Indikatorenbericht 2010

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Indikatorenbericht 2010
zur Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt
Der Indikatorenbericht 2010 zur Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt
wurde vom Bundeskabinett am 17. November 2010 beschlossen.
IMPRESSUM
Herausgeber: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU)
Referat Öffentlichkeitsarbeit • 11055 Berlin
E-Mail: [email protected] • Internet: www.bmu.de
Redaktion:
Ingelore Gödeke (BMU, Referat N I 1)
Dr. Ulrich Sukopp, Melanie Neukirchen (BfN, Fachgebiet II 1.3)
Fachliche Beratung: Werner Ackermann, Daniel Fuchs, Dr. Jens Sachteleben, Manuel Schweiger
(PAN Planungsbüro für angewandten Naturschutz GmbH, München)
Gestaltung:
PAN Planungsbüro für angewandten Naturschutz GmbH, München
Titelgestaltung:
intention Werbeagentur GmbH, Bonn
Druck: Schottenheim druck&werbung, Eichenau
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Sukopp
Stand: November 2010
1. Auflage:
2.500 Exemplare
Inhalt
1
Einleitung
4
2
Indikatorenset der Nationalen Strategie
zur biologischen Vielfalt
8
2.1
2.5
Komponenten der biologischen Vielfalt
Artenvielfalt und Landschaftsqualität
Gefährdete Arten
Erhaltungszustand der FFH-Lebensräume und FFH-Arten
Invasive Arten
Gebietsschutz
Ökologischer Gewässerzustand
Zustand der Flussauen
Siedlung und Verkehr
Flächeninanspruchnahme
Landschaftszerschneidung
Wirtschaftliche Nutzungen
Agrarumweltmaßnahmen
Ökologischer Landbau
Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert
Genetische Vielfalt in der Landwirtschaft
Gentechnik in der Landwirtschaft
Stickstoffüberschuss der Landwirtschaft
Eutrophierende Stickstoffeinträge
Nachhaltige Forstwirtschaft
Klimawandel
Klimawandel und Frühlingsbeginn
Gesellschaftliches Bewusstsein
Bewusstsein für biologische Vielfalt
10
11
16
18
21
24
27
30
34
35
38
42
43
46
48
51
54
56
59
63
66
67
70
71
3
Gesamtbilanz
74
4
Ausblick
82
5
Literatur
84
2.2
2.3
2.4
1
Einleitung
Die biologische Vielfalt ist eine wesentliche Grundlage für das Leben und die
Gesundheit der Menschen. Sie umfasst nicht nur den Reichtum an Arten bei
Pflanzen, Tieren, Pilzen und Mikroorganismen, sondern auch die Vielfalt an
Lebensräumen und die genetische Vielfalt. Die Erhaltung der biologischen
Vielfalt durch Schutz und nachhaltige Nutzung sichert langfristig die Bedürfnisse der heutigen Generation und künftiger Generationen. Sie zählt neben
dem Klimaschutz zu den großen Herausforderungen unserer Zeit. Auf der
Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung (UNCED)
im Jahr 1992 hat die Weltgemeinschaft das UN-Über­einkommen über die
biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD) verabschiedet mit
dem Ziel, weltweit dem dramatischen Verlust an Arten, Lebensräumen und
genetischer Diversität zu begegnen. Deutschland hat sich international mit
Nachdruck für die Ziele der CBD eingesetzt und im Jahr 2007 die Nationale
Strategie zur biologischen Vielfalt vorgelegt (BMU 2007).
Die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt beinhaltet eine Vision für die
Zukunft, die durch rund 330 Qualitäts- und Handlungsziele zu einer Vielzahl
biodiversitätsrelevanter Themen konkretisiert wurde. Aus den Handlungszielen wurden in 16 Aktionsfeldern rund 430 konkrete Maßnahmen staatlicher
und nicht-staatlicher Akteure abgeleitet. Deutschland hat damit eine anspruchsvolle ressortübergreifende nationale Strategie zum Übereinkommen
über die biologische Vielfalt entwickelt. Zur Umsetzung der Nationalen
Strategie zur biologischen Vielfalt wurde ein breit angelegter politischer und
gesellschaftlicher Prozess gestartet, der staatliche wie nicht-staatliche Akteure
einbezieht. Es wurden vielfältige Maßnahmen zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung unserer Natur- und Kulturlandschaften, der Artenvielfalt sowie
der genetischen Ressourcen bei Pflanzen und Tieren einschließlich Wildpopulationen eingeleitet, u. a. Agrarumwelt- und Vertragsnaturschutzmaßnahmen.
Dieser Umsetzungsprozess verlangt nach einer verlässlichen und transparenten Erfolgskontrolle. Dabei ist jedoch zu beachten, dass viele eingeleitete
Maßnahmen erst mittel- oder langfristig Fortschritte zeigen werden.
4
Die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt legt fest, dass künftig mit
Hilfe von Indikatoren eine zusammenfassende Erfolgskontrolle vorgenommen
werden soll. Sie enthält hierfür ein Set von 19 Indikatoren, welche an die
Visionen und Aktionsfelder der Strategie gekoppelt sind und internationale
Vorgaben berücksichtigen. Die Indikatoren fassen vielschichtige Sachverhalte
in anschaulicher Form zusammen und zeigen Trends auf. Sie sollen in
angemessenen Zeitabständen aktualisiert und publiziert werden. Die Bilanzierung der Indikatoren ist Bestandteil der Rechenschaftsberichte, die die
Bundesregierung zum Umsetzungsstand der Strategie künftig einmal in jeder
Legislaturperiode vorlegen wird.
Der erste ausführliche Rechenschaftsbericht der Bundesregierung zur
Erreichung der Ziele und zum Umsetzungsstand der Maßnahmen ist für das
Jahr 2012 geplant. Zuvor wird in dem vorliegenden Indikatorenbericht ein
gegenüber dem Stand von Ende 2007 weiterentwickeltes Indikatorenset zur
Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt erstmals in einheitlicher Form
bilanziert.
Die 19 Indikatoren des aktualisierten Sets verteilen sich wie folgt auf fünf
Themenfelder:
• Komponenten der biologischen Vielfalt (7 Indikatoren)
• Siedlung und Verkehr (2 Indikatoren)
• Wirtschaftliche Nutzungen (8 Indikatoren)
• Klimawandel (1 Indikator)
• Gesellschaftliches Bewusstsein (1 Indikator)
Fischotter (Lutra lutra)
5
Gegenüber dem in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt 2007
beschlossenen Indikatorenset ergeben sich folgende Veränderungen:
• Der Indikator „Natura 2000-Gebietsmeldungen“ erfasste bisher die Fortschritte bei der Errichtung des Schutzgebietsnetzes Natura 2000. Nach
Abschluss des Meldeverfahrens für Natura 2000-Gebiete ist er entbehrlich
geworden und wird nun nicht mehr berichtet.
• Der Indikator „Anzahl gebietsfremder Tier- und Pflanzenarten“ wird durch
den Indikator „Invasive Arten“ ersetzt, der sich nur auf die gebietsfremden
Tier- und Pflanzenarten erstreckt, die ein erhebliches Gefährdungspotenzial für die biologische Vielfalt darstellen (invasive Arten). Der neue
Indikator ist so konzipiert, dass künftig Aussagen zu Erfolgen von Bekämpfungsmaßnahmen gegen diese Arten möglich sind.
• Der bisherige Indikator „Gewässergüte“ wird durch den neu entwickelten
Indikator „Ökologischer Gewässerzustand“ abgelöst, der auf einer umfassenden ökologischen Bewertung der Naturnähe von Gewässern basiert.
• Der Indikator „Zustand der Flussauen“ wird neu in das Indikatorenset
eingefügt. Er beschreibt erstmals für ganz Deutschland Veränderungen
der größeren Auen durch den Menschen.
• Ebenfalls neu aufgenommen wird der Indikator „Landwirtschaftsflächen
mit hohem Naturwert (High Nature Value Farmland)“. Er soll den Umfang
der Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert an der gesamten
Landwirtschaftsfläche bilanzieren.
• Der neue Indikator „Genetische Vielfalt in der Landwirtschaft“ ermöglicht
erstmals Aussagen für den Bereich der genetischen Vielfalt. Er bilanziert
das Ausmaß der Gefährdung genetischer Ressourcen am Beispiel ausgewählter einheimischer Nutztierrassen.
• Eine weitere Ergänzung stellt der Indikator „Eutrophierende Stickstoff­
einträge“ dar. Er bilanziert Beeinträchtigungen der biologischen Vielfalt
infolge der Überschreitung von Stickstoff-Belastungsgrenzen (Critical Loads
of Nutrient Nitrogen).
• Der Indikator „Marine Trophic Index“ reagiert nach neueren Erkenntnissen
nicht ausreichend sensibel auf negative Auswirkungen der Fischerei, weil
er ausschließlich auf fischereiliche Anlandungen abstellt, d. h. nur kommerzielle Fangtätigkeiten beleuchtet. Er wird daher nicht mehr berichtet.
Die Entwicklung des für den Themenbereich „Nachhaltige Meeresfischerei“ nach der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt neu zu
entwickelnden Indikators (Bestände ausgewählter kommerziell genutzter
Meeresarten) ist noch nicht abgeschlossen. Auf diesen neuen Indikator
wird in Kapitel 4 (Ausblick) kurz eingegangen.
• Auch die Entwicklung des Indikators „Zersiedelung der Landschaft“ ist
noch nicht abgeschlossen. Ausführungen hierzu sind ebenfalls in Kapitel 4
zu finden.
6
Das Jahr 2010 wurde von den Vereinten Nationen zum Internationalen Jahr
der biologischen Vielfalt ausgerufen. Es fordert uns alle heraus, international
und national Bilanz zu ziehen, wie es heute um den Schutz der biologischen
Vielfalt bestellt ist. Der hierzu erstmals vorgelegte Indikatorenbericht zur
Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt zeigt die Entwicklungstrends
für Deutschland auf und stellt insbesondere dar, wo Deutschland in Hinblick
auf das 2010-Ziel der CBD bzw. das weitergehende 2010-Ziel der EU steht, den
Verlust an biologischer Vielfalt signifikant zu reduzieren bzw. zu stoppen. Er
macht Fortschritte und Handlungsbedarf deutlich und zeigt damit die Wege
auf, die künftig von der Naturschutzpolitik und anderen Politikbereichen mit
Bezug zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt in
Deutschland beschritten werden müssen.
Mäandrierender Bachlauf in Oberbayern
Die Indikatoren der Nationalen
Strategie zur biologischen
Vielfalt informieren in zusammenfassender Form über den
Zustand und die Entwicklung
der biologischen Vielfalt in
Deutschland. Sie geben weiterhin Auskunft über Belastungen
und Maßnahmen zur Erhaltung
und zur nachhaltigen Nutzung
der biologischen Vielfalt. Im
Ergebnis werden Fortschritte
und Handlungsbedarf für die
Gestaltung der Naturschutzpolitik und anderer Politikbereiche
mit Bezug zum Schutz der
biologischen Vielfalt deutlich.
7
2
Indikatorenset der
Nationalen Strategie
zur biologischen Vielfalt
Im Folgenden werden – gegliedert nach den fünf übergreifenden Themenfeldern „Komponenten der biologischen Vielfalt“, „Siedlung und Verkehr“,
„Wirtschaftliche Nutzungen“, „Klimawandel“ und „Gesellschaftliches Bewusstsein“ – die 19 Indikatoren des aktualisierten Indikatorensets nach einem
einheitlichen Schema bilanziert und interpretiert. Dabei werden Bezüge zur
konkreten Vision (Kapitel B) und den Aktionsfeldern (Kapitel C) der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt hergestellt.
Die Benennung der Indikatoren in den Überschriften gibt das behandelte
Thema so knapp wie möglich wieder. Ein einleitender Text informiert über
den Bezug des Indikators zur biologischen Vielfalt. Im folgenden Abschnitt
wird unter der Zwischenüberschrift „Indikator“ eine Definition des Indikators
gegeben und das mit dem Indikator verbundene Ziel der nationalen Strategie
vorgestellt. Unter der Zwischenüberschrift „Aufbau“ finden sich Angaben zur
Herkunft der Daten sowie in zusammenfassender Form zur Berechnung der
Indikatorwerte. In einem letzten Abschnitt unter der Zwischenüberschrift
„Aussage“ wird der Verlauf des Indikators interpretiert. Dabei wird insbesondere der künftige Handlungsbedarf deutlich gemacht.
8
Bei bestimmten Indikatoren wurden keine quantitativen Zielwerte, sondern
nur allgemeine Qualitätsziele festgelegt. Liegen hingegen quantitative
Zielwerte vor, so können Aussagen zum Grad der aktuellen Zielerreichung
(Status) getroffen werden. Für den Status wird der Abstand zwischen dem
letzten Datenpunkt und dem Zielwert ermittelt und in eine von vier Klassen
eingeordnet. Das Ergebnis wird mit Hilfe von vier Symbolen visualisiert. Dabei
gelten folgende Klassengrenzen für den Grad der Zielerreichung:
++
+
--
Zielerreichungsgrad
≥ 90 %
Der aktuelle Wert liegt innerhalb des Zielbereiches.
Zielerreichungsgrad
80 % bis < 90 %
Der aktuelle Wert liegt in der Nähe des Zielbereiches.
Zielerreichungsgrad
50 % bis < 80 %
Der aktuelle Wert liegt noch weit vom Zielbereich entfernt.
Zielerreichungsgrad
< 50 %
Der aktuelle Wert liegt noch sehr weit vom Zielbereich entfernt.
Außerdem werden – entsprechend der Datenverfügbarkeit – Aussagen zum
Trend getroffen. Der Trend wird nach einem statistischen Verfahren (Rangkorrelationskoeffizient nach Spearman) über einen Zeitraum von 10 Jahren
ermittelt unter Verwendung der letzten 11 Datenpunkte. Ausgenommen sind
hiervon der Indikator „Klimawandel und Frühlingsbeginn“ (Trendberechnung
über den Zeitraum von 1951 bis 2009 mit 59 Datenpunkten), der Indikator
„Gebietsschutz“ (2000 bis 2008 mit 9 Datenpunkten) und der Indikator „Nachhaltige Forstwirtschaft“ (2000 bis 2009 mit 10 Datenpunkten). Die Ergebnisse
der Berechnungen werden folgendermaßen klassifiziert:
Statistisch signifikanter Trend hin zum Ziel bzw. Zielwert
~
Kein statistisch signifikanter Trend feststellbar
(keine Signifikanz für ansteigenden oder abfallenden Trend)
Statistisch signifikanter Trend weg vom Ziel bzw. Zielwert
Reicht die Zahl der Datenpunkte nicht aus oder ist die Vergleichbarkeit der
Daten in den Zeitreihen eingeschränkt, können keine Angaben zum Trend
gemacht werden.
Der Verlauf des Indikators und ggf. von Teilindikatoren wird in einem
einheitlich gestalteten Diagramm dargestellt. Neben dem Diagramm werden
die wesentlichen Informationen zum jeweiligen Indikator in Hinblick auf die
Themenfelder der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS), die
Definition des Indikators, quantitative Zielwerte bzw. allgemeine Qualitätsziele und die Kernaussage kurz zusammengefasst.
Hintergrundinformationen und Zitate – insbesondere aus der Nationalen
Strategie zur biologischen Vielfalt – stehen in der Marginalspalte und ergänzen die Aussagen der Indikatorentexte.
Am Ende des Berichtes wird eine Gesamtbilanz der Aussagen aller 19 Indikatoren der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt gezogen und in Form
eines Indikatorenspiegels dargestellt. Danach folgt ein Ausblick auf weitere in
der konkreten Entwicklung befindliche Indikatoren. Der Bericht schließt mit
einem Verzeichnis wichtiger weiterführender Literaturquellen.
9
2.1
Laubfrosch (Hyla arborea)
10
Komponenten der
biologischen Vielfalt
Artenvielfalt und Landschaftsqualität
Eine große Artenvielfalt an Tieren und Pflanzen ist
eine wesentliche Voraussetzung für einen leistungsfähigen Naturhaushalt und bildet eine wichtige
Lebensgrundlage des Menschen. Die Artenvielfalt
ist dabei eng verbunden mit der Vielfalt an
Lebensräumen und Landschaften. In Deutschland
sind Natur und Landschaft durch jahrhundertelange Nutzungen geprägt, was zur Entstehung
artenreicher Kulturlandschaften geführt hat. Zur
Erhaltung der auf diese Weise entstandenen und
der natürlich gewachsenen biologischen Vielfalt
sind nachhaltige Formen der Landnutzung, eine
Begrenzung von Belastungen und ein schonender
Umgang mit der Natur erforderlich.
Um den Zustand von Natur und Landschaft unter
Kiebitze (Vanellus vanellus)
dem Einfluss vielfältiger Nutzungen auf der gesamten Fläche Deutschlands in zusammenfassender
Form zu bewerten, wurde ein Indikator entwickelt, der die Veränderungen
der Bestände ausgewählter Vogelarten darstellt, welche die wichtigsten
Landschafts- und Lebensraumtypen in Deutschland repräsentieren. Die Größe
der Bestände (nach Anzahl der Reviere bzw. Brutpaare) spiegelt die Eignung
der Landschaft als Lebensraum für die ausgewählten Vogelarten wider. Da
neben Vögeln auch andere Arten an eine reichhaltig gegliederte Landschaft
mit intakten, nachhaltig genutzten Lebensräumen gebunden sind, bildet der
Indikator indirekt auch die Entwicklung zahlreicher weiterer Arten in der
Landschaft und die Nachhaltigkeit der Landnutzung ab.
Der Indikator liefert Informationen zur Artenvielfalt,
Landschaftsqualität und Nachhaltigkeit der Landnutzungen.
Steigt die Qualität der Lebensräume in Folge einer Verringerung von Belastungen, einer Verbesserung der Nachhaltigkeit von Nutzungen oder einer
erfolgreichen Umsetzung von Maßnahmen des Naturschutzes, drückt sich dies
in der Regel in zunehmenden Bestandszahlen der ausgewählten Vogelarten
und damit in einer positiven Entwicklung des Indikators aus.
Der Indikator „Artenvielfalt und Landschaftsqualität“ wurde als Schlüsselindikator für die Nachhaltigkeit von Landnutzungen im Rahmen der Nationalen
Nachhaltigkeitsstrategie (Bundesregierung 2002) entwickelt und in die
Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt übernommen. Er wird aktuell
auch im Indikatorenbericht 2010 zur Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie
berichtet (Statistisches Bundesamt 2010).
Der Indikator liefert Informationen zur Artenvielfalt, zur Landschaftsqualität
und zur Nachhaltigkeit der Landnutzungen. Der Berechnung des Indikators
liegt die Entwicklung der Bestände von 59 Vogelarten zu Grunde, die die
wichtigsten Landschafts- und Lebensraumtypen in Deutschland repräsentieren
(Agrarland, Wälder, Siedlungen, Binnengewässer, Küsten und Meere sowie die
Alpen). Dabei werden zwei Indikatorarten der Wälder auch beim Teilindikator zu den Alpen verwendet.
Für die Zielwertbildung hat ein Expertengremium für jede einzelne Vogelart
einen Bestandswert für das Jahr 2015 festgelegt, der erreicht werden kann,
wenn europäische und nationale rechtliche Regelungen mit Bezug zum
Naturschutz und die Leitlinien einer nachhaltigen Entwicklung zügig umgesetzt werden. Die Zielwerte der Indikatorarten für das Jahr 2015 wurden
zunächst als Vielfaches der damals bekannten Bestandsgrößen des Jahres
2002 bestimmt. Die resultierenden Indexwerte wurden nachfolgend einheitlich auf 100 % normiert. Daher ergeben sich für die Teilindikatoren und den
Gesamtindikator Zielwerte von 100 %.
Indikator
Die Bundesregierung hat
beschlossen, für die Bericht­
erstattung zur Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt
den Indikator „Artenvielfalt und
Landschaftsqualität“ mit einem
Zielwert von 100 % im Jahr
2015 beim Gesamtindikator und
bei den sechs Teilindikatoren zu
verwenden.
11
Aufbau
Für die sechs Hauptlebensraum- und Landschaftstypen (Agrarland, Wälder,
Siedlungen, Binnengewässer, Küsten und Meere, Alpen) wurden in Zusammenarbeit mit den Staatlichen Vogelschutzwarten der Länder und dem
Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) jeweils 10 – bzw. bei den Wäldern
11 – repräsentative Vogelarten als Indikatorarten ausgewählt. Aus der Anzahl
der Reviere bzw. Brutpaare in statistisch repräsentativen Probeflächen wird
für jede Art jährlich ein indizierter Wert für die deutschlandweite Bestandsgröße errechnet. Die aktuelle Bestandsgröße wird für jede Art in Relation zur
Größe des für das Jahr 2015 festgelegten Zielbestandes gesetzt. Dadurch ergibt
sich ein jährlicher Zielerreichungsgrad in Prozent.
Für jeden Hauptlebensraum- bzw. Landschaftstyp wird anschließend der
arithmetische Mittelwert der Zielerreichungsgrade über alle 10 bzw. 11
ausgewählten Vogelarten gebildet. Diese Mittelwerte erlauben als Teilindikatoren differenzierte Aussagen zum Zustand der sechs Hauptlebensraum- bzw.
Landschaftstypen. Der Gesamtindikator errechnet sich aus einer gewichteten
Summierung der Teilindikatoren. Die Gewichtung bezieht sich dabei auf den
Flächenanteil des jeweiligen Hauptlebensraum- bzw. Landschaftstyps an der
Fläche Deutschlands.
Die historischen Werte für 1970 und 1975 sind rekonstruiert. Die Werte
einiger Vogelarten in den Lebensräumen der Binnengewässer, Küsten und
Meere sowie der Alpen wurden in einzelnen Jahren extrapoliert. Die Werte
für zwei Vogelarten der Alpen wurden geringfügig korrigiert.
Artenvielfalt und Landschaftsqualität
Zielerreichungsgrad in %
120
Zielwert von 100 %
im Jahr 2015
100
80
~
Der aktuelle Wert
liegt noch weit vom
Zielbereich entfernt.
Kein statistisch
signifikanter Trend
feststellbar
69
60
40
20
0
1970 1975 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012
Themenfelder der NBS
Fast alle Themenfelder, insbesondere C 1 Biotopverbund und Schutzgebietsnetze, C 6 Land- und Forstwirtschaft und C 12 Ländlicher Raum und
Regionalentwicklung
Definition
Index (Maßzahl in %) über die bundesweiten Bestandsgrößen ausgewählter repräsentativer Vogelarten in sechs Hauptlebensraum- und
Landschaftstypen
12
2015
Für den Hauptindikator und
die sechs Teilindikatoren:
Grafik: BfN (2010),
Daten: DDA (2010)
Zielwert
Bis zum Jahr 2015 sollen die sechs Teilindikatoren und der Gesamtindikator jeweils einen Zielwert von 100 % erreichen.
Kernaussage
Die Indikatorwerte liegen nach wie vor weit vom Zielwert entfernt. Einzig der
Teilindikator für die Wälder liegt knapp über 80 % und damit in der Nähe des
Zielbereiches. Bei gleichbleibender Entwicklung kann das Ziel von 100 % im Jahr
2015 nicht ohne erhebliche zusätzliche Anstrengungen von Bund, Ländern und auf
kommunaler Ebene in möglichst allen betroffenen Politikfeldern erreicht werden.
Hauptlebensraumbzw. Landschaftstyp
Gewichtungs­­
faktor
Ausgewählte repräsentative Vogelarten
Agrarland
0,50
Braunkehlchen, Feldlerche, Goldammer, Grauammer, Heidelerche, Kiebitz,
Neuntöter, Rotmilan, Steinkauz, Uferschnepfe
Wälder
0,27
Grauspecht, Kleiber, Kleinspecht, Mittelspecht, Schreiadler, Schwarzspecht,
Schwarzstorch, Sumpfmeise, Tannenmeise, Waldlaubsänger, Weidenmeise
Siedlungen
0,11
Dohle, Gartenrotschwanz, Girlitz, Grünspecht, Hausrotschwanz, Haussperling, Mauersegler, Mehlschwalbe, Rauchschwalbe, Wendehals
Binnengewässer
0,06
Eisvogel, Flussuferläufer, Haubentaucher, Kolbenente, Rohrdommel, Rohrweihe, Seeadler, Teichrohrsänger, Wasserralle, Zwergtaucher
Küsten und Meere
0,03
Austernfischer, Eiderente, Flussseeschwalbe, Kornweihe, Küstenseeschwalbe,
Mittelsäger, Rotschenkel, Sandregenpfeifer, Trottellumme, Zwergseeschwalbe
Alpen
0,03
Alpenbraunelle, Auerhuhn, Berglaubsänger, Dreizehenspecht, Kleiber,
Ringdrossel, Rotkehlchen, Steinadler, Waldbaumläufer, Weidenmeise
Der Wert des Indikators für die Artenvielfalt lag im Jahr 1990 deutlich unter
den Werten, die für die Jahre 1970 und 1975 rekonstruiert wurden. Dies ist
auf Bestandseinbrüche bei vielen Indikatorarten der Agrarlandschaft, der
Siedlungen und der Binnengewässer vor 1990 zurückzuführen. Die Teilindikatoren der Wälder, der Küsten und Meere sowie der Alpen blieben hingegen
über diesen Zeitraum stabil. In den letzten zehn Beobachtungsjahren (1998 bis
2008) hat sich der Indikatorwert kaum verändert und zeigte keinen statistisch
signifikanten Entwicklungstrend. Im Jahr 2008 lag er bei 69 % des Zielwerts. Bei
gleich bleibender Entwicklung kann das Ziel von 100 % im Jahr 2015 nicht ohne
erhebliche zusätzliche Anstrengungen von Bund, Ländern und auf kommunaler
Ebene in möglichst allen betroffenen Politikfeldern erreicht werden.
Aussage
Im Trend entwickelten sich die Teilindikatoren für Agrarland (66 % des Zielwertes im Jahr 2008), für Siedlungen (59 %) sowie für Küsten und Meere (56 %)
in den letzten 10 Jahren bis 2008 statistisch signifikant weg vom Ziel, während
für die Binnengewässer (73 %) und die Alpen (57 %) statistisch kein signifikanter
Trend nachweisbar war. Allein der Teilindikator für die Wälder zeigte einen
statistisch signifikanten positiven Trend. Mit 81 % des Zielwertes im Jahr 2008
war die Situation in den Wäldern zudem vergleichsweise am günstigsten.
Im Agrarland ist die
Bestandssituation
Agrarland
120
Zielwert von 100 %
vieler Vogelarten
im Jahr 2015
kritisch. Vögel, die
100
auf Äckern, Wiesen
und Weiden brüten,
80
66
gehen – regional
60
unterschiedlich
– aufgrund der
40
intensiven landwirtschaftlichen
20
Nutzung im Bestand
0
zurück. Der regio1970 1975 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012
2015
nal zunehmende
Der aktuelle Wert liegt noch
Statistisch signifikanter
Grünlandumbruch
weit vom Zielbereich entfernt.
Trend weg vom Zielwert
und der steigende
Energiepflanzenanbau können Auswirkungen auf Landschaftsqualität und
Artenvielfalt haben. Es bleibt darüber hinaus abzuwarten, wie sich die eingeleiteten Agrarumwelt- und Naturschutzmaßnahmen mittel- und langfristig auf
die Bestandssituation auswirken werden.
Zielerreichungsgrad in %
13
Zielerreichungsgrad in %
Wälder haben
Wälder
trotz der früheren
120
Zielwert von 100 %
Kahlschlags- und
im Jahr 2015
100
Fichtenwirtschaft
derzeit den besten
81
80
Teilindikatorwert. Die
Förderung naturnaher
60
Waldbewirtschaftung
40
dürfte sich hier positiv
auswirken. Um den
20
statistisch signifikanten
positiven Trend zu
0
1970 1975 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012
2015
erhalten bzw. künftig
zu verstärken, müssen
Der aktuelle Wert liegt in
Statistisch signifikanter
der Nähe des Zielbereiches.
Trend hin zum Zielwert
staatliche Fördermöglichkeiten (z. B. Waldumweltmaßnahmen) ausgeweitet und noch konsequenter genutzt werden.
Trotz einer im Vergleich zu den anderen Teilindikatoren günstigeren Situation ist der Zielwert auch in Wäldern aber noch nicht erreicht. Hierfür bedarf
es einer konsequenten Fortführung des naturnahen Waldbaus sowie der
fortgesetzten Berücksichtigung naturschutzfachlicher Aspekte bei der forst­
lichen Bewirtschaftung.
+
Zielerreichungsgrad in %
In Siedlungen zeigen
Siedlungen
120
sowohl Gebäudebrüter
Zielwert von 100 %
als auch Arten, die auf
im Jahr 2015
100
Brachen, Obstwiesen
und bäuerliche
80
Strukturen in Dörfern
59
und Ortsrandlagen
60
angewiesen sind,
40
einen negativen Trend.
Gründe hierfür dürften
20
in erster Linie bei der
zunehmenden Versie0
1970 1975 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012
2015
gelung von Flächen
sowie dem Verlust
Der aktuelle Wert liegt noch
Statistisch signifikanter
weit vom Zielbereich entfernt.
Trend weg vom Zielwert
naturnaher Lebensräume und dörflicher
Strukturen liegen.
Der Indikatorverlauf für Zielerreichungsgrad in %
Binnengewässer
120
die Binnengewässer
Zielwert von 100 %
weist über die letzten
im Jahr 2015
100
Jahre hinweg deutliche
Schwankungen auf,
80
73
ein signifikanter Trend
zeichnet sich nicht ab.
60
Eine wichtige Rolle
40
für die zukünftige
Entwicklung dieser
20
Lebensräume spielen
Maßnahmen zur Rena0
1970 1975 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012
2015
turierung von Flüssen
Der aktuelle Wert liegt noch
Kein statistisch signifi­
und Auen, die im
weit vom Zielbereich entfernt.
kanter Trend feststellbar
Rahmen der Umsetzung
der Wasserrahmenrichtlinie verstärkt durchgeführt werden sollen.
~
14
Komponenten der
biologischen Vielfalt
Siedlung und Verkehr
Wirtschaftliche
Nutzungen
Klimawandel
Gesellschaftliches
Bewusstsein
Zielerreichungsgrad in %
Küsten und Meere
120
100
Zielwert von 100 %
im Jahr 2015
80
56
60
40
20
0
1970 1975 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012
2015
Statistisch signifikanter
Trend weg vom Zielwert
Der aktuelle Wert liegt noch
weit vom Zielbereich entfernt.
Zielerreichungsgrad in %
Alpen
120
100
Zielwert von 100 %
im Jahr 2015
80
57
60
40
20
0
~
1970 1975 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012
Der aktuelle Wert liegt noch
weit vom Zielbereich entfernt.
Von dem negativen
Trend bei den Küsten
und Meeren sind vor
allem die Brutbestände
der Vogelarten der
Strände und Dünen
betroffen. Die an den
Küsten ergriffenen
Schutzmaßnahmen
konnten noch keine
Trendumkehr bewirken.
2015
Kein statistisch signifi­
kanter Trend feststellbar
Obwohl bei einigen Arten der Alpen negative
Bestandsveränderungen
auftreten, ist statistisch
kein signifikanter Trend
nachweisbar. Neben
einer zunehmenden
Erschließung entlegener Gebiete gelten als
Hauptursachen einerseits die Intensivierung
von Landnutzungen,
anderseits die Aufgabe
traditioneller Bewirtschaftungsformen.
Fazit
Die wichtigsten Ursachen für den Rückgang der Artenvielfalt sind – regional
unterschiedlich – die intensive landwirtschaftliche Nutzung, die Zerschneidung und Zersiedelung der Landschaft, die Versiegelung von Flächen sowie
Stoffeinträge (z. B. Säurebildner oder Nährstoffe). Im Siedlungsbereich wirken
sich Verluste an naturnahen Flächen und dörflichen Strukturen aufgrund
von Bautätigkeit und Flächenversiegelung negativ aus. Gefährdungsfaktoren
für Lebensräume an der Küste sind Störungen durch eine gestiegene Freizeitnutzung und die Verbauung, z. B. durch Küstenschutzmaßnahmen. Um
beim Gesamtindikator und bei allen Teilindikatoren einen positiven Trend zu
erreichen bzw. beim Teilindikator „Wälder“ den positiven Trend zu verstärken, sind weitere Anstrengungen von Bund, Ländern und auf kommunaler
Ebene in möglichst allen betroffenen Politikfeldern erforderlich.
15
Gefährdete Arten
Maßnahmen zum Schutz von Arten sind ein zentrales Thema der Nationalen Strategie zur biologischen
Vielfalt. Sie zielen darauf, die Gefährdung von
Arten zu verringern und den Rückgang der Artenvielfalt aufzuhalten. Rote Listen gefährdeter Arten
enthalten wichtige Informationen zur Gefährdungssituation der bewerteten Arten. Ihr Stellenwert als
Dokumentationsmedium des Artenschutzes ist stetig
gewachsen, seit vor fast 40 Jahren die ersten Roten
Listen veröffentlicht wurden. Heute sind sie weithin
bekannte und vielfältig genutzte Instrumente des
Naturschutzes. Die bundesweiten Roten Listen
werden in etwa 10-jährigem Turnus aktualisiert. Der
Indikator „Gefährdete Arten“ stellt die Artengefährdung in Deutschland auf der Basis der Bewertungen
in den Roten Listen anschaulich dar.
Luchs (Lynx lynx)
Indikator
Der Indikator bilanziert das Ausmaß der Gefährdung von Arten
ausgewählter Artengruppen.
Der Indikator fasst die Angaben zur Gefährdung der Arten in den bundesweiten Roten Listen in einer einfachen Maßzahl zusammen. Datengrundlage
sind die Einstufungen der Arten in die Rote-Liste-Kategorien, die ein System
abgestufter Gefährdungsgrade bilden bis hin zum Aussterben von Arten. Der
resultierende Index liefert einen einzelnen Wert, der das Ausmaß der Gefährdung aller bilanzierten Arten wiedergibt.
Zum Schutz der Artenvielfalt wird in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt als Ziel festgelegt, dass sich bis 2020 für den größten Teil der
Rote Liste-Arten die Gefährdungssituation um eine Stufe verbessern soll. Auf
Grundlage dieser Vorgabe kann ein konkreter Zielwert für das Jahr 2020 berechnet werden. Dabei wird eine Verbesserung der Gefährdung aller aktuell
bestandsgefährdeten Arten um eine Stufe angenommen.
In Zukunft sollen zusätzlich zum Hauptindikator Teilindikatoren gebildet
werden u. a. zur Gefährdung der Arten, für deren Erhaltung Deutschland eine
besondere Verantwortung trägt und deren Populationen gemäß den Zielen
der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt bis 2020 eine überlebensfähige Größe erreichen sollen. Weiterhin kann künftig ein Teilindikator den
Stand des Wissens zur Artengefährdung in Deutschland beleuchten.
Aufbau
„Bis 2020 hat sich für den
größten Teil der Rote ListeArten die Gefährdungssituation
um eine Stufe verbessert.“
(BMU 2007: 27)
16
Datengrundlage für die Berechnung des Indikators sind die von Expertengremien erstellten bundesweiten Roten Listen. Für die Berechnung stehen derzeit
die Roten Listen der Pflanzen und Pilze von 1996 (Ludwig & Schnittler 1996)
und der Tiere von 1998 (Binot et al. 1998) zur Verfügung, weiterhin die
2009 veröffentlichten aktuellen Fassungen der bundesweiten Roten Listen für
die Wirbeltiere (ohne Meeresfische) (BfN 2009a). Der Indikator „Gefährdete
Arten“ wird vorläufig nur für die Gruppe der Wirbeltiere (ohne die Meeres­
fische) bilanziert, für die Daten zur Gefährdung aus dem Jahr 2009 vorliegen.
Das Bundesamt für Naturschutz plant, die aktualisierten bundesweiten Roten
Listen für weitere Artengruppen in den Jahren 2010 und 2011 herauszugeben.
Die Bilanzierung des Indikators wird künftig auch die Daten aus diesen Roten
Listen umfassen.
In die Berechnung des Indikators fließen die Arten mit unterschiedlichen
Gewichtungsfaktoren ein. Dabei gilt: Je stärker eine Art gefährdet ist, desto
stärker beeinflusst sie den Indikatorwert. Aus der Bildung des Indexes resultiert eine Skala, auf der 0 % erreicht würden, wenn keine der Arten bestandsgefährdet, ausgestorben oder verschollen wäre. Bei 100 % wären sämtliche
betrachteten Arten ausgestorben oder verschollen.
Komponenten der
biologischen Vielfalt
Siedlung und Verkehr
Wirtschaftliche
Nutzungen
Klimawandel
Für das Jahr 2009 beträgt der vorläufig nur für die Gruppe der Wirbeltiere
(ohne die Meeresfische) berechnete Indikatorwert 23 %. Verringert sich in
Zukunft das Ausmaß der Gefährdung von Arten, wird dieser Wert sinken. Vom
Zielwert, der bei 16 % liegt, ist der aktuelle Indikatorwert noch weit entfernt.
Gegenüber den entsprechenden Roten Listen von 1998 ist eine geringfügige
Verbesserung des Indexwertes festzustellen. Aufgrund zahlreicher methodischer
Veränderungen bei der Einstufung der Arten der Wirbeltiere in Rote-Liste-Kategorien nach 1998 ist ein direkter Vergleich allerdings nur sehr eingeschränkt
möglich. Bei den Bilanzierungen muss darauf hingewiesen werden, dass die
hier betrachteten Wirbeltiere deutlich weniger als 1 % aller in Deutschland
vorkommenden bekannten Arten der Tiere, Pflanzen und Pilze stellen. Zudem
handelt es sich um Gruppen mit überwiegend gut untersuchten Tierarten, von
denen überdurchschnittlich viele bereits seit langer Zeit im Brennpunkt von
Artenschutzbemühungen stehen. Eine Verallgemeinerung der hier vorgestellten
Indikatorwerte auf die gesamte Artenvielfalt in Deutschland und deren Gefährdung ist daher nicht möglich (Pauly et al. 2009). Nach Erscheinen weiterer
aktueller Roter Listen wird sich die Zahl der in den Index eingehenden Arten
sehr stark vergrößern, und die Aussagen zur Bilanzierung können sich deutlich
ändern. Für besonders gefährdete Arten müssen Einzelmaßnahmen ergriffen
werden, die das Überleben dieser Arten sichern. Dabei sollten insbesondere solche bestandsgefährdeten Arten prioritär behandelt werden, für deren Erhaltung
Deutschland eine hohe oder eine besonders hohe Verantwortlichkeit besitzt. Für
einen erfolgreichen Artenschutz ist es außerdem notwendig, das Wissen um alle
in Deutschland vorkommenden Arten und deren Gefährdung zu verbessern.
Gesellschaftliches
Bewusstsein
Aussage
Gefährdete Arten
Indexwert in %
50
Der aktuelle Wert
liegt noch weit vom
Zielbereich entfernt.
Der Indikator wird vorläufig nur für die Gruppe
der Wirbeltiere ohne die Meeresfische bilanziert.
Aufgrund zahlreicher methodischer Veränderungen
bei der Einstufung der Arten
der Wirbeltiere in Rote-ListeKategorien nach 1998 ist ein
direkter Vergleich mit dem
Indikatorwert von 1998 nur
sehr eingeschränkt möglich.
40
30
23
Zielwert von 16 %
im Jahr 2020
20
Indikatorwert nach Roter Liste 1998
Indikatorwert nach Roter Liste 2009
10
0
1998
2000
2002
2004
2006
2008
2010
2012
Themenfelder der NBS
B 1.1.2 Artenvielfalt, C 2 Artenschutz und genetische Vielfalt
Definition
Der Indikator fasst die Gefährdung der Arten der bundesweiten Roten
Listen in einer einfachen Maßzahl zusammen. Datengrundlage sind die
Einstufungen der Arten in die Rote-Liste-Kategorien.
2014
2016
2018
2020
Grafik: BfN (2010),
Daten: Rote Liste 1998,
Rote Liste 2009
Zielwert
Zum Schutz der Artenvielfalt wird bis 2020 eine Verringerung der Gefährdung aller aktuell bestandsgefährdeten Arten um eine Stufe angestrebt.
Für die Gruppe der Wirbeltiere (ohne die Meeresfische) ergibt sich daraus
ein Zielwert von 16 %.
Kernaussage
Für das Jahr 2009 beträgt der vorläufig nur für die Gruppe der Wirbeltiere ohne
die Meeresfische berechnete Indikatorwert 23 %. Um den Zielwert von 16 %
bis 2020 zu erreichen, sind große Anstrengungen im Artenschutz notwendig.
17
Erhaltungszustand der FFH-Lebensräume und FFH-Arten
Heidschnucken in Heidelandschaft
Der Indikator gibt eine zusammenfassende Aussage zum
Erhaltungszustand der Lebens­
räume gemäß Anhang I und der
Arten gemäß den Anhängen II,
IV und V der FFH-Richtlinie in
Deutschland.
Indikator
In der Nationalen Strategie zur
biologischen Vielfalt ist als Ziel
formuliert: „Bis 2020 weisen
alle Bestände der Lebensraumtypen (gem. Anhang I der
FFH-Richtlinie), der geschützten
(§ 30 BNatSchG) und gefährdeten Biotoptypen sowie
solcher, für die Deutschland
eine besondere Verantwortung
hat bzw. die eine besondere
Bedeutung für wandernde Arten
haben, einen gegenüber 2005
signifikant besseren Erhaltungszustand auf, sofern ein guter
Erhaltungszustand noch nicht
erreicht ist.“ (BMU 2007: 29)
Für die Küsten und Meere ist
in der Nationalen Strategie
zur biologischen Vielfalt das
Ziel formuliert, bis 2020 für
alle Arten und Lebensräume
eine signifikante Verbesserung
des Erhaltungszustandes zu
erreichen (BMU 2007: 33).
18
Der FFH-Richtlinie
verdankt die Naturschutzarbeit in Deutschland
zahlreiche positive
Impulse. Diese reichen
von der Ausweisung
neuer Schutzgebiete
über die stringentere
Prüfung bei Eingriffen
bis hin zu einer verbesserten Ausgestaltung von
Agrarumweltmaßnahmen. Darüber hinaus
repräsentieren die in den
Anhängen genannten
Arten und Lebensraum­
typen einen wichtigen Ausschnitt der biologischen Vielfalt in Deutschland
und der EU. Aufgrund der hohen Bedeutung dieser Schutzgüter, die Bestandteil sehr unterschiedlicher Ökosysteme sind, korrespondieren die Vorgaben
der FFH-Richtlinie mit fast allen Aktionsfeldern der Nationalen Strategie zur
biologischen Vielfalt. Daher spielt die Bewertung des Erhaltungszustandes
der Schutzgüter eine zentrale Rolle bei der Überprüfung der für 2010 vereinbarten Biodiversitätsziele der EU und der Erfolge der Nationalen Strategie zur
biologischen Vielfalt.
Der Indikator wird als Indexwert errechnet, in den die Bewertung des Erhaltungszustandes der Schutzgüter der FFH-Richtlinie eingeht. Im nationalen
Bericht 2007 wurden für Deutschland die Bewertungsergebnisse zu den 91
Lebensraumtypen des Anhangs I und zu 272 von insgesamt 282 Tier- und
Pflanzenarten der Anhänge II, IV und V erstmals zusammengestellt (BfN
2009b).
In der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt ist als Ziel festgelegt, bis
2020 den Erhaltungszustand aller Bestände der FFH-Lebensraumtypen signifikant zu verbessern, sofern ein guter Erhaltungszustand noch nicht erreicht
wurde. Ebenso soll eine signifikante Verbesserung des Erhaltungszustandes
sämtlicher Arten und Lebensräume der Küsten und Meere bis 2020 erreicht
werden. Dieses Ziel wird für die Berechnung eines Zielwertes für den Indikator auf alle Schutzgüter übertragen, somit auch auf alle Arten der Anhänge
der FFH-Richtlinie. Dies korrespondiert mit der Zielsetzung der Richtlinie, einen günstigen Erhaltungszustand aller Lebensräume und Arten der Anhänge
zu bewahren oder wiederherzustellen. Verbessert sich der Erhaltungszustand
der FFH-Lebensräume und FFH-Arten mit ungünstigem Erhaltungszustand um
mindestens eine Bewertungsstufe, so wird dies als signifikante Verbesserung
betrachtet. Zielwert ist demzufolge der Indexwert, der sich ergibt, wenn die
Bewertungen aller Schutzgüter, deren Erhaltungszustand im vorliegenden
Bericht nicht als günstig eingestuft wurde, um genau eine Stufe verbessert
werden. Im Sinne einer einfachen Kommunizierbarkeit wurde der so ermittelte Wert anschließend gerundet. Es resultiert somit ein Zielwert von 80 % für
das Jahr 2020.
Derzeit wird auf europäischer Ebene im Zusammenhang mit der Erarbeitung
einer neuen EU-Biodiversitätsstrategie für die Zeit nach 2010 ebenfalls ein
Indikator zum Erhaltungszustand der FFH-Lebensräume und FFH-Arten entwickelt. Um die Zielerreichung beider Indikatoren vergleichen zu können, soll
nach Vorliegen des EU-Indikators die Berechnungsmethode des nationalen
Indikators an diesen angeglichen und der Zielwert überprüft werden.
Die Bundesregierung strebt auch in Hinblick auf den Schutz der Lebensraumtypen und
Arten der FFH-Richtlinie an:
• die dauerhafte Sicherung der Natura 2000-Gebiete inkl. Bereitstellung der erforderlichen Finanzierung (Aktionsfeld C1 „Biotopverbund und Schutzgebietsnetze“),
• die Erarbeitung und Durchführung von Artenschutzprogrammen zur Erhaltung und
Wieder­ansiedlung spezifischer Arten und Artengruppen (Aktionsfeld C2 „Artenschutz
und genetische Vielfalt“),
• die Überprüfung agrar- und umweltpolitischer Maßnahmen auf Nachhaltigkeit und
wirtschaftlich zumutbare Möglichkeiten zur weiteren Verbesserung der Naturverträglichkeit im Rahmen der EU-Agrarförderung sowie der nationalen und europä­
ischen Agrar- und Umweltpolitik (Aktionsfeld C6 „Land- und Forstwirtschaft“).
Grundlage für die Berechnung des Indikators ist die Bewertung des Erhaltungszustandes für jedes Schutzgut differenziert nach den drei in Deutschland
vorkommenden biogeographischen Regionen. Diese Bewertungen werden
im Rahmen des nationalen Berichts zur Umsetzung der FFH-Richtlinie alle
sechs Jahre zusammengestellt. Der erste vollständige Bericht wurde 2007 über
die Berichtsperiode 2001-2006 verfasst (BfN 2009b). Der nächste nationale
Bericht wird die Berichtsperiode 2007-2012 abdecken. Bei der Bewertung der
Erhaltungszustände werden drei Stufen unterschieden und mit den Farben
einer Ampel visualisiert: günstig („grün“), ungünstig-unzureichend („gelb“),
ungünstig-schlecht („rot“). Zusätzlich wird die Kategorie „unbekannt“ vergeben, wenn eine Bewertung aufgrund mangelnder Daten nicht vorgenommen
werden kann. Bei der Indexberechnung werden die Schutzgüter gemäß der
Bewertung und dem Anteil des jeweiligen Verbreitungsgebietes in einer
biogeographischen Region am Gesamtverbreitungsgebiet in Deutschland
gewichtet. Sofern Schützgüter in mehreren biogeographischen Regionen
vorkommen, geht ihre Bewertung mehrfach in den Index ein.
Aufbau
Der Indikatorwert beträgt für die Berichtsperiode 2001-2006 48 %. Der Anteil
der Schutzgüter mit günstigem Erhaltungszustand beträgt dabei 23 %, der
Anteil der Schutzgüter, deren Erhaltungszustand als unbekannt eingestuft
wurde, 19 %. Die Werte der Teilindikatoren, die jeweils nur aus einer Teilmenge aller Schutzgüter gebildet werden, liegen zwischen 40 % und 65 %.
Aussage
Teilindikatoren
Wert
Anteil der jeweils mit „rot“, „gelb“ und „grün“ bewerteten Schutzgüter
sowie
Anteil der mit der Gesamteinschätzung „unbekannt“ eingestuften Schutzgüter
„rot“: 27 %
„gelb“: 31 %
„grün“: 23 %
„unbekannt“: 19 %
Erhaltungszustand von Schutzgütern verschiedener
Formationen
Küsten und Meere: 51 %
Stillgewässer: 46 %
Fließgewässer und Auen: 47 %
Moore: 44 %
Gebirge: 65 %
Erhaltungszustand nutzungsabhängiger bzw. durch landwirtschaftliche Nutzung stark geprägter Schutzgüter (nur landwirtschaftliches Offenland inkl.
historische Nutzungsformen)
40 %
Erhaltungszustand waldgebundener Schutzgüter
52 %
19
Komponenten der
biologischen Vielfalt
Wirtschaftliche
Nutzungen
Siedlung und Verkehr
Klimawandel
Gesellschaftliches
Bewusstsein
Der Indikator zeigt den großen Handlungsbedarf in Hinblick auf eine – oft
nur mittel- bis langfristig erreichbare – Verbesserung des Erhaltungszustandes
der Schutzgüter der FFH-Richtlinie in Deutschland und damit auch den
Schutz der biologischen Vielfalt insgesamt. Dabei ist der Handlungsbedarf bei
Schutzgütern mit Bindung an landwirtschaftlich geprägte Ökosysteme, Moore,
Stillgewässer oder Fließgewässer und Auen größer als bei Schutzgütern mit
Bindung an Küsten und Meere, Wälder oder Gebirge. Folgende Konsequenzen
lassen sich daraus ableiten:
• Damit das Schutzgebietsnetz Natura 2000 seine Wirkung im gewünschten
Umfang entfalten kann, muss nach Abschluss der Gebietsmeldungen darauf hingearbeitet werden, den Erhaltungszustand der FFH-Lebensräume
und FFH-Arten zu verbessern.
• Auch außerhalb des Schutzgebietsnetzes Natura 2000 sind besondere
Schutzbemühungen vor allem für zahlreiche Arten und Offenland-Lebensräume weiterhin erforderlich.
• Um geeignete Maßnahmen z. B. im Rahmen von FFH-Managementplänen,
Artenschutzprogrammen oder Agrarumweltmaßnahmen abzuleiten, ist
die spezifische Betrachtung jedes einzelnen Schutzgutes notwendig.
• Der Erhaltungszustand vieler Schutzgüter hängt von der Art der Flächennutzung ab, die nicht im direkten Einflussbereich des Naturschutzes liegt.
Zur Verbesserung der Erhaltungszustände können daher Naturschutz und
Flächennutzer nur gemeinsam beitragen.
Erhaltungszustand der FFH-Lebensräume und FFH-Arten
Index in %
Der aktuelle Wert
liegt noch weit vom
Zielbereich entfernt.
100
Zielwert von 80 %
im Jahr 2020
80
60
48
40
20
0
20
2000
2002
2004
2006
2008
2010
2012
2014
2016
2018
2020
Grafik: BfN (2010),
Daten: BfN (2009)
Themenfelder der NBS
Insbesondere B 1.1 Biodiversität, B 1.2 Lebensräume, C1 Biotopverbund und
Schutzgebietsnetze, C2 Artenschutz und C6 Land- und Forstwirtschaft
Zielwert
Bis 2020 hat sich der Erhaltungszustand aller mit „ungünstig“ bewerteten
Schutzgüter um mindestens eine Stufe verbessert (Indexwert von 80 %).
Definition
Index (Maßzahl in %) über den nach Bewertungsergebnis und Verbreitungsgebiet gewichteten Erhaltungszustand der Bestände der 91 Lebensraumtypen und der 272 Arten der FFH-Richtlinie in den drei biogeographischen
Regionen Deutschlands
Kernaussage
Für die letzte Berichtsperiode (2001-2006) beträgt der Indikatorwert 48 %.
Er liegt noch weit vom Zielwert entfernt. Bei einem Großteil der Schutzgüter sind daher erhebliche Anstrengungen erforderlich, um deren Erhaltungszustand zu verbessern.
Invasive Arten
Als invasiv gelten Arten, deren Vorkommen außerhalb
ihres natürlichen Verbreitungsgebietes für die dort
natürlich vorkommenden Ökosysteme, Biotope oder
Arten ein erhebliches Gefährdungspotenzial darstellt. Die
absichtliche Einfuhr und das unbeabsichtigte Einschleppen
invasiver Arten werden weltweit nach der Zerstörung von
Lebensräumen als die zweitgrößte Gefährdungsursache für
die biologische Vielfalt angesehen. Deutschland zeigt aber
eine lange Geschichte der Besiedlung und Landnutzung,
in deren Verlauf bereits ein umfangreicher Austausch
an Arten mit anderen Gebieten der Welt vom Menschen
angestoßen wurde. In den allermeisten Fällen haben sich
diese neu nach Deutschland gelangten Arten als nicht
invasiv erwiesen. Im weltweiten Vergleich hat sich gezeigt,
Der Graskarpfen (Ctenopharyngodon idella) ist eine Art auf der
Managementliste der Schwarzen Liste invasiver Arten.
dass das Gefährdungspotenzial bei bestimmten invasiven
Arten in Deutschland zwar hoch ist, insgesamt aber als
weitaus geringer zu bewerten ist als beispielsweise im Falle isolierter Inseln.
Der Indikator bilanziert die
Anzahl invasiver Arten, die zu
Vor allem durch die internationalen Verkehrs- und Handelsströme gelangen
einer Gefährdung von Ökosys­
Arten nach Deutschland, die natürlich vorkommende Arten und Lebensräume
temen, Lebensräumen oder
gefährden können. Neben diesen negativen Auswirkungen aus Sicht des NaArten in Deutschland führen
turschutzes können invasive Arten zusätzlich negative ökonomische Auswirkönnen.
kungen (z. B. für die Forst- und Landwirtschaft) oder negative gesundheitliche
Auswirkungen für den Menschen (z. B. die Herkulesstaude als Auslöser von
Hautverbrennungen) haben.
Der hier bilanzierte Indikator basiert auf der Schwarzen Liste invasiver Arten.
Dabei handelt es sich um eine Auflistung von Tier- und Pflanzenarten, die
nachgewiesenermaßen negative Auswirkungen auf die biologische Vielfalt
bestimmter Lebensräume in Deutschland oder in vergleichbaren Regionen
haben. Innerhalb der Schwarzen Liste wird unterschieden zwischen Arten der
Indikator
• Warnliste (Gefährdung der biologischen Vielfalt belegt, Art in Deutschland
noch nicht vorkommend, aber in vergleichbaren Regionen invasiv),
• Aktionsliste (Gefährdung der biologischen Vielfalt belegt, kleinräumige
Vorkommen in Deutschland bekannt, geeignete Sofortmaßnahmen
bekannt) und
• Managementliste (Gefährdung der biologischen Vielfalt belegt, kleinräumige Vorkommen in Deutschland bekannt, geeignete Sofortmaßnahmen
unbekannt oder Gefährdung der biologischen Vielfalt belegt, großräumige
Vorkommen in Deutschland bekannt, Maßnahmen nur noch in Einzelfällen sinnvoll).
Berichtet werden zwei Teilindikatoren: Erster Teilindikator ist die absolute Anzahl der Arten auf der Aktionsliste der Schwarzen Liste invasiver Arten. Diese
Zahl ist ein Maß für die Dringlichkeit, Sofortmaßnahmen gegen invasive Arten
zu ergreifen. Als zweiter Teilindikator wird die absolute Anzahl der Arten auf
der Managementliste der Schwarzen Liste invasiver Arten berichtet. Diese
Zahl beschreibt das Ausmaß der Gefährdung von Ökosystemen, Lebensräumen
oder Arten durch invasive Arten in Deutschland.
Sowohl bei der Aktionsliste als auch bei der Managementliste besteht das
Ziel, dass die Anzahl invasiver Arten in Zukunft nicht weiter zunimmt. Für
die Aktionsliste wäre es bei Erfolg der durchgeführten Maßnahmen sogar
möglich, dass die Anzahl der Arten wieder bis auf Null abnimmt. Dies ist bei
den in der Regel bereits weit verbreiteten Arten der Managementliste aber
nicht möglich.
„Vor allem durch die
internationalen Verkehrs- und
Handelsströme gelangen nichtheimische Arten (Neobiota)
nach Deutschland, die heimische
Arten gefährden bzw. verdrängen können.“ (BMU 2007: 27f)
21
Bekämpfung der Herkulesstaude
(Heracleum mantegazzianum)
Zum Schutz der biologischen
Vielfalt vor negativen Auswirkungen invasiver Arten strebt
die Bundesregierung Folgendes
an (BMU 2007):
• Berücksichtigung der
Problematik der als
invasiv bekannten Arten in
Managementplänen (S. 28),
• Vermeidung der Einschleppung invasiver Arten
insbesondere in aquatischen
Lebensräumen (Meere, Stillund Fließgewässer) (S. 34,
35 und 37),
• Überwachung, Früherkennung und Prävention (S. 66),
• Anwendung der gesetzlichen
Grundlagen aus Naturschutz
und Pflanzenschutzrecht
(S. 67),
• Entwicklung von Empfehlungen zum Umgang mit
invasiven Arten (S. 68).
Aufbau
22
Für die Berechnung der beiden Teilindikatoren stehen derzeit als vorläufige
Datengrundlage lediglich die vom Bundesamt für Naturschutz erstellten
Entwürfe (Stand: März 2010) der Aktionsliste und der Managementliste der
Schwarzen Liste invasiver Arten für Gefäßpflanzen und Fische zur Verfügung.
Zusätzlich wurde eine weitere im Internet publizierte Liste invasiver Arten
der Makrofauna des Gewässergrundes ausgewertet (http://www.aquatic-aliens.
de), die alle der Managementliste zuzuordnen sind. Die Anzahl der Arten der
Aktionsliste und der Managementliste werden jeweils über alle betrachteten
Artengruppen summiert. Das Bundesamt für Naturschutz wird künftig die
Schwarzen Listen für die genannten und für weitere Artengruppen herausgeben. Damit wird sich die Datengrundlage für die beiden Teilindikatoren
erweitern.
Komponenten der
biologischen Vielfalt
Siedlung und Verkehr
Wirtschaftliche
Nutzungen
Klimawandel
Die beiden Teilindikatoren werden für das Jahr 2010 vorläufig anhand der
Entwürfe Schwarzer Listen für drei Artengruppen (Gefäßpflanzen, Fische und
Makrofauna des Gewässergrundes) berechnet. Aktuell stehen demnach 40
invasive Arten auf der Managementliste der Schwarzen Liste. Auf der Aktionsliste sind insgesamt sechs invasive Arten verzeichnet, gegen die Sofortmaßnahmen zu ergreifen sind.
Gesellschaftliches
Bewusstsein
Aussage
In Zukunft ist die Differenzierung möglicher Abgänge von der Aktionsliste
von Interesse: Abgänge infolge einer Beseitigung der Arten weisen auf
erfolgreiche Sofortmaßnahmen hin. Abgänge von der Aktionsliste in die
Managementliste bedeuten, dass Sofortmaßnahmen die Ausbreitung der
Arten nicht stoppen konnten bzw. nicht ergriffen wurden. Um die Aussagen
des Teilindikators zur Artenzahl der Aktionsliste künftig im Falle von Veränderungen des Indikatorwertes richtig zu interpretieren, müssen die Gründe
für ein Herausfallen von Arten aus dieser Liste bekannt sein und ausgewertet
werden.
Die Bundesregierung hat in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt
mehrere Maßnahmen vorgeschlagen, die geeignet sind, die Beeinträchtigung
der biologischen Vielfalt durch invasive Arten zu verringern. Nach dem
neuen Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG), das am 1. März 2010 in Kraft
getreten ist, muss besonderer Wert auf die Prävention gelegt werden, um
einer Gefährdung von Ökosystemen, Biotopen oder Arten durch invasive
Arten entgegenzuwirken. Gelangen invasive Arten nach Deutschland, ist
durch Früherkennung und Sofortmaßnahmen deren Ansiedlung oder weitere
Ausbreitung zu verhindern.
Invasive Arten
Anzahl der Arten der vorläufigen Aktionsliste und der vorläufigen
Managementliste der Schwarzen Liste invasiver Arten
Ausgewertet wurden die Entwürfe der Schwarzen Listen
für folgende Artengruppen:
Gefäßpflanzen, Fische und
Makrofauna des Gewässergrundes.
50
40
40
30
20
10
0
Anzahl der Arten
der Aktionsliste
Anzahl der Arten
der Managementliste
6
2010
2012
Themenfelder der NBS
B 1.1.2 Artenvielfalt, C 3 Biologische Sicherheit und Vermeidung von
Faunen- und Florenverfälschung
Definition
Anzahl der Arten der Schwarzen Liste invasiver Arten getrennt nach der
Aktions- und der Managementliste
2014
Grafik: BfN (2010),
Daten: BfN (2010),
http://www.aquatic-aliens.de
Qualitätsziel
Die Anzahl der Arten der beiden Listen ist zu minimieren.
Kernaussage
In 2010 gefährden 40 Arten der vorläufigen Managementliste der Schwarzen Liste invasiver Arten die biologische Vielfalt. Gegen sechs Arten der
vorläufigen Aktionsliste sind Sofortmaßnahmen zu ergreifen.
23
Gebietsschutz
Die Unterschutzstellung gefährdeter
und schützenswerter Gebiete ist eines
der wichtigsten Instrumente des Naturschutzes. In Deutschland existieren
verschiedene Kategorien von Schutzgebieten mit jeweils sehr unterschiedlichen rechtlichen Vorgaben.
Naturschutzgebiet Obere Ahr
Der Indikator bilanziert die
Ausweisung streng geschützter
Gebiete als Maßnahme des
Gebietsschutzes.
Das BNatSchG sieht als Kategorien mit unterschiedlichem
Schutzstatus Naturschutzgebiete, Nationalparke, Nationale
Naturmonumente, Biosphärenreservate, Landschaftsschutzgebiete, Naturparke,
Naturdenkmäler, geschützte
Landschaftsbestandteile und
gesetzlich geschützte Biotope
(§§ 23-30 BNatSchG) sowie
Schutzgebiete gemäß Natura
2000 (§ 32 BNatSchG) vor.
Indikator
Schutzgebiete stellen in einer fast
flächendeckend von menschlichen
Nutzungen (insbesondere Land- und
Forstwirtschaft, Siedlung und Verkehr)
geprägten Landschaft unabdingbare
Rückzugsräume für die Tier- und
Pflanzenwelt dar. In Naturschutzgebieten und Nationalparken gelten
strenge Schutzregelungen, um die
Erhaltung und Entwicklung seltener
und gefährdeter Arten und Biotope
sicherzustellen. Bei Nationalparken
spielt zudem die Großräumigkeit
eine besondere Rolle. Sie haben zum Ziel, in einem überwiegenden Teil ihres
Gebietes einen möglichst ungestörten Ablauf der Naturvorgänge zu gewährleisten. Naturschutzgebiete und Nationalparke sichern wesentliche Bestandteile des nach § 21 BNatSchG aufzubauenden nationalen Biotopverbunds und
der in Deutschland gelegenen Teile des europäischen Schutzgebietsnetzes
Natura 2000. Sie leisten außerdem einen wichtigen Beitrag zu einem globalen
Schutzgebietsnetz. Naturschutzgebiete und Nationalparke sind wichtige
Instrumente zur Erhaltung der biologischen Vielfalt in Deutschland. Die
Flächengröße dieser beiden Schutzgebietskategorien dient daher als Indikator der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt für Maßnahmen des
Gebietsschutzes.
Das europäische Schutzgebietsnetz Natura 2000 ist ein wesentlicher Baustein
des Gebietsschutzes in Deutschland. Es dient der Bewahrung bzw. der Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der aus europäischer
Sicht bedeutsamen Arten und Lebensraumtypen. Der Anteil der Natura
2000-Gebiete an der Landfläche Deutschlands beträgt 15,3 %. Diese Flächen
werden sukzessive unter Schutz gestellt, wobei jedoch entsprechend den
jeweiligen Erhaltungszielen die Gebiete nur teilweise als streng geschützte
Gebiete (Naturschutzgebiete, Nationalparke oder Kern- bzw. Pflegezonen von
Biosphärenreservaten) ausgewiesen werden.
Der Indikator „Gebietsschutz“ bilanziert die Gesamtfläche der streng geschützten Gebiete in Deutschland. Dafür wird der prozentuale Anteil der Flächen
der Naturschutzgebiete (NSG) und der Nationalparke (NLP) an der Landfläche
Deutschlands ermittelt. Kern- und Pflegezonen der Biosphärenreservate (BR)
sind hierin eingeschlossen, wenn sie als NSG oder NLP ausgewiesen wurden.
In der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt setzt sich die Bundes­
regierung verschiedene Ziele mit Bezug zum Gebietsschutz: Bis 2010
soll Deutschland auf 10 % der Landesfläche über ein repräsentatives und
funktionsfähiges System vernetzter Biotope verfügen. Außerdem soll sich bis
2020 die Natur auf 2 % der Fläche Deutschlands wieder ungestört entwickeln
können. Bis 2010 soll zudem der Aufbau des europäischen Schutzgebietsnetzes Natura 2000 abgeschlossen sein. Mit der Ausweisung streng geschützter
Gebiete (Naturschutzgebiete, Nationalparke) wird ein wichtiger Beitrag zur
Erreichung dieser Ziele geleistet.
24
Nationalpark Eifel
Das Aktionsfeld „Biotopverbund
und Schutzgebietsnetze“
der Nationalen Strategie zur
biologischen Vielfalt stellt
die zentrale Bedeutung der
Ausweisung von Schutzgebieten
und deren Vernetzung für die
Erhaltung der biologischen
Vielfalt heraus (BMU 2007:
64): „Die Artenvielfalt und die
genetische Vielfalt wildlebender
Pflanzen- und Tierarten wird
insbesondere durch den Schutz
ihrer Habitate und Lebensräume
erhalten. Bei der Erhaltung
reproduktionsfähiger Populationen spielen der Biotopverbund
und Schutzgebietsnetze eine
zentrale Rolle.“
Der Indikator summiert die von den Bundesländern seit 2000 jährlich
gemeldeten Flächen der streng geschützten Gebiete. Es werden hierfür NSG
und NLP getrennt aufgeführt. Nur im NLP „Unteres Odertal“ wurden Flächen
sowohl als NSG als auch als NLP gemeldet. Diese werden bei der Bilanzierung
des Indikators als NLP-Flächen gezählt. Die Flächenanteile der als NSG oder
NLP ausgewiesenen Kern- und Pflegezonen der BR werden nicht gesondert
aufgeführt.
Aufbau
„Bis zum Jahre 2020 kann sich
die Natur auf 2 % der Fläche
Deutschlands wieder nach ihren
eigenen Gesetzmäßigkeiten
ungestört entwickeln und
Wildnis entstehen. Bis 2010
besitzt Deutschland auf 10 %
der Landesfläche ein repräsentatives und funktionsfähiges
System vernetzter Biotope.
Dieses Netz ist geeignet, die
Lebensräume der wildlebenden
Arten dauerhaft zu sichern und
ist integraler Bestandteil eines
europäischen Biotopverbunds.“
(BMU 2007: 28)
Naturschutzgebiet Insel Vilm im
Biosphären­reservat Südost-Rügen
25
Komponenten der
biologischen Vielfalt
Siedlung und Verkehr
Aussage
Wirtschaftliche
Nutzungen
Klimawandel
Gesellschaftliches
Bewusstsein
Die Fläche der streng geschützten Gebiete stieg von 1.129.225 ha im Jahr 2000
auf 1.455.695 ha im Jahr 2008 kontinuierlich an. Dies entspricht bezogen auf
die Landfläche Deutschlands für das Jahr 2000 einem Anteil von 3,2 % und
für das Jahr 2008 von 4,1 %. Während die Fläche der NSG seit 2000 stetig
angewachsen ist, vergrößerte sich die Fläche der NLP ausschließlich zwischen
den Jahren 2003 und 2004 nach der Gründung der NLP „Eifel“ in NordrheinWestfalen und „Kellerwald-Edersee“ in Hessen.
Der Anstieg der gesamten Fläche streng geschützter Gebiete liegt insbesondere in der nationalen Umsetzung des Natura 2000-Netzwerkes begründet. Da
die Unterschutzstellung von Natura 2000-Gebieten in Deutschland noch nicht
abgeschlossen ist, wird die Fläche der streng geschützten Gebiete voraussichtlich weiter zunehmen. Die Ausweisung von Schutzgebieten erfolgt durch die
Länder. Der Bund kann diesen Prozess unterstützen (z. B. durch die Förderung
von Naturschutzgroßprojekten).
Neben einer formalen Ausweisung von Schutzgebieten ist auch eine effektive
Betreuung und Pflege der Gebiete im Sinne der festgelegten Ziele des Naturschutzes notwendig. Darüber hinaus ist auch auf eine gute Vernetzung der
Schutzgebiete zu achten. Eine Aussage über die Qualität aller bundesweit
streng geschützten Gebiete kann bislang nicht getroffen werden. Angelaufen
sind aber der Evaluierungsprozess für die deutschen Nationalparke und die
bundesweite Erfassung des Erhaltungszustandes der durch die FFH-Richtlinie
geschützten Lebensraumtypen und Arten (siehe Indikator „Erhaltungszustand
der FFH-Lebensräume und FFH-Arten“).
Gebietsschutz
Anteil streng geschützter Gebiete an der Landfläche in %
Statistisch
signifikanter Trend
hin zum Ziel
5
4,1
4
3
Im NLP „Unteres Odertal“
wurden Flächen sowohl als
NSG als auch als NLP gemeldet. Diese Flächen zählen
hier als NLP.
2
Nationalpark
Naturschutzgebiet
1
0
2000
2001
2002
2003
2004
2005
Themenfelder der NBS
B 1.1.3 Vielfalt der Lebensräume,
C 1 Biotopverbund und Schutzgebietsnetze
Definition
Flächenanteil der Naturschutzgebiete (NSG) und der Nationalparke (NLP)
sowie der als NSG oder NLP ausgewiesenen Kern- und Pflegezonen der
Biosphärenreservate (BR) in Prozent der Landfläche Deutschlands
26
2006
2007
2008
Grafik: BfN (2010),
Daten: Länder (2009)
Qualitätsziel
Mit der Ausweisung streng geschützter Gebiete wird ein wichtiger Beitrag
geleistet u. a. zur Absicherung des nationalen Biotopverbundes und zur Unterschutzstellung von Natura 2000-Gebieten.
Kernaussage
Der Flächenanteil streng geschützter Gebiete ist von 2000 bis 2008 von
3,2 % auf 4,1 % der Landfläche Deutschlands gestiegen.
Ökologischer Gewässerzustand
Saubere, naturnahe
Gewässer sind von herausragender Bedeutung
für die Erhaltung der
biologischen Vielfalt in
Deutschland. In Flüssen,
Bächen, Seen, Übergangsund Küstengewässern finden sich zahlreiche Arten
und Lebensräume, die
auf Beeinträchtigungen
z. B. durch Nährstoffeinträge, Verschmutzungen
oder Verbauungen sehr
empfindlich reagieren.
Bis in die 1970er Jahre
belasteten insbesondere
Abwässer aus Kläranlagen und der Industrie
Naturnahes Fließgewässer
sowie Einträge aus
umliegenden landwirtschaftlich genutzten Flächen die Gewässer sehr stark. Vielfältige Bemühungen
im Bereich der Gewässerreinhaltung während der letzten Jahrzehnte haben
die biologische Wasserqualität insgesamt verbessert. Während sich die
Abwasserbelastung verringerte und viele Tiere und Pflanzen in die sauberer
gewordenen Gewässer zurückkehrten, bestehen in anderen Bereichen nach
wie vor große Defizite. Verbauung, Begradigung und Entwässerung der Auen
führten zu einer strukturellen Verarmung, zum Verlust an Artenvielfalt sowie
zu einer Veränderung der natürlichen Abflussdynamik. Die Fließgewässer
sind durchschnittlich alle 2 km durch ein Wehr für Organismen und Sediment
nicht mehr durchgängig. Diese tief greifenden Veränderungen und Nährstoff­
einträge aus der Landwirtschaft sind heute wesentliche Belastungsfaktoren
unserer Gewässer.
Der Indikator gibt Auskunft über
den ökologischen Zustand von
Flüssen, Bächen, Seen, Übergangs- und Küstengewässern.
Nach den Vorgaben der EG-Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG vom
23. Oktober 2000 und der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie 2008/56/EG
wird ein ganzheitliches Schutz- und Nutzungskonzept für die europäischen
Oberflächengewässer verfolgt. Ziel ist dabei der gute ökologische und chemische Zustand. Der vorliegende Indikator bilanziert den guten ökologischen
Zustand, der definiert ist als geringfügige Abweichung von den jeweiligen
natürlichen Bedingungen.
Der Indikator bilanziert den Anteil der Wasserkörper der Flüsse, Bäche, Seen,
Übergangs- und Küstengewässer, die sich in einem guten oder sehr guten
ökologischen Zustand befinden, an der Gesamtanzahl aller bewerteten Wasserkörper. Die Gewässerbewertung gemäß Wasserrahmenrichtlinie orientiert
sich dabei an den im Wasser lebenden Organismen, da die Zusammensetzung
der aquatischen Lebensgemeinschaften des jeweiligen Gewässertyps die
Gesamtheit aller Einflussfaktoren widerspiegelt.
Gemäß den Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie und den Zielsetzungen
der NBS sollen bis zum Jahr 2015 grundsätzlich alle Wasserkörper mindestens
einen guten ökologischen Zustand erreichen. Für erheblich veränderte und
künstliche Gewässer gilt als Ziel das sogenannte gute ökologische Potenzial.
Dieses Ziel berücksichtigt, dass aufgrund von Nutzungen in solchen Gewässern nicht alle natürlicherweise vorkommenden Habitate wiederhergestellt
werden können. Es ist zu beachten, dass die Wasserrahmenrichtlinie Fristverlängerungen bis 2027 und andere Ausnahmen von der Zielsetzung zulässt.
Indikator
„Bis zum Jahre 2015 ist für
die Gewässer im Küstenraum
ein guter ökologischer und
chemischer Qualitätszustand
erreicht.“ (BMU 2007: 33)
„Bis 2015 ist mindestens
ein guter ökologischer und
chemischer Zustand (WRRL)
[der Seen, Weiher und Teiche]
erreicht […].“ (BMU 2007: 34)
27
Aufbau
Der Indikator basiert auf Erhebungen der Gewässer nach den Vorgaben
der Wasserrahmenrichtlinie. Dabei wird der ökologische Zustand einzelner
Flussabschnitte, Seen oder Küstengewässerteile bewertet. Grundeinheit der
Erfassungen sind sogenannte Wasserkörper, die als räumlich getrennt gelten,
wenn sich deren Kategorie (Fluss, See, Übergangs- oder Küstengewässer),
deren Typ (z. B. kiesgeprägte Ströme, sandgeprägte Tieflandbäche) oder deren
Zustand (z. B. gut, mäßig) ändert. In die Bewertung gehen Fließgewässer
mit einem Einzugsgebiet von mindestens 10 km² und Seen mit einer Größe
von mindestens 50 ha ein. In Deutschland gibt es knapp 9.900 Wasserkörper (9.070 in Flüssen und Bächen, 710 in Seen, 5 in Übergangs- und 74 in
Küstengewässern).
„Bis 2015 ist entsprechend den
Vorgaben der WRRL ein guter
ökologischer und chemischer
Zustand bzw. ökologisches
Potenzial der Flüsse erreicht;
die ökologische Durchgängigkeit
ist wiederhergestellt. […] Der
Bestand der für das jeweilige
Fließgewässer charakteristischen Fischfauna ist dauerhaft
gesichert.“ (BMU 2007: 35)
Die ökologische Zustandsklasse eines Wasserkörpers ergibt sich aus dem Grad
der Abweichung vom natürlichen Zustand des Gewässertyps hinsichtlich
Vorkommen und Häufigkeit der lebensraumtypischen Arten. Es werden fünf
Klassen unterschieden: sehr gut, gut, mäßig, unbefriedigend und schlecht. Die
biologische Qualitätskomponente mit der schlechtesten Bewertung bestimmt
die Klassenzugehörigkeit. Zur Bewertung werden die Wirbellosenfauna (Makrozoobenthos), die Fischfauna sowie Pflanzen (Makrophyten, Phytobenthos,
Phytoplankton) herangezogen. Wenn die Umweltqualitätsnorm eines regional
bedeutenden Schadstoffes nicht eingehalten wird, kann der ökologische
Zustand bestenfalls als mäßig bewertet werden. Ferner müssen die Werte für
physikalisch-chemische Parameter, wie Nährstoffgehalte, Temperatur oder
Salzgehalte, in einem Bereich liegen, der die Funktionsfähigkeit des Ökosystems gewährleistet.
Die Überwachungsergebnisse des ökologischen Zustandes der Gewässer
werden in Bewirtschaftungsplänen dokumentiert. Termin für die ersten
Pläne war der 22. Dezember 2009. Der erste Bewirtschaftungszyklus läuft bis
Dezember 2015. Danach werden zwei weitere Zyklen von jeweils 6 Jahren
folgen. Innerhalb eines Zyklus wird jedes Jahr ein Teil der Gewässer neu
bewertet. Somit liegen beginnend mit dem Jahr 2009 alle 6 Jahre neue Daten
zum ökologischen Zustand aller deutschen Gewässer vor.
Makrozoobenthos:
Mit bloßem Auge erkennbare
wirbellose Tiere, die in oder
auf der Gewässersohle leben
Makrophyten:
Mit bloßem Auge erkennbare
Wasserpflanzen
Phytobenthos:
Am Gewässerboden auf­
wachsende Algen
Phytoplankton:
Im Wasser frei schwebende
Algen
Köcherfliegenlarve
28
Komponenten der
biologischen Vielfalt
Siedlung und Verkehr
Wirtschaftliche
Nutzungen
Klimawandel
Nach den Bewertungsmaßstäben der Wasserrahmenrichtlinie zeigt sich,
dass im Jahr 2009 nur 10 % der Wasserkörper einen guten oder sehr guten
ökologischen Zustand erreichten. Dieses Gesamtergebnis spiegelt im Wesentlichen die Bewertung der Fließgewässer (9 % in einem guten oder sehr
guten ökologischen Zustand) in Deutschland wider, da diese den größten
Teil der Wasserkörper stellen. Das Ergebnis für die Seen war positiver. Hier
erreichten 39 % einen guten oder sehr guten ökologischen Zustand. Schlechter stand es um die Küsten- und besonders die Übergangsgewässer, die den
guten ökologischen Zustand in nahezu allen Wasserkörpern verfehlten. Die
häufigsten Ursachen für das Nicht-Erreichen des guten ökologischen Zustands
sind bei den Fließgewässern Veränderungen der Hydromorphologie (z. B.
durch Verbauung, Begradigung und regelmäßige Unterhaltung) sowie die
fehlende Durchgängigkeit und die hohen, größtenteils aus der Landwirtschaft
stammenden Nährstoffeinträge. Diese Beeinträchtigungen schlagen sich in
massiven Veränderungen der natürlichen Lebensgemeinschaften nieder. Bei
den Seen, Übergangs- und Küstengewässern sind die Nährstoffbelastungen die
wichtigste Ursache.
Gesellschaftliches
Bewusstsein
Aussage
Ökologischer Gewässerzustand
Anteil der Wasserkörper im guten oder sehr guten ökologischen Zustand
an der Gesamtanzahl aller bewerteten Wasserkörper in %
100
Zielwert von 100 %
im Jahr 2015
Der aktuelle Wert liegt
noch sehr weit vom
Zielbereich entfernt.
80
60
40
20
10
0
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
Grafik: BfN (2010),
Daten: UBA (2010),
Berichtsportal WasserBLIcK
(http://www.wasserblick.net)
BfG (2010)
Themenfelder der NBS
B 1.2.2 Küsten und Meere, B 1.2.3 Seen, Weiher, Teiche und Tümpel,
B 1.2.4 Flüsse und Auen, C 4 Gewässerschutz und Hochwasservorsorge
Zielwert
Bis zum Jahr 2015 erreichen prinzipiell 100 % der Wasserkörper einen guten
oder sehr guten ökologischen Zustand.
Definition
Anteil der Wasserkörper der Flüsse, Bäche, Seen, Übergangs- und Küstengewässer, die sich in einem guten oder sehr guten ökologischen Zustand
befinden, an der Gesamtanzahl aller bewerteten Wasserkörper
Kernaussage
Nur 10 % der Wasserkörper befanden sich im Jahr 2009 in einem guten
oder sehr guten ökologischen Zustand. Die häufigsten Ursachen für
Beeinträchtigungen sind Veränderungen der Gewässerstruktur und hohe
Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft.
29
Zustand der Flussauen
Flüsse und ihre Auen haben eine große Bedeutung für die Erhaltung der biologischen
Vielfalt. Sie sind Lebensraum zahlreicher
an die spezifischen Standortbedingungen –
insbesondere Dynamik von Überflutungen
und Wasserangebot – angepasster Arten
und stellen häufig überregional bedeutsame
Biotopverbundachsen dar. Insbesondere den
Auen kommt zudem eine wichtige Rolle als
Überflutungsraum zu, der wesentlich zum
Schutz vor Hochwasserschäden beiträgt.
Beide Themenkomplexe – Schutz der
biologischen Vielfalt an Gewässern und
Hochwasservorsorge – sind daher elementare Bestandteile des Aktionsfeldes C4
„Gewässerschutz und Hochwasservorsorge“
der Nationalen Strategie zur biologischen
Vielfalt.
Donauaue bei Neuburg
Der Indikator gibt Auskunft über
den Zustand der Flussauen als
Lebensraum von Pflanzen und
Tieren.
Als Ergebnis mehrerer Forschungsvorhaben wurde 2009 ein Auenzustandsbericht für die größeren Flussauen in Deutschland veröffentlicht (BMU & BfN
2009). Damit konnte erstmals deutschlandweit der Zustand der Flussauen
dargestellt werden. Die Daten eignen sich zur Überprüfung der in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt genannten Ziele in Hinblick auf
eine Verbesserung des Zustandes der Auen. Bis 2020 sollen hiernach Fließgewässer und Auen in ihrer Funktion als Lebensraum soweit gesichert werden,
dass eine für Deutschland naturraumtypische Vielfalt an Organismen und
Biotopen gewährleistet ist. Weiterhin sollen bis 2020 Maßnahmen greifen,
damit der überwiegende Teil der Fließgewässer wieder über mehr natürliche
Überflutungsräume verfügt (Vergrößerung der aktuellen Rückhalteflächen an
Flüssen um mindestens 10 %).
Indikator
Der neu entwickelte Indikator wird als Indexwert berechnet, der den Auenzustand aller im Auenzustandsbericht erfassten Flussauen berücksichtigt.
Der Auenzustand stellt eine Übersichtsbewertung der morphologischen und
hydrologischen Standortbedingungen sowie der Nutzung der Auen dar. Diese
Faktoren bestimmen maßgeblich die Qualität der Lebensräume für Pflanzen
und Tiere in Auen.
Als konkreter Zielwert wird für den Indikator auf Grundlage der Ergebnisse
des Auenzustandsberichtes eine Verbesserung des bundesweiten Auenzustandes um 10 Prozentpunkte bis 2020 gegenüber dem Indikatorwert im Jahr
2009 angestrebt.
Aufbau
30
Die Datengrundlage für den Indikator ist der Auenzustandsbericht 2009.
Untersucht wurden die heute noch überflutbaren Teile der Flussauen jeweils
beginnend an der Stelle des Flusses, an der das Einzugsgebiet 1.000 km²
überschreitet. Die Tidebereiche der Flüsse wurden nicht erfasst. Der Untersuchungsraum umfasst somit die größeren Auen von insgesamt 79 Flüssen
(10.276 Flusskilometer, Gesamtfläche der Auen 15.533 km²) und gliedert sich
in die Haupteinzugsgebiete von Rhein, Elbe, Donau, Weser, Ems, Oder, Maas
sowie der direkten Zuflüsse zur Nord- und Ostsee. Die Bewertung der Auen
erfolgt für jeweils 1 km lange Auensegmente getrennt für den rechts und
links des Fließgewässers gelegenen Teil der Aue. Dabei werden drei wichtige
funktionale Aspekte der Aue betrachtet: das Auenrelief, die Dynamik des
Abflusses sowie die Verteilung von Vegetation und Landnutzungen (s. nach­
folgende Grafik).
Funktionale Einheit 1
Veränderbarkeit der Geländeformen und
Gewässer der Aue (Morphodynamik)
Malus

Rückstau
Funktionale Einheit 2
Wasserstandsschwankungen (Hydro­
dynamik), Abfluss und Überflutung

Gesamtbewertung
pro Auensegment
Bonus
Funktionale Einheit 3
Ausbreitungsmöglichkeiten für
Arten (Konnektivität)
Vegetation und
Flächennutzung
In die Bewertung der Hauptfunktionen fließen eine Vielzahl auenrelevanter
Parameter ein, die aus unterschiedlichen bundesweit verfügbaren Datenquellen stam­men, insbesondere Gewässerstrukturdaten und Flächennutzungsdaten aus dem Digitalen Landschaftsmodell (DLM25).
„Bis 2020 sind Fließgewässer
und ihre Auen in ihrer Funktion
als Lebensraum soweit gesichert, dass eine für Deutschland
naturraumtypische Vielfalt
gewährleistet ist. [...] Bis 2020
verfügt der überwiegende Teil
der Fließgewässer wieder über
mehr natürliche Überflutungsräume.“ (BMU 2007: 35)
Der Flussuferläufer (Actitis
hypoleucos) ist ein typischer
Auenbewohner.
Die Auenzustandsbewertung unterscheidet fünf Zustandsklassen von „sehr
gering verändert“ (Klasse 1) bis „sehr stark verändert“ (Klasse 5).
Die Bewertung basiert auf Leitbildern der bundesweiten Auentypologie nach
Koenzen (2005). Ebenso wie die Bewertungen nach der europäischen Wasserrahmenrichtlinie bezieht sie sich auf einen vom Menschen unbeeinflussten
Referenzzustand, im Falle der Auen auf den „potenziell natürlichen Zustand“.
Bei der Indexberechnung erfolgt eine progressive Gewichtung der Zustandsklassen. Der Indikatorwert liegt theoretisch zwischen 0 % (alle Auen sind sehr
stark verändert) und 100 % (alle Auen sind nur sehr gering verändert).
Klasse
Bezeichnung
Gewichtungsfaktor
1
Sehr gering verändert
16
2
Gering verändert
8
3
Deutlich verändert
4
4
Stark verändert
2
5
Sehr stark verändert
0
31
Auenzustandsklassen
Sehr gering verändert (1)
Gering verändert (2)
Deutlich verändert (3)
Stark verändert (4)
Sehr stark verändert (5)
Nicht bewertet
Abschnitte mit eingeschränkter Datenlage
sind in blassen Farben
dargestellt.
Zustand der Flussauen
in Deutschland
(Brunotte et al. 2009)
32
© Bundesamt für Naturschutz (BfN) 2009
Komponenten der
biologischen Vielfalt
Siedlung und Verkehr
Wirtschaftliche
Nutzungen
Klimawandel
Der Indikatorwert beträgt 2009 für die Flussauen in Deutschland 19 %. Er
spiegelt die insgesamt starke Beeinträchtigung der Flussauen in Deutschland
wider und entspricht einer durchschnittlichen Einstufung aller Auensegmente
zwischen den Zustandsklassen „deutlich verändert“ (Klasse 3) und „stark
verändert“ (Klasse 4). Nur etwa 10 % aller Abschnitte wurden als „sehr gering
verändert“ (Klasse 1) oder „gering verändert“ (Klasse 2) bewertet.
Gesellschaftliches
Bewusstsein
Aussage
Bezogen auf die Einzugsgebiete ist tendenziell ein Nord-Süd-Gefälle erkennbar
(siehe Karte): Während insbesondere die kleinen Ostseezuflüsse einen Verlust
an Überschwemmungsflächen von nur etwa einem Drittel sowie mehrheitlich
gering veränderte Auen aufweisen (Indikatorwert 42 %), sind vor allem die
Flussauen im Einzugsbereich von Donau (Indikatorwert 21 %) und Rhein
(Indikatorwert 13 %) meist deutlich bis sehr stark verändert. Gerade an diesen
Flüssen machen sich massive Eingriffe in die Gewässer- und Auendynamik
sowie in die Abflussdynamik bemerkbar.
Wesentliche Ursachen für den insgesamt schlechten Zustand sind die intensive Nutzung der Auen, eine starke Einschränkung der Überschwemmungsräume sowie der weitreichende Gewässerausbau und die Staubeeinflussung.
Um die biologische Vielfalt in Flussauen zu schützen und zu entwickeln,
bedarf es künftig großer Anstrengungen. Die Bundesregierung hat sich daher
vorgenommen, bis 2020 den Zustand von Fließgewässern und Auen deutlich
zu verbessern und Maßnahmen zu ergreifen, um natürliche Überflutungsräume in Flussauen zu vergrößern.
Zustand der Flussauen
Der aktuelle Wert
liegt noch weit vom
Zielbereich entfernt.
Index Auenzustand in %
100
80
60
40
20
0
Zielwert von 29 %
im Jahr 2020
19
2010
2012
2014
2016
2018
2020
Grafik: BfN (2010),
Daten: Planungsbüro Koenzen,
Universität zu Köln (2009)
Themenfelder der NBS
B 1.2.4 Flüsse und Auen, C 4 Gewässerschutz und Hochwasservorsorge
Zielwert
Verbesserung des bundesweiten Auenzustandes um 10 Prozentpunkte bis 2020
gegenüber dem Indikatorwert von 2009 (Anstieg auf 29 %)
Definition
Index (Maßzahl in %) über die gewichteten Zustandsklassen aller im
Auenzustandsbericht erfassten größeren Flussauen Deutschlands
Kernaussage
Die größeren Flussauen in Deutschland sind insgesamt stark beeinträchtigt (Indikatorwert 2009 beträgt 19 %). Um die biologische Vielfalt in
Flussauen zu schützen und zu entwickeln, bedarf es auch künftig großer
Anstrengungen.
33
2.2
Siedlung
und Verkehr
Siedlung und Verkehr in der Metropolregion Rhein-Ruhr (Beispiel Düsseldorf)
34
Flächeninanspruchnahme
Unbebaute Flächen sind eine
begrenzte und gleichwohl
begehrte Ressource. Um ihre
Nutzung konkurrieren z. B.
Land- und Forstwirtschaft,
Siedlung und Verkehr,
Naturschutz, Rohstoffabbau
und Energieerzeugung, wobei
sich insbesondere die Siedlungs- und Verkehrsflächen
stetig ausdehnen. Unbebaute
Flächen sind notwendig, um
die Leistungen des Naturhaushaltes für den Menschen
zu sichern, die biologische
Vielfalt zu erhalten und dem
Menschen die Erholung in
der freien Natur und auf
Freiflächen zu ermöglichen.
Flächen, die für Siedlungen
und Verkehr genutzt werden,
Neubaugebiet auf der „Grünen Wiese“
gehen dort als Flächen für
die Land- und Forstwirtschaft
oder für naturnahe Entwicklungen verloren.
Zu den direkten Umweltfolgen der Ausweitung von Siedlungs- und Verkehrsflächen zählen der Verlust der natürlichen Bodenfunktionen durch
Versiegelung, der Verlust fruchtbarer landwirtschaftlicher Flächen oder
der Verlust naturnaher Flächen mit ihrer Biodiversität. Zudem zieht jede
Neuerschließung von Bauflächen im Umfeld der Städte und außerhalb der
bisherigen Siedlungskerne weiteren Verkehr und Flächenzerschneidung nach
sich. Dies führt zu Folgelasten wie Lärm und Schadstoffemissionen, aber auch
zu erhöhtem Aufwand für die Bereitstellung der nötigen Infrastruktur. Der
Indikator „Flächeninanspruchnahme“ wurde als Schlüsselindikator für die
Nachhaltigkeit der Raumnutzung im Rahmen der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie ausgewählt und in die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt
übernommen. Er wird aktuell auch im Indikatorenbericht 2010 zur Natio­
nalen Nachhaltigkeitsstrategie berichtet (Statistisches Bundesamt 2010).
Der Indikator gibt Auskunft
über die Beeinträchtigung der
biologischen Vielfalt durch
Flächeninanspruchnahme für
Siedlungs- und Verkehrszwecke.
Der Indikator bildet die durchschnittliche Zunahme der Siedlungs- und
Verkehrsfläche in Hektar pro Tag in Deutschland ab. Die im Indikator berücksichtigten Flächen umfassen „Gebäude- und Freifläche, Betriebsfläche (ohne
Abbauland)“, „Erholungsfläche, Friedhof“ sowie „Verkehrsfläche“. Siedlungsund Verkehrsfläche und versiegelte Fläche können nicht gleichgesetzt
werden, da in die Siedlungs- und Verkehrsfläche auch unbebaute und nicht
versiegelte Flächen eingehen. Auf aktuellen Studien beruhende Schätzungen
ergeben für die Siedlungs- und Verkehrsfläche einen Versiegelungsgrad von
43 bis 50 %. Auch unter den Erholungsflächen gibt es solche, die versiegelt
sind (z. B. Sportplätze).
Indikator
Mit dem Beschluss der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie im April 2002
folgte die Bundesregierung der Empfehlung des Rats für Nachhaltige Entwicklung und legte für das Jahr 2020 als Zielwert eine durchschnittliche tägliche
Neuinanspruchnahme von Flächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke
von höchstens 30 ha fest. Der Verlauf des Indikators zeigt an, ob es künftig
gelingen wird, die Ausweitung von Siedlungs- und Verkehrsflächen zu Lasten
naturnäherer Lebensräume zu begrenzen.
„Die Bundesregierung hat sich
in der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie zum Ziel gesetzt,
bis 2020 die Inanspruchnahme
neuer Siedlungs- und Verkehrsflächen auf höchstens 30 ha pro
Tag zu verringern.“
(BMU 2007: 78)
35
Aufbau
Die im Indikator berücksichtigten Flächen umfassen
• Gebäude- und Freiflächen, Betriebsflächen (ohne Abbauland),
• Erholungsflächen, Friedhöfe sowie
• Verkehrsflächen.
Als Datengrundlage dienen die Angaben der automatisierten Liegenschafts­
bücher zu Siedlungs- und Verkehrsflächen, die von den Statistischen Landesämtern ausgewertet und vom Statistischen Bundesamt zusammengeführt werden. Um einen anschaulichen Indikatorwert zu erhalten, wird die Zunahme
der Siedlungs- und Verkehrsfläche für jedes bilanzierte Jahr als Mittelwert
in Hektar pro Tag berechnet. Da auf ein einzelnes Jahr bezogene Aussagen
häufig durch externe Effekte – in erster Linie methodische Umstellungen in
den amtlichen Liegenschaftskatastern – beeinflusst sind, spiegeln mehrjährige
Durchschnittswerte (hier das gleitende Vierjahresmittel dargestellt als Kurve)
die langfristige Entwicklung besser wider.
Allein für Verkehrsflächen werden
jeden Tag durchschnittlich über 20 ha
neu in Anspruch genommen.
Aussage
Die Werte des gleitenden Vierjahresmittels zeigen, dass die Inanspruchnahme
neuer Flächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke seit 2000 zurückgegangen
ist. Während der Wert des gleitenden Vierjahresmittels im Jahr 2000 noch
bei 129 ha pro Tag lag, ist er bis zum Jahr 2009 auf 94 ha pro Tag gesunken.
Im Jahr 2009 entfielen im Einzelnen von der Zunahme der Siedlungs- und
Verkehrsfläche (78 ha pro Tag) auf Gebäude- und Freiflächen sowie Betriebs­
flächen 18 ha pro Tag, auf Erholungsflächen und Friedhöfe 32 ha pro Tag
sowie auf Verkehrsflächen 28 ha pro Tag. Vor allem die erwähnten Umstellungsarbeiten in den Liegenschaftskatastern begründen dabei den in den
letzten Jahren relativ hohen Anteil von Erholungsflächen am Zuwachs der
Siedlungs- und Verkehrsfläche.
Die Zunahme der Verkehrsflächen ist über den gesamten bilanzierten Zeitraum unverändert hoch. Die entsprechenden Werte schwanken zwischen
Die Bundesregierung hat sich bei der Flächeninanspruchnahme für Siedlungs- und
Verkehrszwecke u. a. folgende Ziele gesetzt (BMU 2007: 51):
• Umlenkung der Flächeninanspruchnahme auf die Wiedernutzbarmachung von Flächen,
• Nachverdichtung und andere Maßnahmen zur Innenentwicklung, Ziel ist ein Verhältnis
von Innenentwicklung zu Außenentwicklung von insgesamt 3 : 1,
• Veränderung der ökonomischen und fiskalischen Rahmenbedingungen für einen
sparsamen Umgang mit Flächen und die Aktivierung von Brachen und Altstandorten,
• konsequente Anwendung des vorhandenen Planungsinstrumentariums zur Verminderung der Flächeninanspruchnahme und, sofern erforderlich, Weiterentwicklung der
Planungsinstrumente,
• Intensivierung der interkommunalen Kooperation bei der Ausweisung von Standorten
für Wohn- und Gewerbeflächen auf der Grundlage bereits heute existierender
Pilotprojekte ab sofort.
36
Komponenten der
biologischen Vielfalt
Wirtschaftliche
Nutzungen
Siedlung und Verkehr
Klimawandel
Gesellschaftliches
Bewusstsein
20 und 28 ha pro Tag. Die Straßenverkehrsfläche hat sich zwischen 1992 und
2008 um 5,9 % erhöht. Die noch deutlichere Zunahme der gefahrenen Kilometer um 17,0 % in diesem Zeitraum zeigt, dass sich gleichzeitig die Nutzung
der vorhandenen Straßen weiter intensiviert hat und hier keine Trendwende
zu erwarten ist. Wichtig im Hinblick auf die künftige Entwicklung erscheint
zudem die Erkenntnis, dass die Siedlungsfläche der privaten Haushalte in der
Zeit von 1992 bis 2008 um 28,3 % angestiegen ist, was im wesentlichen auf
den deutlich gestiegenen Wohnflächenanspruch pro Kopf (Anstieg um 18,5 %
zwischen 1992 und 2006) zurückzuführen ist.
Eine Fortsetzung der durchschnittlichen jährlichen Entwicklung der letzten
Jahre würde nicht genügen, das Reduktionsziel von maximal 30 ha täglicher
Neuinanspruchnahme von Flächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke bis
zum Jahr 2020 zu erreichen. Es ist daher notwendig, Instrumente zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme in allen Bereichen der Siedlungs- und
Verkehrsflächen weiter konsequent zu stärken. In der Siedlungsentwicklung
ist insbesondere auf die Wiedernutzung von Industrie- und anderen Flächenbrachen zu setzen. Innenentwicklung ist vor Außenentwicklung durchzuführen. Die Inanspruchnahme neuer Flächen für Verkehrszwecke soll in Zukunft,
entsprechend den Zielsetzungen der Nationalen Strategie zur biologischen
Vielfalt, zurückgehen. Handlungsbedarf besteht außerdem in Hinblick auf
eine Sensibilisierung der privaten Haushalte für eine stärkere Reduzierung
der Neuinanspruchnahme von Siedlungsflächen.
Flächeninanspruchnahme
Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche in ha pro Tag
Der aktuelle Wert liegt
noch sehr weit vom
Zielbereich entfernt.
140
Statistisch
signifikanter Trend
hin zum Zielwert
120
94
100
78
80
Gleitendes Vierjahresmittel
60
Zielwert von 30 ha
im Jahr 2020
40
Gebäude- und Freifläche,
Betriebsfläche (ohne Abbauland)
Erholungsfläche, Friedhof
Verkehrsfläche
20
0
1992-1996
1998
2000
2002
2004
2006
2008
2020
Grafik: BfN (2010),
Daten: Statistisches
Bundesamt (2009)
Themenfelder der NBS
B 2.7 Flächeninanspruchnahme für Siedlung und Verkehr,
C 9 Siedlung und Verkehr
Zielwert
Bis zum Jahr 2020 soll die Inanspruchnahme neuer Flächen für Siedlungsund Verkehrszwecke auf durchschnittlich 30 ha pro Tag reduziert werden.
Definition
Durchschnittliche Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche in ha pro
Tag (gleitendes Vierjahresmittel)
Kernaussage
Das gleitende Vierjahresmittel ist von 129 ha pro Tag im Jahr 2000 auf
94 ha pro Tag im Jahr 2009 gesunken. Trotz des positiven Trends ist
der aktuelle Wert noch sehr weit vom Zielwert entfernt. Daher müssen
Instrumente zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme gestärkt und
konsequent angewandt werden.
37
Landschaftszerschneidung
Autobahnkreuz
Der Indikator stellt die Beeinträchtigung der biologischen
Vielfalt in Folge der Zerschneidung der Landschaft dar.
Das Ziel, unzerschnittene verkehrsarme
Räume zu erhalten,
stammt ursprünglich
aus der Erholungsvorsorge, wird aber
inzwischen auch auf
die Erhaltung der
biologischen Vielfalt
bezogen. Bei der
Analyse der Zerschneidung der Landschaft
werden Straßen,
Bahnlinien und
Kanäle als wichtige
Teile von Verkehrsnetzen betrachtet.
Unzerschnittene
verkehrsarme Räume
sind definiert als Flächen von mindestens
100 km² Größe (UZVR ≥ 100 km²), die nicht von Verkehrsnetzen zerschnitten
sind. Bei der Beurteilung der Zerschneidungswirkung von Straßen wird auch
die Verkehrsmenge berücksichtigt, da die Barrierewirkung für Arten mit
steigendem Verkehrsaufkommen zunimmt.
Mit dem Konzept der UZVR lässt sich die großräumige Landschaftszerschneidung in ihrer quantitativen Dimension sehr gut beschreiben. Differenzierte
Aussagen zur Funktion, Qualität und Zerschneidung einzelner Lebensräume
innerhalb der UZVR sind jedoch nicht möglich. Da sich die UZVR aber in weniger stark durch Siedlungen und Verkehr geprägten Landschaften befinden,
weisen sie auf eine größere Naturnähe im Vergleich zu stark zerschnittenen
Räumen hin. Zudem werden die UZVR in geringerem Ausmaß durch dauerhafte verkehrsbedingte Emissionen wie z. B. Lärm beeinträchtigt. Naturnähe
von Lebensräumen und das Fehlen verkehrsbedingter Störungen sind Faktoren, die sich insgesamt positiv auf das Vorkommen vieler Arten auswirken
und eine wesentliche Bedeutung für die Erhaltung der biologischen Vielfalt
haben.
Indikator
„Der derzeitige Anteil der unzerschnittenen verkehrsarmen
Räume ≥ 100 km2 (UZVR) bleibt
erhalten.“ (BMU 2007: 52)
38
Der Indikator misst das Ausmaß der Zerschneidung Deutschlands durch
das Verkehrsnetz im Landschaftsmaßstab (1 : 250.000). Dabei gibt es zwei
Berechnungsansätze, die für zwei gleichberechtigte Teilindikatoren verwendet
werden. Zum einen wird der Flächenanteil unzerschnittener verkehrsarmer
Räume (UZVR) mit einer Mindestgröße von 100 km² an der Landfläche
Deutschlands bestimmt. Zum anderen liefert die effektive Maschenweite (Meff)
eine Aussage zum mittleren Zerschneidungsgrad eines Gebietes – ausgedrückt
als Flächengröße gedachter Maschen eines regelmäßigen Netzes, das den
gleichen Zerschneidungsgrad wie das untersuchte Gebiet aufweist. Meff eignet
sich somit auch zur Beschreibung des Zustands stark fragmentierter Landschaften sowie zur Darstellung gradueller Veränderungen der Zerschneidung
in bereits stark zerschnittenen Gebieten.
Die Bundesregierung hat in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt
als Ziel festgelegt, den derzeitigen Anteil der unzerschnittenen verkehrsarmen
Räume (UZVR ≥ 100 km²) zu erhalten. Da für das Jahr der Verabschiedung der
Strategie 2007 kein Wert vorliegt, wird die Zielformulierung ersatzweise auf
den Wert des Jahres 2005 bezogen (25,4 %).
Die Daten zu den Verkehrswegen stammen aus dem bundesweiten digitalen
Landschaftsmodell (DLM 250). Hinzu kommen Verkehrszählungsdaten von der
Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) und den Bundesländern. Als zerschneidende Verkehrsachsen werden Straßen (Autobahnen, Bundes-, Landes- und
Kreisstraßen) ab einer Verkehrsstärke von 1.000 Kfz pro Tag, mindestens
zweigleisige oder eingleisige elektrifizierte Bahnstrecken sowie Kanäle mit
dem Status einer Bundeswasserstraße (Kategorie IV oder größer) gewertet. Es
wird die Zerschneidung der Landfläche Deutschlands durch die genannten
Verkehrsachsen analysiert. Dabei werden auch Flächen von Siedlungen und
Flughäfen mit einer Ausdehnung von mehr als 93 ha als zerschneidende
Barrieren betrachtet. Im Ergebnis kann die Lage, Zahl und Gesamtfläche aller
Teilräume bestimmt werden, die UZVR ≥ 100 km² sind. Detaillierte Verkehrszählungsdaten werden erst seit dem Jahr 2000 berücksichtigt. Die Werte
früherer Analysen sind daher nicht mit den neueren Werten vergleichbar.
Aufbau
Es liegen zwei Indikatorberechnungen vor, die auf Daten der Jahre 2000 und
2005 basieren. Die Bilanzierung ergibt, dass in Deutschland zwischen 2000
und 2005 durch neue Verkehrsachsen und durch die Zunahme von Siedlungsflächen 18 UZVR mit einer Mindestgröße von 100 km² verloren gegangen
sind. Damit ging der Anteil der UZVR an der Landfläche Deutschlands von
26,5 % auf 25,4 % zurück. Die effektive Maschenweite (Meff) eines gedachten
regelmäßigen Zerschneidungsnetzes verkleinerte sich entsprechend von
84 km² auf 81 km².
Aussage
Deutschland verfügt über ein gut ausgebautes Verkehrsnetz, so dass zukünftig
der Schwerpunkt der Investitionen auf den Bereich der Erhaltung zu legen
ist. Wenn es gelingt, künftig den Schwerpunkt der Investitionen auf das Netz
bestehender Verkehrsachsen zu legen, ist eine Erhaltung des derzeitigen
Anteils an unzerschnittenen verkehrsarmen Räumen möglich. In den aktuellen Bundesverkehrswegeplan 2003 ist diese Strategie beispielsweise bereits
eingeflossen.
Rothirsche (Cervus elaphus) benötigen Verbindungskorridore zwischen
Sommer- und Winterquartier.
39
Im Aktionsfeld C 9 „Siedlung und Verkehr“ hat die Bundesregierung eine Vielzahl von
Maßnahmen beschlossen (BMU 2007), darunter
• die Verankerung der Konzepte „Unzerschnittene verkehrsarme Räume“ und „Lebensraumkorridore“ sowie der Lärmminderung in der Strategischen Umweltprüfung für
Verkehrswegeplanungen,
• die Entwicklung von Naturschutzstandards zur Beurteilung von erheblichen Beeinträchtigungen der Biodiversität durch Wirkfaktoren insbesondere der Verkehrswegeplanung,
• die Entwicklung eines bundesweiten Konzeptes zur Sicherung und Wiederherstellung
von unzerschnittenen verkehrsarmen Räumen,
• die Fortentwicklung des Indikators „Unzerschnittene verkehrsarme Räume“ unter
Berücksichtigung europäischer Entwicklungen und dessen regelmäßige Dokumentation alle 5 Jahre.
Für den Schutz der biologischen Vielfalt ist es besonders wichtig, dass Lebensraumnetzwerke nicht weiter zerschnitten werden. Beim Neu- und Ausbau von
Bundesverkehrswegen ist die Berücksichtigung einer ausreichenden ökologischen Durchlässigkeit bereits gängige Praxis. Soweit die Erforderlichkeit
derartiger Maßnahmen nachgewiesen wird, werden regelmäßig Querungshilfen für Tiere wie beispielsweise Tierdurchlässe oder Grünbrücken vorgesehen.
Darüber hinaus erarbeiten das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit und das Bundesministerium für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung ein Bundesprogramm „Wiedervernetzung“. Das Bundes­
programm enthält eine Liste der prioritären Wiedervernetzungsabschnitte im
Bundesfernstraßennetz und ist damit Grundlage für den Bau von Querungs­
hilfen an den wichtigsten Bereichen im Netzwerk der Lebensraumkorridore.
Im Rahmen des Konjunkturpakets II werden als Vorleistung auf das Bundesprogramm bis Ende 2011 in 18 Grünbrücken ca. 80 Mio. Euro investiert.
Die Bundesregierung hat sich
hierzu folgende Ziele gesetzt
(B 2.8 Mobilität): „Neue
Verkehrswege (v. a. Straße,
Wasserstraße, Schiene) weisen
eine ausreichende ökologische
Durchlässigkeit auf (z. B.
Fischtreppen in Fließgewässern,
Grünbrücken an Verkehrs­
wegen). Bis 2020 gehen von den
bestehenden Verkehrswegen
in der Regel keine erheblichen
Beeinträchtigungen des
Biotopverbundsystems mehr
aus.“
Grünbrücke über der A 20 in
Mecklenburg-Vorpommern
40
Komponenten der
biologischen Vielfalt
Wirtschaftliche
Nutzungen
Siedlung und Verkehr
Klimawandel
Nach den Vorgaben der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt
soll geprüft werden, ob und inwieweit Maßnahmen zur Vermeidung bzw.
Aufhebung der Zerschneidungswirkung wie z. B. Grünbrücken oder Grünunterführungen künftig zum Beispiel im Rahmen eines weiteren Teilindikators
berücksichtigt werden können (BMU 2007: 129).
Gesellschaftliches
Bewusstsein
Im Aktionsfeld C 9 „Siedlung
und Verkehr“ ist eine Vielzahl
von Maßnahmen aufgeführt,
darunter
• Erhaltung/Wiederherstellung
von Verbindungskorridoren
zur Verminderung von
Zerschneidungswirkungen
und zur Stärkung der
Vernetzung,
• Berücksichtigung von
Biotopverbundachsen bei
Projekten des Bundesverkehrswegeplans, Ent­wicklung
eines bundesweiten
Maßnahmenprogramms zum
Thema „ZerschneidungVernetzung“.
Landschaftszerschneidung
Flächenanteil der UZVR • 100 km2 an der Landfläche Deutschlands in %
30
Zielwert von 25,4 %
25,4
25
20
15
10
5
0
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
Themenfelder der NBS
B 2.8 Mobilität, C 9 Siedlung und Verkehr
Definition
Flächenanteil der unzerschnittenen verkehrsarmen Räume mit einer Flächengröße von mindestens 100 km2 (UZVR ≥ 100 km2) an der Landfläche
Deutschlands
2008
2009
2010
Grafik: BfN (2010),
Daten: Bundesamt für Kartographie
und Geodäsie (2006), Bundes­
anstalt für Straßenwesen (2005),
Bundesländer (2005)
Zielwert
Der Flächenanteil der UZVR ≥ 100 km2 bleibt auf dem Stand des Jahres
2005 (25,4 %).
Kernaussage
Der Flächenanteil der UZVR ≥ 100 km2 ist zwischen 2000 und 2005 von
26,5 % auf 25,4 % gesunken, die effektive Maschenweite (Meff) von
84 km2 auf 81 km2. Künftig soll der Schwerpunkt der Investitionen auf das
Netz bestehender Verkehrsachsen gelegt werden.
41
2.3
Agrarlandschaft
42
Wirtschaftliche
Nutzungen
Agrarumweltmaßnahmen
Landwirtschaftlich genutzte
Flächen (LF) bieten Lebensräume für eine Vielzahl von
Tier- und Pflanzenarten des
Offenlandes. Voraussetzung
hierfür sind nachhaltige
und naturverträgliche
Formen der Landnutzung.
Ein großer Teil der Arten,
die an extensive Formen der
Nutzung gebunden sind,
ist durch die – regional
unterschiedliche – Intensivierung der Landwirtschaft
und die Nutzungsaufgabe
von Grenzertragsstandorten
in ihren Beständen stark
zurückgegangen.
Von der Europäischen Union
werden im Rahmen des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung
Blütenreicher Ackerrandstreifen
des ländlichen Raums – ELER
(zweite Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik GAP) Agrarumweltmaßnahmen
gefördert. Dabei sollen umwelt- und naturverträgliche Produktionsformen
in der Landwirtschaft honoriert werden, die über die verbindlichen Mindestanforderungen (gute fachliche Praxis und Cross Compliance Anforderungen)
hinausgehen. In Deutschland wird diese zweite Säule der GAP aufgrund der
föderalen Struktur des Staates in den Bundesländern umgesetzt. Eine Teilfinanzierung von Agrarumweltmaßnahmen durch die Bundesländer ist eine
Voraussetzung, um EU-Kofinanzierungsmittel zu erhalten. Darüber hinaus ist
im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und
des Küstenschutzes“ (GAK) eine Kofinanzierung durch den Bund teilweise
möglich.
Der Indikator gibt Auskunft
über die Förderung von
Agrarumweltmaßnahmen in der
Landwirtschaft.
Neben den Agrarumweltmaßnahmen bietet die ELER-Verordnung weitere
Finanzierungsmöglichkeiten, mit denen Maßnahmen zur Erhaltung und
Verbesserung der biologischen Vielfalt kofinanziert werden können. Dies
sind beispielsweise Ausgleichszahlungen im Rahmen von Natura 2000,
Maßnahmen in den Bereichen zur Förderung nicht produktiver Investitionen
oder zur Erhaltung und Verbesserung des ländlichen Erbes. Im Rahmen der
GAK werden außerdem Maßnahmen zur Erhaltung genetischer Ressourcen
bzw. zur Erhaltung lokaler bedrohter Tierrassen sowie regional angepasster
traditioneller Kulturpflanzenarten und -sorten, die von genetischer Erosion
bedroht sind, gefördert. Zusätzlich existieren in einigen Ländern rein national finanzierte Maßnahmen im Bereich der Agrarumweltförderung. Eine
Abgrenzung der für die biologische Vielfalt eingesetzten Mittel ist in den
zusätzlichen ELER Finanzierungsmöglichkeiten sehr schwierig bzw. zum Teil
nicht möglich. Deshalb werden als Indikator auch weiterhin die Agrarumweltmaßnahmen verwendet.
Durch die Förderung von Agrar­
umweltmaßnahmen sollen auch
traditionelle sowie umwelt- und
naturverträgliche Formen der
Landwirtschaft gestärkt werden
(BMU 2007: 73).
Der Indikator „Agrarumweltmaßnahmen“ bilanziert die Summe der durch
Agrarumweltmaßnahmen geförderten Flächen und der dafür gewährten
Finanzmittel. Die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt fordert, dass
traditionelle sowie umwelt- und naturverträgliche Formen der Landwirtschaft
gestärkt werden.
Indikator
43
Aufbau
Aussage
Im Bereich der Land- und
Forstwirtschaft sollen nach den
Vorgaben der NBS folgende
Maßnahmen umgesetzt werden
(BMU 2007: 73):
• auf der Ebene von EU/Bund:
„Überprüfung agrar- und
umweltpolitischer Maßnahmen auf Nachhaltigkeit und
wirtschaftlich zumutbare
Möglichkeiten zur weiteren
Verbesserung der Naturverträglichkeit im Rahmen der
EU-Agrarförderung sowie der
nationalen und europäischen
Agrar- und Umweltpolitik“,
• auf der Ebene der Länder/
Kommunen: „Verstärkte
Förderung traditioneller
sowie umwelt- und naturverträglicher Formen der
Land- und Forstwirtschaft“.
Landschaftspflege durch Schafbeweidung in der Fröttmaninger Heide
44
Die Daten zu den geförderten Flächen, die im Rahmen der Agrarumweltmaßnahmen bewirtschaftet werden, sowie zu den dafür aufgewendeten Fördergeldern aus EU-, Bundes- und Landesmitteln sind beim Bundesministerium
für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) verfügbar
und werden jährlich erfasst. Seit dem Jahr 2007 melden die Länder nach den
Vorgaben der EU die Höhe der tatsächlichen Auszahlungen und nicht mehr,
wie in den vorherigen Förderperioden, die Höhe der bereitgestellten Gelder.
Für die Bilanzierung werden nur Maßnahmen aufgenommen, die eindeutig
dem Bereich Umwelt- und Naturschutz zuzuordnen sind.
Die Höhe der gewährten Fördermittel nahm von 1996 bis 2005 zu. Nach
einem Höchststand von 791 Mio. Euro (2005) sanken die zur Verfügung
gestellten Fördermittel auf 752 Mio. Euro (2006). Zu Beginn der neuen
Förderperiode (2007 - 2013) ist ein weiterer Rückgang der ausgezahlten
Förderleistungen auf 603 Mio. Euro (2007) zu verzeichnen. Die geförderte
Fläche lag im Jahr 2007 bei etwa 4,8 Mio. ha LF. Sie hat sich seit 2005 nicht
proportional zur Fördermittelhöhe verändert. Dies liegt unter anderem daran,
dass Agrarumweltmaßnahmen eine Vertragsdauer von mindestens 5 Jahren
haben und neue Maßnahmen zu Beginn der Förderperiode aufgrund der späten Genehmigungen der Programme durch die EU-Kommission erst verzögert
angelaufen sind. Darüber hinaus sind die EU-Mittel für die Entwicklung des
ländlichen Raums für Deutschland für die aktuelle Förderperiode teilweise
deutlich gekürzt worden. Dies macht sich u. a. dadurch bemerkbar, dass beim
Vertragsnaturschutz und den Agrarumweltprogrammen die Prämien deutlich
abgesenkt wurden, die Länder teilweise Gebietskulissen eingeführt bzw. bestehende eingeengt haben oder einzelne Maßnahmen aus den Förderkatalogen
der Länder gestrichen wurden. Ferner setzen die Länder sehr unterschiedliche
Schwerpunkte bei der ländlichen Entwicklung. Während einige Länder in
ihren Programmen die Agrarumweltmaßnahmen stärker betonen, setzen
andere Länder vor allem auf Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe oder auf Maßnahmen der ländlichen Entwicklung im
Schwerpunkt 3 (z. B. Diversifizierung, Dorferneuerung, ländliche Infrastruktur,
integrierte Entwicklungsansätze zur Verbesserung der Lebensqualität im
ländlichen Raum).
Komponenten der
biologischen Vielfalt
Wirtschaftliche
Nutzungen
Siedlung und Verkehr
Klimawandel
Gesellschaftliches
Bewusstsein
Für viele Agrarumweltmaßnahmen wurden die Prämien nach einer Überprüfung im Jahr 2009 z. T. wieder deutlich erhöht. Welche Auswirkungen dies auf
den Umfang der Förderfläche und die Höhe der Fördermittel hat, lässt sich
derzeit nicht abschätzen. Es ist aber mit einer Zunahme zu rechnen.
Um die Ziele der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt zu erreichen
und um naturgerechte Bewirtschaftungsformen angemessen honorieren zu
können, ist eine Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP)
notwendig, wie sie mit dem Health Check begonnen wurde.
Agrarumweltmaßnahmen
Fördermittel in Mio. Euro
Geförderte Fläche in Mio. ha
900
6
800
4,8
700
600
603
500
5
4
3
400
300
200
100
0
Da die Vergleichbarkeit der
Daten in den Zeitreihen
eingeschränkt ist, können
keine Angaben zum Trend
gemacht werden.
1994
1996
1998
2000
2002
Themenfelder der NBS
B 2.4 Landwirtschaft,
C 6 Land- und Forstwirtschaft
Definition
Summe der durch Agrarumweltmaßnahmen geförderten Flächen und
der dafür gewährten Finanzmittel mit positiven Wirkungen im Sinne des
Natur- und Umweltschutzes
2004
2006
2
Geförderte Fläche (bei
Farbwechsel: Beginn einer
neuen Förderperiode)
1
Fördermittel
0
Grafik: BfN (2010),
Daten: BMELV (2009)
Qualitätsziel
Stärkung von traditionellen sowie umwelt- und naturverträglichen Formen
der Landwirtschaft mit dem Ziel, die biologische Vielfalt in der Agrarlandschaft deutlich zu erhöhen
Kernaussage
Nach einem leichten Anstieg während der vergangenen Förderperiode
zeichnet sich in der aktuellen Förderperiode ein Rückgang der Fördermittel ab. Künftig muss die Förderung verstärkt auf den Schutz und die
nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt ausgerichtet werden.
45
Ökologischer Landbau
In Deutschland wird über die Hälfte der
Landesfläche landwirtschaftlich genutzt. Die
biologische Vielfalt ist auf diesen Flächen in
hohem Maße von der Art der Bewirtschaftung
abhängig. Verbesserungen beim Schutz von
Arten und Lebensräumen können in der
Agrarlandschaft nur erreicht werden, indem
landwirtschaftliche Anbaumethoden natur- und
umweltverträglicher gestaltet werden.
Apfel aus ökologischem Anbau
Der Indikator gibt Auskunft
über den Umfang der ökologisch
bewirtschafteten Flächen, die
zur Erhaltung der biologischen
Vielfalt beitragen.
Der ökologische Landbau trägt in besonderem
Maße zur Erhaltung der biologischen Vielfalt
sowie zur Förderung regionaltypischer Kulturlandschaften bei. So führt die ökologische
Bewirtschaftung u. a. zu einer höheren biologischen Aktivität im Boden, schont das Bodengefüge und verringert Bodenverluste. Die dadurch
gesteigerte Wasserspeicherkapazität des Bodens
trägt zusätzlich zum Schutz vor Hochwasser bei, und die Erosionsgefahr sinkt.
Der geringe Einsatz von Tierarzneimitteln und das Verbot von synthetischen
mineralischen Stickstoffdüngern und chemisch-synthe­tischen Pflanzenschutzmitteln schonen Grundwasser und Oberflächengewässer.
Das Ziel der ökologischen Bewirtschaftung sind möglichst geschlossene
Nährstoffkreisläufe bei der landwirtschaftlichen Produktion, um Ökosysteme
in ihren Funktionen zu erhalten, nicht erneuerbare Energie- und Rohstoffquellen zu schonen, Umweltbelastungen zu vermeiden und die Versauerung
der Böden sowie den Eintrag von Nährstoffen in die Gewässer zu reduzieren.
Der Indikator „Ökologischer Landbau“ wurde im Rahmen der Nationalen
Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt und in die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt übernommen. Er wird aktuell auch im Indikatorenbericht 2010
zur Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie berichtet (Statistisches Bundesamt
2010). Die Bilanzierung hat in entsprechender Form außerdem Eingang in das
Indikatorensystem der Länderinitiative Kernindikatoren (LIKI) gefunden.
Indikator
Der Indikator „Ökologischer Landbau“ gibt Auskunft über den Umfang der
Flächen ökologisch wirtschaftender Betriebe, die den Kontrollverfahren
der EG-Rechtsvorschriften für den ökologischen Landbau (Verordnung (EG)
Nr. 834/2007 und Durchführungsvorschriften) unterliegen, an der gesamten
landwirtschaftlich genutzten Fläche (LF). Er umfasst sowohl die vollständig
auf Ökolandbau umgestellten als auch die noch in Umstellung befindlichen
Flächen.
Die Entscheidung über den Einstieg in den ökologischen Landbau liegt beim
einzelnen Betrieb. Die Bundesregierung beabsichtigt, die Rahmenbedingungen für den Umstieg so zu gestalten, dass in den nächsten Jahren die Fläche
des ökologischen Landbaus auf 20 % der LF steigen kann.
Aufbau
46
Die Daten beruhen auf der Agrarstrukturerhebung und werden regelmäßig
vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht. Demnach liegt eine ökologische
Bewirtschaftung vor, wenn in einem landwirtschaftlichen Betrieb pflanzliche
oder tierische Erzeugnisse nach den Grundsätzen der Verordnung (EG)
Nr. 834/2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/bio­logischen Erzeugnissen sowie gemäß zugehöriger
Durchführungsvorschriften pro­duziert werden. Weiterhin muss der Betrieb
einem Kontrollverfahren seitens einer staatlich zugelassenen Kontrollstelle
unterliegen.
Komponenten der
biologischen Vielfalt
Siedlung und Verkehr
Wirtschaftliche
Nutzungen
Klimawandel
Im Jahr 1994 wurde auf 272.139 ha Fläche ökologischer Landbau betrieben.
Das entsprach einem Anteil von 1,6 % der LF in lediglich 5.866 landwirtschaftlichen Betrieben. Diese Werte stiegen seit Beginn der Erfassung kontinuierlich an. Ende des Jahres 2009 wirtschafteten 21.047 landwirtschaftliche
Betriebe auf 947.115 ha nach den Bestimmungen der EG-Rechtsvorschriften
für den ökologischen Landbau. Das entspricht 5,7 % der Betriebe auf 5,6 %
der LF.
Der Anstieg ist als Reaktion auf die anhaltend hohe Nachfrage nach Bio-Produkten und die gestiegenen Preise zu werten. Außerdem spielen die Rahmenbedingungen, die der Bund und die Länder setzen, und dabei insbesondere
die Wiederaufnahme der Umstellungsförderung in fast allen Bundesländern
eine bedeutende Rolle. Auch die wirtschaftliche Entwicklung der Betriebe des
ökologischen Landbaus verlief in den letzten Jahren zumeist positiv.
Trotz des kontinuierlich positiven Trends und der günstigen Vorhersagen für
den ökologischen Landbau liegt der aktuelle Indikatorwert noch sehr weit
vom Zielwert entfernt. Nach Angaben des Statistischen Amtes der Europä­
ischen Union (Eurostat) für das Jahr 2007 liegt Deutschland im europäischen
Vergleich (EU-15) bezogen auf den Flächenanteil zwar knapp über dem
Durchschnitt (4,7 %), aber hinter z. B. Österreich (11,7 %), Schweden (9,9 %) und
Italien (9,0 %).
Gesellschaftliches
Bewusstsein
Aussage
Die Bundesregierung strebt
die „Beibehaltung einer
angemessenen Förderung
des ökologischen Landbaus“
an (BMU 2007: 48). Es ist
beabsichtigt, die Rahmenbedingungen für den Umstieg
auf den ökologischen Landbau
so zu gestalten, dass in den
nächsten Jahren die Fläche
des ökologischen Landbaus auf
20 % der LF steigen kann.
Ökologischer Landbau
Anteil der Flächen mit ökologischem Landbau an der landwirtschaftlich genutzten Fläche in %
Der aktuelle Wert liegt
noch sehr weit vom
Zielbereich entfernt.
25
Zielwert von 20 %
(ohne Jahr)
20
Statistisch
signifikanter Trend
hin zum Zielwert
15
10
5,6
5
0
1994
1996
1998
2000
2002
Themenfelder der NBS
B 2.4 Landwirtschaft,
C 6 Land- und Forstwirtschaft
Definition
Anteil der Flächen mit ökologischem Landbau an der landwirtschaftlich
genutzten Fläche (LF)
2004
2006
2008
Grafik: BfN (2010),
Daten: BMELV (2010)
Zielwert
Erhöhung des Flächenanteils mit ökologischem Landbau auf 20 % der LF
Kernaussage
Zwar nehmen die Flächen mit ökologischem Landbau kontinuierlich zu
(5,6 % Flächenanteil im Jahr 2009). Das 20 %-Ziel ist jedoch bei weitem
noch nicht erreicht. Es ist beabsichtigt, die Rahmenbedingungen für
den Umstieg auf den ökologischen Landbau so zu gestalten, dass in den
nächsten Jahren die Fläche des ökologischen Landbaus auf 20 % der LF
steigen kann.
47
Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert
Die biologische Vielfalt auf landwirtschaftlich genutzten Flächen ist in
den letzten 50 Jahren durch veränderte Bewirtschaftungsformen, insbesondere durch die fortschreitende
Technisierung der Landwirtschaft
deutlich zurückgegangen. Um diesem
Verlust entgegenzuwirken, fördert
die EU Maßnahmen der ländlichen
Entwicklung u. a. mit dem Ziel, den
Zustand von Umwelt und Landschaft
zu verbessern. Die Förderung der
Entwicklung des ländlichen Raums ist
in den Mitgliedsstaaten der EU durch
die ELER-Verordnung geregelt.
Im Rahmen der europäischen Förderpolitik (ELER) ist u. a. der Basisindikator „High Nature Value Farmland“
Strukturreiche Agrarlandschaft mit hohem Naturwert in der Fränkischen Schweiz
(HNV Farmland, Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert) neu
eingeführt worden. Die Mitgliedsstaaten – in Deutschland der Bund ebenso
Der Indikator gibt Auskunft
wie die Länder – sind verpflichtet, für diesen Indikator die Daten regelmäßig
über den Umfang von Landzu erfassen und zu berichten. Der Indikator soll dazu beitragen, Aussagen
wirtschaftsflächen mit hohem
zu Auswirkungen der Landwirtschaft auf die biologische Vielfalt sowie zu
Naturwert (HNV Farmland, High
Erfolgen bei der Förderung der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft
Nature Value Farmland), die
zu treffen. Um die hierfür notwendigen Daten bereitzustellen, werden in
zur Erhaltung der biologischen
einem neu konzipierten bundesweiten Monitoring im Rahmen eines StichVielfalt beitragen.
probenverfahrens seit 2009 Landwirtschaftsflächen mit Hilfe einer standardisierten Erfassungs- und Bewertungsmethode kartiert. Die in der Stichprobe
ermittelten Flächenanteile werden auf die landesweite Landwirtschaftsfläche
hochgerechnet. Hierfür erfolgt eine regelmäßige Bestimmung des Anteils der
Flächen mit hohem Naturwert (in ha) und die Einordnung in Qualitätsstufen.
Diese Methodik wird auf der Basis gewonnener Erfahrungen evaluiert und der
Indikator ggf. weiterentwickelt.
Indikator
Die Verordnung (EG) Nr.
1698/2005 des Rates vom
20. September 2005 regelt
die Förderung der Entwicklung
des ländlichen Raums durch
den Euro­päischen Landwirtschaftsfond für die Entwicklung
des ländlichen Raums (ELER).
Sie wird ergänzt durch die
Durchführungsbestimmungen
der Verordnung (EG) Nr.
1974/2006 der Kommission vom
15. Dezember 2006.
48
Der Indikator bilanziert den Anteil der Landwirtschaftsflächen mit hohem
Naturwert (HNV-Farmland-Flächen) an der gesamten Landwirtschaftsfläche. Als
Landwirtschaftsfläche mit hohem Naturwert gelten extensiv genutzte, artenreiche Grünland-, Acker-, Streuobst- und Weinbergsflächen sowie Brachen.
Hinzu kommen strukturreiche Landschaftselemente wie z. B. Hecken, Raine,
Feldgehölze und Kleingewässer, soweit sie zur landwirtschaftlich genutzten
Kulturlandschaft gehören. Die Einstufung von Flächen und Landschaftselementen erfolgt nach einem festgelegten System von Qualitätskriterien.
HNV-Farmland-Flächen werden in Flächen mit äußerst hohem, sehr hohem
und mäßig hohem Naturwert unterteilt.
Als Ziel für die Zunahme des Anteils von Landwirtschaftsflächen mit hohem
Naturwert wurde in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt eine
Steigerung um mindestens 10 Prozentpunkte im Zeitraum von 2005 bis 2015
festgelegt. Da die Erfassung erstmals im Jahr 2009 durchgeführt wurde, wird
als Startwert der Stand des Jahres 2009 herangezogen. Soll der Anteil der
HNV-Farmland-Flächen beginnend im Jahr 2009 über einen Zeitraum von 10
Jahren um mindestens 10 Prozentpunkte angehoben werden und unterstellt
man eine lineare Entwicklung bis zum Jahr 2019, ergibt sich als Zielwert eine
Erhöhung um mindestens 6 Prozentpunkte auf einen Anteil von mindestens
19 % der Landwirtschaftsfläche bis zum Jahr 2015.
Die HNV-Farmland-Flächen werden bundesweit in einer repräsentativen Stichprobe auf ca. 900 Flächen von je einem Quadratkilometer Größe erfasst. Diese
Flächen werden auch für das Brutvogelmonitoring genutzt, das u. a. die Daten
für den Indikator „Artenvielfalt und Landschaftsqualität“ bereitstellt. Ab 2010
soll der Indikatorwert alle zwei Jahre für die Berichterstattung aktualisiert
werden. Die Größe der Landwirtschaftsfläche mit hohem Naturwert sowie der
drei Unterkategorien wird aus der Stichprobe für ganz Deutschland hochgerechnet und in Prozent der gesamten Landwirtschaftsfläche angegeben.
Hierfür wird die Landwirtschaftsfläche über das Amtliche TopographischKartographische Informationssystem (ATKIS) bestimmt.
Aufbau
Die Kartierungsergebnisse aus dem Jahr 2009 liefern einen Indikatorwert von
13,0 % Anteil der HNV-Farmland-Flächen an der gesamten Landwirtschaftsfläche. 2,2 % der Landwirtschaftsfläche wurden als Flächen mit äußerst hohem
und 4,5 % als Flächen mit sehr hohem Naturwert eingestuft. Da Flächen mit
sehr hohem und äußerst hohem Naturwert von herausragender Bedeutung
für den Schutz der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft sind, ist
künftig durch eine verbesserte Honorierung der Leistungen der Landwirte
insbesondere die Erhaltung und Ausweitung dieser Bereiche zu entwickeln.
Mit 6,3 % Flächenanteil wurde knapp die Hälfte der HNV-Farmland-Fläche als
Landwirtschaftsfläche mit mäßig hohem Naturwert eingestuft. Diese Flächen
erfüllen die Anforderungen für eine Einordnung in die unterste Stufe des
HNV Farmland, da ihr Arten- und Strukturreichtum zwar höher ist als bei
Flächen, die nicht zu HNV-Farmland-Flächen zählen, aber im Verhältnis zu
den Flächen mit äußerst hohem und sehr hohem Naturwert nicht so stark
ausgeprägt ist.
Aussage
„Bis 2015 nimmt der Flächenanteil naturschutzfachlich
wert­voller Agrarbiotope
(hochwertiges Grünland,
Streuobstwiesen) um mindestens 10 % gegenüber 2005 zu.
In 2010 beträgt in agrarisch
genutzten Gebieten der Anteil
naturnaher Landschaftselemente (z. B. Hecken, Raine,
Feldgehölze, Kleingewässer)
mindestens 5 %.“
(BMU 2007: 47)
Artenreiches Grünland
49
Komponenten der
biologischen Vielfalt
Siedlung und Verkehr
Wirtschaftliche
Nutzungen
Klimawandel
Gesellschaftliches
Bewusstsein
Um den HNV-Farmland-Gesamtanteil bis 2015 auf 19 % zu erhöhen, sind
weiterhin große und gezielte Anstrengungen erforderlich. Hierzu könnten
flankierend zu anderen Maßnahmen Agrarumweltmaßnahmen, die umweltund naturverträgliche Produktionsformen in der Landwirtschaft honorieren,
einen Beitrag leisten. Dabei sollten folgende Maßnahmen verfolgt werden:
• Vermeidung weiteren Grünlandumbruchs,
• Einrichtung von extensiv genutzten oder ungenutzten Pufferstreifen um
Landschaftselemente und Äcker,
• Erhaltung von Ackerbracheflächen auf Böden mit niedrigen Bodenpunkten
durch gezieltes Brachemanagement,
• Erhöhung des Umfangs des Vertragsnaturschutzes zur Sicherung artenreicher, agrarisch geprägter Offenlandlebensräume,
• Integration von Extensivflächen (u. a. gemanagte Naturschutzbrachen,
Blühstreifen, Pufferstreifen entlang von naturnahen Biotopen) in leistungsfähige konventionelle und ökologische Nutzungssysteme,
• Nutzungsextensivierungen auf geeigneten Grünlandflächen.
Um bei der Umsetzung dieser Maßnahmen die Wettbewerbsfähigkeit der
Betriebe zu erhalten, ist im Falle wirtschaftlicher Einbußen ein finanzieller
Ausgleich für die Bewirtschafter bereitzustellen.
Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert (High Nature Value Farmland )
Anteil der Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert in %
22
Zielwert von 19 %
im Jahr 2015
20
Der aktuelle Wert
liegt noch weit vom
Zielbereich entfernt.
18
16
14
13,0
12
2,2
10
4,5
8
6
Äußerst hoch
4
2
0
Sehr hoch
6,3
2009
Mäßig hoch
2010
2011
2012
2013
Themenfelder der NBS
B 2.4 Landwirtschaft, C 6 Land- und Forstwirtschaft
Definition
Anteil der Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert (High Nature
Value Farmland) an der gesamten Landwirtschaftsfläche
50
2014
2015
Grafik: BfN (2010),
Daten: BfN und Bundesländer (2010)
Zielwert
Bis zum Jahr 2015 sollen HNV-Farmland-Flächen mindestens 19 % der
Landwirtschaftsfläche bedecken.
Kernaussage
Im Jahr 2009 betrug der Anteil der Landwirtschaftsflächen mit äußerst
hohem Naturwert 2,2 %, mit sehr hohem Naturwert 4,5 % und mit mäßig
hohem Naturwert 6,3 % (HNV-Farmland-Flächen mit einem Gesamtanteil
von 13,0 %). Um das Ziel bis zum Jahr 2015 zu erreichen, müssen gezielt
Maßnahmen zur Förderung der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft ergriffen werden.
Genetische Vielfalt in der Landwirtschaft
Die moderne Tier- und Pflanzenzucht konzentriert sich auf wenige Leistungsrassen der Nutztiere und ertragreiche Pflanzensorten, um sich
den heutigen Marktanforderungen anzupassen. Diese Entwicklung hat zur Folge, dass die
genetische Vielfalt der genutzten Pflanzen- und
Tierressourcen weltweit rapide abnimmt. Auch
in Deutschland verringert sich der Anteil traditioneller Kulturpflanzensorten, so genannter
Hof- und Landsorten. Ebenso werden bei den
Nutztieren die einheimischen, oft regionaltypischen Rassen durch wenige, auf hohe Leistung
und weltweite Nutzung gezüchtete Rassen
verdrängt. In der aktuellen deutschen Roten
Merinofleischschafe
Liste der bedrohten Nutztierrassen werden von
den 65 einheimischen Rassen der Arten Pferd, Rind, Schwein, Schaf und Ziege
54 als „gefährdet“ bzw. „zur Beobachtung“ eingestuft. Mit dem Verlust dieser
pflanzen- und tiergenetischen Vielfalt verarmen die historisch gewachsenen
Kulturlandschaften und es geht ein für die Züchtung bedeutendes genetisches
Potenzial verloren. In der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt wird
daher die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der regionaltypischen genetischen Vielfalt von Nutztierrassen und Kulturpflanzensorten angestrebt.
Der Indikator bilanziert das
Ausmaß der Gefährdung
genetischer Ressourcen in der
Landwirtschaft am Beispiel
einheimischer Rassen ausgewählter Nutztierarten.
Bund, Länder und weitere Beteiligte haben daher im Sektor der landwirtschaftlichen Nutztierrassen das „Nationale Fachprogramm zur Erhaltung
und nachhaltigen Nutzung tiergenetischer Ressourcen in Deutschland“
entwickelt, welches 2003 von der Agrarministerkonferenz verabschiedet
wurde (Neuauflage: BMELV 2008). Es dient als Leitlinie für ein abgestimmtes
Zusammenwirken aller Beteiligten. Die Maßnahmen des Fachprogramms
beziehen sich derzeit auf Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen, Pferde, Kaninchen
sowie landwirtschaftlich genutzte Geflügelarten.
Der Indikator „Genetische Vielfalt in der Landwirtschaft“ gibt Auskunft über
das Ausmaß der Gefährdung genetischer Ressourcen in der Landwirtschaft. Er
fasst hierfür die Angaben zur Gefährdung der fünf wichtigsten Nutztierarten
(Pferd, Rind, Schwein, Schaf und Ziege) zusammen. Datengrundlage ist die
Einstufung der Rassen in Rote-Liste-Kategorien nach der Roten Liste der
gefährdeten einheimischen Nutztierrassen in Deutschland. Im Nationalen
Fachprogramm zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung tiergenetischer
Ressourcen in Deutschland wurden dazu vier Rote-Liste-Kategorien definiert,
die ein System abgestufter Gefährdungsgrade bilden.
Die Bundesregierung strebt in der Nationalen Strategie zur biologischen
Vielfalt an, dass gefährdete Nutztierrassen zu sichern sind. Die Gesamtzahl
der einheimischen Nutztierrassen soll nicht sinken. Hieraus ergibt sich als
Ziel, das Ausmaß der Gefährdung der Nutztierrassen insgesamt zu verringern.
Der Indikator stellt eine national modifizierte Form des europäisch abgestimmten SEBI 2010-Indikators „Livestock genetic diversity“ dar. Als Datengrundlage
dienen die von den Züchtervereinigungen und herdbuchführenden Stellen zur
Verfügung gestellten Bestandszahlen für die einzelnen Nutztierrassen, die vom
Informations- und Koordinationszentrum Biologische Vielfalt (IBV) der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) in der Zentralen Dokumentation Tiergenetischer Ressourcen in Deutschland (TGRDEU) zusammengeführt
werden. Für die Berechnung des Indikators wird die Einstufung der Rassen
in die Rote-Liste-Kategorien der Roten Liste der gefährdeten einheimischen
Nutztierrassen in Deutschland ausgewertet (BLE 2010).
Indikator
„Die regionaltypische genetische Vielfalt von Nutztierrassen
und Kulturpflanzensorten
bleibt erhalten, wird nachhaltig
genutzt, bleibt als Lebens- und
Zuchtgrundlage verfügbar und
bereichert das Landschaftsbild
sowie die landwirtschaftliche
und gartenbauliche Produkt­
palette.“ (BMU 2007: 30)
Aufbau
51
Murnau-Werdenfelser Rind
Der Begriff „einheimisch“ wird
im Tierzuchtgesetz (§3 Abs. 4)
definiert: „Einheimisch ist
eine Rasse, für die auf Grund
in Deutschland vorhandener
Tierbestände erstmals ein
Zuchtbuch begründet worden
ist und seitdem oder, sofern die
Begründung weiter zurückliegt,
seit 1949 in Deutschland
geführt wird. Eine Rasse kann
ferner von der zuständigen
Behörde als einheimisch
anerkannt werden, soweit das
Zuchtbuch nicht erstmals in
Deutschland begründet worden
ist, aber für diese Rasse
1. nur noch in Deutschland ein
Zuchtbuch geführt und ein
Zuchtprogramm durchgeführt
wird oder 2. mindestens
seit 1949 auf Grund dort
vorhandener Tierbestände in
Deutschland ein Zuchtbuch
geführt und ein eigenständiges
Zuchtprogramm durchgeführt
wird.“
Als Maß für die Gefährdung einer Rasse dient die effektive Populationsgröße
(Ne). Die effektive Populationsgröße gibt den Verlust der genetischen Vielfalt
(pro Generation) innerhalb der betrachteten Population wieder. Dieser Wert
kann mit verschiedenen Berechnungsmethoden ermittelt werden, die je nach
Situation der einzelnen Rasse stark unterschiedlich ausfallen können. Die
letztendliche Einteilung in die Gefährdungskategorien wird derzeit vom Fachbeirat für tiergenetische Ressourcen des BMELV vorgenommen. Es werden
vier Rote-Liste-Kategorien unterschieden: (1) Phänotypische Erhaltungspopulationen (PERH): Diese Rassen können aus tierzuchtwissenschaftlicher Sicht nur
noch als Rudimente verstanden werden, der kulturelle Wert solcher Rassen ist
jedoch unbestritten; (2) Erhaltungspopulationen (ERH): stark existenzgefährdete Populationen; (3) Beobachtungspopulationen (BEO): gefährdete Populationen; (4) nicht gefährdete Rassen.
Der Indikator zeigt den prozentualen Anteil gefährdeter einheimischer Rassen
der Pferde, Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen. Dabei kann sich die Gesamtzahl der bilanzierten Rassen über die Zeit verändern, wenn neue Rassen
hinzutreten oder Rassen aussterben. Der Indikator soll künftig regelmäßig
fortgeschrieben werden.
Aussage
52
Der Indikator zeigt, dass der Anteil gefährdeter einheimischer Rassen der
Pferde, Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen im Jahr 2010 mit etwas mehr als
83 % sehr hoch ist. Dennoch ist es als positiv zu sehen, dass im betrachteten
Zeitraum keine einheimische Großtierrasse in Deutschland ausgestorben ist.
Der leichte Anstieg beim Gefährdungsanteil zwischen 2006 und 2010 ist auf
die Neubeschreibung zweier einheimischer Rassen zurückzuführen, die als
gefährdet eingestuft wurden. Innerhalb der Gefährdungsstufen lässt sich eine
leichte Verschiebung in Richtung geringerer Gefährdung ablesen. So konnte
durch die Erhaltungsprogramme der letzten 10 Jahre erreicht werden, dass
sich der Anteil der als Phänotypische Erhaltungspopulationen eingestuften
Rassen um rund 4 % reduzierte.
Komponenten der
biologischen Vielfalt
Siedlung und Verkehr
Wirtschaftliche
Nutzungen
Klimawandel
Gesellschaftliches
Bewusstsein
Der Handlungsbedarf unterscheidet sich bei den verschiedenen Nutztierarten
deutlich. So spielt beispielsweise bei Rindern das Vermarktungspotenzial von
Produkten aus einheimischen Rassen bereits eine wichtige Rolle. In der Schafhaltung gibt es hingegen noch größere Probleme, durch die Vermarktung
rassetypischer Produkte die Erhaltung einzelner Rassen substanziell abzusichern. Zusätzlich steht hinter dem gleichbleibend hohen Anteil gefährdeter
Schafrassen eine starke Abnahme der Schafhalter und der Gesamtschafpopulation in Deutschland. Somit bleibt die Herausforderung, artspezifisch für eine
nachhaltige Nutzung und langfristige Erhaltung der einheimischen Rassen zu
sorgen.
Die Situation in der Tierzucht ist nur in sehr eingeschränktem Maße auf
andere Sektoren genetischer Ressourcen in der Landwirtschaft übertragbar.
Deshalb wird derzeit an der Entwicklung weiterer spezifischer Indikatoren vor
allem zur Kennzeichnung der Situation in der Pflanzenzüchtung gearbeitet,
um künftig ein umfassendes Bild über die genetische Vielfalt in der Landwirtschaft zu erhalten.
Genetische Vielfalt in der Landwirtschaft
Anteil gefährdeter einheimischer Nutztierrassen der Pferde, Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen in %
100
90
17,5
16,9
NG: Nicht gefährdete Rassen
80
70
27,0
30,8
BEO (Beobachtungspopulationen):
Gefährdete Populationen
60
50
40
ERH (Erhaltungspopulationen):
Stark existenzgefährdete
Populationen
34,9
35,4
30
PERH (Phänotypische Erhaltungs­
populationen): Nur noch als
Rudimente vorhandene Rassen
20
10
0
20,6
2006
16,9
2010
2015
Themenfelder der NBS
B 1.1.4 Genetische Vielfalt von wildlebenden und domestizierten Arten,
B 2.4 Landwirtschaft, C 2 Artenschutz und genetische Vielfalt, C 6 Landund Forstwirtschaft
Definition
Der Indikator gibt Auskunft über das Ausmaß der Gefährdung genetischer
Ressourcen in der Landwirtschaft am Beispiel der fünf wichtigsten Nutztierarten (Pferd, Rind, Schwein, Schaf und Ziege).
2020
Grafik: BfN (2010),
Daten: BLE (2010)
Qualitätsziel
Gefährdete Nutztierrassen sind zu sichern. Das Ausmaß der Gefährdung der
Nutztierrassen soll insgesamt verringert werden.
Kernaussage
Der Anteil gefährdeter einheimischer Rassen (BEO, ERH, PERH) ist im Jahr
2010 mit etwas mehr als 83 % sehr hoch. Es müssen gezielt Maßnahmen
zur Verringerung der Gefährdungssituation ergriffen werden.
53
Gentechnik in der Landwirtschaft
Die Folgen des Anbaus
von gentechnisch veränderten Pflanzen (GVP)
für die Umwelt sind
komplex und werden
in der Gesellschaft
kontrovers diskutiert. Die
Gentechnik ermöglicht
es, Gene zu verändern
und weitgehend unabhängig von natürlichen
Artgrenzen von einem
Organismus auf einen
anderen zu übertragen
und durch die veränderte
Genausstattung neue
Eigenschaften auszuprägen. Die GVP treten auf
den Anbauflächen und
in deren Umgebung mit
wild lebenden Pflanzen
Gentechnisch veränderter Mais (Zea mays) wurde in Deutschland bis zum Jahr 2008 angebaut.
und Tieren in Wechselwirkungen. Risiken
können sich – auch nach Zulassung – aufgrund unvorhergesehener Folgen
neuer Eigenschaften der GVP und komplexer Wechselwirkungen mit anderen
Organismen im Freiland ergeben.
Indikator
Der Indikator gibt Auskunft
über das Ausmaß potentieller
Wechselwirkungen des Einsatzes
der Gentechnik in der Landwirtschaft mit der biologischen
Vielfalt.
Aufbau
„Von GVO geht auch in Zukunft
keine Gefährdung für die bio­
logische Vielfalt, insbesondere
in Schutzgebieten, aus.“
(BMU 2007: 47)
54
Der Indikator bilanziert die Größe aller gemeldeten GVP-Anbauflächen.
Er liefert Informationen, die dazu beitragen sollen, Entwicklungen bei der
Anwendung von Gentechnik in der Landwirtschaft in Umfang und Bedeutung
zu bewerten. Der Indikator erfüllt damit eine wichtige Aufgabe im Aktionsfeld „Biologische Sicherheit und Vermeidung von Faunen- und Florenverfälschung“ der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt.
In der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt setzt sich die Bundesregierung verschiedene Ziele mit Bezug zu gentechnisch veränderten Organismen (GVO): Auch in Zukunft muss sichergestellt sein, dass bei der Freisetzung
und Nutzung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) keine
Gefahren für wild lebende Arten zu erwarten sind. Von GVO soll auch künftig
keine Gefährdung der biologischen Vielfalt, insbesondere in Schutzgebieten,
ausgehen. Neben diesen allgemeinen Qualitätszielen können für den Indikator derzeit keine konkreten Ziel- bzw. Höchstwerte festgelegt werden, da die
teilweise lückenhaften, teilweise umstrittenen Ergebnisse wissenschaftlicher
Untersuchungen zu den Auswirkungen des GVP-Anbaus auf die biologische
Vielfalt noch keine ausreichende Basis für eine solche Normensetzung liefern.
Die Datengrundlage für den Indikator ist das Standortregister, das vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) geführt wird
und im Internet zugänglich ist. Jedes Jahr müssen Landwirte, die beabsichtigen GVP anzubauen, in einer Mitteilung an das BVL angeben, auf welchen
Flurstücken der Anbau eines bestimmten Organismus (z. B. Mais) mit einem
bestimmten spezifischen Erkennungsmarker (z. B. MON-00810-6) stattfindet.
Der Indikator stellt die Summe der dem BVL gemeldeten GVP-Anbauflächen
laut Standortregister dar. Zur Berechnung werden die GVP-Anbauflächen für
die einzelnen Kulturarten getrennt (bis 2009 nur Mais) summiert. Die gesamte
GVP-Anbaufläche wird jährlich in Hektar bilanziert.
Komponenten der
biologischen Vielfalt
Siedlung und Verkehr
Wirtschaftliche
Nutzungen
Klimawandel
Der Indikator wurde für die gemeldeten GVP-Anbauflächen für die Jahre seit
Bestehen des Standortregisters (2005-2009) berechnet und bezieht sich auf
den Bt-Mais MON 810, die einzige für den kommerziellen landwirtschaftlichen
Anbau zugelassene gentechnisch veränderte Kulturpflanze innerhalb dieses
Zeitraums. In Deutschland wurde dieser Bt-Mais zwischen 2005 und 2009
auf einer sehr kleinen Fläche angebaut. Die Anzahl der Standorte und die
Flächengröße des Anbaus nahmen von 2005 bis 2008 auf niedrigem Niveau
kontinuierlich zu. In 2006 und 2007 hat sich die GVP-Anbaufläche gegenüber
dem jeweiligen Vorjahreswert jeweils fast verdreifacht. Der Anstieg ging im
Jahr 2008 deutlich zurück. Der bisherige Höchstwert der GVP-Anbaufläche
wurde im Jahr 2008 erreicht und betrug 3.180 ha verteilt auf 201 Standorte
(0,15 % der gesamten Mais-Anbaufläche von knapp 2,1 Mio. ha). Der Schwerpunkt des Anbaus lag bisher im Osten Deutschlands (Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen). Seit 2009 wurde die Zulassung
für Bt-Mais in Deutschland gemäß Art. 23 der EU-Freisetzungsrichtlinie ruhen
gelassen. Dies führte zu einem Rückgang der Anbaufläche auf 0 %.
Gesellschaftliches
Bewusstsein
Aussage
„Wir streben Folgendes an:
… Auch in Zukunft sicher
stellen, dass bei der Freisetzung
und Nutzung von gentechnisch
veränderten Organismen (GVO)
keine Gefahr für wildlebende
Arten zu erwarten ist … .“
(BMU 2007: 28)
Gentechnik in der Landwirtschaft
GVP-Anbauflächen in Deutschland in ha
4000
3500
3180
3000
2500
2000
1500
1000
500
0
0
2005
2006
2007
2008
Themenfelder der NBS
C 3 Biologische Sicherheit und Vermeidung von Faunen- und
Florenverfälschung
Definition
Summe der gemeldeten Anbauflächen gentechnisch veränderter Pflanzen
(GVP)
2009
Grafik: BfN (2010),
Daten: BVL (2009)
Qualitätsziel
Von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) geht auch in Zukunft
keine Gefährdung der biologischen Vielfalt, insbesondere in Schutzgebieten, aus. Konkrete Ziel- bzw. Höchstwerte können für den Indikator
derzeit nicht festgelegt werden.
Kernaussage
Nach kontinuierlichem Zuwachs in den Jahren 2005 bis 2008 sind die
GVP-Anbauflächen im Jahr 2009 aufgrund des Ruhens der Zulassung von
Bt-Mais der Sorte MON 810 wieder auf Null gesunken.
55
Stickstoffüberschuss der Landwirtschaft
Ausbringung von Gülle auf einer Fettwiese
Der Indikator gibt Auskunft
über die Entwicklung der
Stickstoffüberschüsse aus der
Landwirtschaft.
„Stoffliche Einträge haben
erhebliche Auswirkungen auf die
biologische Vielfalt, da sie die
Lebens- und Standortbedingungen verändern.“ (BMU 2007: 80)
In der Landwirtschaft werden
Stickstoffverbindungen als
Pflanzennährstoffe eingesetzt.
Durch gezielte Düngung
und Fruchtfolgegestaltung
sollen die bei der Produktion
den Böden entnommenen
Nährstoffe ersetzt werden,
um die Erträge, die Qualität
von Ernteprodukten sowie die
Bodenfruchtbarkeit langfristig
zu sichern. Nicht von den
Nutzpflanzen aufgenommene
Stickstoffverbindungen führen
jedoch – soweit sie nicht in den
landwirtschaftlichen Böden
gespeichert werden – zur Belastung von Grundwasser, Binnengewässern, Meeren und Landökosystemen sowie außerdem zur Entstehung
von Treibhausgasen und versauernden Luftschadstoffen. Stickstoffverbindungen gelangen nicht nur aus dem Pflanzenbau auf landwirtschaftlich genutzte
Flächen (62 %), sondern auch aus weiteren Quellen wie der Tierproduktion
(33 %) sowie zu einem Anteil von 5 % über den Luftpfad bspw. aus Verkehr,
Industrie und Haushalten.
Für die biologische Vielfalt stellt die eutrophierende und versauernde
Wirkung von Stickstoffeinträgen eine erhebliche Belastung dar. Nach den
düngerechtlichen Regelungen dürfen Düngemittel nur nach guter fachlicher
Praxis angewandt werden. Diese besagt, dass Art, Menge und Zeitpunkt der
Anwendung am Bedarf der Pflanzen und des Bodens ausgerichtet werden. Die
Anreicherung von Nährstoffen in Binnen- und Küstengewässern zeigt aber,
dass diffuse Einträge u. a. von Stickstoffverbindungen insbesondere in Gebieten mit intensiver landwirtschaftlicher Bodennutzung und Viehhaltung nach
wie vor zu hoch sind. Ebenso resultieren aus zu hohem Düngemitteleinsatz
insbesondere auf ackerbaulich genutzten Böden deutlich überhöhte Nitratgehalte im Grundwasser.
Die Bilanzierung des Stickstoffeinsatzes in der Landwirtschaft (Ackerbau und
Tierhaltung) ist ein Indikator zur Dokumentation, Analyse und Bewertung der
Nachhaltigkeit der landwirtschaftlichen Nutzung im weitesten Sinne. Er ist
Bestandteil des Indikatorensets der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie und
wird aktuell auch im Indikatorenbericht 2010 zu dieser Strategie berichtet
(Statistisches Bundesamt 2010). Der Indikator steht in enger Beziehung
zu den Indikatoren „Ökologischer Gewässerzustand“ und „Eutrophierende
Stickstoffeinträge“ der Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt.
Indikator
„Die errechneten Stickstoffüberschüsse sind Mittelwerte
für Deutschland und eine
Maßzahl für die potenziellen
Einträge ins Grundwasser, in
Oberflächengewässer und in die
Luft.“ (BMU 2007: 131)
56
Der Indikator trifft Aussagen zur Entwicklung der Belastung der Umweltmedien und Lebensräume durch Stickstoff aus der Landwirtschaft. Dabei lässt der
Aggregationsgrad keine Aussagen über regionale Überschüsse zu, da er nach
dem Prinzip einer Gesamtbilanz errechnet wird. Er gibt dazu die Differenz an
zwischen Stickstoffflüssen in die Landwirtschaft und Stickstoffflüssen, die aus
ihr herausgehen. Der Gesamtsaldo wird nach dem Prinzip der Hoftor-Bilanz
berechnet, d. h. Stickstoffflüsse im innerwirtschaftlichen Kreislauf werden –
mit Ausnahme der inländischen Futtermittelerzeugung – nicht ausgewiesen.
Die errechneten jährlichen Stickstoffüberschüsse in kg/ha landwirtschaftlich
genutzter Fläche sind Mittelwerte für Deutschland und nicht für die Ebene
der Betriebe.
Die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse findet überwiegend in offenen Systemen und über einen langen Zeitraum statt. Zudem sind nicht alle
Stickstoffverbindungen in gleicher Weise pflanzenverfügbar. Dies bedeutet,
dass eingesetzte Stoffe, so auch Stickstoff, nicht vollständig ausgenutzt werden
können. Zudem verbleiben mit den Ernterückständen Stickstoff-Mengen auf
dem Feld, die bei einigen Kulturarten (z. B. Raps, Gemüse) erheblich sein
können und im Stickstoffüberschuss enthalten sind. Diese Ernterückstände
sind für den Humusgehalt der Böden und somit für die Bodenfruchtbarkeit
wichtig. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung als konkreten
Zielwert festgelegt, die Stickstoffüberschüsse der landwirtschaftlichen Produktion in der jährlichen Gesamtbilanz auf 80 kg/ha landwirtschaftlich genutzter
Fläche bis zum Jahr 2010 zu reduzieren. Darüber hinaus wird eine weitere
Verringerung bis zum Jahr 2015 angestrebt.
In der Nationalen Strategie
zur biologischen Vielfalt setzt
die Bundesregierung folgende
Ziele fest: „Verringerung des
Stickstoffüberschusses in der
Gesamtbilanz bis 2010 auf
80 kg/ha, angestrebt wird eine
weitere Verringerung bis 2015“
(BMU 2007: 48).
In einer Gesamtbilanz wird die Menge der Stickstoffverbindungen, die jährlich
in die Landwirtschaft hinein- und hinausfließen berechnet oder näherungsweise abgeschätzt (siehe Abbidlung unten). Dabei werden Stickstoffzufuhren
mit Düngemitteln, durch atmosphärische Deposition, biologische Stickstofffixierung, mit Saat- und Pflanzgut sowie mit Futtermitteln aus inländischer
Erzeugung und aus Importen berücksichtigt. Die Stickstoffabfuhr enthält nur
Stickstoff aus pflanzlichen und tierischen Marktprodukten.
Aufbau
Wichtige Einzeldaten stammen aus den Agrarstrukturerhebungen des Statistischen Bundesamtes sowie aus den Statistischen Jahrbüchern über Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten des BMELV. Bestands- bzw. Vorratsänderungen (u. a.
Viehzahlen, Dünge- und Futtermittel) auf Betriebsebene werden nicht berücksichtigt. Liegen keine exakten Erhebungen vor (z. B. für gasförmige Verluste),
werden Näherungswerte verwendet.
Die Methodik zur Bilanzierung des Indikators wurde auf Bundesebene überarbeitet, und die Daten des gesamten Berichtszeitraums wurden auf dieser
Grundlage neu berechnet. Als maßgebliche Zeitreihe dient das gleitende Dreijahresmittel bezogen auf das jeweils mittlere Kalenderjahr. Durch die Mittelung
werden u. a. die nicht zu beeinflussenden witterungs- und marktabhängigen
jährlichen Schwankungen in der Darstellung des Indikatorverlaufs abgemildert.
Schema der Stickstoff-Gesamtbilanz der Landwirtschaft
Verändert nach Bach & Frede (2005)
Zufuhr
Sekundär­
rohstoffDünger
Legume
N-Bindung
Mineral­dünger
Atmo­sph.
Deposition
(netto)
Futtermittelzukauf
Saatgut­zukauf
Zukauf Tiere
Landwirtschaft
(+/- Vorratsänderungen)
Überschuss
Anreicherung im Boden, Eintrag in Grund- und Ober­
flächenwasser, Verflüchtigung, Denitrifikation u. a.
Abfuhr
Pflanzliche
Marktprodukte
Tierische
Marktprodukte
57
Komponenten der
biologischen Vielfalt
Wirtschaftliche
Nutzungen
Siedlung und Verkehr
Aussage
Klimawandel
Gesellschaftliches
Bewusstsein
Von 1991 bis 2007 ist der Stickstoffüberschuss von 132 kg/ha und Jahr auf
105 kg/ha und Jahr gesunken (gleitendes Dreijahresmittel). Das entspricht
einem Rückgang gegenüber 1991 um etwas mehr als 20 %. Allerdings liegt
der aktuelle Wert noch weit über dem angestrebten Zielwert von 80 kg/ha
und Jahr.
Der deutliche Rückgang der Stickstoffüberschüsse zu Beginn der Zeitreihe resultierte aus den abnehmenden Tierbeständen in den neuen Bundesländern.
Der im Verlauf der Zeitreihe nur noch schwache weitere Rückgang seit 1993
beruht auf Effizienzgewinnen bei der Stickstoffnutzung (Ertragssteigerungen
in der Pflanzenproduktion und eine höhere Futterverwertung bei Nutztieren).
Während sich die Stickstoffzufuhr zwischen 1991 und 2007 nur wenig verringerte (auf 193 kg/ha und Jahr bzw. um -4,5 %), ist die Stickstoffabfuhr seit 1991
um 27 % (auf 88 kg/ha und Jahr) angestiegen. Analysen von Betriebsdaten
belegen, dass hohe Überschüsse vor allem in Betrieben mit hohem Viehbesatz
anfallen. Es zeigt sich auch, dass selbst in Vieh haltenden Betrieben mit
vergleichbarer Produktionsstruktur eine hohe Bandbreite unterschiedlicher
Stickstoffüberschüsse auftritt. Dies lässt darauf schließen, dass weitere
Minderungspotenziale bestehen, um die Effizienz der Stickstoffnutzung zu
verbessern, z. B. durch Optimierung des betrieblichen Nährstoffmanagements,
standortabgestimmte Bewirtschaftungsmaßnahmen, geeignete Nutzpflanzensorten und einen Tierbesatz, der die Verwertung der anfallenden organischen
Dünger auf den zur Verfügung stehenden landwirtschaftlichen Nutzflächen
nach guter fachlicher Praxis zulässt.
Stickstoffüberschuss der Landwirtschaft
Der aktuelle Wert
liegt noch weit vom
Zielbereich entfernt.
Stickstoffüberschüsse in kg/ha landwirtschaftlich genutzter Fläche
160
Statistisch
signifikanter Trend
hin zum Zielwert
140
120
105
100
Zielwert von
80 kg/ha im
Jahr 2010
80
60
Gleitendes Dreijahresmittel
Stickstoffüberschuss kg/ha
40
20
0
58
* Datenbasis für das Jahr 1990
zum Teil unsicher
**Datenbasis für das Jahr 2008
teilweise vorläufig
1990*
1992
1994
1996
1998
2000
2002
2004
2006
2008** 2010
Grafik: BfN (2010), Daten: Institut
für Pflanzenbau und Bodenkunde,
Julius Kühn-Institut und Institut
für Landschaftsökologie und
Ressourcenmanagement,
Universität Gießen (2010)
Themenfelder der NBS
B 2.4 Landwirtschaft
C 6 Land- und Forstwirtschaft
C 10 Versauerung und Eutrophierung
Zielwert
Bis zum Jahr 2010 sollen die Stickstoffüberschüsse in der Gesamtbilanz auf
80 kg/ha landwirtschaftlich genutzter Fläche und Jahr verringert werden.
Darüber hinaus wird eine weitere Verringerung bis zum Jahr 2015 angestrebt.
Definition
Differenz zwischen Stickstoffflüssen in die Landwirtschaft und Stickstoffflüssen aus der Landwirtschaft (Gesamtsaldo nach dem Prinzip der
Hoftor-Bilanz)
Kernaussage
Von 1991 bis 2007 ist der Stickstoffüberschuss von 132 kg/ha und Jahr auf
105 kg/ha und Jahr gesunken (gleitendes Dreijahresmittel). Der aktuelle Wert
liegt noch weit über dem angestrebten Zielwert von 80 kg/ha und Jahr.
Eutrophierende Stickstoffeinträge
Stickstoffverbindungen
gelangen aus verschiedenen Quellen der
Industrie, des Verkehrs,
der Haushalte und der
Landwirtschaft in die Atmosphäre. Dort können
sie über weite Strecken
als Gas oder als mikro­
skopisch kleine Teilchen
(Aerosole) verfrachtet
werden. Durch Absinken, Aufprall, Regen
oder Kondensation
erreichen diese Verbindungen wieder die
Erdoberfläche. Besonders Lebensräume, die
von Natur aus nährstoffarm sind, und die dort
vorkommenden Pflanzen
und Tiere werden durch
die Anreicherung von
Stickstoffverbindungen
Stickstoffemissionen aus der Industrie gelangen in die Luft und reichern sich in Ökosystemen an.
(Eutrophierung) geschädigt. In der Folge kommt
es zur Verdrängung der an Magerstandorte angepassten Pflanzen durch
Der Indikator gibt Auskunft
nährstoffliebende Arten. Indirekt sind hiervon auch viele Tierarten betroffen,
über Beeinträchtigungen der
die an bestimmte Pflanzenarten gebunden sind. Die biologische Vielfalt kann
biologischen Vielfalt aufgrund
auf diese Weise nicht nur in terrestrischen, sondern auch in aquatischen
der Überschreitungen der
Ökosystemen geschädigt werden, da überschüssige Stickstoff­verbindungen
Belastungsgrenzen durch eutrodurch Ausspülung in die Gewässer gelangen.
phierende Stickstoffeinträge.
Ökosystemspezifische Belastungsgrenzen für den Eintrag von Schad- oder
Nährstoffen über die Atmosphäre werden international als Critical Loads
(CL) bezeichnet. Werden diese Grenzen eingehalten oder unterschritten,
sind nach heutigem Wissen weder akut noch langfristig Schädigungen der
betroffenen Ökosysteme zu erwarten. Es kann allerdings Jahrzehnte dauern,
bis Ökosysteme sichtbar geschädigt werden, und umgekehrt ebenso lange,
bis sie sich von langjährigen Überschreitungen wieder erholen. Da Stoffe in
der Atmosphäre weiträumig und grenzüberschreitend verfrachtet werden,
gibt es verschiedene Vereinbarungen auf internationaler Ebene mit dem Ziel
einer Verminderung der ausgestoßenen Mengen bestimmter Substanzen.
Sowohl die NEC-Richtlinie (National Emission Ceilings Directive) der EU als auch
das Göteborg-Protokoll der CLRTAP (Convention on Long-range Transboundary
Air Pollution) definieren für 2010 nationale Höchstmengen der Emission von
Ammoniak und Stickstoffoxiden.
Der Indikator bilanziert den Anteil der bewerteten Flächen empfindlicher
Ökosysteme ohne Überschreitungen ökosystemspezifischer Belastungsgrenzen
für eutrophierende Stickstoffeinträge (Critical Loads of Nutrient Nitrogen).
Entsprechend der Zielsetzung der Nationalen Strategie zur biologischen
Vielfalt wird bis zum Jahr 2020 eine flächendeckende Einhaltung der Belastungsgrenzen für empfindliche Ökosysteme angestrebt. Denn nur im Falle
einer Einhaltung oder Unterschreitung dieser kritischen Belastungsgrenzen
sind nach heutigem Wissen weder akut noch langfristig Schäden an den
betroffenen empfindlichen Ökosystemen zu erwarten.
„Mehr als die Hälfte der
Gefäßpflanzen ist nur unter
nährstoffarmen Bedingungen
konkurrenzfähig und damit
durch hohe Stickstoffeintrags­
raten in ihrem Bestand
gefährdet.“ (BMU 2007: 80)
Indikator
Stoffliche Einträge haben
erhebliche Auswirkungen auf die
biologische Vielfalt, da sie die
Lebens- und Standortbedingungen verändern (BMU 2007: 80).
59
Aufbau
Weltweit wird in Zukunft eine
steigende Belastung durch eutrophierende Stickstoffeinträge
erwartet (MEA 2005: 8 ff).
Ökosystemspezifische Belastungsgrenzen geben an, welche Menge eines
Stoffes pro Fläche und Zeitspanne nach aktuellem Wissensstand in einem
bestimmten Ökosystem deponiert werden kann, ohne dass auf lange Sicht
Schäden auftreten. Stoffeinträge dürfen also langfristig gerade noch so hoch
sein, dass die Stoffe durch interne Prozesse gespeichert oder aufgenommen
werden können bzw. in unbedenklicher Größe wieder aus dem System
herausgelangen. Zwischen Ein- und Austrägen eutrophierender Stickstoffverbindungen ist somit die Einstellung eines Gleichgewichtes erforderlich.
Dabei sind zeitweilige Abweichungen vom Gleichgewichtszustand tolerierbar,
solange das System aus sich selbst heraus regenerationsfähig bleibt.
Als empfindliche Ökosysteme in Hinblick auf eutrophierende Stickstoffeinträge gelten u. a. folgende Typen der Landnutzung: nährstoffarme Wiesen
und Weiden, Laub-, Nadel- und Mischwälder, grundwasserbeeinflusstes
natürliches Grünland, Heiden und Moorheiden, Sümpfe und Torfmoore. Um
die spezifischen Belastungsgrenzen für diese Ökosystemtypen festzulegen,
werden u. a. die Vegetationszusammensetzung, die Gesteinsart und der
Bodenchemismus berücksichtigt. Folgende Daten werden herangezogen, um
mit Hilfe von Modellierungen die Überschreitung der Belastungsgrenzen für
eutrophierende Stickstoffeinträge zu berechnen:
• Bodenübersichtskarte Deutschlands (BÜK 1000) und Wald-BÜK,
• Karte der mittleren jährlichen Sickerwasserrate aus dem Boden,
• Karte der Landnutzungsverteilung (Corine Land Cover 2000),
• Klimadaten Deutschlands.
Aussage
Die Nationale Strategie zur
biologischen Vielfalt legt
als Ziel für flächendeckende
diffuse Stoffeinträge fest: „Bis
zum Jahre 2020 werden die
Belastungswerte (critical loads
und levels) für Versauerung,
Schwermetall- und Nährstoff­
einträge (Eutrophierung) und
für Ozon eingehalten, so dass
auch empfindliche Ökosysteme
nachhaltig geschützt sind.“
(BMU 2007: 54)
Auch durch Abgase des Straßenverkehrs gelangen Stickstoffverbindungen in die Atmosphäre.
60
Im Jahr 2004 wurden nur auf etwas mehr als 4 % der betrachteten Flächen
empfindlicher Ökosysteme die Belastungsgrenzen für eutrophierenden
Stickstoff nicht überschritten. Der Anteil verbesserte sich aber schon deutlich
seit 1990, als die Grenzen lediglich auf 0,02 % der Fläche eingehalten wurden.
Der Flächenanteil mit geringen Überschreitungen (weniger als 10 kg N pro
ha und Jahr) sank von 2000 bis 2004 von 22,0 % auf 7,8 %. Der Flächenanteil
mit sehr hohen Überschreitungen (mehr als 30 kg N pro ha und Jahr) stieg in
diesem Zeitraum von 10,4 % auf 22,7 % deutlich an. Die Verteilung der Werte
in Deutschland im Jahr 2004 zeigt die nebenstehende Karte.
Überschreitung der Belastungs­
grenzen für eutrophierenden
Stickstoff im Jahr 2004
kg ha-1 a-1
keine
0 - 10
10 - 20
20 - 30
30 - 40
40 - 50
>50
Anteil
4,27 %
7,84 %
24,94 %
40,21 %
17,19 %
2,52 %
3,02 %
Verteilung
95 %
75 %
50 %
25 %
5 %
20
40
60
80
kg ha-1 a-1
100
Überschreitung der Belastungsgrenzen für eutrophierenden Stickstoff
im Jahr 2004
BGR, Hannover; DWD, Offenbach;
UBA, Berlin; ÖKO-DATA Strausberg
Die Überschreitungen der Belastungsgrenzen durch lang anhaltende sowie
aktuelle Einträge von Stickstoffverbindungen zeigen die Wahrscheinlichkeit
von Schäden in den betroffenen empfindlichen Ökosystemen an. Die Flächen­
signaturen auf der Karte stellen dar, um wie viel die Belastungsgrenzen
auf bestimmten Flächen im Modell überschritten werden. Die angezeigte
Wahrscheinlichkeit bedeutet nicht, dass im betrachteten Jahr biologische
Wirkungen sichtbar oder Schädigungen tatsächlich festgestellt wurden. Dies
ist u. a. dadurch begründet, dass negative Auswirkungen mit großer zeitlicher
Verzögerung eintreten können.
61
Komponenten der
biologischen Vielfalt
Wirtschaftliche
Nutzungen
Siedlung und Verkehr
Klimawandel
Gesellschaftliches
Bewusstsein
Während Stickstoffeinträge aus Verkehr und Industrie in den Jahren von
1990 bis 2004 abgenommen haben, weisen die Ammoniakemissionen und
daraus folgende Stickstoffeinträge aus der Landwirtschaft bislang keinen
Abwärtstrend auf. Die durch nationale und internationale Luftreinhaltemaßnahmen erreichten Verbesserungen in Hinblick auf Eutrophierungen
sind im Vergleich zu den Erfolgen bei versauernden Einträgen gering. Um
die Belastungsgrenzen bis zum Jahr 2020 einzuhalten, sind künftig große
Anstrengungen erforderlich. Insbesondere im Bereich der Landwirtschaft
müssen Ammoniakemissionen weiter reduziert werden. Dies kann u. a. durch
angepasste, stickstoffreduzierte Fütterungsverfahren, geeignete Lagerung,
emissionsarme Ausbringung und möglichst kurze Einarbeitungszeiten von
Wirtschaftsdüngern erreicht werden.
Eine Neuberechnung der bereits bilanzierten Werte und der folgenden
Jahreswerte findet derzeit im Auftrag des Umweltbundesamtes statt. Dabei
werden u. a. Critical Loads im Rahmen des Luftreinhalteübereinkommens der
UNECE (United Nations Economic Commission for Europe) sowie hochauflösende
Depositionsdaten nach dem internationalen Stand des Wissens aktualisiert.
Die Ergebnisse werden noch für das Jahr 2010 erwartet.
Eutrophierende Stickstoffeinträge
Anteil der bewerteten Flächen empfindlicher Ökosysteme ohne Überschreitung
der Critical Loads für Eutrophierung durch Stickstoffeinträge in %
100
Zielwert von 100 %
im Jahr 2020
Der aktuelle Wert liegt
noch sehr weit vom
Zielbereich entfernt.
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
62
4,3
1990
1995
2000
2004
2020
Grafik: BfN (2010),
Daten: UBA (2008)
Themenfelder der NBS
B 3.1 Flächendeckende diffuse Stoffein­träge,
C 10 Versauerung und Eutrophierung
Zielwert
Flächendeckende Einhaltung der Belastungsgrenzen für empfindliche Ökosysteme bis zum Jahr 2020
Definition
Anteil der bewerteten Flächen empfindlicher Ökosysteme ohne Überschreitungen ökosystemspezifischer Belastungsgrenzen für eutrophierende Stickstoffeinträge (Critical Loads of Nutrient Nitrogen)
Kernaussage
Im Jahr 2004 wurden nur auf 4,3 % der bewerteten Flächen empfindlicher
Ökosysteme die Belastungsgrenzen eingehalten. Während luftgetragene
Stickstoffeinträge aus Verkehr und Industrie von 1990 bis 2004 abgenommen haben, weisen die Ammoniakemissionen und daraus folgende
Stickstoff­einträge aus der Landwirtschaft bislang keinen Abwärtstrend auf.
Nachhaltige Forstwirtschaft
Knapp ein Drittel der Landfläche Deutschlands
ist mit Wäldern bedeckt. Wälder beherbergen
eine große Vielfalt an Arten und Lebensräumen. Jedoch sind zahlreiche Tier- und
Pflanzenarten, die in Wäldern vorkommen,
gefährdet, vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben. Struktur und Funktion der
Wälder im Landschaftshaushalt sowie Vorkommen und Häufigkeit von Tier- und Pflanzenarten werden auf dem überwiegenden Teil der
Flächen von forstwirtschaftlichen Nutzungen
geprägt. Nach wie vor sind Fichten (28 %) und
Kiefern (23 %) die häufigsten Baumarten, während sie von Natur aus nur wenige Prozent
der Waldgesellschaften prägen würden. Eine
naturnahe Zusammensetzung der Baumarten
Brennholz
findet sich auf ca. 35 % der Waldfläche. 73 %
der Wälder sind Mischwälder, ca. 46 % der
Wälder setzen sich aus einschichtigen Bestockungen zusammen, ca. 45 % sind
zweischichtig und ca. 9 % sind mehrschichtig aufgebaut. Naturnahe Wälder
weisen je nach Waldtyp und Standort neben standortgerechten, einheimischen Baumarten auch eine ausgeprägte Stufung der Vegetation, einen
ausreichenden Alt- und Totholzanteil sowie zahlreiche Kleinstrukturen auf,
die spezialisierten Arten Lebensraum bieten.
Um die biologische Vielfalt in Wäldern zu erhalten und zu fördern, sollen umwelt- und naturverträgliche Formen der Forstwirtschaft verstärkt umgesetzt
werden. Die Forstwirtschaft hat die Vorteile naturnaher Waldbewirtschaftung
selbst erkannt und arbeitet zielstrebig an ihrer Umsetzung. Die Zertifizierung
der Waldbewirtschaftung kann ein wirksames Instrument darstellen, den
Schutz der biologischen Vielfalt in Wäldern zu stärken und eine gleichermaßen ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltige Waldbewirtschaftung
durch entsprechende Bewirtschaftungsmaßnahmen sicherzustellen. In
Deutschland gibt es zurzeit drei etablierte Zertifizierungssysteme für die
Waldbewirtschaftung:
• Das Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes
(PEFC) geht auf eine Initiative des Europäischen Waldbesitzerverbandes
zurück. Es wurde 1999 auf Basis der EU-Ministerkonferenz zum Schutz
der Wälder Europas in Helsinki gegründet und weist mit rund 69 % der
zertifizierten Waldfläche den derzeit größten zertifizierten Flächenanteil
in Deutschland auf. Das Zertifizierungssystem PEFC wird von zahlreichen
Betrieben und Unternehmen der privaten, kommunalen und staatlichen
Forst- und Holzwirtschaft unterstützt.
Der Indikator gibt Auskunft über
den Schutz der biologischen
Vielfalt durch nachhaltige
Forstwirtschaft.
Die Bundesregierung formuliert
als Ziel für die Zukunft: „Die
Wälder in Deutschland weisen
eine hohe natürliche Vielfalt
und Dynamik hinsichtlich ihrer
Struktur und Artenzusammensetzung auf und faszinieren die
Menschen durch ihre Schönheit.
Natürliche und naturnahe
Waldgesellschaften haben
deutlich zugenommen. Die nachhaltige Bewirtschaftung der
Wälder erfolgt im Einklang mit
ihren ökologischen und sozialen
Funktionen.“ (BMU 2007: 31)
• Der Forest Stewardship Council (FSC) wurde 1993, ein Jahr nach der
Konferenz „Umwelt und Entwicklung“ in Rio de Janeiro gegründet. FSC
wird von Umwelt- und Naturschutzorganisationen (WWF, Greenpeace,
NABU u. a.), Sozialverbänden (IG BAU, IG Metall u. a.) sowie zahlreichen
Unternehmen der Privatwirtschaft unterstützt. Rund 4 % der zertifizierten
Waldfläche werden nach den Standards des FSC bewirtschaftet.
• Das Naturland-Zertifikat wurde 1996 von Greenpeace, BUND, WWF und
Robin Wood entwickelt. Basis dieser Zertifizierung sind die Naturland
Richtlinien zur Ökologischen Waldnutzung. Die Vermarktung und
Siegelvergabe werden im Rahmen einer Gruppenzertifizierung nach FSC
organisiert. Die nach Naturland zertifizierten Waldflächen (rund 0,5 %)
sind im Folgenden in den FSC-Flächenangaben enthalten.
„Aus ökologischer Sicht
besonders wertvolle alte Wälder
(mit Bäumen älter als 180
Jahre) sind mit ca. 2 % Anteil
an der Waldfläche kaum mehr
vorhanden.“ (BMU 2007: 32)
63
Indikator
Aufbau
Für die Berechnung des Indikators wird auf Daten der Zertifizierungsstellen
PEFC und FSC zurückgegriffen. Dabei ist zu beachten, dass Waldflächen
gleichzeitig nach PEFC und FSC zertifiziert sein können. Das genaue Ausmaß
der Flächenüberschneidungen ist derzeit nicht bekannt. Daher werden die
Flächenangaben der beiden Zertifizierungssysteme in der Abbildung nebeneinander dargestellt. Bezugsgröße für die Berechnung der Flächenanteile ist die
Gesamtwaldfläche Deutschlands, die zuletzt durch die Bundeswaldinventur 2
(BWI2) ermittelt wurde. Sie beträgt etwa 11,1 Mio. ha.
Aussage
Der Anteil nach PEFC zertifizierter Waldflächen lag im Jahr 2009 bei 69 %,
der Anteil nach FSC zertifizierter Flächen bei 4 %. Da das Ausmaß an Überschneidungen derzeit nicht bekannt ist, kann der Gesamtwert nicht eindeutig
bestimmt werden. Er lag im Jahr 2009 zwischen 69 % und 73 % und damit
in der Nähe des Zielbereiches. Betrachtet man die Entwicklung zertifizierter
Waldflächen seit 2000, so zeigte sich zu Beginn ein schneller Anstieg, der sich
seit Mitte des Jahrzehnts deutlich verlangsamt hat. Der Anteil der FSC-Flächen
weist seit 2006 einen leichten Rückgang auf. Über den gesamten bilanzierten
Zeitraum seit 2000 ergibt sich ein statistisch signifikanter Trend hin zum
Zielwert von 80 %.
In der Nationalen Strategie zur
biologischen Vielfalt werden
als Gründe für die Gefährdung
von Arten in Deutschland u. a.
genannt: „Lokale Defizite bei
der Waldbewirtschaftung (der
zu geringe Anteil von Altersund Zerfallphasen sowie von
Höhlenbäumen und Totholz,
strukturarme Bestände, nicht
standortgerechte Baumarten,
unangepasste Forsttechnik und
Holzernteverfahren).“
(BMU 2007: 17)
Die Bundesregierung hat in
der Nationalen Strategie zur
biologischen Vielfalt als Ziel
festgelegt: „Zertifizierung
von 80 % der Waldfläche nach
hochwertigen ökologischen
Standards bis 2010“
(BMU 2007: 32).
Waldzertifizierung durch ein
unabhängiges Institut
64
Der Indikator bilanziert die nach den derzeit etablierten Zertifizierungssystemen PEFC bzw. FSC zertifizierten Waldflächen anteilig an der Gesamtwaldfläche Deutschlands. Die Bundesregierung hat als Ziel festgelegt, dass bis zum
Jahr 2010 80 % der Waldfläche nach hochwertigen ökologischen Standards
zertifiziert sein sollen (BMU 2007: 32).
Komponenten der
biologischen Vielfalt
Wirtschaftliche
Nutzungen
Siedlung und Verkehr
Gesellschaftliches
Bewusstsein
Klimawandel
Um das Ziel der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt zu erreichen,
sollten insbesondere öffentliche Waldbesitzer ermutigt werden, sich im Sinne
ihrer Vorbildfunktion nach hochwertigen ökologischen Standards zertifizieren
zu lassen. Außerdem sollte eine Strategie entwickelt werden, um das Bewusstsein der Öffentlichkeit für einen verantwortungsvollen Einkauf von Holz und
Holzprodukten zu stärken und hierdurch die Nachfrage nach zertifiziertem
Holz zu steigern.
„Bis zum Jahre 2020 haben sich die Bedingungen für die in Wäldern typischen Lebens­
gemeinschaften (Vielfalt in Struktur und Dynamik) weiter verbessert. Bäume und
Sträucher der natürlichen Waldgesellschaft verjüngen sich ganz überwiegend natürlich.
Mit naturnahen Bewirtschaftungsformen werden die natürlichen Prozesse zur Stärkung
der ökologischen Funktionen genutzt. Alt- und Totholz sind in ausreichender Menge und
Qualität vorhanden.“ (BMU 2007: 31)
„In der Forstwirtschaft setzt sich die Bundesregierung für eine naturnahe Waldbewirtschaftung möglichst auf der gesamten forstwirtschaftlich genutzten Fläche ein.“
(BMU 2007: 72)
Nachhaltige Forstwirtschaft
Anteil nach PEFC bzw. FSC zertifizierter Waldflächen
90
Zielwert von 80 %
im Jahr 2010
80
69
70
+
Der aktuelle Wert
liegt in der Nähe
des Zielbereiches.
Statistisch
signifikanter Trend
hin zum Zielwert
60
50
40
30
Anteil PEFC
20
Anteil FSC
10
0
4
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
Grafik: BfN (2010),
Daten: BWI2 (2002),
PEFC (2009), FSC (2009)
Themenfelder der NBS
B 1.2.1 Wälder,
C 6 Land- und Forstwirtschaft
Zielwert
80 % der Waldfläche trägt bis zum Jahr 2010 ein Siegel, das nach hochwertigen
ökologischen Standards zertifiziert.
Definition
Anteil der nach PEFC bzw. FSC zertifizierten Waldflächen an der gesamten
Waldfläche
Kernaussage
Im Jahr 2009 waren 69 % der Waldfläche nach PEFC und 4 % der
Waldfläche nach FSC zertifiziert. Der Gesamtwert liegt in der Nähe des
Zielbereiches. Um das Ziel von 80 % zu erreichen, bedarf es weiterer
Zertifizierungen nach hochwertigen ökologischen Standards.
65
2.4
Klimawandel
Der Klimawandel bringt Gletscher zum Schmelzen und beeinflusst die biologische Vielfalt.
66
Klimawandel und Frühlingsbeginn
Aufgrund des Klimawandels sind Veränderungen der biologischen
Vielfalt nicht nur weltweit, sondern auch in Deutschland zu erwarten. Hiervon können die Verbreitung und Häufigkeit von Pflanzen
und Tieren, die Zusammensetzung von Lebensgemeinschaften sowie
Strukturen und Funktionen von Lebensräumen betroffen sein. Bereits
heute belegen statistische Auswertungen Zusammenhänge zwischen
dem Klimawandel und Veränderungen der Vorkommen von Arten in
Deutschland.
Die Entwicklung vieler Organismen wird weniger durch kurzfristige
Temperaturänderungen beeinflusst, als vielmehr durch den TemApfelblüte
peraturverlauf über lange Zeitspannen hinweg – etwa Monate oder
Jahre. Deshalb ist die Erfassung des jahreszeitlichen Entwicklungsganges von
Pflanzen und Tieren durch sogenannte phänologische Beobachtungen dazu
geeignet, langfristige Auswirkungen des Klimawandels auf die biologische
Vielfalt aufzuzeigen. Dabei sind die Auswirkungen der Klimaerwärmung auf
Tiere und Pflanzen sowie deren Lebensgemeinschaften im Einzelnen komplex
und bisher erst in Ansätzen geklärt. Während z. B. bestimmte Vogelarten
infolge kürzerer Winter einen erhöhten Bruterfolg zeigen und somit vom
Klimawandel profitieren, können sich phänologische Verschiebungen bei
Pflanzenarten und deren Bestäubern oder in Räuber-Beute-Beziehungen auch
negativ auf die Bestandsentwicklung der beteiligten Arten auswirken.
Das phänologische Beobachtungsprogramm des Deutschen Wetterdienstes
(DWD) umfasst zahlreiche Zeigerpflanzen, für die Datenreihen zum Teil seit
1951 vorliegen. Damit werden phänologische Verschiebungen bundesweit
präzise dokumentiert. Für Aussagen zu Auswirkungen der Klimaerwärmung
eignet sich insbesondere die phänologische Bestimmung des Beginns des
Frühlings. Da zu dieser Jahreszeit die Lufttemperatur eine hohe Variabilität
zeigt und in der Regel noch weit unterhalb optimaler Bedingungen für Pflanzen liegt, führen steigende Temperaturen zu einer messbar beschleunigten
Pflanzenentwicklung.
Die Apfelblüte markiert den Beginn des phänologischen Vollfrühlings und
kann zuverlässig und standardisiert erfasst werden. Die Entwicklung der
Apfelbäume im Frühling steht dabei stellvertretend für die Entwicklung
zahlreicher weiterer Arten, die in ähnlicher Weise auf Veränderungen des
Klimas am Beginn des Frühlings reagieren.
Der Indikator „Klimawandel und Frühlingsbeginn“ stellt die zeitliche Verschiebung des Beginns der Apfelblüte (Beginn des phänologischen Vollfrühlings) in
Deutschland dar.
Der Indikator gibt Auskunft über
die Verschiebung des phänologischen Frühlingsbeginns in Folge
des Klimawandels.
Der Klimawandel und die damit
verbundene Erderwärmung
wirken sich nicht nur auf den
jahreszeitlichen Ablauf der
Lebensvorgänge von Tieren und
Pflanzen, auf deren Verbreitung
und Wachstumsgeschwindigkeit
sowie auf das Verhalten von
Tieren aus. Sie sind auch eine
Ursache für den Verlust an
biologischer Vielfalt
(BMU 2007: 81).
Indikator
Als ein ambitioniertes Ziel zum Schutz des Klimas gilt eine Begrenzung der
weltweiten Erwärmung der Erdatmosphäre auf höchstens 2 Grad gegenüber
dem vorindustriellen Wert. Daraus kann kein konkreter Zielwert für den vorliegenden Indikator abgeleitet werden. Allerdings ist grundsätzlich anzustreben, einer weiteren Verfrühung des Beginns des phänologischen Vollfrühlings
durch eine konsequente Klimaschutzpolitik entgegenzuwirken.
Der Blütezeitpunkt von Apfelbäumen wird jährlich an ca. 1.200 Aufnahmepunkten in ganz Deutschland erfasst. Die zugehörigen Daten sammelt der
Deutsche Wetterdienst (DWD). Der Beginn der Apfelblüte wird in Tagen seit
Jahresbeginn bis zum Tag des Einsetzens der Blüte angegeben. Aus den an
den DWD gelieferten Meldungen ergibt sich durch eine Mittelwertbildung ein
deutschlandweiter Jahreswert. Zusätzlich werden sowohl eine lineare Trendlinie über den gesamten berichteten Zeitraum von 1951 bis 2009 als auch ein
gleitendes Zehnjahresmittel dargestellt.
Aufbau
67
Beginn der Apfelblüte
in Deutschland
Abweichung des Jahres 2007
vom langjährigen Mittel 1971-2000
68
Komponenten der
biologischen Vielfalt
Siedlung und Verkehr
Wirtschaftliche
Nutzungen
Klimawandel
Die Apfelblüte zeigt über die Jahre hinweg eine starke Variabilität des Eintrittsdatums. Das Datum schwankt zwischen dem 19. April (Tag 109) und dem
19. Mai (Tag 139). Der früheste Blühtermin liegt in den Jahren 1960, 1990 und
2007, der späteste im Jahr 1970. Im Jahr 2007 bedeutete dies, dass in weiten
Teilen Deutschlands die Apfelblüte mehr als zwei Wochen früher, in einzelnen
Gebieten sogar mehr als drei Wochen früher begann als im langjährigen
Mittel von 1971 bis 2000 (siehe Karte). Der phänologische Frühlingsbeginn
im Jahr 2009 fiel auf den 20. April und lag damit nur einen Tag nach dem
frühesten Blütebeginn im gesamten Bilanzierungszeitraum.
Gesellschaftliches
Bewusstsein
Aussage
Das gleitende Zehnjahresmittel zeigt bis Ende der 1980er Jahre steigende
Tendenzen und weist auf eine Verspätung des Frühlingsbeginns hin. Diese
Tendenz kehrt sich allerdings ungefähr im Jahr 1987 um. Ein abfallender
Trend belegt seitdem eine deutliche Verfrühung. Auch für den gesamten 59
Jahre umfassenden Beobachtungszeitraum von 1951 bis 2009 ist ein Trend zu
einem früheren Eintrittsdatum zu erkennen. Dabei verfrühte sich während
der letzten 50 Jahre der Frühlingsbeginn im Mittel um 1,66 Tage pro Dekade.
Dieser Trend wird von anderen Untersuchungen bestätigt, die beim Einsetzen
des Blattaustriebes, der Blüte und der Fruchtreife verschiedener Pflanzen
einen Trend hin zu einem früheren Zeitpunkt im Jahresverlauf zeigen. Die
signifikante Verfrühung des phänologischen Frühlingsbeginns spiegelt den
Anstieg der gemessenen Temperaturen in Deutschland während dieser
Jahreszeit wider.
Klimawandel und Frühlingsbeginn
Tage seit Jahresbeginn
Statistisch
signifikanter Trend
weg vom Ziel
140
130
120
Linearer Trend
20. April
110
100
1951
1960
1970
1980
1990
Themenfelder der NBS
B 3.2 Klimawandel
C 11 Biodiversität und Klimawandel
Definition
Der Indikator „Klimawandel und Frühlingsbeginn“ stellt die zeitliche
Verschiebung des Beginns der Apfelblüte (Beginn des phänologischen
Vollfrühlings) unter dem Einfluss der Klimaerwärmung dar.
2000
2009
Gleitendes
Zehnjahresmittel
Grafik: BfN (2010),
Daten: DWD (2009)
Qualitätsziel
Es ist grundsätzlich anzustreben, einer weiteren Verfrühung des Beginns
des phänologischen Vollfrühlings durch Maßnahmen zum Klimaschutz
entgegenzuwirken.
Kernaussage
Seit dem Ende der 1980er Jahre zeigt sich eine deutliche Verfrühung
des Beginns des phänologischen Vollfrühlings. Dieser Termin fiel im Jahr
2009 auf den 20. April und lag damit nur einen Tag nach dem frühesten
Blütebeginn im Bilanzierungszeitraum von 1951 bis 2009.
69
2.5
Gesellschaftliches
Bewusstsein
Nur durch eine gemeinsame gesellschaftliche Anstrengung kann der Verlust der biologischen Vielfalt gestoppt werden.
70
Bewusstsein für biologische Vielfalt
Um die biologische Vielfalt dauerhaft
zu erhalten, bedarf es nicht nur großer
Anstrengungen staatlicher Akteure,
sondern auch einer breiten Zustimmung
und Mitwirkung in der Gesellschaft. Alle
Menschen in Deutschland sollten um die
Bedeutung der biologischen Vielfalt als
Lebensgrundlage heutiger und künftiger
Generationen wissen. Weiterhin sollte sich
jeder Einzelne aus diesem Wissen heraus
für die Erhaltung der biologischen Vielfalt
persönlich verantwortlich fühlen und sein
Handeln entsprechend ausrichten.
Sowohl das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Convention on Biological
Diversity, CBD) als auch die Nationale
Strategie zur biologischen Vielfalt betonen
die große Bedeutung von Aufklärung und
Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit.
So heißt es in Artikel 13 der CBD: „Die
Haussperling (Passer domesticus)
Vertragsparteien […] fördern und begünstigen das Bewusstsein für die Bedeutung der
Erhaltung der biologischen Vielfalt und die dafür notwendigen Maßnahmen
sowie die Verbreitung dieser Thematik durch die Medien und ihre Einbeziehung in Bildungsprogramme […]“. In der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt stellt die Bundesregierung fest: „Aktivitäten zur Erhaltung der
biologischen Vielfalt benötigen gesellschaftliche Unterstützung. Dazu bedarf
es handlungsorientierten Lernens sowohl im Bildungsbereich als auch in allen
anderen Bereichen des Lebens“ (BMU 2007: 61).
Der Indikator bildet das Bewusstsein der deutschsprachigen Wohnbevölkerung über 18 Jahre in Bezug auf die biologische Vielfalt ab und besteht aus
drei Teilindikatoren. Beim Wissensindikator geht es um die Bekanntheit des
Begriffes „biologische Vielfalt“ und um die Kenntnis von dessen Bedeutung.
Der Einstellungsindikator beleuchtet die Wertschätzung der befragten
Personen für die biologische Vielfalt. Der Verhaltensindikator erfasst die
Verhaltensbereitschaft der befragten Personen in verschiedenen Handlungsbereichen (u. a. beim Konsumverhalten), die für die Erhaltung der biologischen
Vielfalt relevant sind.
In der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt hat sich die Bundesregierung als Ziel gesetzt, dass bis zum Jahr 2015 für mindestens 75 % der
Bevölkerung die Erhaltung der biologischen Vielfalt zu den prioritären
gesellschaftlichen Aufgaben zählt. Die Bedeutung der biologischen Vielfalt
soll fest im gesellschaftlichen Bewusstsein verankert und das Handeln der
Menschen zunehmend daran ausgerichtet sein.
Die Datenbasis des Indikators sind regelmäßig durchzuführende repräsentative Bevölkerungsumfragen. Diese sind entweder in die Naturbewusstseins­
studien des Bundesamtes für Naturschutz oder die Umweltbewusstseinsstudien
des Umweltbundesamtes integriert oder sind Teil einer Mehrthemenumfrage
eines Sozialforschungsinstituts. Die Zahl der befragten Personen beträgt
mindestens 1.000, wenn möglich 2.000, um Teilgruppen wie etwa Personen
mit hoher und niedriger formaler Bildung bezüglich ihres Bewusstseins
vergleichen zu können. Die erste umfassende Naturbewusstseinsstudie wurde
im Jahr 2009 durchgeführt (BMU & BfN 2010).
Der Indikator bilanziert das
Bewusstsein der Bevölkerung
in Bezug auf die biologische
Vielfalt.
Indikator
„Im Jahre 2015 zählt für mindestens 75 % der Bevölkerung
die Erhaltung der biologischen
Vielfalt zu den prioritären
gesellschaftlichen Aufgaben.“
(BMU 2007: 60)
Aufbau
71
Naturerlebnisse stärken das Bewusstsein für biologische Vielfalt.
Folgende, auf den Zielen und
Maßnahmen der Nationalen
Strategie zur biologischen
Vielfalt basierende Empfehlungen zur Verbesserung des
Bewusstseins über biologische
Vielfalt sollten zeitnah
verwirklicht werden:
• Die Bedeutung von Schutz
und naturverträglicher
Nutzung der biologischen
Vielfalt ist als wichtiges
Bildungsthema in stärkerem
Maße als bisher zu verankern. Um einen möglichst
großen Teil der Bevölkerung
zu erreichen, müssen
in den verschiedensten
Bildungseinrichtungen
entsprechende Angebote
zielgruppengerecht und
an der Lebenswirklichkeit
der Menschen orientiert
ausgebaut werden.
• Die Vermittlung des Wertes
der biologischen Vielfalt
muss über die gesamte
Breite moderner Kommunikationswege zielgruppenspezifisch vorangebracht
werden.
Das Fragenset zur Datenerhebung besteht aus zwei Fragen zum Wissen,
sieben Fragen zu Einstellungen und sechs Fragen zur Verhaltensbereitschaft.
Es werden zunächst die drei Teilindikatoren gesondert berechnet. Dabei
entspricht die Höhe eines Teilindikators jeweils dem Prozentanteil an Personen, deren Antworten im Sinne der Ziele der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt zur Bewusstseinsbildung als ausreichend oder besser gewertet
wurden. Schließlich wird ein Gesamtindikator gebildet, der angibt, wie viel
Prozent der befragten Personen die Anforderungen in allen drei Teilbereichen
erfüllen, d. h. ein mindestens ausreichendes Bewusstsein in Bezug auf die
biologische Vielfalt haben. Aufgrund dieser Konstruktion kann der Wert
des Gesamtindikators maximal so hoch sein wie der Wert des niedrigsten
Teilindikators.
Aussage
72
Im Jahr 2009 haben 22 % der deutschsprachigen Wohnbevölkerung über
18 Jahre ein mindestens ausreichendes Wissen sowie eine positive Einstellung
bezüglich der biologischen Vielfalt und äußern zugleich eine entsprechende
Verhaltensbereitschaft. Damit liegt der Wert des Gesamtindikators noch sehr
weit vom Zielwert von 75 % entfernt. Da die Umfragen im Jahr 2009 erstmals
durchgeführt wurden, ist bisher kein Vergleich mit früheren Ergebnissen
möglich.
Komponenten der
biologischen Vielfalt
Siedlung und Verkehr
Wirtschaftliche
Nutzungen
Klimawandel
Gesellschaftliches
Bewusstsein
Betrachtet man die einzelnen Teilindikatoren getrennt, so zeigt sich ein differenziertes Bild. Von den Befragten kennen 42 % den Begriff der biologischen
Vielfalt (Wissensindikator). Die meisten aus dieser Gruppe verbinden damit
zumindest die Artenvielfalt, nur wenige auch die Vielfalt der Lebensräume/
Ökosysteme oder die genetische Vielfalt. Bei 54 % der Befragten sind die
Einstellungen bezüglich biologischer Vielfalt positiv (Einstellungsindikator),
und 50 % sind bereit, ihr Verhalten an der Erhaltung der biologischen Vielfalt
auszurichten (Verhaltensindikator).
Im Vergleich der Teilindikatoren schneidet der Wissensindikator am schlechtesten ab, aber auch die beiden anderen Teilindikatoren liegen noch weit vom
gesetzten Zielwert entfernt. Es besteht also auf allen drei Ebenen der Bewusstseinsbildung die Notwendigkeit, geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Dabei
sollten sich Programme zur Aufklärung und Bildung an unterschiedlichen
Zielgruppen orientieren und deren besondere Bedürfnisse und Interessen in
differenzierter Weise aufnehmen. Die Nationale Strategie zur biologischen
Vielfalt enthält zahlreiche Maßnahmen in Hinblick auf gesellschaftliches Bewusstsein, Bildung und Information, deren konsequente Umsetzung zu einer
Verbesserung des Bewusstseins über die biologische Vielfalt beitragen soll.
Bewusstsein für biologische Vielfalt
Anteil der deutschsprachigen Wohnbevölkerung mit mindestens ausreichendem Bewusstsein
in Bezug auf die biologische Vielfalt in %
Der aktuelle Wert liegt
noch sehr weit vom
Zielbereich entfernt.
100
Zielwert von 75 %
im Jahr 2015
80
60
40
20
0
22
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
Grafik: BfN (2010),
Daten: BMU/BfN (2009)
Themenfelder der NBS
B 5 Gesellschaftliches Bewusstsein,
C 14 Bildung und Information
Zielwert
Bis zum Jahr 2015 zählt für mindestens 75 % der Bevölkerung die Erhaltung
der biologischen Vielfalt zu den prioritären gesellschaftlichen Aufgaben.
Definition
Der Indikator bildet das Bewusstsein der deutschsprachigen Wohnbevölkerung über 18 Jahre in Bezug auf die biologische Vielfalt in drei Teilbereichen ab: dem Wissen, der Einstellung und der Verhaltensbereitschaft.
Kernaussage
Im Jahr 2009 haben 22 % der Bevölkerung ein mindestens ausreichendes Bewusstsein für die biologische Vielfalt. Da der aktuelle Wert noch sehr weit vom
Zielwert entfernt liegt, muss die Bedeutung biologischer Vielfalt verstärkt
zielgruppengerecht vermittelt werden.
73
3
Gesamtbilanz
Die wichtigsten Informationen zu den 19 Indikatoren der Nationalen Strategie
zur biologischen Vielfalt werden im Indikatorenspiegel auf den folgenden
Seiten noch einmal in einer Übersicht dargestellt. Die Indikatoren sind dabei
den fünf Themenfeldern „Komponenten der biologischen Vielfalt“, „Siedlung
und Verkehr“, „Wirtschaftliche Nutzungen“, „Klimawandel“ und „Gesellschaftliches Bewusstsein“ zugeordnet. Zu jedem Indikator finden sich Angaben zur
gemessenen oder beobachteten Größe, zum letzten berichteten Wert, zum
Ziel/Zielwert sowie zu Status (Grad der Zielerreichung) und Trend. Nähere
Ausführungen zur Ermittlung von Status und Trend der Indikatoren sowie
eine Erklärung der Symbole finden sich in der Einleitung zu Kap. 2 und in der
Legende zum Indikatorenspiegel.
Als weitere Informationen enthält die Übersicht Angaben zur Verwendung
der Indikatoren in anderen Indikatorensystemen. In der letzten Spalte steht
die Kernaussage des Indikators. Diese fasst kurz die Entwicklung des Indikators und den Handlungsbedarf für das Themenfeld zusammen.
Quantitative Zielwerte wurden bei insgesamt 12 Indikatoren festgelegt. Die
Statusangaben zeigen bei sechs dieser Indikatoren einen geringen Zielerreichungsgrad zwischen 50 % und weniger als 80 % (-) und bei fünf weiteren
dieser Indikatoren einen sehr geringen Zielerreichungsgrad von weniger als
50 % (--). Das bedeutet, dass die zuletzt bilanzierten Werte noch weit bzw.
sehr weit vom jeweiligen Zielwert entfernt sind. Beim Indikator „Nachhaltige
Forstwirtschaft“ liegt der aktuelle Wert in der Nähe des Zielbereiches (+).
74
Eine statistische Trendanalyse konnte bei insgesamt sieben Indikatoren
durchgeführt werden. Statistisch signifikant in Richtung auf das Ziel bzw. den
Zielwert ( ) entwickeln sich fünf Indikatoren: Gebietsschutz, Flächeninanspruchnahme, Ökologischer Landbau, Stickstoffüberschuss der Landwirtschaft
und Nachhaltige Forstwirtschaft. Nur beim Indikator „Klimawandel und
Frühlingsbeginn“ ist der Trend signifikant negativ ( ): Der Klimawandel
verursacht eine fortschreitende Verfrühung des Beginns des phänologischen
Vollfrühlings. Für den Indikator „Artenvielfalt und Landschaftsqualität“ liefert
die Trendanalyse keinen statistisch eindeutigen Trend ( ). Die Entwicklung der
bilanzierten Werte ist hier über die letzten 10 Jahre in etwa gleichbleibend. Bei
zwölf Indikatoren lässt sich aus methodischen Gründen keine statistische Trendberechnung durchführen, da zu wenige Datenpunkte zur Verfügung stehen.
~
Die Zielwerte der Indikatoren „Stickstoffüberschuss der Landwirtschaft“ und
„Nachhaltige Forstwirtschaft“ beziehen sich auf das Jahr 2010. Diese Werte
können bis Ende 2010 nicht mehr erreicht werden. Die anderen Zielwerte
gelten, soweit sie an ein bestimmtes Zieljahr geknüpft sind, für die Jahre
2015 oder 2020. Auch wenn bis dahin noch einige Jahre Zeit bleiben, wird
an dem starken Auseinanderklaffen der aktuellen Werte und der Zielwerte
deutlich, dass die gesetzten Ziele nur unter sehr großen Anstrengungen
erreicht werden können. Sehr geringe Zielerreichungsgrade zeigen sich beim
ökologischen Gewässerzustand, bei der Flächeninanspruchnahme, bei den
eutrophierenden Stickstoffeinträgen und beim Bewusstsein für biologische
Vielfalt. Ähnliches gilt für den ökologischen Landbau, für den es jedoch kein
konkretes Zieljahr gibt. Bei der Flächeninanspruchnahme und beim ökologischen Landbau lässt sich allerdings ein statistisch signifikanter Trend in
Richtung auf den Zielwert feststellen.
Insbesondere die Zustandsindikatoren verdeutlichen, dass das 2010-Ziel der
CBD, den Verlust an biologischer Vielfalt signifikant zu reduzieren, bzw. das
weitergehende 2010-Ziel der EU, den Verlust ganz zu stoppen, in Deutschland
bis Ende des Jahres 2010 nicht erreicht werden kann. Auch in der gesamten
EU wird dieses Ziel trotz erheblicher Anstrengungen verfehlt werden.
Es ist noch ein weiter Weg zu gehen, um den Verlust an biologischer Vielfalt zu stoppen.
75
Die Erhaltung der biologischen Vielfalt bleibt für Deutschland auch in der
Zeit nach 2010 eine zentrale Zukunftsaufgabe. Um hier signifikante Verbesserungen zu erzielen, ist eine konsequente Umsetzung der im Jahre 2007 beschlossenen Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt erforderlich. Viele
der über 400 Maßnahmen in den Aktionsfeldern der Strategie wurden bereits
in Angriff genommen. Positive Wirkungen werden sich allerdings aufgrund
langer Zeiträume, welche die Bestände von Tier- und Pflanzenarten sowie
Biotope für eine Regeneration benötigen, erst mit erheblicher Verzögerung
in den bilanzierten Werten der Indikatoren niederschlagen. Hinzu kommen
bei einigen Indikatoren längere Zeitintervalle für eine Aktualisierung der
zugrunde liegenden Daten.
Elbe bei Breitenhagen
76
Indikatorenspiegel
Legende zum Status
++
+
--
Zielerreichungsgrad
≥ 90 %
Der aktuelle Wert liegt innerhalb des Zielbereiches.
Zielerreichungsgrad
80 % bis < 90 %
Der aktuelle Wert liegt in der Nähe des Zielbereiches.
Zielerreichungsgrad
50 % bis < 80 %
Der aktuelle Wert liegt noch weit vom Zielbereich entfernt.
Zielerreichungsgrad
< 50 %
Der aktuelle Wert liegt noch sehr weit vom Zielbereich entfernt.
Legende zum Trend
Statistisch signifikanter Trend hin zum Ziel bzw. Zielwert
~
Kein statistisch signifikanter Trend feststellbar
(keine Signifikanz für ansteigenden oder abfallenden Trend)
Statistisch signifikanter Trend weg vom Ziel bzw. Zielwert
Legende zu den Indikatorensystemen
SEBI
Streamlining European Biodiversity Indicators
NHS
Nationale Nachhaltigkeitsstrategie
KIS
Kernindikatorensystem Umwelt
LIKI
Länderinitiative Kernindikatoren (umweltbezogene Nachhaltigkeitsindikatoren)
Einzelne Indikatoren wurden aus bestehenden Indikatorensystemen ggf. in modifizierter Form übernommen.
77
Indikatorenspiegel
Indikator
Gemessene oder beobachtete Größe
Letzter
berichteter
Wert
Ziel/
Zielwert
Komponenten der biologischen Vielfalt
Artenvielfalt und
Landschaftsqualität
Index (Maßzahl in %) über die bundesweiten Bestandsgrößen von 59 repräsentativen Vogelarten in
sechs Hauptlebensraum- und Landschaftstypen
69 %
(Stand:
2008)
100 %
im Jahr 2015
Gefährdete Arten
Index (Maßzahl in %) über die Einstufung von Arten
ausgewählter Artengruppen in die Rote-Liste-Kategorien bundesweiter Roter Listen
23 %
(Stand:
2009)
16 %
im Jahr 2020
Erhaltungszustand der
FFH-Lebensräume und
FFH-Arten
Index (Maßzahl in %) über die Bewertungen des
Erhaltungszustands der Lebensraumtypen des An48 %
hangs I und der Arten der Anhänge II, IV und V der
(Stand:
FFH-Richtlinie in den biogeographischen Regionen
2001-2006)
in Deutschland
Invasive Arten
Anzahl der Arten der Schwarzen Liste invasiver
Arten getrennt nach der Aktions- und der Managementliste
Gebietsschutz
80 %
im Jahr 2020
6/40 Arten
(Stand:
2010)
Keine weitere
Zunahme der
gelisteten Arten
Flächenanteil streng geschützter Gebiete (Naturschutzgebiete, Nationalparke) an der Landfläche
Deutschlands
4,1 %
(Stand:
2008)
–
Ökologischer
Gewässerzustand
Anteil der Wasserkörper der Flüsse, Bäche, Seen,
Übergangs- und Küstengewässer, die sich in einem
guten oder sehr guten ökologischen Zustand befinden, an der Gesamtanzahl aller bewerteten Wasserkörper
10 %
(Stand:
2009)
100 %
im Jahr 2015
Zustand der
Flussauen
Index (Maßzahl in %) über die Bewertungen des
Auenzustands von 79 im Auenzustandsbericht erfassten Flussauen
19 %
(Stand:
2009)
29 %
im Jahr 2020
Flächeninanspruch­nahme
Durchschnittliche Zunahme der Siedlungs- und
Verkehrsfläche in ha pro Tag (gleitendes Vierjahresmittel)
94 ha
(Stand:
2009)
30 ha
im Jahr 2020
Landschafts­zerschneidung
Flächenanteil unzerschnittener verkehrsarmer Räume ≥ 100 km² (UZVR) an der Landfläche Deutschlands und effektive Maschenweite (Meff)
25,4 %
(Stand:
2005)
Keine Veränderung gegenüber
2005
Siedlung und Verkehr
78
Status
Trend
Indikatorensystem
Kernaussage
- ~
Die Indikatorwerte liegen nach wie vor weit vom Zielwert entfernt. Einzig der Teilindikator für die Wälder liegt knapp über 80 % und damit in der Nähe des Zielbereiches.
NHS, KIS,
Bei gleich bleibender Entwicklung kann das Ziel von 100 % im Jahr 2015 nicht ohne
LIKI, SEBI
erhebliche zusätzliche Anstrengungen von Bund, Ländern und auf kommunaler Ebene
in möglichst allen betroffenen Politikfeldern erreicht werden.
-
–
KIS, SEBI
-
–
SEBI
Für die letzte Berichtsperiode (2001-2006) beträgt der Indikatorwert 48 %. Er liegt noch
weit vom Zielwert entfernt. Bei einem Großteil der Schutzgüter sind daher erhebliche
Anstrengungen erforderlich, um deren Erhaltungszustand zu verbessern.
–
–
KIS, SEBI
In 2010 gefährden 40 Arten der vorläufigen Managementliste der Schwarzen Liste invasiver Arten die biologische Vielfalt. Gegen sechs Arten der vorläufigen Aktionsliste sind
Sofortmaßnahmen zu ergreifen.
Für das Jahr 2009 beträgt der vorläufig nur für die Gruppe der Wirbeltiere (ohne die
Meeresfische) berechnete Indikatorwert 23 %. Um den Zielwert von 16 % bis 2020 zu
erreichen, sind große Anstrengungen im Artenschutz notwendig.
KIS, LIKI, Der Flächenanteil streng geschützter Gebiete ist von 2000 bis 2008 von 3,2 % auf 4,1 %
SEBI
der Landfläche Deutschlands gestiegen.
–
--
–
-
–
Nur 10 % der Wasserkörper befanden sich im Jahr 2009 in einem guten oder sehr guten
LIKI, SEBI ökologischen Zustand. Die häufigsten Ursachen für Beeinträchtigungen sind Veränderungen der Gewässerstruktur und hohe Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft.
–
Die größeren Flussauen in Deutschland sind insgesamt stark beeinträchtigt (Indikatorwert im Jahr 2009 beträgt 19 %). Um die biologische Vielfalt in Flussauen zu schützen
und zu entwickeln, bedarf es auch künftig großer Anstrengungen.
--
Das gleitende Vierjahresmittel ist von 129 ha pro Tag im Jahr 2000 auf 94 ha pro Tag
NHS, KIS, im Jahr 2009 gesunken. Trotz des positiven Trends ist der aktuelle Wert noch sehr weit
LIKI
vom Zielwert entfernt. Daher müssen Instrumente zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme gestärkt und konsequent angewandt werden.
–
Der Flächenanteil der UZVR ≥ 100 km² ist zwischen 2000 und 2005 von 26,5 % auf
KIS, LIKI, 25,4 % gesunken, die effektive Maschenweite (Meff) von 84 km² auf 81 km². Künftig soll
SEBI
der Schwerpunkt der Investitionen auf das Netz bestehender Verkehrsachsen gelegt
werden.
–
79
Gemessene oder beobachtete Größe
Letzter
berichteter
Wert
Ziel/
Zielwert
Agrarumwelt­maßnahmen
Gesamtfläche der durch Agrarumweltmaßnahmen
geförderten Flächen und Höhe der dafür gewährten
Finanzmittel
4,8 Mio. ha
603 Mio. €
(Stand:
2007)
–
Ökologischer Landbau
Anteil der Flächen mit ökologischem Landbau an
der landwirtschaftlich genutzten Fläche
5,6 %
(Stand:
2009)
20 %
ohne Zieljahr
Landwirtschafts­flächen
mit hohem Naturwert
Anteil der Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert (HNV Farmland, High Nature Value Farmland)
an der gesamten Landwirtschaftsfläche
13,0 %
(Stand:
2009)
19 %
im Jahr 2015
Genetische Vielfalt
in der Landwirtschaft
Prozentualer Anteil gefährdeter einheimischer
Nutztierrassen der Pferde, Rinder, Schweine, Schafe
und Ziegen
83 %
(Stand:
2010)
Verringe­rung der
Gefährdung der
Nutztierrassen
Gentechnik in der
Landwirtschaft
Für den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen
(GVP) gemeldete Flächen
0 ha
(Stand:
2009)
–
Stickstoffüberschuss
der Landwirtschaft
Differenz zwischen Stickstoffflüssen in die Landwirtschaft und Stickstoffflüssen aus der Landwirtschaft
(Gesamtbilanz)
105 kg/ha*a
(Stand:
2007)
80 kg/ha*a im
Jahr 2010
Eutrophierende
Stickstoffeinträge
Flächenanteil ohne Überschreitungen ökosystemspezifischer Belastungsgrenzen für eutrophierende
Stickstoffeinträge (Critical Loads of Nutrient Nitrogen)
4,3 %
(Stand:
2004)
100 %
im Jahr 2020
Nachhaltige
Forstwirtschaft
Anteil der nach PEFC bzw. FSC zertifizierten Waldflächen an der gesamten Waldfläche
69 % / 4 %
(Stand:
2009)
80 %
im Jahr 2010
Verschiebung des Beginns der Apfelblüte infolge
des Klimawandels (deutschlandweiter Mittelwert
des Termins für den Beginn der Apfelblüte)
20. April
(Stand:
2009)
Keine weitere
Verfrühung des
Beginns des
phänologischen
Vollfrühlings
22 %
(Stand:
2009)
75 %
im Jahr 2015
Indikator
Wirtschaftliche Nutzungen
Klimawandel
Klimawandel und
Frühlingsbeginn
Gesellschaftliches Bewusstsein
Bewusstsein für
biologische Vielfalt
80
Anteil der deutschsprachigen Wohnbevölkerung
über 18 Jahre, der in Bezug auf die biologische
Vielfalt in den drei Teilbereichen „Wissen“, „Einstellung“ und „Verhaltensbereitschaft“ bestimmte
Mindestanforderungen erfüllt
Status
–
Trend
–
Indikatorensystem
Kernaussage
KIS
Nach einem leichten Anstieg während der vergangenen Förderperiode zeichnet sich in
der aktuellen Förderperiode ein Rückgang der Fördermittel ab. Künftig muss die Förderung verstärkt auf den Schutz und die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt
ausgerichtet werden.
Zwar nehmen die Flächen mit ökologischem Landbau kontinuierlich zu (5,6 % Flächenanteil
NHS, KIS, im Jahr 2009). Das 20 %-Ziel ist jedoch bei weitem noch nicht erreicht. Es ist beabsichtigt, die
LIKI, SEBI Rahmenbedingungen für den Umstieg auf den ökologischen Landbau so zu gestalten, dass
in den nächsten Jahren die Fläche des ökologischen Landbaus auf 20 % der LF steigen kann.
--
–
SEBI
Im Jahr 2009 betrug der Anteil der Landwirtschaftsflächen mit äußerst hohem Naturwert 2,2 %, mit sehr hohem Naturwert 4,5 % und mit mäßig hohem Naturwert 6,3 %
(HNV-Farmland-Flächen mit einem Gesamtanteil von 13,0 %). Um das Ziel bis zum Jahr
2015 zu erreichen, müssen gezielt Maßnahmen zur Förderung der biologischen Vielfalt
in der Agrarlandschaft ergriffen werden.
–
–
SEBI
Der Anteil gefährdeter einheimischer Rassen (BEO, ERH, PERH) ist im Jahr 2010 mit
etwas mehr als 83 % sehr hoch. Es müssen gezielt Maßnahmen zur Verringerung der
Gefährdungssituation ergriffen werden.
–
–
KIS, LIKI
-+
Von 1991 bis 2007 ist der Stickstoffüberschuss von 132 kg/ha und Jahr auf 105 kg/ha
NHS, KIS,
und Jahr gesunken (gleitendes Dreijahresmittel). Der aktuelle Wert liegt noch weit über
LIKI, SEBI
dem angestrebten Zielwert von 80 kg/ha und Jahr.
–
KIS, SEBI
Im Jahr 2004 wurden nur auf 4,3 % der bewerteten Flächen empfindlicher Ökosysteme die
Belastungsgrenzen eingehalten. Während luftgetragene Stickstoffeinträge aus Verkehr und
Industrie von 1990 bis 2004 abgenommen haben, weisen die Ammoniakemissionen und
daraus folgende Stickstoffeinträge aus der Landwirtschaft bislang keinen Abwärtstrend auf.
KIS
Im Jahr 2009 waren 69 % der Waldfläche nach PEFC und 4 % der Waldfläche nach FSC
zertifiziert. Der Gesamtwert liegt in der Nähe des Zielbereiches. Um das Ziel von 80 % zu
erreichen, bedarf es weiterer Zertifizierungen nach hochwertigen ökologischen Standards.
KIS, LIKI
–
--
Nach kontinuierlichem Zuwachs in den Jahren 2005 bis 2008 sind die GVP-Anbauflächen im Jahr 2009 aufgrund des Ruhens der Zulassung von Bt-Mais der Sorte MON 810
wieder auf Null gesunken.
–
SEBI
Seit dem Ende der 1980er Jahre zeigt sich eine deutliche Verfrühung des Beginns des
phänologischen Vollfrühlings. Dieser Termin fiel im Jahr 2009 auf den 20. April und
lag damit nur einen Tag nach dem frühesten Blütebeginn im Bilanzierungszeitraum
von 1951 bis 2009.
Im Jahr 2009 haben 22 % der Bevölkerung ein mindestens ausreichendes Bewusstsein
für die biologische Vielfalt. Da der aktuelle Wert noch sehr weit vom Zielwert entfernt
liegt, muss die Bedeutung biologischer Vielfalt verstärkt zielgruppengerecht vermittelt
werden.
81
4
Ausblick
Der Indikatorenspiegel zeigt auch, dass noch nicht alle Themenfelder
der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt in adäquater Form von
Indikatoren abgedeckt werden. Für die Themenbereiche „Zersiedelung der
Landschaft“ und „Nachhaltige Meeresfischerei“ befinden sich zwei weitere
Indikatoren in der konkreten Entwicklung. Die Bilanzierung dieser Indikatoren soll bei der Fortschreibung dieses Indikatorenberichts erfolgen.
Zersiedelung der Landschaft
Parallel zur Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsflächen erhöhte sich die
Zersiedelung der verbleibenden Landschaft. Dieser Prozess wird insbesondere
durch eine starke räumliche Streuung (Dispersion) neuer Siedlungsflächen
angetrieben. Da von Siedlungen störende Randeffekte (z. B. Lärm, Licht,
stoffliche Emissionen) ausgehen, muss bei Planungen künftig die Beeinträchtigung der biologischen Vielfalt auch durch die räumliche Struktur der
Siedlungstätigkeit stärker beachtet werden. Eine dispersere Siedlungsstruktur
führt aber nicht nur zu stärkeren Belastungen für die Landschaftsfunktionen,
sie bedeutet auch mehr Verkehrsaufkommen, höheren Energieverbrauch und
höhere Kosten für Bau und Erhaltung der Infrastruktur.
Effekte der Zersiedelung werden von dem im Kap. 2.2.1 dargestellten Indikator zur Flächeninanspruchnahme nicht erfasst. Wie in der Nationalen
Strategie zur biologischen Vielfalt vorgesehen, wird hierfür ein Indikator
entwickelt, der den Indikator zur Flächeninanspruchnahme ergänzen soll.
Der Indikator „Landschaftszersiedelung“ soll einen Bezug zwischen den
räumlichen Aspekten der Siedlungsentwicklung und deren Wirkungen auf
die biologische Vielfalt herstellen.
82
Nachhaltige Meeresfischerei
Eine nachhaltige, ökosystemgerechte Fischerei ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Erhaltung der biologischen Vielfalt in den deutschen Meeres­
gebieten. Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten haben sich auf dem
Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg 2002 verpflichtet,
die Fischbestände auf einem Stand zu erhalten oder bis zum Jahr 2015
auf einen Stand zurückzuführen, der einen höchstmöglichen Dauerertrag
(Maximum Sustainable Yield, MSY) der Fischerei sichert. Dies ist ein wichtiges
Teilziel auch für die Erreichung eines guten Umweltzustandes der Meere, den
die Mitglieder der EU in ihren Meeresgebieten in der 2008 verabschiedeten
Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie bis 2020 anstreben. Das Ziel ist hierbei eine
Erhöhung der Laicherbestandsbiomasse – also der Biomasse
aller Individuen eines Bestandes, die sich fortpflanzen. Ein
Bestand gilt erst dann als nachhaltig befischt, wenn die
Laicherbestandsbiomasse oberhalb und die fischereiliche
Sterblichkeit unterhalb des jeweiligen Grenzwertes für den
höchstmöglichen Dauerertrag liegen. Die Anpassung der
Fangmengen an die vorhandenen Ressourcen sichert einerseits die nachhaltige Nutzung der Fischbestände und verringert andererseits negative Auswirkungen der Fischerei auf
die biologische Vielfalt der Meere. In der Nord- und Ostsee
ist dies bei wichtigen fischereilich genutzten Beständen mit
einer Reduktion der aktuellen Fangmengen verbunden.
Der Indikator „Nachhaltige Meeresfischerei“ soll die Anzahl
nachhaltig befischter Bestände von Fisch-, Krebstier- und
Weichtierarten bilanzieren, deren Verbreitungsgebiet zumindest teilweise in den deutschen Meeresgebieten von Nordund Ostsee liegt. Bisher werden vom zuständigen Internationalen Rat für Meeresforschung (ICES) nur solche Bestände
analytisch bewertet, für die ausreichend Daten vorliegen. In
der Regel sind dies die Bestände, die eine hohe ökonomische
Bedeutung und entsprechende Fangmengen aufweisen.
Um die Aussagekraft des neu zu entwickelnden Indikators
gegenüber dem bisher verwendeten Indikator „Marine
Trophic Index“ auf eine breitere Basis zu stellen, sollen daher
künftig für möglichst alle kommerziell genutzten Bestände
analytische Bewertungen vorgenommen und Grenzwerte der
fischereilichen Sterblichkeit gemäß dem höchstmöglichen
Dauerertrag bestimmt werden. Die entsprechenden Referenzwerte für die einzelnen kommerziell genutzten Bestände
befinden sich zurzeit noch in der Abstimmung zwischen den
zuständigen Fachbehörden.
Heringsschwarm (Clupea harengus)
Die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt enthält darüber hinaus verschiedene weitere Themenbereiche wie z. B. Rohstoffabbau und Energieerzeugung sowie Armutsbekämpfung und Entwicklungszusammenarbeit, die bisher
noch gar nicht durch Indikatoren unterlegt sind. Auch die Auswirkungen des
Klimawandels auf die biologische Vielfalt werden allein durch den Indikator
„Klimawandel und Frühlingsbeginn“ noch nicht ausreichend erfasst.
Das in diesem Bericht vorgestellte Indikatorenset, das gegenüber dem Indikatorenset der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt von 2007 schon
eine Weiterentwicklung erfahren hat, ist somit nicht als abschließend anzusehen. Es muss auch künftig noch fortentwickelt werden, um die Aussagen über
die Wirksamkeit und die Erfolge der Strategie zu verbessern.
83
5
Literatur
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F.; Elbersen, B.; Eiden, G.; Godeschalk, F.; Jones, G.; McCracken, D.; Nieu­
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Münster-Hiltrup, 50. Jg., 573 S.
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„Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen
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Grundgesetz, Artikel 20 a
Diese Publikation ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit. Sie wird kostenlos abgegeben und ist nicht zum
Verkauf bestimmt. Gedruckt auf Recyclingpapier.
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