Vortragsreihe „Quo vadis, Kinderbuch? – Gegenwart und Zukunft der Literatur für junge Leser“ LMU München, Studiengang Buchwissenschaft WS 2008/2009 Datum: 18.11.2008 Zeit: 18–20 Uhr Ort: Schellingstraße 3, Rgb., Raum 306 Protokollantin: Susan Sedlick Vortragende: Katrin Maschke (Buchhändlerin Buchhandlung Waldmann, München; Jugendbuchjury DJLP 2007/2008) Thema: Der Buchhandel: Das Tor zum Lesen Bevor Frau Maschke ihren Vortrag beginnt, sind zur Einstimmung Fotos eingeblendet, welche die vielfältigen Aktionen zeigen, die sie zusammen mit Autoren von Kinder- und Jugendbüchern in ihrer Buchhandlung und in Schulen durchführt. In ihrer 20-jährigen Tätigkeit als Buchhändlerin entwickelte Frau Maschke ein immer größeres Interesse am Jugendbuch, weil es in der Position zwischen Kinderbuch und dem Buch für Erwachsene eher vernachlässigt wird. Dabei entdeckte sie die große Vielfalt in diesem Bereich und engagiert sich, indem sie zunächst in ihrer Buchhandlung an den entsprechenden Regalen Rezensionen befestigt, Schmökertipps zusammenstellt und verbreitet sowie Aktionen rund ums Lesen initiiert. Dieses Engagement mündet dann im Jahre 2007 in ihre Mitgliedschaft in der Jury des Deutschen Jugendliteraturpreises. Frau Maschke formuliert das Motto des Abends um in „Die Buchhandlung: Das Tor zum Leben“ und beruft sich dabei auf das folgende Zitat von Mirjam Pressler: „Lesen lernen heißt leben lernen.“ Um diese Vorzüge des Buches allgemein und speziell des Kinder- und Jugendbuches zu vermitteln, bildet Frau Maschke eine besonders engagierte Schnittstelle zwischen den Verlagen und den Käufern. Die Herausforderung besteht aber genau darin, denn laut einer Studie des „Arbeitskreises Jugendbuchverlage“ von 2007 sind nur 5,7 % der Käufer 1 in der entsprechenden Altersgruppe von 10–19 Jahren. Die weit größere Käuferschicht bilden die Eltern (die 30–49-Jährigen) sowie die Großeltern (die 60–69-Jährigen) – somit gilt das Jugendbuch nach wie vor als Geschenkbuch. Dementsprechend ist das Design der Bücher auch auf diese Käufergruppe abgestimmt. Darüber hinaus ist der Großteil der Bücherkäufer weiblich. In der Altersgruppe der 16–19Jährigen ist dies bei 84 % der Fall. Dies setzt sich weiter fort, denn auch in allen anderen Altersgruppen stellen die Frauen die überwiegende Käuferschicht für Jugendbücher. Dies hat zur Folge, dass bei der Buchauswahl, besonders für Jungen, auch die (ästhetischen) Vorstellungen von Frauen zum Tragen kommen, die sich deutlich von denen der Jungen oder der Bücher kaufenden Männer unterscheiden. Darin, dass Bücher also „frauenbesetzt“ sind, ist ein Grund zu sehen, weshalb Jungen der Zugang zum Buch erschwert wird. Ebenso ist es insgesamt eher schwierig, den Wunsch nach Büchern bei Jugendlichen zu wecken, bzw. ist die Konzentration darauf auf Seiten der Verlage eher gering. Außer bei Phänomenen wie „Tintenherz“, „Harry Potter“ oder „Eragon“ werde ohnehin kaum Werbung für Jugendbücher gemacht, wobei es sich vermutlich lohnen würde, da die Kaufkraft der 6– 13-Jährigen schon sechs Milliarden Euro im Jahr beträgt und in der Käuferschicht der bis 17-Jährigen sogar noch steigt. Allerdings ist es nicht ganz einfach, die Jugendlichen mit der Werbung zu erreichen, weil beispielsweise das Internet dafür als wenig geeignet gilt, wenngleich es nicht grundsätzlich als „Gefahr“ oder Konkurrenz für Bücher angesehen werden kann. Werbung im Fernsehen hingegen ist zu teuer und würde durch den so initiierten Mehrverkauf der Bücher die für die Werbung investierten Kosten nicht decken. Insofern sind dann Buchhändler wie Frau Maschke gefragt, welche die Bücher in ihrem Geschäft entsprechend spannend inszenieren oder/und die Zielgruppe aufsuchen und beispielsweise Aktivitäten in Schulen veranstalten. Dabei finden nicht nur Autorenlesungen statt, sondern Schüler arbeiten aktiv mit, um Projekte rund ums Buch, Lesenächte oder Sachbuchthemen anschaulich und jugendgerecht zu gestalten. Frau Maschke bietet in ihrem Geschäft auch Lesezirkel an oder lädt Schulklassen in den Laden ein. Darüber hinaus stellt sie mithilfe von Verlagen sogenannte Bücherkoffer für Schulen oder verschiedene Themen zusammen, um auch so den Jugendlichen Einblicke in die große Vielfalt von Jugendliteratur zu geben. Frau Maschke versucht auch, durch ihre selbst zusammengestellten Schmökertipps Jugendliche zum selbständigen Kauf zu animieren. Denn ihrer Meinung nach müsse man Jugendlichen auch Literatur anbieten, sonst verliere man sie später als Leser. Weiterhin solle man die Jugendlichen ihren eigenen Geschmack entwickeln 2 lassen, wobei durchaus auch „Schund“ gelesen werden dürfe, um so später vor diesem Hintergrund gute Bücher erkennen zu können. Die Erfahrung hat allerdings gezeigt, dass Kinder und Jugendliche die kritischsten Leser überhaupt sind, was die hohe Resonanz in Form von ausführlichen, teilweise rezensierenden E-Mails, Fragen und Diskussionen verdeutlicht. Da Frau Maschke Jurymitglied des Deutschen Jugendbuchpreises ist, ist es für das Publikum von Interesse zu erfahren, welche Kriterien und Mechanismen dazu führen, dass einem Buch der Jugendliteraturpreis verliehen wird. Für Frau Maschke bedeutet das vor allem, das ganze Jahr über extrem viel Lektüre zu bewältigen, um selbst Bücher vorzuschlagen, allerdings reichen auch Verlage geeignete Bücher ein. Allein aus der Sparte Jugendbuch – darüber hinaus gibt es noch die Sparten Bilderbuch, Kinderbuch und Sachbuch – beläuft sich die Auswahl auf ca. 160 Titel. Danach generiert jede Sparte ihre Longlist mit 20 Titeln. Diese Titel werden dann auch von den Juroren der anderen Sparten gelesen, bis nur noch die Liste der nominierten sechs Titel übrig bleibt. Grundsätzlich kann gesagt werden, dass diese Titel dann aktuelle Strömungen oder Innovationen auf dem Jugendbuchmarkt abbilden. Dieser Aspekt gehört ebenso zu den Kriterien wie die literarische Qualität und die Bildästhetik. Natürlich gelten für einen solchen Preis andere und vor allem abstraktere Kriterien als für einen Kunden im Laden, denn die nominierten Bücher zielen nicht auf die Bedürfnisse eines konkreten Lesers ab. Dennoch können diese Bücher uneingeschränkt empfohlen werden. In diesem Zusammenhang wurde gefragt, ob sich die Verkaufszahlen der nominierten bzw. ausgezeichneten Bücher erhöhen. Früher sei das der Fall gewesen, aber grundsätzlich hängt dies damit zusammen, welchen Stellenwert der Deutsche Jugendliteraturpreis beim Käufer hat. 3