Pharma-News Das Journal für die Offizin Januar/Februar 2011 Nummer 80 Themenübersicht Editorial: immer mehr Nahrungsergänzungen… Neuheiten: ALLVITA® AUGEN BISOLVON® HOT DRINK Generika von SOLIAN® Nahrung für die Augen! Wer’s heiss nicht mag, trinkt’s kalt! Früher war ich schizophren. Heute geht es uns viel besser… Phytotherapie: VITANGO® Antistressmittel, getestet von der russischen Armee Wissenswertes: Zink Windpocken Warum ist dieses Spurenelement wichtig? Update In Kürze: CLOPIDOGREL – NICORETTE® - HYPERICUM MEPHA® - ONYSTER® RISPERDAL CONSTA® Tests Bild des Monats: Die Wirkung von Bisolvon® Hot Drink auf Tiere… Editorial Nahrungsergänzung oder Arzneimittel? Ende des Jahres wirft man gern einen Blick zurück und versucht, im Vergangenen die neuen Ideen und Tendenzen zu erfassen. Wir von den Pharma-News haben dabei das Gefühl, dass immer mehr Produkte auf den Markt drängen, deren Auftritt und Verpackung an Medikamente erinnert – obwohl sie es nicht sind (und um die Illusion zu vervollständigen, verkaufen wir diese Produkte meist auch in der Apotheke). Es handelt sich dabei aber um Nahrungsergänzungsmittel oder Medizinalprodukte, wie bereits in den letzten zwei PN-Ausgaben beschrieben - und auch in diesem Journal. Der Vorteil für die Firma ist ein vereinfachtes Registrierungsverfahren: Sie braucht die Wirksamkeit des Produktes nicht zu beweisen. Und der Vorteil für die Verbraucher? Den suchen wir eigentlich immer noch! Denn bei diesen Produkten fehlen uns häufig gesicherte Daten, um uns eine klare Meinung bilden zu können. Soll das ein Grund sein, sie in den PN links liegen zu lassen? Unser Vorsatz für 2011 ist es nun gerade, diese Produkte noch mehr als bisher kritisch zu untersuchen. Wir hoffen, Ihnen somit auch im neuen Jahr viele sinnvolle Informationen zu liefern. Mit unseren besten Wünschen für das Jahr 2011! Jérôme Berger Pierre Bossert Séverine Huguenin Julia Farina Caroline Mir Marie-Thérèse Guanter Germanier Martine Ruggli Neuheiten ALLVITA® AUGEN Gemäss Herstellerwerbung handelt es sich um ein Nahrungsergänzungsmittel "zur optimalen Versorgung des Auges mit essentiellen Nährstoffen". ALLVITA® AUGEN soll ausserdem "das Auge vor alters- und lichtbedingten Schädigungen schützen". Da das Produkt nicht als Medikament registriert wurde, gibt es keine offizielle Indikation und auch keine Überprüfung der Wirksamkeit durch Swissmedic.1 ALLVITA® AUGEN-Kapseln enthalten: ‐ Lutein und Zeaxanthin (Carotinoide) ‐ Omega-3-Fettsäuren: DHA und EPA ‐ Vitamine: E und C ‐ Spurenelemente: Kupfer, Selen und Zink. Die Zusammensetzung ist mit der von ähnlichen Mitteln vergleichbar, die bereits auf dem Markt sind, etwa VITALUX PLUS® oder OCUVITE LUTEIN® und OCUVITE OMEGA®, oder auch BURGESTEIN EYEVITAL®. Nichts Neues also! 1 Werbeschreiben Tentan AG © Pharma-News Seite 2 Nummer 80 Januar / Februar 2011 Zur Erinnerung: Vor ca. zehn Jahren wurde in den USA eine breite Studie (AREDS) bei Patienten mit altersbedingter Makuladegenaration durchgeführt (AMD, siehe Pharma-News Nr. 37, September 2006, nur auf Französisch). Aus dieser Studie schliesst der Medical Letter, dass hohe Dosen von Betacarotin, Vitamin C und E sowie Zink das Fortschreiten der AMD und bei gewissen Patienten den Verlust der Sehkraft verzögern. Allerdings ist das Ausmass dieser Wirkung bescheiden, und zu einem möglichen vorbeugenden Effekt liegen keine Daten vor.2 Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Dosierungen der auf dem Markt erhältlichen Präparate sehr viel niedriger sind als die, die im Rahmen der AREDS-Studie angewendet wurden.2 Derzeit wird in allen erhältlichen Präparaten das Betacarotin durch Lutein und Zeaxanthin ersetzt, da Ersteres in hohen Dosen das Lungenkrebsrisiko bei Rauchern zu erhöhen scheint.3 Ausserdem sind Studien im Gange, die für Lutein und Zeaxanthin eine ähnliche Wirksamkeit wie die von Betacarotin beweisen sollen. Wird ein solches Nahrungsergänzungsmittel in der Apotheke verlangt, sollten wir immer daran denken, dass hierzulande der Bedarf an Vitaminen und essentiellen Nährstoffen durch eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung in der Regel abdeckt werden kann. Von Interesse für den Verbraucher ist bei diesen Produkten hauptsächlich die Lutein-Zufuhr. Lutein findet man in Eigelb, in gelbem Gemüse (Mais, Karotten), in dunkelgrünem Blattgemüse (Spinat, Sauerampfer) sowie in Kürbis. Es wird ausserdem als Lebensmittelfarbe eingesetzt. ALLVITA® AUGEN-Tabletten enthalten Vitamin E und Spurenelemente (Kupfer, Selen, Zink), die den empfohlenen Tagesbedarf bereits abdecken und sollten deshalb nicht gleichzeitig mit anderen Multivitaminmineral-Präparaten wie z.B. SUPRADYN® eingenommen werden. Fazit: Die Wirksamkeit von Nahrungsergänzungsmitteln wie ALLVITA® AUGEN zur Prävention von alters- und lichtbedingten Augenschädigungen wurde bis heute nicht bewiesen. Bei Patienten mit AMD wurde hingegen eine bescheidene Wirksamkeit solcher Produkte auf Carotinoidbasis beobachtet. Aus unserer Sicht sind diese Produkte für Personen mit einer ausgewogenen Ernährung nicht nötig. Und bei Verdacht auf einseitige oder Mangel-Ernährung erscheint uns die Einnahme eines Präparates mit allen essentiellen Vitaminen und Spurenelementen sinnvoller. ALLVITA® AUGEN – wichtig für die Beratung: 9 9 9 9 2 3 Es handelt sich um ein Nahrungsergänzungsmittel mit Lutein, Vitamin E und C, Omega-3Fettsäuren und Spurenelementen Ähnliche Produkte sind bereits auf dem Markt erhältlich: VITALUX PLUS®, OCUVITE®, BURGERSTEIN EYEVITAL® Gemäss Hersteller soll das Präparat die Augen vor alters- und lichtbedingten Schädigungen schützen; bis jetzt wurde die Wirksamkeit dieser Nahrungsergänzungen aber nicht bewiesen In der Regel deckt eine ausgewogene Ernährung den Bedarf an den verschiedenen Inhaltsstoffen dieser Präparate ab http://www.grouperechercheactionsante.com/DMLA Apotheken-Magazin 10/2004 (uni-duesseldorf.de) © Pharma-News Seite 3 Nummer 80 Januar / Februar 2011 BISOLVON® HOT DRINK (Bromhexin) Rechtzeitig zum Winteranfang erscheint ein neues Medikament als Heissgetränk mit Zitronenaroma auf dem Markt: BISOLVON® HOT DRINK. Diesmal handelt es sich aber nicht um eine Kombination verschiedener Wirkstoffe zur Behandlung von Erkältungskrankheiten, sondern um ein Einzelpräparat mit dem schleimlösenden Wirkstoff Bromhexin.4 Eigentlich ist nur die galenische Form neu. BISOLVON® gibt es bereits als Sirup, als Lösung und in Tablettenform. All diese BISOLOVON®-Präparate werden bei Erkältungshusten und Atemwegserkrankungen mit übermässiger Schleimbildung eingesetzt.4 Schleimlösende Wirkstoffe (sog. Mukolytika) werden häufig verschrieben und in der Apotheke empfohlen. Es handelt sich dabei um Acetylcystein (FLUIMUCIL® u.a.), Carbocistein (RHINATHIOL® u.a.), Ambroxol (MUCOSOLVON® u.a.) sowie Bromhexin. Sie sollen den Schleim verflüssigen und das Abhusten des zähen Sekrets aus den Atemwegen (Nase und Bronchien) und somit die Atmung erleichtern.1,5 Ihre Wirksamkeit wird aber kontrovers beurteilt: - - Zur Erleichterung des Abhustens: keine messbare klinische Wirkung.6 Zur Behandlung der akuten Rhinosinusitis: keine erwiesene klinische Wirkung.7 Ein Nutzen könnte sich ergänzend zu Antibiotika bei der Behandlung von Lungenentzündungen beim Erwachsenen und beim Kind ergeben. Es gibt aber zu wenig Daten, um diese Empfehlung zu machen.8 Einzig bei der Behandlung der chronischen Bronchitis und der COPD scheinen die Studien einen klaren Nutzen bezüglich einer Verminderung der Exazerbationen aufzuweisen.9 Wie bei allen Hustenmitten gilt: Ist der Allgemeinzustand des Patienten schlecht (z.B. Husten mit hohem Fieber seit mehr als drei Tagen oder Husten, der schon länger als eine Woche andauert), sollte der Patient zum Arzt geschickt werden, um eine schwere Erkrankung wie z.B. eine Lungenentzündung auszuschliessen.4 Schleimlösende Arzneimittel sollten möglichst nicht mit Codein oder anderen Antitussiva kombiniert werden. Im Extremfall könnte nämlich ein Sekretstau einen Bronchospasmus und eine Infektion der Atemwege auslösen.4 Bromhexin kann magenreizend wirken und sollte nicht bei Patienten mit einem akuten oder früher aufgetretenen Magengeschwür angewendet werden.6 Das Ulcus-Risiko ist natürlich noch höher, wenn der Patient zusätzlich NSAR einnimmt.4 Für Erwachsene und Kinder über 10 Jahre beträgt die empfohlene Tagesdosis zwei Tabletten dreimal täglich. Die Tabletten werden in einem Glas mit heissem Wasser übergossen und lösen sich innerhalb von Sekunden auf. Unmittelbar nach dem Umrühren soll getrunken werden. Auch wenn der Name dies nicht vermuten lässt, lösen sich die Tabletten auch in kaltem Wasser auf und können als "Cold Drink" eingenommen werden.4 Entgegen der Werbeaussage ist BISOLVON® HOT 4 Arzneimittelkompendium der Schweiz 2010 Werbung "Bisolvon hot drink" 2010 6 La Revue Prescrire, 2009; 29 (314) (suppl. interactions médicamenteuses) : 227 7 Rev Med Suisse 2008; 4: 2560-2562 8 Cochrane Library 2010, Issue 10: "OTC medications to reduce cough as an adjunct to antibiotics for acute pneumonia in children and adults" 9 Cochrane Library 2010, Issue 2: "Mucolytic agents for chronic bronchitis or COPD" 5 © Pharma-News Seite 4 Nummer 80 Januar / Februar 2011 DRINK aber nicht "Das einzige Heissgetränk gegen Husten". Andere schleimlösende Präparate, wie z.B. FLUIMUCIL® oder SOLMUCOL®, können ebenfalls als Heissgetränk "genossen" werden.1,2 Angesichts der spärlichen Datenlage zur Wirksamkeit von Mukolytika kann aus unserer Sicht genauso gut ein Erkältungstee empfohlen werden. Ausschlaggebend für den schleimlösenden Effekt ist nämlich eine Erhöhung der Flüssigkeitszufuhr. BISOLVON® HOT DRINK – wichtig für die Beratung: 9 9 9 9 9 Brausetabletten, die einen schleimlösenden Wirkstoff als Einzelsubstanz enthalten Dreimal täglich zwei Tabletten in warmem oder kaltem Wasser gelöst trinken (ab 10 Jahre) Vorsicht bei einem akuten oder früher aufgetretenen Magengeschwür Auch andere auf dem Markt erhältliche Mukolytika können als Heissgetränk konsumiert werden Die klinische Wirksamkeit von Mukolytika wird im Allgemeinen kontrovers beurteilt AMISULPRID: Generika von SOLIAN® Die ersten Generika von SOLIAN® erobern den Schweizer Markt. Bei allen setzt sich der Markenname aus dem Wirkstoffnamen AMISULPRID® und dem Herstellernamen (Sandoz, Teva, Actavis, Winthrop, Rivopharm oder Mepha) zusammen. Die verfügbaren Stärken betragen meist 200 und 400 mg. Amisulprid ist ein atypisches Neuroleptikum, das seit über zehn Jahren in der Schweiz erhältlich ist und hauptsächlich zur Behandlung der akuten und chronischen Schizophrenie eingesetzt wird.Encadré 10 Zur Behandlung der chronischen Schizophrenie mit primär "Negativsymptomen" (sog. Defektsyndrom mit Affektverflachung, emotionalem und sozialen Rückzug) beträgt die empfohlene Tagesdosis 100 bis 300 mg und kann auf einmal eingenommen werden. Zur Beeinflussung von "Positivsymptomen" (wie Wahnvorstellungen, Halluzinationen, Denkstörungen, Feindseligkeit und Misstrauen) werden Dosen von 400 bis 800 mg pro Tag empfohlen, bei Bedarf sogar bis 1200 mg pro Schizophrenie: 10 Schizophrenie ist eine Psychose und als solche (im Gegensatz zur Neurose) dem Patienten nicht bewusst. Sie zeichnet sich durch Realitätsverlust, Wahnvorstellungen, Veränderungen der Gedanken, der Sprache und des Verhaltens aus. Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen. Die Krankheit bricht typischerweise vor dem 40. Lebensjahr aus, wobei Männer oft etwas früher (zwischen 20 und 25 Jahren) als Frauen (zwischen 25 und 35 Jahren) erkranken. Schizophrenie zeichnet sich durch Positivsymptome aus (d.h. neu hinzutretende Verhaltensweisen und Symptome): ▪ Sinnestäuschungen wie visuelle oder akustische Halluzinationen (der Patient ist überzeugt, dass das wahnhaft Vorgestellte tatsächlich geschieht) ▪ Wahnsymptomatik (gestörte Wahrnehmung der Realität. Wahn bedeutet unerschütterliche Überzeugung, die auch durch Fakten nicht zu widerlegen ist) ▪ Auflösung des Denkens und des Verhaltens, Gedankeneingebung sowie durch Negativsymptome (d.h. Abnahme von "normalen" Verhaltensweisen und Fähigkeiten): ▪ Dynamische Entleerung: Mangel an Motivation, resultierende Antriebsarmut, defizitäre Zukunftsplanung, bis hin zu weitgehender Perspektivlosigkeit ▪ Kognitive Defizite: das Denken wird kurzschrittig ▪ Motorische Defizite (Reduzierung von Mimik und Gestik) Diese unterschiedlich ausgeprägten Behinderungen führen zu Kontaktstörung, sozialem Rückzug und oft auch zu Invalidität. 10 www.vulgaris-medical.com/encyclopedie/schizophrenie-4160.html © Pharma-News Seite 5 Nummer 80 Januar / Februar 2011 Tag.11 Bei Tagesdosen über 300 mg Amisulprid sollte die jeweilige Tagesdosis auf mehrere Einnahmen (in der Regel zwei) verteilt werden. Verglichen mit Referenz-Neuroleptika, wie z.B. HALDOL®, FLUANXOL®, und RISPERDAL®, wird Amisulprid auch im oberen DosierungsbeWissenswertes… reich (zwischen 400 und 1200 mg täglich) in der Regel gut vertragen. Bei niedrigen Dosierungen In Vergleichsstudien war Amisulprid gleich wirksam wie relativ hohe Dosen der Referenzsubstanzen (HALDOL®, zwischen 50 und 300 mg pro Tag ist die VerträgFLUANXOL®, RISPERDAL®). Bei einer Dosierung von lichkeit von Amisulprid sogar vergleichbar mit 200 bis 800 mg pro Tag soll im Rahmen einer offenen Placebo.11 Studie mit chronischen Patienten über zwölf Monate mit Die wichtigsten unerwünschten Wirkungen sind die aller Neuroleptika:12 positiver oder gemischter Symptomatik Amisulprid sogar wirksamer als Haloperidol gewesen sein.11 • Extrapyramidale Symptome, die dosisabhängig auftreten: Schlafstörungen, Mundtrockenheit, Angst und Erregungszustände • Hyperprolaktinämie (Erhöhung des Prolaktinspiegels im Blut), welche vereinzelt zu klinischen Symptomen wie Galaktorrhoe, Gynäkomastie (Vergrösserung der Brustdrüse beim Mann), Menstruationsstörungen und Impotenz führen kann. • Gewichtzunahme, Hyperglykämie, Müdigkeit, Reizbarkeit, Hypotonie, Schläfrigkeit • Erhöhtes Schlaganfallrisiko, besonders bei älteren Patienten mit Demenz.13,14 Wegen des erhöhten Risikos für schwere Herzrhythmusstörungen wie "Torsade de pointes" darf Amisulprid nicht mit Antiarrhythmika wie z.B. CORDARONE® oder RYTMONORM®, oder mit gewissen Neuroleptika wie z.B. NOZINAN® oder PRAZINE® kombiniert werden.12 Wie bei allen Neuroleptika sollte eine Generikasubstitution bei bestehender Therapie vorher mit dem behandelnden Arzt abgesprochen werden. AMISULPRID – wichtig für die Beratung: 9 9 9 9 Generika von SOLIAN®, zugelassen zur Behandlung der akuten und chronischen Schizophrenie Individuelle Dosierung (höhere Dosen bei akuten Exazerbationen müssen auf mehrere, d.h. mindestens zwei Einnahmen verteilt werden) Vorsicht bei älteren Patienten Viele unerwünschte Wirkungen wie die anderer Neuroleptika. Allerdings scheinen diese Wirkungen im Vergleich zu Referenzsubstanzen bei niedriger Dosierung relativ gering. Phytotherapie VITANGO® (Rhodiola rosea) "Eine Wurzel mit dem Duft einer Rose gegen den Stress"… So betitelt das Journal Le Temps einen Artikel über das neue Phytotherapeutikum.15 11 Revue Médicale Suisse N° 716 publiée le 19/01/2000 Arzneimittelkompendium der Schweiz, Documed AG, Online 2010 13 La Revue Prescrire 2008; 28 (302; suppl. Interactions): 194-198 14 La Revue Prescrire 2009; 29 (308) : p. 427 12 © Pharma-News Seite 6 Nummer 80 Januar / Februar 2011 Diese Alpenpflanze ist im deutschsprachigen Raum wegen ihrer nach Rosen duftenden Wurzeln meist als Rosenwurz bekannt und gedeiht in Höhenlagen (in der Schweiz findet man sie über 1700 m). Zur Herstellung der medizinisch genutzten Extrakte in VITANGO® dienen die knollenförmigen Speicherwurzeln. Der Rosenwurz ist seit langem in der traditionellen Volksmedizin in Skandinavien und Russland für seine Wirkungen gegen die geistigen und körperlichen Symptome von Stress bekannt. Er soll körperliche Ausdauer, Arbeitsleistung, Erinnerungsvermögen, Konzentration und Aufnahmevermögen steigern. Die Wurzel wird als Tee verwendet oder gekaut. Das Interesse für die Pflanze ist aber erst ab dem Jahr 2003 so richtig erwacht, als festgestellt wurde, dass russische Soldaten diese Pflanze im Afghanistan-Krieg verwendet haben. Erst danach begann man, die Rosenwurz intensiver zu erforschen.16 Wie der Ginseng (siehe PN Nr. 21, Februar 2005, nur auf Französisch) gilt auch der Rosenwurz als eine adaptogene Heilpflanze. "Adaptogen" ist eine alternativ-medizinische Bezeichnung für pflanzliche Zubereitungen und Drogen, die dem Organismus helfen sollen, sich an Stresssituationen anzupassen und einen positiven Effekt bei Stress-induzierten Krankheiten ausüben.16,18 Gemäss Studien enthält diese Pflanze Hemmstoffe der MonoaminOxydase A. Zur Erinnerung: die antidepressive Wirkung von Moclobemid (AURORIX®) lässt sich auf die Hemmung dieses Enzyms zurückzuführen; ausserdem werden Hemmstoffe der Acetylcholinesterase (AcetylcholinesteraseHemmer) gegen die Alzheimer-Demenz eingesetzt.18 Rosenwurz soll den Stresswiderstand steigern, Müdigkeit bekämpfen und mentale Funktionen verbessern und auch die Erholungszeit zwischen intensiven Belastungsphasen verkürzen.16,17 Aufgrund des zunehmenden Marktinteresses und -wertes ist die Pflanze in den letzten Jahren seltener geworden. Immer häufiger werden Produkte im Internet angeboten, die andere Arten von Rhodiola enthalten und somit nicht die Wirkungen vom Rosenwurz haben.16 VITANGO® wird vorzugsweise vor dem Frühstück und vor dem Mittagessen eingenommen. Abends eingenommen kann es Schlafstörungen verursachen.16 In der russischen Tradition empfiehlt man, das Präparat 15 bis 20 Tage lang einzunehmen und dann zwei Wochen lang zu pausieren, bevor die Behandlung nötigenfalls weitergeführt wird.16 Bis anhin wurden weder schwerwiegende unerwünschte Wirkungen noch Interaktionen beschrieben. Es fehlt aber noch an Erfahrungen mit dem Präparat. Übelkeit und Mundtrockenheit werden manchmal beobachtet.18 Während der Schwangerschaft ist Rhodiola rosea mangels Untersuchungen zur Sicherheit der Anwendung kontraindiziert.16,18 Auch wenn diese Pflanze für gestresste und erschöpfte Patienten vielversprechend erscheint, braucht es noch Langzeitstudien, um ihre Wirksamkeit und Sicherheit zu belegen. 15 Le Temps, édition du 16 septembre 2010 Phytothérapie 2007; 3 : 26-27 17 Zeitschrift für Phytotherapie 2009; 30 : 136-137 18 Natural Medicines comprehensive database 2010; "roseroot" 16 © Pharma-News Seite 7 Nummer 80 Januar / Februar 2011 VITANGO® - wichtig für die Beratung: 9 9 9 9 9 9 Phytotherapeutikum, hergestellt aus den Speicherwurzeln der Rosenwurz (Rhodiola rosea) Soll gegen Stress und Müdigkeit wirken und die mentalen und physischen Funktionen verbessern Eine Tablette morgens und mittags vor dem Essen einnehmen Gemäss russischer Tradition das Präparat 15-20 Tage lang einnehmen und dann zwei Wochen pausieren Die einzige Kontraindikation bis jetzt betrifft die Schwangerschaft Unzureichende Datenlage, mehr Studien sind nötig Wissenswertes… ZINK-SUPPLEMENTIERUNG Das Metall Zink findet sich in geringen Mengen (insgesamt ca. 2 g) im menschlichen Organismus und gehört damit zu den essentiellen Spurenelementen (im Körper in äusserst tiefen Konzentrationen vorhandene Metalle oder Metalloide, die für das Funktionieren des Organismus unerlässlich sind). Zink ist in allen Zellen vorhanden, vor allem aber in den Nebennieren, der Haut, gewissen Hirnregionen, dem Pankreas, den Augen, der Prostata und im Sperma.19 Funktionen Zink ist ein Baustein zahlreicher Enzyme und für deren Funktionieren unentbehrlich. Auf diesem Umweg ist Zink am Metabolismus der Nukleinsäuren, Proteine und der Membranen beteiligt, interveniert im Zellwachstum und in der Zellteilung und spielt eine Rolle in der Aufrechterhaltung der Genstruktur. Zink ist wichtig für die Insulinspeicherung und unerlässlich für das reibungslose Funktionieren des Immunsystems.20 Im Allgemeinen beruhen Zink-abhängige Gesundheitsstörungen eher auf einem Mangel als auf einem Überschuss.21 Mangelerscheinungen20,22 • verminderte Geschmacksempfindung (Ageusie): es wird ein Zusammenhang zwischen Zinkmangel und Geschmacksstörungen vermutet. Es konnte aber bisher nicht erwiesen werden, dass Zink solche Störungen wirksam zum Verschwinden zu bringt.23 • Hautprobleme, vor allem verzögerte Wundheilung • Wachstums- und Sexualentwicklungsstörungen • erhöhte Infektionsanfälligkeit • Haarausfall 19 www.passeportsante.net www.sge-ssn.ch (Schweizerische Gesellschaft für Ernährung) 21 INRS, fiche toxicologique No 75 (2002), Zinc et composés minéraux 22 Nutrition. Principes et conseils, Masson, 2003, Laurent Chevallier 23 La Revue Prescrire; 2008, 28 (293): 191 20 © Pharma-News Seite 8 Nummer 80 Januar / Februar 2011 Besonders betroffen sind Alkoholiker, Diabetiker und Patienten mit Nieren- oder Verdauungsstörungen (z.B. Morbus Crohn).19 Gefahren einer Überdosierung Als maximale, unbedenkliche tägliche Zufuhrmenge von Zink gelten für Erwachsene 30 mg.20 Ein übermässiger Konsum von zinkhaltigen Nahrungszusätzen ist deshalb gefährlich. Die wichtigsten Symptome einer akuten Zinkvergiftung sind Magen-Darmstörungen und Fieber. Eine chronische Überdosierung äussert sich in Anämie und Kupfermangel.20 Encadré24 Empfohlene tägliche Zufuhr20 Mädchen 7 mg Kinder Mädchen 7 mg Jugendliche Frauen 7 mg Erwachsene 10 mg Schwangere 11 mg Stillende Knaben Knaben Männer 9,5 mg 10 mg 10 mg Nahrungsmittel als Zinkquelle Zink findet sich in zahlreichen Nahrungsmitteln: Fleisch (Schwein, Geflügel), Hülsenfrüchte, Nüsse, Meeresfrüchte (vor allem Austern), ganze Kerne (Kürbiskerne), Vollkorn- und Milchprodukte.25 Zink tierischer Herkunft wird leichter aufgenommen als solches aus pflanzlichen Quellen. 10 mg Zink sind enthalten in:20 • 60 g Weizenkeimen • 140 g Kürbiskernen • 220 g Emmentaler • 230 g Haferflocken • 250 g Kalbsleber • 260 g Rindsplätzli • 270 g Linsen • 330 g Vollkornteigwaren • 430 g Brie • 450 g Vollkornbrot Nahrungsergänzungen und Medikamente mit Zink Zink wird in Salzform (Gluconat, Sulfat) in verschiedenen Spezialitäten angeboten, hauptsächlich als Nahrungsergänzungmittel bei Mangelerscheinungen (BURGERSTEIN ZINK® 8,5 und 30 mg, ZINK VERLA 20® 20 mg, ZINC NUTRIMED® 5 mg, etc.). Man findet Zn auch in vielen Kombinationspräparaten (BEROCCA® 10 mg, PHARMATON® 1 mg, REVALID® 2 mg, SUPRADYN® 8 mg, etc.). Die häufigsten UAW sind schlechter Geschmack im Mund und Übelkeit. Interaktionen Wie auch Aluminium, Magnesium, Calcium und Eisen, kann Zink Komplexe bilden mit Medikamenten, die aufgrund ihrer chemischen Struktur zur Chelatbildung mit mehrwertigen Metallionen neigen. Dazu gehören z.B. gewisse Antibiotika wie Chinolone (NOROXIN®, CIPROXIN®, etc.) und Tetracycline (VIBRAMYCIN®, etc.). Diese Komplexe werden aus dem Verdauungstrakt nicht aufgenommen, wodurch sowohl die Arzneimittel als auch die eingebundenen Substanzen unwirksam werden. Zwischen der Einnahme von Zink-Supplementen und solchen Medikamenten muss ein Intervall von zwei Stunden eingehalten werden. Weitere Interaktionen mit Zink wurden nicht beobachtet. 24 25 http://www.afssaps.fr www.extenso.org © Pharma-News Seite 9 Nummer 80 Januar / Februar 2011 Medizinische Indikationen Zink wird in der Therapie verschiedener Erkrankungen eingesetzt; seine Wirksamkeit ist aber nicht in allen Fällen erwiesen: a) erwiesene Wirksamkeit: ¾ enteropathische Akrodermatitis: eine seltene Krankheit, die mit einer unzureichenden intestinalen Absorption von Zink zusammenhängt. Meistens zeigt sie sich in den ersten Lebensmonaten mit einem typischen symmetrischen Hautrash um die Körperöffnungen herum, hinter den Ohren und auf den Extremitäten. Die Hautläsionen manifestieren sich durch Rötung, Schuppung und manchmal durch Blasen, die Eiter enthalten können. Die Behandlung besteht in der Zufuhr von Zink. Die Wirksamkeit zeigt sich schnell, und die Langzeitprognose ist gut, wenn die Therapie ohne Unterbruch erfolgt.26,27 In der Schweiz ist einzig ZINK VERLA 20® für diese Indikation registriert. ¾ Morbus Wilson: eine seltene, genetisch bedingte Krankheit, die sich in einer Akkumulierung von Kupfer äussert, vor allem in der Leber und im Zentralnervensystem. In der Folge treten hepatische, neurologische und psychiatrische Störungen auf. Die Zinkzufuhr blockiert die Absorption des durch die Nahrung aufgenommenen Kupfers und verhindert somit dessen Akkumulierung. In der Schweiz ist einzig ZINK VERLA 20® für diese Indikation registriert.28,29 b) möglicherweise wirksam: ¾ Akne: perorales Zink wird manchmal angewendet zur Reduktion der Akneläsionen. Seine spezifische Wirkung bei dieser Indikation ist aber nicht klar erwiesen.19,30 ¾ altersbedingte Makuladegeneration: wie schon 2006 gemeldet (PN Nr. 37), hat sich die Studie AREDS mit dem Zusammenhang zwischen der Nahrungssupplementierung mit Zink und der Prävention der Makuladegeneration beschäftigt. Die Schlussfolgerung lautet, dass hohe Dosen von Zink, kombiniert mit Betacarotin und den Vitaminen C und E, die Degeneration verlangsamen und den Sehkraftverlust bei gewissen Patienten verhindern können, der Effekt aber insgesamt bescheiden ist. Es gibt keine Daten zu einer möglichen vorbeugenden Wirkung. Die in dieser Studie verwendeten Zinkdosen waren achtmal höher als die empfohlene tägliche Zufuhr. ¾ Immunstimulans bei Erkältungen: wie schon 2007 beschrieben (PN Nr. 49), wird die Wirksamkeit von Zink zur Linderung der Symptome und Senkung der Dauer eines Schnupfens widersprüchlich beurteilt. Zudem limitieren seine UAW eine breite Anwendung. c) möglicherweise unwirksam: ¾ kardiovaskuläre Prävention: wie die Vitamine A, B3, B6 und C ist Zink ein Antioxidans. Als Nahrungsergänzung eingenommen, bringt es allerdings keinen Nutzen in der Prävention von HerzKreislauf- und Krebserkrankungen.31 Gebiss-Haftcremes: Besondere Aufmerksamkeit muss zinkhaltigen Haftcremes geschenkt werden (z.B. KUKIDENT SUPER®). Das Schlucken von zu grossen Mengen solcher Cremes über Jahre kann die unerwünschten Wirkungen einer ZinkÜberdosierung auslösen. Der durch den Zinküberschuss im Verdauungstrakt bewirkte Kupfermangel ist Ursache neurologischer Störungen, die zum Rückzug verschiedener Produkte in mehreren Ländern geführt haben.24 26 http://www.orpha.net HAS, commission de la transparence, Rubozinc 15mg 28 La Revue Prescrire 2001; 21 (216): 258 29 EMA, résumé EPAR à l’intenton du public, Wilsin° 30 La Revue Prescrire 2009; 29 (314): 105 31 La Revue Prescrire 2010; 30 (316): 128 27 © Pharma-News Seite 10 Nummer 80 Januar / Februar 2011 ZINK-SUPPLEMENTIERUNG - wichtig für die Beratung: 9 9 9 9 9 essentielles Spurenelement, unentbehrlich für das Funktionieren zahlreicher Enzyme ein Mangel äussert sich vor allem in Geschmacksstörungen, Dermatosen und einer Schwäche der Abwehrkräfte in Nahrungsmitteln, vor allem in Fleisch (Geflügel, Schwein), Meeresfrüchten (Austern) und Vollkornprodukten vorhanden bildet Komplexe mit gewissen Medikamenten (Chinolone, Tetracycline) anerkannter Nutzen bei Morbus Wilson und enteropathischer Akrodermatitis VARIZELLEN Varizellen, Windpocken, "spitze" oder "wilde Blattern" sind eine höchst ansteckende Virusinfektion. Der verantwortliche Erreger ist das Varicella-Zoster-Virus (VZV) aus der Gruppe der Herpesviren (zur Erinnerung: Herpes s. PN Nr. 78, November 2010). Die Übertragung erfolgt über die Atemwege oder nach Kontakt mit der Flüssigkeit aus den Bläschen einer infizierten Person. Typisch für die Krankheit ist ein juckender Hautausschlag, der nach einer Inkubationszeit von zwei bis drei Wochen auftritt und im Allgemeinen in sieben Tagen abheilt, manchmal begleitet von Fieber. Die Bläschen sind mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt, die nach kurzer Zeit aufplatzen, um dann auszutrocknen und zu verkrusten. Sie finden sich auf dem ganzen Körper, auch die Schleimhäute können betroffen sein (Mund, Genitalien, Nase). Die Ansteckungsgefahr beginnt ein bis zwei Tage vor Erscheinen des Ausschlags und dauert an, bis alle Bläschen ausgetrocknet sind und eine Kruste bilden, d.h. ca. eine Woche nach Auftreten der ersten Blase.32 Während die Varizellen beim Kind meistens gutartig verlaufen, können sich beim Erwachsenen schwerwiegende Komplikationen wie Pneumonie oder Enzephalitis entwickeln. In schweren Fällen können die Windpocken zu Hämorrhagien und Herz-Problemen führen, besonders bei Immunsupprimierten. Für Schwangere, die die Krankheit nicht durchgemacht haben, besteht ein zusätzliches Risiko für eine Infektion des Ungeborenen: eine Ansteckung in den ersten fünf Schwangerschaftsmonaten kann Entwicklungsstörungen der Gliedmassen und neurologische Anomalien beim Fötus zur Folge haben. Nach der Geburt wird ein erhöhtes Reye-Syndrom Risiko für eine Zoster-Erkrankung im Kleinkindalter beobachErkrankung des Hirns und der Leber, oft tet. Eine Ansteckung im Endstadium der Schwangerschaft mit tödlichem Ausgang, charakterisiert kann eine schwere, möglicherweise tödliche Varizellendurch Erbrechen und Verhaltensstörungen kurz nach einer FieberErkrankung des Neugeborenen nach sich ziehen.33 Episode. Die Ursachen sind unbekannt; Die Windpocken heilen bei Kindern unter zwölf Jahren meisdas Syndrom tritt aber nach einer akuten tens ohne Behandlung nach einigen Tagen ab. Die Therapie Virusinfektion auf. Es scheint ein Zusammenhang zu bestehen zwischen der zielt in erster Linie auf eine Fiebersenkung (bei Temperaturen Einnahme von Aspirin und dem Auftreüber 38.5°C) mit Paracetamols Mittel der Wahl. Aspirin muss ten des Reye-Syndroms bei Kindern mit einer Viruserkrankung (z.B. Grippe, Atemwegsinfekt, Varizellen). 32 Das Assistenzjahr - CAP-Leitfaden: Kinderkrankheiten 33 La Revue Prescrire 2003; 23 (236): 236 © Pharma-News Seite 11 Nummer 80 Januar / Februar 2011 wegen des Risikos für das Reye-Syndrom (Leberschädigung und Hirnfunktionsstörungen nach Aspirin-Einnahme bei Virusinfektion) gemieden werden.34 Austrocknende und leicht antiseptische Präparate auf der Basis von Talk oder Zinkoxid (weisse Schüttelmixtur, TANNO-HERMAL® Lotio) werden häufig auf die Bläschen appliziert. Die Anwendung solcher Produkte bleibt kontrovers, da Talk als Faktor für Sekundärinfektionen der Haut gilt und keine erwiesene Wirksamkeit in der Linderung des Pruritus zeigt.35 Im Handel sind auch adstringierende Präparate ohne Talk, auf der Basis von Gerbstoffen (TANNO-HERMAL® Creme, TANNOSYNT®), deren Wirksamkeit ebenfalls nicht erwiesen ist, die uns aber empfehlenswerter scheinen. Ein lauwarmes Bad mit dem Zusatz einer desinfizierenden Seife (z.B. SEPTIVON®) kann zur Verhütung einer Infektion der Bläschen angeraten werden. Bei starkem Jucken kann ein Antihistaminikum verabreicht werden (z.B. FENIALLERG® Tropfen). Die Nägel des Kindes sollten kurz geschnitten und die Hände gründlich gewaschen werden. Es kann eine desinfizierende Seife verwendet werden, und evt. sollten sogar Handschuhe getragen werden, um eine Infektion durch Kratzen auf alle Fälle zu verhindern. Bei hohem Fieber, Bewusstseinsstörungen (das Kind hat Mühe, aufzuwachen und/oder zu gehen, etc.), Atemschwierigkeiten oder Auftreten von roten, angeschwollenen Plaques um die Bläschen, ist ein sofortiger Arztbesuch angezeigt. Der erwachsene Varizellen-Patient wird mit oralen Virustatika behandelt (i.v. in schweren Fällen). In erster Linie wird Valaciclovir (VALTREX® oder Generikum) verabreicht: 800 mg fünfmal täglich während fünf Tagen.36 Die Empfehlungen für Kinder betreffend Kratzen, Risiko für Sekundärinfektionen und Verheilung gelten auch für Erwachsene. Die Therapie Schwangerer ist gleich wie für alle Erwachsenen.33 VARIZELLEN - wichtig für die Beratung: 9 9 9 9 9 9 sehr ansteckende Virusinfektion, bei Kindern in der Regel harmlos, hinterlässt meist bleibende Immunität Inkubation während zwei bis drei Wochen vor dem Auftreten des ersten Bläschens Ansteckungsgefahr beginnt zwei Tage vor dem Primärbläschen und dauert bis zum Verschwinden des Ausschlags Behandlung der unkomplizierten Fälle mit Antihistaminika (FENIALLERG®) in Tropfenform gegen den Juckreiz und Paracetamol bei Fieber äusserliche Präparate mit Talk werden nicht mehr empfohlen Kratzen vermeiden, da Risiko für Sekundärinfektion der Bläschen. Nägel schneiden und Hände waschen Es existiert eine Varizellen-Impfung, die besonders für Personen empfohlen wird, die die Infektion in der Kindheit nicht durchgemacht haben (Jugendliche von 11-15 und Erwachsene < 40 Jahren) und für solche mit erhöhtem Risiko (z.B. Immunsupprimierte Patienten, Frauen im gebärfähigen Alter): in der Schweiz VARILRIX® und VARIVAX®. Ebenfalls auf dem Markt ist eine kombinierte Impfung mit Masern, Mumps und Röteln: PRIORIX-TETRA®. Für alle erfolgt die Applikation von zwei Dosen in einem Abstand von mindestens vier Wochen.37 Bei Frauen im gebärfähigen Alter muss vor der Impfung ein Schwangerschaftstest durchgeführt werden, da sie bei Schwange- 34 La Revue Prescrire 2009; 29 (309): 505 La Revue Prescrire 2004; 24 (253): 589 36 SURF 2001, Médecine et Hygiène 37 Empfehlungen des BAG 35 © Pharma-News Seite 12 Nummer 80 Januar / Februar 2011 ren kontraindiziert ist. Nach der Impfung muss während drei Monaten die Kontrazeption gesichert sein.38 Im Zweifelsfall kann der Patient mit seinem Impfausweis in der Apotheke oder beim Arzt kontrollieren lassen, ob die entsprechende Impfung bei ihm durchgeführt wurde. Der Nachweis einer durchgemachten Infektion kann mittels Serologie erfolgen. In Kürze GENERIKA VON PLAVIX® (CLOPIDOGREL): nicht noch mehr! Mehrere Generika von PLAVIX® (Clopidogrel) sind seit unserem Artikel in Pharma-News Nr. 74 Juni 2010 über die Generika von Mepha und Sandoz in den Handel gekommen: CLOPIDOGREL SPIRIG® und STREULI® mit Clopidogrelbesilat, wie CLOPIDOGREL SANDOZ®; CLOPIDOGREL-TEVA® mit Clopidogrelhydrochlorid, wie CLOPIDOGREL-MEPHA®. CLOPIDOGREL WINTHROP® mit Clopidogrelhydrogensulfat ist ein Co-Marketing von PLAVIX® (100% identisches Medikament unter einem andern Namen). Alle diese Generika können verwendet werden zur Substitution von PLAVIX®. NICORETTE® 25 mg (Pflaster) Höher dosiert als NICOTINELL®, aber mit einer Wirkdauer von 16 anstatt 24 Stunden. Neujahr ist eine gute Gelegenheit, mit dem Rauchen aufzuhören! Ein neues NICORETTE®Pflaster zu 25 mg wurde 2010 eingeführt. Bisher enthielt das stärkste Pflaster dieser Produktelinie 15 mg Nicotin, was für Raucher, die mehr als 15 Zigaretten pro Tag konsumiert hatten, zu wenig war. Die neue Stärke ermöglicht der Firma Johnson&Johnson, das Angebot ihres Hauptkonkurrenten (NICOTINELL®, Novartis) zu überbieten. Wie erwähnt sichern NICORETTE®-Pflaster eine Freisetzung über 16 Stunden, NICOTINELL® hingegen über 24 Stunden. Mehr zum Rauchstopp lesen Sie in Pharma-News Nr. 25, Juli 2005. HYPERICUM-MEPHA®: nur eine weitere Spezialität Da die Firma Mepha in die Phytotherapie eingestiegen ist, bringt sie mit HYPERICUM-MEPHA® nun auch eine eigene Johanniskraut-Spezialität auf den Markt, zur Behandlung u.a. von Verstimmungs- und Spannungszuständen. Es handelt sich um ein Co-Marketing von REMOTIV®, und weder Stärke noch Dosierung weisen gegenüber den schon im Handel befindlichen Spezialitäten irgendwelche Vorteile auf. Diese Präparate haben wir schon in der PN-Nummer 4 vom Juni 2003 (nur französisch) beschrieben. In der Beratung nicht zu vernachlässigen sind die potentiellen Interaktionen und die möglichen phototoxischen Reaktionen unter Hypericum. ONYSTER®: nach dem Nagellack die Salbe, möglicherweise nützlich - aber nicht vergütet Wir haben Ihnen in der letzten Ausgabe ONYPSO® vorgestellt (ein farbloser Nagellack zur symptomatischen Behandlung der Nagelpsoriasis). Nach diesem Lack lanciert nun die Firma Pierre Fabre ONYSTER®, eine Salbe mit 40% Harnstoff, die während drei Wochen als Adjuvans zur lokalen Behandlung von Pilzinfektionen der Nägel angewandt wird. Im Artikel über ONYPSO® haben wir erwähnt, dass die Applikation von Harnstoff in einer Konzentration von 40% unter einem 38 La Revue Prescrire 2005; 25 (259): 173 © Pharma-News Seite 13 Nummer 80 Januar / Februar 2011 Okklusivverband die Penetration des Antimykotikums bei Nagelmykosen erhöht. ONYSTER® kann daher von Nutzen sein; da es sich aber um ein Medizinprodukt handelt, wird diese Salbe von der Grundversicherung nicht übernommen (empfohlener Preis: CHF 35.70). RISPERDAL CONSTA®: Injektion in den Deltoidmuskel Die Spezialität wurde ausführlich besprochen in P-N Nr. 2 vom April 2003 (nur französisch). Bisher erfolgte die Injektion tief i.m. in den Gesässmuskel (lange, gelbe Nadel). Nun ist auch eine Injektion in den Deltoidmuskel des Arms möglich (grüne Nadel). Anmerkung des Herausgebers Die Empfehlungen in Pharma-News geben die Meinung der Autoren auf Grund der bei Redaktionsschluss vorhandenen Daten wieder. Der CAP trägt dafür keinerlei Verantwortung. © Pharma-News Seite 14 Nummer 80 Januar / Februar 2011 Resultate der Lesetests der PN 76 - die Gewinnerinnen: Fehlerfrei! Nussbaum Ariane Droghi Cinzia Gilliéron Marine Grenier Murielle Senouci Souaâd Aymon Jennifer Sacco Maria-Angela Fonseca Solange Cotter Cindy Etandi Claire-Gaëlle Branche Véronique Ruedin Fabienne Lanthmann Lucie Egger Florence Safi Imen Merguin Séverine Pigozzi Katia Cavallin Isabelle Fontanella Carine Babst Vyolène Bircher Anja Schmid Jaël Schwenter Sophie Zufferey Olivia Schäfer Suana Lachat Joëlle Ozgen Dilek Filliger Natascia Héritier Marielle Quarroz Virginie Masson Marylin Monnerat Sophie Voisard Carolane Hofmann Evelyne Nicoulaz Michelle Kohler Laetitia Rime Aline Carteron Arlène Fournier Nathalie Fioritto Priscille Bersier Alexandra Pierre Sandra Conus Véronique Neuhaus Annie Humair Valérie Yersin Bénédicte Chuat Myriam Fawer Cindy Trepier Patricia Jacquier Anne-Christine Santos Andreia © Pharma-News Pharmacie de Puplinge SA Pharmacie de Charnot Pharmacie de la Cerisaie Pharmacie de la Cerisaie Pharmacie de la Cerisaie Pharmacie Pralong Pharmacie de Malagnou Pharmacie de Malagnou Pharmacie Pralong Pharmacie de la Cerisaie Pharmacie Capitole Bullet Pharmacie Coop Vitality Pharmacie Alpha Pharmacie du Hêtre Pharmacie Amavita Courtepin Pharmacie de l’Ile Pharmacieplus Tobagi Pharmacieplus Tobagi Pharmacie Plus Centrale Pharmacie du Hêtre Pharmacie Riat-Ville Pharmacie Plus Centrale Pharmacie de Villeneuve pharmacieplus de Bramois SA Pharmacie de Villeneuve Pharmacie Riat-Ville Pharmacie de Malagnou Farmacia delle Semine SA Pharmacie de Savièse Pharmacie du Midi Pharmacie Plus Centrale Pharmacie Riat-Ville Pharmacie Riat-Ville Pharmacie de St-Prex SA Pharmacie des Montagnes Pharmacie du Midi Pharmacie Arc-en-Ciel Pharmacie de l’Ile Pharmacie de Nendaz pharmacieplus schneeberger Pharmacie Capitole Bullet Pharmacie D’Herborence Sàrl Pharmacie Arc-en-Ciel Pharmacie Arc-en-Ciel pharmacieplus schneeberger Pharmacie de Villeneuve Pharmacie de Villeneuve Pharmacie du Bourg Pharmacieplus Tobagi Pharmacie de Vétroz Pharmacieplus Marti Seite 15 Nummer 80 Puplinge Fully Chavannes-Renens Chavannes-Renens Chavannes-Renens Sion Genève Genève Sion Chavannes-Renens Estavayer-le-Lac Fontainemelon Payerne Belfaux Courtepin Rolle Colombier Colombier Fleurier Belfaux Delémont Fleurier Villeneuve Bramois Villeneuve Delémont Genève Bellinzone Savièse Sion Fleurier Delémont Delémont St-Prex La Chaux-de-Fonds Sion Oron-la-Ville Rolle Haute-Nendaz Tramelan Estavayer-le-Lac Boudry Oron-la-Ville Oron-la-Ville Tramelan Villeneuve Villeneuve Romanel-sur-Lausanne Colombier Vétroz Cernier Januar / Februar 2011 Mégroz Maria Silipo Jessica Arrighi Esthel Fernandes Karine Rossier Joanna Fatio Marie-Jeanne Casagranda Chantal Gogniat Laurence Sautebin Amélie Roggo Séverine Peguiron Nicole Guertchakoff Cécile Tourais Françoise Manosalvas Jinin Cindy Ochsner Véronique Ploivy-? Béatrice Kowalik(?) Sandrine Tarchini Maude Magnin Aline Jenzer Davina Pierre Laurence Migliori Patricia Ackermann Eloïse Scolavino Marianna Guyot Isabelle Stettler Yasmin Crettenand Lara Vuillemier Cindy Menoud Maéva Pharmacie du Bourg Farmacia delle Semine SA Pharmacie Capitole La Galerie pharmacieplus des grangettes Pharmacie de Veyrier Pharmacie de Chardonne Pharmacie Riat-Ville Pharmacie Riat-Ville pharmacieplus du vallon pharmacieplus du vallon Pharmacie de la Vallombreuse Phie Amavita Collonge-Bellerive Pharmacie de Veyrier Pharmacie de Veyrier Pharmacie de Veyrier Phie Amavita Collonge-Bellerive Phie Amavita Collonge-Bellerive Pharmacie des Sources SA pharmacieplus des grangettes Pharmacie D’Herborence Sàrl Pharmacie Sun Store pharmacieplus des pâquis pharmacieplus du vallon pharmacieplus du mandement pharmacieplus du mandement Pharmacie de Coppet S.A. Pharmacieplus de Bramois Pharmacie de l’Ile Pharmacie Sun Store Romanel-sur-Lausanne Bellinzone Fribourg Lausanne Veyrier Chardonne Delémont Delémont Saint-Imier Saint-Imier Prilly Collonge-Bellerive Veyrier Veyrier Veyrier Collonge-Bellerive Collonge-Bellerive Corcelles Lausanne Boudry La Chaux-de-Fonds Genève Saint-Imier Satigny Satigny Vevey Bramois Rolle Etoy Als Gewinnerin des Bons über 100.- (Ochsner Sport, Ikea, FNAC oder Manor) wurde Lara Crettenand ausgelost. Ein grosses Bravo an sie und alle, die den Fragebogen ausgefüllt haben! © Pharma-News Seite 16 Nummer 80 Januar / Februar 2011 LESETEST Pharma-News Nr. 79 Kreuzen Sie die richtige Antwort oder die richtigen Antworten an, machen Sie einen Kreis um RICHTIG oder FALSCH, oder beantworten Sie die Frage: 1) Kreuzen Sie die richtigen Antworten betreffend Morbus Crohn an: a) Die Krankheit entwickelt sich in Schüben, dazwischen liegen Remissionsphasen b) Einzig der Dickdarm ist betroffen c) Blut im Stuhl kann ein Indikator für Morbus Crohn sein, aber auch für andere Erkrankungen des Verdauungstrakts d) Es ist nicht immer einfach, einen M. Crohn von einer Colitis ulcerosa zu unterscheiden e) Bei starken Bauchschmerzen im Zusammenhang mit der Krankheit, nicht zögern, Ibuprofen in einer Dosierung von 600 mg einzunehmen 2) Welche Behandlungen werden bei Nagelpsoriasis eingesetzt? − − − Was bringt ONYPSO® bei dieser Indikation? 3) RICHTIG oder FALSCH zu COPD? a) Die Pharmakotherapie richtet sich nach dem Schweregrad der Erkrankung b) Die durch die Krankheit verursachten Schädigungen sind irreversibel c) Gewisse in der COPD-Behandlung angewendete Medikamente werden auch gegen Asthma eingesetzt d) Einzig Rauchen ist für die Entwicklung einer COPD verantwortlich e) Die Grippeimpfung ist für COPD-Patienten kontraindiziert RICHTIG FALSCH RICHTIG FALSCH RICHTIG FALSCH RICHTIG FALSCH RICHTIG FALSCH 4) Ein Herr kommt im Januar in die Apotheke. Er erklärt Ihnen, dass er noch heute Morgen voll in Form gewesen sei und im Laufe des Nachmittags am ganzen Körper Schmerzen bekommen hätte und sich fiebrig fühle. Was schliessen Sie daraus? In der Diskussion mit diesem Herrn erfahren Sie, dass er wegen Asthma behandelt wird. Was empfehlen Sie ihm? 5) Streichen Sie die Spezialitäten durch, die nicht Agnus castus enthalten: CIMIFEMIN® – OPRAN® – FEMICIN® – PREFEMIN® – FEMINELLE® – FEMINAC® – SANAFEM® – PREMENS® – PRODAFEM® – MILVANE® – MINERVA® 6) Welches ist die Besonderheit des Grippeimpfstoffs 2010-2011? Was muss in Betracht gezogen werden bei der Festlegung der Anzahl Impfdosen beim Kind? © Pharma-News Seite 17 Nummer 80 Januar / Februar 2011 7) Zählen Sie die Personen auf, für die die Grippeimpfung in diesem Jahr neu empfohlen wird: − − − − 8) Welches Problem stellt sich bei der Substitution von DUROGESIC® durch ein Generikum (ausser mit FENTANYL SANDOZ®)? Hängt die verwendete Stärke von der Art des Schmerzes ab? 9) In welcher Form präsentiert sich ONBREZ® BREEZHALER®? Zu welcher Klasse gehört das Medikament? Worin unterscheidet es sich von den andern Vertretern der gleichen Medikamentenklasse? 10) Ist ABSTRAL® die einzige Spezialität, aus der Fentanyl durch die Schleimhaut aufgenommen wird? Stellt ABSTRAL® eine Basis-Schmerztherapie dar? Was darf mit den Tabletten nicht gemacht werden, da es deren Wirksamkeit in Frage stellen würde? Senden Sie bitte einen Test pro Pharma-Assistentin per Fax an 022 363 00 85 vor dem 25.2.2011. Name Vorname Unterschrift Stempel der Apotheke © Pharma-News Seite 18 Nummer 80 Januar / Februar 2011