Als aus dem kleinen Rom ein riesiges Reich

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Als aus dem kleinen Rom ein riesiges Reich geworden war, wollten die römischen
Bürger wissen, wie denn ihr Volk entstanden sei. Also musste eine spannende und
fantastische Geschichte her.
Vor den Römern regierten die Griechen ein Reich rund um das Mittelmeer und
beeinflussten Land und Leute mit ihrer hochstehenden Kultur. So liegt es nahe, dass
die Römer ihre Abstammung mit den Griechen
verknüpften.
Der Urvater Roms war Aeneas. Er war der Sohn von
Aphrodite, ein Cousin von Hektor von Troja und ein Held. Mit
viel Glück überlebten er und sein Sohn die Zerstörung der
Stadt Troja durch die Griechen. Der Gott Apollo hatte ihm
prophezeit, dass er der Gründer eines ruhmreichen Volkes
sei. Nach langen Irrfahrten auf dem Mittelmeer landeten er
und seine Männer an der Küste von Latium. Sie wurden von
den dort lebenden Menschen freundlich aufgenommen und
Aeneas heiratete die Königstochter Lavinia.
Natürlich ging es nicht immer friedlich zu. Nach einer
gewonnen Schlacht gegen die Etrusker ertrank Aeneas in einem Fluss. Sein Sohn Askanius
wurde König und gründete die Stadt Alba Longa. (etwa 1200 v. Chr.) Seine Nachkommen
regierten als Könige über die Stadt und ihre Umgebung.
Ungefähr 400 Jahre später stritten sich zwei Brüder um die Königswürde, und der jüngere
vertrieb den älteren. Dessen Tochter Silvia schickte er als Priesterin in den Tempel der Göttin
Vesta, damit sie nicht heiraten konnte. Doch der Kriegsgott Mars heiratete heimlich die
hübsche Silvia und diese bekam Zwillinge, zwei Jungen. Das gefiel ihrem Onkel gar nicht,
denn die Kinder könnten ihm ja den Thron streitig machen. Also liess er seine Nichte Silvia
einsperren, und die Babys liess er auf dem Fluss in einem Korb aussetzen, denn sie sollten
sterben. Doch es kam anders, als er gedacht hatte.
Das Wasser des Flusses trieb den Korb ans Ufer, wo er
hängen blieb. Die Kleinen schrien vor Hunger, und ihr
Vater schickte ihnen seine heiligen Tiere zu Hilfe. Eine
Wölfin schleppte die Kinder in Sicherheit und säugte
sie, und ein Specht brachte Getreidekörner und Samen.
So überlebten die Kinder, bis sie schliesslich von einem
Hirten gefunden wurden.
Der Hirte hiess Faustulus, und
er nahm die Kinder mit zu
seiner Frau. Die Knaben
bekamen die Namen Romulus
und Remus. Sie wuchsen jetzt in einer glücklichen Familie auf. Mit
der Zeit kam die Geschichte vom Schicksal der Königstochter Silvia
und ihren Zwillingen auch Faustulus zu Ohren, und er vermutete,
dass seine Pflegesöhne wohl königlicher Abstammung waren.
Doch die Kinder hielten ihn für ihren Vater, und so behielt er sein Geheimnis für sich, damit
die Jungs in Sicherheit waren. Die beiden wurden tüchtige junge Männer, die ihrem Vater bei
der täglichen Arbeit halfen.
Nacherzählt: Oktober 2009
Ruth Häuptli Schellhorn
S. 1
Manchmal gerieten sie mit den Hirten ihres Nachbarn in Streit. Dass dieser Nachbar ihr
Grossvater war, der ehemalige König, wusste niemand. Eines Tages verlor Remus eine
dieser Streitigkeiten und die feindlichen Hirten schleppten ihn zu ihrem Herrn. Der staunte
nicht schlecht, als er einen Gefangenen erblickte, der ihm selber sehr ähnlich sah. Es
dauerte nicht lange, da tauchten schon Romulus und Faustulus auf, um Remus zu befreien.
Nun kam die Wahrheit ans Licht, denn Faustulus bestätigte den Verdacht des ehemaligen
Königs und erzählte ihm alles. Dieser schloss seine Enkel in die Arme.
Vor dem ganzen anwesenden Volk schworen die Brüder, dass sie das Königtum für ihren
Grossvater zurückholen würden. Sie sammelten alle ihre Freunde, andere junge Männer
schlossen sich ihnen auch noch an. Romulus und Remus bildeten ein Kriegsheer, zogen
nach Alba Longa und griffen die Stadt und den Palast an. Während der Schlacht fiel ihr
Onkel und der Krieg war gewonnen. Die beiden setzten unter dem Jubel der Bevölkerung
ihren Grossvater wieder als König ein. Und der war glücklich, glaubte er doch, dass Romulus
und Remus nach seinem Tod das Reich gemeinsam regieren würden.
Doch die Götter hatten andere Pläne.
Romulus und Remus beschlossen, an der Stelle eine
Stadt zu bauen, wo sie als Babys vor dem Tod
bewahrt worden waren. Das war bei einem der sieben
Hügel der Gegend. Der Hügel heisst Palatin.
Wie es damals Brauch war, spannte Romulus zwei
weisse Ochsen vor den Pflug und zog damit ein
riesiges Viereck in die Erde, um die Stadtmauer
einzuzeichnen. Damit kündete er aber schon einen
Anspruch auf den Besitz der Stadt an.
Der Streit war vorprogrammiert: Jeder der beiden wollte König sein. Also wollten
sie ein Gottesurteil bestimmen lassen, und zwar ein Augurium: Der Flug der
heiligen Vögel sollte das Zeichen sein.
Romulus setzte sich auf den Palatin und wartete auf ein Zeichen, Remus hockte
auf dem Aventin und wartete auch. Plötzlich erschienen sechs grosse Geier und
flogen um ihn herum. Remus und seine Gefährten jubelten, glaubten sie doch an
einen Sieg. Schreiend rannten sie ihren Hügel hinunter und den Palatin wieder
hinauf. Gerade als sie Romulus alles erzählen wollten, kamen zwölf Geier geflogen
und kreisten um ihn. Zugleich blitzte und donnerte es heftig. Nun rief Romulus selbstbewusst:
„Ich darf der Stadt den Namen geben und ihr König sein!“
Remus war natürlich nicht erfreut. Als Romulus und
seine Leute begannen, eine niedere Stadtmauer zu
bauen und einen Graben auszuheben, verspottete
Remus sie und missachtete diese Grenze. „Deine
Mauer ist nichts wert!“, schrie er und sprang über sie
hinweg. Eine Stadtmauer sollte jedoch Geborgenheit
bedeuten, und die Häme seines Bruders machte
Romulus so wütend, dass er sein Schwert zog und
seinen Bruder erstach. Danach schwor er: „So möge
es jedem ergehen, der diese Mauer zu übersteigen wagt!“
So wurde Romulus zum ersten König der jungen Stadt. Nach seinem eigenen Namen nannte
er sie „Roma“. Das war im Jahre 753 v. Chr.
Von da an regierten insgesamt sieben Könige die Stadt Rom und ihre Umgebung. Ums
Jahr 510 v. Chr. endete ihre Herrschaft, weil das Volk genug hatte von Königen, die
nur für sich schauten. Eine Republik wurde ausgerufen.
Nacherzählt: Oktober 2009
Ruth Häuptli Schellhorn
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