachten Effekte. Daher ist es üblich, eine Lichtwelle durch das zeitliche und räumliche Verhalten ihres E-Feldes zu beschreiben. Wir behalten im Hinterkopf, dass dies lediglich zur Vereinfachung der Rechnung dienen soll. Die physikalische Realität wird immer nur durch den Realteil von Gl. (2) beschrieben, also durch Gl. (1). 81 tisch nur Beugung in y-Richtung statt. Man kann zeigen (/1/), dass es unter dieser Bedingung ausreichend ist, sich bei der Berechnung des Beugungsbildes nach dem HUYGENSschen Prinzip auf eine, im Spalt in y-Richtung liegende Punktquellenreihe zu beschränken. Bis auf einen Proportionalitätsfaktor erhält man das gleiche Ergebnis wie bei Betrachtung aller Punktquellen des gesamten Spaltes. Zur Vereinfachung der Rechnung betrachten wir im Folgenden die Punktquellenreihe am Ort x = 0 (Abb. 2). Da R >> D und damit rj ≈ R, sind die Amplituden aller von dieser Punktquellenreihe ausgehenden Kugelwellen am Punkt P ungefähr gleich (A0/rj ≈ A0/R), ihre Phasen jedoch unterschiedlich: ϕ j = krj. Frage 2: - Warum darf man nicht ϕ j ≈ kR = const. setzen? (Hinweis: beachte die Größenordnung von λ im Vergleich zu rj bzw. R.) Für ein infinitesimal kleines Element dy der betrachteten Punktquellenreihe ist rj = r = const. Dann kann für das Wellenelement dE am Punkt P, das sich aus der Überlagerung der Kugelwellen aus dem Element dy ergibt, geschrieben werden: (3) dE ( R , θ ) = A0 L e( i ω t −k r ) R dy wobei A0L die Quellstärke pro Längeneinheit ist. y Qj +D/2 P rj θ -x R z -D/2 Abb. 2: Ausschnitt aus dem Spalt nach Abb. 1 mit einer Punktquellenreihe (rot). Die resultierende Welle E am Punkt P, hervorgerufen durch die Überlagerung aller von der Punktquellenreihe ausgehenden Kugelwellen, ist demnach: (4) E ( R, θ ) = A0 L R + D 2 ∫ e i (ω t −k r ) dy D − 2 Für R → ∞ und kleine Winkel θ können wir gem. Abb. 3 setzen: (5) r ≈ R − y sin θ Damit folgt: (6) E ( R, θ ) = A0 L R + e i (ω t −k R) D 2 ∫e i k y sin θ dy D − 2 Nach Ausführung des Integrals erhalten wir: 82 A0 L E ( R, θ ) (7) R e i (ω t − k R ) D − i k sin θ i k D2 sin θ 1 −e 2 e i k sin θ y P r R θ θ z Abb. 3: Zur Näherungsberechnung von r. Mit den EULERschen Formeln für die beiden komplexen e-Funktionen rechts in Gl. (7) folgt daraus: E ( R, θ ) = (8) A0 L R D e i (ω t − k R ) D sin k sin θ 2 D k sin θ 2 Mit den Abkürzungen b := (9) A0 L R D ei ( ω t − kR ) und D 2 q : k= sin θ = (10) πD λ sin θ erhält Gleichung (8) die einfache Form: (11) E ( R, θ ) = b sin q q Beobachtbar mit dem Auge oder einem Detektor ist nicht die Größe E, sondern nur die Lichtintensität I, die durch folgenden Ausdruck gegeben ist 4: (12) = I ( R, θ ) c= c ε 0ε r ε 0ε r Re [ E ( R,θ )] 2 t sin q Re [b ] q 2 2 t Darin ist 〈Re2[E]〉t der zeitliche Mittelwert von Re2[E], c die Lichtgeschwindigkeit im Umgebungsmaterial, ε0 die elektrische Feldkonstante und εr die relative Permittivität des Umgebungsmaterials. Die zeitliche Mittelung kann nur auf die Glieder wirken, die die Zeit explizit enthalten (hier Re[b]), sodass folgt: 4 An dieser Stelle wird eine Intensität, also eine physikalisch messbare Größe ausgerechnet. Deshalb müssen wir hier zum Realteil Re[...] der komplexen Größen E bzw. b übergehen. 83 (13) = I ( R, θ ) sin q A2 c ε 0ε r 02L D 2 cos 2 (ω t − kR ) t R q 2 Mit (14) 1 cos 2 (ω t − kR) = t 2 und Einführung der Bezeichnung (15) A02 L 2 1 I 0 = c ε 0ε r 2 D 2 R folgt schließlich: (16) sin q , θ ) I= I ( R= ( q ) I0 q 2 Gl. (16) stellt den gesuchten Verlauf der Intensität im Beugungsbild eines Spaltes in unendlicher Entfernung hinter dem Spalt als Funktion des Beugungswinkels θ dar (Fernfeld; vgl. Abb. 4). Wir sehen, dass der Verlauf durch eine (sinq/q)2-Funktion, der sogenannten sinc2-Funktion gegeben ist, die symmetrisch um q = 0 verläuft. Für θ → 0° geht q → 0 und sinq/q → 1, d. h. die Intensität hat auf der optischen Achse ihr Maximum (I = I0). Intensitätsminima entstehen nach Gl. (16) unter den Beugungswinkeln θmin,n, für die gilt sinq = 0, also: (17) q = nπ = πD λ sin θ min,n ; n = ± 1, 2, 3,... und damit (18) sin θ min,n = n λ D → Intensitätsminima Wesentlich aufwändiger ist die Berechnung der Lage der Intensitätsmaxima außerhalb θ = 0°, die symmetrisch um θ = 0° liegen und auch als Beugungsordnungen bezeichnet werden: für θ > 0° werden sie positiv gezählt (+ 1., + 2. Beugungsordnung usw.), für θ < 0° negativ. Die Beugungsmaxima entstehen unter den Winkeln θmax,n, für die gelten muss: (19) πD πD sin θ max,n = tan sin θ max,n λ λ → Intensitätsmaxima Frage 3: - Wie gelangt man zu Gl. (19)? (Hinweis: Maxima sind Extremwerte der Intensität nach Gl. (16).) 84 I / I0 1 0 -1 -0.5 0 0.5 1 0.5 1 θ / 10-2 rad I / I0 0.1 0 -1 -0.5 0 θ / 10-2 rad Abb. 4: Intensitätsverlauf im Beugungsbild eines Spaltes als Funktion des Beugungswinkel θ (D = 0,2 mm, λ = 632,8 nm). Oben: visueller Eindruck bei Aufsicht auf die Beobachtungsebene. Mitte: horizontaler Profilschnitt durch die normierte Intensitätsverteilung. Unten: vertikal vergrößerter Ausschnitt des in der Mitte gezeigten Schnitts, um den Verlauf der Intensität außerhalb des zentralen Beugungsmaximums deutlicher zu machen. Die numerisch gefundenen Lösungen von Gl. (19) 5 lauten für die ersten Nebenmaxima mit vierstelliger Genauigkeit hinter dem Komma: λ sin θ max,1= ± 4, 4934 sin θ max,2= ± 7, 7253 sin θ max,3 = ± 10,9041 sin θ max,4 = ± 14, 0662 sin θ max,5 = ± 17, 2208 (20) πD λ πD λ πD sin θ max,6 = ± 20,3713 5 λ πD λ πD λ πD sin θ max,7 = ± 23,5195 sin θ max,8 = ± 26, 6661 sin θ max,9 = ± 29,8116 sin θ max,10 = ± 32,9564 sin θ max,11 = ± 36,1006 sin θ max,50 = ±158, 6441 Die Berechnung kann z. B. mit der Matlab-Funktion fzero erfolgen. λ πD λ πD λ πD λ πD λ πD λ πD 85 2.2 Beobachtung des FRAUNHOFER-Beugungsbildes in der Brennebene einer Linse Gl. (16) beschreibt die Verteilung der Lichtintensität in unendlicher Entfernung hinter dem Spalt (Fernfeld). Mithilfe eines einfachen Tricks wird die bis auf einen Skalenfaktor gleiche Intensitätsverteilung in endlicher Entfernung hinter dem Spalt beobachtbar. Wir stellen dazu gem. Abb. 5 hinter den Spalt eine Linse L mit der Brennweite f. Das Licht, das unter gleichem Winkel θ gebeugt wird, lässt sich durch „Strahlen“ beschreiben, die den Spalt unter dem gleichen Winkel θ verlassen, also parallel zueinander verlaufen. Diese „Strahlen“, die sich ohne Linse im Punkt P im Unendlichen schneiden würden, schneiden sich nun im Punkt P' in der hinteren Brennebene der Linse. Für die Entfernung u (in y-Richtung) dieses Schnittpunktes P' von der optischen Achse gilt: (21) u = f tan θ y u θ x P' z E f Abb. 5: Anordnung einer Linse L zur Beobachtung des Beugungsbildes eines Spaltes in der Brennebene der Linse. Der Spalt wird mit einer ebenen Welle E beleuchtet. Ist λ << D, so treten nur kleine Beugungswinkel auf. In diesem Fall gilt tanθ ≈ θ und wir erhalten: (22) u ≈ fθ Frage 4: - Wie sieht der Intensitätsverlauf I(u) in der hinteren Brennebene einer Linse bis zur ± 4. Beugungsordnung für folgendes Beispiel aus: f = 120 mm, λ = 632,8 nm, D = 0,2 mm? (Grafische Darstellung.) 2.3 Beugungsbild eines Loches im Fernfeld Die Berechnung des Beugungsbildes eines Loches ist deutlich aufwändiger als die Berechnung des Beugungsbildes eines Spaltes. Wir beschränken uns deshalb auf die Angabe des Ergebnisses. Gem. Abb. 6 wird eine kreisförmige Lochblende mit dem Durchmesser D mit einer ebenen Lichtwelle E der Wellenlänge λ beleuchtet. Das dabei entstehende Beugungsmuster wird in einer Ebene S beobachtet, die parallel zur Ebene der Lochblende liegt und von dieser unendlich weit entfernt ist. Die Lichtintensität I an einem Punkt P in S, der vom Ursprung von S die Entfernung ρ und vom Mittelpunkt der Lochblende die Entfernung R hat, ist gegeben durch: (23) k D ρ 2 J1 2 R I ( P) = I0 kDρ 2R 2 86 wobei I0 die Intensität im Ursprung von S ist und J1 die BESSEL-Funktion erster Ordnung und erster Art, die in vielen Büchern tabelliert ist. y P R θ x ρ D E S ∞ Abb. 6: Zur Beugung an einer kreisförmigen Blende vom Durchmesser D. Mit (24) sin θ = ρ R und der bereits in Gl. (10) eingeführten Abkürzung D 2 = q k= sin θ (25) πD λ sin θ bekommt Gl. (23) die einfache Form (26) 2 J (q) I ( q ) = I0 1 q 2 Abb. 7 zeigt den Verlauf der Intensität nach Gl. (26) in Analogie zur Darstellung des Intensitätsverlaufes im Beugungsbild eines Spaltes (Abb. 4). Der helle Kreis im Zentrum des Beugungsbildes wird als AIRY-Scheibe bezeichnet. Der Radius dieser Scheibe entspricht dem Wert von q, bei dem I(q) nach Gl. (26) die erste Nullstelle hat, also 6: 2 J (q ) I ( q0 ) = I0 1 0 = 0 q0 2 → q0 ≈ 3,8317 Wie im Fall des Spaltes kann zur Beobachtung des Beugungsbildes im Endlichen wiederum eine Linse mit der Brennweite f eingesetzt werden. Bezeichnet ρ nun die radiale Koordinate in der Brennebene der Linse, so wird aus Gl. (24): 6 Die Nullstelle kann wiederum mit der MATLAB-Funktion fzero gefunden werden. 87 (27) sin θ = ρ f und aus Gl. (25): q (28) = kD ρ πD ρ = 2f λf Damit lässt sich der Radius ρ0 der AIRY-Scheibe in den Brennebene der Linse berechnen: ρ0 (29) = q0 λ f λf ≈ 1, 22 D π D I / I0 1 0 -2 -1 0 1 2 1 2 θ / 10-3 rad I / I0 0.05 0 -2 -1 0 θ / 10-3 rad Abb. 7: Intensitätsverlauf im Beugungsbild einer Lochblende als Funktion des Beugungswinkels θ (D = 1 mm, λ = 632.8 nm). Oben: visueller Eindruck bei Aufsicht auf die Beobachtungsebene. Mitte: Profilschnitt durch das Zentrum der normierten Intensitätsverteilung. Unten: vertikal vergrößerter Ausschnitt des in der Mitte gezeigten Schnitts, um den Verlauf der Intensität außerhalb des zentralen Beugungsmaximums deutlich zu machen. 88 2.4 Beugung und optische Auflösung Die große praktische (und anschauliche) Bedeutung der geschilderten Zusammenhänge erschließt sich sofort, wenn man die optische Abbildung einer idealen Punktlichtquelle Q durch eine Linse L betrachtet. Wir wollen gem. Abb. 8 (oben) annehmen, dass die Punktlichtquelle unendlich weit von der Linse entfernt ist und auf der optischen Achse liegt. Dann sind die Wellenfronten der von Q ausgehenden Kugelwellen am Ort der Linse nahezu eben und orthogonal zur optischen Achse. Auf die Linse trifft dann eine nahezu ebene Welle, die in den Brennpunkt der Linse fokussiert wird und dort das Bild B von Q bildet. Ohne Berücksichtigung von Beugung würde die Punktlichtquelle Q in das Punktbild B abgebildet. Dies würde man nach den Gesetzen der geometrischen Strahlenoptik erwarten. Tatsächlich tritt jedoch Beugung an der Apertur der Linse auf. Diese Apertur kann eine separat vor der Linse angebrachte Blende vom Durchmesser D sein (wie in Abb. 8), oder die Linse selbst, die nur einen endlichen Durchmesser D hat. In Folge der Beugung wird Q nicht in ein Punktbild B abgebildet, sondern in das Beugungsbild der Apertur, wie es in Abb. 7 für eine kreisförmige Apertur dargestellt ist. Es entsteht demnach ein „verschmiertes“ Bild von Q mit einem zentralen Beugungsscheibchen (der AIRY-Scheibe), dessen Durchmesser d gem. Gl. (29) vor allem durch die Wellenlänge λ des Lichtes und den Durchmesser D der Apertur gegeben ist: (30) = d 2 ρ 0 ≈ 2, 44 λf D L B Q D ∞ f L Q2 Q1 B1 B2 β ∞ β f Abb. 8: Oben: Optische Abbildung einer idealen Punktlichtquelle Q in unendlicher Entfernung durch eine Linse L der Brennweite f. Die Apertur vor der Linse hat den Durchmesser D. Unten: Optische Abbildung von zwei benachbarten idealen Punktlichtquellen Q1 und Q2 in unendlicher Entfernung mit einer Linse L der Brennweite f. 89 Der Durchmesser des Beugungsscheibchens wird also umso kleiner und damit die Abbildung umso „schärfer“, je kleiner die Wellenlänge des Lichtes und je größer der Durchmesser der Blende bzw. Linse wird. Für eine optische Abbildung mit hoher räumlicher Auflösung ist es entscheidend, dass d möglichst klein wird. Dies ist aus Abb. 8 (unten) direkt ablesbar. Die beiden Punktquellen Q1 und Q2 mögen sich wieder in unendlicher Entfernung von der Linse L befinden. Q1 liege auf der optischen Achse, Q2 darüber. Das hat zur Folge, dass die von Q2 am Ort der Linse hervorgerufene nahezu ebene Wellenfront gegenüber der nahezu ebenen Wellenfront von Q1 um einen kleinen Winkel β geneigt ist. Das durch die Lichtwelle von Q2 hervorgerufene Beugungsbild ist deshalb gegenüber dem von Q1 hervorgerufenen Beugungsbild nach unten versetzt. Beide Beugungsbilder mit den Zentren um B1 und B2 überlagern sich additiv. In der Beobachtungsebene (hier der Brennebene der Linse) kann man deshalb nur dann getrennte Bilder von Q1 und Q2 wahrnehmen, wenn die Beugungsbilder hinreichend weit gegeneinander versetzt sind. Was „hinreichend“ ist, ist eine Frage der Definition. Nach Definition des RAYLEIGH Kriteriums muss der Versatz mindestens d/2 betragen, also gleich dem Radius der AIRY-Scheibe sein. In dem Fall fällt das Maximum des Beugungsbildes von Q1 gerade auf das erste Minimum des Beugungsbildes von Q2 (s. Abb. 9). Der Winkelabstand β min, den die Punktquellen Q1 und Q2 von der Blendenmitte aus betrachtet nach dem RAYLEIGH-Kriterium mindestens haben müssen, um noch getrennt wahrnehmbare Bilder zu liefern, d. h. auflösbar zu sein, ist demnach gem. Gl. (25) mit q = q0 ≈ 3,8317 und sin θmin ≈ θmin: (31) β= θ min ≈ 1, 22 min λ D Abb. 9: Zum RAYLEIGH-Kriterium. Dargestellt ist die inkohärente Überlagerung 7 der Beugungsbilder von zwei Punktlichtquellen. Der Versatz der beiden Beugungsbilder beträgt oben links 0, oben rechts d/4, unten links d/2 und unten rechts d, wobei d der Durchmesser der AIRY-Scheibe ist. 7 Bei der inkohärenten Überlagerung bleiben Interferenzeffekte zwischen den zu den beiden Beugungsbildern gehörenden Lichtwellen unberücksichtigt. Die Abbildung zeigt also Lichtverteilungen, die sich bei Verwendung 90 2.5 Beugungsbild im Nahfeld einer FRESNELschen Zonenplatte (FRESNELBeugung) In den vorigen Kapiteln wurden Beugungserscheinungen in großer Entfernung hinter der beugenden Struktur betrachtet (FRAUNHOFER-Beugung im Fernfeld). Wir wollen nun als Beispiel für Beugungserscheinungen in der Nähe der beugenden Struktur (FRESNEL-Beugung im Nahfeld) die Beugung an einer FRESNELschen Zonenplatte betrachten. Von einer Punktlichtquelle Q auf einer optischen Achse z breite sich eine Kugelwelle EQ mit der Wellenlänge λ aus (Abb. 10). Im Abstand ρ0 von Q betrachten wir eine senkrecht zur z-Achse liegende Ebene S, die von EQ beleuchtet wird. Nach dem HUYGENSschen Prinzip kann jeder Punkt Qj auf dieser Ebene als Emittent einer neuen Kugelwelle Ej angesehen werden. Uns interessiert die Frage, welche resultierende Lichtintensität durch Überlagerung der Ej am Punkt P auf der z-Achse erzeugt wird, wenn die Ebene S abwechselnd in geeignete Zonen mit der Transmission T = 1 und T = 0 unterteilt wird 8. S ρm R5 Rm rm R1 Q ρ0 r0 Z1 P z Z0 Z2 Z3 Z4 Z5 Abb. 10: FRESNELsche Zonenplatte. Die Platte (gelb) steht in der Ebene S senkrecht zur Zeichenebene. Rechts ist eine Aufsicht der um 90° gedrehten Platte mit den transparenten Zonen Z0, Z2 und Z4 (T = 1) und den abgedunkelten Zonen Z1, Z3 und Z5 (T = 0) dargestellt. Als Zonen Zm (m = 0,1,2,...) in S wählen wir gem. Abb. 10 Kreisringe, die von den Radien Rm und Rm+1 begrenzt werden. Die Rm wählen wir so, dass sich die optischen Wege ρm+rm von Q nach P für benachbarte m jeweils um λ/2 unterscheiden, d. h. (32) ( ρm+1 + λ rm+1 ) − ( ρ m + rm ) = 2 oder, mit Einführung des Abstandes r0 zwischen S und P: (33) ( ρm + λ rm ) − ( ρ0 + r0 ) = m 2 Für rm und ρm können wir mithilfe der Potenzreihenentwicklung schreiben: 8 von inkohärentem (z.B. weißem) Licht ergeben. Bei Verwendung von kohärentem Laserlicht würden die Muster von Interferenzstreifen durchzogen sein (vgl. späterer Versuch Beugung an periodischen Strukturen…). T = 1: vollständige Transmission, d. h. Licht kann ungehindert durchtreten. T = 0: Licht wird vollständig abgeblockt. 91 (34) ρm = (35) rm= Rm2 + ρ02 = ρ0 1 + R + r = r0 2 m 2 0 Rm2 1 ρ ≈ + 0 2 ρ02 2 ρ0 Rm2 Rm2 Rm2 1 + 2 ≈ r0 1 + 2 r0 2r0 Setzen wir die Gleichungen (34) und (35) in Gl. (33) ein, so erhalten wir für m ≥ 1: (36) 1 1 mλ + = ρ0 r0 Rm2 Die Flächen Am der Zonen Zm sind gegeben durch (37) 2 2 A= ) m π ( Rm +1 − Rm= πλ 1 ρ0 + 1 r0 also konstant. Aus dieser Gleichheit der Flächen folgt, dass alle Zonen Zm eine gleiche Anzahl von Punkten Qj enthalten, die nach dem HUYGENSschen Prinzip Kugelwellen emittieren. Zusammen mit der in Gl. (33) formulierten Bedingung folgt dann, dass es zu jeder Kugelwelle aus der Zone Zm eine Kugelwelle aus der Zone Zm+1 gibt, die gegenüber der ersten einen Gangunterschied von λ/2 aufweist. Diese Wellen löschen sich also gegenseitig aus. Wird jedoch gem. Abb. 10 (rechts) eine FRESNELsche Zonenplatte in die Ebene S eingebracht, die entweder jede Zone mit geradem m oder jede Zone mit ungeradem m abdeckt (dort ist dann T = 0), so werden damit die jeweils zur Auslöschung führenden Kugelwellenpartner ausgeblendet. In diesem Fall addieren sich also alle Kugelwellen aus den transparenten Zonen konstruktiv und führen zu einer erhöhten Lichtintensität im Punkt P. Wir haben damit die Situation, dass eine Punktlichtquelle Q zu einer erhöhten Lichtintensität im Punkt P führt, wenn zwischen Q und P eine FRESNELsche Zonenplatte eingebracht wird. Dies ist analog zur optischen Abbildung von Q nach P durch eine Linse. In der Tat stellt Gl. (36) die aus der geometrischen Optik bekannte Abbildungsgleichung (38) 1 1 1 + = b g f0 dar, wenn wir ρ0 als Gegenstandsweite g, r0 als Bildweite b und die Größe Rm2 = f0 (39) mλ (m ≥ 1) als Hauptbrennweite f0 der Zonenplatte interpretieren. Diese Hauptbrennweite gewinnt sofort eine anschauliche Bedeutung, wenn wir den Abstand ρ0 der Punktlichtquelle Q von der Zonenplatte gegen unendlich gehen lassen. In diesem Fall wird die Zonenplatte mit einer ebenen Welle beleuchtet (paralleles Licht) und die Welle wird hinter der Zonenplatte gem. Gl. (36) wie durch eine Linse auf den Punkt P im Abstand r0 = f0 fokussiert. 92 3 Versuchsdurchführung Zubehör: Helium-Neon-Laser (ca. 5 mW Lichtleistung) in Fein-Justierhalterung auf Dreieckschiene (Länge 1,5 m), Strahlaufweitungssystem (Mikroskopobjektiv mit Vergrößerung 20-fach, Pinhole mit Durchmesser 30 µm, Achromat als Kollimationslinse mit Brennweite 200 mm), Irisblende, Linse f = (120 ± 2) mm, Beugungsspalt (Breite (190 ± 10) µm) in feinverstellbarer Drehhalterung (THORLABS PR01/M), Linse f = (300 ± 3) mm mit vormontiertem Blendenhalter, Lochblenden zum Einsatz in Blendenhalter (Durchmesser 1,0 mm und 2,0 mm, Fehler vernachlässigbar), Neutralfilterrad (Graufilterrad), FRESNELsche Zonenplatte, Mikroskop, CCD-Kamera (DMK 21AF04, 640 × 480 Pixel, Pixelgröße 5,6 × 5,6 µm2, Fehler vernachlässigbar) mit FireWire (IEEE-1394)-Schnittstelle) auf x/y/z-Feinverstelleinheit, Rohraufsatz für CCD-Kamera als Streulichtschutz, PC mit FireWire (IEEE1394)-Schnittstelle, Metallmaßband (1 m), Schirm mit Zentrierringen, Reiter, Stativstangen unterschiedlicher Länge, Werkzeug. Achtung: Beim Umgang mit Laserlicht muss darauf geachtet werden, dass weder der Laserstrahl direkt, noch reflektierte Strahlen von Linsenoberflächen, Metallflächen usw. in die Augen gelangen. Es besteht die Gefahr der Netzhautzerstörung durch lokal extrem hohe Intensitäten! Der Laserstrahl muss daher immer in einer Höhe unter ca. 1,2 m gehalten werden! Niemals direkt in einen unaufgeweiteten Laserstrahl blicken! 3.1 Bestimmung der Breite eines Beugungsspaltes Durch Messung der Positionen von Intensitätsminima und –maxima im Beugungsbild eines Spaltes, der mit einer ebenen Lichtwelle aus einem Helium-Neon-Laser beleuchtet wird, soll die Breite D des Spaltes bestimmt werden. Das Beugungsbild (vgl. Abb. 4 oben) wird mit einer CCD-Kamera aufgezeichnet und in einen PC eingelesen. Die Steuerung der Bildaufnahme und Bilddarstellung erfolgt unter Matlab mit dem Skript BildEinlesen.m. Neben dem Kamerabild wird gleichzeitig ein Profilschnitt I(p) 9 längs einer wählbaren Bildzeile dargestellt (s. Abb. 13). Die Justage der Kamera und die Auswahl der Bildzeile erfolgt so, dass I(p) den Profilschnitt durch das Beugungsbild (vgl. Abb. 4 Mitte bzw. unten) wiedergibt. I(p) wird anschließend über Save Profile in einer zweispaltigen Textdatei gespeichert. Spalte 1 enthält die Pixelnummer p und Spalte 2 den zugehörigen Grauwert I(p). Die Daten aus dieser Textdatei werden in Origin importiert und grafisch als I(p) dargestellt. Mithilfe des Origin-Tools „Data Reader“ 10 können die Pixelpositionen pi der Extremwerte der Intensität bestimmt werden. Die einzelnen Schritte des Vorgehens werden im Folgenden beschrieben. Achtung: Um bei diesem Versuch zu brauchbaren quantitativen Ergebnissen zu kommen, müssen zwei Bedingungen eingehalten werden: Zum einen muss ein Beugungsspalt in einem dünnen Blech (Blechdicke im Idealfall → 0) mit sehr scharfen, zueinander parallelen Kanten benutzt werden. Um den Spalt nicht unbrauchbar zu machen, darf das Spaltblech niemals direkt berührt werden! Spalt nur in seiner Halterung anfassen! Zum anderen muss der Spalt mit einer von störendem Streulicht befreiten ebenen Lichtwelle beleuchtet werden. Eine solche Welle lässt sich mithilfe eines präzise justierten Strahlaufweitungssystems herstellen, dessen Funktionsprinzip in Abb. 11 dargestellt ist. Die ebene Welle („paralleles Licht“) aus dem Laser (Strahldurchmesser d1) wird mit einem Mikroskopobjektiv L1 (Brennweite f1) fokussiert. Im Fokus von L1 wird eine Lochblende (Pinhole) PH von ca. 30 µm Durchmesser montiert, mit der störendes Streulicht herausgefiltert wird. Hinter PH wird eine Kollimationslinse L2 angebracht. Der 9 Profilschnitt: Verlauf der Intensität I(p) in Grauwerten längs der Pixel einer Bildzeile (p: Pixelnummer). 10 Das grafische Symbol des Tools Data Reader ist ) 93 Abstand zwischen PH und L2 entspricht der Brennweite f2 von L2, sodass hinter L2 wieder eine ebene Welle („paralleles Licht“ mit Strahldurchmesser d2) vorliegt. Das Justieren eines solchen Strahlaufweitungssystems erfordert einige experimentelle Erfahrung. Deshalb erfolgte die Justierung zusammen mit der Justage des Lasers vor Versuchsbeginn durch die technische Assistenz. Um die zeitaufwändigen Einstellungen nicht zunichte zu machen, dürfen die Justierschrauben des Lasers und des Strahlaufweitungssystems während des Versuches nicht berührt oder gar verdreht werden! L1 d1 d2 L2 PH Laser f1 f2 Abb. 11: Prinzip eines Strahlaufweitungssystems. L1: Mikroskopobjektiv (Brennweite f1), PH: Lochblende (Pinhole), L2: Kollimationslinse (Brennweite f2) Die Arbeit am Versuchsaufbau (Abb. 12) beginnt damit, dass ein mit Zentrierringen versehener Beobachtungsschirm in ca. 1 m Entfernung vom Strahlaufweitungssystem auf die Dreieckschiene aufgesetzt und mittig zur optischen Achse justiert wird. Die optische Achse ist die gestrichelte horizontale Linie in Abb. 12. Der Beobachtungsschirm dient als Justierhilfe für die nachfolgenden Arbeiten. Mit einer bereits mittig zur optischen Achse montierten Irisblende B wird der Durchmesser der ebenen Welle auf ca. 15 mm begrenzt. Die Linse L (Brennweite f = (120 ± 2) mm) wird auf die Dreieckschiene aufgesetzt und mittig zur optischen Achse ausgerichtet. Dazu wird sie so justiert, dass der Laserstrahl nach Durchgang durch die Linse im Zentrum des Beobachtungsschirms auftrifft. f a L1 L2 Laser PC NF B SP L ST CCD-Kamera Abb. 12: Aufbau zur Vermessung des Beugungsbildes eines Spaltes. NF: Neutralfilterrad, L1, L2: Linsen des Strahlaufweitungssystems gem. Abb. 11, B: Irisblende, SP: Beugungsspalt in feinverstellbarer Drehhalterung, L: Linse der Brennweite f, ST: Rohr vor CCD-Kamera zur Streulichtminimierung. 11 Hinweis: Zur Justierung des Schirms, der Linse und später auch des Spaltes muss gegebenenfalls auch der auf dem Reiter montierte Stativfuß gelöst (Sechskantschrauben, SW 7) und verschoben werden! Eine exakte Justierung ist für das Erreichen guter Ergebnisse unbedingt erforderlich! Anschließend wird die Linse zusammen mit ihrem Halter (und ohne ihre Lage im Halter zu verändern!) vorübergehend von der Dreieckschiene genommen und stattdessen der Beugungsspalt SP von ca. 0,2 mm Breite auf der Dreieckschiene montiert. Die Lage des Spaltes wird gegenüber dem aufgeweiteten Laser11 Die Apparatekonstante a = 9,7 mm (Fehler vernachlässigbar) ist die Entfernung zwischen der Außenkante des Kameragehäuses (blau) und der Oberfläche des CCD-Sensors (lila). 94 strahl so ausgerichtet, dass auf einem Beobachtungsschirm in einiger Entfernung ein möglichst waagerecht ausgerichtetes und symmetrisches Beugungsbild entsteht. Danach wird die Linse in ihrem Halter wieder in den Strahlengang eingebracht und dicht hinter dem Spalt montiert. In die Brennebene der Linse wird der Sensor der CCD-Kamera positioniert, deren Bild auf dem PCMonitor beobachtet wird. Da die Kamera sehr lichtempfindlich ist, wird zwischen Laser und Aufweitungssystem ein Neutralfilterrad NF montiert, mit dessen Hilfe die Lichtintensität passend abgeschwächt wird. Die Feinabstimmung der Belichtung des CCD-Sensors erfolgt über die Parameter Exposure Time und Offset. 12 Die Kamera wird mithilfe des Verschiebetisches längs der optischen z - Achse so verschoben, dass ein scharfes Beugungsbild sichtbar wird. Sollte es nicht horizontal ausgerichtet sein, muss der Spalt in seiner Drehhalterung vorsichtig nachjustiert werden. Anschließend wird die Kamera mithilfe der Höhenverstelleinheit so justiert, dass das Beugungsbild des Spaltes etwa in der Bildmitte liegt. Schließlich erfolgt eine Verschiebung der Kamera in horizontaler u -Richtung senkrecht zur optischen z-Achse, sodass die - 1. Beugungsordnung am linken Bildrand noch gut zu erkennen ist. Rechts davon sind dann einige positive Beugungsordnungen zu sehen. Abb. 13: Bildschirmoberfläche nach dem Start des Matlab-Skriptes BildEinlesen.m, Initialisierung der Kamera und Start der Bildaufnahme. Das Kamerabild wird oben dargestellt, das zugehörige Profil I(p) für die Zeile Nr. 240 unten (jeweils mit Intensitätsübersteuerung im zentralen Beugungsmaximum). Nach Beendigung der Bildaufnahme (Stop Live Image) können das Bild als TIF-Datei (Save Image) und das Profil als TXT-Datei (Save Profile) gespeichert werden. 12 Näheres siehe Versuch „Geometrische Optik…“. 95 Über den Parameter Line No. (s. Abb. 13 links, Feld Set Profile Data) wird diejenige Zeile des Kamerabildes selektiert und als Profil I(p) dargestellt, auf der das Zentrum des Beugungsbildes liegt. Gegebenenfalls müssen die Ausrichtung des Spaltes und der Parameter Line No. für ein sauberes, symmetrisches Beugungsbildes noch einmal nachjustiert werden. Der beschränkte Dynamikbereich und die beschränkte Intensitätsauflösung der Kamera (8 Bit) erlauben es nicht, alle Beugungsminima und –maxima gleichzeitig hinreichend deutlich in einem Bild darstellen zu können. Um die Positionen der Beugungsminima sicher erfassen zu können, muss u.U. eine Übersteuerung der Beugungsmaxima niedriger Ordnung im Bild in Kauf genommen werden. Ebenso kann es bei der Aufzeichnung der Beugungsmaxima zu einer Untersteuerung der Beugungsminima im Bild kommen. Zur Erfassung sämtlicher benötigter Daten müssen daher gegebenenfalls mehrere Bilder aufgenommen und die zugehörigen Profile gespeichert werden. Nach Import der Profildaten in ein Origin-Projekt erfolgt ihre grafische Darstellung als I(p) und die Bestimmung der Pixelpositionen pi der Extremwerte der Intensität mithilfe des Origin-Tools „Data Reader“. Die Lage der 0. Beugungsordnung wird durch Interpolation aus der Position des ± 1-ten Beugungsminimums bestimmt. Aus den Pixelpositionen der Extremwerte der Intensität lassen sich in Kenntnis der Pixelgröße (vgl. Versuchszubehörliste) die räumlichen Koordinaten u (s. Gl. (22)) der Extremwerte berechnen. Für jedes Maximum und jedes Minimum mit n ≥ 1 (Gl. (18) bzw. Gl.(20)) wird ein Wert für die Spaltbreite D bestimmt (Wellenlänge für das Licht des verwendeten Helium-Neon-Lasers: λ = 632,8 nm; Fehler vernachlässigbar. Zu den Einzelwerten von D muss kein Fehler angegeben werden). Aus den Einzelwerten der Spaltbreiten wird für die Minima und die Maxima jeweils ein Mittelwert der Spaltbreite und seine Standardabweichung bestimmt. 3.2 Bestimmung des Durchmessers von AIRY-Scheiben Aus dem in Versuchsteil 3.1 verwendeten Aufbau wird der Spalt entfernt. Die Linse L mit f = 120 mm wird durch eine Linse mit f = (300 ± 3) mm ersetzt. Die Linse wird so ausgerichtet, dass ihr Brennpunkt in der Mitte des CCD-Sensors liegt. In den vor der Linse montierten Blendenhalter werden nacheinander zwei Lochblenden mit unterschiedlichem Durchmesser eingesetzt (Daten der Lochblenden siehe Zubehörliste). Die Lochblenden werden jeweils mit der ebenen, aufgeweiteten Welle aus dem Laser beleuchtet. Dies entspricht einer Beleuchtung durch eine unendlich weit entfernte monochromatische Punktlichtquelle und damit der in Abb. 8 skizzierten Situation. Für jede Lochblende wird das Beugungsbild in der Brennebene der Linse aufgenommen und ein Profilschnitt durch das Zentrum des Beugungsbildes betrachtet. Der Profilschnitt geht dann durch das Zentrum des Beugungsbildes, wenn in ihm der Abstand der ersten Minima links und rechts vom Beugungsmaximum maximal ist. Die vertikale Lage des Profilschnitts kann mit dem Parameter Line No. verändert werden. Die Daten der Profilschnitte werden gespeichert, in Origin importiert, grafisch dargestellt, die Durchmesser d der AIRY-Scheiben bestimmt und mit den theoretischen Erwartungen verglichen. 3.3 Bestimmung der Brennweite einer FRESNELschen Zonenplatte Aus dem in Versuchsteil 3.2 benutzten Aufbau wird die Linse L entfernt. Stattdessen wird eine FRESNELsche Zonenplatte in einem U-Halter in den Strahlengang eingebracht und mittig zur optischen Achse justiert. Etwa 65 cm hinter die Zonenplatte wird ebenfalls mittig zur optischen Achse die CCD-Kamera montiert und das Bild beobachtet. Anschließend wird die Zonenplatte langsam auf die Kamera zugeschoben und die Position gesucht, bei der im Kamerabild der Punkt größter Intensität auf der optischen Achse erscheint. Die Entfernung zwischen der Zonenplatte und der Vorderkante des Gehäuses der CCD-Kamera wird gemessen. Die Apparatekonstante a wird zum Messwert addiert. Die so gefundene Gesamtentfernung zwischen Zonenplatte und CCD-Sensor entspricht der Hauptbrennweite f0 der Zonenplatte. 96 Die Zonenplatte wird nun weiter auf die Kamera zugeschoben. Es werden weitere Punkte gesucht, bei denen die Intensität in einem Punkt auf der optischen Achse Nebenmaxima aufweist und die zugehörigen Abstände fj zwischen Zonenplatte und CCD-Sensor werden vermessen. Die Hauptbrennweite f0 (j = 0) und die Entfernungen fj (j = 1, 2, 3,…) der Nebenmaxima von der Zonenplatte („Nebenbrennweiten“) werden über j grafisch aufgetragen. Frage 5: - Welche Gesetzmäßigkeit besteht zwischen j und fj? Raten Sie eine Lösung und überprüfen Sie deren Richtigkeit durch Wahl geeignet skalierter Achsen im Diagramm fj(j), die zu einer linearisierten Darstellung von fj(j) führen. Abschließend werden die Durchmesser Dm = 2Rm der Zonenplatte für m = 1 und m = 5 unter dem Mikroskop vermessen. (Skala am Verschiebetisch benutzen, auf dem die Zonenplatte montiert ist!) Frage 6: - Stimmt die gemessene Hauptbrennweite f0 innerhalb des Fehlerbereichs mit den Brennweiten überein, die sich aus den gemessenen Radien R1 und R5 der Zonenplatte ergeben? 97 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil II Beugung an periodischen Strukturen Gitter-Spektralapparat Stichworte: Ebene Welle, Kugelwelle, Amplitude, Phase, Intensität, Beugung, Interferenz, Gitter, Beugungsgitter, Transmissionsgitter, Reflexionsgitter, Gitter-Spektralapparat, Gitter-Monochromator Messprogramm: Intensitätsmaxima und –minima in den Beugungsbildern eines Doppelspaltes sowie von ein- und zweidimensionalen Transmissions- und Reflexionsgittern. Spektrum einer Weißlicht-LED mit einem Gitter-Spektralapparat. Literatur: /1/ HECHT, E.: „Optik“, Oldenbourg, München u. a. /2/ DEMTRÖDER, W.: „Experimentalphysik 2 – Elektrizitätslehre und Optik“, Springer-Verlag, Berlin u. a. 1 Einleitung Im Versuch FRAUNHOFER- und FRESNEL-Beugung, Interferenz wurden die Grundlagen der Beugung behandelt und u. a. der Intensitätsverlauf im Beugungsbild eines Spaltes berechnet und vermessen. In diesem Versuch soll untersucht werden, wie sich Beugungsbilder verändern, wenn die beugende Struktur in periodischer Wiederholung vorliegt. Ein Beispiel hierfür ist ein optisches Gitter, das aus einer periodischen Anordnung von Spalten besteht. Gitter bilden die zentrale Komponente von Gitter-Monochromatoren und Gitter-Spektralapparaten, die in der optischen Spektroskopie eingesetzt werden. 2 Theorie 2.1 Beugung am Einfachspalt Wir beginnen mit einigen Wiederholungen zur Beugung am Einfachspalt. Dazu betrachten wir gem. Abb. 1 einen Spalt, der in ± y-Richtung die Breite D hat (symmetrisch um y = 0) und in x-Richtung unendlich lang ausgedehnt ist. Der Spalt sei von einem homogenen Medium mit der Brechzahl n umgeben, z. B. von Luft mit n ≈ 1, und werde unter dem Einfallswinkel α = 0° (senkrechter Einfall) mit einer ebenen, kohärenten Lichtwelle E der Wellenlänge λ beleuchtet (Wellenzahl k, Kreisfrequenz ω). Für die folgenden Überlegungen gehen wir der Einfachheit halber von linear polarisiertem Licht aus. Die Richtung von E ist demnach konstant. Deshalb ist eine skalare Schreibweise mit E statt E ausreichend. y r x P θ z E 8 D Abb. 1: Beugung an einem Spalt der Breite D bei Beleuchtung mit einer ebenen Welle E. 98 Aus dem Versuch FRAUNHOFER- und FRESNEL-Beugung... ist bekannt, wie die durch die Beugung hervorgerufene Lichtwelle in unendlicher Entfernung hinter dem Spalt aussieht. An einem Punkt P, der vom Koordinatenursprung den Abstand r → ∞ hat und der unter dem Beugungswinkel θ zur optischen z-Achse liegt, lässt sich die Lichtwelle als Funktion des Parameters q schreiben als: (1) E ( q, t ) = E 0 sin q i(ωt − kr ) e q Darin ist E0 die Amplitude, t die Zeit und D 2 q k= sin θ = (2) πD λ sin θ Beobachtbar mit dem Auge oder einem Detektor ist nur die Lichtintensität I, die für eine komplexe Lichtwelle E(q,t):= E gegeben ist durch: 1 1 2 = c ε 0ε r E E * c ε 0ε r E 2 2 2 = I c ε 0ε= (3) r Re [ E ] t Dabei ist c die Lichtgeschwindigkeit im Umgebungsmaterial, ε0 die elektrische Feldkonstante, εr die relative Permittivität des Umgebungsmaterials und E* die zu E konjugiert komplexe Größe. Setzen wir (4) 1 I 0 = c ε 0ε r E02 2 folgt damit für die Intensität der Welle aus Gl. (1): (5) sin q I ( q ) = I0 q 2 Gl. (5) beschreibt das Beugungsbild des Spaltes, das in der Beobachtungsebene senkrecht zum Spalt orientiert ist (s. Abb. 4 oben). Mithilfe einer Linse (Brennweite f) kann das Beugungsbild I(q) aus dem Unendlichen in die Brennebene der Linse transformiert werden. Die im Unendlichen unter dem Winkel θ am Punkt P beobachtete Intensität findet sich nun an einem Punkt P’ in einer Entfernung u von der optischen z-Achse, für die gilt (Abb. 2): (6) u = f tan θ y u θ x P' z f Abb. 2: Beobachtung des Beugungsbildes eines Spaltes in der Brennebene einer Linse. 99 2.2 Beugung am Doppelspalt Wir wollen nun betrachten, wie sich der Intensitätsverlauf in der Beobachtungsebene verändert, wenn statt eines Spaltes gleichzeitig zwei Spalte mit gleicher Breite D und Abstand d beleuchtet werden (Doppelspalt). Der eine Spalt sei gem. Abb. 3 um y = +d/2, der andere um y = –d/2 gegenüber dem Koordinatenursprung verschoben. y D P E1 E d/2 θ z 8 E2 ∆r Abb. 3: Beugung an zwei Spalten (Doppelspalt) der Breite D, die im Abstand ± d/2 von der optischen Achse angeordnet sind, bei Beleuchtung mit einer ebenen Welle E. Aus dem oberen Spalt tritt die Welle E1 aus, aus dem unteren die Welle E2. Die zu den beiden Spalten gehörenden Lichtwellen E1 und E2 legen gegenüber der in Abb. 1 dargestellten Situation einen längeren (E2) bzw. einen kürzeren Weg (E1) bis zum Punkt P zurück. Bei großer Entfernung zwischen dem Doppelspalt und dem Punkt P verlaufen E1 und E2 annähernd parallel und der Wegunterschied ist näherungsweise ∆ r =± (7) d sin θ 2 Daraus resultiert am Punkt P ein Phasenunterschied der beiden Wellen von ± ∆ϕ/2 gegenüber der Welle E aus Abb. 1, für den gilt 1: ∆ϕ 2π d = ∆ r = k ∆ r = k sin θ 2 λ 2 (8) Dieser Phasenunterschied führt gegenüber der Welle aus Gl. (1) zu einem zusätzlichen Phasenfaktor e ± i ∆ϕ /2 . Die beiden Lichtwellen E1 und E2 sind damit gegeben durch: sin q i (ω t − k r ) ± i E1,2 ( q, t ) = E0 e e q (9) ∆ϕ 2 In der Beobachtungsebene kommt es zur Interferenz der beiden Wellen, die durch die Addition beider Wellen beschrieben wird (Superposition). Die resultierende Lichtwelle am Punkt P ist demnach: (10) ∆ϕ ∆ϕ −i sin q i (ω t − k r ) i 2 e E ( q, t ) = E1 ( q, t ) + E2 ( q, t ) =E0 e +e 2 q Für die Intensität ergibt sich damit aus Gl. (10) nach Einsetzen in Gl. (3) und mit Gl. (4): 1 Der Phasenunterschied zwischen E1 und E2 ist, wie beim später behandelten Gitter, ∆ϕ. 100 sin q I ( q ) I0 (11) = q 2 2 2 ∆ϕ i ∆ϕ −i sin q 2∆ϕ 2 e 2 + e = 4I0 cos q 2 Beugungsterm Interferenzterm Frage 1: - Zeigen Sie, wie man vom mittleren Teil der Gl. (11) zum rechten Teil kommt. Das Beugungsbild eines Doppelspaltes (Abb. 4 unten) entspricht also (bis auf den Faktor 4) dem Beugungsbild des Einzelspaltes (Beugungsterm), multipliziert mit einer cos2-Funktion als Interferenzterm. Dieser Term kommt durch die Interferenz der Wellen aus den beiden Spalten zustande und führt dazu, dass das Beugungsbild von einem Interferenzmuster („Streifen“) durchzogen ist. Da das Argument ∆ϕ/2 der cos2-Funktion nur von θ abhängt (Gl. (8)), ist das Interferenzmuster nur in Richtung von θ, also nur in y - Richtung vom Ort abhängig. Es folgt in dieser Richtung einer cos2-Funktion. Das Beugungsbild ist daher von parallelen Interferenzstreifen durchzogen, die parallel zur x - Richtung ausgerichtet sind 2. Dunkelheit in y - Richtung herrscht dort, wo die cos2-Funktion ihre Nullstellen hat, also an den Stellen ∆ϕm, für die gilt: (12) ∆ ϕm π = ± ( 2m − 1) ; 2 2 m ∈ \ {0} I / I0 1 0 -0.01 0 0.01 0 0.01 θ / rad I / 4 I0 1 0 -0.01 θ / rad Abb. 4: Oben: Normierter Intensitätsverlauf im Beugungsbild eines Spaltes der Breite D (D = 0,2 mm, λ = 632,8 nm) als Funktion des Beugungswinkels θ. Dargestellt ist der Profilschnitt durch das darunter abgebildete Beugungsbild, wie es bei visueller Betrachtung erscheint. Die blauen Linien markieren die Ausdehnung der 0. Beugungsordnung. Unten: Dito für einen Doppelspalt mit dem Spaltabstand d = 4 D. Die rot gezeichnete Einhüllende entspricht dem oben dargestellten Beugungsbild des Einfachspaltes. 2 Da das Beugungsbild eines Spaltes oder Doppelspaltes eine linienförmige Struktur ist (s. Abb. 4), werden die Streifen in diesem Fall auch nur auf dieser Linie sichtbar. 101 Die zu diesen Nullstellen der Intensität (Minima) gehörenden Winkel θm lassen sich durch Kombination von Gl. (8) mit Gl. (12) berechnen: (13) sin= θm ∆ϕm 2 m − 1 λ = kd 2 d Intensitätsminima beim Doppelspalt Der Interferenzterm aus Gl. (11) beschreibt YOUNGsche Interferenzstreifen, wie sie beim YOUNGschen Doppelspaltversuch entstehen. Dort wird jeder Einzelspalt als linienförmige Lichtquelle der Breite D → 0 angenommen, für die die Breite der 0-ten Beugungsordnung im Fernfeld gegen unendlich geht. In jenem Fall ist der Beugungsterm als Konstante anzusehen, sodass nur der Interferenzterm beobachtet wird. Im Unterschied dazu haben die Einzelspalte hier eine endliche Breite. Ihr Beugungsbild ist deshalb von endlicher Ausdehnung und überlagert folglich das beobachtbare Interferenzstreifensystem. Die beschriebenen Zusammenhänge lassen sich zu folgendem Merksatz verallgemeinern: Merksatz: Das Beugungsbild einer Doppelstruktur (Abstand d) entspricht dem mit einer cos2-Funktion multiplizierten Beugungsbild der Einzelstruktur. Das Beugungsbild der Einzelstruktur ist demnach von parallelen Interferenzstreifen durchzogen, die senkrecht zur Verbindungslinie der Doppelstruktur stehen und deren Abstand umgekehrt proportional zu d ist. Diese Zusammenhänge sind in Abb. 5 und Abb. 6 exemplarisch anhand der Beugungsbilder eines kreisförmigen Einfach- und Doppelloches dargestellt. Der Bildausschnitt zeigt jeweils nur die 0-te Beugungsordnung, d. h. die AIRY-Scheibe. Abb. 5: Intensitätsverteilung im Beugungsbild eines kreisförmigen Einfachloches vom Durchmesser D. Dargestellt ist nur die 0-te Beugungsordnung, d. h. die AIRYScheibe. 2.3 Abb. 6: Intensitätsverteilung im Beugungsbild von zwei kreisförmigen Löchern mit Durchmesser D und Abstand d = 4D. Auch hier ist nur die 0-te Beugungsordnung dargestellt. Beugung an periodischen Strukturen, Beugung am Gitter Wir betrachten nun gem. Abb. 7 eine periodische Anordnung von N Spalten der Breite D mit dem Abstand d. Eine solche Anordnung von N Spalten heißt Gitter, der Abstand d heißt Gitterkonstante. Da solche Gitter die Amplitude der transmittierten Welle beeinflussen, heißen sie Transmissionsgitter. Die von den einzelnen Spalten ausgehenden Lichtwellen legen, wie beim Doppelspalt, wieder unterschiedlich lange Wege bis zum Punkt P zurück. Der Wegunterschied zwischen den Wellen aus benachbarten Spalten ist ∆r, der zugehörige Phasenunterschied ist (14) ∆ϕ = k ∆ r = k d sin θ 102 P D y θ z E ∆r d Abb. 7: Beugung an einer periodischen Anordnung von Spalten (Gitter) der Breite D, die im Abstand d voneinander angeordnet sind 3. Die Beleuchtungswelle E fällt senkrecht auf das Gitter. Analog zu Gl. (10) ist die aus der Überlagerung (Interferenz) aller Wellen resultierende Lichtwelle am Punkt P gegeben durch: (15) E ( q, t ) = E0 sin q i(ω t − k r ) N i ( n − 1) ∆ϕ e ∑e n =1 q Für die Berechnung des Intensitätsverlaufs muss wieder Gl. (15) in Gl. (3) eingesetzt werden. Zusammen mit Gl. (4) ergibt sich: (16) sin q I ( q ) = I0 q 2 2 N ∑e i ( n − 1)∆ϕ n =1 Die Summe über die Exponentialfunktionen stellt eine geometrische Reihe dar, für die wir schreiben können: N (17) ∑e( n =1 i n − 1) ∆ϕ = ei N ∆ϕ − 1 ei ∆ϕ − 1 Einsetzen von Gl. (17) in Gl. (16) ergibt schließlich: sin q sin ( N ∆ϕ / 2 ) I ( q ) = I0 q sin ( ∆ϕ / 2 ) 2 2 (18) Beugungsterm Interferenzterm Frage 2: - Wie gelangt man von Gl. (16) mit Hilfe von Gl. (17) zu Gl. (18)? Wie lautet I(q) für den Fall N = 2? (Vergleich mit Gl. (11).) Analog zum Doppelspalt gilt also auch hier: Das Beugungsbild eines Gitters ist das Beugungsbild eines Einzelspaltes (Beugungsterm) multipliziert mit dem Interferenzterm: 3 Da die Entfernung von P zum Spalt gegen ∞ geht, kann der Koordinatenursprung in einen beliebigen Spalt gelegt werden. Er muss nicht im mittleren Spalt des Gitters liegen. 103 (19) sin ( N ∆ϕ / 2 ) sin ( ∆ϕ / 2 ) 2 Der Verlauf der Intensität nach Gl. (18) ist in Abb. 8 als Funktion von θ für verschiedene Spaltanzahlen N dargestellt. Die Einhüllenden (rot) stellen jeweils den Verlauf der Intensität im Beugungsbild eines Einzelspaltes dar, den Beugungsterm. Der Interferenzterm gem. Gl. (19) führt zum Auftreten von Interferenzmaxima, zwischen denen jeweils N – 2 Interferenz-Nebenmaxima entstehen. 1 1 2 I / N I0 N=4 I / N 2 I0 N=2 0 -0.03 0 θ / rad 0 -0.03 0.03 1 0 0.03 0 0.03 θ / rad 1 N = 10 0 -0.03 2 I / N I0 I / N 2 I0 N = 100 0 θ / rad 0.03 0 -0.03 θ / rad Abb. 8: Normierter Intensitätsverlauf als Funktion des Beugungswinkels θ bei der Beugung am Gitter mit N Spalten der Breite D (D = 0,05 mm, d = 4D, λ = 632,8 nm). Der Fall N = 2 entspricht dem Doppelspalt. Die Einhüllende des Beugungsbildes ist rot gezeichnet. Sie entspricht dem Intensitätsverlauf im Beugungsbild eines Einfachspaltes. Mit wachsendem N wird die Lichtverteilung um die Interferenzmaxima herum immer schmaler und die Nebenmaxima werden immer kleiner. Dies macht man sich beim Einsatz von Gittern in der Spektroskopie (vgl. Kap. 2.4) zunutze. Dort benutzt man Gitter mit N in der Größenordnung von einigen 1.000 bis 100.000. Zur Berechnung der Lage der Interferenzmaxima betrachten wir nur den Interferenzterm. Diese Näherung ist für große N zulässig. Dann sind die Interferenzmaxima derart schmal, dass es durch die Multiplikation des Interferenzterms mit dem Beugungsterm zu keiner nennenswerten Verschiebung ihrer Lage kommt. Die Maxima des Interferenzterms liegen an den Stellen, an denen der Nenner aus Gl. (19) gegen null geht. Dies ist der Fall für: ∆ϕ 2 = mπ ; (20) m∈ 104 m ist die Ordnung des Interferenzmaximums (nicht zu verwechseln mit der Beugungsordnung). Das zentrale Maximum hat die Ordnung 0. Rechts und links davon liegen die Interferenzmaxima ± 1. Ordnung, ± 2. Ordnung usw. Mit Gl. (14) folgt aus Gl. (20): ∆ϕ kd = m= π sin θ m 2 2 (21) Aus Gl. (21) erhält man die Gittergleichung, die angibt, unter welchen Winkeln θm die Interferenzmaxima erscheinen: d sin θ m = m λ (22) Interferenzmaxima beim Gitter (Näherung für große N). Eine zweidimensionale periodische Gitterstruktur, z. B. eine zweidimensionale periodische Anordnung transparenter Löcher oder reflektierender Flächen, erzeugt eine zweidimensionale Struktur von Interferenzmaxima. Ist die Periodenlänge der Struktur in x-Richtung dx und in y -Richtung dy, so ist die Lage der Interferenzmaxima in beiden Richtungen jeweils durch Gl. (22) gegeben. 2.4 Gitter-Spektralapparat, Gitter-Monochromator Die Beugung an einem Gitter bietet eine Möglichkeit zur Messung der Wellenlänge von Licht. Fällt eine ebene Lichtwelle senkrecht auf ein Gitter mit Spaltabstand d, so kann man nach Gl. (22) deren Wellenlänge λ z. B. durch Messung des Winkels θ1 bestimmen, unter dem das Interferenzmaximum +1. Ordnung erscheint (m = +1). Zu jeder Wellenlänge λ gehört ein anderer Winkel θ1. Abb. 9 verdeutlicht dies an einem Beispiel. Das Gitter werde zunächst mit einer ebenen monochromatischen Welle der Wellenlänge λ ≈ 633 nm (Helium-Neon-Laser) beleuchtet und anschließend mit einer ebenen Welle der Wellenlänge λ ≈ 532 nm (Neodym-YAG-Laser). Es ist zu erkennen, dass sich die Lagen der Interferenzmaxima ± 1. Ordnung deutlich unterscheiden. Damit ist das wesentliche Funktionsprinzip eines Gitter-Spektralapparates benannt: Das Gitter sorgt dafür, dass einfallendes polychromatisches Licht räumlich in seine spektralen Anteile zerlegt wird. 1 λ = 633 nm; N =1000; d =2D λ = 532 nm λ = 633 nm; N =1000; d =1.5D λ = 532 nm I(θ ) / I(0) I(θ ) / I(0) 1 0 -0.3 0 θ / rad 0.3 0 -0.3 0 θ / rad 0.3 Abb. 9: Ausschnitt aus dem Beugungsbild eines Gitters, das mit rotem (λ ≈ 633 nm) bzw. grünem Licht (λ ≈ 532 nm) beleuchtet wird. Gitterparameter: D = 0,002 mm, d = 2D (links) bzw. d = 1,5 D (rechts), N = 1000. Aus der Lage der Interferenzmaxima ± 1. Ordnung kann λ bestimmt werden. Die Interferenzmaxima 0-ter Ordnung überlappen sich, deshalb erscheinen sie in der Farbe der zuletzt gezeichneten Kurve (hier grün). 105 Die spektrale Zerlegung findet nur in den Interferenzmaxima mit Ordnungen |m| ≥ 1 statt. Die zentralen Interferenzmaxima der Ordnung m = 0 liegen dagegen für alle Wellenlängen übereinander. Andererseits ist Abb. 9 zu entnehmen, dass die Intensität in den Interferenzmaxima mit |m| ≥ 1 deutlich niedriger ist als die Intensität im Maximum 0. Ordnung. Vom einfallenden Licht wird also nur ein kleiner Teil in seine spektralen Bestandteile zerlegt. Dieser Teil wird umso kleiner, je weiter sich der Spaltabstand d der Spaltbreite D nähert 4, siehe Abb. 9 (rechts). Diese Nachteile lassen sich durch den Einsatz von Reflexionsgittern beheben. Deren Aufbau und Funktionsweise sind im Anhang 4.1 beschrieben. Ein Gitter-Spektralapparat kann auch als Gitter-Monochromator eingesetzt werden, mit dem aus einer polychromatischen Lichtwelle nur das Licht selektiert werden kann, das in einem Wellenlängenbereich mit der Halbwertsbreite ∆λ um eine mittlere Wellenlänge λM herum liegt (siehe schematische Darstellung in Abb. 10). Einzelheiten dazu werden im folgenden Kap. 2.5 beschrieben. I I 1 Monochromator 0,5 Eingang ∆λ Ausgang λ λM λ Abb. 10: Schematische Darstellung der Funktionsweise eines Monochromators. Das einfallende polychromatische Licht mit der Intensitätsverteilung I(λ) weist ein breites Spektrum auf. Das austretende Licht ist auf einen schmalen Spektralbereich mit der mittleren Wellenlänge λM und der Halbwertsbreite ∆λ begrenzt. 2.5 Aufbau eines Gitter Spektralapparates und Gitter-Monochromators Abb. 11 zeigt den typischen Aufbau eines Gitter-Spektralapparates bzw. Gitter-Monochromators. Das polychromatische Licht aus einer Lichtquelle Q wird mithilfe der Linse L auf einen Eintrittsspalt SP1 abgebildet, verlässt den Spalt unter dem Öffnungswinkel ϕ und trifft anschließend auf den zylindrischen Hohlspiegel S1 mit der Brennweite f. Die Entfernung zwischen SP1 und S1 beträgt f, d. h. SP1 liegt in der Brennebene von S1. In diesem Fall reflektiert S1 paralleles Licht, d. h. eine ebene Welle, mit der das Reflexionsgitter G beleuchtet wird. An dem Gitter wird das Licht gebeugt. Das Gitter wird so um die Drehachse D gedreht (und damit der Einfallswinkel α variiert), dass für eine bestimmte Wellenlänge λM das Interferenzmaximum 1. Ordnung unter dem Winkel θ1 auftritt (Gl. (34) im Anhang 4.1). Das unter diesem Winkel θ1 gebeugte Licht trifft als ebene Welle der Wellenlänge λM auf den zylindrischen Hohlspiegel S2 mit der gleichen Brennweite f wie S1. Diese Welle wird an S2 reflektiert und in seine Brennebene fokussiert. Dort wird der Austrittsspalt SP2 platziert, durch den das Licht austreten kann. Durch Drehung des Gitters um die Drehachse D können α und θ1 und damit die Wellenlänge λM variiert werden. Auf diese Weise kann aus dem polychromatischen Licht der Lichtquelle Q annähernd monochromatisches Licht der Wellenlänge λM selektiert werden, das für weitere Anwendungen zur Verfügung steht. Daher der Name Monochromator. Ist man dagegen nur an einer Information über die Intensität I des Lichtes bei der Wellenlänge λM interessiert, platziert man hinter den Spalt SP2 eine Fotodiode FD, mit der I als Funktion von λM gemessen wird. In diesem Fall dient der Aufbau aus Abb. 11 als Spektralapparat. 4 Die meisten Gitter werden wegen der einfachen technischen Realisierung mit d = D hergestellt. 106 L Q SP1 S1 α D FD ϕ G SP2 θ1 S2 Abb. 11: Typischer Aufbau eines Gitter-Spektralapparates bzw. Gitter-Monochromators mit dem um die Drehachse D drehbaren Beugungsgitter G, dem Eintrittsspalt SP1, dem Austrittsspalt SP2 und den zylindrischen Hohlspiegeln S1 und S2. Q: Lichtquelle, L: Linse, FD: Fotodiode. Wegen der endlichen Breite der Spalte SP1 und SP2 tritt durch SP2 nicht nur Licht der Wellenlänge λM aus, sondern auch Licht mit geringfügig anderer Wellenlänge, für das sich geringfügig andere Beugungswinkel θ1 ergeben. Der Wellenlängenbereich des Lichtes, das SP2 noch passieren kann, wird durch die Halbwertsbreite ∆λ der Transmissionskurve charakterisiert (s. Abb. 10). Die daraus abgeleitete Größe (23) R= λM ∆λ heißt spektrales Auflösungsvermögen des Spektralapparates bzw. Monochromators. Je größer R, je kleiner also ∆λ, desto „schärfer“ die Wellenlängenselektion. Mehr zum spektralen Auflösungsvermögen findet sich im Anhang 4.2. Für weitere Details und praktische Aspekte beim Einsatz von Gitter-Spektralapparaten wird auf den Anhang 4.3 verwiesen. 107 3 Versuchsdurchführung Zubehör: Helium-Neon-Laser (5 mW Lichtleistung) in Fein-Justierhalterung auf optischer Dreieckschiene (Länge 1,5 m), Strahlaufweitungssystem (Mikroskopobjektiv × 20, Pinhole mit Durchmesser 30 µm, Achromat als Kollimationslinse mit f = 200 mm), Beobachtungsschirm mit Zentrierringen, Irisblende, Linsen f = (200 ± 2) mm und f = (120 ± 2) mm, Neutralfilterrad (Graufilterrad), Einfach-, Doppelspalt und Drahtgitter (Gitterkonstante in beiden Richtungen ca. 100 µm) in feinverstellbarer Drehhalterung (THORLABS PR01/M), Strichgitter (Gitterkonstante ca. 10 µm), CD-Rohling und DVD-Rohling in UHalter, durchbohrter Beobachtungsschirm mit Papierauflage, CCD-Kamera (DMK 21AF04, 640 × 480 Pixel, Pixelgröße 5,6 × 5,6 µm2, Fehler vernachlässigbar) mit FireWire (IEEE-1394)-Schnittstelle auf x/y/z-Feinverstelleinheit, Rohraufsatz für CCD-Kamera als Streulichtschutz, Monochromator (PHOTON TECHNOLOGY INTERNATIONAL (PTI), Mod. 01-001, 1200 L/mm 5, λB = 500 nm 6) auf X-Profilschiene mit Winkelsensor (TWK Mod. PBA12), Lasermodule (λ = 635 nm7 und λ = 532 nm) in Halter, Weißlicht-LED (NICHIA NSPW500GS-K1) in Gehäuse, Fotodiode (HAMAMATSU S5227), 2 Netzgeräte (PHYWE (0 – 15 / 0 - 30) V), PC mit FireWire (IEEE-1394)-Schnittstelle und Messwerterfassungskarte (NATIONAL INSTRUMENTS PCI 6014 oder PCI 6221) und zugehörigem BNC-Adapter (NATIONAL INSTRUMENTS BNC-2120), Reiter für X-Profilschiene und Dreieckschiene, Stativstangen unterschiedlicher Länge, Messschieber, Metallmaßband, Labortischlampe, Taschenlampe, Werkzeug. Achtung: Beim Umgang mit Laserlicht muss darauf geachtet werden, dass weder der Laserstrahl direkt, noch reflektierte Strahlen von Linsenoberflächen, Metallflächen usw. in die Augen gelangen. Es besteht die Gefahr der Netzhautzerstörung durch lokal extrem hohe Intensitäten! Der Laserstrahl muss daher immer in einer Höhe unter ca. 1,2 m gehalten werden! Niemals direkt in einen unaufgeweiteten Laserstrahl blicken! Hinweise: Um bei den Versuchen zur Beugung zu vernünftigen quantitativen Ergebnissen zu kommen, müssen die Beugungsstrukturen mit einer von störendem Streulicht befreiten ebenen Lichtwelle beleuchtet werden. Eine solche Welle lässt sich mithilfe eines präzise justierten Strahlaufweitungssystems herstellen, dessen Funktionsprinzip aus dem Versuch FRAUNHOFER- und FRESNEL-Beugung... bekannt ist. Das Justieren eines solchen Strahlaufweitungssystems erfordert einige experimentelle Erfahrung. Deshalb erfolgte die Justierung zusammen mit der Justage des Lasers vor Versuchsbeginn durch die technische Assistenz. Um die zeitaufwändigen Einstellungen nicht zunichte zu machen, dürfen die Justierschrauben des Lasers und des Strahlaufweitungssystems während des Versuches nicht berührt oder gar verdreht werden! Werden die verwendeten Strukturen statt mit einer ebenen Welle mit einer leicht konvergenten oder leicht divergenten Welle beleuchtet, kommt es zu anderen Beugungswinkeln und damit zu einer Stauchung oder Streckung des Beugungsbildes. Kleine Dejustagen des Strahlaufweitungssystems können deshalb zu systematischen Abweichungen zwischen den experimentell ermittelten Daten und den theoretischen Erwartungen führen. 3.1 Vermessung von Beugungsbildern Abb. 12 zeigt den verwendeten Versuchsaufbau zur Vermessung von Beugungsbildern. Der Strahl des Helium-Neon-Lasers (λ = 632,8 nm, Fehler in λ vernachlässigbar) wird mit einem Neutralfilterrad NF bei Bedarf abgeschwächt und mit einem Strahlaufweitungssystem (Linsen L1 und L2) auf einen Durchmesser von etwa 25 mm aufgeweitet. Mit der Irisblende B kann der Durchmesser geeignet reduziert werden. Der aufgeweitete Laserstrahl (die ebene Welle E aus Abb. 1) trifft auf die beugende Struktur BS. Das zugehörige Beugungsbild wird je nach Versuchsteil unterschiedlich beobachtet: 5 6 7 L/mm bedeutet „Linien (Spalte) pro mm“. Blaze-Wellenlänge, siehe Anhang 4.1. Die Wellenlänge kann von Modul zu Modul schwanken. Aufdruck auf dem Modul beachten. 108 Ist die beugende Struktur reflektierend, wird ein durchbohrter Beobachtungsschirm S an der Position P1 zwischen B und BS positioniert, auf dem das Beugungsbild aufgefangen, die Intensitätsmaxima mit einem Stift markiert und anschließend vermessen werden. Ist die beugende Struktur transmittierend, wird hinter BS eine Linse L montiert, in deren Brennebene (Position P2) das Beugungsbild auf dem Sensor einer CCD-Kamera aufgefangen wird. Die Kamera wird in z-Richtung so verschoben, dass ein scharfes Beugungsbild entsteht. Das Bild der Kamera wird in einen PC eingelesen und dort weiter verarbeitet. P1 S L1 L2 P2 f a Laser PC NF B BS L ST CCD-Kamera Abb. 12: Aufbau zur Vermessung von Beugungsbildern unterschiedlicher Beugungsstrukturen BS (beige). NF: Neutralfilterrad, L1, L2: Linsen des Strahlaufweitungssystems, B: Irisblende, L: Linse, S: durchbohrter Schirm, ST: Rohr vor CCD-Kamera 8 zur Streulichtminimierung, P1 und P2: Positionen zur Montage von Schirm S oder CCD-Kamera. Die Steuerung der Bildaufnahme mit der CCD-Kamera, die Bilddarstellung und die Vorverarbeitung der Daten erfolgt unter Matlab mit dem aus vorigen Versuchen bereits bekannten Skript BildEinlesen.m. Die Arbeit am Versuchsaufbau (Abb. 12) beginnt damit, dass ein mit Zentrierringen versehener Beobachtungsschirm in ca. 1 m Entfernung vom Strahlaufweitungssystem auf die Dreieckschiene aufgesetzt und mittig zur optischen Achse justiert wird. Der Beobachtungsschirm dient als Justierhilfe für die nachfolgenden Justagen. Mit der bereits mittig zur optischen Achse montierten Irisblende B wird der Durchmesser der ebenen Welle auf ca. 15 mm begrenzt. Anschließend werden die einzelnen Komponenten (L, BS, S, CCD-Kamera) nacheinander vorübergehend auf die Dreieckschiene aufgesetzt und mittig zur optischen Achse ausgerichtet. Hinweis: Zur Justage der einzelnen Komponenten muss gegebenenfalls auch der auf dem Reiter montierte Stativfuß gelöst (Sechskantschrauben, SW 7) und verschoben werden. Eine exakte Justierung ist für das Erreichen guter Ergebnisse unbedingt erforderlich! 3.1.1 Beugung an Einfach- und Doppelspalt Zunächst wird ein Einfachspalt als beugende Struktur BS in den Strahlengang gestellt und die Blende B so eingestellt, dass der Spalt vollständig ausgeleuchtet wird. Anschließend wird das Beugungsbild des Spaltes in der Brennebene der Linse L (f = (200 ± 2) mm) mit der CCD-Kamera aufgezeichnet. Die Kamera wird so justiert, dass das Beugungsbild scharf ist und etwa symmetrisch zur Bildmitte liegt. Der Spalt wird so gedreht, dass das Beugungsbild horizontal verläuft. 8 Die Apparatekonstante a = 9,6 mm (Fehler vernachlässigbar) ist die Entfernung zwischen der Außenkante des Kameragehäuses (blau) und der Oberfläche des CCD-Sensors (lila). 109 Über den Parameter Line No. des Skriptes BildEinlesen.m wird diejenige Zeile des Kamerabildes selektiert und als Intensitätsprofil dargestellt, auf der das Zentrum des Beugungsbildes liegt. Gegebenenfalls müssen die Ausrichtung des Spaltes und der Parameter Line No. für ein sauberes, symmetrisches Beugungsbild noch einmal nachjustiert werden. Das Intensitätsprofil wird gespeichert und später mit Origin grafisch dargestellt. Anschließend wird der Einfachspalt durch einen Doppelspalt ersetzt, der ebenfalls so ausgerichtet wird, dass sein Beugungsbild horizontal verläuft. Das Intensitätsprofil wird gespeichert und zur späteren Auswertung mit Origin grafisch dargestellt. Aus der grafischen Darstellung wird die Lage der ersten Interferenzminima links und rechts vom Zentrum des Beugungsbildes ermittelt und daraus der Abstand d der Einzelspalte bestimmt. Aus Gl. (13) und Gl. (6) folgt: (24) d= λ 2 m −1 2 sin ( arctan ( um f ) ) Mithilfe der trigonometrischen Beziehung (25) x arctan ( x ) = arcsin 2 1+ x lässt sich Gl. (24) vereinfachen zu: (26) d= 2 2 2 m − 1 λ um + f 2 um Im Falle kleiner Beugungswinkel, die hier gegeben sind, können die Näherungen (27) sin θ1 ≈ θ1 und tan θ1 ≈ θ1 verwendet und in Gl. (24) zur Berechnung von d eingesetzt werden, so dass folgt: (28) d= 2 m −1 λ f 2 um 3.1.2 Beugung an einem zweidimensionalen Transmissionsgitter Der Doppelspalt wird durch ein zweidimensionales Transmissionsgitter (Drahtgitter) ersetzt. Das Beugungsbild in der Brennebene der Linse L (f = (120 ± 2) mm) wird mit der CCD-Kamera aufgezeichnet. Das Gitter wird so justiert, dass das Beugungsbild horizontal bzw. vertikal ausgerichtet ist. Durch Messung der Lage der Interferenzmaxima ± 1. Ordnung im Profil einer geeigneten Bildzeile wird die Gitterkonstante dx in x-Richtung ermittelt. Anschließend wird das Gitter um 90° gedreht und auf analoge Weise die Gitterkonstante dy ermittelt. Auch hier sind die Beugungswinkel so klein, dass die Näherungen aus Gl. (27) gelten. Aus Gl. (22) und Gl. (6) folgt dann: (29) sin θ m ≈ θ m = m λ um ≈ d f Für den Abstand ∆u zweier benachbarter Interferenzmaxima (Ordnung m und m + 1, hier Ordnung 0 und ± 1) in der Brennebene der Linse folgt demnach: 110 (30) λ f ∆u = d und damit (31) d= λ f ∆u 3.1.3 Beugung an einem eindimensionalen Transmissionsgitter Als beugende Struktur wird ein eindimensionales Strichgitter auf einem Glasträger verwendet. Die Interferenzmaxima in der Brennebene der Linse (f = (120 ± 2) mm) haben für dieses Gitter einen so großen Abstand, dass sie nicht mehr paarweise auf den Sensor der CCD-Kamera fallen. Deshalb wird die Kamera zunächst so eingestellt, dass das Interferenzmaximum 0. Ordnung in der Bildmitte liegt; die zugehörige Pixelposition wird gemessen. Anschließend wird die Kamera mithilfe des Verschiebetisches senkrecht zur optischen Achse verfahren, bis die Interferenzmaxima ± 1. Ordnung an derselben Pixelposition liegen. Die zugehörige Verschiebung der Kamera wird auf dem Verschiebetisch abgelesen und notiert. Aus den gemessenen Daten wird die Gitterkonstante d bestimmt. Sollten die Näherungen aus Gl. (27) gelten, kann die Auswertung mit Gl. (31) erfolgen. Andernfalls muss Gl. (22) mit der Umformung aus Gl. (25) benutzt werden. 3.1.4 Beugung an einem zweidimensionalen Reflexionsgitter Der Sensor einer CCD-Kamera besteht aus einer periodischen Anordnung von Pixeln, die in x- und yRichtung einen Abstand entsprechend der Pixelgröße haben (siehe Versuchszubehör). Diese Struktur bildet ein zweidimensionales Reflexionsgitter. Bei Beleuchtung dieses Gitters als beugende Struktur BS mit einer ebenen Welle von möglichst kleinem Durchmesser (Öffnung von B verringern, Linse L mit Halter aus dem Aufbau entfernen) entsteht ein Beugungsbild mit periodisch angeordneten Interferenzmaxima, das auf einem durchbohrten Schirm S zwischen der Irisblende B und dem Kamera-Sensor aufgefangen werden kann. Die Positionen der ersten Interferenzmaxima links und rechts und unter- und oberhalb des Interferenzmaximums 0. Ordnung werden auf dem Schirm mit einem Stift markiert und anschließend ihr Abstand gemessen. Aus diesen Daten sowie dem Abstand BS / S (messen!) werden die Pixelabstände dx in x-Richtung und dy und y-Richtung ermittelt und mit den theoretischen Erwartungen verglichen. Hinsichtlich der Anwendbarkeit der Näherungen aus Gl. (27) gelten die gleichen Überlegungen wie in Kap. 3.1.3. 3.1.5 Beugung an eindimensionalen Reflexionsgittern CD (Compact Disc) Der CCD-Sensor aus dem vorigen Versuch wird durch einen CD-Rohling ersetzt, der ebenfalls als Reflexionsgitter wirkt. Die periodische Struktur ist in diesem Fall durch die Anordnung der Spuren der CD gegeben (Abb. 13), die einen Abstand von (1,6 ± 0,1) µm haben 9. Welcher Spurabstand ergibt sich aus der Vermessung des Beugungsbildes? DVD (Digital Versatile Disc) Die CD wird durch einen DVD-Rohling ersetzt. Die im Vergleich zur CD höhere Speicherdichte von DVDs ist u. a. durch den kleineren Spurabstand von (0,74 ± 0,01) µm gegeben. Welcher Spurabstand ergibt sich aus der Vermessung des Beugungsbildes? In beiden Fällen sind die Beugungswinkel so groß, dass die Näherungen aus Gl. (27) nicht gelten. 9 Diese Spuren sind in CD- und DVD-Rohlingen vorgepresst, um die Schreiblaser zu führen. 111 Abb. 13: Schematische Struktur der Spuren einer CD (links) und einer DVD (rechts) (Quelle: SONY). 3.2 Messungen mit einem Gitter-Spektralapparat Abb. 14 zeigt den schematischen Aufbau des im Versuch verwendeten Gitter-Spektralapparates. Im Vergleich zu dem in Abb. 11 dargestellten Aufbau werden hier zwei Umlenkspiegel U1 und U2 eingesetzt, um den Eintritts- und Austrittsspalt (SP1 und SP2) auf einer gemeinsamen Achse A anordnen zu können. Über einen Antrieb T wird eine Spindel gedreht, die über ein Getriebe das Gitter G um die Drehachse D dreht. An der Spindel befindet sich ein Winkelsensor W, der die Winkelposition der Spindel zwischen 0° und 360° in ein dazu proportionales Spannungssignal UW umsetzt. Der Spektralapparat ist auf einem X-Profil montiert und so ausgerichtet, dass die Lagen der Achse A und der Mittenachse des X-Profils übereinstimmen. Die Fotodiode FD (Betriebsspannung 0 V, ± 9 V) wird mittig vor den Austrittsspalt SP2 montiert und so an das Gehäuse des Spektralapparates geschoben, dass über eine Gummidichtung ein lichtdichter Anschluss gewährleistet ist. Q A L SP1 S1 U1 D T W G U2 S2 SP2 FD Abb. 14: Schematischer Aufbau des im Versuch verwendeten Gitter-Spektralapparates. Bezeichnungen siehe Text. 112 3.2.1 Kalibrierung des Gitter-Spektralapparates Der Antrieb T zur Drehung des Gitters ist mit einer Skala versehen, die grob die selektierte Wellenlänge in nm anzeigt. Für die folgenden Messungen wird diese Skala jedoch nicht verwendet. Die selektierte Wellenlänge wird vielmehr aus der Ausgangsspannung des Winkelsensors bestimmt, die sich linear mit der Winkelposition der über T angetriebenen Spindel und damit auch linear mit der Wellenlänge λ ändert. Dabei ist folgendes zu beachten: Um das Gitter so weit zu drehen, dass z. B. ein Spektralbereich von 350 nm bis 750 nm abgedeckt wird, muss die Spindel um etwa vier Umdrehungen, also etwa 4 × 2π gedreht werden. Das führt dazu, dass der Winkelsensor während der Drehung eine Ausgangsspannung UW liefert, die z. B. dem Verlauf aus Abb. 15 (oben) entspricht. UW Umax Umin ε t 8π 6π 4π 2π t Abb. 15: Oben: Ausgangsspannung UW (rot) des Winkelsensors bei gleichmäßiger Drehung der Spindel während der Zeit t um etwa 4 Umdrehungen. Da die Spindel zu Beginn der Drehung in einer beliebigen Winkelposition stehen kann, kann auch die Spannung UW zu Beginn einen Wert zwischen Umin und Umax haben. Unten: Verlauf des Drehwinkels ε (rot) als Funktion der Zeit t. ε(t) wird aus UW(t) durch unwrapping gewonnen. Ein solches Signal, das bei kontinuierlicher Drehung nach Erreichen der Maximalspannung Umax bei einem Winkel von 2π oder ganzzahligen Vielfachen davon jeweils wieder bei Umin beginnt, nennt man ein wrapped Signal 10. Um aus einem solchen Signal den tatsächlichen Drehwinkel ε zu gewinnen, müssen zunächst die Spannungswerte zwischen Umin und Umax in Winkel zwischen 0 und 2π umgerechnet werden. Anschließend muss an den Sprungstellen des Winkels jeweils 2π addiert werden, um einen verstetigten Verlauf des Drehwinkels als Funktion der Zeit zu erhalten (Abb. 15 unten). Diesen Vorgang nennt man unwrapping. Er wird in diesem Versuch mithilfe eines Matlab-Skriptes durchgeführt (s. u.). Zur Kalibrierung des Spektralapparates wird ein Lasermodul (Betriebsspannung 5 V, λ = 532 nm, λ fehlerfrei) vor den Spalt SP1 montiert und die Ausgangsspannung UD der Fotodiode (Verstärkungsfaktor 1) bei Variation der Winkelstellung des Gitters, d. h. als Funktion von UW gemessen. Der Abstand zwischen dem Spalt und der Lichtaustrittsöffnung des Lasermoduls soll etwa 2 cm betragen. Das Modul wird so ausgerichtet, dass der Spalt mittig beleuchtet wird. Die Spaltbreiten an SP1 und SP2 werden mit den Mikrometerschrauben auf 0,5 mm eingestellt. 10 wrap (englisch): einwickeln. 113 Hinweis: Bei den Mikrometerschrauben handelt es sich um Feinmechanik. Sie sind äußerst vorsichtig zu bedienen! Schraube niemals drehen, wenn eine Schwergängigkeit bemerkt wird! Nullstellung der Mikrometerschrauben nur mit Fingerspitzengefühl einstellen. Die Messung von UW und UD erfolgt mithilfe einer Messwerterfassungskarte (MEK) und dem bereits aus früheren Versuchen bekannten Matlab-Skript DatenEinlesen.m. UW wird an den ersten Kanal der MEK gelegt (AI 0 bzw. ACH 0), UD an den zweiten. Bei einer Abtastfrequenz von 1 kHz werden 30.000 Messwerte aufgenommen, entsprechend einer Messdauer von 30 s. Während der Datenaufnahme wird der Antrieb T, bei der Einstellung 350 nm beginnend, möglichst gleichmäßig bis auf 750 nm vorgedreht. Nach Ende der Datenaufnahme werden die Daten gespeichert. Sie liegen danach als 3-spaltige ASCIIDatei vor. Spalte 1 enthält die Zeit (wird hier nicht benötigt), Spalte 2 die Daten für UW und Spalte 3 die Daten für UD. Mit dem Matlab-Skript GPRTools.m, dort Option Unwrap, werden die Daten für UW in Daten für den Winkel ε umgerechnet, unwrapped und in einer neuen Datei gespeichert. Aus einer Ausgangsdatei name.txt wird die neue Datei name_unwrap.txt. Sie unterscheidet sich von der Ausgangsdatei darin, dass in Spalte 2 die Daten von ε statt von UW stehen. Mit Hilfe von Origin wird UD über ε aufgetragen und mit dem Data Reader der Winkel ε532 bestimmt, bei dem UD ihr Maximum hat. Anschließend wird die gleiche Prozedur mit einem zweiten Lasermodul wiederholt, das Licht der Wellenlänge ≈ 637 nm emittiert (genauer Wert gem. Aufdruck, fehlerfrei). Für dieses Modul wird an der Fotodiode der Verstärkungsfaktor 10 eingestellt. Wichtig ist außerdem, dass die Messung wieder bei einem Skalenwert von 350 nm begonnen wird. Diese zweite Messung liefert den Winkel ε637. Mithilfe der Datenpaare ε532 / 532 nm und ε637 / 637 nm kann schließlich der Winkel ε in die Wellenlänge λ umgerechnet werden. Dabei wird ein lineares Verhalten des Gesamtsystems vorausgesetzt. 3.2.2 Messung des Spektrums des Lichtes einer Weißlicht-LED Eine Weißlicht-LED (Typ siehe Versuchszubehör, Versorgungsspannung 8 V) wird direkt mittig vor den Eintrittsspalt montiert (Abstand SP1 / LED-Modul → 0). An der Fotodiode wird der Verstärkungsfaktor 100 eingestellt. Anschließend wird die gleiche Messung wie mit den Lasermodulen durchgeführt, wieder bei einem Skalenwert von 350 nm beginnend. Die Daten für ε werden mit den unter Kap. 3.2.1 gewonnenen Kalibrierdaten mit Hilfe von Origin in Werte für λ umgerechnet. Schließlich wird UD über λ aufgetragen. Um aus der Kurve UD(λ) das tatsächliche Spektrum des Lichtes der LED zu erhalten, müssten die Daten mit der Gittereffizienz η(λ) (Abb. 20 links im Anhang 4.3) und der spektralen Empfindlichkeit der Fotodiode (S(λ), Abb. 20 rechts) korrigiert werden. Auf diese Schritte soll hier verzichtet werden. UD(λ) liefert für unsere Zwecke eine brauchbare Näherung für das tatsächliche Spektrum. Aus dem gemessenen Spektrum lässt sich gut ablesen, wie eine Weißlicht-LED funktioniert. Sie enthält eine blaues Licht emittierende LED und einen geeigneten Farbstoff, der von dem Licht der LED zur Fluoreszenz angeregt wird. Das Emissionsspektrum des Farbstoffs und das der blauen LED ergeben zusammen das Spektrum weißen Lichtes. 114 4 Anhang In diesem Anhang werden wir statt von „Gitter-Spektralapparaten bzw. Gitter-Monochromatoren“ nur von Gitter-Monochromatoren sprechen, um die sprachliche Darstellung zu vereinfachen. Die dargestellten Zusammenhänge gelten gleichermaßen für beide Apparaturen. 4.1 Beugung an einem Reflexionsgitter Der in Kap. 2.4 erwähnte Nachteil des Intensitätsverlustes in den Interferenzmaxima mit |m| ≥ 1 lässt sich mit Hilfe von geeigneten Reflexionsgittern umgehen. Wir betrachten zunächst gem. Abb. 16 (links) ein Reflexionsgitter, das z. B. aus einem mit Aluminium bedampften Substrat besteht, in das Furchen der Breite D eingebracht sind. Die Stege zwischen den Furchen haben ebenfalls die Breite D. Wird ein solches Gitter in senkrechter Richtung mit einer ebenen Lichtwelle beleuchtet, finden Reflexion und Beugung statt. Die von den Stegen des Gitters ausgehenden Wellen legen auf dem Weg zu einem Beobachtungspunkt P unterschiedlich lange optische Wege zurück, unterscheiden sich also an P in ihrer Phasenlage. D α A n d D B C θm n d Abb. 16: Links: Reflexionsgitter mit Stegen und Furchen der Breite D und dem Furchenabstand d. Rechts: vergrößerter Ausschnitt des Reflexionsgitters mit zwei benachbarten Stegen. Die Richtung des einfallenden und austretenden Lichtes ist rot gezeichnet. Der blaue Pfeil zeigt in Richtung der Gitternormalen n. Die mathematische Beschreibung der Beugung an einem solchen Reflexionsgitter verläuft analog zu der beim Transmissionsgitter. Folglich ist die Gittergleichung im Fall senkrechten Lichteinfalls auch hier durch Gl. (22) gegeben. Fällt die Beleuchtungswelle nicht senkrecht auf das Gitter ein, sondern unter einem Winkel α zur Gitternormalen, so tritt das Interferenzmaximum der Ordnung m unter einem anderen Winkel auf als im Fall α = 0°. Dies führt zu einer Änderung der Gittergleichung, wie im Folgenden gezeigt wird. In Abb. 16 (rechts) sind zwei benachbarte Stege des Gitters aus Abb. 16 (links) vergrößert dargestellt (ebenso gut könnte man die Rechnung mit zwei benachbarten Furchen durchführen). Die von diesen Stegen austretenden Wellen haben unter dem Winkel θm einen Laufwegunterschied von: (32) ∆r= AD − BC= d sin θ m − d sin α Damit es unter dem Winkel θm zu konstruktiver Interferenz der Wellen kommt, muss für den zugehörigen Phasenunterschied der Wellen gelten: (33) ∆ϕ =∆r k =m 2π Durch Einsetzen von Gl. (32) in Gl. (33) erhält man daraus die Gittergleichung in der allgemeinen Form: (34) d ( sin θ m − sin α ) = mλ 115 Für α = 0° folgt daraus die Gittergleichung für senkrechten Einfall der Beleuchtungswelle (Gl. (22)). Für die Lage der 0. Interferenzordnung ergibt sich aus Gl. (34) mit m = 0 ein Winkel von θ0 = α. Das Interferenzmaximum 0. Ordnung liegt also in der Richtung, die sich aus dem Reflexionsgesetz der geometrischen Optik ergibt. Dies ist die Richtung, in der das Gitter das meiste Licht abstrahlt. Wie im Fall des Transmissionsgitters ist also auch beim einfachen Reflexionsgitter die Intensität im Interferenzmaximum 0. Ordnung deutlich größer als die Intensität in den Maxima höherer Ordnungen. Mit einem solchen Gitter ist der oben beschriebene Nachteil beim Einsatz in der Spektroskopie also nicht zu beheben. Das gelingt aber mit einem sogenannten Blaze 11-Reflexionsgitter gem. Abb. 17 links. Der Trick besteht darin, die Richtung der Gitternormalen n von der Ausrichtung der reflektierenden Furchen zu entkoppeln, deren Normale in Richtung nF zeigt. Dies erreicht man durch Neigung der reflektierenden Flächen um den Winkel β gegenüber der Senkrechten zur Gitternormalen. Dazu folgende Überlegungen: β β nF β γ α n d d θm n α β δ nF n Abb. 17: Blaze-Reflexionsgitter mit der Gitterkonstanten d. Links: schematische Darstellung. Mitte und rechts: Ausschnitte aus der Gitteroberfläche. Die Geometrie der ein- und austretenden Welle wurde in der mittleren Abbildung so gewählt wie in Abb. 16 rechts, sodass auch hier Gl. (32) in unveränderter Form gilt. Für die rechte Abbildung wurde eine andere Geometrie gewählt. Analog zu Gl. (32) gilt auch bei einem Blaze-Reflexionsgitter für den Laufwegunterschied der von zwei benachbarten Furchen unter dem Winkel θm ausgehenden Wellen (s. Abb. 17 Mitte): = ∆r d sin θ m − d sin α Die Gittergleichung ist folglich auch in diesem Fall durch Gl. (34) gegeben und für die Lage des Interferenzmaximums 0. Ordnung folgt auch hier θ0 = α. Aber dies ist nun wegen der Neigung der Furchen um den Winkel β nicht mehr der Winkel, der sich nach dem Reflexionsgesetz ergibt und folglich auch nicht der Winkel, unter dem das meiste Licht reflektiert wird. Für die Richtung des reflektierten Lichtes ist vielmehr der Einfallswinkel auf die Furchen des Gitters maßgeblich, d. h. der Winkel, den das einfallende Licht mit der Furchennormalen nF bildet. Dieser Winkel ist in der in Abb. 17 (rechts) dargestellten Geometrie gegeben durch (35) 11 γ= α − β Blaze (engl.), zu deutsch „Glanz“. Der weiter unten definierte „Blaze-Winkel“ ist der „Glanzwinkel“, unter dem ein Blaze-Gitter das meiste Licht reflektiert. 116 Der Winkel δ, den das nach dem Reflexionsgesetz reflektierte Licht mit der Gitternormalen n bildet, ist demnach für diese Geometrie: (36) δ = β − γ = 2β − α Durch geeignete Wahl von β kann man erreichen, dass der Winkel δ beispielsweise gerade dem Winkel θ1 entspricht, unter dem das Interferenzmaximum 1. Ordnung erscheint. Für diesen Fall muss gelten: (37) δ= θ= 2β − α 1 Daraus folgt: (38) β= α + θ1 2 Diesen Winkel nennt man den Blaze-Winkel des Reflexionsgitters. 12 Ein solches Gitter hat demnach den Vorteil, dass das nach dem Reflexionsgesetz reflektierte Licht in die Richtung des Interferenzmaximums 1. Ordnung fällt, wo es (im Gegensatz zur Situation bei der 0. Ordnung) spektral aufgespalten wird 13. Diese Reflexion verläuft jedoch nicht streng nach dem Reflexionsgesetz der geometrischen Optik. Vielmehr kommt es aufgrund der Beugung an den schmalen Furchen des Gitters zu einer Abstrahlung in einen Winkelbereich δ ± ∆δ mit einer keulenförmigen Richtcharakteristik, deren Maximum beim Winkel δ liegt (Abb. 18). γ δ nF ∆δ n Abb. 18: Zur keulenförmigen Richtcharakteristik des Reflexionswinkels bei der Beugung an einem Reflexionsgitter. Da θ1 von λ abhängt, ist auch der Blaze-Winkel abhängig von λ. Man wählt ihn so, dass er für die mittlere Wellenlänge des interessierenden Spektralbereiches, die sogenannte Blaze-Wellenlänge λB, angepasst ist. Für Licht anderer Wellenlänge als λB werden die Interferenzmaxima 1. Ordnung nicht exakt in der Richtung δ, aber noch im Bereich δ ± ∆δ liegen. Die Intensität in diesen Maxima wird also bei gleicher eingestrahlter Lichtintensität etwas geringer sein als bei der Blaze-Wellenlänge. 4.2 Spektrale Auflösung eines Gitter-Monochromators Zur detaillierten Beschreibung der spektralen Aufspaltung von Licht durch einen Gitter-Monochromator betrachten wir die sogenannte Winkeldispersion. Darunter versteht man für einen festen Einfallswinkel α 12 13 Für den Fall, dass die reflektierten Strahlen unterhalb der Gitternormalen n liegen, ist δ = α - 2β und β = (α - θ1 )/2. In der Spektroskopie wird gelegentlich mit der 2. statt mit der 1. Interferenzordnung gearbeitet, um die spektrale Auflösung des Spektrometers zu erhöhen. Die damit zusammenhängenden Aspekte sollen hier aber nicht weiter vertieft werden. 117 die Änderung des Winkels θm als Funktion der Wellenlänge λ des Beleuchtungslichtes, also die Größe dθm/dλ. Je größer dθm/dλ, desto stärker die spektrale Aufspaltung, desto weiter liegen also die Interferenzmaxima für Lichtwellen unterschiedlicher Wellenlänge auseinander. Eine große Winkeldispersion ist Voraussetzung für eine große spektrale Auflösung. Die Winkeldispersion lässt sich aus der Gittergleichung (Gl. (34)) durch Differentiation nach λ bestimmen: (39) d d d ( sin θ m − sin α ) ) = ( mλ ) ( dλ dλ Mit Anwendung der Kettenregel auf die linke Seite der Gleichung folgt: (40) d cos θ m dθ m =m dλ Daraus folgt: (41) dθ m m = dλ d cos θ m Grad dθ m Grad = 10−9 d= m nm λ Die Winkeldispersion wird also mit zunehmender Beugungsordnung m und abnehmender Furchenbreite d größer (vgl. Fußnote 13). 4.3 Praktische Aspekte beim Einsatz von Gitter-Monochromatoren Beim praktischen Einsatz eines Monochromators sind vor allem für das Erreichen eines großen spektralen Auflösungsvermögens eine Reihe von Regeln zu beachten. Es würde den Rahmen dieser Versuchsanleitung sprengen, all diese Aspekte hier zu behandeln. Wir beschränken uns deshalb auf die wichtigsten Punkte und betrachten nur die 1. Beugungsordnung. Weitere Details werden im späteren Verlauf des Studiums behandelt, z. B. im Fortgeschrittenenpraktikum Physik. a) Wie in Abb. 8 dargestellt, werden die Interferenzmaxima bei der Beugung am Gitter umso schmaler, je größer die Zahl N der beleuchteten Spalte oder Furchen ist. Beim Einsatz eines Gitter-Monochromators muss deshalb darauf geachtet werden, dass möglichst alle Furchen des Gitters beleuchtet werden. Dies erreicht man durch richtige Wahl des Öffnungswinkels ϕ (s. Abb. 11), der sich über die Brennweite der Linse L einstellen lässt. ϕ ist so zu wählen, dass der Spiegel S1 und damit auch das Gitter in voller Breite ausgeleuchtet werden. b) Nur wenn das Gitter von einer ebenen Welle, also einem parallelen Lichtbündel beleuchtet wird, lassen sich die Winkel θ1, unter denen die Interferenzmaxima erster Ordnung für verschiedene Wellenlängen erscheinen, scharf voneinander trennen. Damit eine ebene Welle den zylindrischen Hohlspiegel S1 verlässt, darf das einfallende Licht nur aus einer Brennlinie des Spiegels stammen. Um diese Bedingung zu erfüllen, muss der Eintrittsspalt hinreichend schmal und in Richtung der Längsachse des Spiegels ausgerichtet sein. Ist der Spalt zu breit, ist die von S1 austretende Welle nicht mehr eben, das Lichtbündel also nicht mehr parallel. Dadurch kommt es zu einer Verschmierung des Winkels θ1 und damit zu einer Verschlechterung der spektralen Auflösung. Ist der Spalt dagegen zu schmal, findet Beugung am Spalt statt, wodurch der Öffnungswinkel ϕ vergrößert wird. In diesem Fall gelangt nur ein Teil des Lichtes auf S1 und entsprechend weniger Licht tritt durch den Austrittsspalt. Ein solcher Intensitätsverlust muss insbesondere bei der Spektroskopie des Lichtes aus schwachen Lichtquellen vermieden werden. c) Für einen bestimmten Einfallswinkel α gelangt nicht nur eine ebene Welle der Wellenlänge λ unter dem Winkel θ1 auf den Spiegel S2, sondern auch ebene Wellen geringfügig anderer Wellenlängen unter etwas anderen Winkeln (s. Abb. 19). Auch diese Wellen werden von S2 reflektiert und in seine 118 Brennebene fokussiert. Die zugehörigen Fokuslinien liegen jedoch um ein kleines Stück ∆x neben der Fokuslinie für die Wellenlänge λ. Zur Berechnung des Abstandes der Fokuslinien als Funktion der Wellenlänge betrachten wir die lineare Dispersion des Monochromators. Darunter versteht man für einen festen Einfallswinkel α die Änderung der x-Position der Fokuslinie als Funktion der Wellenlänge λ, also die Größe dx/dλ, die man aus folgenden Überlegungen gewinnt: Ein zylindrischer Hohlspiegel mit der Brennweite f liefert bei Beleuchtung mit einer ebenen Welle parallel zur optischen Achse eine Fokuslinie, die in x-Richtung auf der optischen Achse liegt (Abb. 19, rot). Eine kleine Änderung des Einfallswinkels um dθ1 bzw. für andere Interferenzmaxima um dθm ergibt einen seitlichen Versatz der Fokuslinie, der in paraxialer Näherung gegeben ist durch: = dx f tan ( dθ m ) ≈ f dθ m dθm können wir aus der Winkeldispersion (Gl. (41)) bestimmen: dθ m = (42) m dλ d cos θ m Damit erhalten wir für die lineare Dispersion: dx m ; = f dλ d cos θ m (43) m dx −6 mm dλ = 1= 1 m = 10 nm dθ1 dx f Abb. 19: Die Änderung des Einfallswinkels einer ebenen Welle auf einen zylindrischen Hohlspiegel um dθ1 führt zu einer Verschiebung der Brennlinie um dx. Diese Größe hat die Einheit 1, sie wird aber üblicherweise in der Einheit mm/nm angegeben. Der Reziprokwert dieser Größe gibt an, welcher Wellenlängenbereich ∆λ von einem Spalt der Breite ∆x durchgelassen wird. Je kleiner ∆x, desto kleiner ∆λ, desto besser also die Auflösung. Der Austrittsspalt SP2 sollte deshalb für eine hohe spektrale Auflösung so schmal wie möglich sein. Andererseits findet durch die Spiegel S1 und S2 eine optische Abbildung des Spaltes SP1 in die Ebene des Spaltes SP2 im Abbildungsmaßstab 1:1 statt. Es macht deshalb keinen Sinn, die Breite von SP2 kleiner als die von SP1 zu wählen. In der Praxis wird deshalb mit gleichen Spaltbreiten gearbeitet. Ein Zahlenbeispiel: Im Versuch wird mit einem Monochromator mit folgenden Daten gearbeitet: d = 1/1200 mm, f = 205 mm und m = 1. Für kleine Winkel θ1 ist cosθ1 ≈ 1 und damit der Reziprokwert der linearen Dispersion dλ/dx ≈ 4 nm/mm. Bei einer Spaltbreite von ∆x = 0,1 mm ergibt sich dann als Breite des Wellenlängenbereiches, der vom Austrittsspalt durchgelassen wird: ∆λ= dλ ∆x ≈ 0, 4 nm dx 119 Für eine mittlere Wellenlänge von λm = 500 nm folgt daraus für das spektrale Auflösungsvermögen ein Wert von R = λm/∆λ ≈ 1.250. Große Monochromatoren, wie sie z. B. im Fortgeschrittenenpraktikum eingesetzt werden, erreichen bei gleicher Spaltbreite Werte von R ≈ 6.500 und darüber hinaus. d) Bei Einführung des Blaze-Winkels (Gl. (38)) wurde darauf hingewiesen, dass die Lichtintensität in der m-ten Interferenzordnung bei gleicher eingestrahlter Lichtintensität von der Wellenlänge des Lichtes abhängt. Für die Blaze-Wellenlänge ist sie maximal, für Licht anderer Wellenlängen kleiner. Dieser Effekt wird mit der Kurve der Gittereffizienz η(λ) beschrieben, die darüber hinaus von weiteren Parametern beeinflusst wird (u. a. Polarisationsrichtung des Lichtes). Nur wenn η(λ) bekannt ist (z. B. in Form einer Herstellerangabe, s. Abb. 20 links), kann aus dem Verlauf eines gemessenen Spektrums auf die tatsächliche, quantitativ korrekte spektrale Verteilung des Lichtes der Lichtquelle geschlossen werden. e) Auch der Fotodetektor, der die Lichtintensität hinter dem Austrittsspalt misst, hat eine von der Wellenlänge abhängige Empfindlichkeit. Diese spektrale Empfindlichkeit S(λ) muss ebenfalls bekannt sein (Datenblatt des Herstellers, s. Abb. 20 rechts), um aus einem gemessenen Spektrum auf die tatsächliche spektrale Verteilung des Lichtes der Lichtquelle schließen zu können. Abb. 20: Links: Gittereffizienz η(λ) für das im Versuch eingesetzte Gitter (PTI Typ 203) bei Beleuchtung mit 45°-linear polarisiertem Licht. Rechts: Spektrale Empfindlichkeit S(λ) (Photo Sensitivity) der im Versuch eingesetzten Photodiode (HAMAMATSU Typ S5227). 120 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil II Messung von Magnetfeldern Stichworte: Magnetfeld, magnetische Feldstärke, magnetischer Fluss, magnetische Induktion, Induktionsspannung, magnetisches Moment, BIOT-SAVART-Gesetz, HELMHOLTZ-Spulen, Anti-HELMHOLTZ-Spulen (MAXWELL-Spulen) Messprogramm: Homogenität des Magnetfeldes in HELMHOLTZ-Spulen, linear variierendes Magnetfeld in AntiHELMHOLTZ-Spulen, Horizontalkomponente des örtlichen Magnetfeldes, stationäres Magnetfeld eines Hufeisenmagneten mit rotierenden Induktionsspulen. Literatur: /1/ DEMTRÖDER, W.: „Experimentalphysik 2: Elektrizität und Optik“, Springer, Berlin u.a. /2/ TIPLER, P. A.: „Physik“, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg u. a. 1 Einleitung Die Messung von magnetischen Feldstärken ist Gegenstand dieses Versuches. Wir werden uns auf zwei einfache Messmethoden beschränken. Die eine Methode nutzt die Tatsache aus, dass ein magnetisierter Körper, z. B. eine Magnetnadel, der mit beliebiger Orientierung in ein Magnetfeld eingebracht wird, in diesem Feld ein Drehmoment erfährt. Die andere Methode benutzt die Tatsache, dass eine Änderung des magnetischen Flusses in einer in das Magnetfeld eingebrachten Spule eine Spannung induziert. Nach diesem Prinzip wurde beispielsweise bis in die 90er Jahre die auf Computer-Festplatten gespeicherte Information ausgelesen. Heute arbeiten nur noch die Schreibköpfe der Festplatten induktiv, während für das Auslesen der magneto-resistive Effekt genutzt wird, d. h. die Änderung des elektrischen Widerstandes dünner magnetischer Schichten in Abhängigkeit von der Orientierung eines äußeren Magnetfeldes. Für die Entdeckung dieses Effektes 1 erhielt PETER GRÜNBERG vom Forschungszentrum Jülich zusammen mit dem Franzosen ALBERT FERT im Jahre 2007 den Nobelpreis für Physik. Die Magnetfeldmessung mit einer HALL-Sonde wird in diesem Versuch nicht behandelt. Eine Vorbemerkung zur Nomenklatur. Wer in den gängigen physikalischen Lehrbüchern zum Stichwort Magnetfeld nachliest, wird feststellen, dass für die Bezeichnung von Magnetfeldern die Vektorgrößen B und H verwendet werden. In der älteren Literatur heißt H magnetisches Feld und B magnetische Induktion oder magnetische Flussdichte (zum Zusammenhang beider Größen s.u.). In neueren Lehrbüchern, wie z. B. /1/ und /2/, wird B als magnetische Feldstärke oder Magnetfeld bezeichnet und H als magnetische Erregung. Wir werden uns diesem Sprachgebrauch anschließen. 2 Theorie An jedem Punkt der Erde herrscht ein bestimmtes Erdmagnetfeld (Abb. 1), das nach heutiger Erkenntnis auf Konvektionsströme von Eisen im flüssigen Teil des Erdkerns („äußerer Kern“ in einer Tiefe zwischen ca. 2.000 km und 5.000 km) zurückzuführen ist, die von der Schwerkraft angetrieben werden und wie ein „Geodynamo“ wirken 2. Dieses Magnetfeld lässt sich nur im Freien, fernab von störenden Bebauungen usw. messen. Innerhalb von Gebäuden wird dieses Magnetfeld teilweise abgeschirmt, teilweise überlagert 1 2 Der Effekt heißt Riesenmagnetowiderstandseffekt oder GMR-Effekt (vom Englischen: Giant Magnetoresistance). Der Name rührt daher, dass die Widerstandsänderung bis zu 50 % betragen kann, also „riesengroß“ ist. siehe z. B. CHRISTENSEN, U.; TILGNER, A.: Physik Journal 1.10(2002)41-47 und STEINLE-NEUMANN, G.: Physik Journal 7.11(2008)27-32 121 durch Magnetfelder, die in dem Gebäude durch magnetisierte Materialien, elektrische Geräte usw. erzeugt werden. Betrag und Richtung dieser Magnetfelder sind oft lokal so unterschiedlich, dass selbst innerhalb eines Labors recht verschiedene resultierende Felder auftreten können. Wir werden für die folgenden Überlegungen diese örtlichen Magnetfelder immer dann außer Betracht lassen, wenn die Stärke eines zusätzlich erzeugten Magnetfeldes groß gegenüber der Stärke des örtlichen Feldes ist. Abb. 1: Stärke des Erdmagnetfeldes B im Jahre 2000 (Quelle: NASA Planetary Geodynamics Laboratory) 2.1 Erzeugung homogener Magnetfelder Zur Erzeugung von Magnetfeldern stehen zwei einfache Methoden zur Verfügung. Zum einen können wir ein Magnetfeld mithilfe eines vorher magnetisierten Körpers, z. B. eines Hufeisen- oder Stabmagneten an einer bestimmten Stelle erzeugen. („Erzeugen“ bedeutet hier: Wir bringen das immer vorhandene Feld des Magneten an den gewünschten Ort.) Die andere Methode besteht in der Erzeugung von Magnetfeldern durch stromdurchflossene Leiter. 2.1.1 Magnetfeld eines stromdurchflossenen Leiters Zur Berechnung des Magnetfeldes an einem Punkt P in der Umgebung eines dünnen stromdurchflossenen Leiters betrachten wir Abb. 2. Jedes vom Strom I durchflossene Teilstück ds des Leiters erzeugt an P, der sich im Abstand r von ds befindet, ein Magnetfeldelement dB, für das nach dem BIOT-SAVART-Gesetz gilt: (1) dB ( r ) = µ 0 r × ds I 4π r3 Dabei ist µ0 die international festgelegte magnetische Feldkonstante: (2) µ= 4π ⋅10−7 0 Vs Am 122 I ds r dB P Abb. 2: Zum BIOT-SAVART-Gesetz. Die Einheit der magnetischen Feldstärke B ist nach Gl. (1) und (2): (3) B] [= Vs = T m2 mit 1 T = 1 TESLA Früher war auch die Einheit GAUß (G) gebräuchlich: 1 T = 104 G. 3 B und H hängen in isotropen Materialien über die Beziehung (4) = B µ= H µ0 µ r H zusammen, wobei µ die Permeabilität und µr die materialabhängige relative Permeabilität ist. Sie ist für diamagnetische Stoffe wie z. B. Wasser etwas kleiner als 1 (µr < 1) und für paramagnetische Stoffe wie z. B. Luft etwas größer als 1 (µr > 1). Für ferromagnetische Stoffe kann µr sehr große Werte annehmen (µr » 1): z. B. Eisen bis zu 10.000, Mu-Metall 4 zur Abschirmung magnetischer Felder bis zu 100.000. Gemäß Gl. (3) und (4) ist die Einheit der magnetischen Erregung H: (5) [H] = A m 2.1.2 Magnetfeld eines stromdurchflossenen kreisförmigen Leiters Wir wollen nun gem. Abb. 3 den Spezialfall eines stromdurchflossenen kreisförmigen Leiters S vom Radius R betrachten und das Magnetfeld berechnen, das an einem Punkt P auf der z-Achse entsteht, die durch den Kreismittelpunkt geht und senkrecht auf der Kreisfläche steht. Dazu müssen wir alle Magnetfeldelemente dB aufintegrieren, die an P durch die vom gleichen Strom I durchflossenen Leiterelemente ds erzeugt werden. Aus Gl. (1) folgt für B: 3 4 Einige Angaben zur Größenordnung und zu Grenzwerten: Das Erdmagnetfeld hat in unseren geografischen Breiten eine Stärke von ca. 50 µT (vgl. Abb. 1; Horizontalkomponente ca. 20 µT). Um möglichen Gesundheitsgefahren durch magnetische und elektrische Wechselfelder („Elektrosmog“) vorzubeugen, gelten nach der 26. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (26. BImSchV) folgende Grenzwerte bei dauerhafter Exposition durch niederfrequente magnetische (B) und elektrische (E) Felder (Effektivwerte): B = 100 µT und E = 5 kV/m bei 50 Hz (gewöhnliches Stromnetz) sowie B = 300 µT und E = 10 kV/m bei 16⅔ Hz (Bahnstromanlagen). Für hochfrequente Felder, die z. B. im Bereich des Mobilfunks maßgeblich sind (Frequenz im Bereich von ca. (1 - 2) GHz), sind ebenfalls Grenzwerte festgelegt. Näheres dazu auf den Internetseiten des Bundesamtes für Strahlenschutz: http://www.bfs.de/de/elektro/hff. Mu-Metall ist eine Ni-Fe-Legierung mit Spuren anderer Metalle, z.B. 76 % Ni, 17 % Fe, 5 % Cu und 2 % Co. 123 (6) B= µ0 4π I ∫ S r × ds r3 ds r dB R α 0 P z S Abb. 3: Zur Magnetfeldberechnung für eine Kreisspule. Jedes Feldelement dB steht senkrecht auf ds und r und bildet mit der z-Achse gem. Abb. 3 den Winkel α. Wir können jedes Element in eine Komponente in z-Richtung und eine Komponente senkrecht dazu zerlegen. Da es zu jedem Leiterelement ds ein entgegengesetzt gerichtetes Leiterelement - ds gibt, folgt sofort, dass alle zur z-Richtung senkrechten Komponenten sich gegenseitig aufheben. Was bleibt, sind resultierende Magnetfeldelemente parallel zur z-Richtung, deren Beträge gem. Abb. 3 gegeben sind durch: B cos α dB dBz d= (7) = R r Mit r ⊥ ds gilt (8) r × ds = r ds und somit für die z-Komponente von B nach Gl. (6) bis (8): (9) Bz = µ0 R I 4π r 3 ∫ ds S Mit (10) ∫ ds = 2πR S und (11) 2 r= R2 + z 2 erhalten wir schließlich für das resultierende Feld am Punkt P: (12) Bz= B= µ0 2 IR 2 (R 2 +z 2 ) − 3 2 124 2.1.3 Homogenes Magnetfeld zwischen zwei HELMHOLTZ-Spulen Wir wollen nun betrachten, wie das Magnetfeld zwischen zwei gleichen Spulen vom Radius R aussieht, die vom gleichen Strom I in gleicher Richtung durchflossen werden und im Abstand d voneinander aufgestellt sind (Abb. 4). Wir betrachten dazu das Magnetfeld im Mittelpunkt der Anordnung, für den wir z = 0 wählen. Insbesondere interessiert uns die Frage, ob es einen Abstand d gibt, bei dem das Magnetfeld in der Umgebung dieses Punktes homogen ist. Zur Untersuchung auf Homogenität betrachten wir die Änderung des Magnetfeldes B mit dem Ort z. Da diese Änderung durch die Ableitung von B nach z beschrieben wird, schreiben wir für das Feld einer Spule den allgemeinen Ansatz einer TAYLOR-Reihenentwicklung um den Punkt z = 0 hin: (13) B = B(0) + z ∂ B z2 ∂ 2B + + ∂ z 2! ∂ z 2 y R I I 0 z d Abb. 4: Zur Anordnung von HELMHOLTZ-Spulen. Das resultierende Feld beider Spulen ergibt sich dann aus der additiven Überlagerung zweier gemäß Gl. (13) zu berechnender Felder. Betrachten wir zunächst alle ungeraden Ableitungen. Am Beispiel der ersten Ableitung machen wir uns klar, dass sie bei der Addition beider Felder aus Symmetriegründen verschwinden müssen: denn jeder Änderung von B in ± z-Richtung durch eine Spule steht eine gleich große, aber entgegengesetzt gerichtete Änderung durch die andere Spule gegenüber. Für die Forderung nach Homogenität des Magnetfeldes reicht es daher zu verlangen, dass alle geraden Ableitungen verschwinden. Wir definieren das Feld dann als homogen, wenn die 2. Ableitung verschwindet, wenn also gilt: (14) ∂ 2B =0 ∂ z2 Setzen wir Gl. (12) in Gl. (14) ein, so finden wir die Position z = z0 für eine Spule, bei der Gl. (14) erfüllt ist: (15) z0 = R 2 125 Bringen wir demnach zwei Spulen mit je n Windungen an die Positionen z = + R/2 und z = - R/2, also im Abstand d = 2z0 = R voneinander an, so erhalten wir in der Umgebung des Mittelpunktes der Anordnung ein homogenes Magnetfeld, das wir durch Einsetzen von Gl. (15) in Gl. (12) und Multiplikation mit 2n (2 Spulen mit je n Windungen) berechnen können: 3 (16) nI 4 2 Bz = µ 0 R 5 Zwei derart angeordnete Spulen heißen HELMHOLTZ-Spulen. 2.1.4 Magnetfeld zwischen zwei Anti-HELMHOLTZ-Spulen Werden die beiden Spulen einer HELMHOLTZ-Anordnung in gegensinniger Richtung von Strom durchflossen (Anti-HELMHOLTZ-Spulen oder MAXWELL-Spulen), so ergibt sich ein Magnetfeld, das in der Umgebung von z = 0 einen konstanten Feldgradienten hat: die Feldstärke ändert sich linear in z-Richtung; sie ist 0 für z = 0. Magnetfelder mit konstantem Gradienten werden z. B. in magneto-optischen Fallen zur Kühlung und Speicherung von Atomen eingesetzt. 2.2 Drehmoment im Magnetfeld Wir betrachten eine Magnetnadel, die sich unter dem Winkel θ in einem Magnetfeld B befindet (Abb. 5). Auf die Nadel wirkt das Drehmoment T, über das das magnetische Moment M der Nadel definiert ist: (17) T = M×B M θ N S B Abb. 5: Magnetnadel mit magnetischem Moment M im Magnetfeld B (N: Nordpol, S: Südpol). Für den Betrag T des Drehmoments gilt: (18) T = MB sin θ Frage 1: - Welche Einheit hat das magnetische Moment M? (Herleitung aus Gl. (18).) Den Zusammenhang aus Gl. (17) können wir ausnutzen, um ein Messgerät für die magnetische Feldstärke B aufzubauen. Dazu bringen wir eine reibungsarm aufgehängte Magnetnadel in das zu vermessende Magnetfeld. Aus der Gleichgewichtslage der Nadel können wir die Richtung von B ablesen. Zur Messung des Betrages von B lenken wir die Nadel um einen kleinen Winkel θ gegenüber ihrer Gleichgewichtslage aus. Lassen wir die Nadel anschließend los, so führt sie infolge des rücktreibenden Drehmomentes T eine harmonische Schwingung um ihre Gleichgewichtslage aus. Ist J das Trägheitsmoment der Nadel, so gilt 126 bei Vernachlässigung der Reibung für diese Schwingungsbewegung die bekannte Bewegungsgleichung (Differentialgleichung) 5: (19) J d 2θ = −T dt 2 Setzen wir Gl. (18) in Gl. (19) ein, so erhalten wir für kleine Winkel θ: (20) J d 2θ = − MB sin θ ≈ − MBθ dt 2 Diese Differentialgleichung wird bekanntlich durch die Funktion (21) θ= θ 0 ⋅ eiωt gelöst, die eine Schwingung mit der Amplitude θ0 und der Kreisfrequenz (22) MB J ω= ω darstellt 6. Für die Periodendauer τ der Schwingung ergibt sich dann: (23) τ = 2π J MB Sind demnach J und M bekannt (z. B. aus Vorversuchen in bekannten Magnetfeldern), so lässt sich aus der Messung der Periodendauer τ gem. Gl. (23) die magnetische Feldstärke B bestimmen. 2.3 Messung von Magnetfeldern mit Induktionsspulen Neben der in Kap. 2.2 beschriebenen Möglichkeit, aus der Kraftwirkung von Magnetfeldern auf Magneten die magnetische Feldstärke zu bestimmen, gibt es weitaus praktikablere elektrische Messverfahren, von denen wir die Induktionsmethode beschreiben wollen. Wir betrachten gem. Abb. 6 eine Spule mit der Querschnittsfläche A, die sich in einem Feld B befindet. Der magnetische Fluss φ durch die Fläche A ist per Definition: (24) φ = ∫ B dA A Ist das Feld B über die Fläche A homogen, so vereinfacht sich Gl. (24) zu: ( = φ BA cos ∠ ( B, A ) (25) 5 6 ) d2 x = − Fr [ = − D x ] , mit dem die ungedämpfte harmonische Schwingung dt 2 einer Masse m an einer Feder beschrieben wird (Fr: rücktreibende Kraft, D: Federkonstante, x: Schwingungsrichtung). D Analog zu ω = bei einer ungedämpften mechanischen Schwingung, vgl. Fußnote 5. m Analog zum HOOKEschen Gesetz m 127 B A U(t) Abb. 6: Zur Definition des magnetischen Flusses. Bekanntlich führt eine zeitliche Änderung des magnetischen Flusses durch die Spule dazu, dass in der Spule eine Induktionsspannung U erzeugt wird. Hat die Spule n Windungen, so gilt: (26) U (t ) = − n dφ dt Die Änderung des magnetischen Flusses φ kann verschiedene Ursachen haben. Zum einen kann sich die magnetische Feldstärke selbst mit der Zeit ändern, z. B. periodisch mit der Kreisfrequenz ωb und der Amplitude B0: (27) B = B0 cos ωbt In diesem Fall gilt unter der Voraussetzung ∠(B,A) = 0° und damit cos (∠(B,A)) = 1 für den magnetischen Fluss nach Gl. (25): (28) φ = B0 A cos ωbt und damit für die Induktionsspannung nach Gl. (26): = U (t ) n= ωb AB0 sin ωbt U 0 sin ωbt (29) mit (30) U 0 = nωb AB0 Gl. (30) bietet somit die Gelegenheit, mithilfe der Messung von U0 und ωb bei bekanntem n und A die Amplitude B0 der magnetischen Feldstärke zu bestimmen. Eine Änderung des magnetischen Flusses kann aber z. B. auch dadurch verursacht werden, dass eine Induktionsspule in einem stationären (also zeitlich konstanten) Magnetfeld B mit der Kreisfrequenz ωs gedreht wird. In diesem Fall gilt für den magnetischen Fluss gem. Gl. (25): (31) φ = BA cos ω s t und für die Induktionsspannung gem. Gl. (26): = U (t ) n= ω s BA sin ω s t U 0 sin ω s t (32) mit (33) U 0 = nω s BA 128 Mit Hilfe von Gl. (33) lässt sich demnach durch Messung von U0 und ωs bei bekanntem n und A die Stärke B des stationären Magnetfelds bestimmen. 3 Versuchsdurchführung Zubehör: HELMHOLTZ-Spulen (n = 100, R = (75 ± 2) mm) in Halterung, Netzgerät (PHYWE (0 – 30) V / 2 A), Induktionsspule (n = 1500) an PVC-Stab, Halterung für Induktionsspule auf Dreieckschiene, Magnetnadel auf Nadelspitze, Induktionsspulen (n = 2.000, 5.000 und 8.000) mit Antriebsmotor und Netzgerät (PHYWE (0 – 15) V / 5 A), Hufeisenmagnet, Digital-Speicheroszilloskop TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B, Operationsverstärker auf Steckplatine mit Bestückungszubehör und Netzgerät (PHYWE (0 - 15 / 30) V), Leistungstransistor BD 139 mit 100 Ω Basis-Vorwiderstand auf Kühlblech, Funktionsgenerator (TOELLNER 7401), Stoppuhr, Amperemeter, Messschieber. 3.1 Homogenes Magnetfeld in HELMHOLTZ-Spulen In diesem Versuchsteil soll der räumliche Verlauf und die Homogenität des Magnetfeldes zwischen zwei HELMHOLTZ-Spulen vermessen werden, die in gleicher Richtung vom Strom I durchflossen werden. Die Messung des Magnetfeldes erfolgt mit einer Induktionsspule mit n = 1500 Windungen. Die Spule befindet sich an einem PVC-Stab und kann mit Hilfe einer auf einer Dreieckschiene montierten Halterung in zund x-Richtung verschoben werden (Abb. 7). Um in der Induktionsspule eine Spannung zu induzieren, wird bei diesem Versuch gem. Gl. (27) mit einem magnetischen Wechselfeld gearbeitet, das durch Anlegen eines Wechselstroms an die HELMHOLTZ-Spulen erzeugt wird. y x 2R z IS HS R Abb. 7: Anordnung zur Messung des Magnetfeldes von HELMHOLTZ-Spulen (HS) mit einer Induktionsspule (IS). Da der Strom, der durch die Spulen fließt, bis zu 1 A beträgt, können die Spulen nicht direkt an einen Funktionsgenerator angeschlossen werden, der bei solchen Strömen überlastet wäre. Es muss daher zunächst eine einfache Stromverstärkungsschaltung gem. Abb. 8 mit Hilfe eines OPs und eines Leistungstransistors (Typ BD139) aufgebaut werden. Der Transistor ist auf einem Kühlblech montiert und mit dem 100 Ω-Vorwiderstand für die Basis ausgestattet. Der Funktionsgenerator FG liefert eine sinusförmige Wechselspannung UFG mit einer Frequenz von ca. 200 Hz und einer Amplitude von ca. 1 V. Mithilfe des DC-Offsets am Funktionsgenerator wird der Arbeitspunkt des Transistors so eingestellt, dass an den HELMHOLTZ-Spulen eine möglichst unverzerrte sinusförmige Wechselspannung anliegt (überprüfen mit dem Oszilloskop) und der am Netzgerät angezeigte Strom durch die Spulen im Bereich 0,5 A liegt 7. 7 Die Spulen werden von einem Wechselstrom durchflossen. Die Anzeige des Netzgerätes zeigt wegen ihrer Trägheit einen mittleren Wert an, der hier als Orientierungswert gilt. 129 Anschließend wird mit dem Oszilloskop die Amplitude der in der Induktionsspule induzierten Spannung (Größenordnung einige 10 mV) gemessen. Dabei wird die Position der Induktionsspule in 5 mm-Schritten in folgenden Bereichen variiert (s. Abb. 7): a) -R ≤ z ≤ R b) 0 ≤ x ≤ 1,5 R (y = 0, (z = 0, x = 0) y = 0) +12V R R FG ~ + C 100 Ω B BD 139 E HS Abb. 8: Schaltung zur Erzeugung eines magnetischen Wechselfeldes in einer Anordnung von HELMHOLTZ-Spulen (HS) (R ≈ 620 Ω, Betriebsspannung des OPs nicht mitgezeichnet). Die farbigen Punkte markieren die Anschlussbuchsen des Leistungstransistors BD 139. Bei der Messung muss das Vorzeichen (und vor allem ein Vorzeichenwechsel) der induzierten Spannung beachtet werden, das sich aus dem Vergleich ihrer Phasenlage mit der der Spannung an den HELMHOLTZSpulen ergibt. Mit Hilfe von Gl. (30) wird die jeweilige Amplitude B0 der magnetischen Feldstärke berechnet. Dazu müssen der Innen- und Außendurchmesser der Induktionsspule zur Bestimmung ihrer mittleren Querschnittsfläche A gemessen werden (Messung an Musterspule); ωb wird am Oszilloskop abgelesen. Schließlich wird B0 mit Fehlerbalken über der normierten Ortskoordinate x/R bzw. z/R aufgetragen. 8 Hinweis: Das Digital-Speicheroszilloskop erzeugt ein eigenes Magnetfeld, das die Messung mit der Induktionsspule empfindlich stören kann. Deshalb muss zwischen Spule und Oszilloskop ein möglichst großer Abstand von ca. (1 – 2) m eingehalten werden! 3.2 Linear variierendes Magnetfeld in Anti-HELMHOLTZ-Spulen In diesem Versuchsteil soll mit der in Kap. 3.1 beschrieben Methode untersucht werden, in welchem zBereich die Feldstärke in einer Anti-HELMHOLTZ-Spulen-Anordnung linear verläuft. Da die erwarteten Induktionsspannungen insbesondere in der Umgebung von z = 0 klein sind, wird die Frequenz der Wechselspannung UFG des Funktionsgenerators auf 1 kHz und ihre Amplitude auf 2 V erhöht. Außerdem wird am Oszilloskop der Modus ERFASSUNG → MITTELWERT eingestellt, um das Rauschen im Signal durch Mittelwertbildung zu verringern (Mittelung über 16 Zeitintervalle). Im Bereich -50 mm ≤ z ≤ 50 mm (y = 0, x = 0) wird die Position der Induktionsspule in 5 mm-Schritten variiert und jeweils die Induktionsspannung U gemessen. Aus U wird B0 berechnet und über z/R aufgetragen. Das Vorzeichen von B0 wird aus dem Vergleich der Phasenlage zwischen U und UFG bestimmt. 8 B0 ist die Amplitude der Komponente von B, die parallel zu A steht, s. Gl. (25). Mit der Induktionsspule wird ein Mittelwert von B0 über die Querschnittsfläche der Spule gemessen. 130 Frage 2: - In welchem z-Bereich ist der Feldgradient annähernd konstant? 3.3 Messung der Horizontalkomponente des örtlichen Magnetfeldes Mithilfe der unter 2.2 beschriebenen Methode soll die Horizontalkomponente Bh des am Labor-Arbeitsplatz herrschenden Magnetfeldes gemessen werden 9. Dazu wird mithilfe einer Magnetnadel, die in die Mitte zwischen zwei HELMHOLTZ-Spulen gestellt wird, zunächst die Richtung dieser Horizontalkomponente bestimmt (die HELMHOLTZ-Spulen sind dabei stromlos). Die Spulen werden danach so ausgerichtet, dass die z-Achse in Richtung der Magnetnadel verläuft. Anschließend wird ein Gleichstrom I aus einem Netzgerät an die HELMHOLTZ-Spulen angelegt, wodurch ein stationäres Magnetfeld Bs(I) in z-Richtung erzeugt wird, dessen Stärke und Vorzeichen vom Betrag und der Richtung von I abhängt. Das resultierende Horizontal-Feld Br am Ort der Magnetnadel beträgt damit: (34) B= Bh + Bs ( I ) r Es gibt demnach einen Strom I0, bei dem Br verschwindet, wenn nämlich gilt: (35) Bh = − Bs ( I = I0 ) Den Strom I = I0 findet man auf folgende Weise: Der Gleichstrom I durch die HELMHOLTZ-Spulen wird in 0,1 A-Schritten im Bereich 0,1 A ≤ I ≤ 0,6 A variiert. Für jede eingestellte Stromstärke (Messung mit Amperemeter) wird die Magnetnadel um einen kleinen Winkel θ aus der Ruhelage ausgelenkt. Nach dem Loslassen führt die Nadel eine periodische Schwingung aus, deren Periodendauer τ mit der Stoppuhr gemessen wird (Mittelwert über 10 Perioden). Diese Messung wird für jede Stromstärke viermal durchgeführt. Aus den vier Messwerten für τ werden der Mittelwert τ und die Standardabweichung der Einzelmessung σ τ bestimmt. Gem. Gl. (23) ist τ B I . Trägt man demnach τ − 2 (mit Fehlerbalken) über I auf, ergibt sich ein linearer Zusammenhang zwischen beiden Größen. Mithilfe einer linearen Regression lässt sich somit die −2 → 0 , also τ → ∞ und damit Br → 0 geht. Stromstärke I0 ermitteln, bei der τ 2 −1 −1 Aus dem Wert für I0 wird mit Gl. (16) die gesuchte magnetische Feldstärke Bs = -Bh berechnet (R siehe Versuchszubehörliste). Dabei ist zu beachten, dass der gemessene Strom sich zu gleichen Teilen auf beide HELMHOLTZ-Spulen aufteilt (Knotenregel). 3.4 Messung eines stationären Magnetfeldes mit Induktionsspulen Das stationäre Magnetfeld eines Hufeisenmagneten zwischen seinen beiden Polen soll mit Induktionsspulen gemessen werden (Abb. 9). Die Induktionsspulen (n = 2000, 5000, 8000) werden jeweils auf der Achse eines Motors befestigt, die mit einer Frequenz von ca. 50 Hz rotiert. 10 Die Anschlüsse der Induktionsspulen sind mit Hilfe von Schleifkontakten (Kohlebürsten) mit zwei feststehenden Anschlusskontakten elektrisch verbunden. Die Amplitude U0 der an diesen Kontakten abgreifbaren Induktionsspannung sowie die Rotationsfrequenz fs wird mit dem Oszilloskop gemessen (U0 liegt im Bereich einiger V). Aus diesen Messdaten und den geometrischen Daten der Spulen wird anschließend für jede Spule die magnetische Feldstärke B berechnet. Dabei wird für A jeweils die mittlere Querschnittsfläche einer Spulenwindung eingesetzt und vorausgesetzt, dass B über diese Fläche homogen ist. Zur Ermittlung der 9 10 Für diese Messung müssen elektrische Geräte ca. (0,5 – 1) m vom Ort der Messung entfernt sein, damit die von ihnen erzeugten Magnetfelder das Messergebnis nicht nennenswert beeinflussen. Die Drehzahlregelung des Motors erfolgt über seine Betriebsspannung, die einem Gleichspannungsnetzgerät entnommen wird. Die Strombegrenzung am Netzgerät wird auf 5 A eingestellt. 131 Fläche A muss der Außendurchmesser des leeren (dl) und des umwickelten (dw) Spulenkörpers bekannt sein. dl wird an einer Musterspule mit dem Messschieber gemessen. Die Werte für dw werden bei Versuchsdurchführung bekannt gegeben. Die für die unterschiedlichen Induktionsspulen ermittelten Werte für B werden voneinander abweichen. Die Abweichungen lassen sich aus der Geometrie der Spulen erklären. Zum einen liefert die Rechnung mit einer mittleren Querschnittsfläche nur eine Näherungslösung für B, zum anderen sind die Spulen herstellungsbedingt nicht gleichmäßig gewickelt. Bei genauem Hinsehen wird man feststellen, dass sich in der Spulenmitte mehr Windungen befinden als an den Rändern. Die einzelnen Windungen liefern deshalb einen unterschiedlichen Beitrag zum resultierenden Magnetfeld. N A ωs U (t) K Motor B S Abb. 9: Messung eines stationären Magnetfeldes B in einem Hufeisenmagneten mit einer rotierenden Induktionsspule der Querschnittsfläche A. Die Induktionsspannung U(t) wird über Schleifkontakte (Kohlebürsten) K abgenommen. 132 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil II Frequenzverhalten passiver Netzwerke: Tiefpass und Hochpass Stichworte: Widerstand, Kondensator, Spule, Vierpol, RC-Glieder, RC-Tiefpass, RC-Hochpass, Übertragungsfunktion, Amplitudenübertragungsfunktion (Frequenzgang), Phasenkurve (Phasengang), BODE-Diagramm. Messprogramm: Reaktion von Hoch- und Tiefpass auf Spannungssprung, Zeitkonstanten von Hoch- und Tiefpass, Amplitudenübertragungsfunktionen und Phasenkurven von Hoch- und Tiefpass. 1 Einleitung Gegen Ende des Grundpraktikums werden Sie mit einem ungewöhnlichen Versuch konfrontiert. Sie erhalten diesmal keine ausführliche Versuchsanleitung mit umfangreicher Beschreibung der dem Versuch zugrunde liegenden Theorie und einer detaillierten Beschreibung der einzelnen Experimente, die Sie „nach Rezept“ abarbeiten. Vielmehr beschränkt sich der Theorieteil hier im Wesentlichen auf die Angabe einiger wichtiger Gleichungen, deren Herleitung Sie durch Zuhilfenahme geeigneter Literatur selber nachvollziehen müssen. Des Weiteren wird Ihnen die Aufgabenstellung nur kurz umrissen. Details der zur Problemlösung erforderlichen Versuchsaufbauten müssen Sie selber entwickeln. Dieser Versuch ist deshalb für Sie und uns ein guter Test. Wir werden feststellen, ob wir Ihnen die Fähigkeiten vermitteln konnten, über die Sie nach Durchlaufen des Grundpraktikums verfügen sollten. Und Sie können feststellen, wie erfolgreich Sie sich diese Fähigkeiten angeeignet haben. 2 Theorie Abb. 1 und Abb. 2 zeigen zwei RC-Glieder als Beispiele für passive Vierpole. Netzwerke dieser Art heißen „passiv“, weil in ihnen keine aktive Signalverstärkung stattfindet und „Vierpol“, weil sie über vier elektrische Anschlüsse verfügen, von denen zwei den Eingang und zwei den Ausgang des Netzwerks bilden. R C Ue Abb. 1: Tiefpass C Ua Ue R Ua Abb. 2: Hochpass Abb. 1 zeigt einen Tiefpass, Abb. 2 einen Hochpass. Die Namen leiten sich aus den Übertragungseigenschaften der RC-Glieder ab. Legt man ein mit der Zeit t sinusförmig variierendes Spannungssignal Ue(ω, t) mit der Kreisfrequenz ω und der Amplitude Ue0 an den Eingang eines solchen RC-Gliedes, also in komplexer Schreibweise: 133 (1) U e (ω , t ) = U e0eiω t so erhält man ein Ausgangssignal Ua(ω, t), das gegenüber dem Eingangssignal eine veränderte Amplitude Ua0 und eine Phasenverschiebung ϕ aufweist. Mit der komplexen Übertragungsfunktion (2) H (ω ) = U a (ω , t ) U e (ω , t ) wird dieses Verhalten beschrieben. Sie lautet für den Tiefpass (Index T): (3) H T (ω ) = 1 1 + iω RC und für den Hochpass (Index H): (4) H H (ω ) = iω RC 1 + iω RC Frage 1: - Berechnen Sie aus den komplexen Übertragungsfunktionen für den Tiefpass und den Hochpass jeweils die Amplitudenübertragungsfunktion (den Frequenzgang) |H(ω)| und die Phasenkurve (den Phasengang) ϕ(ω): (5) Im H (ω ) Re H (ω ) ϕ (ω ) = arctan Hinweis: Bei den Versuchen aus dem WiSe zum Kondensator und zu erzwungenen mechanischen Schwingungen finden Sie analoge Rechnungen. Frage 2: - Skizzieren Sie mit Hilfe von Matlab die unter Frage 1 berechneten Funktionen; |H(ω)| in doppeltlogarithmischer, ϕ(ω) in halb-logarithmischer Darstellung (ω auf der logarithmischen Achse). Eine solche Darstellung heißt BODE-Diagramm der komplexen Übertragungsfunktion. Wählen Sie für die Skizze für R, C und den Frequenzbereich von ω jeweils die Werte, die Sie auch bei den späteren Experimenten verwenden. Erklären Sie anhand der Diagramme, warum die RC-Glieder Tiefpass und Hochpass heißen. Frage 3: - Die Grenzfrequenzen ωgT für den Tiefpass und ωgH für den Hochpass sind definiert als (6) = H (ω gT ) : H ( 0) = H (ω gH ) : 2 H (∞) 2 Berechnen Sie beide Größen und geben Sie die Herleitung im Protokoll an. Legt man an den Eingang eines RC-Gliedes einen Spannungssprung der Höhe Us (Abb. 3; experimentell mithilfe einer Rechteckspannung zu realisieren), so ergeben sich folgende Ausgangsspannungen: 134 (7) t − RC − U= t U 1 e a( ) s (8) U a ( t ) = U se − t RC Tiefpass Hochpass Frage 4: - Welcher Zusammenhang besteht zwischen den Zeitkonstanten τ = RC in Gl. (7) und (8) und den unter Frage 3 berechneten Grenzfrequenzen? Ein Bandpass lässt sich im Prinzip ebenfalls mithilfe eines RC-Gliedes realisieren (Hintereinanderschaltung von Hoch- und Tiefpass). Ein elektromagnetischer Schwingkreis mit Spule, Kondensator und Widerstand erlaubt jedoch eine schärfere Frequenzfilterung. Einen Serien-Schwingkreis („Serienkreis“) werden Sie im Versuch Elektromagnetischer Schwingkreis noch kennenlernen. U (t) Us t Abb. 3: Spannungssprung 3 Versuchsdurchführung Zubehör: Widerstandsdekade, Kondensatordekade, Digital-Oszilloskop TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B, Funktionsgeneratoren (AGILENT 33120A / 33220A und TOELLNER FG 7401), Multimeter (AGILENT U1251B / U1272A). 3.1 Zeitkonstanten von Hoch- und Tiefpass Bauen Sie nacheinander einen Hoch- und einen Tiefpass auf und messen Sie die Ausgangsspannungen nach Anlegen eines Spannungssprunges. Fügen Sie eine grafische Darstellung beider Signalverläufe in Ihr Protokoll ein und vergleichen Sie sie mit den theoretischen Erwartungen nach Gl. (7) und (8). Bestimmen Sie die Zeitkonstanten beider RC-Glieder und vergleichen Sie die experimentell gefundenen Werte ebenfalls mit den theoretischen Erwartungen. (Hinweis: R ≈ 1 kΩ und C ≈ 100 nF sind gute Orientierungswerte.) 3.2 Frequenzverhalten von Hoch- und Tiefpass Messen Sie die Amplitudenübertragungsfunktion für einen Hoch- und einen Tiefpass sowie die Phasenkurve für mindestens eines dieser RC-Glieder und vergleichen Sie die experimentell gefundenen Kurvenverläufe mit Ihren unter Frage 2 skizzierten Kurven. Ermitteln Sie aus den gemessenen Amplitudenübertragungsfunktionen die Grenzfrequenzen und vergleichen Sie diese mit den theoretischen Erwartungen. 135 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil II Elektromagnetischer Schwingkreis Stichworte: Spule, Induktivität, Knotenregel, Maschenregel, harmonische Schwingung, idealer Schwingkreis, realer Schwingkreis, Serienkreis 1, Resonanzverhalten, Amplitudenresonanzkurve, Phasenkurve. Messprogramm: Eigenfrequenz, Dämpfung, Amplitudenresonanzkurven und Phasenkurve für einen Serienkreis. Literatur: /1/ DEMTRÖDER, W.: „Experimentalphysik 2 – Elektrizität und Optik“, Springer-Verlag, Berlin u.a. /2/ EICHLER, H. J., KRONFELDT, H.-D., SAHM, J.: „Das Neue Physikalische Grundpraktikum“, Springer-Verlag, Berlin u. a. /3/ WALCHER, W.: „Praktikum der Physik“, Teubner Studienbücher, Teubner-Verlag, Stuttgart 1 Einleitung Bei der Behandlung der harmonischen mechanischen Schwingung wurde bereits darauf hingewiesen, dass der mathematische und physikalische Formalismus zur Beschreibung solcher Schwingungen an vielen Stellen der Physik wieder auftaucht. Eine solche Stelle ist das Studium des elektromagnetischen Schwingkreises, mit dem wir uns im vorliegenden Versuch beschäftigen werden. Ein realer Schwingkreis besteht im einfachsten Fall aus der Zusammenschaltung eines Kondensators, einer Spule und eines Widerstandes. Wir werden sehen, dass sich eine solche Schaltung formal genauso verhält wie ein gedämpfter mechanischer Oszillator, wenn wir folgende Ersetzungen vornehmen: Federn Massen Reibungswiderstände → → → Kondensatoren Spulen elektrische Widerstände Hinweis zur Nomenklatur: Aus Gründen der Vereinfachung der Schreibweise werden wir die Bezeichnungen C, L und R sowohl für die elektronischen Bauteile Kondensator, Spule und Widerstand verwenden, als auch für die Größen Kapazität, Induktivität und Widerstandswert. 2 Theorie Bei der Behandlung des harmonischen mechanischen Oszillators haben wir gesehen, dass es den idealen, ungedämpften Oszillator, der nur aus einer Feder und einer Masse besteht, in der Praxis nicht gibt. Zur korrekten Beschreibung des Schwingungsverhaltens eines solchen Masse-Feder-Systems mussten wir grundsätzlich Reibung mit berücksichtigen. Analog verhält es sich beim elektromagnetischen Schwingkreis. Den idealen Schwingkreis, der nur aus Spule und Kondensator besteht, wird man in der Praxis nicht realisieren können. Grundsätzlich führen nicht-verschwindende ohmsche Widerstände von Leitungen und Bauteilen zu einer Dämpfung des Systems. Hinzu kommt, dass man zur Beobachtung des Schwingungsverhaltens stärker in das System eingreifen muss als im Falle des mechanischen Schwingers. War dort z. B. eine berührungslose optische 1 Serienkreis ist die übliche Kurzbezeichnung für einen Serien-Schwingkreis. 136 Messung der Schwingungsamplitude möglich, muss beim elektromagnetischen Schwingkreis z. B. ein Oszilloskop eingesetzt werden, um das entsprechende Signal zu messen. Ein solches Gerät hat aber reale elektrische Eigenschaften wie z. B. Eingangswiderstand und -kapazität, die auf das Verhalten des zu untersuchenden Schwingkreises rückwirken. In der Praxis haben wir es also mit einem komplexen Netzwerk elektronischer Bauteile zu tun, dessen vollständige Analyse sehr aufwändig werden kann. Um dennoch zu verständlichen und handhabbaren Ergebnissen zu kommen, werden wir zunächst das ideale System beschreiben und von da aus schrittweise zum realen System übergehen. 2.1 Idealer LC-Schwingkreis Wir betrachten gem. Abb. 1 eine Anordnung von Kondensator (Kapazität C) und Spule (Induktivität L). Der Kondensator wird zunächst über eine Spannungsquelle mit der Betriebsspannung U0 aufgeladen, indem der Schalter S in die Position 1 gebracht wird. Dann ist die Ladung Q0 am Kondensator: (1) Q0 = CU 0 und die in ihm gespeicherte elektrische Feldenergie Ee beträgt: (2) 1 2 Ee = CU 0 2 1 I 2 S U0 + - C UC L UL Abb. 1: Idealer LC-Schwingkreis. Zum Zeitpunkt t0 wird der Schalter S in die Position 2 gebracht. Dann kann sich der Kondensator über die Spule entladen. Für den Entladestrom I(t) gilt: (3) I (t ) = dQ dt Die momentane Spannung am Kondensator beträgt: (4) U C (t ) = Q(t ) C Einsetzen von Gl. (4) in Gl. (3) ergibt für den Entladestrom (unterschiedliche Richtungen der Zählpfeile für I und UC gem. Abb. 1 beachten): (5) I (t ) = − C d UC dt Durch die Entladung des Kondensators nimmt die in ihm gespeicherte elektrische Feldenergie ab, es gilt analog zu Gl. (2): 137 (6) 1 CU 2 (t ) 2 Ee ( t ) = Die elektrische Feldenergie wird nach und nach in magnetische Feldenergie Em umgewandelt, für die gilt: (7) Em ( t ) = 1 L I 2 (t ) 2 Zum Zeitpunkt t1 hat sich der Kondensator vollständig entladen. In diesem Moment ist Ee = 0 und Em maximal. Es fließt dann der maximale Strom I = I0, der nun beginnt, den Kondensator mit umgekehrter Polarität wieder aufzuladen. Zum Zeitpunkt t2 ist dieser Aufladevorgang abgeschlossen. Der Kondensator trägt nun (bei umgekehrter Polarität) wieder die Ladung Q0. Ee ist wieder maximal, Em ist null und der Vorgang beginnt (mit umgekehrtem Vorzeichen) von Neuem. Frage 1: - Beim idealen, ungedämpften mechanischen Oszillator (harmonischer Oszillator) findet eine periodische Umwandlung von potentieller in kinetische Energie statt und umgekehrt. Welche dieser Größen entspricht Ee und welche entspricht Em? Aus den dargestellten Überlegungen wird bereits anschaulich klar, dass der Kondensator sich periodisch auf- und entlädt, wodurch über ihm eine Wechselspannung mit der Periode T abfällt. Dies soll nun rechnerisch bestätigt werden. Nach der Maschenregel müssen die Spannungen an der Spule, (8) U L (t ) = L dI dt und am Kondensator (Gl. (4)) zu jedem Zeitpunkt gleich sein, sodass folgt: (9) dI Q(t ) −L = 0 dt C Setzen wir Gl. (4) und (5) in Gl. (9) ein, so erhalten wir: (10) d 2U C (t ) 1 + U C (t ) = 0 2 dt LC Die Lösung UC(t) dieser Differentialgleichung ist von der Behandlung des mechanischen Oszillators her bekannt: (11)= U C (t ) U 0 cos(ω 0 t + ϕ ) Gl. (11) beschreibt eine harmonische Schwingung mit der Amplitude U0, der Anfangsphase ϕ und der Eigen-Kreisfrequenz ω0, für die gilt: (12) ω0 = 1 LC 138 Die Amplitude der Schwingung und ihre Anfangsphase erhält man aus den Anfangsbedingungen. In unserem Fall gilt U0 = Q0/C und ϕ = 0. Frage 2: - Wie sehen die Gleichungen (10) und (12) im Falle des mechanischen harmonischen Oszillators aus? Im hier beschriebenen System würde gem. Gl. (11), die kein Dämpfungsglied enthält, die Spannung UC nach einmaliger Anregung unendlich lange mit konstanter Amplitude weiter schwingen. In der Praxis wird man allerdings nur eine mehr oder weniger stark gedämpfte Schwingung beobachten können. Warum das so ist, wird im folgenden Kapitel untersucht. 2.2 Realer RLC-Schwingkreis In der Praxis haben wir es immer mit einem realen, gedämpften Schwingkreis gem. Abb. 2 zu tun, der sich aus einer Anordnung gem. Abb. 1 durch Hinzufügen der Ersatzwiderstände 2 R1 und R2 ergibt (Fremdkapazitäten und -induktivitäten lassen wir vorerst außer Betracht). Der zu C parallel liegende Ersatzwiderstand R1 kann z.B. der Eingangswiderstand RE eines Messgerätes sein, z.B. eines Oszilloskops, mit dem wir den Spannungsabfall an C beobachten: (13) R1 = RE (Beispiel) 1 2 S U0 + - R2 C R1 L Abb. 2: Realer RLC-Schwingkreis. Der Ersatzwiderstand R2 kann sich z.B. aus dem ohmschen Widerstand RL der Spule und einem zur Spule in Serie geschalteten Lastwiderstand R ergeben: (14) R= RL + R 2 (Beispiel) Wir beginnen unsere Betrachtung zum Zeitpunkt t = 0, zu dem der Schalter S in die Position 2 gebracht wird. Zur übersichtlicheren Darstellung zeichnen wir den rechten Teil des Netzwerks aus Abb. 2 in die in Abb. 3 dargestellte Form um. Nach der Maschenregel gilt für Masche 1: (15) U C = U R1 und für Masche 2: (16) U= UL +UR2 R1 Fassen wir Gl. (15) und (16) zusammen, so folgt: 2 Als Ersatzwiderstand bezeichnet man einen Gesamtwiderstand, der sich aus der Serien- und/oder Parallelschaltung von mehreren Einzelwiderständen ergibt. 139 (17) U C − U L − U R2 = 0 Aus der Knotenregel folgt für den Knoten K: I I2 K I1 UC 1 UR1 UR2 2 UL Abb. 3: Realer RLC-Schwingkreis (rechter Teil aus Abb. 2) mit den Maschen 1 und 2. (18) I= I1 + I 2 Mit (19) = I1 U R1 U C = R1 R1 Und I nach Gl. (5) folgt aus Gl. (18) für den Strom I2: (20) d UC UC I2 = −C − dt R1 Mit (21) UL = L d I2 dt erhält Gl. (17) die Form (22) UC − L d I2 − R2 I2 = 0 dt Setzen wir Gl. (20) in Gl. (22) ein, so erhalten wir schließlich nach einigen einfachen Umformungen: (23) R2 d UC d 2U C 1 1 R2 0 + + + 1 + U C = d t 2 R1C L d t LC R1 Mit den Abkürzungen 140 (24) = a: R 1 + 2 R1C L b: (25) = 1 R2 1 + LC R1 erhält die Differentialgleichung (23) die bekannte Form: (26) d2 UC d UC +a + bU C = 0 2 dt dt Vom gedämpften harmonischen mechanischen Oszillator her ist deren Lösung UC(t) bekannt. UC(t) beschreibt eine gedämpfte harmonische Schwingung der Form: (27) U C (t ) U 0 e −α t cos (ω t + ϕ ) = mit der Dämpfungskonstanten (28) α= R2 a 1 1 = + 2 2 R1C L und der Eigen-Kreisfrequenz (29) 2 R 1 1 R2 a ω = b − = ω0 2 1 + 2 − + R1 4 R1C L 2 2 Die Amplitude U0 und die Anfangsphase ϕ ergeben sich wiederum aus den Anfangsbedingungen. Analog zu Kap. 2.1 gilt U0 = Q0/C und ϕ = 0. 2.3 Serien-Schwingkreis Wir untersuchen nun das Verhalten des Schwingkreises nach Abb. 3 für den Fall R1 → ∞. Gem. Gl. (13) bedeutet dies z. B., dass der Eingangswiderstand des benutzten Messgerätes gegen unendlich geht (eine häufig zulässige Näherung). Den Widerstand R2 wollen wir jedoch nicht vernachlässigen, z.B. weil wir bewusst einen Lastwiderstand R zu L in Reihe gelegt haben. Wir haben dann eine Schaltung der in Abb. 4 dargestellten Form vorliegen, die als Serien-Schwingkreis oder kurz Serienkreis bezeichnet wird. In diesem Fall ist die Dämpfungskonstante gem. Gl. (28): (30) α= R2 2L und die Eigen-Kreisfrequenz gem. Gl. (29): (31) = ω ω02 − R2 2 4 L2 141 R2 C R2 L L C Abb. 4: Gleichwertige Darstellungen eines Serien-Schwingkreises. Von großer praktischer Bedeutung ist die Zeitkonstante 3 τ. Sie gibt an, innerhalb welcher Zeit die Schwingungsamplitude von UC(t) von einem Wert U1 auf einen Wert U2 = U1/e abnimmt. Für diese Zeit folgt aus Gl. (27) und (30): 1 2L = α R2 (32) τ= 2.4 Erzwungene elektromagnetische Schwingungen im Serienkreis mit periodischer Anregung In den vorangegangenen Kapiteln haben wir untersucht, wie sich ein elektromagnetischer Schwingkreis bei einmaliger äußerer Anregung verhält. Wir wollen nun untersuchen, wie der Schwingkreis auf eine periodische Anregung reagiert. Wir betrachten einen Serienkreis gem. Abb. 5, der durch eine periodische Wechselspannung der Form: (33) U (t ) = U1 cos ω 1 t mit der Kreisfrequenz ω1 angeregt wird. Nach der Maschenregel gilt: (34) U R 2 (t ) + U L (t ) + UC (t ) = U (t ) oder in anderer Schreibweise: (35) I (t ) R2 + L d I (t ) Q(t ) + = U (t ) dt C Mit I(t) = dQ/dt folgt daraus nach Division durch L: (36) d 2Q(t ) R2 dQ(t ) 1 1 Q(t ) = U1 cos (ω 1 t ) + + 2 L dt LC L dt Die Struktur dieser Gleichung ist exakt die gleiche wie die der uns schon bekannten Differentialgleichung der erzwungenen gedämpften mechanischen Schwingung. Frage 3: 3 Die Zeitkonstante τ hängt mit der Halbwertszeit T1/2 wie folgt zusammen: τ = T1/2 / ln2. 142 - Wie lautet Gl. (36) im „mechanischen Fall“? Welches sind die einander entsprechenden elektrischen und mechanischen Größen? I R2 ~ U (t) L C Abb. 5: Serien-Schwingkreis mit periodischer Anregung. Zur Lösung von Gl. (36) nach Beendigung des Einschwingvorgangs machen wir den aus dem mechanischen Fall bekannten Ansatz: ( (37) = Q(t ) Qo cos ω 1 t + ϕ ) wobei ϕ die Phasenverschiebung zwischen Q(t) und U(t) angibt und Q0 die maximale Ladung an C ist. Durch Einsetzen von Gl. (37) in (36) finden wir analog zum mechanischen Fall: (38) Q0 = U1 L (ω 2 0 −ω 2 1 ) 2 ω1 R2 + L 2 und ω 2 −ω (39) = ϕ arctan 0 ω 1R 2 L 2 1 π − 2 Tragen wir Q0 über ω1 mit R2 als Parameter auf, erhalten wir die Amplitudenresonanzkurven für die Ladung (vgl. Abb. 6; Q0 ~ U0). Die Auftragung von ϕ über ω1 mit R2 als Parameter ergibt die Phasenkurven. Frage 4: - Welche Amplitudenresonanzkurven ergäben sich prinzipiell, wenn statt der Ladung der Strom über der Frequenz aufgetragen würde? (Hinweis: Im mechanischen Fall entspricht dem Strom die Geschwindigkeit.) Sollen Resonanzerscheinungen an dem beschriebenen Schwingkreis experimentell untersucht werden, so wird in der Praxis nicht die messtechnisch schlecht zugängliche Größe Q gemessen, sondern stattdessen die Spannung UC(t) über dem Kondensator, für die gilt: (40) U C (t )= ( ) ( ) Q(t ) Q 0 cos ω 1t + ϕ = U 0 cos ω 1t + ϕ , mit = C C U 0= Q0 C 143 Wir sehen durch Vergleich mit Gl. (37), dass wir bis auf den konstanten Faktor 1/C an Q0 und U0 die gleichen Resonanzerscheinungen beobachten können. Abb. 6 zeigt typische Amplitudenresonanzkurven der Kondensatorspannung und zugehörige Phasenkurven. Abb. 6: Amplitudenresonanzkurven der Kondensatorspannung (oben) und Phasenkurven (unten) für einen Serienschwingkreis. (U1 = 0,1 V, C = 10 nF, L = 470 µH, R2 wie angegeben.) 144 3 Versuchsdurchführung Zubehör: 2 Widerstandsdekaden, Kondensatordekade, Spulendekade, Digital-Oszilloskop TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B, Funktionsgenerator AGILENT 33120A / 33220A. 3.1 Eigenfrequenz und Dämpfung im Serienkreis Zunächst einige generelle Anmerkungen zum verwendeten Versuchsaufbau. Um das Schwingungsverhalten eines Serienkreises bei einmaliger Anregung, d.h. einmaliger Aufladung des Kondensators experimentell zu untersuchen, bietet es sich an, den Spannungsverlauf über dem Kondensator nach Schließen des Schalters S (Abb. 1 und Abb. 2) mit dem Oszilloskop zu messen. Wir werden jedoch einen praktikableren Weg gehen, der schon im Versuch „Messung von Kapazitäten…“ beschritten wurde. Wir werden den Kondensator mithilfe einer Rechteckspannung aus einem Funktionsgenerator periodisch umladen und können dadurch das Verhalten des Schwingkreises periodisch wiederkehrend beobachten. Dabei muss die Periode der Rechteckspannung groß gegen die Zeitkonstante τ sein (Gl. (32)), damit es erst nach dem nahezu vollständigen Abklingen einer Schwingung zur Umladung des Kondensators durch die Rechteckspannung kommt. Abb. 7 (links) zeigt eine mögliche Schaltung zur Messung der Eigenfrequenz und Dämpfung eines Serienkreises mit Kondensator C, Spule L und Widerstand R. Das Ersatzschaltbild des Funktionsgenerators FG besteht aus einer idealen Spannungsquelle G und dem Innenwiderstand Ri. Da Ri zu R in Reihe liegt und von ähnlicher Größenordnung ist (Ri ≈ 50 Ω), trägt er neben R erheblich zur Dämpfung des Serienkreises bei. Den Einfluss von Ri kann man minimieren (nicht vollständig beseitigen!), indem man gem. Abb. 7 (rechts) parallel zum Ausgang des FG einen Widerstand Rp << Ri schaltet. Wir wählen Rp = 1 Ω. Dadurch ist der Gesamtwiderstand der Parallelschaltung Ri || Rp etwa Rp und damit klein gegenüber R. Der kleine Widerstand Rp << Ri hat gleichzeitig eine deutliche Reduktion der Spannung über Rp gegenüber dem am FG eingestellten Wert zur Folge. Dies ist für die folgenden Messungen jedoch unbedeutend. Am FG wird eine Rechteckspannung von ca. 10 V Amplitude und einer Frequenz von ca. 1 kHz eingestellt. Anschließend werden der Widerstand Rp und die Komponenten des Serienkreises angeschlossen. Mit einem Oszilloskop, das mit dem Signal am SYNC-Ausgangs des FG getriggert wird, wird die Spannung UC über dem Kondensator gemessen (Amplitude im Bereich einiger 100 mV). Hinweis: Da die äußeren Kontakte der BNC-Eingangsbuchsen des Oszilloskops immer auf gleichem Potential liegen, muss auf die richtige Polarität beim Anschluss geachtet werden! FG FG R Ri U G R Ri L C Rp G UC L C UC Abb. 7: Links: Serien-Schwingkreis mit Anregung durch eine Rechteckspannung U aus einem Funktionsgenerator FG. Das Schwingungsverhalten wird an der Spannung über dem Kondensator, Uc, beobachtet. Der Widerstand R2 aus Abb. 4 wird hier vereinfacht mit R bezeichnet. Rechts: Gleiche Schaltung wie links mit zusätzlich eingefügtem Widerstand Rp. 145 3.1.1 Dämpfung Zunächst soll die zur Dämpfungskonstanten α umgekehrt proportionale Zeitkonstante τ des Serienkreises (Gl. (32)) als Funktion des Widerstandes R gemessen werden. Dazu wird C = 0,3 nF und L ≈ 470 µH gewählt. Der tatsächliche Wert von L kann dem Aufdruck auf der Spulendekade entnommen werden (Größtfehler ca. 2 %), der Wert für C wird für die Auswertung nicht benötigt. Für mindestens 10 verschiedene Werte von R im Bereich von 5 Ω bis 50 Ω wird jeweils die Zeitkonstante τ der Amplitudenabnahme von UC gemessen. Die Messung von τ erfolgt indirekt. Gemäß Abb. 8 sei UC,1 die Spannung über C zum Zeitpunkt t1: (41) U C ,1 U= = ( t1 ) U 0 e− t1 / τ Zum Zeitpunkt t2 hat die Spannung auf den Wert UC,2 abgenommen: (42) = U C ,2 U= ( t 2 ) U 0 e − t2 / τ Daraus folgt: (43) U C ,1 t2 − t1 ∆ t = ln = U τ τ C ,2 und damit: (44) τ= ∆t U ln C ,1 U C ,2 ∆t UC,1 UC,2 Nulllinie t1 t2 t Abb. 8: Zur Messung der Zeitkonstante τ einer gedämpften harmonischen Schwingung. UC,1 und UC,2 werden mit Hilfe der Spannungscursor gemessen, indem Cursor 1 auf die Nulllinie des Schwingungssignals (die nicht bei 0 V liegt!) und Cursor 2 auf das Niveau von UC,1 bzw. UC,2 gestellt wird. Der gesuchte Spannungswert UC,1 bzw. UC,2 entspricht dann jeweils der Spannungsdifferenz zwischen den Cursorpositionen, die im Cursormenü direkt abgelesen werden kann. Durch Messung der Zeitdifferenz ∆t und der zugehörigen Spannungen UC,1 und UC,2 lässt sich demnach τ bestimmen. Bei der Bestimmung des Fehlers von τ können UC,1 und UC,2 als fehlerfrei angenommen werden. Liegt für alle Werte von R jeweils die gleiche Zahl von Perioden zwischen den Spannungswerten UC,1 und UC,2, so muss ∆t nur einmal gemessen werden. Zwar hängt die Eigenkreisfrequenz ω und damit 146 die Periodendauer auch von R ab (Gl. (31), jedoch ist diese Abhängigkeit so schwach, dass sie hier vernachlässigt werden kann. Die mit Hilfe von Gl. (44) gemessenen Werte für τ werden über R aufgetragen. In das gleiche Diagramm werden auch die theoretisch erwarteten Ergebnisse nach Gl. (32) mit R2 = R eingetragen. Zwischen beiden Kurven werden besonders im Bereich kleiner Widerstände systematische Abweichungen deutlich werden. Frage 5: - Diese Abweichungen lassen sich erklären, wenn der ohmsche Widerstand von L und andere Störwiderstände berücksichtigt werden. Der resultierende Gesamt-Störwiderstand RS, der in der Schaltung nach Abb. 7 in Reihe zu R eingezeichnet werden müsste, ist gesucht. Er kann durch einen nichtlinearen Fit mit Hilfe von Origin gefunden werden. Die Fitfunktion ist Gl. (32) mit R2 = R + Rs, wobei Rs der einzige Fitparameter ist (sinnvoller Startwert: 15 Ω), also: (45) τ = 2L R + RS 3.1.2 Eigenkreisfrequenz: Als nächstes soll die Eigenkreisfrequenz des Serienkreises als Funktion der Kondensatorkapazität C gemessen werden. Dazu wird R = 10 Ω und L ≈ 470 µH gewählt. Der tatsächliche Wert von L kann wiederum dem Aufdruck auf der Spulendekade entnommen werden (Größtfehler wie eben). Der mit einem Multimeter gemessene Wert von R kann als fehlerfrei angenommen werden. Für mindestens 10 verschiedene Werte von C im Bereich 0,5 nF bis 20 nF (ebenfalls als fehlerfrei anzunehmen) wird die Eigenkreisfrequenz ω gemessen und über C aufgetragen. In das gleiche Diagramm werden auch die theoretisch erwarteten Ergebnisse gem. Gl. (31) eingetragen. Dabei gilt R2= R + RS wobei RS der in Kap. 3.1.1 ermittelte Störwiderstand ist. Insbesondere im Bereich kleiner Kapazitäten werden auch hier systematische Abweichungen zwischen beiden Kurven deutlich werden. Frage 6: - Diese Abweichungen lassen sich erklären, wenn die Eingangskapazität des Oszilloskops, die Kabelkapazitäten und die Restkapazität der Kondensatordekade berücksichtigt werden. Die aus diesen einzelnen Störkapazitäten resultierende Gesamt-Störkapazität CS, die in der Schaltung nach Abb. 7 parallel zu C eingezeichnet werden müsste, ist gesucht. Sie kann durch einen nichtlinearen Fit mit Hilfe von Origin gefunden werden. Die Fitfunktion ist Gl. (31) mit CS als einzigem Fitparameter (sinnvoller Startwert: 200 pF), also: ( R + RS ) ω= ω − 2 0 3.2 4 L2 2 ( R + RS ) 1 = − 4 L2 L ( C + CS ) 2 Amplitudenresonanzkurve des Serienkreises Mit einer Schaltung gem. Abb. 7 (rechts) sollen Amplitudenresonanzkurven des Serienkreises bei unterschiedlich großen Dämpfungswiderständen R gemessen werden. Dazu muss jeweils die Amplitude U0 der Kondensatorspannung UC(t) als Funktion der Kreisfrequenz ω 1 einer cosinusförmigen Anregungsspannung U(t) bestimmt werden, die von einem Funktionsgenerator FG geliefert wird. Wie aus dem Versuch „Operationsverstärker“ bekannt ist, bietet der FG AGILENT die Möglichkeit, die Frequenz der Spannung U(t) innerhalb der Zeitspanne ∆t (Sweep-Time) vom Anfangswert fa linear auf 147 den Endwert fe zu erhöhen. Abb. 9 (oben) zeigt schematisch ein solches Signal U(t) während der Zeitspanne ∆t. Regt man den Serienschwingkreis mit einem Frequenz-Sweep an, so kann man die frequenzabhängige „Antwort“ des Schwingkreises in Form der Amplitude U0 einfach messen (Abb. 9 unten). In der Praxis geht man so vor, dass man beide Signale, U(t) und UC(t), gleichzeitig auf einem Oszilloskop darstellt. Die Zeitablenkung des Oszilloskops wird so eingestellt, dass für einen Bilddurchlauf gerade die Zeit ∆t benötigt wird. In der Regel sind einzelne Perioden der Signale auf dem Oszilloskop dann nicht mehr zu erkennen, man sieht nur noch die Einhüllenden der Signale. Das ist für die weiteren Messungen jedoch unbedeutend, da die Einhüllenden gerade den gesuchten Verlauf der Amplituden U0 und U1 als Funktion von f bzw. ω1 repräsentieren. Da die Zeitspanne ∆t linear dem Frequenzintervall (fa – fe) zugeordnet ist, entspricht jeder Wert t auf der Zeitachse des Oszilloskops einem Frequenzwert (46) t ω 1 = 2π f a + ( f e − f a ) ∆t für den die Amplituden U0(ω1) und U1(ω1) abgelesen werden können (vgl. Versuch „Operationsverstärker“). Abb. 9: Oben: schematische Darstellung eines Frequenz-Sweeps (blau) als Eingangssignal U(t) eines Serienschwingkreises. Unten: schematische Darstellung des Ausgangssignals UC(t) (blau) eines Serienschwingkreises bei Anregung mit einem Frequenz-Sweep. Die roten Kurven sind die Einhüllenden der jeweiligen Signale. Um die bereits beim Versuch „Operationsverstärker“ diskutierten Aliasing-Effekte zu vermeiden, wird das Oszilloskop in der Betriebsart ERFASSUNG → Spitzenwert 148 betrieben. Dadurch werden nur die Spitzenwerte der Signale als Funktion der Zeit, d. h. ihre Einhüllenden dargestellt (Abb. 10). Nach dem Einschalten wird der Funktionsgenerator durch Betätigung der Tasten SHIFT + SWEEP in den Sweep-Modus geschaltet; auf dem Display erscheint ein kleines SWP. Als Sweep-Signal soll eine cosinusförmige Wechselspannung mit der Amplitude U1 = 2 V, der Startfrequenz fa = 20 kHz und der Stoppfrequenz fe = 130 kHz benutzt werden; das Zeitintervall ∆t (SWEEP-Time) soll 2,5 s betragen. Diese Parameter sind im Speicher 2 des FG abgelegt und können nach Betätigung der Taste RECALL abgerufen werden. Der Funktionsgenerator gibt danach an der OUTPUT-Buchse das gewünschte SweepSignal aus. An der SYNC-Buchse steht ein TTL-Signal zur Verfügung, das beim Beginn eines jeden Sweep erzeugt wird. Mit diesem Signal wird das Oszilloskop extern getriggert. Für Rp wird wiederum 1 Ω gewählt, wodurch die Amplitude U1 auf etwa 50 mV begrenzt wird. Für L ≈ 470 µH (tatsächlicher Wert gem. Aufdruck, Größtfehler s.o.) und C = 10 nF (messen mit Multimeter, Größtfehler ca. 1 %) werden für die Widerstände a) R = 1 Ω b) R = 10 Ω c) R = 50 Ω jeweils die Amplitudenresonanzkurven aufgenommen. Dazu werden U(t) und UC(t) in einem Oszilloskopbild gem. Abb. 10 dargestellt 4. Abb. 10: Oszilloskopbild eines Sweep-Signals als Eingangssignal U(t) (oben, CH1) eines Serienschwingkreises und des zugehörigen Ausgangssignals UC(t) des Schwingkreises (unten, CH2). Das Oszilloskop arbeitet in der Betriebsart ERFASSUNG → Spitzenwert. Hinweis: Bei Durchführung der Messungen muss Fußnote 4 beachtet werden! Zur Auswertung der Signale werden sie zunächst im CSV-Format auf einer Compact-Flash-Karte oder einem USB-Stick (je nach Gerätetyp) gespeichert 5. Mithilfe eines zur Verfügung gestellten Matlab-Skriptes (GPRTools.m, dort Option Tektronix CSV to ASCII, vgl. Versuch Operationsverstärker) werden aus den CSV-Dateien die Amplituden U1(t) und U0(t) extrahiert und in ASCII-Dateien gespeichert. Die t-Werte dieser Daten werden mit Hilfe von Gl. (46) in die zugehörigen Kreisfrequenzen ω 1 umgerechnet. 4 5 U(t) und Uc(t) in vertikaler Richtung maximal spreizen, vgl. Hinweis beim Versuch „Operationsverstärker“. Einzelheiten dazu sind der Anleitung zum Versuch „Operationsverstärker“ zu entnehmen. 149 Aus Abb. 10 ist ersichtlich, dass die Amplitude U1 der Eingangsspannung U(t) trotz des kleinen Lastwiderstandes von Rp ≈ 1 Ω nicht für alle Frequenzen gleich ist: In Abb. 10 ist ein leichter Anstieg zu höheren Frequenzen sowie eine kleine Delle im Bereich der Resonanzfrequenz zu erkennen. Zur Berechnung der Amplitudenresonanzkurven muss deshalb für jeden Wert von ω 1 der Quotient U0/U1 gebildet werden. Alle nötigen Berechnungen können mit Hilfe von Origin einfach durchgeführt werden. Alle Amplitudenresonanzkurven, also U0/U1 als Funktion von ω1 für die drei Werte von R, werden in einem Diagramm grafisch dargestellt. In das gleiche Diagramm werden zusätzlich die theoretisch erwarteten Kurven U0/U1 mit U0 = Q0/C und Q0 nach Gl. (38) eingezeichnet. 6 Bei der Berechnung dieser Kurven müssen die Störkapazität CS (Kap. 3.1.2) und vor allem der Störwiderstand RS (Kap. 3.1.1) berücksichtigt werden. 3.3 Phasenkurve des Serienkreises Die Messung der Phasenverschiebung ϕ zwischen anregender Spannung U(t) und der Kondensatorspannung UC(t) als Funktion der Frequenz lässt sich nicht mithilfe eines Frequenz-Sweeps durchführen. Vielmehr müssen in diesem Fall cosinusförmige Wechselspannungen unterschiedlicher Frequenz am FG eingestellt und für jede Frequenz die Phasenverschiebung ϕ separat gemessen werden. Die Amplitude von U(t) wird auf ca. 2 V eingestellt, der Widerstand Rp auf 50 Ω (Amplitudenänderungen bei Variation der Frequenz sind bei der Messung von Phasenverschiebungen unbedeutend). Für einen Dämpfungswiderstand von R = 50 Ω wird ϕ für ca. 15 verschiedene Frequenzen f im Frequenzbereich zwischen 20 kHz und 200 kHz gemessen, wobei die Messwerte im Bereich der Resonanzfrequenz möglichst dicht liegen sollen. Die Ergebnisse werden grafisch aufgetragen und mit den theoretischen Erwartungen verglichen (theoretisch erwartete Kurve einzeichnen, dabei Hinweise aus Kap. 3.2 beachten). 6 Hinzufügen eines Funktionsgraphen zu einem Diagramm: Grafikfenster zum aktiven Fenster machen, dann → Grafik → Funktionsgraph hinzufügen... Um die einzutragende Formel der Funktion übersichtlich zu halten, empfiehlt es sich, vorher im Origin-Befehlsfenster die Parameter R, C und L zu definieren. 150 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil II Signalübertragung auf LC-Ketten und Koaxialkabeln Stichworte: LC-Glied, LC-Ketten, Koaxialkabel, Übertragungsleitung, Dispersion, Dämpfung, Wellengleichung, Phasengeschwindigkeit, Gruppengeschwindigkeit, Wellenwiderstand, FOURIER-Theorem Messprogramm: Signalverzerrung und Signalverzögerung durch LC-Glieder, Abschlusswiderstand und Signallaufzeit für Koaxialkabel, Mehrfachreflexionen und Reflexionskoeffizient für Signalreflexionen an Koaxialkabeln. Literatur: /1/ PORTIS, A. M., YOUNG, H. D.: „Physik im Experiment“, Berkeley Physik Kurs Band 6, Vieweg & Sohn, Braunschweig /2/ ALONSO, M., FINN, E. J.: „Physics“, Addison-Wesley Publ. Comp., Reading (Mass.) /3/ FEYNMAN, R. P.: „Lectures on Physics Vol. 2“, Addison-Wesley Publ. Comp., Reading (Mass.) 1 Einleitung In der experimentellen Physik werden oft Messwertaufnehmer eingesetzt, die den Betrag einer zu messenden Größe in ein dazu proportionales elektrisches Signal umwandeln. Dieses Signal muss mithilfe geeigneter Kabel weitergeleitet werden, ehe es z. B. auf einem Oszilloskop dargestellt oder in einen Rechner eingelesen werden kann. Bei dieser Signalübertragung muss im Idealfall gewährleistet sein, dass das Signal längs der Übertragungsstrecke nicht gedämpft und weder durch die Eigenschaften des Kabels verzerrt, noch durch äußere elektromagnetische Störfelder beeinflusst wird. Diesen Ansprüchen wird kein reales Kabel gerecht. Wir werden jedoch sehen, dass Koaxialkabel, die wir uns als unendliche Folge winziger Glieder aus Spulen und Kondensatoren (LC-Glieder) vorstellen können, diesem Ideal schon recht nahe kommen. Bei der Erarbeitung der recht umfangreichen Theorie für diesen Versuch sollte zunächst das Ziel sein, einen Überblick über die dargestellten Zusammenhänge zu bekommen. Zur Hilfestellung sind die wichtigsten Resultate (Gleichungen) jeweils umrahmt. Bei einem zweiten Durchgang sollten dann die wesentlichen Schritte zur Herleitung von Gleichungen nachvollzogen werden, soweit diese Schritte im Skript angegeben sind. 2 Theorie Jede elektrische (Kabel)-Verbindung zwischen zwei Geräten A und B (Abb. 1 links) können wir uns ersetzt denken durch einen zwischen den Geräten liegenden ohmschen Widerstand R, eine zu R in Reihe liegende Spule L, einen zwischen den Leitungen liegenden Kondensator C und einen ebenfalls zwischen den Leitungen liegenden Widerstand, für den üblicherweise der Leitwert G (Kehrwert des Widerstandes) angegeben wird (Abb. 1 Mitte). Hinweis: Wie schon bei früheren Versuchen werden wir aus Gründen der Vereinfachung der Schreibweise die Bezeichnungen C, L, R und G sowohl für die elektronischen Bauteile Kondensator, Spule und Widerstand, als auch für die Größen Kapazität, Induktivität, Widerstandswert und Leitwert verwenden. Aus der Untersuchung des Resonanzverhaltens des elektromagnetischen Schwingkreises ist bekannt, dass L und C zusammen das Frequenzverhalten der Übertragungsstrecke von A nach B bestimmen. Der ohm- 151 sche Widerstand R bewirkt nur eine Dämpfung des von A nach B zu übertragenden Signals. Da eine bloße Dämpfung mit einem geeigneten Verstärker leicht wieder kompensiert werden kann, können wir den Widerstand R für die folgenden Betrachtungen unberücksichtigt lassen. Ebenso lassen wir Verluste unberücksichtigt, die durch einen nicht verschwindenden Leitwert G zwischen den Leitungen entstehen. Wir beschränken uns also auf verlustfreie Kabel mit R → 0 und G → 0, deren Ersatzschaltbild nur noch die Spule L und den Kondensator C enthält (Abb. 1 rechts). A B A R L G C L C A B B Abb. 1: Ersatzschaltbilder für Übertragungsstrecken. Bei der folgenden Darstellung werden wir nicht alle benutzten Gleichungen vollständig herleiten. Wir verweisen hier vielmehr auf die angegebene Literatur. So findet man in /1/ eine umfassende Beschreibung der LC-Ketten mit ausführlicher und sehr anschaulicher Darstellung des mechanischen Analogons, nämlich einer periodischen Anordnung von Massen (→ L) und Federn (→ C). In /2/ kann man die nötigen Grundlagen zur mathematisch-physikalischen Beschreibung von Wellenbewegungen und den zugehörigen Differentialgleichungen (Wellengleichungen) nachlesen. In /3/ findet sich einiges zum Koaxialkabel. Wir beschränken uns an dieser Stelle auf die Skizzierung des jeweiligen Lösungsansatzes und geben die daraus ableitbaren Ergebnisse an, die für die Versuchsdurchführung erforderlich sind. 2.1 Die Differentialgleichung der LC-Kette Wir betrachten zunächst gem. Abb. 2 eine lange periodische Anordnung von diskreten LC-Gliedern, eine sogenannte LC-Kette. Uns interessieren die Verhältnisse am n-ten Glied mit seinem linken (n-1) und rechten Nachbarn (n+1). Die entsprechenden Kondensatoren tragen die Ladungen Qn-1, Qn und Qn+1. Über ihnen liegen die Spannungen Un-1, Un und Un+1. Durch die zugehörigen Spulen fließen die Ströme In-1, In und In+1. In -1 L In In +1 P Ic Qn +1 Qn Qn -1 n -1 Un +1 Un Un -1 C a b n n+1 Abb. 2: Ausschnitt aus einer LC-Kette. Nach der Maschenregel gilt für die Spannungen in Masche a: (1) U n−1 − L dI n −Un = 0 dt und für die Spannungen in Masche b: 152 Un − L (2) dI n+1 − U n+1 = 0 dt Unser Ziel ist, eine Differentialgleichung (DGL) für den Spannungsverlauf in der LC-Kette zu erhalten. Wir müssen daher aus Gl. (1) und (2) den Strom eliminieren. Nach der Knotenregel gilt am n-ten Glied (Punkt P): I n = I n+1 + I C = I n+1 + (3) dQn dU n = I n+1 + C dt dt Wir bilden die zeitliche Ableitung von Gl. (3), ersetzen darin dIn+1/dt durch den sich aus Gl. (2) ergebenden Ausdruck und setzen das Ergebnis in Gl. (1) ein. Dann erhalten wir folgende DGL für den Spannungsverlauf in der LC-Kette: d 2U n 1 = (U n−1 − 2U n + U n+1 ) LC dt 2 (4) 2.2 DGL für den Spannungsverlauf in der LC-Kette Die Differentialgleichung einer homogenen Leitung Wir betrachten nun gem. Abb. 3 anstelle einer periodischen Anordnung diskreter LC-Glieder eine Leitung, bei der die Induktivität und Kapazität homogen über die gesamte Leitung verteilt ist. Wir führen folgende Bezeichnungen ein: C0: Kapazität der Leitung pro Längeneinheit; [C0] = F/m L0: Induktivität der Leitung pro Längeneinheit; [L0] = H/m I(x) I(x+∆ x) P L0∆ x IC C0∆ x U(x) U(x +∆ x) a x x+∆x Abb. 3: Ausschnitt aus einem Koaxialkabel. Wir können in diesem Fall keine Aussage mehr machen über die Verhältnisse an einem bestimmten LCGlied (weil es solche Glieder hier nicht gibt), sondern nur noch über die Verhältnisse an einem bestimmten Ort x der Leitung im Vergleich zu einem Nachbarort x+∆x. Zwischen beiden Orten liegen die Induktivität L0∆x und die Kapazität C0∆x. Mit den Bezeichnungen aus Abb. 3 gilt nach der Maschenregel für Masche a (äquivalent zu Gl. (1)) 1: 1 Da bei der homogenen Leitung U und I vom Ort x und der Zeit t abhängen, muss bei der Differentiation nach der Zeit die partielle Ableitung verwendet wird. 153 (5) U ( x) − L0 ∆x ∂ I ( x) − U ( x + ∆x) = 0 ∂t Wir setzen in Gl. (5) (6) ∆= U U ( x + ∆x) − U ( x) teilen durch ∆x und machen den Grenzübergang für ∆x → 0. Dann folgt: (7) ∂U ∂I = − L0 ∂x ∂t Eine räumliche Spannungsänderung ( ∂U / ∂x ) ist also mit einer zeitlichen Stromänderung ( ∂I / ∂t ) verbunden. Nach der Knotenregel gilt für den Punkt P: (8) I ( x= ) I ( x + ∆x) + I C Der Strom IC führt während der Zeit ∂t zu einer Ladungsänderung ∂Q am Kondensator: (9) ∂ Q = IC ∂ t Diese Ladungsänderung ist mit einer Spannungsänderung ∂U über dem Kondensator verbunden, für die gilt ∂U = ∂Q/(C0∆x), also: (10) ∂U = IC ∂t C0 ∆x Entsprechend der Nomenklatur aus Gl. (6) setzen wir: (11) ∆= I I ( x + ∆x) − I ( x) Damit folgt aus Gl. (8): (12) ∆I =− I C Setzen wir Gl. (12) in Gl. (10) ein und machen wieder den Grenzübergang für ∆x → 0, so erhalten wir: (13) ∂I ∂U = −C0 ∂x ∂t Eine räumliche Stromänderung ( ∂I / ∂x ) ist also mit einer zeitlichen Spannungsänderung ( ∂U / ∂t ) verbunden. Wir wollen die Gleichungen (7) und (13) nun so umformen, dass sie nur noch jeweils eine veränderliche Größe enthalten, also entweder U oder I. Dazu leiten wir Gl. (7) nach dem Ort und Gl. (13) nach der Zeit ab und eliminieren aus beiden I. Damit erhalten wir folgende Differentialgleichung für den Spannungsverlauf in einer homogenen Leitung: 154 (14) ∂ 2U 1 ∂ 2U = ∂ t 2 L0C0 ∂ x 2 DGL für den Spannungsverlauf in der homogenen Leitung Für den Stromverlauf folgt analog: (15) ∂ 2I 1 ∂ 2I = ∂ t 2 L0C0 ∂ x 2 DGL für den Stromverlauf in der homogenen Leitung Die Gleichungen (14) und (15) stellen jeweils eindimensionale Wellengleichungen dar, die so heißen, weil ihre Lösungen Funktionen sind, die Wellen beschreiben. Das charakteristische Merkmal einer Wellengleichung besteht darin, dass sie die zweite zeitliche Ableitung einer Größe mit der zweiten räumlichen Ableitung derselben Größe verknüpft. 2.3 Lösung der Differentialgleichung für die homogene Leitung Die allgemeine Lösung der Wellengleichung (14) hat die Form (c ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Welle): (16) U ( x, t ) = f1 ( x − ct ) + f 2 ( x + ct ) wobei f1 und f2 beliebige Funktionen sind. Die Lösung setzt sich aus einer in +x-Richtung laufenden Spannungswelle (17) U + ( x= , t) f1 ( x − ct ) und einer in - x-Richtung laufenden Spannungswelle (18) U− (= x, t ) f 2 ( x + ct ) zusammen. Analog gilt für die allgemeine Lösung der Differentialgleichung (15): (19) I ( x, t ) = g1 ( x − ct ) + g 2 ( x + ct ) wobei auch hier g1 und g2 beliebige Funktionen sind. Für die in +x-Richtung laufende Stromwelle gilt: (20) I + ( x= , t ) g1 ( x − ct ) und für die in - x-Richtung laufende Stromwelle: (21) I − (= x, t ) g 2 ( x + ct ) Die Ausbreitungsgeschwindigkeiten c dieser Wellen sind betragsmäßig gleich und durch den „Proportionalitätsfaktor“ der Wellengleichung gegeben: (22) c= 1 L0C0 155 Gl. (22) zeigt, dass die Ausbreitungsgeschwindigkeit c für eine Spannungs- oder Stromwelle auf einer homogenen Leitung nur durch die Leitungskonstanten L0 und C0 gegeben ist; insbesondere ist c nicht frequenzabhängig. 2 Eine solche Leitung heißt dispersionsfrei. Dies hat eine große physikalische Bedeutung, die wir uns durch folgende Überlegung klar machen wollen: Nach dem FOURIER-Theorem können wir jedes periodische Signal S, also auch jede Spannungswelle der Form (17) oder (18) in eine unendliche Summe sinusförmiger Wellen s(ω) mit unterschiedlichen Kreisfrequenzenω, Amplituden und Phasenlagen zerlegen. Für die Analyse der Übertragung eines Signals S von A nach B über eine Leitung können wir daher folgendermaßen vorgehen: wir denken uns das Signal S am Anfang der Leitung zunächst in die entsprechenden sinusförmigen Wellen s(ω) (FOURIER-Komponenten oder Spektralkomponenten) zerlegt: (23) Leitungsanfang: S = ∑ s (ω ) Anschließend untersuchen wir, wie diese sinusförmigen Wellen s(ω) von der Leitung übertragen werden. Dabei betrachten wir den idealisierten Spezialfall, dass alle sinusförmigen Wellen unabhängig von ihrer Frequenz ohne Dämpfung und mit gleicher Ausbreitungsgeschwindigkeit c übertragen werden. Dann ergibt die Wiederaufsummation der sinusförmigen Wellen am Ende der Leitung, sl(ω), wieder das gleiche Signal S, das auch am Anfang der Leitung vorlag: (24) Leitungsende: ∑ sl (ω ) = S Die Bedingungen Dämpfung → 0 und c = const. sind für die oben betrachtete, idealisierte homogene Leitung erfüllt, denn wir hatten angenommen R → 0 und gefunden c = const. (Gl. (22)). Eine solche Leitung ist also (im Idealfall) in der Lage, beliebig geformte Signale verlust- und verzerrungsfrei zu übertragen. 2.3.1 Wellenwiderstand der homogenen Leitung Wir wollen nun den Zusammenhang zwischen Strom- und Spannungsverlauf in einer homogenen Leitung untersuchen. Gem. Gl. (7) gilt für die nach rechts laufende Spannungs- und Stromwelle der Zusammenhang: (25) ∂U+ ∂I = − L0 + ∂x ∂t und für die nach links laufende Welle: (26) ∂U− ∂I = − L0 − ∂x ∂t Die vier in diesen Gleichungen auftretenden partiellen Ableitungen von U+, U-, I+ und I- nach dem Ort bzw. der Zeit finden wir durch Anwendung der Kettenregel auf die Gleichungen (17), (18), (20) und (21). Leiten wir beispielsweise Gl. (17) nach der Zeit ab, so erhalten wir: 2 Gemäß Gl. (40) hängt C0 und damit auch c von εr ab, das seinerseits leicht frequenzabhängig ist. Analoges gilt für L0, c und µr. Koaxialkabel sind deshalb nicht vollkommen frei von Dispersion. Die Frequenzabhängigkeit ist jedoch so schwach, dass wir sie für unsere Überlegungen vernachlässigen können. 156 (27) ∂ U + ( x, t ) = f1' ( x − ct ) ⋅ ( − c = ) U +' ( x, t ) ⋅ ( − c )=: U +' ⋅ ( − c ) ∂t wobei der Strich (' ) die äußere Ableitung bedeutet. Analog finden wir die anderen Ableitungen, die wir in die Gleichungen (25) und (26) einsetzen. Wir erhalten dann: (28) U +′ =− L0 ⋅ ( − c ) I +′ (29) U −′ = − L0cI −′ Wir integrieren nun beide Gleichungen und erhalten: (30) U+ = L= 0c I+ L0 C0 (31) U− L = − L0c = − 0 I− C0 Diese Gleichungen stellen analog zum OHMschen Gesetz R = U/I den Zusammenhang zwischen Spannung und Strom in einer homogenen Leitung dar. Die Proportionalitätskonstante (32) Z0 = L0 C0 heißt Wellenwiderstand. Dieser Wellenwiderstand hat zwar auch die Einheit OHM, ist physikalisch jedoch etwas ganz anderes als ein ohmscher Widerstand, da an ihm keine Energieverluste in Form von Wärmeerzeugung auftreten. Seine physikalische Bedeutung werden wir im nächsten Kapitel kennenlernen. 2.3.2 Signalreflexionen am Ende einer homogenen Leitung Wir betrachten gem. Abb. 4 eine homogene Leitung, an der am rechten Ende ein Verbraucher angeschlossen ist, den wir durch seinen ohmschen Widerstand R (Innenwiderstand) symbolisieren wollen. Uns interessiert insbesondere, wann und wie eine nach rechts laufende Spannungswelle an dem Verbraucher reflektiert wird. (Zur Veranschaulichung der Reflexion hilft wieder die Analogie zum mechanischen Fall, s. /1/.) I+ I- L0 ∆ x C0 ∆ x R U+ U- Abb. 4: Ersatzschaltbild für das Ende einer homogenen Leitung mit Abschlusswiderstand R. 157 Wir bezeichnen gem. Gl. (17) die nach rechts laufende Welle mit U+ und die reflektierte, nach links laufende Welle gem. Gl. (18) mit U-. Den Reflexionskoeffizienten definieren wir wie folgt: (33) ρ= U− U+ Wir wollen nun ρ berechnen. Dazu schreiben wir zunächst die Gesamtspannung U und den Gesamtstrom I an einem beliebigen Punkt der Leitung hin. Es gilt: (34) I I+ + I− = (35) U = U+ +U− Diese Beziehungen müssen aus Gründen der Kontinuität auch am Ort des Verbrauchers gelten, sodass aus dem ohmschen Gesetz U = RI mit den Gleichungen (34) und (35) folgt: (36) U + + U − = RI + + RI − Wir benutzen nun die Gleichungen (30), (31) und (32) in der Form (37) U− = −Z0 I− U+ = Z0 I+ um aus Gl. (36) die Ströme zu eliminieren. Dann folgt: (38) U + + U= − R R U+ − U− Z0 Z0 Hieraus folgt schließlich für den Reflexionskoeffizienten: (39) ρ= R − Z0 R + Z0 Je nach Wahl des ohmschen Widerstandes R im Vergleich zum Wellenwiderstand Z0 kann der Reflexionskoeffizient Werte zwischen -1 und +1 annehmen. Von besonderem Interesse sind folgende Fälle: R → 0: R → ∞: R = Z0: ρ → -1; ρ → +1; ρ = 0; die Welle wird mit umgekehrtem Vorzeichen vollständig reflektiert. die Welle wird mit gleichem Vorzeichen vollständig reflektiert. es findet keine Reflexion statt, die Energie der Welle wird vollständig auf den Verbraucher übertragen. Dies ist der Idealfall einer „richtig abgeschlossenen“ Leitung mit dem Abschlusswiderstand RA = Z0. Insbesondere der reflexionsfreie Fall für R = Z0 hat große praktische Bedeutung. Ein Beispiel aus dem Alltag soll dies verdeutlichen. Häusliche Antennenkabel sind Koaxialkabel mit einem Wellenwiderstand von Z0 = 75 Ω. Werden an ein solches Kabel in einer Wohnung mehrere Antennendosen angeschlossen, so muss darauf geachtet werden, dass das Kabel an der letzten Antennendose mit einem Widerstand von R = 75 Ω abgeschlossen wird. Dadurch werden Signalreflexionen am Kabelende verhindert, die andernfalls z. B. die Qualität von Fernsehbildern erheblich beeinträchtigen könnten. 158 2.3.3 Koaxialkabel Für die Signalübertragung im Hochfrequenzbereich (HF-Bereich) werden heutzutage vielfach Koaxialkabel verwendet. Sie stellen eine spezielle Form der homogenen Leitung dar. Koaxialkabel bestehen gem. Abb. 5 aus einem inneren Draht D mit dem Durchmesser di, der von einem dünnen äußeren geflochtenen Metallmantel M mit dem Durchmesser da umgeben ist. Zwischen Draht und Mantel befindet sich ein flexibles Isolationsmaterial I mit der relativen Permittivität εr und der relativen Permeabilität µr. Um den Metallmantel herum liegt ein äußerer Isolationsmantel K aus flexiblem Kunststoff. Neben der geforderten homogenen Verteilung der Induktivität und Kapazität auf dem Kabel hat eine solche Anordnung zwei weitere entscheidende Vorteile: (i) Der äußere Metallmantel wirkt als FARADAYKäfig und sorgt so für eine Abschirmung des inneren signalführenden Drahtes gegen äußere elektrische Störfelder. (ii) Da der Metallmantel des Koaxialkabels gleichzeitig als Rückleiter für das Signal benutzt wird, ist auch für eine magnetische Abschirmung nach außen gesorgt, denn die Induktionswirkungen durch die Signalausbreitung auf dem inneren Draht und dem äußeren Metallmantel heben sich gegenseitig auf. da di I M K Abb. 5: Koaxialkabel. Links: Querschnitt, rechts: Seitenansicht. K: Kunststoffmantel, M: äußerer Metallmantel (Drahtgeflecht) mit Durchmesser da, I: Isolationsmaterial, D: Innenleiter mit Durchmesser di (Draht oder Litze). Wir wollen nun die Signalausbreitungsgeschwindigkeit auf Koaxialkabeln und den Wellenwiderstand solcher Kabel berechnen. Dazu benötigen wir die Induktivität und Kapazität des Kabels pro Längeneinheit. Für die Kapazität pro Längeneinheit gilt (Analogie zum Zylinderkondensator): (40) C0 = 2πε r ε 0 1 d ln a di wobei ε0 die elektrische Feldkonstante (Permittivität des Vakuums) ist. Für die Induktivität pro Längeneinheit findet man: (41) L0 = d 1 µ r µ0 ln a 2π di wobei µ0 die magnetische Feldkonstante (Permeabilität des Vakuums) ist. Für die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Signalen auf dem Koaxialkabel ergibt sich damit gem. Gl. (22): = c (42) 1 = L0C0 1 = µrε r µ0ε 0 c0 µrε r 159 wobei c0 = 1 µ0ε 0 die Vakuum-Lichtgeschwindigkeit ist. Im Koaxialkabel ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit c von Wellen demnach um den Faktor 1/ ε r µ r kleiner als die VakuumLichtgeschwindigkeit c0. Aus Gl. (42) folgt ferner, dass c lediglich durch die Eigenschaften des Isolationsmaterials (εr, µr), nicht jedoch durch die Kabelgeometrie bestimmt wird. Für den Wellenwiderstand erhalten wir gem. Gl. (32): (43) Z0 = 1 2π µ0 µ r d a ln ε 0 ε r di Im Gegensatz zur Ausbreitungsgeschwindigkeit hängt der Wellenwiderstand des Koaxialkabels also sowohl von den Materialeigenschaften (εr, µr), als auch von der Kabelgeometrie (da , di) ab. Die gebräuchlichsten Koaxialkabel haben Wellenwiderstände von 50 Ω oder 75 Ω, weniger gebräuchliche bis zu 300 Ω. Die so genannten „50 Ω -Kabel“ sind im Laborbetrieb weit verbreitet, wogegen die „75 Ω -Kabel“ in der Fernsehtechnik üblich sind, z. B. als Antennenkabel und für die Übertragung von Videosignalen. 2.4 Lösung der Differentialgleichung für die LC-Kette In Analogie zu den Überlegungen bei der homogenen Leitung lässt sich auch die Differentialgleichung (4) für die LC-Kette lösen. Wir wollen auf die Darstellung des Lösungsweges jedoch verzichten und nur einige Größen angeben, die sich aus der Lösung ergeben und die für die Signalausbreitung auf LC-Ketten besonders wichtig sind. 2.4.1 Signallaufzeit und Dispersionsrelation Anstelle der Ausbreitungsgeschwindigkeit von Signalen auf LC-Ketten ist es sinnvoller, die Signallaufzeit τ (Verzögerungszeit) pro Kettenglied für sinusförmige Signale mit der Kreisfrequenz ω anzugeben. Aus der Lösung der DGL ergibt sich: (44) τ= 2 ω arcsin ω LC 2 Gl. (44) stellt die wichtige Dispersionsrelation für die Ausbreitung von sinusförmigen Signalen auf LCKetten dar. Sie besagt, dass die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Signale, hier ausgedrückt über die Signallaufzeit τ pro Kettenglied, frequenzabhängig ist. Hier liegt ein wesentlicher Unterschied zur (idealen) homogenen Leitung vor, bei der die Ausbreitungsgeschwindigkeit frequenzunabhängig war (Gl. (22)). Im Sinne der bei der homogenen Leitung angestellten Überlegungen zur Signalübertragung auf LC-Ketten können wir demnach festhalten, dass Signale, die FOURIER-Komponenten unterschiedlicher Frequenzen enthalten, bei der Übertragung über LC-Ketten verzerrt werden. Schreiben wir nämlich wieder gem. Gl. (23) für das Signal S am Anfang der Leitung (45) Leitungsanfang: S = ∑ s (ω ) so müssen wir nun berücksichtigen, dass sich die Phasenlage der FOURIER-Komponenten sl(ω) am Ende der Leitung infolge der frequenzabhängigen Ausbreitungsgeschwindigkeit verändert hat. Die Addition der einzelnen Komponenten (vgl. Gl. (23)) ergibt am Leitungsende also nicht mehr das gleiche Signal S: (46) Leitungsende: ∑ sl (ω ) ≠ S 160 2.4.2 Abbruchfrequenz Neben der Dispersion führt noch ein weiterer Effekt zur Signalverzerrung. Schreiben wir Gl. (44) in der Form: (47) ω= 2 ωτ sin 2 LC so sehen wir, dass der maximale Wert für ω dann erreicht ist, wenn der Sinus in Gl. (47) seinen Maximalwert 1 annimmt, wenn also gilt: (48) ωτ = sin 2 ω LC = 1 2 Die zugehörige maximale Kreisfrequenz heißt Abbruchfrequenz ωa: (49) ωa = 2 LC Die LC-Kette kann nur sinusförmige Signale bis zu dieser Maximalfrequenz übertragen. Enthält ein zu übertragendes Signal S FOURIER-Komponenten mit ω > ωa, so werden diese Komponenten gar nicht übertragen, was neben der Dispersion zu einer zusätzlichen Signalverzerrung führt. Für kleine Signalfrequenzen (ω << ωa) ergibt sich eine annähernd konstante Signallaufzeit (Verzögerungszeit) pro Kettenglied: = τ (50) LC für ω << ωa In diesem Fall liegt also keine Dispersion mehr vor; Signale mit FOURIER-Komponenten in diesem Frequenzbereich werden von der LC-Kette nahezu verzerrungsfrei übertragen. Für den Grenzfall Fall ω → ωa ergibt sich für die Signallaufzeit (51) τa π für ω ωa = LC 2 2.4.3 Wellenwiderstand der LC-Kette Für den Wellenwiderstand Z0 der LC-Kette findet man durch Anwendung der KIRCHHOFFschen Gesetze nach einiger Rechnung: (52) Z 0 (ω ) = L C 1−ω 2 LC 4 Er ist also im Gegensatz zum Wellenwiderstand der homogenen Leitung frequenzabhängig. Allerdings wirkt sich diese Frequenzabhängigkeit erst bei hohen Frequenzen aus. Für kleine Frequenzen ω << ωa gilt: 161 (53) Z0 = L = const. C für ω << ω a Die LC-Kette verhält sich dann bezüglich des Wellenwiderstandes wie eine homogene Leitung. Für ω = ωa wird der Wellenwiderstand unendlich und für ω > ωa imaginär. 2.4.4 Signalreflexionen auf einer LC-Kette Für den Reflexionskoeffizienten einer an ihrem Ende mit dem ohmschen Widerstand R abgeschlossenen LC-Kette findet man den gleichen Ausdruck wie im Falle der homogenen Leitung, also (39) ρ= R − Z0 R + Z0 Allerdings ist der Abschlusswiderstand RA, bei dem keine Reflexion auftritt, in diesem Fall frequenzabhängig, da Z0 frequenzabhängig ist (Gl. (52)). Für ein Signal, das FOURIER-Komponenten mehrerer Frequenzen enthält, ist ein vollkommen reflexionsfreier Abschluss einer LC-Kette also nicht möglich. Im Falle kleiner Frequenzen ω << ωa wird Z0 (Gl. (53)) und damit auch RA frequenzunabhängig. 162 3 Versuchsdurchführung Zubehör: Funktionsgenerator AGILENT 33120A / 33220A, Digital-Speicheroszilloskop TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B, Multimeter, LC-Ketten (viermal fünf Glieder mit L = 1 mH, C = 1 nF; einmal fünf Glieder mit L = 1 mH, C = 100 nF, Toleranzen gem. Aufdruck), Operationsverstärker mit Netzgerät (Phywe (0 - 15) / (0 - 30) V), Steckwiderstände, Steckkondensatoren, Steckbrücken, Kapazitätsdekade, 2 Widerstandsdekaden, lange Koaxialkabel (10 m, 50 m mit je Z0 = 50 Ω) Hinweise: Es ist sinnvoll, bei allen Versuchsschritten das Oszilloskop mit dem Signal des Funktionsgenerators extern zu triggern. 3.1 LC-Ketten 3.1.1 Signalverzerrung durch LC-Glieder Wir wollen uns zunächst einen Eindruck über die Signalverzerrung durch unterschiedlich dimensionierte LC-Glieder verschaffen. Signalverzerrungen lassen sich am besten über die Verformung von sehr kurzen Impulsen mit steilen Impulsflanken messen. Zur Erzeugung solcher Impulse und der Messung ihrer Verzerrungen durch LC-Glieder bauen wir eine Schaltung gem. Abb. 6 auf. R1 470 Ω FG C1 - 470 Ω L + C R Abb. 6: Versuchsaufbau zur Messung mit LC-Ketten (Betriebsspannung des OP nicht mitgezeichnet). Unten sind schematisch die Spannungsverläufe an den entsprechenden Stellen in der Schaltung gezeigt. Die beiden 470 Ω -Widerstände dienen der Signalanpassung. Der Funktionsgenerator FG liefert eine Rechteckspannung mit einer Frequenz von f ≈ 1 kHz und einer Amplitude von ca. 5 V. Diese Rechteckspannung bildet das Eingangssignal für einen als (invertierenden) Differentiator geschalteten Operationsverstärker (C1 = 4,7 nF, R1 = 1 kΩ). Der zwischen FG und C1 in Reihe liegende Widerstand von 470 Ω dient der Signalanpassung. Durch die Differentiation des Rechtecksignals entstehen am Ausgang des OP kurze Impulse, die etwa die in Abb. 7 gezeigte Form haben. Für die folgenden Versuchsschritte werden jeweils die positiven Ausgangsimpulse genutzt, das Oszilloskop wird also auf die fallende Flanke des Rechtecksignals getriggert. Aufgrund der nicht idealen Eigenschaften des Funktionsgenerators und des Differentiators weichen die realen Ausgangsimpulse von der idealen Form ab, die man mathematisch bei Differentiation eines Rechtecksignals erwarten würde (δImpulse). Es werden daher zunächst zwei wichtige Parameter dieser Impulse ohne angeschlossene LCKette mithilfe des Oszilloskops vermessen, nämlich ihre Anstiegszeit und ihre Abfallzeit. Die Anstiegszeit (rise-time) τr ist die Zeit, die ein Impuls benötigt, um von 10 % auf 90 % seiner maximalen Amplitude 163 anzusteigen. Die Abfallzeit (fall-time) τf ist die Zeit, in der der Impuls von 90 % auf 10 % seiner maximalen Amplitude abfällt (s. Abb. 8). Zusätzlich zur Vermessung von τr und τf wird die Impulsform mithilfe eines Bildschirmfotos gespeichert. Abb. 7: Oben: Rechtecksignal am Eingang eines OP-Differentiators (hier f ≈ 7 kHz; im Versuch wird mit f ≈ 1 kHz gearbeitet). Unten: Ausgangssignal des invertierenden OP- Differentiators. 1,0 U (t) / a.u. 0,8 0,6 τf τr 0,4 0,2 0,0 0,0 0,5 1,0 t / a.u. Abb. 8: Zur Definition der Anstiegszeit τr und der Abfallzeit τf eines Spannungsimpulses U(t). Anschließend werden gem. Abb. 6 nacheinander zwei verschiedene LC-Ketten an den Ausgang des OP angeschlossen, und zwar a. 5 Glieder mit je L = 1 mH, C = 1 nF und b. 5 Glieder mit je L = 1 mH, C = 100 nF. Der zwischen dem OP und der LC-Kette liegende Widerstand von 470 Ω dient ebenfalls der Signalanpassung. Das letzte Kettenglied wird zunächst mit einem Widerstand R = 1 MΩ (Widerstandsdekade) abgeschlossen. Auf dem Oszilloskop werden gleichzeitig die Ausgangsspannung des OP vor dem 470 Ω-Widerstand 164 und die Spannung über R beobachtet. R wird nun so eingestellt, dass das Signal über R im Vergleich zum Ausgangssignal des OP so wenig verzerrt wie möglich aussieht (reflexionsarmer Fall). Für beide LC-Ketten werden anschließend die Anstiegs- und Abfallzeiten des Signals über R vermessen und der Impulsverlauf mithilfe eines Bildschirmfotos gespeichert. Bei Impulsen, die nach dem ersten Abfall über die Grundlinie schwingen, wird die Abfallzeit an der ersten fallenden Impulsflanke gemessen. Frage 1: - Wie lassen sich die Signalverzerrungen am Ende der Ketten im Vergleich zum OP-Signal erklären? - Warum überträgt die LC-Kette a das Signal mit weniger Verzerrungen? 3.1.2 Verzögerungszeit eines LC-Kettengliedes Es wird wieder ein Aufbau gem. Abb. 6 benutzt. Es werden zunächst 5 Glieder vom Typ b und in einer zweiten Messung 20 Glieder vom Typ a an den Ausgang des OP gelegt. Zwischen dem OP und der LCKette liegt zur Signalanpassung wieder ein Widerstand von 470 Ω. R wird erneut auf den reflexionsarmen Fall eingestellt (Ergebnisse aus Kap. 3.1.1 benutzen). Die verbleibenden Signalverzerrungen werden ignoriert. Die Zeitverzögerung zwischen dem Ausgangsimpuls des OP und dem Impuls am Ausgang der Ketten wird gemessen und daraus die Verzögerungszeit τ pro Kettenglied berechnet. Die Ergebnisse werden mit den theoretisch erwarteten Werten für ω << ωa und ω = ωa (Gl. (50) und (51) als Grenzwerte von Gl. (44)) verglichen. 3.2 Koaxialkabel Ein im Labor häufig verwendetes Koaxialkabel ist das „50 Ω-Kabel“ vom Typ RG 58 C/U. Es hat folgende typische Kenndaten gemäß Datenblatt (Toleranzen ca. 2 %, wenn nicht anders angegeben): C0 = 101 pF/m L0 = 253 nH/m Z0 = (50 ± 2) Ω Innenleiter: Außenleiter: Innenisolation: Außenisolation: verzinnte Cu-Litze, 19×0,18 mm ∅; Gesamtdurchmesser 0,9 mm verzinntes Cu-Geflecht, 16×7×0,127 mm Polyäthylen (PE), Durchmesser (außen) 2,92 mm, εr ≈ 2,3 (bei 1 MHz); µr ≈ 1 Polyvinylchlorid (PVC), Durchmesser (außen) 4,95 mm Wir waren bei der theoretischen Beschreibung der homogenen Leitung davon ausgegangen, dass ohmsche Verluste in der Leitung keine Rolle spielen. Dies ist bei den üblichen Koaxialkabeln im Frequenzbereich unterhalb von ca. 1 MHz auch tatsächlich der Fall. Zu höheren Frequenzen hin macht sich allerdings eine Signaldämpfung mit zunehmender Kabellänge bemerkbar. Der Vollständigkeit halber (im Praktikum messen wir mit Frequenzen unterhalb 1 MHz und kurzen Kabeln) seien einige typische Dämpfungsfaktoren D angegeben: Frequenz / MHz D pro 100 m Kabel Tab. 1: 1 10 100 0,85 0,59 0,16 400 1000 0,13⋅10 -1 0,30⋅10 -3 Dämpfungsfaktoren D = Ua/Ue für ein Koaxialkabel vom Typ RG 58 C/U. (Ua Ausgangsspannung, Ue Eingangspannung; nach Datenblatt des Kabeltyps BELDEN MIL-C17F.) 165 3.2.1 Abschlusswiderstand Mit einem Aufbau gem. Abb. 9 soll zunächst untersucht werden, bei welchem Abschlusswiderstand am Anfang und am Ende einer ca. 10 m langen Koaxialleitung die Signalreflexionen minimal werden. Der FG liefert eine Rechteckspannung mit einer Frequenz von ca. 100 kHz und einer Amplitude von ca. 4 V. Gem. Abb. 9 wird am Ende der Leitung zunächst ein Abschlusswiderstand R2 = 10 kΩ eingestellt. Das Signal am Ausgang des Funktionsgenerators wird mit dem Oszilloskop beobachtet und der Abschlusswiderstand R1 am Anfang der Leitung gesucht, ab dem dieses Signal kaum noch verzerrt wird (R1, beginnend bei 100 Ω, erhöhen). Anschließend bleibt dieser Widerstand eingestellt und R2 wird solange erniedrigt, bis wiederum die geringste Signalverzerrung eintritt. 10 m Ri R1 G R2 FG Abb. 9: Zur Messung des Abschlusswiderstandes am Koaxialkabel. Das Ersatzschaltbild des Funktionsgenerators FG besteht aus der idealen Spannungsquelle G und dem Innenwiderstand Ri. Die hier und in den folgenden Abbildungen farbig (blau und rot) gezeichneten Leitungen stellen Verbindungen mit Laborkabeln dar, die schwarz gezeichneten Leitungen sind Koaxialkabel. Frage 2: - Welches sind die optimalen Abschlusswiderstände? Entsprechen die Ergebnisse den Erwartungen? - Wie wirkt der Innenwiderstand Ri des Funktionsgenerators (ca. 50 Ω) in der Schaltung? 3.2.2 Signallaufzeit und Ausbreitungsgeschwindigkeit Es wird eine Schaltung gem. Abb. 10 aufgebaut. Der Funktionsgenerator liefert wieder eine Rechteckspannung (Frequenz ca. 100 kHz, Amplitude ca. 4 V), die mit einem RC-Glied (Hochpass) differenziert wird (C = 0,1 nF; R1 = 50 Ω). Man erhält so kurze Impulse (vgl. Abb. 7), die in eine ca. 50 m lange Koaxialleitung eingekoppelt werden (tatsächliche Länge gem. Aufkleber, Fehler ± 1 cm). Ri G FG C R2 R1 50 m Abb. 10: Zur Laufzeitmessung im Koaxialkabel. Das Ende der Leitung wird mit R2 = 1 Ω abgeschlossen, wodurch eine nahezu vollständige Reflexion mit umgekehrtem Vorzeichen erreicht wird; am Leitungsanfang bildet der Widerstand R1 des RC-Gliedes den Abschlusswiderstand. Das Signal am Anfang der Leitung wird auf dem Oszilloskop dargestellt und in einem Bildschirmfoto gespeichert. Aus der Messung des zeitlichen Abstands eines hinlaufenden und des zugehörigen reflektierten Impulses wird die Signallaufzeit bestimmt. 166 Frage 3: - Welche Ausbreitungsgeschwindigkeit ergibt sich hieraus im Vergleich zu dem aus L0 und C0 mit Gl. (42) berechnetem Wert? 3.2.3 Mehrfachreflexionen Es soll zunächst verstanden werden, wie Signalverzerrungen durch Mehrfachreflexionen zustande kommen und wie sie aussehen. Dazu wird ein Aufbau gem. Abb. 11 verwendet. R1 wirkt zusammen mit Ri (Parallelschaltung) als eingangsseitiger Leitungsabschluss. Das Ende der 50 m langen Koaxialleitung wird mit R2 abgeschlossen. Am Funktionsgenerator wird eine rein positive Rechteckspannung eingestellt (Frequenz 100 kHz, Umax = 4 V, Umin = 0 V). 50 m Ri R1 G R2 FG Abb. 11: Aufbau zur Messung von Mehrfachreflexionen. Für zwei Widerstandskombinationen, nämlich a) R1 = 30 Ω, R2 = 1 Ω b) R1 = 30 Ω, R2 = 1 MΩ wird jeweils das Signal am Anfang der Leitung in einem Bildschirmfoto gespeichert und anschließend vermessen. Dazu werden die Höhen ∆U und Längen ∆t der einzelnen Spannungsstufen in den entstehenden stufenförmigen Spannungsverläufen U(t) in der ersten halben Periode der Rechteckspannung gemessen. Für 3 – 4 Stufen ist eine Messung möglich. Abb. 12 zeigt schematisch zwei typische Impulsverläufe für die Fälle a) und b). U (t) U (t) ∆U1 ∆U1 ∆t t t Abb. 12: Typische Verzerrungen von Rechteckimpulsen infolge von Mehrfachreflexionen in schematischer, idealisierter Darstellung. Links: erste Spannungsstufe ∆U1 < 0, rechts: erste Spannungsstufe ∆U1 > 0. Tatsächlich werden keine scharfen Stufen beobachtet, sondern abgerundete Impulsverläufe. Die gefundenen Impulsverläufe sollen qualitativ mit den Erwartungen verglichen werden. Dazu wird für beide Fälle je eine Skizze der ersten hin- und rücklaufenden Signale Ui(t) und ihrer Überlagerung angefertigt, die den resultierenden Spannungsverlauf 167 (54) U ( t ) = ∑Ui ( t ) i bis zur zweiten Stufe plausibel macht (vgl. Abb. 13). Dazu folgender Hinweis: Auf dem Oszilloskop sieht man die additive Überlagerung aller hin- und rücklaufenden Impulse. Einen reflektierten Impuls kann man von einem hinlaufenden aber nur dann zeitlich getrennt wahrnehmen („auflösen“), wenn die Laufzeit für die in Frage kommende Strecke (hin und zurück) genügend lang ist. Reflexionen am Kabelanfang werden daher mit dem am Anfang der Leitung angeschlossenen Oszilloskop nicht zeitlich getrennt von den übrigen Signalen beobachtbar sein. U (t) ∆t t Abb. 13: Zur Veranschaulichung des Zustandekommens von Mehrfachreflexionen in einer Anordnung gem. Abb. 11. Die Signalbeobachtung erfolgt über dem Widerstand R1. In grün ist der erste vom FG ausgehende Impuls gezeichnet (U1), in blau der an R2 reflektierte Impuls (U2), der mit der Zeitverzögerung ∆t an R1 ankommt und in rot der an der Kombination R1 || Ri reflektierte Impuls (U3). Die Amplituden und Vorzeichen der reflektierten Impulse hängen von den Widerstandswerten ab. 3.2.4 Reflexionskoeffizient Nachdem qualitativ bekannt ist, wie die teilweise recht komplizierten Signalverläufe durch Mehrfachreflexionen zustande kommen, sollen die Reflexionskoeffizienten quantitativ gemessen werden. Dazu wird in der in Kap. 3.2.3 benutzen Anordnung R1 = 10 kΩ gewählt, wodurch am Leitungsanfang praktisch keine Reflexionen stattfinden. Die Einstellungen am FG bleiben gegenüber Kap. 3.2.3 unverändert. Das Signal am Anfang der Leitung wird mit dem Oszilloskop betrachtet und für etwa 10 verschiedene Widerstände R2 im Bereich 1 Ω bis 10 kΩ (5 im Bereich 1 Ω < R2 < Z0, 5 im Bereich Z0 < R2 < 10 kΩ) wird jeweils die Höhe der ersten Spannungsstufe, ∆U1, sowie einmal die Amplitude U0 des Eingangssignals gemessen. Der Reflexionskoeffizient ρ wird berechnet und grafisch über R2 aufgetragen (logarithmische Skala für R2). In das gleiche Diagramm werden auch die theoretischen Erwartungen nach Gl. (39) eingetragen und mit den Messwerten verglichen. 168 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil II Polarisation von Licht Stichworte: Elektromagnetische Welle, Transversalwelle, Wellenvektor, Phasengeschwindigkeit, Brechzahl, Brechungsgesetz, Reflexionsgesetz, lineare, zirkulare und elliptische Polarisation, HERTZsche Dipolstrahlung, FRESNELsche Formeln, natürliche optische Aktivität, FARADAY-Effekt Messprogramm: Reflektivität von linear polarisiertem Licht am Übergang Luft/Glas, Drehvermögen einer Zuckerlösung, VERDET-Konstante von SF6-Glas. Literatur: /1/ HECHT, E.: „Optik“, Oldenbourg, München u. a. /2/ BORN, M.: „Optik“, Springer-Verlag, Berlin u. a. 1 Einleitung In diesem Versuch geht es um verschiedene Aspekte der Polarisation von Licht. Im ersten Versuchsteil soll untersucht werden, wie linear polarisiertes Licht bei der Reflexion von Licht an einer Grenzfläche zwischen Luft und Glas entsteht. In den beiden anschließenden Versuchsteilen geht es um die Frage, wie die Polarisationsrichtung von linear polarisiertem Licht gedreht werden kann. Dabei werden zunächst die natürliche optische Aktivität und daran anschließend der magnetooptische Effekt (FARADAY-Effekt) behandelt. 2 Theorie Wir betrachten eine ebene, monochromatische Lichtwelle mit der Wellenlänge λ und der Kreisfrequenz ω = 2πν (ν ist die Frequenz). Wir legen das Koordinatensystem so, dass die Welle sich in + z-Richtung mit der Phasengeschwindigkeit c = λν ausbreitet und der elektrische Feldvektor E in der x/y-Ebene liegt. Für den Wellenvektor k, der in die Ausbreitungsrichtung der Welle zeigt, gilt dann: (1) k= 2π λ uz wobei uz der Einheitsvektor in z-Richtung ist. Mit der Einführung der Wellenzahl k: (2) = k k= 2π λ lässt sich die ebene Welle dann schreiben als: (3) E( x, y= , z , t ) E0 cos(ω t −= kz ) E0 cos(ω t = − kz ) E0 cos ϕ ( z , t ) wobei (4) E 0 = E 0 ( x, y ) 169 die Amplitude und (5) ϕ ( z ,= t ) ω t − kz die Phase der Welle darstellt, die sich mit der Zeit t und dem zurückgelegten Weg z ändert. Aufgrund der Wahl des Koordinatensystems liegt der Vektor E0 immer in der x/y-Ebene. Wir können die ebene Welle nach Gl. (3) deshalb in zwei Komponenten mit den Amplituden E0x und E0y und relativer Phasenverschiebung δ zerlegen: (6) E( x= , y, z , t ) E0 x cos(ω t − kz ) + E0 y cos(ω t − kz + δ ) oder in Kurzschreibweise: (7) = E Ex + E y mit = E x E0 x cos(ω t − kz ) (8) E y E0 y cos(ω t − kz + δ ) (9) = 2.1 Polarisationszustände Mit Hilfe von Gl. (6) wollen wir das zeitliche Verhalten des Vektors E als Funktion der Vektoren E0 x und E0 y sowie der Phasenverschiebung δ untersuchen. Zur Veranschaulichung ist die Analogie zu LISSAJOUSFiguren hilfreich: für ein festes z (z. B. z = 0) beschreibt Gl. (6) nichts anderes als die Überlagerung von zwei zueinander orthogonalen harmonischen Schwingungen gleicher Kreisfrequenz ω. Aus dem Versuch zum Oszilloskop ist bekannt, dass dies je nach Größe der Amplituden E0 x und E0 y und der Phasenverschiebung δ zu Geraden, Ellipsen oder Kreisen als LISSAJOUS-Figuren führt. Wir betrachten zunächst die Fälle, in denen |E0 x|, |E0 y| und δ zeitlich konstant sind. Dann gilt: 1.) Ist entweder E0 x = 0 oder E0 y = 0 oder δ = nπ, n ∈ , so oszilliert der resultierende Vektor E in nur einer Richtung. In diesem Fall spricht man von linear polarisiertem Licht (Abb. 1 links). Viele Laser sind so gebaut (s.u.), dass sie linear polarisiertes Licht emittieren. 2.) Ist |E0 x| = |E0 y| und δ = ± (n + ½) π und blickt man gegen die Ausbreitungsrichtung der Welle (d. h. die Welle kommt dem Beobachter entgegen), so beschreibt die Spitze des E-Vektors als Funktion der Zeit einen Kreis. In diesem Fall spricht man von zirkular-polarisiertem Licht (Abb. 1 Mitte). Im Falle δ = + (n + ½) π dreht sich der E-Vektor im Uhrzeigersinn, das Licht heißt rechtszirkular-polarisiert. Im Falle δ = - (n + ½) π dreht sich der E-Vektor gegen den Uhrzeigersinn und man spricht von linkszirkular-polarisiertem Licht. Eine Besonderheit von zirkular polarisiertem Licht ist die Tatsache, dass der Vektor E zu jedem Zeitpunkt die gleiche Länge hat und anders als bei linear polarisiertem Licht nie Null wird. 3.) In allen anderen Fällen ergibt sich beim Blick gegen die Ausbreitungsrichtung der Welle, dass die Spitze des E-Vektors als Funktion der Zeit eine Ellipse beschreibt. In diesem Fall spricht man von elliptisch polarisiertem Licht (Abb. 1 rechts). Größe und Vorzeichen der Phasenverschiebung δ bestimmen die Orientierung der Halbachsen der Ellipse im x/y-Koordinatensystem und den Umlaufsinn (rechts/links) des E-Vektors, das Verhältnis der Komponenten E0x zu E0y ihre Elliptizität. 170 Ändern sich |E0 x|, |E0 y| und δ mit der Zeit, so läuft die Spitze des E-Vektors in keiner ausgezeichneten Richtung. In diesem Fall spricht man von unpolarisiertem oder natürlichem Licht. Ist in einer Lichtwelle ein Polarisationszustand bevorzugt, kommen aber gleichzeitig unpolarisierte Anteile vor, so spricht man von partiell polarisiertem Licht. Der Polarisationsgrad P gibt dann das Verhältnis der Lichtintensität des polarisierten Anteils (Ipol) zur Gesamtintensität (Itot) an: = P (10) I pol 0 ≤ P ≤1 I tot y y y L E E z z x E L x z R x R Abb. 1: Polarisationszustände von Licht. V. l. n. r.: linear polarisiertes, zirkular polarisiertes und elliptisch polarisiertes Licht. R: rechtspolarisiert, L: linkspolarisiert. Die meisten konventionellen Lichtquellen emittieren unpolarisiertes Licht. Das Zustandekommen solchen Lichtes kann man sich im mikroskopischen Bild einfach erklären: Die einzelnen für die Lichtemission verantwortlichen Atome oder Moleküle der Lichtquelle können wir als kleine HERTZsche Dipole auffassen, die ihr Licht jeweils mit einer definierten Polarisationsrichtung abstrahlen, nämlich der Richtung der Dipolachse. Wir beobachten am Ausgang der Lichtquelle jedoch nicht nur das von einem Dipol abgestrahlte Licht, sondern die Überlagerung der Lichtwellen aller Dipole, die die Lichtquelle enthält, mit zufallsverteilter Polarisationsrichtung und Phasenlage. Im Ergebnis erhalten wir dadurch einen sich mit der Zeit hinsichtlich Betrag und Richtung rasch und zufällig ändernden E-Vektor. Das ist das Kennzeichen unpolarisierten Lichtes. Laser sind oftmals so gebaut, dass sie linear polarisiertes Licht emittieren. Weiteres dazu in Kap. 2.2. 2.2 Polarisation durch Reflexion Wir betrachten gem. Abb. 2 eine senkrecht zur Zeichenebene stehende Grenzfläche G zwischen zwei Materialien 1 und 2, z. B. Luft und Glas, auf die unter dem Winkel α eine sich in der Zeichenebene ausbreitende Lichtwelle Ee mit dem Wellenvektor ke einfällt. Bekanntlich wird ein Teil dieser Welle an der Grenzfläche unter dem Winkel α reflektiert und bildet die reflektierte Welle Er (Wellenvektor kr). Ein anderer Teil tritt in das Medium 2 ein und bildet die unter dem Winkel β gebrochene Welle Eb (Wellenvektor kb). Aus der geometrischen Optik ist bekannt, dass die Wellenvektoren aller drei Wellen in einer Ebene, der so genannten Einfallsebene liegen und dass gilt (Index e für die einfallende, Index r für die reflektierte Welle): (11) α = α= e αr Reflexionsgesetz (12) n1 sin α = n2 sin β Brechungsgesetz wobei n1 und n2 die Brechzahlen der beiden Materialien 1 und 2 sind. 171 kr ke α α n1 1 β kb n2 kr α 1 2 G 2 Ee ke θ β p kb Abb. 2: Zur Brechung und Reflexion. Die Wellenvektoren der einfallenden, reflektierten und gebrochenen Welle liegen in einer Ebene, der Einfallsebene (hier Zeichenebene). Abb. 3: Zum BREWSTER-Winkel. Die einfallende Lichtwelle Ee ist in der Zeichenebene linear polarisiert (blaue Pfeile). Im klassischen, mikroskopischen Bild können wir uns die Brechung und Reflexion folgendermaßen veranschaulichen: Das mit der Kreisfrequenz ω oszillierende E-Feld der einfallenden Welle regt die Elektronen im Medium 2 zu Schwingungen an, erzeugt dort also Dipole mit oszillierendem Dipolmoment p ∼ E gleicher Frequenz, das aber gegenüber E eine Phasenverzögerung aufweist (Analogie zur erzwungenen mechanischen oder elektromagnetischen Schwingung). Diese Dipole strahlen ihrerseits elektromagnetische Wellen mit gleicher Kreisfrequenz ω ab, die sich im Wesentlichen senkrecht zur Dipolachse ausbreiten. Speziell in Richtung der Dipolachse findet keine Energieabgabe statt (Analogie zur Richtcharakteristik einer Antenne). Ein Teil der im Medium 2 erzeugten Dipolstrahlung verlässt das Medium 2 wieder und läuft als reflektierte Welle ins Medium 1 zurück. Der Rest bildet die gebrochene Welle, deren Ausbreitungsgeschwindigkeit infolge der Phasenverzögerung des Dipolmomentes p gegenüber dem anregenden E-Feld um den Faktor n2/n1 reduziert ist. Wir betrachten nun den Spezialfall, bei dem die einfallende Welle in der Einfallsebene (Zeichenebene) linear polarisiert ist (Abb. 3). Man spricht in diesem Fall von p-polarisiertem Licht, da Ee parallel zur Einfallsebene liegt. Für das p-polarisierte Licht gibt es einen Einfallswinkel, den BREWSTER-Winkel α B, bei dem die reflektierte Welle verschwindet. Dies ist gerade dann der Fall, wenn der Winkel θ zwischen reflektierter und gebrochener Welle 90° beträgt. Dann gilt: (13) β= 90° − α B Einsetzen von Gl. (13) in Gl. (12) unter Berücksichtigung von sin ( 90° − α B ) =cos α B ergibt die Bedingung für den BREWSTER-Winkel: (14) tan(α B ) = n2 n1 Frage 1: - Wie lässt sich das Verschwinden der reflektierten Welle im Falle θ = 90° mit dem dargestellten mikroskopischen Modell erklären? (Hinweis: Richtcharakteristik der Dipolstrahlung beachten!) 172 Gemäß Gl. (6) können wir jede einfallende Welle immer in zwei linear polarisierte Teilwellen zerlegen, deren E-Vektoren senkrecht zueinander stehen. Wir legen das Koordinatensystem nun so, dass die eine Teilwelle, Ex, parallel zur Einfallsebene polarisiert ist (Ex = Ep, p-polarisierte Teilwelle) und die andere, Ey, senkrecht zur Einfallsebene, also tangential zur Grenzschicht (Ey = Es). Im letzteren Fall spricht man von s-polarisiertem Licht, da Es senkrecht zur Einfallsebene liegt. Für beide Teilwellen lässt sich aus den Maxwellschen Gleichungen die Reflektivität R, d. h. das Verhältnis von reflektierter zu einfallender Lichtintensität I als Funktion des Einfallswinkels α berechnen. Für die p-polarisierte Teilwelle Ep findet man: (15) tan 2 (α − β ) Rp = tan 2 (α + β ) und für die s-polarisierte Teilwelle Es: (16) sin 2 (α − β ) Rs = 2 sin (α + β ) Gl. (15) und (16) stellen die FRESNELschen Formeln für die Reflexion dar. Der Verlauf von Rp und Rs als Funktion von α ist in Abb. 4 dargestellt. Man sieht auch aus diesen Kurven, dass es einen Einfallswinkel gibt, nämlich den BREWSTER-Winkel α B, bei dem die parallel zur Einfallsebene polarisierte Komponente im reflektierten Licht verschwindet. Das reflektierte Licht enthält dann, unabhängig von seinem ursprünglichen Polarisationszustand, nur noch die senkrechte Komponente, ist also vollständig linear polarisiert. 1 0.8 R 0.6 0.4 R s 0.2 R p 0 0 10 20 30 40 50 α/° 60 70 80 90 Abb. 4: Reflektivität R als Funktion des Einfallswinkels α an einer Grenzfläche Luft (n1 = 1) / Glas (n2 = 1.5). Die Tatsache, dass beim Einfallswinkel α B die Reflektivität für p-polarisiertes Licht verschwindet, wird z. B. in vielen Gas-Lasern ausgenutzt, um linear polarisiertes Licht nahezu ohne Intensitätsverlust zu erzeugen. Das geschieht, indem die Enden des Gasentladungsrohres des Lasers mit Glasfenstern (BREWSTER-Fenstern) verschlossen werden, die unter einem Winkel von (90°-α B) zur optischen Achse des Rohres angebracht werden, längs derer sich das Laserlicht ausbreitet (Abb. 5). Folglich sind die Reflexionsverluste für p-polarisiertes Licht an den Rohrenden praktisch null, während sie für s-polari- 173 siertes Licht gem. Abb. 4 ca. 15 % betragen. Im Laser wird deshalb nur p-polarisiertes Licht effektiv verstärkt. αB Abb. 5: Schematische Darstellung eines Laserrohres, das an beiden Enden mit einem Fenster (grau) unter einem Winkel von (90° - αB) zur optischen Achse (rot) abgeschlossen ist. Frage 2: - Wie lässt sich aus Gl. (15) und (12) die Bedingung für den BREWSTER-Winkel herleiten? 2.3 Natürliche optische Aktivität Unter natürlicher optischer Aktivität einer Substanz versteht man das Phänomen, dass sie beim Durchgang von linear polarisiertem Licht zu einer Drehung der Polarisationsrichtung des Lichtes um den Winkel ψ führt. Wird die Polarisationsrichtung bei Blickrichtung gegen die Ausbreitungsrichtung des Lichtes im Uhrzeigersinn gedreht, so spricht man von einer rechtsdrehenden Substanz, bei Drehung gegen den Uhrzeigersinn von einer linksdrehenden. Die absolute Ausbreitungsrichtung der Welle, d. h. ob sie die Substanz z. B. von rechts nach links oder von links nach rechts durchläuft, ist unbedeutend. Die Größe des Drehwinkels hängt bei vorgegebener Lichtwellenlänge und Temperatur von der Art der Substanz und der durchstrahlten Substanzdicke l ab. Optische Aktivität tritt in Medien auf, die entweder schraubenförmig gebaute Moleküle oder schraubenförmig angeordnete Moleküle enthalten. Solche Medien zeigen „Händigkeit“ („Chiralität“), d. h. sie kommen in zwei zueinander spiegelbildlichen Bauformen vor. Die Ursache der optischen Aktivität ist die Tatsache, dass diese Medien für rechts- und links-zirkular-polarisiertes Licht unterschiedliche Brechzahlen aufweisen. Entsprechend polarisierte Lichtwellen breiten sich in den Substanzen also mit unterschiedlichen Phasengeschwindigkeiten aus und erfahren dadurch unterschiedliche Phasenverschiebungen. Da zirkular-polarisiertes Licht in zwei linear polarisierte Komponenten zerlegt und umgekehrt linear polarisiertes Licht durch Überlagerung zweier zirkular polarisierter Wellen dargestellt werden kann, wird der Zusammenhang mit der optischen Aktivität deutlich. Für eine detailliertere Darstellung wird auf /2/ verwiesen. Wir beschränken uns im Weiteren auf die Beschreibung der Phänomene. Natürliche optische Aktivität kann zum einen, wie erwähnt, durch schraubenförmig angeordnete Moleküle hervorgerufen werden. In diesem Fall ist die Substanz nur in fester Form optisch aktiv und z. B. nicht mehr in flüssiger Form. Ein Beispiel einer solchen Substanz ist Quarz. Zum anderen kann natürliche optische Aktivität aber auch durch schraubenförmig gebaute Moleküle bewirkt werden. Dann ist die betreffende Substanz sowohl in fester, als auch in flüssiger oder gelöster Form optisch aktiv. Ein Beispiel einer solchen Substanz ist gewöhnlicher Rohrzucker (Rübenzucker, Saccharose, C12H22O11). Für eine in gelöster Form optisch aktive Substanz ist der Drehwinkel der Polarisationsrichtung, ψ, eine Funktion der Massenkonzentration β und der Länge l der durchstrahlten Schicht: (17) ψ = γ (λ , T )l β Die Proportionalitätskonstante γ (λ,T) heißt Drehvermögen (auch spezifische Drehung) und ist eine von der Lichtwellenlänge λ und der Temperatur T abhängige Stoffkonstante mit der Einheit: 174 γ ( λ , T ) = grd m 2 kg Der in Gl. (17) dargestellte Zusammenhang wird z. B. in der Medizin ausgenutzt, um den Zuckergehalt im Harn zu bestimmen (Saccharimetrie). Frage 3: - Eine linear polarisierte Welle, die ein natürlich optisch aktives Medium in Hin- und Rückrichtung durchläuft, erfährt keine Änderung ihrer Polarisationsrichtung - warum nicht? 2.4 FARADAY-Effekt Einige feste Stoffe (z. B. Bleiglas), aber auch Flüssigkeiten (z. B. Wasser) und Gase (z. B. Luft), drehen die Polarisationsrichtung von linear polarisiertem Licht um den Winkel ψ, wenn sie in ein starkes Magnetfeld B gebracht werden. Sie werden durch das Magnetfeld also künstlich optisch aktiv. Dieses Phänomen wurde 1845 von MICHAEL FARADAY entdeckt und heißt FARADAY-Effekt oder magnetooptischer Effekt. Hinsichtlich der nicht einfachen theoretischen Grundlagen des FARADAY-Effektes sei wiederum auf /2/ verwiesen, hinsichtlich einer anschaulichen Erklärung im mikroskopischen Bild auf /1/. Wir beschränken uns hier wieder auf die Beschreibung der Phänomene. Wir betrachten eine linear polarisierte Lichtwelle, die sich in + z-Richtung ausbreitet und eine optisch transparente Substanz der Länge l durchläuft. Dieses Material befinde sich in einem homogenen Magnetfeld B mit der z-Komponente + Bz. Der Winkel ψ, um den die Polarisationsrichtung des Lichtes in einem solchen FARADAY-Rotator gedreht wird, ist dann gegeben durch: (18) ψ = V (λ , T ) Bz l Dabei ist V(λ,T) die vom Material, der Wellenlänge λ und der Temperatur T abhängige VERDET-Konstante. Üblicherweise wird Bz in Tesla (T), l in Meter und ψ in Grad angegeben. Dann ist die Einheit von V: [V ] = grd Tm Typische Werte für V liegen für Gläser im Bereich einiger 100 bis einiger 1000 grd/(T·m). Aus Gleichung (18) ist zu erkennen, dass sich bei einer Umkehr der Ausbreitungsrichtung z des Lichtes das auf diese Richtung bezogene Vorzeichen von Bz ändert und damit auch das Vorzeichen des Drehwinkels ψ. Im Gegensatz zur natürlichen optischen Aktivität spielt die absolute Ausbreitungsrichtung der Welle (bezogen auf die Richtung von Bz) hier also eine Rolle. Frage 4: - Um welchen Winkel wird die Polarisationsrichtung einer linear polarisierten Lichtwelle gedreht, die einen FARADAY-Rotator in Hin- und Rückrichtung durchläuft (der Drehwinkel in Hinrichtung sei ψ0)? 175 3 Versuchsdurchführung Zubehör: Helium-Neon-Laser (5 mW Lichtleistung) in Fein-Justierhalterung auf optischer Dreieckschiene (Länge ca. 1,5 m), drehbarer Gelenkverbinder mit Winkelskala, Zeiger für Winkelskala, rückseitig geschwärzte Glasscheibe auf Verstelleinheit, 1 Polarisationsfilter in Drehhalterung, 1 Polarisationsfilter in feinverstellbarer Drehhalterung (THORLABS PR01/M), Neutralfilterrad (Graufilterrad), Reiter, Stativstangen, Säulen, weißer Schirm, Fotodiode (lichtempfindliche Fläche ca. 10×10 mm2) mit integriertem Verstärker (Versorgungsspannung ± 9 V, 0 V), vorgesetzter Mattscheibe und Rohr als Streulichtschutz, Küvette (l ≈ 300 mm, ∅ ≈ 30 mm) mit planparallelen Endfenstern in Halterung, Rohrzucker-Normallösung, Elektromagnet mit 2 Spulen (300 Windungen, Imax ≈ 5 A) auf Eisenkern in Halterung, 2 Polschuhe (durchbohrt) für Elektromagnet, Glasstab (Schwerflint SF 6) (l ≈ 30 mm, ∅ ≈ 11 mm), 2 Netzgeräte (Phywe (0 - 15) / (0 - 30) V) für Fotodiodenverstärker und Spulen, 2 Digitalmultimeter zur Messung der Fotodiodenspannung 1 und der Stromstärke, Werkzeug, Labortischlampe, Taschenlampe, Thermometer, Lupe. Achtung: Beim Umgang mit Laserlicht muss darauf geachtet werden, dass weder der Laserstrahl direkt, noch reflektierte Strahlen von Linsenoberflächen, Metallflächen usw. in die Augen gelangen. Es besteht die Gefahr der Netzhautzerstörung durch lokal extrem hohe Intensitäten! Der Laserstrahl muss daher immer in einer Höhe unter ca. 1,2 m gehalten werden! Niemals direkt in einen unaufgeweiteten Laserstrahl blicken! 3.1 Reflektivität von linear polarisiertem Licht Mit einer Anordnung gem. Abb. 6 soll die Reflektivität R von linear polarisiertem Laserlicht als Funktion des Einfallswinkels α für eine Grenzschicht zwischen Luft (n1 ≈ 1) und Glas (n2 ≈ 1,5) gemessen werden. Dabei soll das Licht einmal parallel und einmal senkrecht zur Einfallsebene polarisiert sein. 3.1.1 Vorbereitende Justierarbeiten Von der technischen Assistenz vor Versuchsbeginn durchgeführte Arbeiten: Ein Helium-Neon-Laser (λ = 632,8 nm; Fehler in λ vernachlässigbar) wird auf eine Dreieckschiene DS montiert, die über ein Drehgelenk mit einer Schiene S verbunden ist (Abb. 6 rechts). Auf S ist eine Fotodiode FD montiert, mit der die Intensität des an der Glasscheibe G reflektierten Laserlichtes gemessen werden kann. Der Laser wird so in seine Halterung eingesetzt, dass die Polarisationsrichtung des von ihm emittierten linear polarisierten Lichtes mittig zwischen horizontaler und vertikaler Polarisationsrichtung liegt (45°-Richtung). Die Fein-Justierhalterung des Lasers wird so ausgerichtet, dass der Laserstrahl in vertikaler und horizontaler Richtung parallel zu DS verläuft. Direkt hinter die Austrittsöffnung des Lasers wird ein drehbarer Polarisationsfilter P montiert. Danach wird die Glasscheibe G in einer verstellbaren Halterung auf den Tisch T des Drehgelenks montiert und so justiert, dass die Drehachse D genau in der dem Laser zugewandten Oberfläche der rückseitig geschwärzten Glasscheibe liegt (s. Abb. 6), der Laserstrahl die Glasscheibe genau auf der Drehachse D trifft. Ferner wird die Winkelskala auf dem Tisch T so ausgerichtet, dass die Oberfläche von G auf der Achse 0°/180° liegt, wenn der Laserstrahl von der Glasscheibe in sich zurückgeworfen wird. 1 Wenn von Fotodiodenspannung die Rede ist, ist immer die Spannung am Ausgang des Fotodiodenverstärkers gemeint. 176 FD NF Laser α Θ G S Z D P DS G T Abb. 6: Links: Versuchsanordnung zur Messung der Reflektivität R an einer Grenzfläche Luft / Glas. P: Polarisationsfilter, NF: Neutralfilterrad (Graufilterrad), FD: Fotodiode mit vorgesetzter Mattscheibe (grau) und Rohr als Streulichtschutz, D: Drehachse. Rechts: Details des Drehgelenks, das die Dreieckschiene DS, auf der der Laser montiert ist, mit der Schiene S verbindet, auf der sich die Fotodiode befindet. T ist der mit einer Winkelskala versehene Tisch auf dem Drehgelenk, dessen Stellung am Zeiger Z abgelesen werden kann. Ohne Rücksprache mit dem/der BetreuerIn oder der technischen Assistenz darf die Justierung des Lasers und der Glasscheibenhalterung nicht verändert werden! Von den Studierenden durchzuführende Arbeiten: Die Halterung mit der Glasscheibe wird vorübergehend vorsichtig aus dem Aufbau entfernt und in einer Säule abgestellt. In ca. 0,4 m Entfernung hinter der Drehachse des Gelenkverbinders G wird die Fotodiode FD montiert. Das Drehgelenk wird auf θ = 180° eingestellt und FD so ausgerichtet, dass der Laserstrahl ihre lichtempfindliche Fläche mittig trifft. Der Laserstrahl wird vorübergehend mithilfe eines Bleches unterbrochen und die Ausgangspannung des Fotodiodenverstärkers bei Dunkelheit, UD, wird gemessen 2. Sollte UD ≤ 0 V sein, muss das Offset-Potentiometer am Fotodiodenverstärker so verstellt werden, dass UD > 0 V ist (UD sollte im Bereich einiger 10 mV liegen). Anschließend wird der Laserstrahl wieder freigegeben und der Polarisationsfilter P so eingestellt, dass hinter dem Filter zunächst senkrecht, dann parallel polarisiertes Licht vorliegt. Dabei beziehen sich die Richtungen auf die spätere Lage der Einfallsebene. Der Polarisationsfilter arbeitet nach dem Prinzip der selektiven Absorption (Dichroismus); seine Durchlassrichtung ist durch die Richtung des Pfeils auf seiner Winkelskala angegeben. Für beide Polarisationsrichtungen wird die Ausgangsspannung des Fotodiodenverstärkers gemessen. Die Lichtintensität kann so groß sein, dass sie zur Übersteuerung des Fotodiodenverstärkers führt. In diesem Fall wird ein Neutralfilterrad hinter den Polarisationsfilter gestellt und vorsichtig in die Position gedreht, bei der der Fotodiodenverstärker gerade nicht mehr übersteuert. Die Nicht-Übersteuerung erkennt man daran, dass die mit dem Digitalmultimeter gemessene Ausgangsspannung des Fotodiodenverstärkers sich bei geringfügiger Verdrehung des Polarisationsfilters noch ändert. Auf dem Neutralfilterrad ist für jeden Filter die optische Dichte D mit (19) Eingangsintensität D = log10 Ausgangsintensität eingraviert, sodass prinzipiell auf die Intensität ohne Neutralfilter zurückgerechnet werden kann. Dies ist bei diesem Versuch jedoch nicht erforderlich, solange ein einmal eingebrachter Filter mit der optischen Dichte D im Aufbau verbleibt. Im Folgenden stehen (wie oben) die Indizes s für senkrecht, p für parallel, e für einfallend und r für reflektiert. 2 Verstärkungsfaktor V = 1. Um den Einfluss von Streulicht im Raum bei den späteren Messungen zu berücksichtigen, darf zur Messung von UD nicht die Verschlusskappe vor die Fotodiode montiert werden. 177 Die Ausgangsspannung Us e für die senkrechte Stellung des Polarisationsfilters ist nach Abzug der Dunkelspannung UDe zur einfallenden Lichtintensität Is e proportional: (20) ( I s e U s e − U De ) Für die parallele Stellung des Polarisationsfilters gilt analog: (21) ( I p e U p e − U De ) Nach diesen Messungen wird die Halterung mit der Glasscheibe wieder an ihre alte Position gestellt. 3.1.2 Messreihen Rs und Rp sollen als Funktion des Einfallswinkels α bestimmt werden, der, soweit mit dem vorhandenen Aufbau realisierbar, im Bereich 15° ≤ α ≤ 85° variiert wird. Rs und Rp ist jeweils das Verhältnis der reflektierten zur einfallenden Lichtintensität, also: (22) = Rs Is r Ipr = Rp Is e Ipe Mit Hilfe von Gl. (20) und (21) und analoger Beziehungen für die reflektierten Intensitäten können wir Rs und Rp auch schreiben als: Rs = (23) U s r − U D (α ) U p r − U D (α ) Rp = U s e − U De U p e − U De Insgesamt sollen zur Messung von Rs und Rp jeweils etwa 20 Messwerte für Usr(α) und Upr(α) aufgenommen werden, wobei die Winkelwerte gem. Abb. 4 geschickt zu verteilen sind. Für jeden Wert von α wird die Glasscheibe durch Verstellen des Drehgelenks in die entsprechende Winkelposition gebracht, der Polarisationsfilter nacheinander in die Positionen „senkrecht“ und „parallel“ gebracht und die jeweilige Spannung Us r bzw. Up r gemessen, der Laserstrahl vorübergehend unterbrochen und die Dunkelspannung UD(α) gemessen 3. Zur Auswertung werden Rs(α) und Rp(α) in einem Diagramm über α aufgetragen. Auf eine Fehlerrechnung für die einzelnen Messwerte kann verzichtet werden. Zusätzlich werden in das Diagramm die theoretisch erwarteten Kurvenverläufe eingezeichnet, die sich aus Gl. (15) und (16) ergeben. Dabei ist für Luft die Brechzahl n1 = 1 und für Glas die Brechzahl n2 = 1,5 anzusetzen. Frage 5: - Wie groß ist der theoretisch erwartete BREWSTER-Winkel? Welcher Wert ergibt sich aus der grafischen Darstellung von Rp(α)? 3 Da auf die Fotodiode je nach Winkelstellung der Schiene S unterschiedlich viel Raumlicht fällt, muss UD(α)für jeden Wert von α gemessen werden. 178 3.2 Drehvermögen einer Zuckerlösung Mit einer Anordnung gem. Abb. 7 soll das Drehvermögen einer Rohrzucker-Normallösung bei der Wellenlänge des Helium-Neon-Lasers (λ = 632,8 nm; Fehler in λ vernachlässigbar) für Zimmertemperatur bestimmt werden. Die Rohrzucker-Normallösung 4 ist eine Lösung von Rohrzucker in Wasser mit der Massenkonzentration: (24) β= 26 g Rohrzucker 100 cm3 Lösung P1 E Küvette ψ P E 2 FD Laser l Abb. 7: Versuchsanordnung zur Messung des Drehvermögens einer Zuckerlösung. P1, P2: Polarisationsfilter, FD: Fotodiode mit vorgesetzter Mattscheibe (grau) und Rohr als Streulichtschutz. Der Polarisationsfilter P1 direkt hinter dem Laser wird so eingestellt, dass die transmittierte Lichtintensität maximal ist. In ca. 0,6 m Abstand hinter P1 wird ein zweiter Polarisationsfilter P2 in einer feinverstellbaren Drehhalterung (Abb. 8 links) aufgestellt, dahinter die Fotodiode. Die Feststellschraube von P2 wird gelöst. Anschließend wird P2 durch Drehung der Grundplatte so justiert, dass die Lichtintensität auf der Fotodiode minimal wird 5. Um den Punkt minimaler Intensität mit höchstmöglicher Genauigkeit zu finden, muss am Fotodiodenverstärker eine Verstärkung von V = 100 eingestellt werden. Die zugehörige Winkelposition von P2 wird abgelesen. Die Ablesung der Skala erfolgt analog wie bei einem Messschieber mit Nonius (Abb. 8 rechts). Auf der oberen Gradskala wird links von der Null der unteren Minutenskala der Winkelwert in ganzen Grad abgelesen (hier 123°), auf der Minutenskala der zu addierende Bruchteil in Winkelminuten (hier 30‘). Abb. 8: Links: Polarisationsfilter (P2) in feinverstellbarer Drehhalterung. Rechts: vergrößerter Ausschnitt der Skala, auf der ein Winkel von 123° 30‘ angezeigt wird. 4 5 Die Lösung steht gebrauchsfertig zur Verfügung. Zur Herstellung löst man 26 g Rohrzucker in 50 ml Wasser und füllt dann mit Wasser auf 100 ml auf. Bei idealen Polarisationsfiltern müsste sich bei gekreuzter Stellung von P1 und P2 Dunkelheit ergeben, bei realen Filtern wird dies nicht ganz erreicht. 179 Anschließend wird zwischen P1 und P2 die Küvette mit der Zucker-Normallösung eingebracht (Länge l ausmessen, Längsachse der Küvette in Richtung der optischen Achse ausrichten). Dadurch wird die Polarisationsrichtung des durchgehenden Lichtes gedreht (hier um einen Winkel ψ< 180°) und wieder ein hellerer Lichtpunkt auf der Fotodiode beobachtbar. P2 wird nun wiederum in die Position gedreht, bei der die Lichtintensität minimal wird und anschließend seine veränderte Winkelposition abgelesen. Aus der Differenz der Winkelpositionen wird der Drehwinkel ψ bestimmt. Die Zimmertemperatur wird gemessen und das Drehvermögen γ (λ,T) der Zuckerlösung gem. Gl. (17) inkl. Fehler berechnet. Der Literaturwert bei T = 20 °C und λ = 632,8 nm beträgt 0,58 grd m2/kg. 6 Frage 6: - Handelt es sich um eine rechts- oder linksdrehende Lösung? 3.3 VERDET-Konstante eines Bleiglasstabes Mit einem Aufbau gem. Abb. 9 soll die VERDET-Konstante eines Schwerflint-Glases vom Typ SF6 (Hersteller: JENAER GLASWERK SCHOTT & GEN., Mainz) gemessen werden. Das dafür benötigte Magnetfeld Bz wird mit einem Faraday-Rotator FR erzeugt. Er besteht aus zwei vom Strom I durchflossenen Spulen (je 300 Windungen) auf einem Eisenkern, auf dem zwei durchbohrte Polschuhe aufgesetzt sind, die einen Glasstab aus dem zu untersuchenden Material aufnehmen. Die Stablängen können Tab. 1 entnommen werden. Stab-Nr. l / mm 1 30,1 2 30,0 3 30,4 4 30,1 Tab. 1: Längen l der verwendeten SF6-Glasstäbe (Größtfehler ∆l = 0,05 mm). P1 Laser Bz FR P2 FD SF6-Stab l Abb. 9: Versuchsanordnung zur Messung der VERDET-Konstante. P1, P2: Polarisationsfilter, FD: Fotodiode mit vorgesetzter Mattscheibe (grau) und Rohr als Streulichtschutz, FR: FARADAYRotator. Das Vorgehen zur Messung von V ist analog wie bei der Messung des Drehvermögens der Zuckerlösung. Das Licht des Lasers durchläuft einen Polarisationsfilter P1, der so eingestellt wird, dass die transmittierte Lichtintensität maximal ist. Danach läuft es durch den FARADAY-Rotator FR. Der Rotator wird so ausgerichtet, dass die Längsachse des Glasstabes mit der optischen Achse zusammenfällt. Hinter den Rotator wird ein Polarisationsfilter P2 in feinverstellbarer Drehhalterung und dahinter eine Fotodiode FD montiert. Anschließend wird eine Stromstärke von I ≈ +4 A eingestellt (exakten Wert mit Amperemeter messen 7), P2 in die Position minimaler durchgehender Lichtintensität gedreht und seine Winkelposition ψ1 abge- 6 7 Nach WALCHER, W.: "Praktikum der Physik", Teubner, Stuttgart, 1985; ohne Fehlerangabe Der Strom I führt zu einer Erwärmung des Spulendrahtes und damit zu einer Erhöhung seines ohmschen Widerstandes. Deshalb wird die Stromstärke im Laufe einer Messung geringfügig abnehmen. Dieser Effekt kann bei der Auswertung vernachlässigt werden. I wird mit einer Genauigkeit von ± 0,01 A abgelesen. 180 lesen 8. Um den Punkt minimaler Intensität mit höchstmöglicher Genauigkeit zu finden, muss am Fotodiodenverstärker eine Verstärkung von V = 100 eingestellt werden. Danach wird die Stromrichtung (und damit die Richtung von Bz) unter Beibehaltung von |I| umgedreht (I ≈ -4 A) 9 und abermals die Winkelposition von P2 bei minimaler durchgehender Lichtintensität bestimmt; der zugehörige Messwert ist ψ2. Die Differenz beider Ablesewerte ergibt den doppelten Drehwinkel (25) = ψ1 −ψ 2 2ψ für |I | ≈ 4 A. Der Faktor 2 rührt daher, dass für positives I eine Drehung um den Winkel ψ in die eine Richtung erfolgt und für negatives I eine Drehung um den gleichen Winkel ψ in die andere Richtung. Die z-Komponente des Magnetfeldes in dem Bereich zwischen den Polschuhen, in dem sich der Glasstab befindet, ist nicht homogen. Mit einer geeigneten Induktionsspule kann man jedoch für verschiedene Stromstärken I ein effektives Feld Bz,eff (I) messen, das in Gl. (18) zur Berechnung der VERDET-Konstante eingesetzt wird. Dieses effektive Feld wurde vorab ermittelt. Seine Abhängigkeit von I lässt sich in guter Näherung durch folgenden linearen Zusammenhang beschreiben: (26) = Bz ,eff a I für I ≥ 0,15 A Die Koeffizienten a sind für die einzelnen Aufbauten unterschiedlich. Sie können Tab. 2 entnommen werden. Messanordnung 1 2 3 4 Tab. 2: a / mT ×A-1 23,70 ± 0,05 23,15 ± 0,05 24,15 ± 0,11 21,59 ± 0,07 Koeffizienten zur Berechnung des effektiven Magnetfeldes nach Gl. (26). Aus den Daten für 2ψ, l und Bz,eff wird die VERDET-Konstante V für das Glas vom Typ SF6 für die Wellenlänge des Helium-Neon-Lasers (λ = 632,8 nm, fehlerfrei) berechnet. Für die Fehlerbetrachtung sind die Fehler von ψ, B und l zu berücksichtigen. Der Wert für V wird schließlich mit dem Literaturwert verglichen, für den man bei Zimmertemperatur und λ = 632,8 nm findet: V = 1152 grd/(T·m) 10. 8 9 10 Zum Ablesen der Winkelstellung (ggf. Lupe verwenden) kann P2 inkl. Halterung und Reiter vorübergehend aus dem Aufbau entfernt werden. Netzgerät ausschalten, Anschlusskabel vertauschen und wieder einschalten. SCHOTT AG, Mainz: „Faraday-Effekt in optischen Gläsern - Die Wellenlängenabhängigkeit der Verdet-Konstante“, Technische Information Optisches Glas Nr. 17, Mainz, 1985. (Ohne Fehlerangabe.) 181 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil II Michelson-Interferometer Stichworte: Ebene Welle, Kugelwelle, Amplitude, Phase, Phasengeschwindigkeit, optischer Weg, Interferenz, piezoelektrischer Effekt, Elektrostriktion, Hysterese. Messprogramm: Änderung des Interferenzmuster im Michelson-Interferometer durch Brechzahländerung in einem transparenten Medium, interferometrische Messung der Ausdehnung eines Piezo-Translators und der Brechzahl von Glas. Literatur: /1/ DEMTRÖDER, W.: „Experimentalphysik 2 – Elektrizitätslehre und Optik“, Springer-Verlag, Berlin u. a. /2/ HECHT, E.: „Optik“, Oldenbourg, München u. a. 1 Einleitung In einem MICHELSON-Interferometer (Abb. 1) wird eine einfallende, in der Regel monochromatische Lichtwelle der Wellenlänge λ mithilfe eines teildurchlässigen Spiegels in zwei Teilwellen aufgespalten, die nach Durchlaufen unterschiedlicher optischer Wege längs der beiden Arme des Interferometers auf einem Beobachtungsschirm wieder zur Überlagerung (Interferenz) gebracht werden. Je nach Unterschied der optischen Wege entsteht ein mehr oder weniger kompliziertes Interferenzmuster; Abb. 2 zeigt ein Beispiel. Durch Auswertung eines solchen Interferenzmusters kann man auf die Phasenunterschiede und damit auf die Laufzeit- bzw. Laufwegunterschiede der beiden Wellen schließen. In der optischen Messtechnik wird das MICHELSON-Interferometer eingesetzt, um z. B. die Planität optischer Oberflächen, die Längenausdehnung von Materialien oder Phasenänderungen von Licht beim Durchgang durch transparente Medien zu messen. Mit heutigen Techniken erreicht man dabei typische Messgenauigkeiten im Bereich von λ/1000. Spiegel Arm 1 mit Teilwelle 1 Einfallende Welle Teildurchlässiger Spiegel Spiegel Arm 2 mit Teilwelle 2 Beobachtungsschirm Abb. 1: Prinzipieller Aufbau eines MICHELSON-Interferometers. Abb. 2: Interferenzmuster durch Überlagerung von zwei Lichtwellen in einem MICHELSON-Interferometer. Das Muster entsteht durch Unterschiede in den optischen Wegen der beiden Teilwellen. 182 Aufgrund der hohen Messgenauigkeit fand und findet das MICHELSON-Interferometer auch Anwendungen in der Grundlagenforschung. So lieferten im Jahre 1887 ALBERT MICHELSON und EDWARD MORLEY mit einem MICHELSON-Interferometer den experimentellen Nachweis, dass die Erde sich nicht durch einen hypothetischen Äther bewegt, der nach damaliger Vorstellung gegenüber allen anderen Bezugssystemen ein ausgezeichnetes, ruhendes Bezugssystem darstellen sollte. Nur in diesem System sollte sich Licht in allen Richtungen mit gleicher Geschwindigkeit c ausbreiten. Nach den Erkenntnissen der speziellen Relativitätstheorie von ALBERT EINSTEIN gibt es dagegen kein derart ausgezeichnetes Bezugssystem, also auch keinen Äther. Vielmehr gilt die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit in allen Inertialsystemen. Insofern war der negative Ausgang des MICHELSON-MORLEY-Experiments ein wichtiger experimenteller Beweis für die Gültigkeit der speziellen Relativitätstheorie. Heute, gut 100 Jahre nach der Durchführung des MICHELSON-MORLEY-Experiments, wird das MICHELSON-Interferometer in der Grundlagenforschung erneut verwendet, um eine zentrale Frage der Physik zu klären. Die Rede ist vom direkten experimentellen Nachweis von Gravitationswellen, deren Existenz in der allgemeinen Relativitätstheorie EINSTEINS postuliert wird. Eines dieser Experimente ist das GEO600-Experiment in der Nähe von Hannover, an dem die Universitäten Hannover, Glasgow und Cardiff sowie die MAX-PLANCK-Institute für Quantenoptik und für Gravitationsphysik beteiligt sind (siehe http://www.geo600.org/). Im GEO600-Experiment kommt ein MICHELSON-Interferometer zum Einsatz, dessen Arme jeweils eine Länge von etwa 600 m haben und in denen das Licht in evakuierten Röhren geführt wird. Erwartet wird, dass durch den Einfluss einer Gravitationswelle sich die Länge des einen Interferometerarmes vergrößert, während sie sich im anderen Arm verkürzt. Die dadurch verursachten Änderungen der Laufwege beider Teilwellen sind allerdings so klein (Größenordnung 10-6 λ), dass sie nur mit enormem experimentellem Aufwand detektiert werden können. Bislang ist im GEO 600Projekt kein direkter Nachweis von Gravitationswellen gelungen. 2 Theorie Wir betrachten nun das MICHELSON-Interferometer aus Abb. 1 gem. Abb. 3 etwas detaillierter. Das linear polarisierte Licht aus einem Laser (Wellenlänge λ) wird mithilfe eines Strahlaufweitungssystems AW aufgeweitet, dessen Funktionsprinzip bereits aus anderen Versuchen bekannt ist. Bei guter Justage verlässt im Idealfall eine ebene Welle E 1 das Strahlaufweitungssystem AW und trifft nach Begrenzung durch eine Blende B auf einen Strahlteilerwürfel ST, dessen teildurchlässige Spiegelschicht TS ein Teilungsverhältnis von 1:1 hat. Hier wird die Welle E in zwei Teilwellen aufgespalten: - Ein Teil der Welle (E1 mit 50 % der Intensität von E, schwarze Pfeile) wird an der Schicht TS reflektiert, trifft auf den Spiegel SP1, wird dort reflektiert und trifft erneut auf die Schicht TS. Dort wird ein Teil der Welle (mit 50 % der Intensität von E1) durchgelassen und gelangt zum Beobachtungsschirm BS, während der andere Teil zurück zum Laser reflektiert wird. - Der andere Teil der Welle (E2 mit 50 % der Intensität von E, graue Pfeile) wird von der Schicht TS durchgelassen, trifft auf den Spiegel SP2, wird dort reflektiert und trifft erneut auf die Schicht TS. Dort wird ein Teil der Welle (mit 50 % der Intensität von E2) reflektiert und gelangt zum Beobachtungsschirm BS, während der andere Teil zurück zum Laser läuft. Im Folgenden nennen wir E1 und E2 die Teilwellen, die am Beobachtungsschirm BS ankommen. Ihre Intensitäten I sind gleich; sie betragen jeweils 25 % der Intensität von E. Aufgrund des quadratischen Zusammenhangs von Intensität und Amplitude haben die Wellen also auch die gleichen Amplituden E01 = E02 := E0. 1 Da wir am Ausgang des Lasers linear polarisiertes Licht voraussetzen und davon ausgehen, dass die optischen Bauteile des Interferometers den Polarisationszustand des Lichtes nicht ändern, reicht die skalare Schreibweise für die Wellen (E statt E). 183 SP1 E1 l1 L2 B L1 ST E2 E SP2 Laser PH TS l3 AW l2 BS Abb. 3: Aufbau eines Michelson-Interferometers mit Laser als Lichtquelle. AW: Aufweitungssystem mit den Linsen L1 und L2 und dem Pinhole PH. B: Irisblende, SP1, SP2: Spiegel, TS: teildurchlässige Spiegelschicht des Strahlteilerwürfels ST (grau), BS: Beobachtungsebene mit Schirm oder Sensor einer CCD-Kamera. Die beiden ebenen Wellen E1 und E2 stammen aus derselben Lichtquelle (Laser) und haben demnach dieselbe Kreisfrequenz ω: (1) ω = 2π c λ c ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit (Phasengeschwindigkeit) der Wellen. Breiten sich die Wellen in einem Medium mit Brechzahl n aus, so gilt: = c (2) λ0 c0 λ = n n wobei c0 die Ausbreitungsgeschwindigkeit und λ0 die Wellenlänge im Vakuum ist. Die Ausbreitungsrichtung einer Welle ist durch den Wellenvektor k gegeben. Sein Betrag ist die Wellenzahl k: (3) = k k= 2π λ Mit diesen Definitionen lassen sich die Wellen E1 und E2 als Funktion der Zeit t und des Ortsvektors r in komplexer Schreibweise darstellen als: 184 i ω t − ϕ1 ( r ) ) (4) E1 ( t , r= ) : E=1 E0 e ( E2 ( t , r= E0 e ( ) : E= 2 i ω t − ϕ2 (r ) ) Dabei sind ϕ1(r) und ϕ2(r) die vom Ort abhängigen Phasen, für die bei ebenen Wellen gilt: k1x x k y ϕ1= (r ) k= 1r 1y k z 1z (5) k2 x x k y ϕ 2= (r ) k= 2r 2y k z 2z Am Ort des Beobachtungsschirmes BS beobachten wir die Interferenz (additive Überlagerung) der Wellen E1 und E2, deren Summe wir mit ES bezeichnen: (6) ( ES ( t , r ) := ES = E1 + E2 = E0 e ( i ω t − k1r ) +e( i ω t − k 2r ) ) Beobachtbar mit dem Auge oder einem Detektor ist nicht die Amplitude, sondern nur die Intensität I einer Welle. Sie ist gegeben durch (vgl. Versuch FRAUNHOFER- und FRESNEL-Beugung...): (7) I ( r )=: I= 1 1 2 c ε 0 ε r ES = c ε 0 ε r ES ES* 2 2 wobei ε0 die elektrische Feldkonstante, εr die relative Permittivität des Umgebungsmaterials und ES* die zu ES konjugiert komplexe Größe ist. Mit der Proportionalitätskonstante a= 1 c ε0 εr 2 folgt damit aus Gl. (6) und (7): ( = I (r ) a E02 2 + e ( (8) i k 2r − k1r ) −i k r − k r +e ( 2 1 ) ) Zur Vereinfachung der Schreibweise schreiben wir für die Phasendifferenzen: (9) ∆ϕ ( r ) =ϕ2 ( r ) − ϕ1 ( r ) =k 2r − k1r Damit wird aus Gl. (8): ( (10) = I (r ) a E02 2 + e i∆ϕ ( r ) +e − i∆ϕ ( r ) ) und nach Anwendung der EULERschen Formeln: 185 (11) ( I ( r ) = a E02 2 +2 cos ( ∆ϕ ( r ) ) ) bzw. (12) ∆ϕ ( r ) I ( r ) = 4 a E02 cos 2 2 Die Lichtintensität I(r) am Ort des Beobachtungsschirmes variiert demnach mit dem cos2 der Phasendifferenz ∆ϕ(r) der beiden interferierenden Teilwellen E1 und E2. Es ergibt sich folglich ein Interferenzmuster mit hellen und dunklen Interferenzstreifen, deren Lage, Form und Abstand durch die Phasendifferenz ∆ϕ(r) bestimmt wird. Wir wollen nun diese Phasendifferenz und damit das Aussehen des Interferenzmusters für zwei Beispiele berechnen und für ein drittes Beispiel qualitativ beschreiben. 2.1 Interferenz von zwei ebenen Wellen mit gleicher Ausbreitungsrichtung Zur übersichtlicheren Darstellung betrachten wir gem. Abb. 4 eine „aufgeklappte“ Version des MICHELSON-Interferometers nach Abb. 3. Den Ursprung des Koordinatensystems, P, legen wir in den Mittelpunkt der teildurchlässigen Spiegelschicht TS des Strahlteilers. Der Ortsvektor r zeigt vom Punkt P auf einen beliebigen Punkt Q in der Beobachtungsebene BS, für den die Phasendifferenz ∆ϕ(r) der beiden Wellen berechnet werden soll. Beide Wellen E1 und E2 breiten sich in z-Richtung aus, ihre Wellenvektoren sind demnach: (13) 0 2π 0 = k1 k= 1z λ 1 SP1 TS TS SP2 TS BS Q(xq,yq) r1 x y P 0 2π 0 k= k= 2 2z λ 1 TS BS Q(xq,yq) r2 x y z l1 k1 l1 P z l2 l3 k2 l2 l3 Abb. 4: Aufgeklappte Version des Michelson-Interferometers nach Abb. 3. Links für Welle E1, rechts für Welle E2. k1, k2: Wellenvektoren (rot), r1, r2: Ortsvektoren (blau). Die Ortsvektoren r von P zum Punkt Q(xq, yq) sind gegeben durch: xq (14) yq = r1 = r2 2l + l 1 3 xq y q 2l + l 2 3 Die Phasendifferenz ∆ϕ(r) ist demnach gem. Gl. (9): 186 (15) 0 xq 0 xq 4π 2π ∆ϕ ( r ) = k 2r − k1r = ( l2 − l1 ) 0 yq − 0 yq = λ λ 1 1 2l2 + l3 2l1 + l3 Die vom Polarisationszustand der Wellen abhängigen Phasensprünge bei Reflexion an TS, SP1 und SP2 lassen wir unberücksichtigt, da sie nur zu einer additiven Konstante führen. Gem. Gl. (15) hängt die Phasendifferenz nicht von der Lage des Punkts Q ab. Sie ist auf dem gesamten Beobachtungsschirm konstant und wird nur durch die Wegdifferenz l2 - l1 bestimmt. Demnach ist auch die Intensität I(r) gem. Gl. (12) auf dem gesamten Beobachtungsschirm konstant. Das Interferenzmuster ist in diesem Fall also eine Fläche mit konstanter Helligkeit. Wird die Wegdifferenz l2 - l1 variiert, z. B. durch Verschieben eines der Spiegel auf den Strahlteiler zu oder von ihm weg, ändert sich die Helligkeit auf dem gesamten Schirm in gleicher Weise. Wird einer der Spiegel über eine längere Strecke (> λ/2) verschoben, wird es auf dem gesamten Schirm abwechselnd hell und dunkel. 2.2 Interferenz von zwei zueinander geneigten ebenen Wellen Wir betrachten nun den Fall, dass die Ausbreitungsrichtung einer der Wellen (hier: E1) gegenüber der zAchse um einen kleinen Winkel α verkippt ist. Praktisch lässt sich dies z. B. durch Verkippen des Spiegels SP1 um den Winkel α/2 um die y-Achse erreichen. In diesem Fall sind die Wellenvektoren gegeben durch (s. Abb. 5): (16) k1 = k1 x + k1 z sin α 2π 0 = λ cos α k2 = k2z 0 2π 0 = λ 1 SP1 TS x k1 k1 x α z x y P TS α /2 r1 BS Q(xq,yq) ∆l z k1 z Abb. 5: Links: Wellenvektor k1 bei Verkippung der Ausbreitungsrichtung der Welle E1 um den Winkel α gegenüber der z-Achse. Rechts: Ortsvektor r1 bei Verkippung des Spiegels SP1 um den Winkel α/2 um die y-Achse. Die Ortsvektoren sind weiterhin durch Gl. (14) gegeben, wie aus Abb. 5 (rechts) deutlich wird. Zwar wird durch das Verkippen von SP1 der Abstand zwischen TS (links im Bild) und SP1 auf dem Hinweg der Welle von TS zu SP1 um die Strecke ∆l kürzer, dafür vergrößert sich jedoch der Abstand zwischen SP1 und TS (rechts im Bild) auf dem Rückweg um den gleichen Betrag. Die Phasendifferenz ∆ϕ(r) ist demnach in Analogie zu Gl. (15): 187 0 xq sin α xq 2π = ∆ϕ ( r ) 0 yq − 0 yq λ cos α 2l + l 1 1 3 2l2 + l3 (17) 2π 2π xq sin α + = − ( ( 2l2 + l3 ) − cos α ( 2l1 + l3 ) ) λ λ ϕ0 ∆ϕq Der rechte Term in Gl. (17) ist eine Konstante ϕ0, die nicht von der Lage des Punktes Q(xq, yq) in der Beobachtungsebene abhängt. ϕ0 wird nur durch die Abstände l1, l2 und l3 sowie durch den Winkel α bestimmt. Der linke Term in Gl. (17), ∆ϕq, beschreibt die Abhängigkeit der Phasendifferenz ∆ϕ(r) von der Lage des Punktes Q(xq, yq) in der Beobachtungsebene. Im hier betrachteten Fall hängt ∆ϕq nur von der x-Koordinate (xq) des Punktes Q ab, nicht jedoch von dessen y-Koordinate. Das auf dem Beobachtungsschirm entstehende Interferenzmuster ist also in y-Richtung konstant und ändert sich nur in x-Richtung. Auf dem Schirm erscheinen deshalb gem. Abb. 6 Interferenzstreifen, die parallel zur y-Achse ausgerichtet sind und in denen sich die Intensität mit xq gem. Gl. (12) und Gl. (17) ändert. Der Abstand der Streifen in x-Richtung ist durch den Winkel α gegeben und ihre absolute Lage in x-Richtung durch die Phase ϕ0. Frage 1: - Wie groß ist für λ = 632 nm der Abstand der Interferenzstreifen bei α = 0,5° und bei α = 5°? Wie groß muss α sein, damit der Abstand der Interferenzstreifen 1 mm beträgt? (Hinweis zur Lösung: maximale Helligkeit liegt gem. Gl. (12) dann vor, wenn = ∆ϕ m 2π; m ∈ . Dies ist an den Orten xqm der Fall.) Abb. 6: Interferenzstreifen bei der Überlagerung von zwei zueinander geneigten ebenen Lichtwellen. y verläuft in vertikaler, x in horizontaler Richtung. Der Abstand der Streifen in x-Richtung ist durch den Neigungswinkel α gegeben (s. Abb. 5), ihre absolute Lage in x-Richtung durch die Phase ϕ0.Von links nach rechts: ϕ0 = (0, 90, 180, 270)°. 2.3 Interferenz von zwei Wellen mit beliebigen Phasenfronten In einem Interferometer können auch Wellen zur Überlagerung gebracht werden, deren Wellenfronten keine Ebenen sind (wie bei ebenen Wellen), sondern eine beliebige Form haben. Bringen wir beispielsweise in einen Arm des Interferometers nach Abb. 3 ein optisch transparentes Objekt mit beliebiger Form ein, so wird die Wellenfront der ursprünglich ebenen Welle nach zweimaligem Durchgang durch dieses Objekt eine mehr oder weniger komplizierte Form haben. Solche Objekte können z. B. beliebig geformte Glaskörper sein, oder auch Gasvolumina, in denen die Temperatur T oder die Dichte ρ und damit die Brechzahl n mit dem Ort variiert (s. Abb. 7). In solchen Fällen hat die Wellenfront von z. B. E1 (oder E2) eine mehr oder weniger komplizierte Form und folglich variiert die Phase ϕ1(r) (oder ϕ2(r)) der Welle gleichermaßen kompliziert mit dem Ort r. Das gleiche gilt demnach auch für die Phasendifferenz ∆ϕ(r) (s. Gl. (9)), die das Aussehen des Interferenzmusters (Gl. (12)) bestimmt: 188 ebene Wellenfronten T (x,y,z), ρ (x,y,z) n (x,y,z) verformte Wellenfronten Abb. 7: Veränderung der Wellenfront einer ursprünglich ebenen Welle beim Durchgang durch ein Gasvolumen mit örtlich variierender Temperatur T(x,y,z) oder Dichte ρ (x,y,z), wodurch eine örtlich variierende Brechzahl n(x,y,z) verursacht wird. (18) ∆ϕ ( r ) = ∆ϕ ( x, y, z ) = ϕ2 ( x, y, z ) − ϕ1 ( x, y, z ) Abb. 2 zeigt ein Beispiel für den Fall der Überlagerung von zwei Wellen mit schwach gekrümmten Wellenfronten. 2.4 Interferometrische Messung der Brechzahl von Glas Mithilfe eines Interferometers lässt sich die Brechzahl nG von Glas bestimmen. Zur Erläuterung des Messprinzips betrachten wir gem. Abb. 8 den Durchgang einer ebenen Lichtwelle durch eine planparallele Glasplatte, die aus Glas mit der Brechzahl nG hergestellt wurde. Die Platte sei in einem Arm eines MICHELSON-Interferometers montiert und kann senkrecht zur optischen Achse um die Achse D gedreht werden, die vertikal in der Frontfläche der Platte verläuft. Beim Durchgang durch die Glasplatte erfährt die Lichtwelle eine vom Einfallswinkel α abhängige Phasenverzögerung, die wir nun berechnen wollen. Dazu vergleichen wir die Situation mit Glasplatte mit der ohne Glasplatte im Interferometerarm. Ohne Glasplatte legt die Lichtwelle E in Luft (Index L) vom Punkt D bis zum Punkt C (Punkt auf der Bezugsebene S) den optischen Weg (19) = sL nL DC ≈ DC zurück, wobei nL die Brechzahl von Luft ist, für die wir in guter Näherung nL ≈ 1 setzen können. Mit Glasplatte (Index G) ist der optische Weg vom Punkt D bis zum Punkt F auf der Bezugsebene S (20) sG = nG DB + nL BF ≈ nG DB + BF Die optische Wegdifferenz ist demnach (21) ∆s = sL − sG = DC − nG DB − BF Daraus folgt für die Phasendifferenz ∆ϕ′ am Ort der Bezugsebene S zwischen den Fällen mit / ohne Glasplatte: 189 (22) Δϕ ' = 2π Δs λ0 Da das Licht im MICHELSON-Interferometer die genannten Strecken auf dem Hin- und Rückweg durchläuft, folgt schließlich für die gesamte Phasendifferenz: (23) 4π 4π Δϕ =2∆ϕ ' = Δs = DC − nG DB − BF λ0 λ0 ( ) S d β A E α D L nL F B C nG Abb. 8: Lichtdurchgang durch eine planparallele Glasplatte der Dicke d. E: einfallende ebene Lichtwelle, L: Lot auf die Grenzfläche Luft / Glas, D: Drehachse (rot), S: Bezugsebene. Diese Größe gilt es nun als Funktion des Einfallswinkels α zu bestimmen. Aus der Skizze in Abb. 8 lassen sich folgende Beziehungen ablesen: = DC d d = DB = BF BC sin α cos α cos β (24) BC + AB tan α = d AB tan β = d → BC =d ( tan α − tan β ) Einsetzen von Gl. (24) in Gl. (23) ergibt: (25) Δϕ = 1 1 d − nG − sin α ( tan α − tan β ) cos β λ0 cos α 4π Den Winkel β kann man durch Anwendung des Brechungsgesetzes eliminieren. Es lautet mit nL ≈ 1: (26) sin β = sin α nG 190 Daraus folgt (27) sin 2 α 1 cos β =− 1 = nG2 − sin 2 α 2 nG nG Durch Einsetzen von Gl. (26) und (27) in Gl. (25) und Ersetzen der tan-Funktionen durch den Quotienten aus sin- und cos-Funktionen folgt schließlich: (28) 1 nG2 4π 1 1 Δϕ = d − − sin 2 α − λ0 cos α cos α nG2 − sin 2 α nG2 − sin 2 α Bringt man alle Terme auf den Hauptnenner cos α nG2 − sin 2 α so folgt schließlich nach wenigen Umrechnungen Δϕ (29) = 4π λ0 ( d cos α − nG2 − sin 2 α ) Für den Einfallswinkel α = 0° (senkrechter Einfall auf die Glasplatte) ist (30) Δ= ϕ ( 0) 4π λ0 d (1 − nG ) Zieht man diese Phasendifferenz von dem Wert für ∆ϕ aus Gl. (29) ab, so erhält man die gesuchte Phasenverzögerung ∆ϕG, die die Lichtwelle bei Durchgang durch die Glasplatte bekannter Dicke d als Funktion des Einfallswinkels α erfährt: (31) ΔϕG (α ) = 4π λ0 ( d cos α − nG2 − sin 2 α − 1 + nG ) 191 3 Versuchsdurchführung Zubehör: Helium-Neon-Laser (5 mW Lichtleistung) in Fein-Justierhalterung auf Dreieckschiene (Länge 1,5 m), Strahlaufweitungssystem (Mikroskopobjektiv × 20, Pinhole mit Durchmesser 30 µm, Kollimationslinse f = 200 mm), Irisblende, Interferometer-Grundplatte, Strahlteilerwürfel 25 × 25 ×25 mm3 in Halterung, Spiegel in verstellbarer Halterung, Piezo-Translator (Typ PHYSIK INSTRUMENTE P-171.00) mit magnetisch gehaltenem Spiegel (Ø 10 mm) in verstellbarer Halterung, Hochspannungsnetzgerät (0 - 1000) V mit Hochspannungskabel für Piezo-Translator, planparallele Glasplatte (Dicke d = 4,92 mm, Fehler vernachlässigbar) in verstellbarer Halterung auf Drehtisch (THORLABS PR01/M), CCD-Kamera DMK 21AF04 (640 × 480 Pixel, Pixelgröße 5.6 × 5.6 µm2) mit Firewire-Schnittstelle, Rohr für CCD-Kamera als Streulichtschutz, PC mit FireWire-Schnittstelle, Gasfeuerzeug, Neutralfilterrad (Graufilterrad), Reiter, Stativstangen, Beobachtungsschirm, Werkzeug, Labortischlampe, Taschenlampe, 2 Stücke schwarze Pappe (ca. 20 × 20 cm2). Achtung: Beim Umgang mit Laserlicht muss darauf geachtet werden, dass weder der Laserstrahl direkt, noch reflektierte Strahlen von Linsenoberflächen, Metallflächen usw. in die Augen gelangen. Es besteht die Gefahr der Netzhautzerstörung durch lokal extrem hohe Intensitäten! Der Laserstrahl muss immer in einer Höhe unter ca. 1,2 m gehalten werden! Niemals direkt in einen unaufgeweiteten Laserstrahl blicken! Hinweise: - Das Teilungsverhältnis des verwendeten Strahlteilerwürfels hängt in geringem Maße von der Polarisationsrichtung des einfallenden Lichtes ab. Der Laser wurde deshalb vorab von der Technischen Assistenz so ausgerichtet, dass er unter 45° linear polarisiertes Licht emittiert. In diesem Fall ist das Teilungsverhältnis etwa 1:1. - Um zu vernünftigen quantitativen Ergebnissen zu kommen, muss am Eingang des Interferometers eine ebene Lichtwelle vorliegen. Eine solche Welle lässt sich mithilfe eines präzise justierten Strahlaufweitungssystems herstellen, dessen Funktionsprinzip aus den Versuchen zur Beugung bekannt ist. Seine Justierung erfolgte zusammen mit der Justierung des Lasers vor Versuchsbeginn durch die technische Assistenz. Um die zeitaufwändigen Einstellungen nicht zunichtezumachen, dürfen die Justierschrauben des Lasers und des Strahlaufweitungssystems während des Versuches nicht verstellt werden! - Alle zum Aufbau des Interferometers verwendeten Bauteile müssen fest montiert sein, damit keine äußeren Störungen (Bodenerschütterungen, Luftbewegungen) auf das Interferometer übertragen werden, die dazu führen, dass die eingestellten Interferenzmuster fluktuieren (die Streifen „wackeln“). - Aus dem gleichen Grund müssen größere nicht benötigte Komponenten vom Tisch entfernt werden. 3.1 Aufbau und Justage des Interferometers Zunächst wird das MICHELSON-Interferometer gem. Abb. 3 aufgebaut. Hinter das vorjustierte Aufweitungssystem AW wird die Interferometer-Grundplatte auf die Dreieckschiene aufgesetzt und darauf der Strahlteilerwürfel ST, der Spiegel SP1 und der Spiegel SP2 (Spiegel auf Piezo-Translator) montiert. Der in einem Arm des Interferometers montierte Drehtisch bleibt zunächst leer. Die Begrenzungsflächen von ST erzeugen trotz Antireflexbeschichtung schwache Lichtreflexe, die auf der Blende B beobachtet werden können. ST wird so justiert, dass diese Reflexe nicht direkt in die Öffnung von B zurücklaufen, sondern etwas außerhalb liegen (Abb. 9). Durch diese bewusste Dejustage wird erreicht, dass die von den Reflexen verursachten parasitären Interferenzerscheinungen das später zu beobachtende Interferenzmuster möglichst wenig stören. Beide Spiegel werden nacheinander so justiert, dass die von ihnen reflektierten Wellen auf dem Beobachtungsschirm BS an der gleichen Position erscheinen. Gleichzeitig sollen die von den Spiegeln verursachten Reflexe nicht direkt in die Öffnung von B zurücklaufen, sondern ebenfalls etwas außerhalb liegen (s. Abb. 9), um auch hier parasitäre Interferenzerscheinungen zu minimieren. Die Spiegeljustage 192 gelingt am besten, indem die Wellen während der Justage abwechselnd mit einem Stück schwarzer Pappe vorsichtig abgedeckt werden. Abb. 9: Blende B (grau) mit darauf sichtbarem Lichtreflex (rot) von der Frontfläche des Strahlteilerwürfels oder einem der Spiegel. Die größte Breite des sichelförmigen Reflexes soll etwa (1 – 2) mm betragen. Anschließend wird der Beobachtungsschirm BS entfernt und durch die CCD-Kamera ersetzt. Vor die Kamera wird ein Rohr montiert, mit dem Streulicht aus der Umgebung weitgehend abgeschirmt wird. Zur Darstellung des Bildes der Kamera auf dem PC-Monitor wird das aus früheren Versuchen bekannte Matlab-Skript BildEinlesen.m verwendet. Die Kameraparameter werden so eingestellt, dass die Intensität des Bildes weder über- noch untersteuert ist. Gegebenenfalls muss ein Neutralfilterrad zur Abschwächung der Intensität des Lasers eingesetzt werden. Nach diesen Vorbereitungen werden die Spiegel SP1 und SP2 feinjustiert. Ziel ist die Erzeugung eines Interferenzmusters mit etwa 4 - 5 parallelen, horizontal ausgerichteten Interferenzstreifen auf dem Sensor der CCD-Kamera. Nachdem diese Justierung erfolgt ist, wird ein exemplarisches Interferenzstreifenbild gespeichert und dem späteren Versuchsprotokoll beigefügt. Die Speicherung von Kamerabildern erfolgt grundsätzlich nur im persönlichen Verzeichnis O:\GPRnn\Name, wobei „nn“ für die Nummer der Praktikumsgruppe und „Name“ für das persönliche Unterverzeichnis steht. Hinweis: Vor dem CCD-Sensor der Kamera befindet sich eine dünne Glasplatte, die den Sensor vor Beschädigungen und Verunreinigungen schützt. An der Vorder- und Rückseite dieser Glasplatte wird ein Teil des einfallenden Lichtes mehrfach reflektiert (siehe FRESNELsche Formeln im Versuch Polarisation von Licht). Diese reflektierten Anteile interferieren und sorgen für zusätzliche parasitäre Interferenzerscheinungen. Das beobachtbare Interferenzmuster enthält deshalb gegenüber einem idealen Muster (Abb. 6) eine Reihe von Störungen, die die durchzuführenden Messungen jedoch nicht beeinflussen. 3.2 Interferenzmuster bei Lichtdurchgang durch ein Luftvolumen mit räumlich variierender Brechzahl Aus einem Gasfeuerzeug wird etwas Gas in einen der Interferometerarme eingelassen, ohne das Gas zu zünden. Das Feuerzeuggas hat eine andere Dichte und Temperatur als die umgebende Luft, wodurch in dem Interferometerarm eine fluktuierende Brechzahlverteilung n(x,y,z) erzeugt wird. Dadurch wird die Wellenfront des durchlaufenden Lichtes verformt (s. Abb. 7), wodurch sich ein Interferenzmuster ähnlich wie in Abb. 2 einstellt. Ein exemplarisches Interferenzmuster wird gespeichert und später dem Versuchsprotokoll beigefügt. Da eine quantitative Auswertung eines solchen Interferenzmusters den Umfang eines Praktikumversuches sprengen würde, ist eine qualitative Analyse ausreichend. 3.3 Messung der Ausdehnung eines Piezo-Translators als Funktion der angelegten elektrischen Spannung (Elektrostriktion) Die Spiegel des Interferometers werden nun so justiert, dass auf dem Sensor der CCD-Kamera etwa 5 parallele, vertikal ausgerichtete Interferenzstreifen zu sehen sind. Ein Spiegel des Interferometers (SP2) ist auf einem piezoelektrischen Translator (kurz: Piezo-Translator oder Piezo-Aktuator oder Piezo-Aktor) montiert. Dieser Translator enthält einen piezoelektrischen Kristall, der sich als Folge der Elektrostriktion beim Anlegen einer elektrischen Spannung in z-Richtung ausdehnt. Dadurch wird der Spiegel in Richtung 193 des Strahlteilers ST verschoben, die Strecke l2 (Abb. 3) wird also kürzer und es kommt nach Gl. (17) zu einer Änderung der Phase ϕ0. Wird die Strecke l2 um mλ/2 verkürzt ( m ∈ ), ändert sich der Laufweg der Welle E2 um mλ, die Phase ϕ0 also um m2π, denn E2 durchläuft den Interferometerarm zweimal (in Hin- und Rückrichtung). In diesem Fall sieht das Interferenzmuster auf dem Sensor der CCD-Kamera wieder genauso aus, wie vor dem Spiegelversatz, es ist lediglich um m volle Perioden verschoben. Für alle anderen Änderungen der Strecke l2 ist das entstehende Interferenzmuster gegenüber der Ausgangssituation parallel verschoben (s. Abb. 6). Ziel des folgenden Versuches ist es, die Ausdehnung d des Piezo-Translators und damit die Verschiebung des Spiegels SP2 als Funktion der angelegten elektrischen Spannung U zu messen. Dabei wird sich ein Hystereseverhalten der Ausdehnung herausstellen, das auf Polarisationseffekte im Piezokristall zurückzuführen ist. Eine bestimmte Ausdehnung d0 des Piezo-Translators wird deshalb bei zwei unterschiedlichen Spannungen U1 und U2 erreicht, je nachdem, ob die angelegte Spannung U vorher höher oder niedriger war. 2 Die Spannung U wird einem Hochspannungsgerät entnommen. U ist negativ und kann im Bereich 0 V bis - 1000 V variiert werden. Das Potentiometer zum Einstellen der Spannung wird auf „0“ gestellt, erst danach wird das Gerät eingeschaltet. Anschließend wird im Bild der Image Cursor aktiviert und so positioniert, dass die Lage der Interferenzstreifen relativ zum Cursor gut abgelesen werden kann (Abb. 10). Abb. 10: Interferenzstreifenmuster mit aktiviertem Image Cursor. Die Hochspannung wird nun langsam monoton erniedrigt, wodurch das Interferenzmuster gegenüber dem Image Cursor parallel verschoben wird. Die Spannung U, bei der das Interferenzstreifensystem 2 Für die durchzuführenden Versuche ist es deshalb erforderlich, innerhalb einer Messreihe die Spannung zunächst nur monoton zu erniedrigen und später nur monoton zu erhöhen. 194 gerade um einen Streifenabstand (entsprechend einer Phasenänderung von ∆ϕ0 = 1 × 2π) verschoben wurde, wird notiert. Die zugehörige Spiegelverschiebung ist d = 1 × λ/2. Anschließend wird die Spannung weiter monoton erniedrigt und der nächste Spannungswert gesucht und notiert, bei dem das Interferenzmuster um einen weiteren Streifenabstand (∆ϕ0 = 2 × 2π, d = 2 × λ/2) verschoben wurde. Dies wird bei monotoner Spannungserniedrigung so oft wiederholt, bis die minimale Ausgangsspannung von ca. - 1000 V erreicht ist. Danach wird die gleiche Messung in umgekehrter Richtung durchgeführt, d. h. durch monotones Erhöhen der Spannung U werden die Spannungswerte gesucht und notiert, bei denen das Interferenzmuster wiederum um m Streifenabstände (entsprechend ∆ϕ0 = m2π) gegenüber der Ausgangssituation verschoben ist, diesmal jedoch in anderer Richtung. Anschließend wird d über U aufgetragen und die erhaltene Kurve wird interpretiert. Frage 2: - Wie groß ist etwa die maximale Ausdehnung dmax, die für den Piezo-Translator erreicht werden kann? - Welche Spannungsdifferenz ∆U führt in der Umgebung von U ≈ - 500 V bei Spannungserniedrigung zu einer Ausdehnung des Piezo-Translators um λ? 3.4 Messung der Brechzahl eines Glases Gemäß der Erläuterungen in Kap. 2.4 wird eine planparallele Glasplatte der Dicke d in einer verstellbaren Halterung auf einem Drehtisch (Abb. 11) in den Arm des Interferometers eingebracht, in dem sich der Spiegel SP2 befindet. Abb. 11: Drehtisch THORLABS PR01/M Die Glasplatte muss zunächst so ausgerichtet werden, dass α = 0° ist 3. Diese Justage muss sehr sorgfältig erfolgen, um später zu guten Ergebnissen zu kommen. Folgende Schritte sind dazu erforderlich: - Glasplatte zunächst außerhalb des Interferometers belassen. - Spiegel SP1 mit Pappe abdecken. - Blende B auf kleinsten Durchmesser einstellen; Reflex vom Spiegel SP2 im Kamerabild beobachten. Kamera so justieren, dass der Reflex in der Bildmitte erscheint. Horizontale Mittenposition des Reflexes mit dem vertikalen Image Cursor markieren (Abb. 12 links). 3 Bei der Justage des Interferometers wird der Spiegel SP2 leicht verkippt. Fällt demnach die von ST kommende Lichtwelle unter dem Winkel α = 0° auf die Glasplatte, so trifft das aufgrund der Verkippung für die von SP2 reflektierte Lichtwelle nicht zu. Dieser Effekt hat jedoch nur so geringe Auswirkungen, dass er hier vernachlässigt werden kann. 195 Abb. 12: Links: Zentriert ausgerichteter Reflex vom Spiegels SP2 bei maximal geschlossener Blende B und abgedecktem Spiegel SP1. Rote Linie: Image Cursor durch die horizontale Bildmitte. Rechts: Reflex von der Glasplatte bei maximal geschlossener Blende B und abgedeckten Spiegeln SP1 und SP2. Die Glasplatte wird so justiert, dass der Reflex mittig zum Image Cursor liegt. - Glasplatte in verstellbarer Halterung in Drehtisch einsetzen. Fein-Verstellschraube am Drehtisch (Abb. 11) in die Skalenposition „0“ bringen 4 (mit Fingerspitzengefühl!), Feststellschraube des Drehtisches lösen. - Spiegel SP2 ebenfalls mit Pappe abdecken und den Reflex von der Glasplatte auf dem Kamerabild beobachten. Da der Reflex sehr lichtschwach ist, muss die Belichtungszeit der Kamera erhöht und am Graufilterrad der Filter kleinster optischer Dichte eingestellt werden. - Grundplatte des Drehtisches so drehen und Halterung der Glasplatte so justieren, dass der Reflex von der Glasplatte mittig um den Image Cursor liegt (Abb. 12 rechts). - Feststellschraube am Drehtisch fixieren. - Pappen entfernen, Belichtungszeit und Neutralfilterrad wieder passend einstellen. Nach dieser Justage gilt für die Stellung der Glasplatte: (32) α = α 0 := 0° Wie beim Versuch 3.2 wird der Spiegel SP1 (nur der!) so justiert, dass etwa 5 vertikal ausgerichtete, parallele Interferenzstreifen auf dem Sensor der CCD-Kamera zu sehen sind. Anschließend wird der Drehtisch mithilfe der gegen den Uhrzeigersinn gedrehten Fein-Verstellschraube vorsichtig soweit gedreht, bis sich das Interferenzmuster um einen Streifenabstand seitlich verschoben hat. Dies entspricht wiederum einer Phasenänderung von ∆ϕG = 1 × 2π. Der zugehörige Einfallswinkel α1 errechnet sich aus dem Verstellweg s an der Fein-Verstellschraube und dem wirksamen Radius r des Drehtisches nach (33) s α1 = arctan r Der Verstellweg s ergibt sich aus den abgelesenen Skalenteilen SKT an der Fein-Verstellschraube. Unter Berücksichtigung von deren Gewindesteigung 5 und der Skalenteilung 6 folgt: (34) = s 2,54 mm × SKT 4 5 6 Dazu dreht man die Fein-Verstellschraube im Uhrzeigersinn etwas über die Skalenposition „0“ hinaus und dreht sie dann gegen den Uhrzeigersinn auf den Wert „0“ zurück. Dadurch eliminiert man den Einfluss des „Spiels“ der Gewindespindel. Die Gewindesteigung beträgt 0,635 mm pro Umdrehung, Fehler vernachlässigbar. 1 Umdrehung entspricht 0,25 SKT. 1 Umdrehung ist unterteilt in 25 Teilstriche. 1 Teilstrich entspricht 0,01 SKT. 196 Der wirksame Radius des Drehtisches ist (Fehler vernachlässigbar): (35) r = 36,32 mm . Durch Weiterdrehen des Tisches bis zur Phasendifferenz ∆ϕG = 2 × 2π erhält man die Winkelposition α2, durch Weiterdrehen bis zur Phasendifferenz ∆ϕG = 3 × 2π die Winkelposition α3 usw. Die Messung wird bis zum Winkel α5 durchgeführt. Da der Winkelzuwachs pro Phasenänderung um 2π mit zunehmendem Winkel α immer kleiner wird, werden anschließend weitere acht bis zehn Werte für α aufgenommen (α6 - α15), für die das Interferenzstreifensystem um jeweils zwei Streifenabstände verschoben wurde, die Phasendifferenz also um jeweils 4π zugenommen hat. Schließlich wird ∆ϕG (αi) = - m 2π (siehe 7) über αi ( m ∈ ) aufgetragen und durch einen nichtlinearen Funktionsfit mit der Zielfunktion aus Gl. (31) die Brechzahl nG bestimmt. 7 Das Minuszeichen rührt daher, dass die Lichtgeschwindigkeit in Glas kleiner ist als in Luft. ∆ϕG ist demnach eine Phasenverzögerung (s. Gl. (31)). Empfohlene Werte ausgewählter physikalischer Konstanten (Stand 2010) Konstante Atomare Masseeinheit Symbol u Wert 1,660 538 921 (73)⋅10-27 Einheit kg Avogadro-Konstante NA 6,022 141 29 (27)⋅1023 mol-1 Boltzmann-Konstante k 1,380 6488 (13)⋅10-23 J/K Elektrische Feldkonstante: 1/(µ0c2) ε0 8,854 187 817...⋅10-12 As/(Vm) -19 Elementarladung e Faraday-Konstante F Gravitationskonstante G Lichtgeschwindigkeit im Vakuum c Magnetische Feldkonstante: 4π⋅10-7 µ0 1,256 637 061…⋅10-6 Vs/(Am) Molare Gaskonstante R 8,314 4621 (75) J/(mol K) Plancksche Konstante h 6,626 069 57(29)⋅10-34 Js Ruhemasse des Elektrons me 9,109 382 91(40)⋅10-31 kg Ruhemasse des Neutrons mn 1,674 927 351 (74)⋅10 -27 kg Ruhemasse des Protons mp 1,672 621 777 (74)⋅10-27 kg Standard-Erdbeschleunigung g 9,80665 1,602 176 565 (35)⋅10 96 485,3365 (21) 1 Bemerkung exakt As C/mol 6,673 84 (80)⋅10-11 m3/(s2kg) 2,99792458⋅108 m/s m/s2 exakt exakt exakt (Definition) Die in Klammern stehenden Zahlen geben die einfache Standardabweichung in Einheiten der letzten Dezimalen an. Präfixe Faktor 10 deci 10-2 centi -3 10 Symbol Faktor Name Symbol d 1 10 deka da c 102 hecto h 3 kilo k 6 milli m 10 -6 micro µ 10 mega M 10-9 nano n 109 10 giga G 12 tera T -12 pico p 10 10-15 femto f 1015 peta P a 18 exa E 21 10 1 Name -1 10 -18 10 -21 zepto z 10 zetta Z 10-24 yocto y 1024 yotta Y atto 10 Quelle: Mohr, P. J.; Taylor, B. N.; Nevell, D. B.: "CODATA Recommended Values of the Fundamental Physical Constants: 2010", Rev. Mod. Phys. 84(4), 1527-1605 (2012). Siehe auch: http://physics.nist.gov/cuu/Constants/index.html.