Viele Innovationen auf dem Weg

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THEMEN DER ZEIT
ENDOSKOPISCHE VERFAHREN
Viele Innovationen auf dem Weg
Die Fortschritte in der interventionellen Endoskopie erschließen neue Anwendungsgebiete und tragen zu einer besseren Patientenversorgung bei.
a)
a) Rezidivadenom
des Coecums
mit Beteiligung
des Appendixabganges
b) Zustand nach
endoskopischer
Vollwandresektion mit
FTRD-System
(Fa. Ovesco) und
in situ befindlichem OTSC-Clip
lace. Auch die frühzeitige Erkennung und Therapie des Kolonkarzinoms habe von der hochauflösenden
endoskopischen Bildgebung profitiert. Tumoren, die vor wenigen Jahren noch chirurgisch entfernt werden
mussten, können inzwischen präzise
lokalisiert und endoskopisch entfernt werden.
Endoskopie im künstlichen
„3. Raum“
Beyna stellte unter anderem das
Verfahren der Endoskopie im „3.
Raum“ vor: Normalerweise trennt
die Wand des Magen-Darm-Traktes
den Innenraum des Magens und der
Speiseröhre von der freien Bauch-
Quelle: Prof. Dr. med. H. Neuhaus, Ev. Krankenhaus Düsseldorf
ahlreiche technische Neuerungen in der diagnostischen
und therapeutischen Endoskopie eröffnen dem endoskopisch tätigen
Arzt Anwendungsgebiete, die bisher den operativen Disziplinen vorbehalten waren. Im Vorfeld eines
internationalen Endoskopie-Kongresses* präsentierten Prof. Dr.
med. Horst Neuhaus, (Evangelisches Krankenhaus Düsseldorf,
EVK), Dr. med. Torsten Beyna
(EVK) und Prof. Dr. med. Michael
B. Wallace (Mayo Clinic, Jacksonville) innovative Technologien für
die gastrointestinale Endoskopie.
Wallace wies darauf hin, dass bei
Krebsvorstufen in der Speiseröhre –
Z
b)
Beispiel: Barrett-Ösophagus – noch
vor zehn Jahren die therapeutischen
endoskopischen Möglichkeiten sehr
gering waren. Krebsvorstufen mit
fortgeschrittener Zellentartung hatten eine operative Entfernung des
Ösophagus zur Folge. „Heutzutage
sind wir jedoch in der Lage, derartige Krebsvorstufen nicht nur präzise
nachzuweisen, sondern auch endoskopisch zu entfernen, um so die
Speiseröhre bei Krebsheilung vollständig zu erhalten“, erläuterte Wal*Pressekonferenz zum 17. Internationalen Endoskopie Symposium Düsseldorf, 5. bis 7. Februar 2015,
Tagungsleiter: Prof. Dr. med. Horst Neuhaus
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 112 | Heft 14 | 3. April 2015
höhle. Für die Intervention schaffen
sich die Ärzte mit dem Endoskop
einen künstlichen Raum zwischen
den Schichten der Magen-DarmWand, der mit Flüssigkeit aufgefüllt
und mit einem Endoskop freigelegt
und untersucht werden kann. „Dadurch haben wir die Möglichkeit,
direkt Zugänge zu darunter liegenden Veränderungen zu schaffen
oder auch darüber liegende Veränderungen zu entfernen“, erläuterte
Beyna. So lassen sich Veränderungen der darüber liegenden Schleimhaut entfernen, aber auch darunterliegende Tumoren, die vorher der
Endoskopie nicht so ohne Weiteres
zugänglich waren. Gleichzeitig hat
der Arzt direkten Zugriff auf die
Muskulatur des Magen-Darm-Traktes, die sonst unter der Schleimhaut
verborgen ist, und kann therapeutisch tätig werden.
Für die Entfernung von Veränderungen, die sich auf der Schleimhaut
im Magen-Darm-Trakt befinden,
komme die Technik der schnellen
einfachen endoskopischen Mukosaresektion für gutartige und kleine
Veränderungen sowie die endoskopische Submukosadissektion in Betracht, die auch die Entfernung großer, auf die Oberfläche beschränkter
Tumoren als Ganzes erlaube, erläuterte Beyna. Oft könne dadurch ein
chirurgischer Eingriff, etwa bei einem früh entdeckten Magenkarzinom, vermieden werden. Dabei wird
mit einem Kombinationsinstrument
ein Flüssigkeitsfilm in den 3. Raum,
die Submukosa, eingespritzt, um
den Tumor vom Untergewebe abzuschneiden und vollständig als Ganzes zu entfernen.
Bei Achalasie ist die Muskulatur
der Speiseröhre in ihrer Motilität gestört, und der untere Ösophagussphinkter entlässt die Nahrung nicht
geordnet in den Magen. Die Patienten leiden unter Schluckstörungen
und teilweise extremen Schmerzen
und Krämpfen, berichtete Beyna.
Alternativ zur chirurgischen Myotonie, die einen großen Eingriff für den
Patienten darstellt, lässt sich auch
hierbei das Verfahren der Endoskopie im 3. Raum anwenden: „Wir
schaffen uns mit dem Endoskop einen Zugang in die Wand der Speiseröhre, langstreckig, legen die Muskulatur frei und können diese auf endoskopischem Weg durchtrennen“,
erläuterte Beyna. Dabei wird wiederum ein Kombinationsinstrument
genutzt, um einen Wasserstrahl in
die Wand zu spritzten und gleichzei-
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tig mit einem Elektroimpuls zu
schneiden. Den kleinen Einschnitt in
die Muskulatur verschließt der Arzt
mit Metallclips.
Diese Technik wurde nochmals
weiter verfeinert: Inzwischen kann
man mit dem STER-Verfahren (submucosal tunneling endoscopic resection) auch Tumoren der Speiseröhre oder des Magens, die unter
oder in der Wand des Magen-DarmTraktes liegen und bis dato mit endoskopischen Verfahren nur sehr
eingeschränkt zugänglich waren,
durch einen endoskopisch in der
Wand geschaffenen Tunnel vollständig entfernen. Viele Tumoren, auch
in der oberen Speiseröhre, lassen
sich so ohne große Operation und
Öffnung des Brustkorbes behandeln.
Endoskopische
Vollwandresektion
Beyna stellte zudem ein erst kürzlich zugelassenes Verfahren vor,
das bei bestimmten Indikationen
die endoskopische Entfernung eines Teils der kompletten Darmwand ermöglicht. Manche Tumoren
lassen sich nicht endoskopisch abtragen, weil sie so mit dem Untergrund verwachsen sind, dass die
Wand des Magen-Darm-Traktes
vollständig entfernt werden muss.
Ein neu entwickeltes Endoskop mit
speziell aufgesetzter Kappe ermöglicht es, über ein in die Kappe integriertes Greifsystem den zu entfernenden Teil der Magen-DarmWand hereinzuziehen. Gleichzeitig
wird im unteren Bereich ein besonderer Verschlussmechanismus genutzt, um ein Loch in der Darmwand zu vermeiden (endoscopic
full thickness resection). Ein spezielles Klammersystem sorgt dabei
mittels Metallclips dafür, dass erst
der Verschluss gelegt wird, bevor
anschließend mit einem Schlingenkatheter die Wand per Elektroimpuls durchschnitten und die Magen-Darm-Wand abgetragen werden kann. Die ersten Ergebnisse
seien exzellent, berichtete Beyna.
Auch die Entwicklung des endoskopischen Ultraschalls entwickelt
sich zunehmend weg von einer rein
diagnostischen Methode. Längst
sind Verfahren wie die endosonographisch gesteuerte Punktion von
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Tumoren und die Drainage bei einem Aufstau der Gallengänge oder
Flüssigkeitsansammlungen in der
Bauchspeicheldrüse weit verbreitet.
Bei der endoskopischen Punktion
führt der Arzt über ein Nadelsystem
ein katheterbasiertes Mikroskop in
den Tumor ein, um diesen mikroskopisch zu untersuchen. Dadurch
lassen sich bös- und gutartige Veränderungen etwa an der Bauchspeicheldrüse besser diagnostizieren.
Tumoren der Gallenwege und des
Pankreas sind schwer zu behandeln,
weil sie häufig spät diagnostiziert
werden und eine vollständige chirurgische Entfernung dann nicht mehr
möglich ist. Häufig entwickeln die
Patienten einen Ikterus durch den
Verschluss der Gallenwege, verursacht durch das Tumorwachstum.
Inzwischen kann man die Gelbsucht
nicht nur über die Einlage von Stents
in die Gallenwege vermeiden. „Über
ein Kathetersystem, das direkt in die
Gallenwege eingeführt wird, ist Antitumortherapie möglich“, erläuterte
Beyna. Dazu nutzt man die endoskopische Radiofrequenz-Thermoablation: Hochfrequenzstrom erzeugt eine Hitzeverschorfung des Tumorgewebes im Gallengang, das lokale
Tumorwachstum wird eingedämmt.
In Studien wird derzeit geprüft, ob
über ein Endosonographie-Nadelsystem diese Therapie möglicherweise auch direkt in Tumoren der
Bauchspeicheldrüse durchgeführt
werden kann.
Endoskopische Therapie
des Diabetes
Als „bahnbrechend“ könnte sich
Beyna zufolge auch die endoskopische Therapie des Diabetes mellitus
Typ 2 erweisen. Bei dieser „Lifestyle-Erkrankung“ führt eine kohlenhydratreiche Ernährung mit einem
hohen Anteil an gesättigten Fettsäuren letztlich zur Umwandlung des
Metabolismus. Dabei kommt es, vereinfacht dargestellt, zu einer pathologischen Vermehrung von Zellen vor
allem in der Wand des oberen Dünndarms, die bestimmte Hormone (glucose-dependent insulinotropic peptide) produzieren und für diese Umwandlung verantwortlich sind. „Die
vermehrte Hormonproduktion führt
zu einer Resistenz des Körpers ge-
gen eigenes Insulin und mündet in
der Erschöpfung der endogenen Insulinreserve des Pankreas“, führte
Beyna aus. Bisher wird die Erkrankung durch Insulinsubstitution und
eine medikamentöse Beeinflussung
hormoneller Regelkreise zwischen
Blutzuckerspiegel, Bauchspeicheldrüse und hormonell aktiven Zellen
in der Wand des Zwölffingersdarms
therapiert.
c)
Mit einem neuen Verfahren, dem
duodenal mucosal resurfacing, wird
die Wand des Zwölffingerdarms endoskopisch verschorft und damit
die Menge der hormonproduzierenden Zellen radikal verringert. „Man
versucht, die veränderte Schleimhaut des Zwölffingerdarms wieder
auf Null zu setzen“, erläuterte Beyna. „Dabei wird mit einem speziellen Ballonsystem zunächst ein Flüssigkeitsfilm in die Wand des Zwölffingerdarms eingespritzt. Es hebt
sich die obere Schicht ab, die darunter liegenden Schichten bleiben
geschützt, und ein zweites Ballonsystem wird endoskopisch kontrolliert eingeführt. Der Ballon wird erhitzt, und auf diese Weise werden die oberflächlichen Zellschichten verschorft – sie sterben ab und
regenerieren neu.“ Idealerweise regenerieren sie ohne Produktion der
vermehrten hormonbildenden Zellen. In einer chilenischen Studie mit 30 Patienten konnte der
HbA -Wert nachhaltig um nahezu
1c
zwei Prozent gesenkt werden, was
äquivalent zu einer medikamentösen Dauertherapie ist. Allerdings
stehen große Studien mit Langzeit▄
daten noch aus.
c) Submuköser
Tunnel nach
endoskopischer
en-bloc-Resektion des Tumors
(endoskopische
Ansicht vom
proximalen
Ösophagus vor
Clipverschluss)
Heike E. Krüger-Brand
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 112 | Heft 14 | 3. April 2015
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