Indikatorenbericht 2010 zur Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt Der Indikatorenbericht 2010 zur Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt wurde vom Bundeskabinett am 17. November 2010 beschlossen. IMPRESSUM Herausgeber: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) Referat Öffentlichkeitsarbeit • 11055 Berlin E-Mail: [email protected] • Internet: www.bmu.de Redaktion: Ingelore Gödeke (BMU, Referat N I 1) Dr. Ulrich Sukopp, Melanie Neukirchen (BfN, Fachgebiet II 1.3) Fachliche Beratung: Werner Ackermann, Daniel Fuchs, Dr. Jens Sachteleben, Manuel Schweiger (PAN Planungsbüro für angewandten Naturschutz GmbH, München) Gestaltung: PAN Planungsbüro für angewandten Naturschutz GmbH, München Titelgestaltung: intention Werbeagentur GmbH, Bonn Druck: Schottenheim druck&werbung, Eichenau Photos: Titel: Marko König (links), Julius Kramer / Fotolia.com (rechts oben), intention.de (rechts unten); S. 5: Götz Ellwanger, S. 7: BeneA / photocase.com, S. 10: Günther Dotzler, S. 11: Andrew Howe / iStockphoto.com, S. 13: Martin Holze, S. 14 (oben + unten): Martin Holze, S. 14 (Mitte): ePole / photocase.com, S. 15 (oben): Photo-Beagle / photocase.com, S. 15 (unten): Hellfirez / photocase.com, S. 16: Kjetil Rodal / iStockphoto.com, S. 18: Günther Dotzler, S. 21: Pengo, S. 22: Ulrich Sukopp, S. 24: Gabriele Niclas, S. 25 (oben): Stefan Lehrke, S. 25 (unten): Ulrich Sukopp, S. 27: Torsten Rempt, S. 28: Valeriy Kirsanov / Fotolia.com, S. 30: Planungsbüro PAN GmbH, S. 31: Julius Kramer / Fotolia.com, S. 34: eyewave / Fotolia.com, S. 35: Rainer Sturm, S. 36: PeJo / Fotolia.com, S. 38: PhotoSuse / photocase.com, S. 39: Manjana / Fotolia.com, S. 40: dege, S. 42: Dariusz Paciorek / iStockphoto.com, S. 43: Amriphoto / iStockphoto.com, S. 44: Manuel Schweiger, S. 46: o-zero / photocase.com, S. 48: Ulrich Sukopp, S. 49: Planungsbüro PAN GmbH, S. 51: Ddxc, S. 52: Friedrich Böhringer, S. 54: Kurt Bouda, S. 56: *lahja* / photocase.com, S. 59: Kandis / photocase.com, S. 60: oli_ok / photocase.com, S. 63: Jos, S. 64: BMU / Brigitte Hiss, S. 66: rzihlman / photocase.com, S. 67: Ulrich Sukopp, S. 70: real-enrico / photocase.com, S. 71: Fotoline / photocase.com, S. 72: Manuel Schweiger, S. 75: danielschoenen / Fotolia.com, S. 76: Härtrich (transit) / BMU, S. 83: Ulrich Sukopp Stand: November 2010 1. Auflage: 2.500 Exemplare Inhalt 1 Einleitung 4 2 Indikatorenset der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt 8 2.1 2.5 Komponenten der biologischen Vielfalt Artenvielfalt und Landschaftsqualität Gefährdete Arten Erhaltungszustand der FFH-Lebensräume und FFH-Arten Invasive Arten Gebietsschutz Ökologischer Gewässerzustand Zustand der Flussauen Siedlung und Verkehr Flächeninanspruchnahme Landschaftszerschneidung Wirtschaftliche Nutzungen Agrarumweltmaßnahmen Ökologischer Landbau Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert Genetische Vielfalt in der Landwirtschaft Gentechnik in der Landwirtschaft Stickstoffüberschuss der Landwirtschaft Eutrophierende Stickstoffeinträge Nachhaltige Forstwirtschaft Klimawandel Klimawandel und Frühlingsbeginn Gesellschaftliches Bewusstsein Bewusstsein für biologische Vielfalt 10 11 16 18 21 24 27 30 34 35 38 42 43 46 48 51 54 56 59 63 66 67 70 71 3 Gesamtbilanz 74 4 Ausblick 82 5 Literatur 84 2.2 2.3 2.4 1 Einleitung Die biologische Vielfalt ist eine wesentliche Grundlage für das Leben und die Gesundheit der Menschen. Sie umfasst nicht nur den Reichtum an Arten bei Pflanzen, Tieren, Pilzen und Mikroorganismen, sondern auch die Vielfalt an Lebensräumen und die genetische Vielfalt. Die Erhaltung der biologischen Vielfalt durch Schutz und nachhaltige Nutzung sichert langfristig die Bedürfnisse der heutigen Generation und künftiger Generationen. Sie zählt neben dem Klimaschutz zu den großen Herausforderungen unserer Zeit. Auf der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung (UNCED) im Jahr 1992 hat die Weltgemeinschaft das UN-Über­einkommen über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD) verabschiedet mit dem Ziel, weltweit dem dramatischen Verlust an Arten, Lebensräumen und genetischer Diversität zu begegnen. Deutschland hat sich international mit Nachdruck für die Ziele der CBD eingesetzt und im Jahr 2007 die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt vorgelegt (BMU 2007). Die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt beinhaltet eine Vision für die Zukunft, die durch rund 330 Qualitäts- und Handlungsziele zu einer Vielzahl biodiversitätsrelevanter Themen konkretisiert wurde. Aus den Handlungszielen wurden in 16 Aktionsfeldern rund 430 konkrete Maßnahmen staatlicher und nicht-staatlicher Akteure abgeleitet. Deutschland hat damit eine anspruchsvolle ressortübergreifende nationale Strategie zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt entwickelt. Zur Umsetzung der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt wurde ein breit angelegter politischer und gesellschaftlicher Prozess gestartet, der staatliche wie nicht-staatliche Akteure einbezieht. Es wurden vielfältige Maßnahmen zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung unserer Natur- und Kulturlandschaften, der Artenvielfalt sowie der genetischen Ressourcen bei Pflanzen und Tieren einschließlich Wildpopulationen eingeleitet, u. a. Agrarumwelt- und Vertragsnaturschutzmaßnahmen. Dieser Umsetzungsprozess verlangt nach einer verlässlichen und transparenten Erfolgskontrolle. Dabei ist jedoch zu beachten, dass viele eingeleitete Maßnahmen erst mittel- oder langfristig Fortschritte zeigen werden. 4 Die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt legt fest, dass künftig mit Hilfe von Indikatoren eine zusammenfassende Erfolgskontrolle vorgenommen werden soll. Sie enthält hierfür ein Set von 19 Indikatoren, welche an die Visionen und Aktionsfelder der Strategie gekoppelt sind und internationale Vorgaben berücksichtigen. Die Indikatoren fassen vielschichtige Sachverhalte in anschaulicher Form zusammen und zeigen Trends auf. Sie sollen in angemessenen Zeitabständen aktualisiert und publiziert werden. Die Bilanzierung der Indikatoren ist Bestandteil der Rechenschaftsberichte, die die Bundesregierung zum Umsetzungsstand der Strategie künftig einmal in jeder Legislaturperiode vorlegen wird. Der erste ausführliche Rechenschaftsbericht der Bundesregierung zur Erreichung der Ziele und zum Umsetzungsstand der Maßnahmen ist für das Jahr 2012 geplant. Zuvor wird in dem vorliegenden Indikatorenbericht ein gegenüber dem Stand von Ende 2007 weiterentwickeltes Indikatorenset zur Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt erstmals in einheitlicher Form bilanziert. Die 19 Indikatoren des aktualisierten Sets verteilen sich wie folgt auf fünf Themenfelder: • Komponenten der biologischen Vielfalt (7 Indikatoren) • Siedlung und Verkehr (2 Indikatoren) • Wirtschaftliche Nutzungen (8 Indikatoren) • Klimawandel (1 Indikator) • Gesellschaftliches Bewusstsein (1 Indikator) Fischotter (Lutra lutra) 5 Gegenüber dem in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt 2007 beschlossenen Indikatorenset ergeben sich folgende Veränderungen: • Der Indikator „Natura 2000-Gebietsmeldungen“ erfasste bisher die Fortschritte bei der Errichtung des Schutzgebietsnetzes Natura 2000. Nach Abschluss des Meldeverfahrens für Natura 2000-Gebiete ist er entbehrlich geworden und wird nun nicht mehr berichtet. • Der Indikator „Anzahl gebietsfremder Tier- und Pflanzenarten“ wird durch den Indikator „Invasive Arten“ ersetzt, der sich nur auf die gebietsfremden Tier- und Pflanzenarten erstreckt, die ein erhebliches Gefährdungspotenzial für die biologische Vielfalt darstellen (invasive Arten). Der neue Indikator ist so konzipiert, dass künftig Aussagen zu Erfolgen von Bekämpfungsmaßnahmen gegen diese Arten möglich sind. • Der bisherige Indikator „Gewässergüte“ wird durch den neu entwickelten Indikator „Ökologischer Gewässerzustand“ abgelöst, der auf einer umfassenden ökologischen Bewertung der Naturnähe von Gewässern basiert. • Der Indikator „Zustand der Flussauen“ wird neu in das Indikatorenset eingefügt. Er beschreibt erstmals für ganz Deutschland Veränderungen der größeren Auen durch den Menschen. • Ebenfalls neu aufgenommen wird der Indikator „Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert (High Nature Value Farmland)“. Er soll den Umfang der Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert an der gesamten Landwirtschaftsfläche bilanzieren. • Der neue Indikator „Genetische Vielfalt in der Landwirtschaft“ ermöglicht erstmals Aussagen für den Bereich der genetischen Vielfalt. Er bilanziert das Ausmaß der Gefährdung genetischer Ressourcen am Beispiel ausgewählter einheimischer Nutztierrassen. • Eine weitere Ergänzung stellt der Indikator „Eutrophierende Stickstoff­ einträge“ dar. Er bilanziert Beeinträchtigungen der biologischen Vielfalt infolge der Überschreitung von Stickstoff-Belastungsgrenzen (Critical Loads of Nutrient Nitrogen). • Der Indikator „Marine Trophic Index“ reagiert nach neueren Erkenntnissen nicht ausreichend sensibel auf negative Auswirkungen der Fischerei, weil er ausschließlich auf fischereiliche Anlandungen abstellt, d. h. nur kommerzielle Fangtätigkeiten beleuchtet. Er wird daher nicht mehr berichtet. Die Entwicklung des für den Themenbereich „Nachhaltige Meeresfischerei“ nach der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt neu zu entwickelnden Indikators (Bestände ausgewählter kommerziell genutzter Meeresarten) ist noch nicht abgeschlossen. Auf diesen neuen Indikator wird in Kapitel 4 (Ausblick) kurz eingegangen. • Auch die Entwicklung des Indikators „Zersiedelung der Landschaft“ ist noch nicht abgeschlossen. Ausführungen hierzu sind ebenfalls in Kapitel 4 zu finden. 6 Das Jahr 2010 wurde von den Vereinten Nationen zum Internationalen Jahr der biologischen Vielfalt ausgerufen. Es fordert uns alle heraus, international und national Bilanz zu ziehen, wie es heute um den Schutz der biologischen Vielfalt bestellt ist. Der hierzu erstmals vorgelegte Indikatorenbericht zur Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt zeigt die Entwicklungstrends für Deutschland auf und stellt insbesondere dar, wo Deutschland in Hinblick auf das 2010-Ziel der CBD bzw. das weitergehende 2010-Ziel der EU steht, den Verlust an biologischer Vielfalt signifikant zu reduzieren bzw. zu stoppen. Er macht Fortschritte und Handlungsbedarf deutlich und zeigt damit die Wege auf, die künftig von der Naturschutzpolitik und anderen Politikbereichen mit Bezug zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt in Deutschland beschritten werden müssen. Mäandrierender Bachlauf in Oberbayern Die Indikatoren der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt informieren in zusammenfassender Form über den Zustand und die Entwicklung der biologischen Vielfalt in Deutschland. Sie geben weiterhin Auskunft über Belastungen und Maßnahmen zur Erhaltung und zur nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt. Im Ergebnis werden Fortschritte und Handlungsbedarf für die Gestaltung der Naturschutzpolitik und anderer Politikbereiche mit Bezug zum Schutz der biologischen Vielfalt deutlich. 7 2 Indikatorenset der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt Im Folgenden werden – gegliedert nach den fünf übergreifenden Themenfeldern „Komponenten der biologischen Vielfalt“, „Siedlung und Verkehr“, „Wirtschaftliche Nutzungen“, „Klimawandel“ und „Gesellschaftliches Bewusstsein“ – die 19 Indikatoren des aktualisierten Indikatorensets nach einem einheitlichen Schema bilanziert und interpretiert. Dabei werden Bezüge zur konkreten Vision (Kapitel B) und den Aktionsfeldern (Kapitel C) der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt hergestellt. Die Benennung der Indikatoren in den Überschriften gibt das behandelte Thema so knapp wie möglich wieder. Ein einleitender Text informiert über den Bezug des Indikators zur biologischen Vielfalt. Im folgenden Abschnitt wird unter der Zwischenüberschrift „Indikator“ eine Definition des Indikators gegeben und das mit dem Indikator verbundene Ziel der nationalen Strategie vorgestellt. Unter der Zwischenüberschrift „Aufbau“ finden sich Angaben zur Herkunft der Daten sowie in zusammenfassender Form zur Berechnung der Indikatorwerte. In einem letzten Abschnitt unter der Zwischenüberschrift „Aussage“ wird der Verlauf des Indikators interpretiert. Dabei wird insbesondere der künftige Handlungsbedarf deutlich gemacht. 8 Bei bestimmten Indikatoren wurden keine quantitativen Zielwerte, sondern nur allgemeine Qualitätsziele festgelegt. Liegen hingegen quantitative Zielwerte vor, so können Aussagen zum Grad der aktuellen Zielerreichung (Status) getroffen werden. Für den Status wird der Abstand zwischen dem letzten Datenpunkt und dem Zielwert ermittelt und in eine von vier Klassen eingeordnet. Das Ergebnis wird mit Hilfe von vier Symbolen visualisiert. Dabei gelten folgende Klassengrenzen für den Grad der Zielerreichung: ++ + -- Zielerreichungsgrad ≥ 90 % Der aktuelle Wert liegt innerhalb des Zielbereiches. Zielerreichungsgrad 80 % bis < 90 % Der aktuelle Wert liegt in der Nähe des Zielbereiches. Zielerreichungsgrad 50 % bis < 80 % Der aktuelle Wert liegt noch weit vom Zielbereich entfernt. Zielerreichungsgrad < 50 % Der aktuelle Wert liegt noch sehr weit vom Zielbereich entfernt. Außerdem werden – entsprechend der Datenverfügbarkeit – Aussagen zum Trend getroffen. Der Trend wird nach einem statistischen Verfahren (Rangkorrelationskoeffizient nach Spearman) über einen Zeitraum von 10 Jahren ermittelt unter Verwendung der letzten 11 Datenpunkte. Ausgenommen sind hiervon der Indikator „Klimawandel und Frühlingsbeginn“ (Trendberechnung über den Zeitraum von 1951 bis 2009 mit 59 Datenpunkten), der Indikator „Gebietsschutz“ (2000 bis 2008 mit 9 Datenpunkten) und der Indikator „Nachhaltige Forstwirtschaft“ (2000 bis 2009 mit 10 Datenpunkten). Die Ergebnisse der Berechnungen werden folgendermaßen klassifiziert: Statistisch signifikanter Trend hin zum Ziel bzw. Zielwert ~ Kein statistisch signifikanter Trend feststellbar (keine Signifikanz für ansteigenden oder abfallenden Trend) Statistisch signifikanter Trend weg vom Ziel bzw. Zielwert Reicht die Zahl der Datenpunkte nicht aus oder ist die Vergleichbarkeit der Daten in den Zeitreihen eingeschränkt, können keine Angaben zum Trend gemacht werden. Der Verlauf des Indikators und ggf. von Teilindikatoren wird in einem einheitlich gestalteten Diagramm dargestellt. Neben dem Diagramm werden die wesentlichen Informationen zum jeweiligen Indikator in Hinblick auf die Themenfelder der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS), die Definition des Indikators, quantitative Zielwerte bzw. allgemeine Qualitätsziele und die Kernaussage kurz zusammengefasst. Hintergrundinformationen und Zitate – insbesondere aus der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt – stehen in der Marginalspalte und ergänzen die Aussagen der Indikatorentexte. Am Ende des Berichtes wird eine Gesamtbilanz der Aussagen aller 19 Indikatoren der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt gezogen und in Form eines Indikatorenspiegels dargestellt. Danach folgt ein Ausblick auf weitere in der konkreten Entwicklung befindliche Indikatoren. Der Bericht schließt mit einem Verzeichnis wichtiger weiterführender Literaturquellen. 9 2.1 Laubfrosch (Hyla arborea) 10 Komponenten der biologischen Vielfalt Artenvielfalt und Landschaftsqualität Eine große Artenvielfalt an Tieren und Pflanzen ist eine wesentliche Voraussetzung für einen leistungsfähigen Naturhaushalt und bildet eine wichtige Lebensgrundlage des Menschen. Die Artenvielfalt ist dabei eng verbunden mit der Vielfalt an Lebensräumen und Landschaften. In Deutschland sind Natur und Landschaft durch jahrhundertelange Nutzungen geprägt, was zur Entstehung artenreicher Kulturlandschaften geführt hat. Zur Erhaltung der auf diese Weise entstandenen und der natürlich gewachsenen biologischen Vielfalt sind nachhaltige Formen der Landnutzung, eine Begrenzung von Belastungen und ein schonender Umgang mit der Natur erforderlich. Um den Zustand von Natur und Landschaft unter Kiebitze (Vanellus vanellus) dem Einfluss vielfältiger Nutzungen auf der gesamten Fläche Deutschlands in zusammenfassender Form zu bewerten, wurde ein Indikator entwickelt, der die Veränderungen der Bestände ausgewählter Vogelarten darstellt, welche die wichtigsten Landschafts- und Lebensraumtypen in Deutschland repräsentieren. Die Größe der Bestände (nach Anzahl der Reviere bzw. Brutpaare) spiegelt die Eignung der Landschaft als Lebensraum für die ausgewählten Vogelarten wider. Da neben Vögeln auch andere Arten an eine reichhaltig gegliederte Landschaft mit intakten, nachhaltig genutzten Lebensräumen gebunden sind, bildet der Indikator indirekt auch die Entwicklung zahlreicher weiterer Arten in der Landschaft und die Nachhaltigkeit der Landnutzung ab. Der Indikator liefert Informationen zur Artenvielfalt, Landschaftsqualität und Nachhaltigkeit der Landnutzungen. Steigt die Qualität der Lebensräume in Folge einer Verringerung von Belastungen, einer Verbesserung der Nachhaltigkeit von Nutzungen oder einer erfolgreichen Umsetzung von Maßnahmen des Naturschutzes, drückt sich dies in der Regel in zunehmenden Bestandszahlen der ausgewählten Vogelarten und damit in einer positiven Entwicklung des Indikators aus. Der Indikator „Artenvielfalt und Landschaftsqualität“ wurde als Schlüsselindikator für die Nachhaltigkeit von Landnutzungen im Rahmen der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie (Bundesregierung 2002) entwickelt und in die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt übernommen. Er wird aktuell auch im Indikatorenbericht 2010 zur Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie berichtet (Statistisches Bundesamt 2010). Der Indikator liefert Informationen zur Artenvielfalt, zur Landschaftsqualität und zur Nachhaltigkeit der Landnutzungen. Der Berechnung des Indikators liegt die Entwicklung der Bestände von 59 Vogelarten zu Grunde, die die wichtigsten Landschafts- und Lebensraumtypen in Deutschland repräsentieren (Agrarland, Wälder, Siedlungen, Binnengewässer, Küsten und Meere sowie die Alpen). Dabei werden zwei Indikatorarten der Wälder auch beim Teilindikator zu den Alpen verwendet. Für die Zielwertbildung hat ein Expertengremium für jede einzelne Vogelart einen Bestandswert für das Jahr 2015 festgelegt, der erreicht werden kann, wenn europäische und nationale rechtliche Regelungen mit Bezug zum Naturschutz und die Leitlinien einer nachhaltigen Entwicklung zügig umgesetzt werden. Die Zielwerte der Indikatorarten für das Jahr 2015 wurden zunächst als Vielfaches der damals bekannten Bestandsgrößen des Jahres 2002 bestimmt. Die resultierenden Indexwerte wurden nachfolgend einheitlich auf 100 % normiert. Daher ergeben sich für die Teilindikatoren und den Gesamtindikator Zielwerte von 100 %. Indikator Die Bundesregierung hat beschlossen, für die Bericht­ erstattung zur Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt den Indikator „Artenvielfalt und Landschaftsqualität“ mit einem Zielwert von 100 % im Jahr 2015 beim Gesamtindikator und bei den sechs Teilindikatoren zu verwenden. 11 Aufbau Für die sechs Hauptlebensraum- und Landschaftstypen (Agrarland, Wälder, Siedlungen, Binnengewässer, Küsten und Meere, Alpen) wurden in Zusammenarbeit mit den Staatlichen Vogelschutzwarten der Länder und dem Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) jeweils 10 – bzw. bei den Wäldern 11 – repräsentative Vogelarten als Indikatorarten ausgewählt. Aus der Anzahl der Reviere bzw. Brutpaare in statistisch repräsentativen Probeflächen wird für jede Art jährlich ein indizierter Wert für die deutschlandweite Bestandsgröße errechnet. Die aktuelle Bestandsgröße wird für jede Art in Relation zur Größe des für das Jahr 2015 festgelegten Zielbestandes gesetzt. Dadurch ergibt sich ein jährlicher Zielerreichungsgrad in Prozent. Für jeden Hauptlebensraum- bzw. Landschaftstyp wird anschließend der arithmetische Mittelwert der Zielerreichungsgrade über alle 10 bzw. 11 ausgewählten Vogelarten gebildet. Diese Mittelwerte erlauben als Teilindikatoren differenzierte Aussagen zum Zustand der sechs Hauptlebensraum- bzw. Landschaftstypen. Der Gesamtindikator errechnet sich aus einer gewichteten Summierung der Teilindikatoren. Die Gewichtung bezieht sich dabei auf den Flächenanteil des jeweiligen Hauptlebensraum- bzw. Landschaftstyps an der Fläche Deutschlands. Die historischen Werte für 1970 und 1975 sind rekonstruiert. Die Werte einiger Vogelarten in den Lebensräumen der Binnengewässer, Küsten und Meere sowie der Alpen wurden in einzelnen Jahren extrapoliert. Die Werte für zwei Vogelarten der Alpen wurden geringfügig korrigiert. Artenvielfalt und Landschaftsqualität Zielerreichungsgrad in % 120 Zielwert von 100 % im Jahr 2015 100 80 ~ Der aktuelle Wert liegt noch weit vom Zielbereich entfernt. Kein statistisch signifikanter Trend feststellbar 69 60 40 20 0 1970 1975 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 Themenfelder der NBS Fast alle Themenfelder, insbesondere C 1 Biotopverbund und Schutzgebietsnetze, C 6 Land- und Forstwirtschaft und C 12 Ländlicher Raum und Regionalentwicklung Definition Index (Maßzahl in %) über die bundesweiten Bestandsgrößen ausgewählter repräsentativer Vogelarten in sechs Hauptlebensraum- und Landschaftstypen 12 2015 Für den Hauptindikator und die sechs Teilindikatoren: Grafik: BfN (2010), Daten: DDA (2010) Zielwert Bis zum Jahr 2015 sollen die sechs Teilindikatoren und der Gesamtindikator jeweils einen Zielwert von 100 % erreichen. Kernaussage Die Indikatorwerte liegen nach wie vor weit vom Zielwert entfernt. Einzig der Teilindikator für die Wälder liegt knapp über 80 % und damit in der Nähe des Zielbereiches. Bei gleichbleibender Entwicklung kann das Ziel von 100 % im Jahr 2015 nicht ohne erhebliche zusätzliche Anstrengungen von Bund, Ländern und auf kommunaler Ebene in möglichst allen betroffenen Politikfeldern erreicht werden. Hauptlebensraumbzw. Landschaftstyp Gewichtungs­­ faktor Ausgewählte repräsentative Vogelarten Agrarland 0,50 Braunkehlchen, Feldlerche, Goldammer, Grauammer, Heidelerche, Kiebitz, Neuntöter, Rotmilan, Steinkauz, Uferschnepfe Wälder 0,27 Grauspecht, Kleiber, Kleinspecht, Mittelspecht, Schreiadler, Schwarzspecht, Schwarzstorch, Sumpfmeise, Tannenmeise, Waldlaubsänger, Weidenmeise Siedlungen 0,11 Dohle, Gartenrotschwanz, Girlitz, Grünspecht, Hausrotschwanz, Haussperling, Mauersegler, Mehlschwalbe, Rauchschwalbe, Wendehals Binnengewässer 0,06 Eisvogel, Flussuferläufer, Haubentaucher, Kolbenente, Rohrdommel, Rohrweihe, Seeadler, Teichrohrsänger, Wasserralle, Zwergtaucher Küsten und Meere 0,03 Austernfischer, Eiderente, Flussseeschwalbe, Kornweihe, Küstenseeschwalbe, Mittelsäger, Rotschenkel, Sandregenpfeifer, Trottellumme, Zwergseeschwalbe Alpen 0,03 Alpenbraunelle, Auerhuhn, Berglaubsänger, Dreizehenspecht, Kleiber, Ringdrossel, Rotkehlchen, Steinadler, Waldbaumläufer, Weidenmeise Der Wert des Indikators für die Artenvielfalt lag im Jahr 1990 deutlich unter den Werten, die für die Jahre 1970 und 1975 rekonstruiert wurden. Dies ist auf Bestandseinbrüche bei vielen Indikatorarten der Agrarlandschaft, der Siedlungen und der Binnengewässer vor 1990 zurückzuführen. Die Teilindikatoren der Wälder, der Küsten und Meere sowie der Alpen blieben hingegen über diesen Zeitraum stabil. In den letzten zehn Beobachtungsjahren (1998 bis 2008) hat sich der Indikatorwert kaum verändert und zeigte keinen statistisch signifikanten Entwicklungstrend. Im Jahr 2008 lag er bei 69 % des Zielwerts. Bei gleich bleibender Entwicklung kann das Ziel von 100 % im Jahr 2015 nicht ohne erhebliche zusätzliche Anstrengungen von Bund, Ländern und auf kommunaler Ebene in möglichst allen betroffenen Politikfeldern erreicht werden. Aussage Im Trend entwickelten sich die Teilindikatoren für Agrarland (66 % des Zielwertes im Jahr 2008), für Siedlungen (59 %) sowie für Küsten und Meere (56 %) in den letzten 10 Jahren bis 2008 statistisch signifikant weg vom Ziel, während für die Binnengewässer (73 %) und die Alpen (57 %) statistisch kein signifikanter Trend nachweisbar war. Allein der Teilindikator für die Wälder zeigte einen statistisch signifikanten positiven Trend. Mit 81 % des Zielwertes im Jahr 2008 war die Situation in den Wäldern zudem vergleichsweise am günstigsten. Im Agrarland ist die Bestandssituation Agrarland 120 Zielwert von 100 % vieler Vogelarten im Jahr 2015 kritisch. Vögel, die 100 auf Äckern, Wiesen und Weiden brüten, 80 66 gehen – regional 60 unterschiedlich – aufgrund der 40 intensiven landwirtschaftlichen 20 Nutzung im Bestand 0 zurück. Der regio1970 1975 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2015 nal zunehmende Der aktuelle Wert liegt noch Statistisch signifikanter Grünlandumbruch weit vom Zielbereich entfernt. Trend weg vom Zielwert und der steigende Energiepflanzenanbau können Auswirkungen auf Landschaftsqualität und Artenvielfalt haben. Es bleibt darüber hinaus abzuwarten, wie sich die eingeleiteten Agrarumwelt- und Naturschutzmaßnahmen mittel- und langfristig auf die Bestandssituation auswirken werden. Zielerreichungsgrad in % 13 Zielerreichungsgrad in % Wälder haben Wälder trotz der früheren 120 Zielwert von 100 % Kahlschlags- und im Jahr 2015 100 Fichtenwirtschaft derzeit den besten 81 80 Teilindikatorwert. Die Förderung naturnaher 60 Waldbewirtschaftung 40 dürfte sich hier positiv auswirken. Um den 20 statistisch signifikanten positiven Trend zu 0 1970 1975 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2015 erhalten bzw. künftig zu verstärken, müssen Der aktuelle Wert liegt in Statistisch signifikanter der Nähe des Zielbereiches. Trend hin zum Zielwert staatliche Fördermöglichkeiten (z. B. Waldumweltmaßnahmen) ausgeweitet und noch konsequenter genutzt werden. Trotz einer im Vergleich zu den anderen Teilindikatoren günstigeren Situation ist der Zielwert auch in Wäldern aber noch nicht erreicht. Hierfür bedarf es einer konsequenten Fortführung des naturnahen Waldbaus sowie der fortgesetzten Berücksichtigung naturschutzfachlicher Aspekte bei der forst­ lichen Bewirtschaftung. + Zielerreichungsgrad in % In Siedlungen zeigen Siedlungen 120 sowohl Gebäudebrüter Zielwert von 100 % als auch Arten, die auf im Jahr 2015 100 Brachen, Obstwiesen und bäuerliche 80 Strukturen in Dörfern 59 und Ortsrandlagen 60 angewiesen sind, 40 einen negativen Trend. Gründe hierfür dürften 20 in erster Linie bei der zunehmenden Versie0 1970 1975 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2015 gelung von Flächen sowie dem Verlust Der aktuelle Wert liegt noch Statistisch signifikanter weit vom Zielbereich entfernt. Trend weg vom Zielwert naturnaher Lebensräume und dörflicher Strukturen liegen. Der Indikatorverlauf für Zielerreichungsgrad in % Binnengewässer 120 die Binnengewässer Zielwert von 100 % weist über die letzten im Jahr 2015 100 Jahre hinweg deutliche Schwankungen auf, 80 73 ein signifikanter Trend zeichnet sich nicht ab. 60 Eine wichtige Rolle 40 für die zukünftige Entwicklung dieser 20 Lebensräume spielen Maßnahmen zur Rena0 1970 1975 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2015 turierung von Flüssen Der aktuelle Wert liegt noch Kein statistisch signifi­ und Auen, die im weit vom Zielbereich entfernt. kanter Trend feststellbar Rahmen der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie verstärkt durchgeführt werden sollen. ~ 14 Komponenten der biologischen Vielfalt Siedlung und Verkehr Wirtschaftliche Nutzungen Klimawandel Gesellschaftliches Bewusstsein Zielerreichungsgrad in % Küsten und Meere 120 100 Zielwert von 100 % im Jahr 2015 80 56 60 40 20 0 1970 1975 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2015 Statistisch signifikanter Trend weg vom Zielwert Der aktuelle Wert liegt noch weit vom Zielbereich entfernt. Zielerreichungsgrad in % Alpen 120 100 Zielwert von 100 % im Jahr 2015 80 57 60 40 20 0 ~ 1970 1975 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 Der aktuelle Wert liegt noch weit vom Zielbereich entfernt. Von dem negativen Trend bei den Küsten und Meeren sind vor allem die Brutbestände der Vogelarten der Strände und Dünen betroffen. Die an den Küsten ergriffenen Schutzmaßnahmen konnten noch keine Trendumkehr bewirken. 2015 Kein statistisch signifi­ kanter Trend feststellbar Obwohl bei einigen Arten der Alpen negative Bestandsveränderungen auftreten, ist statistisch kein signifikanter Trend nachweisbar. Neben einer zunehmenden Erschließung entlegener Gebiete gelten als Hauptursachen einerseits die Intensivierung von Landnutzungen, anderseits die Aufgabe traditioneller Bewirtschaftungsformen. Fazit Die wichtigsten Ursachen für den Rückgang der Artenvielfalt sind – regional unterschiedlich – die intensive landwirtschaftliche Nutzung, die Zerschneidung und Zersiedelung der Landschaft, die Versiegelung von Flächen sowie Stoffeinträge (z. B. Säurebildner oder Nährstoffe). Im Siedlungsbereich wirken sich Verluste an naturnahen Flächen und dörflichen Strukturen aufgrund von Bautätigkeit und Flächenversiegelung negativ aus. Gefährdungsfaktoren für Lebensräume an der Küste sind Störungen durch eine gestiegene Freizeitnutzung und die Verbauung, z. B. durch Küstenschutzmaßnahmen. Um beim Gesamtindikator und bei allen Teilindikatoren einen positiven Trend zu erreichen bzw. beim Teilindikator „Wälder“ den positiven Trend zu verstärken, sind weitere Anstrengungen von Bund, Ländern und auf kommunaler Ebene in möglichst allen betroffenen Politikfeldern erforderlich. 15 Gefährdete Arten Maßnahmen zum Schutz von Arten sind ein zentrales Thema der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt. Sie zielen darauf, die Gefährdung von Arten zu verringern und den Rückgang der Artenvielfalt aufzuhalten. Rote Listen gefährdeter Arten enthalten wichtige Informationen zur Gefährdungssituation der bewerteten Arten. Ihr Stellenwert als Dokumentationsmedium des Artenschutzes ist stetig gewachsen, seit vor fast 40 Jahren die ersten Roten Listen veröffentlicht wurden. Heute sind sie weithin bekannte und vielfältig genutzte Instrumente des Naturschutzes. Die bundesweiten Roten Listen werden in etwa 10-jährigem Turnus aktualisiert. Der Indikator „Gefährdete Arten“ stellt die Artengefährdung in Deutschland auf der Basis der Bewertungen in den Roten Listen anschaulich dar. Luchs (Lynx lynx) Indikator Der Indikator bilanziert das Ausmaß der Gefährdung von Arten ausgewählter Artengruppen. Der Indikator fasst die Angaben zur Gefährdung der Arten in den bundesweiten Roten Listen in einer einfachen Maßzahl zusammen. Datengrundlage sind die Einstufungen der Arten in die Rote-Liste-Kategorien, die ein System abgestufter Gefährdungsgrade bilden bis hin zum Aussterben von Arten. Der resultierende Index liefert einen einzelnen Wert, der das Ausmaß der Gefährdung aller bilanzierten Arten wiedergibt. Zum Schutz der Artenvielfalt wird in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt als Ziel festgelegt, dass sich bis 2020 für den größten Teil der Rote Liste-Arten die Gefährdungssituation um eine Stufe verbessern soll. Auf Grundlage dieser Vorgabe kann ein konkreter Zielwert für das Jahr 2020 berechnet werden. Dabei wird eine Verbesserung der Gefährdung aller aktuell bestandsgefährdeten Arten um eine Stufe angenommen. In Zukunft sollen zusätzlich zum Hauptindikator Teilindikatoren gebildet werden u. a. zur Gefährdung der Arten, für deren Erhaltung Deutschland eine besondere Verantwortung trägt und deren Populationen gemäß den Zielen der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt bis 2020 eine überlebensfähige Größe erreichen sollen. Weiterhin kann künftig ein Teilindikator den Stand des Wissens zur Artengefährdung in Deutschland beleuchten. Aufbau „Bis 2020 hat sich für den größten Teil der Rote ListeArten die Gefährdungssituation um eine Stufe verbessert.“ (BMU 2007: 27) 16 Datengrundlage für die Berechnung des Indikators sind die von Expertengremien erstellten bundesweiten Roten Listen. Für die Berechnung stehen derzeit die Roten Listen der Pflanzen und Pilze von 1996 (Ludwig & Schnittler 1996) und der Tiere von 1998 (Binot et al. 1998) zur Verfügung, weiterhin die 2009 veröffentlichten aktuellen Fassungen der bundesweiten Roten Listen für die Wirbeltiere (ohne Meeresfische) (BfN 2009a). Der Indikator „Gefährdete Arten“ wird vorläufig nur für die Gruppe der Wirbeltiere (ohne die Meeres­ fische) bilanziert, für die Daten zur Gefährdung aus dem Jahr 2009 vorliegen. Das Bundesamt für Naturschutz plant, die aktualisierten bundesweiten Roten Listen für weitere Artengruppen in den Jahren 2010 und 2011 herauszugeben. Die Bilanzierung des Indikators wird künftig auch die Daten aus diesen Roten Listen umfassen. In die Berechnung des Indikators fließen die Arten mit unterschiedlichen Gewichtungsfaktoren ein. Dabei gilt: Je stärker eine Art gefährdet ist, desto stärker beeinflusst sie den Indikatorwert. Aus der Bildung des Indexes resultiert eine Skala, auf der 0 % erreicht würden, wenn keine der Arten bestandsgefährdet, ausgestorben oder verschollen wäre. Bei 100 % wären sämtliche betrachteten Arten ausgestorben oder verschollen. Komponenten der biologischen Vielfalt Siedlung und Verkehr Wirtschaftliche Nutzungen Klimawandel Für das Jahr 2009 beträgt der vorläufig nur für die Gruppe der Wirbeltiere (ohne die Meeresfische) berechnete Indikatorwert 23 %. Verringert sich in Zukunft das Ausmaß der Gefährdung von Arten, wird dieser Wert sinken. Vom Zielwert, der bei 16 % liegt, ist der aktuelle Indikatorwert noch weit entfernt. Gegenüber den entsprechenden Roten Listen von 1998 ist eine geringfügige Verbesserung des Indexwertes festzustellen. Aufgrund zahlreicher methodischer Veränderungen bei der Einstufung der Arten der Wirbeltiere in Rote-Liste-Kategorien nach 1998 ist ein direkter Vergleich allerdings nur sehr eingeschränkt möglich. Bei den Bilanzierungen muss darauf hingewiesen werden, dass die hier betrachteten Wirbeltiere deutlich weniger als 1 % aller in Deutschland vorkommenden bekannten Arten der Tiere, Pflanzen und Pilze stellen. Zudem handelt es sich um Gruppen mit überwiegend gut untersuchten Tierarten, von denen überdurchschnittlich viele bereits seit langer Zeit im Brennpunkt von Artenschutzbemühungen stehen. Eine Verallgemeinerung der hier vorgestellten Indikatorwerte auf die gesamte Artenvielfalt in Deutschland und deren Gefährdung ist daher nicht möglich (Pauly et al. 2009). Nach Erscheinen weiterer aktueller Roter Listen wird sich die Zahl der in den Index eingehenden Arten sehr stark vergrößern, und die Aussagen zur Bilanzierung können sich deutlich ändern. Für besonders gefährdete Arten müssen Einzelmaßnahmen ergriffen werden, die das Überleben dieser Arten sichern. Dabei sollten insbesondere solche bestandsgefährdeten Arten prioritär behandelt werden, für deren Erhaltung Deutschland eine hohe oder eine besonders hohe Verantwortlichkeit besitzt. Für einen erfolgreichen Artenschutz ist es außerdem notwendig, das Wissen um alle in Deutschland vorkommenden Arten und deren Gefährdung zu verbessern. Gesellschaftliches Bewusstsein Aussage Gefährdete Arten Indexwert in % 50 Der aktuelle Wert liegt noch weit vom Zielbereich entfernt. Der Indikator wird vorläufig nur für die Gruppe der Wirbeltiere ohne die Meeresfische bilanziert. Aufgrund zahlreicher methodischer Veränderungen bei der Einstufung der Arten der Wirbeltiere in Rote-ListeKategorien nach 1998 ist ein direkter Vergleich mit dem Indikatorwert von 1998 nur sehr eingeschränkt möglich. 40 30 23 Zielwert von 16 % im Jahr 2020 20 Indikatorwert nach Roter Liste 1998 Indikatorwert nach Roter Liste 2009 10 0 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 Themenfelder der NBS B 1.1.2 Artenvielfalt, C 2 Artenschutz und genetische Vielfalt Definition Der Indikator fasst die Gefährdung der Arten der bundesweiten Roten Listen in einer einfachen Maßzahl zusammen. Datengrundlage sind die Einstufungen der Arten in die Rote-Liste-Kategorien. 2014 2016 2018 2020 Grafik: BfN (2010), Daten: Rote Liste 1998, Rote Liste 2009 Zielwert Zum Schutz der Artenvielfalt wird bis 2020 eine Verringerung der Gefährdung aller aktuell bestandsgefährdeten Arten um eine Stufe angestrebt. Für die Gruppe der Wirbeltiere (ohne die Meeresfische) ergibt sich daraus ein Zielwert von 16 %. Kernaussage Für das Jahr 2009 beträgt der vorläufig nur für die Gruppe der Wirbeltiere ohne die Meeresfische berechnete Indikatorwert 23 %. Um den Zielwert von 16 % bis 2020 zu erreichen, sind große Anstrengungen im Artenschutz notwendig. 17 Erhaltungszustand der FFH-Lebensräume und FFH-Arten Heidschnucken in Heidelandschaft Der Indikator gibt eine zusammenfassende Aussage zum Erhaltungszustand der Lebens­ räume gemäß Anhang I und der Arten gemäß den Anhängen II, IV und V der FFH-Richtlinie in Deutschland. Indikator In der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt ist als Ziel formuliert: „Bis 2020 weisen alle Bestände der Lebensraumtypen (gem. Anhang I der FFH-Richtlinie), der geschützten (§ 30 BNatSchG) und gefährdeten Biotoptypen sowie solcher, für die Deutschland eine besondere Verantwortung hat bzw. die eine besondere Bedeutung für wandernde Arten haben, einen gegenüber 2005 signifikant besseren Erhaltungszustand auf, sofern ein guter Erhaltungszustand noch nicht erreicht ist.“ (BMU 2007: 29) Für die Küsten und Meere ist in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt das Ziel formuliert, bis 2020 für alle Arten und Lebensräume eine signifikante Verbesserung des Erhaltungszustandes zu erreichen (BMU 2007: 33). 18 Der FFH-Richtlinie verdankt die Naturschutzarbeit in Deutschland zahlreiche positive Impulse. Diese reichen von der Ausweisung neuer Schutzgebiete über die stringentere Prüfung bei Eingriffen bis hin zu einer verbesserten Ausgestaltung von Agrarumweltmaßnahmen. Darüber hinaus repräsentieren die in den Anhängen genannten Arten und Lebensraum­ typen einen wichtigen Ausschnitt der biologischen Vielfalt in Deutschland und der EU. Aufgrund der hohen Bedeutung dieser Schutzgüter, die Bestandteil sehr unterschiedlicher Ökosysteme sind, korrespondieren die Vorgaben der FFH-Richtlinie mit fast allen Aktionsfeldern der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt. Daher spielt die Bewertung des Erhaltungszustandes der Schutzgüter eine zentrale Rolle bei der Überprüfung der für 2010 vereinbarten Biodiversitätsziele der EU und der Erfolge der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt. Der Indikator wird als Indexwert errechnet, in den die Bewertung des Erhaltungszustandes der Schutzgüter der FFH-Richtlinie eingeht. Im nationalen Bericht 2007 wurden für Deutschland die Bewertungsergebnisse zu den 91 Lebensraumtypen des Anhangs I und zu 272 von insgesamt 282 Tier- und Pflanzenarten der Anhänge II, IV und V erstmals zusammengestellt (BfN 2009b). In der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt ist als Ziel festgelegt, bis 2020 den Erhaltungszustand aller Bestände der FFH-Lebensraumtypen signifikant zu verbessern, sofern ein guter Erhaltungszustand noch nicht erreicht wurde. Ebenso soll eine signifikante Verbesserung des Erhaltungszustandes sämtlicher Arten und Lebensräume der Küsten und Meere bis 2020 erreicht werden. Dieses Ziel wird für die Berechnung eines Zielwertes für den Indikator auf alle Schutzgüter übertragen, somit auch auf alle Arten der Anhänge der FFH-Richtlinie. Dies korrespondiert mit der Zielsetzung der Richtlinie, einen günstigen Erhaltungszustand aller Lebensräume und Arten der Anhänge zu bewahren oder wiederherzustellen. Verbessert sich der Erhaltungszustand der FFH-Lebensräume und FFH-Arten mit ungünstigem Erhaltungszustand um mindestens eine Bewertungsstufe, so wird dies als signifikante Verbesserung betrachtet. Zielwert ist demzufolge der Indexwert, der sich ergibt, wenn die Bewertungen aller Schutzgüter, deren Erhaltungszustand im vorliegenden Bericht nicht als günstig eingestuft wurde, um genau eine Stufe verbessert werden. Im Sinne einer einfachen Kommunizierbarkeit wurde der so ermittelte Wert anschließend gerundet. Es resultiert somit ein Zielwert von 80 % für das Jahr 2020. Derzeit wird auf europäischer Ebene im Zusammenhang mit der Erarbeitung einer neuen EU-Biodiversitätsstrategie für die Zeit nach 2010 ebenfalls ein Indikator zum Erhaltungszustand der FFH-Lebensräume und FFH-Arten entwickelt. Um die Zielerreichung beider Indikatoren vergleichen zu können, soll nach Vorliegen des EU-Indikators die Berechnungsmethode des nationalen Indikators an diesen angeglichen und der Zielwert überprüft werden. Die Bundesregierung strebt auch in Hinblick auf den Schutz der Lebensraumtypen und Arten der FFH-Richtlinie an: • die dauerhafte Sicherung der Natura 2000-Gebiete inkl. Bereitstellung der erforderlichen Finanzierung (Aktionsfeld C1 „Biotopverbund und Schutzgebietsnetze“), • die Erarbeitung und Durchführung von Artenschutzprogrammen zur Erhaltung und Wieder­ansiedlung spezifischer Arten und Artengruppen (Aktionsfeld C2 „Artenschutz und genetische Vielfalt“), • die Überprüfung agrar- und umweltpolitischer Maßnahmen auf Nachhaltigkeit und wirtschaftlich zumutbare Möglichkeiten zur weiteren Verbesserung der Naturverträglichkeit im Rahmen der EU-Agrarförderung sowie der nationalen und europä­ ischen Agrar- und Umweltpolitik (Aktionsfeld C6 „Land- und Forstwirtschaft“). Grundlage für die Berechnung des Indikators ist die Bewertung des Erhaltungszustandes für jedes Schutzgut differenziert nach den drei in Deutschland vorkommenden biogeographischen Regionen. Diese Bewertungen werden im Rahmen des nationalen Berichts zur Umsetzung der FFH-Richtlinie alle sechs Jahre zusammengestellt. Der erste vollständige Bericht wurde 2007 über die Berichtsperiode 2001-2006 verfasst (BfN 2009b). Der nächste nationale Bericht wird die Berichtsperiode 2007-2012 abdecken. Bei der Bewertung der Erhaltungszustände werden drei Stufen unterschieden und mit den Farben einer Ampel visualisiert: günstig („grün“), ungünstig-unzureichend („gelb“), ungünstig-schlecht („rot“). Zusätzlich wird die Kategorie „unbekannt“ vergeben, wenn eine Bewertung aufgrund mangelnder Daten nicht vorgenommen werden kann. Bei der Indexberechnung werden die Schutzgüter gemäß der Bewertung und dem Anteil des jeweiligen Verbreitungsgebietes in einer biogeographischen Region am Gesamtverbreitungsgebiet in Deutschland gewichtet. Sofern Schützgüter in mehreren biogeographischen Regionen vorkommen, geht ihre Bewertung mehrfach in den Index ein. Aufbau Der Indikatorwert beträgt für die Berichtsperiode 2001-2006 48 %. Der Anteil der Schutzgüter mit günstigem Erhaltungszustand beträgt dabei 23 %, der Anteil der Schutzgüter, deren Erhaltungszustand als unbekannt eingestuft wurde, 19 %. Die Werte der Teilindikatoren, die jeweils nur aus einer Teilmenge aller Schutzgüter gebildet werden, liegen zwischen 40 % und 65 %. Aussage Teilindikatoren Wert Anteil der jeweils mit „rot“, „gelb“ und „grün“ bewerteten Schutzgüter sowie Anteil der mit der Gesamteinschätzung „unbekannt“ eingestuften Schutzgüter „rot“: 27 % „gelb“: 31 % „grün“: 23 % „unbekannt“: 19 % Erhaltungszustand von Schutzgütern verschiedener Formationen Küsten und Meere: 51 % Stillgewässer: 46 % Fließgewässer und Auen: 47 % Moore: 44 % Gebirge: 65 % Erhaltungszustand nutzungsabhängiger bzw. durch landwirtschaftliche Nutzung stark geprägter Schutzgüter (nur landwirtschaftliches Offenland inkl. historische Nutzungsformen) 40 % Erhaltungszustand waldgebundener Schutzgüter 52 % 19 Komponenten der biologischen Vielfalt Wirtschaftliche Nutzungen Siedlung und Verkehr Klimawandel Gesellschaftliches Bewusstsein Der Indikator zeigt den großen Handlungsbedarf in Hinblick auf eine – oft nur mittel- bis langfristig erreichbare – Verbesserung des Erhaltungszustandes der Schutzgüter der FFH-Richtlinie in Deutschland und damit auch den Schutz der biologischen Vielfalt insgesamt. Dabei ist der Handlungsbedarf bei Schutzgütern mit Bindung an landwirtschaftlich geprägte Ökosysteme, Moore, Stillgewässer oder Fließgewässer und Auen größer als bei Schutzgütern mit Bindung an Küsten und Meere, Wälder oder Gebirge. Folgende Konsequenzen lassen sich daraus ableiten: • Damit das Schutzgebietsnetz Natura 2000 seine Wirkung im gewünschten Umfang entfalten kann, muss nach Abschluss der Gebietsmeldungen darauf hingearbeitet werden, den Erhaltungszustand der FFH-Lebensräume und FFH-Arten zu verbessern. • Auch außerhalb des Schutzgebietsnetzes Natura 2000 sind besondere Schutzbemühungen vor allem für zahlreiche Arten und Offenland-Lebensräume weiterhin erforderlich. • Um geeignete Maßnahmen z. B. im Rahmen von FFH-Managementplänen, Artenschutzprogrammen oder Agrarumweltmaßnahmen abzuleiten, ist die spezifische Betrachtung jedes einzelnen Schutzgutes notwendig. • Der Erhaltungszustand vieler Schutzgüter hängt von der Art der Flächennutzung ab, die nicht im direkten Einflussbereich des Naturschutzes liegt. Zur Verbesserung der Erhaltungszustände können daher Naturschutz und Flächennutzer nur gemeinsam beitragen. Erhaltungszustand der FFH-Lebensräume und FFH-Arten Index in % Der aktuelle Wert liegt noch weit vom Zielbereich entfernt. 100 Zielwert von 80 % im Jahr 2020 80 60 48 40 20 0 20 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 Grafik: BfN (2010), Daten: BfN (2009) Themenfelder der NBS Insbesondere B 1.1 Biodiversität, B 1.2 Lebensräume, C1 Biotopverbund und Schutzgebietsnetze, C2 Artenschutz und C6 Land- und Forstwirtschaft Zielwert Bis 2020 hat sich der Erhaltungszustand aller mit „ungünstig“ bewerteten Schutzgüter um mindestens eine Stufe verbessert (Indexwert von 80 %). Definition Index (Maßzahl in %) über den nach Bewertungsergebnis und Verbreitungsgebiet gewichteten Erhaltungszustand der Bestände der 91 Lebensraumtypen und der 272 Arten der FFH-Richtlinie in den drei biogeographischen Regionen Deutschlands Kernaussage Für die letzte Berichtsperiode (2001-2006) beträgt der Indikatorwert 48 %. Er liegt noch weit vom Zielwert entfernt. Bei einem Großteil der Schutzgüter sind daher erhebliche Anstrengungen erforderlich, um deren Erhaltungszustand zu verbessern. Invasive Arten Als invasiv gelten Arten, deren Vorkommen außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes für die dort natürlich vorkommenden Ökosysteme, Biotope oder Arten ein erhebliches Gefährdungspotenzial darstellt. Die absichtliche Einfuhr und das unbeabsichtigte Einschleppen invasiver Arten werden weltweit nach der Zerstörung von Lebensräumen als die zweitgrößte Gefährdungsursache für die biologische Vielfalt angesehen. Deutschland zeigt aber eine lange Geschichte der Besiedlung und Landnutzung, in deren Verlauf bereits ein umfangreicher Austausch an Arten mit anderen Gebieten der Welt vom Menschen angestoßen wurde. In den allermeisten Fällen haben sich diese neu nach Deutschland gelangten Arten als nicht invasiv erwiesen. Im weltweiten Vergleich hat sich gezeigt, Der Graskarpfen (Ctenopharyngodon idella) ist eine Art auf der Managementliste der Schwarzen Liste invasiver Arten. dass das Gefährdungspotenzial bei bestimmten invasiven Arten in Deutschland zwar hoch ist, insgesamt aber als weitaus geringer zu bewerten ist als beispielsweise im Falle isolierter Inseln. Der Indikator bilanziert die Anzahl invasiver Arten, die zu Vor allem durch die internationalen Verkehrs- und Handelsströme gelangen einer Gefährdung von Ökosys­ Arten nach Deutschland, die natürlich vorkommende Arten und Lebensräume temen, Lebensräumen oder gefährden können. Neben diesen negativen Auswirkungen aus Sicht des NaArten in Deutschland führen turschutzes können invasive Arten zusätzlich negative ökonomische Auswirkönnen. kungen (z. B. für die Forst- und Landwirtschaft) oder negative gesundheitliche Auswirkungen für den Menschen (z. B. die Herkulesstaude als Auslöser von Hautverbrennungen) haben. Der hier bilanzierte Indikator basiert auf der Schwarzen Liste invasiver Arten. Dabei handelt es sich um eine Auflistung von Tier- und Pflanzenarten, die nachgewiesenermaßen negative Auswirkungen auf die biologische Vielfalt bestimmter Lebensräume in Deutschland oder in vergleichbaren Regionen haben. Innerhalb der Schwarzen Liste wird unterschieden zwischen Arten der Indikator • Warnliste (Gefährdung der biologischen Vielfalt belegt, Art in Deutschland noch nicht vorkommend, aber in vergleichbaren Regionen invasiv), • Aktionsliste (Gefährdung der biologischen Vielfalt belegt, kleinräumige Vorkommen in Deutschland bekannt, geeignete Sofortmaßnahmen bekannt) und • Managementliste (Gefährdung der biologischen Vielfalt belegt, kleinräumige Vorkommen in Deutschland bekannt, geeignete Sofortmaßnahmen unbekannt oder Gefährdung der biologischen Vielfalt belegt, großräumige Vorkommen in Deutschland bekannt, Maßnahmen nur noch in Einzelfällen sinnvoll). Berichtet werden zwei Teilindikatoren: Erster Teilindikator ist die absolute Anzahl der Arten auf der Aktionsliste der Schwarzen Liste invasiver Arten. Diese Zahl ist ein Maß für die Dringlichkeit, Sofortmaßnahmen gegen invasive Arten zu ergreifen. Als zweiter Teilindikator wird die absolute Anzahl der Arten auf der Managementliste der Schwarzen Liste invasiver Arten berichtet. Diese Zahl beschreibt das Ausmaß der Gefährdung von Ökosystemen, Lebensräumen oder Arten durch invasive Arten in Deutschland. Sowohl bei der Aktionsliste als auch bei der Managementliste besteht das Ziel, dass die Anzahl invasiver Arten in Zukunft nicht weiter zunimmt. Für die Aktionsliste wäre es bei Erfolg der durchgeführten Maßnahmen sogar möglich, dass die Anzahl der Arten wieder bis auf Null abnimmt. Dies ist bei den in der Regel bereits weit verbreiteten Arten der Managementliste aber nicht möglich. „Vor allem durch die internationalen Verkehrs- und Handelsströme gelangen nichtheimische Arten (Neobiota) nach Deutschland, die heimische Arten gefährden bzw. verdrängen können.“ (BMU 2007: 27f) 21 Bekämpfung der Herkulesstaude (Heracleum mantegazzianum) Zum Schutz der biologischen Vielfalt vor negativen Auswirkungen invasiver Arten strebt die Bundesregierung Folgendes an (BMU 2007): • Berücksichtigung der Problematik der als invasiv bekannten Arten in Managementplänen (S. 28), • Vermeidung der Einschleppung invasiver Arten insbesondere in aquatischen Lebensräumen (Meere, Stillund Fließgewässer) (S. 34, 35 und 37), • Überwachung, Früherkennung und Prävention (S. 66), • Anwendung der gesetzlichen Grundlagen aus Naturschutz und Pflanzenschutzrecht (S. 67), • Entwicklung von Empfehlungen zum Umgang mit invasiven Arten (S. 68). Aufbau 22 Für die Berechnung der beiden Teilindikatoren stehen derzeit als vorläufige Datengrundlage lediglich die vom Bundesamt für Naturschutz erstellten Entwürfe (Stand: März 2010) der Aktionsliste und der Managementliste der Schwarzen Liste invasiver Arten für Gefäßpflanzen und Fische zur Verfügung. Zusätzlich wurde eine weitere im Internet publizierte Liste invasiver Arten der Makrofauna des Gewässergrundes ausgewertet (http://www.aquatic-aliens. de), die alle der Managementliste zuzuordnen sind. Die Anzahl der Arten der Aktionsliste und der Managementliste werden jeweils über alle betrachteten Artengruppen summiert. Das Bundesamt für Naturschutz wird künftig die Schwarzen Listen für die genannten und für weitere Artengruppen herausgeben. Damit wird sich die Datengrundlage für die beiden Teilindikatoren erweitern. Komponenten der biologischen Vielfalt Siedlung und Verkehr Wirtschaftliche Nutzungen Klimawandel Die beiden Teilindikatoren werden für das Jahr 2010 vorläufig anhand der Entwürfe Schwarzer Listen für drei Artengruppen (Gefäßpflanzen, Fische und Makrofauna des Gewässergrundes) berechnet. Aktuell stehen demnach 40 invasive Arten auf der Managementliste der Schwarzen Liste. Auf der Aktionsliste sind insgesamt sechs invasive Arten verzeichnet, gegen die Sofortmaßnahmen zu ergreifen sind. Gesellschaftliches Bewusstsein Aussage In Zukunft ist die Differenzierung möglicher Abgänge von der Aktionsliste von Interesse: Abgänge infolge einer Beseitigung der Arten weisen auf erfolgreiche Sofortmaßnahmen hin. Abgänge von der Aktionsliste in die Managementliste bedeuten, dass Sofortmaßnahmen die Ausbreitung der Arten nicht stoppen konnten bzw. nicht ergriffen wurden. Um die Aussagen des Teilindikators zur Artenzahl der Aktionsliste künftig im Falle von Veränderungen des Indikatorwertes richtig zu interpretieren, müssen die Gründe für ein Herausfallen von Arten aus dieser Liste bekannt sein und ausgewertet werden. Die Bundesregierung hat in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt mehrere Maßnahmen vorgeschlagen, die geeignet sind, die Beeinträchtigung der biologischen Vielfalt durch invasive Arten zu verringern. Nach dem neuen Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG), das am 1. März 2010 in Kraft getreten ist, muss besonderer Wert auf die Prävention gelegt werden, um einer Gefährdung von Ökosystemen, Biotopen oder Arten durch invasive Arten entgegenzuwirken. Gelangen invasive Arten nach Deutschland, ist durch Früherkennung und Sofortmaßnahmen deren Ansiedlung oder weitere Ausbreitung zu verhindern. Invasive Arten Anzahl der Arten der vorläufigen Aktionsliste und der vorläufigen Managementliste der Schwarzen Liste invasiver Arten Ausgewertet wurden die Entwürfe der Schwarzen Listen für folgende Artengruppen: Gefäßpflanzen, Fische und Makrofauna des Gewässergrundes. 50 40 40 30 20 10 0 Anzahl der Arten der Aktionsliste Anzahl der Arten der Managementliste 6 2010 2012 Themenfelder der NBS B 1.1.2 Artenvielfalt, C 3 Biologische Sicherheit und Vermeidung von Faunen- und Florenverfälschung Definition Anzahl der Arten der Schwarzen Liste invasiver Arten getrennt nach der Aktions- und der Managementliste 2014 Grafik: BfN (2010), Daten: BfN (2010), http://www.aquatic-aliens.de Qualitätsziel Die Anzahl der Arten der beiden Listen ist zu minimieren. Kernaussage In 2010 gefährden 40 Arten der vorläufigen Managementliste der Schwarzen Liste invasiver Arten die biologische Vielfalt. Gegen sechs Arten der vorläufigen Aktionsliste sind Sofortmaßnahmen zu ergreifen. 23 Gebietsschutz Die Unterschutzstellung gefährdeter und schützenswerter Gebiete ist eines der wichtigsten Instrumente des Naturschutzes. In Deutschland existieren verschiedene Kategorien von Schutzgebieten mit jeweils sehr unterschiedlichen rechtlichen Vorgaben. Naturschutzgebiet Obere Ahr Der Indikator bilanziert die Ausweisung streng geschützter Gebiete als Maßnahme des Gebietsschutzes. Das BNatSchG sieht als Kategorien mit unterschiedlichem Schutzstatus Naturschutzgebiete, Nationalparke, Nationale Naturmonumente, Biosphärenreservate, Landschaftsschutzgebiete, Naturparke, Naturdenkmäler, geschützte Landschaftsbestandteile und gesetzlich geschützte Biotope (§§ 23-30 BNatSchG) sowie Schutzgebiete gemäß Natura 2000 (§ 32 BNatSchG) vor. Indikator Schutzgebiete stellen in einer fast flächendeckend von menschlichen Nutzungen (insbesondere Land- und Forstwirtschaft, Siedlung und Verkehr) geprägten Landschaft unabdingbare Rückzugsräume für die Tier- und Pflanzenwelt dar. In Naturschutzgebieten und Nationalparken gelten strenge Schutzregelungen, um die Erhaltung und Entwicklung seltener und gefährdeter Arten und Biotope sicherzustellen. Bei Nationalparken spielt zudem die Großräumigkeit eine besondere Rolle. Sie haben zum Ziel, in einem überwiegenden Teil ihres Gebietes einen möglichst ungestörten Ablauf der Naturvorgänge zu gewährleisten. Naturschutzgebiete und Nationalparke sichern wesentliche Bestandteile des nach § 21 BNatSchG aufzubauenden nationalen Biotopverbunds und der in Deutschland gelegenen Teile des europäischen Schutzgebietsnetzes Natura 2000. Sie leisten außerdem einen wichtigen Beitrag zu einem globalen Schutzgebietsnetz. Naturschutzgebiete und Nationalparke sind wichtige Instrumente zur Erhaltung der biologischen Vielfalt in Deutschland. Die Flächengröße dieser beiden Schutzgebietskategorien dient daher als Indikator der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt für Maßnahmen des Gebietsschutzes. Das europäische Schutzgebietsnetz Natura 2000 ist ein wesentlicher Baustein des Gebietsschutzes in Deutschland. Es dient der Bewahrung bzw. der Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der aus europäischer Sicht bedeutsamen Arten und Lebensraumtypen. Der Anteil der Natura 2000-Gebiete an der Landfläche Deutschlands beträgt 15,3 %. Diese Flächen werden sukzessive unter Schutz gestellt, wobei jedoch entsprechend den jeweiligen Erhaltungszielen die Gebiete nur teilweise als streng geschützte Gebiete (Naturschutzgebiete, Nationalparke oder Kern- bzw. Pflegezonen von Biosphärenreservaten) ausgewiesen werden. Der Indikator „Gebietsschutz“ bilanziert die Gesamtfläche der streng geschützten Gebiete in Deutschland. Dafür wird der prozentuale Anteil der Flächen der Naturschutzgebiete (NSG) und der Nationalparke (NLP) an der Landfläche Deutschlands ermittelt. Kern- und Pflegezonen der Biosphärenreservate (BR) sind hierin eingeschlossen, wenn sie als NSG oder NLP ausgewiesen wurden. In der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt setzt sich die Bundes­ regierung verschiedene Ziele mit Bezug zum Gebietsschutz: Bis 2010 soll Deutschland auf 10 % der Landesfläche über ein repräsentatives und funktionsfähiges System vernetzter Biotope verfügen. Außerdem soll sich bis 2020 die Natur auf 2 % der Fläche Deutschlands wieder ungestört entwickeln können. Bis 2010 soll zudem der Aufbau des europäischen Schutzgebietsnetzes Natura 2000 abgeschlossen sein. Mit der Ausweisung streng geschützter Gebiete (Naturschutzgebiete, Nationalparke) wird ein wichtiger Beitrag zur Erreichung dieser Ziele geleistet. 24 Nationalpark Eifel Das Aktionsfeld „Biotopverbund und Schutzgebietsnetze“ der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt stellt die zentrale Bedeutung der Ausweisung von Schutzgebieten und deren Vernetzung für die Erhaltung der biologischen Vielfalt heraus (BMU 2007: 64): „Die Artenvielfalt und die genetische Vielfalt wildlebender Pflanzen- und Tierarten wird insbesondere durch den Schutz ihrer Habitate und Lebensräume erhalten. Bei der Erhaltung reproduktionsfähiger Populationen spielen der Biotopverbund und Schutzgebietsnetze eine zentrale Rolle.“ Der Indikator summiert die von den Bundesländern seit 2000 jährlich gemeldeten Flächen der streng geschützten Gebiete. Es werden hierfür NSG und NLP getrennt aufgeführt. Nur im NLP „Unteres Odertal“ wurden Flächen sowohl als NSG als auch als NLP gemeldet. Diese werden bei der Bilanzierung des Indikators als NLP-Flächen gezählt. Die Flächenanteile der als NSG oder NLP ausgewiesenen Kern- und Pflegezonen der BR werden nicht gesondert aufgeführt. Aufbau „Bis zum Jahre 2020 kann sich die Natur auf 2 % der Fläche Deutschlands wieder nach ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten ungestört entwickeln und Wildnis entstehen. Bis 2010 besitzt Deutschland auf 10 % der Landesfläche ein repräsentatives und funktionsfähiges System vernetzter Biotope. Dieses Netz ist geeignet, die Lebensräume der wildlebenden Arten dauerhaft zu sichern und ist integraler Bestandteil eines europäischen Biotopverbunds.“ (BMU 2007: 28) Naturschutzgebiet Insel Vilm im Biosphären­reservat Südost-Rügen 25 Komponenten der biologischen Vielfalt Siedlung und Verkehr Aussage Wirtschaftliche Nutzungen Klimawandel Gesellschaftliches Bewusstsein Die Fläche der streng geschützten Gebiete stieg von 1.129.225 ha im Jahr 2000 auf 1.455.695 ha im Jahr 2008 kontinuierlich an. Dies entspricht bezogen auf die Landfläche Deutschlands für das Jahr 2000 einem Anteil von 3,2 % und für das Jahr 2008 von 4,1 %. Während die Fläche der NSG seit 2000 stetig angewachsen ist, vergrößerte sich die Fläche der NLP ausschließlich zwischen den Jahren 2003 und 2004 nach der Gründung der NLP „Eifel“ in NordrheinWestfalen und „Kellerwald-Edersee“ in Hessen. Der Anstieg der gesamten Fläche streng geschützter Gebiete liegt insbesondere in der nationalen Umsetzung des Natura 2000-Netzwerkes begründet. Da die Unterschutzstellung von Natura 2000-Gebieten in Deutschland noch nicht abgeschlossen ist, wird die Fläche der streng geschützten Gebiete voraussichtlich weiter zunehmen. Die Ausweisung von Schutzgebieten erfolgt durch die Länder. Der Bund kann diesen Prozess unterstützen (z. B. durch die Förderung von Naturschutzgroßprojekten). Neben einer formalen Ausweisung von Schutzgebieten ist auch eine effektive Betreuung und Pflege der Gebiete im Sinne der festgelegten Ziele des Naturschutzes notwendig. Darüber hinaus ist auch auf eine gute Vernetzung der Schutzgebiete zu achten. Eine Aussage über die Qualität aller bundesweit streng geschützten Gebiete kann bislang nicht getroffen werden. Angelaufen sind aber der Evaluierungsprozess für die deutschen Nationalparke und die bundesweite Erfassung des Erhaltungszustandes der durch die FFH-Richtlinie geschützten Lebensraumtypen und Arten (siehe Indikator „Erhaltungszustand der FFH-Lebensräume und FFH-Arten“). Gebietsschutz Anteil streng geschützter Gebiete an der Landfläche in % Statistisch signifikanter Trend hin zum Ziel 5 4,1 4 3 Im NLP „Unteres Odertal“ wurden Flächen sowohl als NSG als auch als NLP gemeldet. Diese Flächen zählen hier als NLP. 2 Nationalpark Naturschutzgebiet 1 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 Themenfelder der NBS B 1.1.3 Vielfalt der Lebensräume, C 1 Biotopverbund und Schutzgebietsnetze Definition Flächenanteil der Naturschutzgebiete (NSG) und der Nationalparke (NLP) sowie der als NSG oder NLP ausgewiesenen Kern- und Pflegezonen der Biosphärenreservate (BR) in Prozent der Landfläche Deutschlands 26 2006 2007 2008 Grafik: BfN (2010), Daten: Länder (2009) Qualitätsziel Mit der Ausweisung streng geschützter Gebiete wird ein wichtiger Beitrag geleistet u. a. zur Absicherung des nationalen Biotopverbundes und zur Unterschutzstellung von Natura 2000-Gebieten. Kernaussage Der Flächenanteil streng geschützter Gebiete ist von 2000 bis 2008 von 3,2 % auf 4,1 % der Landfläche Deutschlands gestiegen. Ökologischer Gewässerzustand Saubere, naturnahe Gewässer sind von herausragender Bedeutung für die Erhaltung der biologischen Vielfalt in Deutschland. In Flüssen, Bächen, Seen, Übergangsund Küstengewässern finden sich zahlreiche Arten und Lebensräume, die auf Beeinträchtigungen z. B. durch Nährstoffeinträge, Verschmutzungen oder Verbauungen sehr empfindlich reagieren. Bis in die 1970er Jahre belasteten insbesondere Abwässer aus Kläranlagen und der Industrie Naturnahes Fließgewässer sowie Einträge aus umliegenden landwirtschaftlich genutzten Flächen die Gewässer sehr stark. Vielfältige Bemühungen im Bereich der Gewässerreinhaltung während der letzten Jahrzehnte haben die biologische Wasserqualität insgesamt verbessert. Während sich die Abwasserbelastung verringerte und viele Tiere und Pflanzen in die sauberer gewordenen Gewässer zurückkehrten, bestehen in anderen Bereichen nach wie vor große Defizite. Verbauung, Begradigung und Entwässerung der Auen führten zu einer strukturellen Verarmung, zum Verlust an Artenvielfalt sowie zu einer Veränderung der natürlichen Abflussdynamik. Die Fließgewässer sind durchschnittlich alle 2 km durch ein Wehr für Organismen und Sediment nicht mehr durchgängig. Diese tief greifenden Veränderungen und Nährstoff­ einträge aus der Landwirtschaft sind heute wesentliche Belastungsfaktoren unserer Gewässer. Der Indikator gibt Auskunft über den ökologischen Zustand von Flüssen, Bächen, Seen, Übergangs- und Küstengewässern. Nach den Vorgaben der EG-Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG vom 23. Oktober 2000 und der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie 2008/56/EG wird ein ganzheitliches Schutz- und Nutzungskonzept für die europäischen Oberflächengewässer verfolgt. Ziel ist dabei der gute ökologische und chemische Zustand. Der vorliegende Indikator bilanziert den guten ökologischen Zustand, der definiert ist als geringfügige Abweichung von den jeweiligen natürlichen Bedingungen. Der Indikator bilanziert den Anteil der Wasserkörper der Flüsse, Bäche, Seen, Übergangs- und Küstengewässer, die sich in einem guten oder sehr guten ökologischen Zustand befinden, an der Gesamtanzahl aller bewerteten Wasserkörper. Die Gewässerbewertung gemäß Wasserrahmenrichtlinie orientiert sich dabei an den im Wasser lebenden Organismen, da die Zusammensetzung der aquatischen Lebensgemeinschaften des jeweiligen Gewässertyps die Gesamtheit aller Einflussfaktoren widerspiegelt. Gemäß den Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie und den Zielsetzungen der NBS sollen bis zum Jahr 2015 grundsätzlich alle Wasserkörper mindestens einen guten ökologischen Zustand erreichen. Für erheblich veränderte und künstliche Gewässer gilt als Ziel das sogenannte gute ökologische Potenzial. Dieses Ziel berücksichtigt, dass aufgrund von Nutzungen in solchen Gewässern nicht alle natürlicherweise vorkommenden Habitate wiederhergestellt werden können. Es ist zu beachten, dass die Wasserrahmenrichtlinie Fristverlängerungen bis 2027 und andere Ausnahmen von der Zielsetzung zulässt. Indikator „Bis zum Jahre 2015 ist für die Gewässer im Küstenraum ein guter ökologischer und chemischer Qualitätszustand erreicht.“ (BMU 2007: 33) „Bis 2015 ist mindestens ein guter ökologischer und chemischer Zustand (WRRL) [der Seen, Weiher und Teiche] erreicht […].“ (BMU 2007: 34) 27 Aufbau Der Indikator basiert auf Erhebungen der Gewässer nach den Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie. Dabei wird der ökologische Zustand einzelner Flussabschnitte, Seen oder Küstengewässerteile bewertet. Grundeinheit der Erfassungen sind sogenannte Wasserkörper, die als räumlich getrennt gelten, wenn sich deren Kategorie (Fluss, See, Übergangs- oder Küstengewässer), deren Typ (z. B. kiesgeprägte Ströme, sandgeprägte Tieflandbäche) oder deren Zustand (z. B. gut, mäßig) ändert. In die Bewertung gehen Fließgewässer mit einem Einzugsgebiet von mindestens 10 km² und Seen mit einer Größe von mindestens 50 ha ein. In Deutschland gibt es knapp 9.900 Wasserkörper (9.070 in Flüssen und Bächen, 710 in Seen, 5 in Übergangs- und 74 in Küstengewässern). „Bis 2015 ist entsprechend den Vorgaben der WRRL ein guter ökologischer und chemischer Zustand bzw. ökologisches Potenzial der Flüsse erreicht; die ökologische Durchgängigkeit ist wiederhergestellt. […] Der Bestand der für das jeweilige Fließgewässer charakteristischen Fischfauna ist dauerhaft gesichert.“ (BMU 2007: 35) Die ökologische Zustandsklasse eines Wasserkörpers ergibt sich aus dem Grad der Abweichung vom natürlichen Zustand des Gewässertyps hinsichtlich Vorkommen und Häufigkeit der lebensraumtypischen Arten. Es werden fünf Klassen unterschieden: sehr gut, gut, mäßig, unbefriedigend und schlecht. Die biologische Qualitätskomponente mit der schlechtesten Bewertung bestimmt die Klassenzugehörigkeit. Zur Bewertung werden die Wirbellosenfauna (Makrozoobenthos), die Fischfauna sowie Pflanzen (Makrophyten, Phytobenthos, Phytoplankton) herangezogen. Wenn die Umweltqualitätsnorm eines regional bedeutenden Schadstoffes nicht eingehalten wird, kann der ökologische Zustand bestenfalls als mäßig bewertet werden. Ferner müssen die Werte für physikalisch-chemische Parameter, wie Nährstoffgehalte, Temperatur oder Salzgehalte, in einem Bereich liegen, der die Funktionsfähigkeit des Ökosystems gewährleistet. Die Überwachungsergebnisse des ökologischen Zustandes der Gewässer werden in Bewirtschaftungsplänen dokumentiert. Termin für die ersten Pläne war der 22. Dezember 2009. Der erste Bewirtschaftungszyklus läuft bis Dezember 2015. Danach werden zwei weitere Zyklen von jeweils 6 Jahren folgen. Innerhalb eines Zyklus wird jedes Jahr ein Teil der Gewässer neu bewertet. Somit liegen beginnend mit dem Jahr 2009 alle 6 Jahre neue Daten zum ökologischen Zustand aller deutschen Gewässer vor. Makrozoobenthos: Mit bloßem Auge erkennbare wirbellose Tiere, die in oder auf der Gewässersohle leben Makrophyten: Mit bloßem Auge erkennbare Wasserpflanzen Phytobenthos: Am Gewässerboden auf­ wachsende Algen Phytoplankton: Im Wasser frei schwebende Algen Köcherfliegenlarve 28 Komponenten der biologischen Vielfalt Siedlung und Verkehr Wirtschaftliche Nutzungen Klimawandel Nach den Bewertungsmaßstäben der Wasserrahmenrichtlinie zeigt sich, dass im Jahr 2009 nur 10 % der Wasserkörper einen guten oder sehr guten ökologischen Zustand erreichten. Dieses Gesamtergebnis spiegelt im Wesentlichen die Bewertung der Fließgewässer (9 % in einem guten oder sehr guten ökologischen Zustand) in Deutschland wider, da diese den größten Teil der Wasserkörper stellen. Das Ergebnis für die Seen war positiver. Hier erreichten 39 % einen guten oder sehr guten ökologischen Zustand. Schlechter stand es um die Küsten- und besonders die Übergangsgewässer, die den guten ökologischen Zustand in nahezu allen Wasserkörpern verfehlten. Die häufigsten Ursachen für das Nicht-Erreichen des guten ökologischen Zustands sind bei den Fließgewässern Veränderungen der Hydromorphologie (z. B. durch Verbauung, Begradigung und regelmäßige Unterhaltung) sowie die fehlende Durchgängigkeit und die hohen, größtenteils aus der Landwirtschaft stammenden Nährstoffeinträge. Diese Beeinträchtigungen schlagen sich in massiven Veränderungen der natürlichen Lebensgemeinschaften nieder. Bei den Seen, Übergangs- und Küstengewässern sind die Nährstoffbelastungen die wichtigste Ursache. Gesellschaftliches Bewusstsein Aussage Ökologischer Gewässerzustand Anteil der Wasserkörper im guten oder sehr guten ökologischen Zustand an der Gesamtanzahl aller bewerteten Wasserkörper in % 100 Zielwert von 100 % im Jahr 2015 Der aktuelle Wert liegt noch sehr weit vom Zielbereich entfernt. 80 60 40 20 10 0 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Grafik: BfN (2010), Daten: UBA (2010), Berichtsportal WasserBLIcK (http://www.wasserblick.net) BfG (2010) Themenfelder der NBS B 1.2.2 Küsten und Meere, B 1.2.3 Seen, Weiher, Teiche und Tümpel, B 1.2.4 Flüsse und Auen, C 4 Gewässerschutz und Hochwasservorsorge Zielwert Bis zum Jahr 2015 erreichen prinzipiell 100 % der Wasserkörper einen guten oder sehr guten ökologischen Zustand. Definition Anteil der Wasserkörper der Flüsse, Bäche, Seen, Übergangs- und Küstengewässer, die sich in einem guten oder sehr guten ökologischen Zustand befinden, an der Gesamtanzahl aller bewerteten Wasserkörper Kernaussage Nur 10 % der Wasserkörper befanden sich im Jahr 2009 in einem guten oder sehr guten ökologischen Zustand. Die häufigsten Ursachen für Beeinträchtigungen sind Veränderungen der Gewässerstruktur und hohe Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft. 29 Zustand der Flussauen Flüsse und ihre Auen haben eine große Bedeutung für die Erhaltung der biologischen Vielfalt. Sie sind Lebensraum zahlreicher an die spezifischen Standortbedingungen – insbesondere Dynamik von Überflutungen und Wasserangebot – angepasster Arten und stellen häufig überregional bedeutsame Biotopverbundachsen dar. Insbesondere den Auen kommt zudem eine wichtige Rolle als Überflutungsraum zu, der wesentlich zum Schutz vor Hochwasserschäden beiträgt. Beide Themenkomplexe – Schutz der biologischen Vielfalt an Gewässern und Hochwasservorsorge – sind daher elementare Bestandteile des Aktionsfeldes C4 „Gewässerschutz und Hochwasservorsorge“ der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt. Donauaue bei Neuburg Der Indikator gibt Auskunft über den Zustand der Flussauen als Lebensraum von Pflanzen und Tieren. Als Ergebnis mehrerer Forschungsvorhaben wurde 2009 ein Auenzustandsbericht für die größeren Flussauen in Deutschland veröffentlicht (BMU & BfN 2009). Damit konnte erstmals deutschlandweit der Zustand der Flussauen dargestellt werden. Die Daten eignen sich zur Überprüfung der in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt genannten Ziele in Hinblick auf eine Verbesserung des Zustandes der Auen. Bis 2020 sollen hiernach Fließgewässer und Auen in ihrer Funktion als Lebensraum soweit gesichert werden, dass eine für Deutschland naturraumtypische Vielfalt an Organismen und Biotopen gewährleistet ist. Weiterhin sollen bis 2020 Maßnahmen greifen, damit der überwiegende Teil der Fließgewässer wieder über mehr natürliche Überflutungsräume verfügt (Vergrößerung der aktuellen Rückhalteflächen an Flüssen um mindestens 10 %). Indikator Der neu entwickelte Indikator wird als Indexwert berechnet, der den Auenzustand aller im Auenzustandsbericht erfassten Flussauen berücksichtigt. Der Auenzustand stellt eine Übersichtsbewertung der morphologischen und hydrologischen Standortbedingungen sowie der Nutzung der Auen dar. Diese Faktoren bestimmen maßgeblich die Qualität der Lebensräume für Pflanzen und Tiere in Auen. Als konkreter Zielwert wird für den Indikator auf Grundlage der Ergebnisse des Auenzustandsberichtes eine Verbesserung des bundesweiten Auenzustandes um 10 Prozentpunkte bis 2020 gegenüber dem Indikatorwert im Jahr 2009 angestrebt. Aufbau 30 Die Datengrundlage für den Indikator ist der Auenzustandsbericht 2009. Untersucht wurden die heute noch überflutbaren Teile der Flussauen jeweils beginnend an der Stelle des Flusses, an der das Einzugsgebiet 1.000 km² überschreitet. Die Tidebereiche der Flüsse wurden nicht erfasst. Der Untersuchungsraum umfasst somit die größeren Auen von insgesamt 79 Flüssen (10.276 Flusskilometer, Gesamtfläche der Auen 15.533 km²) und gliedert sich in die Haupteinzugsgebiete von Rhein, Elbe, Donau, Weser, Ems, Oder, Maas sowie der direkten Zuflüsse zur Nord- und Ostsee. Die Bewertung der Auen erfolgt für jeweils 1 km lange Auensegmente getrennt für den rechts und links des Fließgewässers gelegenen Teil der Aue. Dabei werden drei wichtige funktionale Aspekte der Aue betrachtet: das Auenrelief, die Dynamik des Abflusses sowie die Verteilung von Vegetation und Landnutzungen (s. nach­ folgende Grafik). Funktionale Einheit 1 Veränderbarkeit der Geländeformen und Gewässer der Aue (Morphodynamik) Malus Rückstau Funktionale Einheit 2 Wasserstandsschwankungen (Hydro­ dynamik), Abfluss und Überflutung Gesamtbewertung pro Auensegment Bonus Funktionale Einheit 3 Ausbreitungsmöglichkeiten für Arten (Konnektivität) Vegetation und Flächennutzung In die Bewertung der Hauptfunktionen fließen eine Vielzahl auenrelevanter Parameter ein, die aus unterschiedlichen bundesweit verfügbaren Datenquellen stam­men, insbesondere Gewässerstrukturdaten und Flächennutzungsdaten aus dem Digitalen Landschaftsmodell (DLM25). „Bis 2020 sind Fließgewässer und ihre Auen in ihrer Funktion als Lebensraum soweit gesichert, dass eine für Deutschland naturraumtypische Vielfalt gewährleistet ist. [...] Bis 2020 verfügt der überwiegende Teil der Fließgewässer wieder über mehr natürliche Überflutungsräume.“ (BMU 2007: 35) Der Flussuferläufer (Actitis hypoleucos) ist ein typischer Auenbewohner. Die Auenzustandsbewertung unterscheidet fünf Zustandsklassen von „sehr gering verändert“ (Klasse 1) bis „sehr stark verändert“ (Klasse 5). Die Bewertung basiert auf Leitbildern der bundesweiten Auentypologie nach Koenzen (2005). Ebenso wie die Bewertungen nach der europäischen Wasserrahmenrichtlinie bezieht sie sich auf einen vom Menschen unbeeinflussten Referenzzustand, im Falle der Auen auf den „potenziell natürlichen Zustand“. Bei der Indexberechnung erfolgt eine progressive Gewichtung der Zustandsklassen. Der Indikatorwert liegt theoretisch zwischen 0 % (alle Auen sind sehr stark verändert) und 100 % (alle Auen sind nur sehr gering verändert). Klasse Bezeichnung Gewichtungsfaktor 1 Sehr gering verändert 16 2 Gering verändert 8 3 Deutlich verändert 4 4 Stark verändert 2 5 Sehr stark verändert 0 31 Auenzustandsklassen Sehr gering verändert (1) Gering verändert (2) Deutlich verändert (3) Stark verändert (4) Sehr stark verändert (5) Nicht bewertet Abschnitte mit eingeschränkter Datenlage sind in blassen Farben dargestellt. Zustand der Flussauen in Deutschland (Brunotte et al. 2009) 32 © Bundesamt für Naturschutz (BfN) 2009 Komponenten der biologischen Vielfalt Siedlung und Verkehr Wirtschaftliche Nutzungen Klimawandel Der Indikatorwert beträgt 2009 für die Flussauen in Deutschland 19 %. Er spiegelt die insgesamt starke Beeinträchtigung der Flussauen in Deutschland wider und entspricht einer durchschnittlichen Einstufung aller Auensegmente zwischen den Zustandsklassen „deutlich verändert“ (Klasse 3) und „stark verändert“ (Klasse 4). Nur etwa 10 % aller Abschnitte wurden als „sehr gering verändert“ (Klasse 1) oder „gering verändert“ (Klasse 2) bewertet. Gesellschaftliches Bewusstsein Aussage Bezogen auf die Einzugsgebiete ist tendenziell ein Nord-Süd-Gefälle erkennbar (siehe Karte): Während insbesondere die kleinen Ostseezuflüsse einen Verlust an Überschwemmungsflächen von nur etwa einem Drittel sowie mehrheitlich gering veränderte Auen aufweisen (Indikatorwert 42 %), sind vor allem die Flussauen im Einzugsbereich von Donau (Indikatorwert 21 %) und Rhein (Indikatorwert 13 %) meist deutlich bis sehr stark verändert. Gerade an diesen Flüssen machen sich massive Eingriffe in die Gewässer- und Auendynamik sowie in die Abflussdynamik bemerkbar. Wesentliche Ursachen für den insgesamt schlechten Zustand sind die intensive Nutzung der Auen, eine starke Einschränkung der Überschwemmungsräume sowie der weitreichende Gewässerausbau und die Staubeeinflussung. Um die biologische Vielfalt in Flussauen zu schützen und zu entwickeln, bedarf es künftig großer Anstrengungen. Die Bundesregierung hat sich daher vorgenommen, bis 2020 den Zustand von Fließgewässern und Auen deutlich zu verbessern und Maßnahmen zu ergreifen, um natürliche Überflutungsräume in Flussauen zu vergrößern. Zustand der Flussauen Der aktuelle Wert liegt noch weit vom Zielbereich entfernt. Index Auenzustand in % 100 80 60 40 20 0 Zielwert von 29 % im Jahr 2020 19 2010 2012 2014 2016 2018 2020 Grafik: BfN (2010), Daten: Planungsbüro Koenzen, Universität zu Köln (2009) Themenfelder der NBS B 1.2.4 Flüsse und Auen, C 4 Gewässerschutz und Hochwasservorsorge Zielwert Verbesserung des bundesweiten Auenzustandes um 10 Prozentpunkte bis 2020 gegenüber dem Indikatorwert von 2009 (Anstieg auf 29 %) Definition Index (Maßzahl in %) über die gewichteten Zustandsklassen aller im Auenzustandsbericht erfassten größeren Flussauen Deutschlands Kernaussage Die größeren Flussauen in Deutschland sind insgesamt stark beeinträchtigt (Indikatorwert 2009 beträgt 19 %). Um die biologische Vielfalt in Flussauen zu schützen und zu entwickeln, bedarf es auch künftig großer Anstrengungen. 33 2.2 Siedlung und Verkehr Siedlung und Verkehr in der Metropolregion Rhein-Ruhr (Beispiel Düsseldorf) 34 Flächeninanspruchnahme Unbebaute Flächen sind eine begrenzte und gleichwohl begehrte Ressource. Um ihre Nutzung konkurrieren z. B. Land- und Forstwirtschaft, Siedlung und Verkehr, Naturschutz, Rohstoffabbau und Energieerzeugung, wobei sich insbesondere die Siedlungs- und Verkehrsflächen stetig ausdehnen. Unbebaute Flächen sind notwendig, um die Leistungen des Naturhaushaltes für den Menschen zu sichern, die biologische Vielfalt zu erhalten und dem Menschen die Erholung in der freien Natur und auf Freiflächen zu ermöglichen. Flächen, die für Siedlungen und Verkehr genutzt werden, Neubaugebiet auf der „Grünen Wiese“ gehen dort als Flächen für die Land- und Forstwirtschaft oder für naturnahe Entwicklungen verloren. Zu den direkten Umweltfolgen der Ausweitung von Siedlungs- und Verkehrsflächen zählen der Verlust der natürlichen Bodenfunktionen durch Versiegelung, der Verlust fruchtbarer landwirtschaftlicher Flächen oder der Verlust naturnaher Flächen mit ihrer Biodiversität. Zudem zieht jede Neuerschließung von Bauflächen im Umfeld der Städte und außerhalb der bisherigen Siedlungskerne weiteren Verkehr und Flächenzerschneidung nach sich. Dies führt zu Folgelasten wie Lärm und Schadstoffemissionen, aber auch zu erhöhtem Aufwand für die Bereitstellung der nötigen Infrastruktur. Der Indikator „Flächeninanspruchnahme“ wurde als Schlüsselindikator für die Nachhaltigkeit der Raumnutzung im Rahmen der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie ausgewählt und in die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt übernommen. Er wird aktuell auch im Indikatorenbericht 2010 zur Natio­ nalen Nachhaltigkeitsstrategie berichtet (Statistisches Bundesamt 2010). Der Indikator gibt Auskunft über die Beeinträchtigung der biologischen Vielfalt durch Flächeninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrszwecke. Der Indikator bildet die durchschnittliche Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche in Hektar pro Tag in Deutschland ab. Die im Indikator berücksichtigten Flächen umfassen „Gebäude- und Freifläche, Betriebsfläche (ohne Abbauland)“, „Erholungsfläche, Friedhof“ sowie „Verkehrsfläche“. Siedlungsund Verkehrsfläche und versiegelte Fläche können nicht gleichgesetzt werden, da in die Siedlungs- und Verkehrsfläche auch unbebaute und nicht versiegelte Flächen eingehen. Auf aktuellen Studien beruhende Schätzungen ergeben für die Siedlungs- und Verkehrsfläche einen Versiegelungsgrad von 43 bis 50 %. Auch unter den Erholungsflächen gibt es solche, die versiegelt sind (z. B. Sportplätze). Indikator Mit dem Beschluss der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie im April 2002 folgte die Bundesregierung der Empfehlung des Rats für Nachhaltige Entwicklung und legte für das Jahr 2020 als Zielwert eine durchschnittliche tägliche Neuinanspruchnahme von Flächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke von höchstens 30 ha fest. Der Verlauf des Indikators zeigt an, ob es künftig gelingen wird, die Ausweitung von Siedlungs- und Verkehrsflächen zu Lasten naturnäherer Lebensräume zu begrenzen. „Die Bundesregierung hat sich in der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie zum Ziel gesetzt, bis 2020 die Inanspruchnahme neuer Siedlungs- und Verkehrsflächen auf höchstens 30 ha pro Tag zu verringern.“ (BMU 2007: 78) 35 Aufbau Die im Indikator berücksichtigten Flächen umfassen • Gebäude- und Freiflächen, Betriebsflächen (ohne Abbauland), • Erholungsflächen, Friedhöfe sowie • Verkehrsflächen. Als Datengrundlage dienen die Angaben der automatisierten Liegenschafts­ bücher zu Siedlungs- und Verkehrsflächen, die von den Statistischen Landesämtern ausgewertet und vom Statistischen Bundesamt zusammengeführt werden. Um einen anschaulichen Indikatorwert zu erhalten, wird die Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche für jedes bilanzierte Jahr als Mittelwert in Hektar pro Tag berechnet. Da auf ein einzelnes Jahr bezogene Aussagen häufig durch externe Effekte – in erster Linie methodische Umstellungen in den amtlichen Liegenschaftskatastern – beeinflusst sind, spiegeln mehrjährige Durchschnittswerte (hier das gleitende Vierjahresmittel dargestellt als Kurve) die langfristige Entwicklung besser wider. Allein für Verkehrsflächen werden jeden Tag durchschnittlich über 20 ha neu in Anspruch genommen. Aussage Die Werte des gleitenden Vierjahresmittels zeigen, dass die Inanspruchnahme neuer Flächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke seit 2000 zurückgegangen ist. Während der Wert des gleitenden Vierjahresmittels im Jahr 2000 noch bei 129 ha pro Tag lag, ist er bis zum Jahr 2009 auf 94 ha pro Tag gesunken. Im Jahr 2009 entfielen im Einzelnen von der Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche (78 ha pro Tag) auf Gebäude- und Freiflächen sowie Betriebs­ flächen 18 ha pro Tag, auf Erholungsflächen und Friedhöfe 32 ha pro Tag sowie auf Verkehrsflächen 28 ha pro Tag. Vor allem die erwähnten Umstellungsarbeiten in den Liegenschaftskatastern begründen dabei den in den letzten Jahren relativ hohen Anteil von Erholungsflächen am Zuwachs der Siedlungs- und Verkehrsfläche. Die Zunahme der Verkehrsflächen ist über den gesamten bilanzierten Zeitraum unverändert hoch. Die entsprechenden Werte schwanken zwischen Die Bundesregierung hat sich bei der Flächeninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrszwecke u. a. folgende Ziele gesetzt (BMU 2007: 51): • Umlenkung der Flächeninanspruchnahme auf die Wiedernutzbarmachung von Flächen, • Nachverdichtung und andere Maßnahmen zur Innenentwicklung, Ziel ist ein Verhältnis von Innenentwicklung zu Außenentwicklung von insgesamt 3 : 1, • Veränderung der ökonomischen und fiskalischen Rahmenbedingungen für einen sparsamen Umgang mit Flächen und die Aktivierung von Brachen und Altstandorten, • konsequente Anwendung des vorhandenen Planungsinstrumentariums zur Verminderung der Flächeninanspruchnahme und, sofern erforderlich, Weiterentwicklung der Planungsinstrumente, • Intensivierung der interkommunalen Kooperation bei der Ausweisung von Standorten für Wohn- und Gewerbeflächen auf der Grundlage bereits heute existierender Pilotprojekte ab sofort. 36 Komponenten der biologischen Vielfalt Wirtschaftliche Nutzungen Siedlung und Verkehr Klimawandel Gesellschaftliches Bewusstsein 20 und 28 ha pro Tag. Die Straßenverkehrsfläche hat sich zwischen 1992 und 2008 um 5,9 % erhöht. Die noch deutlichere Zunahme der gefahrenen Kilometer um 17,0 % in diesem Zeitraum zeigt, dass sich gleichzeitig die Nutzung der vorhandenen Straßen weiter intensiviert hat und hier keine Trendwende zu erwarten ist. Wichtig im Hinblick auf die künftige Entwicklung erscheint zudem die Erkenntnis, dass die Siedlungsfläche der privaten Haushalte in der Zeit von 1992 bis 2008 um 28,3 % angestiegen ist, was im wesentlichen auf den deutlich gestiegenen Wohnflächenanspruch pro Kopf (Anstieg um 18,5 % zwischen 1992 und 2006) zurückzuführen ist. Eine Fortsetzung der durchschnittlichen jährlichen Entwicklung der letzten Jahre würde nicht genügen, das Reduktionsziel von maximal 30 ha täglicher Neuinanspruchnahme von Flächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke bis zum Jahr 2020 zu erreichen. Es ist daher notwendig, Instrumente zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme in allen Bereichen der Siedlungs- und Verkehrsflächen weiter konsequent zu stärken. In der Siedlungsentwicklung ist insbesondere auf die Wiedernutzung von Industrie- und anderen Flächenbrachen zu setzen. Innenentwicklung ist vor Außenentwicklung durchzuführen. Die Inanspruchnahme neuer Flächen für Verkehrszwecke soll in Zukunft, entsprechend den Zielsetzungen der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt, zurückgehen. Handlungsbedarf besteht außerdem in Hinblick auf eine Sensibilisierung der privaten Haushalte für eine stärkere Reduzierung der Neuinanspruchnahme von Siedlungsflächen. Flächeninanspruchnahme Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche in ha pro Tag Der aktuelle Wert liegt noch sehr weit vom Zielbereich entfernt. 140 Statistisch signifikanter Trend hin zum Zielwert 120 94 100 78 80 Gleitendes Vierjahresmittel 60 Zielwert von 30 ha im Jahr 2020 40 Gebäude- und Freifläche, Betriebsfläche (ohne Abbauland) Erholungsfläche, Friedhof Verkehrsfläche 20 0 1992-1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2020 Grafik: BfN (2010), Daten: Statistisches Bundesamt (2009) Themenfelder der NBS B 2.7 Flächeninanspruchnahme für Siedlung und Verkehr, C 9 Siedlung und Verkehr Zielwert Bis zum Jahr 2020 soll die Inanspruchnahme neuer Flächen für Siedlungsund Verkehrszwecke auf durchschnittlich 30 ha pro Tag reduziert werden. Definition Durchschnittliche Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche in ha pro Tag (gleitendes Vierjahresmittel) Kernaussage Das gleitende Vierjahresmittel ist von 129 ha pro Tag im Jahr 2000 auf 94 ha pro Tag im Jahr 2009 gesunken. Trotz des positiven Trends ist der aktuelle Wert noch sehr weit vom Zielwert entfernt. Daher müssen Instrumente zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme gestärkt und konsequent angewandt werden. 37 Landschaftszerschneidung Autobahnkreuz Der Indikator stellt die Beeinträchtigung der biologischen Vielfalt in Folge der Zerschneidung der Landschaft dar. Das Ziel, unzerschnittene verkehrsarme Räume zu erhalten, stammt ursprünglich aus der Erholungsvorsorge, wird aber inzwischen auch auf die Erhaltung der biologischen Vielfalt bezogen. Bei der Analyse der Zerschneidung der Landschaft werden Straßen, Bahnlinien und Kanäle als wichtige Teile von Verkehrsnetzen betrachtet. Unzerschnittene verkehrsarme Räume sind definiert als Flächen von mindestens 100 km² Größe (UZVR ≥ 100 km²), die nicht von Verkehrsnetzen zerschnitten sind. Bei der Beurteilung der Zerschneidungswirkung von Straßen wird auch die Verkehrsmenge berücksichtigt, da die Barrierewirkung für Arten mit steigendem Verkehrsaufkommen zunimmt. Mit dem Konzept der UZVR lässt sich die großräumige Landschaftszerschneidung in ihrer quantitativen Dimension sehr gut beschreiben. Differenzierte Aussagen zur Funktion, Qualität und Zerschneidung einzelner Lebensräume innerhalb der UZVR sind jedoch nicht möglich. Da sich die UZVR aber in weniger stark durch Siedlungen und Verkehr geprägten Landschaften befinden, weisen sie auf eine größere Naturnähe im Vergleich zu stark zerschnittenen Räumen hin. Zudem werden die UZVR in geringerem Ausmaß durch dauerhafte verkehrsbedingte Emissionen wie z. B. Lärm beeinträchtigt. Naturnähe von Lebensräumen und das Fehlen verkehrsbedingter Störungen sind Faktoren, die sich insgesamt positiv auf das Vorkommen vieler Arten auswirken und eine wesentliche Bedeutung für die Erhaltung der biologischen Vielfalt haben. Indikator „Der derzeitige Anteil der unzerschnittenen verkehrsarmen Räume ≥ 100 km2 (UZVR) bleibt erhalten.“ (BMU 2007: 52) 38 Der Indikator misst das Ausmaß der Zerschneidung Deutschlands durch das Verkehrsnetz im Landschaftsmaßstab (1 : 250.000). Dabei gibt es zwei Berechnungsansätze, die für zwei gleichberechtigte Teilindikatoren verwendet werden. Zum einen wird der Flächenanteil unzerschnittener verkehrsarmer Räume (UZVR) mit einer Mindestgröße von 100 km² an der Landfläche Deutschlands bestimmt. Zum anderen liefert die effektive Maschenweite (Meff) eine Aussage zum mittleren Zerschneidungsgrad eines Gebietes – ausgedrückt als Flächengröße gedachter Maschen eines regelmäßigen Netzes, das den gleichen Zerschneidungsgrad wie das untersuchte Gebiet aufweist. Meff eignet sich somit auch zur Beschreibung des Zustands stark fragmentierter Landschaften sowie zur Darstellung gradueller Veränderungen der Zerschneidung in bereits stark zerschnittenen Gebieten. Die Bundesregierung hat in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt als Ziel festgelegt, den derzeitigen Anteil der unzerschnittenen verkehrsarmen Räume (UZVR ≥ 100 km²) zu erhalten. Da für das Jahr der Verabschiedung der Strategie 2007 kein Wert vorliegt, wird die Zielformulierung ersatzweise auf den Wert des Jahres 2005 bezogen (25,4 %). Die Daten zu den Verkehrswegen stammen aus dem bundesweiten digitalen Landschaftsmodell (DLM 250). Hinzu kommen Verkehrszählungsdaten von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) und den Bundesländern. Als zerschneidende Verkehrsachsen werden Straßen (Autobahnen, Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) ab einer Verkehrsstärke von 1.000 Kfz pro Tag, mindestens zweigleisige oder eingleisige elektrifizierte Bahnstrecken sowie Kanäle mit dem Status einer Bundeswasserstraße (Kategorie IV oder größer) gewertet. Es wird die Zerschneidung der Landfläche Deutschlands durch die genannten Verkehrsachsen analysiert. Dabei werden auch Flächen von Siedlungen und Flughäfen mit einer Ausdehnung von mehr als 93 ha als zerschneidende Barrieren betrachtet. Im Ergebnis kann die Lage, Zahl und Gesamtfläche aller Teilräume bestimmt werden, die UZVR ≥ 100 km² sind. Detaillierte Verkehrszählungsdaten werden erst seit dem Jahr 2000 berücksichtigt. Die Werte früherer Analysen sind daher nicht mit den neueren Werten vergleichbar. Aufbau Es liegen zwei Indikatorberechnungen vor, die auf Daten der Jahre 2000 und 2005 basieren. Die Bilanzierung ergibt, dass in Deutschland zwischen 2000 und 2005 durch neue Verkehrsachsen und durch die Zunahme von Siedlungsflächen 18 UZVR mit einer Mindestgröße von 100 km² verloren gegangen sind. Damit ging der Anteil der UZVR an der Landfläche Deutschlands von 26,5 % auf 25,4 % zurück. Die effektive Maschenweite (Meff) eines gedachten regelmäßigen Zerschneidungsnetzes verkleinerte sich entsprechend von 84 km² auf 81 km². Aussage Deutschland verfügt über ein gut ausgebautes Verkehrsnetz, so dass zukünftig der Schwerpunkt der Investitionen auf den Bereich der Erhaltung zu legen ist. Wenn es gelingt, künftig den Schwerpunkt der Investitionen auf das Netz bestehender Verkehrsachsen zu legen, ist eine Erhaltung des derzeitigen Anteils an unzerschnittenen verkehrsarmen Räumen möglich. In den aktuellen Bundesverkehrswegeplan 2003 ist diese Strategie beispielsweise bereits eingeflossen. Rothirsche (Cervus elaphus) benötigen Verbindungskorridore zwischen Sommer- und Winterquartier. 39 Im Aktionsfeld C 9 „Siedlung und Verkehr“ hat die Bundesregierung eine Vielzahl von Maßnahmen beschlossen (BMU 2007), darunter • die Verankerung der Konzepte „Unzerschnittene verkehrsarme Räume“ und „Lebensraumkorridore“ sowie der Lärmminderung in der Strategischen Umweltprüfung für Verkehrswegeplanungen, • die Entwicklung von Naturschutzstandards zur Beurteilung von erheblichen Beeinträchtigungen der Biodiversität durch Wirkfaktoren insbesondere der Verkehrswegeplanung, • die Entwicklung eines bundesweiten Konzeptes zur Sicherung und Wiederherstellung von unzerschnittenen verkehrsarmen Räumen, • die Fortentwicklung des Indikators „Unzerschnittene verkehrsarme Räume“ unter Berücksichtigung europäischer Entwicklungen und dessen regelmäßige Dokumentation alle 5 Jahre. Für den Schutz der biologischen Vielfalt ist es besonders wichtig, dass Lebensraumnetzwerke nicht weiter zerschnitten werden. Beim Neu- und Ausbau von Bundesverkehrswegen ist die Berücksichtigung einer ausreichenden ökologischen Durchlässigkeit bereits gängige Praxis. Soweit die Erforderlichkeit derartiger Maßnahmen nachgewiesen wird, werden regelmäßig Querungshilfen für Tiere wie beispielsweise Tierdurchlässe oder Grünbrücken vorgesehen. Darüber hinaus erarbeiten das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ein Bundesprogramm „Wiedervernetzung“. Das Bundes­ programm enthält eine Liste der prioritären Wiedervernetzungsabschnitte im Bundesfernstraßennetz und ist damit Grundlage für den Bau von Querungs­ hilfen an den wichtigsten Bereichen im Netzwerk der Lebensraumkorridore. Im Rahmen des Konjunkturpakets II werden als Vorleistung auf das Bundesprogramm bis Ende 2011 in 18 Grünbrücken ca. 80 Mio. Euro investiert. Die Bundesregierung hat sich hierzu folgende Ziele gesetzt (B 2.8 Mobilität): „Neue Verkehrswege (v. a. Straße, Wasserstraße, Schiene) weisen eine ausreichende ökologische Durchlässigkeit auf (z. B. Fischtreppen in Fließgewässern, Grünbrücken an Verkehrs­ wegen). Bis 2020 gehen von den bestehenden Verkehrswegen in der Regel keine erheblichen Beeinträchtigungen des Biotopverbundsystems mehr aus.“ Grünbrücke über der A 20 in Mecklenburg-Vorpommern 40 Komponenten der biologischen Vielfalt Wirtschaftliche Nutzungen Siedlung und Verkehr Klimawandel Nach den Vorgaben der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt soll geprüft werden, ob und inwieweit Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Aufhebung der Zerschneidungswirkung wie z. B. Grünbrücken oder Grünunterführungen künftig zum Beispiel im Rahmen eines weiteren Teilindikators berücksichtigt werden können (BMU 2007: 129). Gesellschaftliches Bewusstsein Im Aktionsfeld C 9 „Siedlung und Verkehr“ ist eine Vielzahl von Maßnahmen aufgeführt, darunter • Erhaltung/Wiederherstellung von Verbindungskorridoren zur Verminderung von Zerschneidungswirkungen und zur Stärkung der Vernetzung, • Berücksichtigung von Biotopverbundachsen bei Projekten des Bundesverkehrswegeplans, Ent­wicklung eines bundesweiten Maßnahmenprogramms zum Thema „ZerschneidungVernetzung“. Landschaftszerschneidung Flächenanteil der UZVR 100 km2 an der Landfläche Deutschlands in % 30 Zielwert von 25,4 % 25,4 25 20 15 10 5 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 Themenfelder der NBS B 2.8 Mobilität, C 9 Siedlung und Verkehr Definition Flächenanteil der unzerschnittenen verkehrsarmen Räume mit einer Flächengröße von mindestens 100 km2 (UZVR ≥ 100 km2) an der Landfläche Deutschlands 2008 2009 2010 Grafik: BfN (2010), Daten: Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (2006), Bundes­ anstalt für Straßenwesen (2005), Bundesländer (2005) Zielwert Der Flächenanteil der UZVR ≥ 100 km2 bleibt auf dem Stand des Jahres 2005 (25,4 %). Kernaussage Der Flächenanteil der UZVR ≥ 100 km2 ist zwischen 2000 und 2005 von 26,5 % auf 25,4 % gesunken, die effektive Maschenweite (Meff) von 84 km2 auf 81 km2. Künftig soll der Schwerpunkt der Investitionen auf das Netz bestehender Verkehrsachsen gelegt werden. 41 2.3 Agrarlandschaft 42 Wirtschaftliche Nutzungen Agrarumweltmaßnahmen Landwirtschaftlich genutzte Flächen (LF) bieten Lebensräume für eine Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten des Offenlandes. Voraussetzung hierfür sind nachhaltige und naturverträgliche Formen der Landnutzung. Ein großer Teil der Arten, die an extensive Formen der Nutzung gebunden sind, ist durch die – regional unterschiedliche – Intensivierung der Landwirtschaft und die Nutzungsaufgabe von Grenzertragsstandorten in ihren Beständen stark zurückgegangen. Von der Europäischen Union werden im Rahmen des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung Blütenreicher Ackerrandstreifen des ländlichen Raums – ELER (zweite Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik GAP) Agrarumweltmaßnahmen gefördert. Dabei sollen umwelt- und naturverträgliche Produktionsformen in der Landwirtschaft honoriert werden, die über die verbindlichen Mindestanforderungen (gute fachliche Praxis und Cross Compliance Anforderungen) hinausgehen. In Deutschland wird diese zweite Säule der GAP aufgrund der föderalen Struktur des Staates in den Bundesländern umgesetzt. Eine Teilfinanzierung von Agrarumweltmaßnahmen durch die Bundesländer ist eine Voraussetzung, um EU-Kofinanzierungsmittel zu erhalten. Darüber hinaus ist im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) eine Kofinanzierung durch den Bund teilweise möglich. Der Indikator gibt Auskunft über die Förderung von Agrarumweltmaßnahmen in der Landwirtschaft. Neben den Agrarumweltmaßnahmen bietet die ELER-Verordnung weitere Finanzierungsmöglichkeiten, mit denen Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung der biologischen Vielfalt kofinanziert werden können. Dies sind beispielsweise Ausgleichszahlungen im Rahmen von Natura 2000, Maßnahmen in den Bereichen zur Förderung nicht produktiver Investitionen oder zur Erhaltung und Verbesserung des ländlichen Erbes. Im Rahmen der GAK werden außerdem Maßnahmen zur Erhaltung genetischer Ressourcen bzw. zur Erhaltung lokaler bedrohter Tierrassen sowie regional angepasster traditioneller Kulturpflanzenarten und -sorten, die von genetischer Erosion bedroht sind, gefördert. Zusätzlich existieren in einigen Ländern rein national finanzierte Maßnahmen im Bereich der Agrarumweltförderung. Eine Abgrenzung der für die biologische Vielfalt eingesetzten Mittel ist in den zusätzlichen ELER Finanzierungsmöglichkeiten sehr schwierig bzw. zum Teil nicht möglich. Deshalb werden als Indikator auch weiterhin die Agrarumweltmaßnahmen verwendet. Durch die Förderung von Agrar­ umweltmaßnahmen sollen auch traditionelle sowie umwelt- und naturverträgliche Formen der Landwirtschaft gestärkt werden (BMU 2007: 73). Der Indikator „Agrarumweltmaßnahmen“ bilanziert die Summe der durch Agrarumweltmaßnahmen geförderten Flächen und der dafür gewährten Finanzmittel. Die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt fordert, dass traditionelle sowie umwelt- und naturverträgliche Formen der Landwirtschaft gestärkt werden. Indikator 43 Aufbau Aussage Im Bereich der Land- und Forstwirtschaft sollen nach den Vorgaben der NBS folgende Maßnahmen umgesetzt werden (BMU 2007: 73): • auf der Ebene von EU/Bund: „Überprüfung agrar- und umweltpolitischer Maßnahmen auf Nachhaltigkeit und wirtschaftlich zumutbare Möglichkeiten zur weiteren Verbesserung der Naturverträglichkeit im Rahmen der EU-Agrarförderung sowie der nationalen und europäischen Agrar- und Umweltpolitik“, • auf der Ebene der Länder/ Kommunen: „Verstärkte Förderung traditioneller sowie umwelt- und naturverträglicher Formen der Land- und Forstwirtschaft“. Landschaftspflege durch Schafbeweidung in der Fröttmaninger Heide 44 Die Daten zu den geförderten Flächen, die im Rahmen der Agrarumweltmaßnahmen bewirtschaftet werden, sowie zu den dafür aufgewendeten Fördergeldern aus EU-, Bundes- und Landesmitteln sind beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) verfügbar und werden jährlich erfasst. Seit dem Jahr 2007 melden die Länder nach den Vorgaben der EU die Höhe der tatsächlichen Auszahlungen und nicht mehr, wie in den vorherigen Förderperioden, die Höhe der bereitgestellten Gelder. Für die Bilanzierung werden nur Maßnahmen aufgenommen, die eindeutig dem Bereich Umwelt- und Naturschutz zuzuordnen sind. Die Höhe der gewährten Fördermittel nahm von 1996 bis 2005 zu. Nach einem Höchststand von 791 Mio. Euro (2005) sanken die zur Verfügung gestellten Fördermittel auf 752 Mio. Euro (2006). Zu Beginn der neuen Förderperiode (2007 - 2013) ist ein weiterer Rückgang der ausgezahlten Förderleistungen auf 603 Mio. Euro (2007) zu verzeichnen. Die geförderte Fläche lag im Jahr 2007 bei etwa 4,8 Mio. ha LF. Sie hat sich seit 2005 nicht proportional zur Fördermittelhöhe verändert. Dies liegt unter anderem daran, dass Agrarumweltmaßnahmen eine Vertragsdauer von mindestens 5 Jahren haben und neue Maßnahmen zu Beginn der Förderperiode aufgrund der späten Genehmigungen der Programme durch die EU-Kommission erst verzögert angelaufen sind. Darüber hinaus sind die EU-Mittel für die Entwicklung des ländlichen Raums für Deutschland für die aktuelle Förderperiode teilweise deutlich gekürzt worden. Dies macht sich u. a. dadurch bemerkbar, dass beim Vertragsnaturschutz und den Agrarumweltprogrammen die Prämien deutlich abgesenkt wurden, die Länder teilweise Gebietskulissen eingeführt bzw. bestehende eingeengt haben oder einzelne Maßnahmen aus den Förderkatalogen der Länder gestrichen wurden. Ferner setzen die Länder sehr unterschiedliche Schwerpunkte bei der ländlichen Entwicklung. Während einige Länder in ihren Programmen die Agrarumweltmaßnahmen stärker betonen, setzen andere Länder vor allem auf Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe oder auf Maßnahmen der ländlichen Entwicklung im Schwerpunkt 3 (z. B. Diversifizierung, Dorferneuerung, ländliche Infrastruktur, integrierte Entwicklungsansätze zur Verbesserung der Lebensqualität im ländlichen Raum). Komponenten der biologischen Vielfalt Wirtschaftliche Nutzungen Siedlung und Verkehr Klimawandel Gesellschaftliches Bewusstsein Für viele Agrarumweltmaßnahmen wurden die Prämien nach einer Überprüfung im Jahr 2009 z. T. wieder deutlich erhöht. Welche Auswirkungen dies auf den Umfang der Förderfläche und die Höhe der Fördermittel hat, lässt sich derzeit nicht abschätzen. Es ist aber mit einer Zunahme zu rechnen. Um die Ziele der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt zu erreichen und um naturgerechte Bewirtschaftungsformen angemessen honorieren zu können, ist eine Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) notwendig, wie sie mit dem Health Check begonnen wurde. Agrarumweltmaßnahmen Fördermittel in Mio. Euro Geförderte Fläche in Mio. ha 900 6 800 4,8 700 600 603 500 5 4 3 400 300 200 100 0 Da die Vergleichbarkeit der Daten in den Zeitreihen eingeschränkt ist, können keine Angaben zum Trend gemacht werden. 1994 1996 1998 2000 2002 Themenfelder der NBS B 2.4 Landwirtschaft, C 6 Land- und Forstwirtschaft Definition Summe der durch Agrarumweltmaßnahmen geförderten Flächen und der dafür gewährten Finanzmittel mit positiven Wirkungen im Sinne des Natur- und Umweltschutzes 2004 2006 2 Geförderte Fläche (bei Farbwechsel: Beginn einer neuen Förderperiode) 1 Fördermittel 0 Grafik: BfN (2010), Daten: BMELV (2009) Qualitätsziel Stärkung von traditionellen sowie umwelt- und naturverträglichen Formen der Landwirtschaft mit dem Ziel, die biologische Vielfalt in der Agrarlandschaft deutlich zu erhöhen Kernaussage Nach einem leichten Anstieg während der vergangenen Förderperiode zeichnet sich in der aktuellen Förderperiode ein Rückgang der Fördermittel ab. Künftig muss die Förderung verstärkt auf den Schutz und die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt ausgerichtet werden. 45 Ökologischer Landbau In Deutschland wird über die Hälfte der Landesfläche landwirtschaftlich genutzt. Die biologische Vielfalt ist auf diesen Flächen in hohem Maße von der Art der Bewirtschaftung abhängig. Verbesserungen beim Schutz von Arten und Lebensräumen können in der Agrarlandschaft nur erreicht werden, indem landwirtschaftliche Anbaumethoden natur- und umweltverträglicher gestaltet werden. Apfel aus ökologischem Anbau Der Indikator gibt Auskunft über den Umfang der ökologisch bewirtschafteten Flächen, die zur Erhaltung der biologischen Vielfalt beitragen. Der ökologische Landbau trägt in besonderem Maße zur Erhaltung der biologischen Vielfalt sowie zur Förderung regionaltypischer Kulturlandschaften bei. So führt die ökologische Bewirtschaftung u. a. zu einer höheren biologischen Aktivität im Boden, schont das Bodengefüge und verringert Bodenverluste. Die dadurch gesteigerte Wasserspeicherkapazität des Bodens trägt zusätzlich zum Schutz vor Hochwasser bei, und die Erosionsgefahr sinkt. Der geringe Einsatz von Tierarzneimitteln und das Verbot von synthetischen mineralischen Stickstoffdüngern und chemisch-synthe­tischen Pflanzenschutzmitteln schonen Grundwasser und Oberflächengewässer. Das Ziel der ökologischen Bewirtschaftung sind möglichst geschlossene Nährstoffkreisläufe bei der landwirtschaftlichen Produktion, um Ökosysteme in ihren Funktionen zu erhalten, nicht erneuerbare Energie- und Rohstoffquellen zu schonen, Umweltbelastungen zu vermeiden und die Versauerung der Böden sowie den Eintrag von Nährstoffen in die Gewässer zu reduzieren. Der Indikator „Ökologischer Landbau“ wurde im Rahmen der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt und in die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt übernommen. Er wird aktuell auch im Indikatorenbericht 2010 zur Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie berichtet (Statistisches Bundesamt 2010). Die Bilanzierung hat in entsprechender Form außerdem Eingang in das Indikatorensystem der Länderinitiative Kernindikatoren (LIKI) gefunden. Indikator Der Indikator „Ökologischer Landbau“ gibt Auskunft über den Umfang der Flächen ökologisch wirtschaftender Betriebe, die den Kontrollverfahren der EG-Rechtsvorschriften für den ökologischen Landbau (Verordnung (EG) Nr. 834/2007 und Durchführungsvorschriften) unterliegen, an der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche (LF). Er umfasst sowohl die vollständig auf Ökolandbau umgestellten als auch die noch in Umstellung befindlichen Flächen. Die Entscheidung über den Einstieg in den ökologischen Landbau liegt beim einzelnen Betrieb. Die Bundesregierung beabsichtigt, die Rahmenbedingungen für den Umstieg so zu gestalten, dass in den nächsten Jahren die Fläche des ökologischen Landbaus auf 20 % der LF steigen kann. Aufbau 46 Die Daten beruhen auf der Agrarstrukturerhebung und werden regelmäßig vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht. Demnach liegt eine ökologische Bewirtschaftung vor, wenn in einem landwirtschaftlichen Betrieb pflanzliche oder tierische Erzeugnisse nach den Grundsätzen der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/bio­logischen Erzeugnissen sowie gemäß zugehöriger Durchführungsvorschriften pro­duziert werden. Weiterhin muss der Betrieb einem Kontrollverfahren seitens einer staatlich zugelassenen Kontrollstelle unterliegen. Komponenten der biologischen Vielfalt Siedlung und Verkehr Wirtschaftliche Nutzungen Klimawandel Im Jahr 1994 wurde auf 272.139 ha Fläche ökologischer Landbau betrieben. Das entsprach einem Anteil von 1,6 % der LF in lediglich 5.866 landwirtschaftlichen Betrieben. Diese Werte stiegen seit Beginn der Erfassung kontinuierlich an. Ende des Jahres 2009 wirtschafteten 21.047 landwirtschaftliche Betriebe auf 947.115 ha nach den Bestimmungen der EG-Rechtsvorschriften für den ökologischen Landbau. Das entspricht 5,7 % der Betriebe auf 5,6 % der LF. Der Anstieg ist als Reaktion auf die anhaltend hohe Nachfrage nach Bio-Produkten und die gestiegenen Preise zu werten. Außerdem spielen die Rahmenbedingungen, die der Bund und die Länder setzen, und dabei insbesondere die Wiederaufnahme der Umstellungsförderung in fast allen Bundesländern eine bedeutende Rolle. Auch die wirtschaftliche Entwicklung der Betriebe des ökologischen Landbaus verlief in den letzten Jahren zumeist positiv. Trotz des kontinuierlich positiven Trends und der günstigen Vorhersagen für den ökologischen Landbau liegt der aktuelle Indikatorwert noch sehr weit vom Zielwert entfernt. Nach Angaben des Statistischen Amtes der Europä­ ischen Union (Eurostat) für das Jahr 2007 liegt Deutschland im europäischen Vergleich (EU-15) bezogen auf den Flächenanteil zwar knapp über dem Durchschnitt (4,7 %), aber hinter z. B. Österreich (11,7 %), Schweden (9,9 %) und Italien (9,0 %). Gesellschaftliches Bewusstsein Aussage Die Bundesregierung strebt die „Beibehaltung einer angemessenen Förderung des ökologischen Landbaus“ an (BMU 2007: 48). Es ist beabsichtigt, die Rahmenbedingungen für den Umstieg auf den ökologischen Landbau so zu gestalten, dass in den nächsten Jahren die Fläche des ökologischen Landbaus auf 20 % der LF steigen kann. Ökologischer Landbau Anteil der Flächen mit ökologischem Landbau an der landwirtschaftlich genutzten Fläche in % Der aktuelle Wert liegt noch sehr weit vom Zielbereich entfernt. 25 Zielwert von 20 % (ohne Jahr) 20 Statistisch signifikanter Trend hin zum Zielwert 15 10 5,6 5 0 1994 1996 1998 2000 2002 Themenfelder der NBS B 2.4 Landwirtschaft, C 6 Land- und Forstwirtschaft Definition Anteil der Flächen mit ökologischem Landbau an der landwirtschaftlich genutzten Fläche (LF) 2004 2006 2008 Grafik: BfN (2010), Daten: BMELV (2010) Zielwert Erhöhung des Flächenanteils mit ökologischem Landbau auf 20 % der LF Kernaussage Zwar nehmen die Flächen mit ökologischem Landbau kontinuierlich zu (5,6 % Flächenanteil im Jahr 2009). Das 20 %-Ziel ist jedoch bei weitem noch nicht erreicht. Es ist beabsichtigt, die Rahmenbedingungen für den Umstieg auf den ökologischen Landbau so zu gestalten, dass in den nächsten Jahren die Fläche des ökologischen Landbaus auf 20 % der LF steigen kann. 47 Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert Die biologische Vielfalt auf landwirtschaftlich genutzten Flächen ist in den letzten 50 Jahren durch veränderte Bewirtschaftungsformen, insbesondere durch die fortschreitende Technisierung der Landwirtschaft deutlich zurückgegangen. Um diesem Verlust entgegenzuwirken, fördert die EU Maßnahmen der ländlichen Entwicklung u. a. mit dem Ziel, den Zustand von Umwelt und Landschaft zu verbessern. Die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums ist in den Mitgliedsstaaten der EU durch die ELER-Verordnung geregelt. Im Rahmen der europäischen Förderpolitik (ELER) ist u. a. der Basisindikator „High Nature Value Farmland“ Strukturreiche Agrarlandschaft mit hohem Naturwert in der Fränkischen Schweiz (HNV Farmland, Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert) neu eingeführt worden. Die Mitgliedsstaaten – in Deutschland der Bund ebenso Der Indikator gibt Auskunft wie die Länder – sind verpflichtet, für diesen Indikator die Daten regelmäßig über den Umfang von Landzu erfassen und zu berichten. Der Indikator soll dazu beitragen, Aussagen wirtschaftsflächen mit hohem zu Auswirkungen der Landwirtschaft auf die biologische Vielfalt sowie zu Naturwert (HNV Farmland, High Erfolgen bei der Förderung der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft Nature Value Farmland), die zu treffen. Um die hierfür notwendigen Daten bereitzustellen, werden in zur Erhaltung der biologischen einem neu konzipierten bundesweiten Monitoring im Rahmen eines StichVielfalt beitragen. probenverfahrens seit 2009 Landwirtschaftsflächen mit Hilfe einer standardisierten Erfassungs- und Bewertungsmethode kartiert. Die in der Stichprobe ermittelten Flächenanteile werden auf die landesweite Landwirtschaftsfläche hochgerechnet. Hierfür erfolgt eine regelmäßige Bestimmung des Anteils der Flächen mit hohem Naturwert (in ha) und die Einordnung in Qualitätsstufen. Diese Methodik wird auf der Basis gewonnener Erfahrungen evaluiert und der Indikator ggf. weiterentwickelt. Indikator Die Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates vom 20. September 2005 regelt die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Euro­päischen Landwirtschaftsfond für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER). Sie wird ergänzt durch die Durchführungsbestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1974/2006 der Kommission vom 15. Dezember 2006. 48 Der Indikator bilanziert den Anteil der Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert (HNV-Farmland-Flächen) an der gesamten Landwirtschaftsfläche. Als Landwirtschaftsfläche mit hohem Naturwert gelten extensiv genutzte, artenreiche Grünland-, Acker-, Streuobst- und Weinbergsflächen sowie Brachen. Hinzu kommen strukturreiche Landschaftselemente wie z. B. Hecken, Raine, Feldgehölze und Kleingewässer, soweit sie zur landwirtschaftlich genutzten Kulturlandschaft gehören. Die Einstufung von Flächen und Landschaftselementen erfolgt nach einem festgelegten System von Qualitätskriterien. HNV-Farmland-Flächen werden in Flächen mit äußerst hohem, sehr hohem und mäßig hohem Naturwert unterteilt. Als Ziel für die Zunahme des Anteils von Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert wurde in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt eine Steigerung um mindestens 10 Prozentpunkte im Zeitraum von 2005 bis 2015 festgelegt. Da die Erfassung erstmals im Jahr 2009 durchgeführt wurde, wird als Startwert der Stand des Jahres 2009 herangezogen. Soll der Anteil der HNV-Farmland-Flächen beginnend im Jahr 2009 über einen Zeitraum von 10 Jahren um mindestens 10 Prozentpunkte angehoben werden und unterstellt man eine lineare Entwicklung bis zum Jahr 2019, ergibt sich als Zielwert eine Erhöhung um mindestens 6 Prozentpunkte auf einen Anteil von mindestens 19 % der Landwirtschaftsfläche bis zum Jahr 2015. Die HNV-Farmland-Flächen werden bundesweit in einer repräsentativen Stichprobe auf ca. 900 Flächen von je einem Quadratkilometer Größe erfasst. Diese Flächen werden auch für das Brutvogelmonitoring genutzt, das u. a. die Daten für den Indikator „Artenvielfalt und Landschaftsqualität“ bereitstellt. Ab 2010 soll der Indikatorwert alle zwei Jahre für die Berichterstattung aktualisiert werden. Die Größe der Landwirtschaftsfläche mit hohem Naturwert sowie der drei Unterkategorien wird aus der Stichprobe für ganz Deutschland hochgerechnet und in Prozent der gesamten Landwirtschaftsfläche angegeben. Hierfür wird die Landwirtschaftsfläche über das Amtliche TopographischKartographische Informationssystem (ATKIS) bestimmt. Aufbau Die Kartierungsergebnisse aus dem Jahr 2009 liefern einen Indikatorwert von 13,0 % Anteil der HNV-Farmland-Flächen an der gesamten Landwirtschaftsfläche. 2,2 % der Landwirtschaftsfläche wurden als Flächen mit äußerst hohem und 4,5 % als Flächen mit sehr hohem Naturwert eingestuft. Da Flächen mit sehr hohem und äußerst hohem Naturwert von herausragender Bedeutung für den Schutz der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft sind, ist künftig durch eine verbesserte Honorierung der Leistungen der Landwirte insbesondere die Erhaltung und Ausweitung dieser Bereiche zu entwickeln. Mit 6,3 % Flächenanteil wurde knapp die Hälfte der HNV-Farmland-Fläche als Landwirtschaftsfläche mit mäßig hohem Naturwert eingestuft. Diese Flächen erfüllen die Anforderungen für eine Einordnung in die unterste Stufe des HNV Farmland, da ihr Arten- und Strukturreichtum zwar höher ist als bei Flächen, die nicht zu HNV-Farmland-Flächen zählen, aber im Verhältnis zu den Flächen mit äußerst hohem und sehr hohem Naturwert nicht so stark ausgeprägt ist. Aussage „Bis 2015 nimmt der Flächenanteil naturschutzfachlich wert­voller Agrarbiotope (hochwertiges Grünland, Streuobstwiesen) um mindestens 10 % gegenüber 2005 zu. In 2010 beträgt in agrarisch genutzten Gebieten der Anteil naturnaher Landschaftselemente (z. B. Hecken, Raine, Feldgehölze, Kleingewässer) mindestens 5 %.“ (BMU 2007: 47) Artenreiches Grünland 49 Komponenten der biologischen Vielfalt Siedlung und Verkehr Wirtschaftliche Nutzungen Klimawandel Gesellschaftliches Bewusstsein Um den HNV-Farmland-Gesamtanteil bis 2015 auf 19 % zu erhöhen, sind weiterhin große und gezielte Anstrengungen erforderlich. Hierzu könnten flankierend zu anderen Maßnahmen Agrarumweltmaßnahmen, die umweltund naturverträgliche Produktionsformen in der Landwirtschaft honorieren, einen Beitrag leisten. Dabei sollten folgende Maßnahmen verfolgt werden: • Vermeidung weiteren Grünlandumbruchs, • Einrichtung von extensiv genutzten oder ungenutzten Pufferstreifen um Landschaftselemente und Äcker, • Erhaltung von Ackerbracheflächen auf Böden mit niedrigen Bodenpunkten durch gezieltes Brachemanagement, • Erhöhung des Umfangs des Vertragsnaturschutzes zur Sicherung artenreicher, agrarisch geprägter Offenlandlebensräume, • Integration von Extensivflächen (u. a. gemanagte Naturschutzbrachen, Blühstreifen, Pufferstreifen entlang von naturnahen Biotopen) in leistungsfähige konventionelle und ökologische Nutzungssysteme, • Nutzungsextensivierungen auf geeigneten Grünlandflächen. Um bei der Umsetzung dieser Maßnahmen die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe zu erhalten, ist im Falle wirtschaftlicher Einbußen ein finanzieller Ausgleich für die Bewirtschafter bereitzustellen. Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert (High Nature Value Farmland ) Anteil der Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert in % 22 Zielwert von 19 % im Jahr 2015 20 Der aktuelle Wert liegt noch weit vom Zielbereich entfernt. 18 16 14 13,0 12 2,2 10 4,5 8 6 Äußerst hoch 4 2 0 Sehr hoch 6,3 2009 Mäßig hoch 2010 2011 2012 2013 Themenfelder der NBS B 2.4 Landwirtschaft, C 6 Land- und Forstwirtschaft Definition Anteil der Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert (High Nature Value Farmland) an der gesamten Landwirtschaftsfläche 50 2014 2015 Grafik: BfN (2010), Daten: BfN und Bundesländer (2010) Zielwert Bis zum Jahr 2015 sollen HNV-Farmland-Flächen mindestens 19 % der Landwirtschaftsfläche bedecken. Kernaussage Im Jahr 2009 betrug der Anteil der Landwirtschaftsflächen mit äußerst hohem Naturwert 2,2 %, mit sehr hohem Naturwert 4,5 % und mit mäßig hohem Naturwert 6,3 % (HNV-Farmland-Flächen mit einem Gesamtanteil von 13,0 %). Um das Ziel bis zum Jahr 2015 zu erreichen, müssen gezielt Maßnahmen zur Förderung der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft ergriffen werden. Genetische Vielfalt in der Landwirtschaft Die moderne Tier- und Pflanzenzucht konzentriert sich auf wenige Leistungsrassen der Nutztiere und ertragreiche Pflanzensorten, um sich den heutigen Marktanforderungen anzupassen. Diese Entwicklung hat zur Folge, dass die genetische Vielfalt der genutzten Pflanzen- und Tierressourcen weltweit rapide abnimmt. Auch in Deutschland verringert sich der Anteil traditioneller Kulturpflanzensorten, so genannter Hof- und Landsorten. Ebenso werden bei den Nutztieren die einheimischen, oft regionaltypischen Rassen durch wenige, auf hohe Leistung und weltweite Nutzung gezüchtete Rassen verdrängt. In der aktuellen deutschen Roten Merinofleischschafe Liste der bedrohten Nutztierrassen werden von den 65 einheimischen Rassen der Arten Pferd, Rind, Schwein, Schaf und Ziege 54 als „gefährdet“ bzw. „zur Beobachtung“ eingestuft. Mit dem Verlust dieser pflanzen- und tiergenetischen Vielfalt verarmen die historisch gewachsenen Kulturlandschaften und es geht ein für die Züchtung bedeutendes genetisches Potenzial verloren. In der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt wird daher die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der regionaltypischen genetischen Vielfalt von Nutztierrassen und Kulturpflanzensorten angestrebt. Der Indikator bilanziert das Ausmaß der Gefährdung genetischer Ressourcen in der Landwirtschaft am Beispiel einheimischer Rassen ausgewählter Nutztierarten. Bund, Länder und weitere Beteiligte haben daher im Sektor der landwirtschaftlichen Nutztierrassen das „Nationale Fachprogramm zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung tiergenetischer Ressourcen in Deutschland“ entwickelt, welches 2003 von der Agrarministerkonferenz verabschiedet wurde (Neuauflage: BMELV 2008). Es dient als Leitlinie für ein abgestimmtes Zusammenwirken aller Beteiligten. Die Maßnahmen des Fachprogramms beziehen sich derzeit auf Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen, Pferde, Kaninchen sowie landwirtschaftlich genutzte Geflügelarten. Der Indikator „Genetische Vielfalt in der Landwirtschaft“ gibt Auskunft über das Ausmaß der Gefährdung genetischer Ressourcen in der Landwirtschaft. Er fasst hierfür die Angaben zur Gefährdung der fünf wichtigsten Nutztierarten (Pferd, Rind, Schwein, Schaf und Ziege) zusammen. Datengrundlage ist die Einstufung der Rassen in Rote-Liste-Kategorien nach der Roten Liste der gefährdeten einheimischen Nutztierrassen in Deutschland. Im Nationalen Fachprogramm zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung tiergenetischer Ressourcen in Deutschland wurden dazu vier Rote-Liste-Kategorien definiert, die ein System abgestufter Gefährdungsgrade bilden. Die Bundesregierung strebt in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt an, dass gefährdete Nutztierrassen zu sichern sind. Die Gesamtzahl der einheimischen Nutztierrassen soll nicht sinken. Hieraus ergibt sich als Ziel, das Ausmaß der Gefährdung der Nutztierrassen insgesamt zu verringern. Der Indikator stellt eine national modifizierte Form des europäisch abgestimmten SEBI 2010-Indikators „Livestock genetic diversity“ dar. Als Datengrundlage dienen die von den Züchtervereinigungen und herdbuchführenden Stellen zur Verfügung gestellten Bestandszahlen für die einzelnen Nutztierrassen, die vom Informations- und Koordinationszentrum Biologische Vielfalt (IBV) der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) in der Zentralen Dokumentation Tiergenetischer Ressourcen in Deutschland (TGRDEU) zusammengeführt werden. Für die Berechnung des Indikators wird die Einstufung der Rassen in die Rote-Liste-Kategorien der Roten Liste der gefährdeten einheimischen Nutztierrassen in Deutschland ausgewertet (BLE 2010). Indikator „Die regionaltypische genetische Vielfalt von Nutztierrassen und Kulturpflanzensorten bleibt erhalten, wird nachhaltig genutzt, bleibt als Lebens- und Zuchtgrundlage verfügbar und bereichert das Landschaftsbild sowie die landwirtschaftliche und gartenbauliche Produkt­ palette.“ (BMU 2007: 30) Aufbau 51 Murnau-Werdenfelser Rind Der Begriff „einheimisch“ wird im Tierzuchtgesetz (§3 Abs. 4) definiert: „Einheimisch ist eine Rasse, für die auf Grund in Deutschland vorhandener Tierbestände erstmals ein Zuchtbuch begründet worden ist und seitdem oder, sofern die Begründung weiter zurückliegt, seit 1949 in Deutschland geführt wird. Eine Rasse kann ferner von der zuständigen Behörde als einheimisch anerkannt werden, soweit das Zuchtbuch nicht erstmals in Deutschland begründet worden ist, aber für diese Rasse 1. nur noch in Deutschland ein Zuchtbuch geführt und ein Zuchtprogramm durchgeführt wird oder 2. mindestens seit 1949 auf Grund dort vorhandener Tierbestände in Deutschland ein Zuchtbuch geführt und ein eigenständiges Zuchtprogramm durchgeführt wird.“ Als Maß für die Gefährdung einer Rasse dient die effektive Populationsgröße (Ne). Die effektive Populationsgröße gibt den Verlust der genetischen Vielfalt (pro Generation) innerhalb der betrachteten Population wieder. Dieser Wert kann mit verschiedenen Berechnungsmethoden ermittelt werden, die je nach Situation der einzelnen Rasse stark unterschiedlich ausfallen können. Die letztendliche Einteilung in die Gefährdungskategorien wird derzeit vom Fachbeirat für tiergenetische Ressourcen des BMELV vorgenommen. Es werden vier Rote-Liste-Kategorien unterschieden: (1) Phänotypische Erhaltungspopulationen (PERH): Diese Rassen können aus tierzuchtwissenschaftlicher Sicht nur noch als Rudimente verstanden werden, der kulturelle Wert solcher Rassen ist jedoch unbestritten; (2) Erhaltungspopulationen (ERH): stark existenzgefährdete Populationen; (3) Beobachtungspopulationen (BEO): gefährdete Populationen; (4) nicht gefährdete Rassen. Der Indikator zeigt den prozentualen Anteil gefährdeter einheimischer Rassen der Pferde, Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen. Dabei kann sich die Gesamtzahl der bilanzierten Rassen über die Zeit verändern, wenn neue Rassen hinzutreten oder Rassen aussterben. Der Indikator soll künftig regelmäßig fortgeschrieben werden. Aussage 52 Der Indikator zeigt, dass der Anteil gefährdeter einheimischer Rassen der Pferde, Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen im Jahr 2010 mit etwas mehr als 83 % sehr hoch ist. Dennoch ist es als positiv zu sehen, dass im betrachteten Zeitraum keine einheimische Großtierrasse in Deutschland ausgestorben ist. Der leichte Anstieg beim Gefährdungsanteil zwischen 2006 und 2010 ist auf die Neubeschreibung zweier einheimischer Rassen zurückzuführen, die als gefährdet eingestuft wurden. Innerhalb der Gefährdungsstufen lässt sich eine leichte Verschiebung in Richtung geringerer Gefährdung ablesen. So konnte durch die Erhaltungsprogramme der letzten 10 Jahre erreicht werden, dass sich der Anteil der als Phänotypische Erhaltungspopulationen eingestuften Rassen um rund 4 % reduzierte. Komponenten der biologischen Vielfalt Siedlung und Verkehr Wirtschaftliche Nutzungen Klimawandel Gesellschaftliches Bewusstsein Der Handlungsbedarf unterscheidet sich bei den verschiedenen Nutztierarten deutlich. So spielt beispielsweise bei Rindern das Vermarktungspotenzial von Produkten aus einheimischen Rassen bereits eine wichtige Rolle. In der Schafhaltung gibt es hingegen noch größere Probleme, durch die Vermarktung rassetypischer Produkte die Erhaltung einzelner Rassen substanziell abzusichern. Zusätzlich steht hinter dem gleichbleibend hohen Anteil gefährdeter Schafrassen eine starke Abnahme der Schafhalter und der Gesamtschafpopulation in Deutschland. Somit bleibt die Herausforderung, artspezifisch für eine nachhaltige Nutzung und langfristige Erhaltung der einheimischen Rassen zu sorgen. Die Situation in der Tierzucht ist nur in sehr eingeschränktem Maße auf andere Sektoren genetischer Ressourcen in der Landwirtschaft übertragbar. Deshalb wird derzeit an der Entwicklung weiterer spezifischer Indikatoren vor allem zur Kennzeichnung der Situation in der Pflanzenzüchtung gearbeitet, um künftig ein umfassendes Bild über die genetische Vielfalt in der Landwirtschaft zu erhalten. Genetische Vielfalt in der Landwirtschaft Anteil gefährdeter einheimischer Nutztierrassen der Pferde, Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen in % 100 90 17,5 16,9 NG: Nicht gefährdete Rassen 80 70 27,0 30,8 BEO (Beobachtungspopulationen): Gefährdete Populationen 60 50 40 ERH (Erhaltungspopulationen): Stark existenzgefährdete Populationen 34,9 35,4 30 PERH (Phänotypische Erhaltungs­ populationen): Nur noch als Rudimente vorhandene Rassen 20 10 0 20,6 2006 16,9 2010 2015 Themenfelder der NBS B 1.1.4 Genetische Vielfalt von wildlebenden und domestizierten Arten, B 2.4 Landwirtschaft, C 2 Artenschutz und genetische Vielfalt, C 6 Landund Forstwirtschaft Definition Der Indikator gibt Auskunft über das Ausmaß der Gefährdung genetischer Ressourcen in der Landwirtschaft am Beispiel der fünf wichtigsten Nutztierarten (Pferd, Rind, Schwein, Schaf und Ziege). 2020 Grafik: BfN (2010), Daten: BLE (2010) Qualitätsziel Gefährdete Nutztierrassen sind zu sichern. Das Ausmaß der Gefährdung der Nutztierrassen soll insgesamt verringert werden. Kernaussage Der Anteil gefährdeter einheimischer Rassen (BEO, ERH, PERH) ist im Jahr 2010 mit etwas mehr als 83 % sehr hoch. Es müssen gezielt Maßnahmen zur Verringerung der Gefährdungssituation ergriffen werden. 53 Gentechnik in der Landwirtschaft Die Folgen des Anbaus von gentechnisch veränderten Pflanzen (GVP) für die Umwelt sind komplex und werden in der Gesellschaft kontrovers diskutiert. Die Gentechnik ermöglicht es, Gene zu verändern und weitgehend unabhängig von natürlichen Artgrenzen von einem Organismus auf einen anderen zu übertragen und durch die veränderte Genausstattung neue Eigenschaften auszuprägen. Die GVP treten auf den Anbauflächen und in deren Umgebung mit wild lebenden Pflanzen Gentechnisch veränderter Mais (Zea mays) wurde in Deutschland bis zum Jahr 2008 angebaut. und Tieren in Wechselwirkungen. Risiken können sich – auch nach Zulassung – aufgrund unvorhergesehener Folgen neuer Eigenschaften der GVP und komplexer Wechselwirkungen mit anderen Organismen im Freiland ergeben. Indikator Der Indikator gibt Auskunft über das Ausmaß potentieller Wechselwirkungen des Einsatzes der Gentechnik in der Landwirtschaft mit der biologischen Vielfalt. Aufbau „Von GVO geht auch in Zukunft keine Gefährdung für die bio­ logische Vielfalt, insbesondere in Schutzgebieten, aus.“ (BMU 2007: 47) 54 Der Indikator bilanziert die Größe aller gemeldeten GVP-Anbauflächen. Er liefert Informationen, die dazu beitragen sollen, Entwicklungen bei der Anwendung von Gentechnik in der Landwirtschaft in Umfang und Bedeutung zu bewerten. Der Indikator erfüllt damit eine wichtige Aufgabe im Aktionsfeld „Biologische Sicherheit und Vermeidung von Faunen- und Florenverfälschung“ der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt. In der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt setzt sich die Bundesregierung verschiedene Ziele mit Bezug zu gentechnisch veränderten Organismen (GVO): Auch in Zukunft muss sichergestellt sein, dass bei der Freisetzung und Nutzung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) keine Gefahren für wild lebende Arten zu erwarten sind. Von GVO soll auch künftig keine Gefährdung der biologischen Vielfalt, insbesondere in Schutzgebieten, ausgehen. Neben diesen allgemeinen Qualitätszielen können für den Indikator derzeit keine konkreten Ziel- bzw. Höchstwerte festgelegt werden, da die teilweise lückenhaften, teilweise umstrittenen Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen zu den Auswirkungen des GVP-Anbaus auf die biologische Vielfalt noch keine ausreichende Basis für eine solche Normensetzung liefern. Die Datengrundlage für den Indikator ist das Standortregister, das vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) geführt wird und im Internet zugänglich ist. Jedes Jahr müssen Landwirte, die beabsichtigen GVP anzubauen, in einer Mitteilung an das BVL angeben, auf welchen Flurstücken der Anbau eines bestimmten Organismus (z. B. Mais) mit einem bestimmten spezifischen Erkennungsmarker (z. B. MON-00810-6) stattfindet. Der Indikator stellt die Summe der dem BVL gemeldeten GVP-Anbauflächen laut Standortregister dar. Zur Berechnung werden die GVP-Anbauflächen für die einzelnen Kulturarten getrennt (bis 2009 nur Mais) summiert. Die gesamte GVP-Anbaufläche wird jährlich in Hektar bilanziert. Komponenten der biologischen Vielfalt Siedlung und Verkehr Wirtschaftliche Nutzungen Klimawandel Der Indikator wurde für die gemeldeten GVP-Anbauflächen für die Jahre seit Bestehen des Standortregisters (2005-2009) berechnet und bezieht sich auf den Bt-Mais MON 810, die einzige für den kommerziellen landwirtschaftlichen Anbau zugelassene gentechnisch veränderte Kulturpflanze innerhalb dieses Zeitraums. In Deutschland wurde dieser Bt-Mais zwischen 2005 und 2009 auf einer sehr kleinen Fläche angebaut. Die Anzahl der Standorte und die Flächengröße des Anbaus nahmen von 2005 bis 2008 auf niedrigem Niveau kontinuierlich zu. In 2006 und 2007 hat sich die GVP-Anbaufläche gegenüber dem jeweiligen Vorjahreswert jeweils fast verdreifacht. Der Anstieg ging im Jahr 2008 deutlich zurück. Der bisherige Höchstwert der GVP-Anbaufläche wurde im Jahr 2008 erreicht und betrug 3.180 ha verteilt auf 201 Standorte (0,15 % der gesamten Mais-Anbaufläche von knapp 2,1 Mio. ha). Der Schwerpunkt des Anbaus lag bisher im Osten Deutschlands (Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen). Seit 2009 wurde die Zulassung für Bt-Mais in Deutschland gemäß Art. 23 der EU-Freisetzungsrichtlinie ruhen gelassen. Dies führte zu einem Rückgang der Anbaufläche auf 0 %. Gesellschaftliches Bewusstsein Aussage „Wir streben Folgendes an: … Auch in Zukunft sicher stellen, dass bei der Freisetzung und Nutzung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) keine Gefahr für wildlebende Arten zu erwarten ist … .“ (BMU 2007: 28) Gentechnik in der Landwirtschaft GVP-Anbauflächen in Deutschland in ha 4000 3500 3180 3000 2500 2000 1500 1000 500 0 0 2005 2006 2007 2008 Themenfelder der NBS C 3 Biologische Sicherheit und Vermeidung von Faunen- und Florenverfälschung Definition Summe der gemeldeten Anbauflächen gentechnisch veränderter Pflanzen (GVP) 2009 Grafik: BfN (2010), Daten: BVL (2009) Qualitätsziel Von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) geht auch in Zukunft keine Gefährdung der biologischen Vielfalt, insbesondere in Schutzgebieten, aus. Konkrete Ziel- bzw. Höchstwerte können für den Indikator derzeit nicht festgelegt werden. Kernaussage Nach kontinuierlichem Zuwachs in den Jahren 2005 bis 2008 sind die GVP-Anbauflächen im Jahr 2009 aufgrund des Ruhens der Zulassung von Bt-Mais der Sorte MON 810 wieder auf Null gesunken. 55 Stickstoffüberschuss der Landwirtschaft Ausbringung von Gülle auf einer Fettwiese Der Indikator gibt Auskunft über die Entwicklung der Stickstoffüberschüsse aus der Landwirtschaft. „Stoffliche Einträge haben erhebliche Auswirkungen auf die biologische Vielfalt, da sie die Lebens- und Standortbedingungen verändern.“ (BMU 2007: 80) In der Landwirtschaft werden Stickstoffverbindungen als Pflanzennährstoffe eingesetzt. Durch gezielte Düngung und Fruchtfolgegestaltung sollen die bei der Produktion den Böden entnommenen Nährstoffe ersetzt werden, um die Erträge, die Qualität von Ernteprodukten sowie die Bodenfruchtbarkeit langfristig zu sichern. Nicht von den Nutzpflanzen aufgenommene Stickstoffverbindungen führen jedoch – soweit sie nicht in den landwirtschaftlichen Böden gespeichert werden – zur Belastung von Grundwasser, Binnengewässern, Meeren und Landökosystemen sowie außerdem zur Entstehung von Treibhausgasen und versauernden Luftschadstoffen. Stickstoffverbindungen gelangen nicht nur aus dem Pflanzenbau auf landwirtschaftlich genutzte Flächen (62 %), sondern auch aus weiteren Quellen wie der Tierproduktion (33 %) sowie zu einem Anteil von 5 % über den Luftpfad bspw. aus Verkehr, Industrie und Haushalten. Für die biologische Vielfalt stellt die eutrophierende und versauernde Wirkung von Stickstoffeinträgen eine erhebliche Belastung dar. Nach den düngerechtlichen Regelungen dürfen Düngemittel nur nach guter fachlicher Praxis angewandt werden. Diese besagt, dass Art, Menge und Zeitpunkt der Anwendung am Bedarf der Pflanzen und des Bodens ausgerichtet werden. Die Anreicherung von Nährstoffen in Binnen- und Küstengewässern zeigt aber, dass diffuse Einträge u. a. von Stickstoffverbindungen insbesondere in Gebieten mit intensiver landwirtschaftlicher Bodennutzung und Viehhaltung nach wie vor zu hoch sind. Ebenso resultieren aus zu hohem Düngemitteleinsatz insbesondere auf ackerbaulich genutzten Böden deutlich überhöhte Nitratgehalte im Grundwasser. Die Bilanzierung des Stickstoffeinsatzes in der Landwirtschaft (Ackerbau und Tierhaltung) ist ein Indikator zur Dokumentation, Analyse und Bewertung der Nachhaltigkeit der landwirtschaftlichen Nutzung im weitesten Sinne. Er ist Bestandteil des Indikatorensets der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie und wird aktuell auch im Indikatorenbericht 2010 zu dieser Strategie berichtet (Statistisches Bundesamt 2010). Der Indikator steht in enger Beziehung zu den Indikatoren „Ökologischer Gewässerzustand“ und „Eutrophierende Stickstoffeinträge“ der Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt. Indikator „Die errechneten Stickstoffüberschüsse sind Mittelwerte für Deutschland und eine Maßzahl für die potenziellen Einträge ins Grundwasser, in Oberflächengewässer und in die Luft.“ (BMU 2007: 131) 56 Der Indikator trifft Aussagen zur Entwicklung der Belastung der Umweltmedien und Lebensräume durch Stickstoff aus der Landwirtschaft. Dabei lässt der Aggregationsgrad keine Aussagen über regionale Überschüsse zu, da er nach dem Prinzip einer Gesamtbilanz errechnet wird. Er gibt dazu die Differenz an zwischen Stickstoffflüssen in die Landwirtschaft und Stickstoffflüssen, die aus ihr herausgehen. Der Gesamtsaldo wird nach dem Prinzip der Hoftor-Bilanz berechnet, d. h. Stickstoffflüsse im innerwirtschaftlichen Kreislauf werden – mit Ausnahme der inländischen Futtermittelerzeugung – nicht ausgewiesen. Die errechneten jährlichen Stickstoffüberschüsse in kg/ha landwirtschaftlich genutzter Fläche sind Mittelwerte für Deutschland und nicht für die Ebene der Betriebe. Die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse findet überwiegend in offenen Systemen und über einen langen Zeitraum statt. Zudem sind nicht alle Stickstoffverbindungen in gleicher Weise pflanzenverfügbar. Dies bedeutet, dass eingesetzte Stoffe, so auch Stickstoff, nicht vollständig ausgenutzt werden können. Zudem verbleiben mit den Ernterückständen Stickstoff-Mengen auf dem Feld, die bei einigen Kulturarten (z. B. Raps, Gemüse) erheblich sein können und im Stickstoffüberschuss enthalten sind. Diese Ernterückstände sind für den Humusgehalt der Böden und somit für die Bodenfruchtbarkeit wichtig. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung als konkreten Zielwert festgelegt, die Stickstoffüberschüsse der landwirtschaftlichen Produktion in der jährlichen Gesamtbilanz auf 80 kg/ha landwirtschaftlich genutzter Fläche bis zum Jahr 2010 zu reduzieren. Darüber hinaus wird eine weitere Verringerung bis zum Jahr 2015 angestrebt. In der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt setzt die Bundesregierung folgende Ziele fest: „Verringerung des Stickstoffüberschusses in der Gesamtbilanz bis 2010 auf 80 kg/ha, angestrebt wird eine weitere Verringerung bis 2015“ (BMU 2007: 48). In einer Gesamtbilanz wird die Menge der Stickstoffverbindungen, die jährlich in die Landwirtschaft hinein- und hinausfließen berechnet oder näherungsweise abgeschätzt (siehe Abbidlung unten). Dabei werden Stickstoffzufuhren mit Düngemitteln, durch atmosphärische Deposition, biologische Stickstofffixierung, mit Saat- und Pflanzgut sowie mit Futtermitteln aus inländischer Erzeugung und aus Importen berücksichtigt. Die Stickstoffabfuhr enthält nur Stickstoff aus pflanzlichen und tierischen Marktprodukten. Aufbau Wichtige Einzeldaten stammen aus den Agrarstrukturerhebungen des Statistischen Bundesamtes sowie aus den Statistischen Jahrbüchern über Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des BMELV. Bestands- bzw. Vorratsänderungen (u. a. Viehzahlen, Dünge- und Futtermittel) auf Betriebsebene werden nicht berücksichtigt. Liegen keine exakten Erhebungen vor (z. B. für gasförmige Verluste), werden Näherungswerte verwendet. Die Methodik zur Bilanzierung des Indikators wurde auf Bundesebene überarbeitet, und die Daten des gesamten Berichtszeitraums wurden auf dieser Grundlage neu berechnet. Als maßgebliche Zeitreihe dient das gleitende Dreijahresmittel bezogen auf das jeweils mittlere Kalenderjahr. Durch die Mittelung werden u. a. die nicht zu beeinflussenden witterungs- und marktabhängigen jährlichen Schwankungen in der Darstellung des Indikatorverlaufs abgemildert. Schema der Stickstoff-Gesamtbilanz der Landwirtschaft Verändert nach Bach & Frede (2005) Zufuhr Sekundär­ rohstoffDünger Legume N-Bindung Mineral­dünger Atmo­sph. Deposition (netto) Futtermittelzukauf Saatgut­zukauf Zukauf Tiere Landwirtschaft (+/- Vorratsänderungen) Überschuss Anreicherung im Boden, Eintrag in Grund- und Ober­ flächenwasser, Verflüchtigung, Denitrifikation u. a. Abfuhr Pflanzliche Marktprodukte Tierische Marktprodukte 57 Komponenten der biologischen Vielfalt Wirtschaftliche Nutzungen Siedlung und Verkehr Aussage Klimawandel Gesellschaftliches Bewusstsein Von 1991 bis 2007 ist der Stickstoffüberschuss von 132 kg/ha und Jahr auf 105 kg/ha und Jahr gesunken (gleitendes Dreijahresmittel). Das entspricht einem Rückgang gegenüber 1991 um etwas mehr als 20 %. Allerdings liegt der aktuelle Wert noch weit über dem angestrebten Zielwert von 80 kg/ha und Jahr. Der deutliche Rückgang der Stickstoffüberschüsse zu Beginn der Zeitreihe resultierte aus den abnehmenden Tierbeständen in den neuen Bundesländern. Der im Verlauf der Zeitreihe nur noch schwache weitere Rückgang seit 1993 beruht auf Effizienzgewinnen bei der Stickstoffnutzung (Ertragssteigerungen in der Pflanzenproduktion und eine höhere Futterverwertung bei Nutztieren). Während sich die Stickstoffzufuhr zwischen 1991 und 2007 nur wenig verringerte (auf 193 kg/ha und Jahr bzw. um -4,5 %), ist die Stickstoffabfuhr seit 1991 um 27 % (auf 88 kg/ha und Jahr) angestiegen. Analysen von Betriebsdaten belegen, dass hohe Überschüsse vor allem in Betrieben mit hohem Viehbesatz anfallen. Es zeigt sich auch, dass selbst in Vieh haltenden Betrieben mit vergleichbarer Produktionsstruktur eine hohe Bandbreite unterschiedlicher Stickstoffüberschüsse auftritt. Dies lässt darauf schließen, dass weitere Minderungspotenziale bestehen, um die Effizienz der Stickstoffnutzung zu verbessern, z. B. durch Optimierung des betrieblichen Nährstoffmanagements, standortabgestimmte Bewirtschaftungsmaßnahmen, geeignete Nutzpflanzensorten und einen Tierbesatz, der die Verwertung der anfallenden organischen Dünger auf den zur Verfügung stehenden landwirtschaftlichen Nutzflächen nach guter fachlicher Praxis zulässt. Stickstoffüberschuss der Landwirtschaft Der aktuelle Wert liegt noch weit vom Zielbereich entfernt. Stickstoffüberschüsse in kg/ha landwirtschaftlich genutzter Fläche 160 Statistisch signifikanter Trend hin zum Zielwert 140 120 105 100 Zielwert von 80 kg/ha im Jahr 2010 80 60 Gleitendes Dreijahresmittel Stickstoffüberschuss kg/ha 40 20 0 58 * Datenbasis für das Jahr 1990 zum Teil unsicher **Datenbasis für das Jahr 2008 teilweise vorläufig 1990* 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008** 2010 Grafik: BfN (2010), Daten: Institut für Pflanzenbau und Bodenkunde, Julius Kühn-Institut und Institut für Landschaftsökologie und Ressourcenmanagement, Universität Gießen (2010) Themenfelder der NBS B 2.4 Landwirtschaft C 6 Land- und Forstwirtschaft C 10 Versauerung und Eutrophierung Zielwert Bis zum Jahr 2010 sollen die Stickstoffüberschüsse in der Gesamtbilanz auf 80 kg/ha landwirtschaftlich genutzter Fläche und Jahr verringert werden. Darüber hinaus wird eine weitere Verringerung bis zum Jahr 2015 angestrebt. Definition Differenz zwischen Stickstoffflüssen in die Landwirtschaft und Stickstoffflüssen aus der Landwirtschaft (Gesamtsaldo nach dem Prinzip der Hoftor-Bilanz) Kernaussage Von 1991 bis 2007 ist der Stickstoffüberschuss von 132 kg/ha und Jahr auf 105 kg/ha und Jahr gesunken (gleitendes Dreijahresmittel). Der aktuelle Wert liegt noch weit über dem angestrebten Zielwert von 80 kg/ha und Jahr. Eutrophierende Stickstoffeinträge Stickstoffverbindungen gelangen aus verschiedenen Quellen der Industrie, des Verkehrs, der Haushalte und der Landwirtschaft in die Atmosphäre. Dort können sie über weite Strecken als Gas oder als mikro­ skopisch kleine Teilchen (Aerosole) verfrachtet werden. Durch Absinken, Aufprall, Regen oder Kondensation erreichen diese Verbindungen wieder die Erdoberfläche. Besonders Lebensräume, die von Natur aus nährstoffarm sind, und die dort vorkommenden Pflanzen und Tiere werden durch die Anreicherung von Stickstoffverbindungen Stickstoffemissionen aus der Industrie gelangen in die Luft und reichern sich in Ökosystemen an. (Eutrophierung) geschädigt. In der Folge kommt es zur Verdrängung der an Magerstandorte angepassten Pflanzen durch Der Indikator gibt Auskunft nährstoffliebende Arten. Indirekt sind hiervon auch viele Tierarten betroffen, über Beeinträchtigungen der die an bestimmte Pflanzenarten gebunden sind. Die biologische Vielfalt kann biologischen Vielfalt aufgrund auf diese Weise nicht nur in terrestrischen, sondern auch in aquatischen der Überschreitungen der Ökosystemen geschädigt werden, da überschüssige Stickstoff­verbindungen Belastungsgrenzen durch eutrodurch Ausspülung in die Gewässer gelangen. phierende Stickstoffeinträge. Ökosystemspezifische Belastungsgrenzen für den Eintrag von Schad- oder Nährstoffen über die Atmosphäre werden international als Critical Loads (CL) bezeichnet. Werden diese Grenzen eingehalten oder unterschritten, sind nach heutigem Wissen weder akut noch langfristig Schädigungen der betroffenen Ökosysteme zu erwarten. Es kann allerdings Jahrzehnte dauern, bis Ökosysteme sichtbar geschädigt werden, und umgekehrt ebenso lange, bis sie sich von langjährigen Überschreitungen wieder erholen. Da Stoffe in der Atmosphäre weiträumig und grenzüberschreitend verfrachtet werden, gibt es verschiedene Vereinbarungen auf internationaler Ebene mit dem Ziel einer Verminderung der ausgestoßenen Mengen bestimmter Substanzen. Sowohl die NEC-Richtlinie (National Emission Ceilings Directive) der EU als auch das Göteborg-Protokoll der CLRTAP (Convention on Long-range Transboundary Air Pollution) definieren für 2010 nationale Höchstmengen der Emission von Ammoniak und Stickstoffoxiden. Der Indikator bilanziert den Anteil der bewerteten Flächen empfindlicher Ökosysteme ohne Überschreitungen ökosystemspezifischer Belastungsgrenzen für eutrophierende Stickstoffeinträge (Critical Loads of Nutrient Nitrogen). Entsprechend der Zielsetzung der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt wird bis zum Jahr 2020 eine flächendeckende Einhaltung der Belastungsgrenzen für empfindliche Ökosysteme angestrebt. Denn nur im Falle einer Einhaltung oder Unterschreitung dieser kritischen Belastungsgrenzen sind nach heutigem Wissen weder akut noch langfristig Schäden an den betroffenen empfindlichen Ökosystemen zu erwarten. „Mehr als die Hälfte der Gefäßpflanzen ist nur unter nährstoffarmen Bedingungen konkurrenzfähig und damit durch hohe Stickstoffeintrags­ raten in ihrem Bestand gefährdet.“ (BMU 2007: 80) Indikator Stoffliche Einträge haben erhebliche Auswirkungen auf die biologische Vielfalt, da sie die Lebens- und Standortbedingungen verändern (BMU 2007: 80). 59 Aufbau Weltweit wird in Zukunft eine steigende Belastung durch eutrophierende Stickstoffeinträge erwartet (MEA 2005: 8 ff). Ökosystemspezifische Belastungsgrenzen geben an, welche Menge eines Stoffes pro Fläche und Zeitspanne nach aktuellem Wissensstand in einem bestimmten Ökosystem deponiert werden kann, ohne dass auf lange Sicht Schäden auftreten. Stoffeinträge dürfen also langfristig gerade noch so hoch sein, dass die Stoffe durch interne Prozesse gespeichert oder aufgenommen werden können bzw. in unbedenklicher Größe wieder aus dem System herausgelangen. Zwischen Ein- und Austrägen eutrophierender Stickstoffverbindungen ist somit die Einstellung eines Gleichgewichtes erforderlich. Dabei sind zeitweilige Abweichungen vom Gleichgewichtszustand tolerierbar, solange das System aus sich selbst heraus regenerationsfähig bleibt. Als empfindliche Ökosysteme in Hinblick auf eutrophierende Stickstoffeinträge gelten u. a. folgende Typen der Landnutzung: nährstoffarme Wiesen und Weiden, Laub-, Nadel- und Mischwälder, grundwasserbeeinflusstes natürliches Grünland, Heiden und Moorheiden, Sümpfe und Torfmoore. Um die spezifischen Belastungsgrenzen für diese Ökosystemtypen festzulegen, werden u. a. die Vegetationszusammensetzung, die Gesteinsart und der Bodenchemismus berücksichtigt. Folgende Daten werden herangezogen, um mit Hilfe von Modellierungen die Überschreitung der Belastungsgrenzen für eutrophierende Stickstoffeinträge zu berechnen: • Bodenübersichtskarte Deutschlands (BÜK 1000) und Wald-BÜK, • Karte der mittleren jährlichen Sickerwasserrate aus dem Boden, • Karte der Landnutzungsverteilung (Corine Land Cover 2000), • Klimadaten Deutschlands. Aussage Die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt legt als Ziel für flächendeckende diffuse Stoffeinträge fest: „Bis zum Jahre 2020 werden die Belastungswerte (critical loads und levels) für Versauerung, Schwermetall- und Nährstoff­ einträge (Eutrophierung) und für Ozon eingehalten, so dass auch empfindliche Ökosysteme nachhaltig geschützt sind.“ (BMU 2007: 54) Auch durch Abgase des Straßenverkehrs gelangen Stickstoffverbindungen in die Atmosphäre. 60 Im Jahr 2004 wurden nur auf etwas mehr als 4 % der betrachteten Flächen empfindlicher Ökosysteme die Belastungsgrenzen für eutrophierenden Stickstoff nicht überschritten. Der Anteil verbesserte sich aber schon deutlich seit 1990, als die Grenzen lediglich auf 0,02 % der Fläche eingehalten wurden. Der Flächenanteil mit geringen Überschreitungen (weniger als 10 kg N pro ha und Jahr) sank von 2000 bis 2004 von 22,0 % auf 7,8 %. Der Flächenanteil mit sehr hohen Überschreitungen (mehr als 30 kg N pro ha und Jahr) stieg in diesem Zeitraum von 10,4 % auf 22,7 % deutlich an. Die Verteilung der Werte in Deutschland im Jahr 2004 zeigt die nebenstehende Karte. Überschreitung der Belastungs­ grenzen für eutrophierenden Stickstoff im Jahr 2004 kg ha-1 a-1 keine 0 - 10 10 - 20 20 - 30 30 - 40 40 - 50 >50 Anteil 4,27 % 7,84 % 24,94 % 40,21 % 17,19 % 2,52 % 3,02 % Verteilung 95 % 75 % 50 % 25 % 5 % 20 40 60 80 kg ha-1 a-1 100 Überschreitung der Belastungsgrenzen für eutrophierenden Stickstoff im Jahr 2004 BGR, Hannover; DWD, Offenbach; UBA, Berlin; ÖKO-DATA Strausberg Die Überschreitungen der Belastungsgrenzen durch lang anhaltende sowie aktuelle Einträge von Stickstoffverbindungen zeigen die Wahrscheinlichkeit von Schäden in den betroffenen empfindlichen Ökosystemen an. Die Flächen­ signaturen auf der Karte stellen dar, um wie viel die Belastungsgrenzen auf bestimmten Flächen im Modell überschritten werden. Die angezeigte Wahrscheinlichkeit bedeutet nicht, dass im betrachteten Jahr biologische Wirkungen sichtbar oder Schädigungen tatsächlich festgestellt wurden. Dies ist u. a. dadurch begründet, dass negative Auswirkungen mit großer zeitlicher Verzögerung eintreten können. 61 Komponenten der biologischen Vielfalt Wirtschaftliche Nutzungen Siedlung und Verkehr Klimawandel Gesellschaftliches Bewusstsein Während Stickstoffeinträge aus Verkehr und Industrie in den Jahren von 1990 bis 2004 abgenommen haben, weisen die Ammoniakemissionen und daraus folgende Stickstoffeinträge aus der Landwirtschaft bislang keinen Abwärtstrend auf. Die durch nationale und internationale Luftreinhaltemaßnahmen erreichten Verbesserungen in Hinblick auf Eutrophierungen sind im Vergleich zu den Erfolgen bei versauernden Einträgen gering. Um die Belastungsgrenzen bis zum Jahr 2020 einzuhalten, sind künftig große Anstrengungen erforderlich. Insbesondere im Bereich der Landwirtschaft müssen Ammoniakemissionen weiter reduziert werden. Dies kann u. a. durch angepasste, stickstoffreduzierte Fütterungsverfahren, geeignete Lagerung, emissionsarme Ausbringung und möglichst kurze Einarbeitungszeiten von Wirtschaftsdüngern erreicht werden. Eine Neuberechnung der bereits bilanzierten Werte und der folgenden Jahreswerte findet derzeit im Auftrag des Umweltbundesamtes statt. Dabei werden u. a. Critical Loads im Rahmen des Luftreinhalteübereinkommens der UNECE (United Nations Economic Commission for Europe) sowie hochauflösende Depositionsdaten nach dem internationalen Stand des Wissens aktualisiert. Die Ergebnisse werden noch für das Jahr 2010 erwartet. Eutrophierende Stickstoffeinträge Anteil der bewerteten Flächen empfindlicher Ökosysteme ohne Überschreitung der Critical Loads für Eutrophierung durch Stickstoffeinträge in % 100 Zielwert von 100 % im Jahr 2020 Der aktuelle Wert liegt noch sehr weit vom Zielbereich entfernt. 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 62 4,3 1990 1995 2000 2004 2020 Grafik: BfN (2010), Daten: UBA (2008) Themenfelder der NBS B 3.1 Flächendeckende diffuse Stoffein­träge, C 10 Versauerung und Eutrophierung Zielwert Flächendeckende Einhaltung der Belastungsgrenzen für empfindliche Ökosysteme bis zum Jahr 2020 Definition Anteil der bewerteten Flächen empfindlicher Ökosysteme ohne Überschreitungen ökosystemspezifischer Belastungsgrenzen für eutrophierende Stickstoffeinträge (Critical Loads of Nutrient Nitrogen) Kernaussage Im Jahr 2004 wurden nur auf 4,3 % der bewerteten Flächen empfindlicher Ökosysteme die Belastungsgrenzen eingehalten. Während luftgetragene Stickstoffeinträge aus Verkehr und Industrie von 1990 bis 2004 abgenommen haben, weisen die Ammoniakemissionen und daraus folgende Stickstoff­einträge aus der Landwirtschaft bislang keinen Abwärtstrend auf. Nachhaltige Forstwirtschaft Knapp ein Drittel der Landfläche Deutschlands ist mit Wäldern bedeckt. Wälder beherbergen eine große Vielfalt an Arten und Lebensräumen. Jedoch sind zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, die in Wäldern vorkommen, gefährdet, vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben. Struktur und Funktion der Wälder im Landschaftshaushalt sowie Vorkommen und Häufigkeit von Tier- und Pflanzenarten werden auf dem überwiegenden Teil der Flächen von forstwirtschaftlichen Nutzungen geprägt. Nach wie vor sind Fichten (28 %) und Kiefern (23 %) die häufigsten Baumarten, während sie von Natur aus nur wenige Prozent der Waldgesellschaften prägen würden. Eine naturnahe Zusammensetzung der Baumarten Brennholz findet sich auf ca. 35 % der Waldfläche. 73 % der Wälder sind Mischwälder, ca. 46 % der Wälder setzen sich aus einschichtigen Bestockungen zusammen, ca. 45 % sind zweischichtig und ca. 9 % sind mehrschichtig aufgebaut. Naturnahe Wälder weisen je nach Waldtyp und Standort neben standortgerechten, einheimischen Baumarten auch eine ausgeprägte Stufung der Vegetation, einen ausreichenden Alt- und Totholzanteil sowie zahlreiche Kleinstrukturen auf, die spezialisierten Arten Lebensraum bieten. Um die biologische Vielfalt in Wäldern zu erhalten und zu fördern, sollen umwelt- und naturverträgliche Formen der Forstwirtschaft verstärkt umgesetzt werden. Die Forstwirtschaft hat die Vorteile naturnaher Waldbewirtschaftung selbst erkannt und arbeitet zielstrebig an ihrer Umsetzung. Die Zertifizierung der Waldbewirtschaftung kann ein wirksames Instrument darstellen, den Schutz der biologischen Vielfalt in Wäldern zu stärken und eine gleichermaßen ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltige Waldbewirtschaftung durch entsprechende Bewirtschaftungsmaßnahmen sicherzustellen. In Deutschland gibt es zurzeit drei etablierte Zertifizierungssysteme für die Waldbewirtschaftung: • Das Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes (PEFC) geht auf eine Initiative des Europäischen Waldbesitzerverbandes zurück. Es wurde 1999 auf Basis der EU-Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder Europas in Helsinki gegründet und weist mit rund 69 % der zertifizierten Waldfläche den derzeit größten zertifizierten Flächenanteil in Deutschland auf. Das Zertifizierungssystem PEFC wird von zahlreichen Betrieben und Unternehmen der privaten, kommunalen und staatlichen Forst- und Holzwirtschaft unterstützt. Der Indikator gibt Auskunft über den Schutz der biologischen Vielfalt durch nachhaltige Forstwirtschaft. Die Bundesregierung formuliert als Ziel für die Zukunft: „Die Wälder in Deutschland weisen eine hohe natürliche Vielfalt und Dynamik hinsichtlich ihrer Struktur und Artenzusammensetzung auf und faszinieren die Menschen durch ihre Schönheit. Natürliche und naturnahe Waldgesellschaften haben deutlich zugenommen. Die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder erfolgt im Einklang mit ihren ökologischen und sozialen Funktionen.“ (BMU 2007: 31) • Der Forest Stewardship Council (FSC) wurde 1993, ein Jahr nach der Konferenz „Umwelt und Entwicklung“ in Rio de Janeiro gegründet. FSC wird von Umwelt- und Naturschutzorganisationen (WWF, Greenpeace, NABU u. a.), Sozialverbänden (IG BAU, IG Metall u. a.) sowie zahlreichen Unternehmen der Privatwirtschaft unterstützt. Rund 4 % der zertifizierten Waldfläche werden nach den Standards des FSC bewirtschaftet. • Das Naturland-Zertifikat wurde 1996 von Greenpeace, BUND, WWF und Robin Wood entwickelt. Basis dieser Zertifizierung sind die Naturland Richtlinien zur Ökologischen Waldnutzung. Die Vermarktung und Siegelvergabe werden im Rahmen einer Gruppenzertifizierung nach FSC organisiert. Die nach Naturland zertifizierten Waldflächen (rund 0,5 %) sind im Folgenden in den FSC-Flächenangaben enthalten. „Aus ökologischer Sicht besonders wertvolle alte Wälder (mit Bäumen älter als 180 Jahre) sind mit ca. 2 % Anteil an der Waldfläche kaum mehr vorhanden.“ (BMU 2007: 32) 63 Indikator Aufbau Für die Berechnung des Indikators wird auf Daten der Zertifizierungsstellen PEFC und FSC zurückgegriffen. Dabei ist zu beachten, dass Waldflächen gleichzeitig nach PEFC und FSC zertifiziert sein können. Das genaue Ausmaß der Flächenüberschneidungen ist derzeit nicht bekannt. Daher werden die Flächenangaben der beiden Zertifizierungssysteme in der Abbildung nebeneinander dargestellt. Bezugsgröße für die Berechnung der Flächenanteile ist die Gesamtwaldfläche Deutschlands, die zuletzt durch die Bundeswaldinventur 2 (BWI2) ermittelt wurde. Sie beträgt etwa 11,1 Mio. ha. Aussage Der Anteil nach PEFC zertifizierter Waldflächen lag im Jahr 2009 bei 69 %, der Anteil nach FSC zertifizierter Flächen bei 4 %. Da das Ausmaß an Überschneidungen derzeit nicht bekannt ist, kann der Gesamtwert nicht eindeutig bestimmt werden. Er lag im Jahr 2009 zwischen 69 % und 73 % und damit in der Nähe des Zielbereiches. Betrachtet man die Entwicklung zertifizierter Waldflächen seit 2000, so zeigte sich zu Beginn ein schneller Anstieg, der sich seit Mitte des Jahrzehnts deutlich verlangsamt hat. Der Anteil der FSC-Flächen weist seit 2006 einen leichten Rückgang auf. Über den gesamten bilanzierten Zeitraum seit 2000 ergibt sich ein statistisch signifikanter Trend hin zum Zielwert von 80 %. In der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt werden als Gründe für die Gefährdung von Arten in Deutschland u. a. genannt: „Lokale Defizite bei der Waldbewirtschaftung (der zu geringe Anteil von Altersund Zerfallphasen sowie von Höhlenbäumen und Totholz, strukturarme Bestände, nicht standortgerechte Baumarten, unangepasste Forsttechnik und Holzernteverfahren).“ (BMU 2007: 17) Die Bundesregierung hat in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt als Ziel festgelegt: „Zertifizierung von 80 % der Waldfläche nach hochwertigen ökologischen Standards bis 2010“ (BMU 2007: 32). Waldzertifizierung durch ein unabhängiges Institut 64 Der Indikator bilanziert die nach den derzeit etablierten Zertifizierungssystemen PEFC bzw. FSC zertifizierten Waldflächen anteilig an der Gesamtwaldfläche Deutschlands. Die Bundesregierung hat als Ziel festgelegt, dass bis zum Jahr 2010 80 % der Waldfläche nach hochwertigen ökologischen Standards zertifiziert sein sollen (BMU 2007: 32). Komponenten der biologischen Vielfalt Wirtschaftliche Nutzungen Siedlung und Verkehr Gesellschaftliches Bewusstsein Klimawandel Um das Ziel der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt zu erreichen, sollten insbesondere öffentliche Waldbesitzer ermutigt werden, sich im Sinne ihrer Vorbildfunktion nach hochwertigen ökologischen Standards zertifizieren zu lassen. Außerdem sollte eine Strategie entwickelt werden, um das Bewusstsein der Öffentlichkeit für einen verantwortungsvollen Einkauf von Holz und Holzprodukten zu stärken und hierdurch die Nachfrage nach zertifiziertem Holz zu steigern. „Bis zum Jahre 2020 haben sich die Bedingungen für die in Wäldern typischen Lebens­ gemeinschaften (Vielfalt in Struktur und Dynamik) weiter verbessert. Bäume und Sträucher der natürlichen Waldgesellschaft verjüngen sich ganz überwiegend natürlich. Mit naturnahen Bewirtschaftungsformen werden die natürlichen Prozesse zur Stärkung der ökologischen Funktionen genutzt. Alt- und Totholz sind in ausreichender Menge und Qualität vorhanden.“ (BMU 2007: 31) „In der Forstwirtschaft setzt sich die Bundesregierung für eine naturnahe Waldbewirtschaftung möglichst auf der gesamten forstwirtschaftlich genutzten Fläche ein.“ (BMU 2007: 72) Nachhaltige Forstwirtschaft Anteil nach PEFC bzw. FSC zertifizierter Waldflächen 90 Zielwert von 80 % im Jahr 2010 80 69 70 + Der aktuelle Wert liegt in der Nähe des Zielbereiches. Statistisch signifikanter Trend hin zum Zielwert 60 50 40 30 Anteil PEFC 20 Anteil FSC 10 0 4 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Grafik: BfN (2010), Daten: BWI2 (2002), PEFC (2009), FSC (2009) Themenfelder der NBS B 1.2.1 Wälder, C 6 Land- und Forstwirtschaft Zielwert 80 % der Waldfläche trägt bis zum Jahr 2010 ein Siegel, das nach hochwertigen ökologischen Standards zertifiziert. Definition Anteil der nach PEFC bzw. FSC zertifizierten Waldflächen an der gesamten Waldfläche Kernaussage Im Jahr 2009 waren 69 % der Waldfläche nach PEFC und 4 % der Waldfläche nach FSC zertifiziert. Der Gesamtwert liegt in der Nähe des Zielbereiches. Um das Ziel von 80 % zu erreichen, bedarf es weiterer Zertifizierungen nach hochwertigen ökologischen Standards. 65 2.4 Klimawandel Der Klimawandel bringt Gletscher zum Schmelzen und beeinflusst die biologische Vielfalt. 66 Klimawandel und Frühlingsbeginn Aufgrund des Klimawandels sind Veränderungen der biologischen Vielfalt nicht nur weltweit, sondern auch in Deutschland zu erwarten. Hiervon können die Verbreitung und Häufigkeit von Pflanzen und Tieren, die Zusammensetzung von Lebensgemeinschaften sowie Strukturen und Funktionen von Lebensräumen betroffen sein. Bereits heute belegen statistische Auswertungen Zusammenhänge zwischen dem Klimawandel und Veränderungen der Vorkommen von Arten in Deutschland. Die Entwicklung vieler Organismen wird weniger durch kurzfristige Temperaturänderungen beeinflusst, als vielmehr durch den TemApfelblüte peraturverlauf über lange Zeitspannen hinweg – etwa Monate oder Jahre. Deshalb ist die Erfassung des jahreszeitlichen Entwicklungsganges von Pflanzen und Tieren durch sogenannte phänologische Beobachtungen dazu geeignet, langfristige Auswirkungen des Klimawandels auf die biologische Vielfalt aufzuzeigen. Dabei sind die Auswirkungen der Klimaerwärmung auf Tiere und Pflanzen sowie deren Lebensgemeinschaften im Einzelnen komplex und bisher erst in Ansätzen geklärt. Während z. B. bestimmte Vogelarten infolge kürzerer Winter einen erhöhten Bruterfolg zeigen und somit vom Klimawandel profitieren, können sich phänologische Verschiebungen bei Pflanzenarten und deren Bestäubern oder in Räuber-Beute-Beziehungen auch negativ auf die Bestandsentwicklung der beteiligten Arten auswirken. Das phänologische Beobachtungsprogramm des Deutschen Wetterdienstes (DWD) umfasst zahlreiche Zeigerpflanzen, für die Datenreihen zum Teil seit 1951 vorliegen. Damit werden phänologische Verschiebungen bundesweit präzise dokumentiert. Für Aussagen zu Auswirkungen der Klimaerwärmung eignet sich insbesondere die phänologische Bestimmung des Beginns des Frühlings. Da zu dieser Jahreszeit die Lufttemperatur eine hohe Variabilität zeigt und in der Regel noch weit unterhalb optimaler Bedingungen für Pflanzen liegt, führen steigende Temperaturen zu einer messbar beschleunigten Pflanzenentwicklung. Die Apfelblüte markiert den Beginn des phänologischen Vollfrühlings und kann zuverlässig und standardisiert erfasst werden. Die Entwicklung der Apfelbäume im Frühling steht dabei stellvertretend für die Entwicklung zahlreicher weiterer Arten, die in ähnlicher Weise auf Veränderungen des Klimas am Beginn des Frühlings reagieren. Der Indikator „Klimawandel und Frühlingsbeginn“ stellt die zeitliche Verschiebung des Beginns der Apfelblüte (Beginn des phänologischen Vollfrühlings) in Deutschland dar. Der Indikator gibt Auskunft über die Verschiebung des phänologischen Frühlingsbeginns in Folge des Klimawandels. Der Klimawandel und die damit verbundene Erderwärmung wirken sich nicht nur auf den jahreszeitlichen Ablauf der Lebensvorgänge von Tieren und Pflanzen, auf deren Verbreitung und Wachstumsgeschwindigkeit sowie auf das Verhalten von Tieren aus. Sie sind auch eine Ursache für den Verlust an biologischer Vielfalt (BMU 2007: 81). Indikator Als ein ambitioniertes Ziel zum Schutz des Klimas gilt eine Begrenzung der weltweiten Erwärmung der Erdatmosphäre auf höchstens 2 Grad gegenüber dem vorindustriellen Wert. Daraus kann kein konkreter Zielwert für den vorliegenden Indikator abgeleitet werden. Allerdings ist grundsätzlich anzustreben, einer weiteren Verfrühung des Beginns des phänologischen Vollfrühlings durch eine konsequente Klimaschutzpolitik entgegenzuwirken. Der Blütezeitpunkt von Apfelbäumen wird jährlich an ca. 1.200 Aufnahmepunkten in ganz Deutschland erfasst. Die zugehörigen Daten sammelt der Deutsche Wetterdienst (DWD). Der Beginn der Apfelblüte wird in Tagen seit Jahresbeginn bis zum Tag des Einsetzens der Blüte angegeben. Aus den an den DWD gelieferten Meldungen ergibt sich durch eine Mittelwertbildung ein deutschlandweiter Jahreswert. Zusätzlich werden sowohl eine lineare Trendlinie über den gesamten berichteten Zeitraum von 1951 bis 2009 als auch ein gleitendes Zehnjahresmittel dargestellt. Aufbau 67 Beginn der Apfelblüte in Deutschland Abweichung des Jahres 2007 vom langjährigen Mittel 1971-2000 68 Komponenten der biologischen Vielfalt Siedlung und Verkehr Wirtschaftliche Nutzungen Klimawandel Die Apfelblüte zeigt über die Jahre hinweg eine starke Variabilität des Eintrittsdatums. Das Datum schwankt zwischen dem 19. April (Tag 109) und dem 19. Mai (Tag 139). Der früheste Blühtermin liegt in den Jahren 1960, 1990 und 2007, der späteste im Jahr 1970. Im Jahr 2007 bedeutete dies, dass in weiten Teilen Deutschlands die Apfelblüte mehr als zwei Wochen früher, in einzelnen Gebieten sogar mehr als drei Wochen früher begann als im langjährigen Mittel von 1971 bis 2000 (siehe Karte). Der phänologische Frühlingsbeginn im Jahr 2009 fiel auf den 20. April und lag damit nur einen Tag nach dem frühesten Blütebeginn im gesamten Bilanzierungszeitraum. Gesellschaftliches Bewusstsein Aussage Das gleitende Zehnjahresmittel zeigt bis Ende der 1980er Jahre steigende Tendenzen und weist auf eine Verspätung des Frühlingsbeginns hin. Diese Tendenz kehrt sich allerdings ungefähr im Jahr 1987 um. Ein abfallender Trend belegt seitdem eine deutliche Verfrühung. Auch für den gesamten 59 Jahre umfassenden Beobachtungszeitraum von 1951 bis 2009 ist ein Trend zu einem früheren Eintrittsdatum zu erkennen. Dabei verfrühte sich während der letzten 50 Jahre der Frühlingsbeginn im Mittel um 1,66 Tage pro Dekade. Dieser Trend wird von anderen Untersuchungen bestätigt, die beim Einsetzen des Blattaustriebes, der Blüte und der Fruchtreife verschiedener Pflanzen einen Trend hin zu einem früheren Zeitpunkt im Jahresverlauf zeigen. Die signifikante Verfrühung des phänologischen Frühlingsbeginns spiegelt den Anstieg der gemessenen Temperaturen in Deutschland während dieser Jahreszeit wider. Klimawandel und Frühlingsbeginn Tage seit Jahresbeginn Statistisch signifikanter Trend weg vom Ziel 140 130 120 Linearer Trend 20. April 110 100 1951 1960 1970 1980 1990 Themenfelder der NBS B 3.2 Klimawandel C 11 Biodiversität und Klimawandel Definition Der Indikator „Klimawandel und Frühlingsbeginn“ stellt die zeitliche Verschiebung des Beginns der Apfelblüte (Beginn des phänologischen Vollfrühlings) unter dem Einfluss der Klimaerwärmung dar. 2000 2009 Gleitendes Zehnjahresmittel Grafik: BfN (2010), Daten: DWD (2009) Qualitätsziel Es ist grundsätzlich anzustreben, einer weiteren Verfrühung des Beginns des phänologischen Vollfrühlings durch Maßnahmen zum Klimaschutz entgegenzuwirken. Kernaussage Seit dem Ende der 1980er Jahre zeigt sich eine deutliche Verfrühung des Beginns des phänologischen Vollfrühlings. Dieser Termin fiel im Jahr 2009 auf den 20. April und lag damit nur einen Tag nach dem frühesten Blütebeginn im Bilanzierungszeitraum von 1951 bis 2009. 69 2.5 Gesellschaftliches Bewusstsein Nur durch eine gemeinsame gesellschaftliche Anstrengung kann der Verlust der biologischen Vielfalt gestoppt werden. 70 Bewusstsein für biologische Vielfalt Um die biologische Vielfalt dauerhaft zu erhalten, bedarf es nicht nur großer Anstrengungen staatlicher Akteure, sondern auch einer breiten Zustimmung und Mitwirkung in der Gesellschaft. Alle Menschen in Deutschland sollten um die Bedeutung der biologischen Vielfalt als Lebensgrundlage heutiger und künftiger Generationen wissen. Weiterhin sollte sich jeder Einzelne aus diesem Wissen heraus für die Erhaltung der biologischen Vielfalt persönlich verantwortlich fühlen und sein Handeln entsprechend ausrichten. Sowohl das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD) als auch die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt betonen die große Bedeutung von Aufklärung und Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit. So heißt es in Artikel 13 der CBD: „Die Haussperling (Passer domesticus) Vertragsparteien […] fördern und begünstigen das Bewusstsein für die Bedeutung der Erhaltung der biologischen Vielfalt und die dafür notwendigen Maßnahmen sowie die Verbreitung dieser Thematik durch die Medien und ihre Einbeziehung in Bildungsprogramme […]“. In der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt stellt die Bundesregierung fest: „Aktivitäten zur Erhaltung der biologischen Vielfalt benötigen gesellschaftliche Unterstützung. Dazu bedarf es handlungsorientierten Lernens sowohl im Bildungsbereich als auch in allen anderen Bereichen des Lebens“ (BMU 2007: 61). Der Indikator bildet das Bewusstsein der deutschsprachigen Wohnbevölkerung über 18 Jahre in Bezug auf die biologische Vielfalt ab und besteht aus drei Teilindikatoren. Beim Wissensindikator geht es um die Bekanntheit des Begriffes „biologische Vielfalt“ und um die Kenntnis von dessen Bedeutung. Der Einstellungsindikator beleuchtet die Wertschätzung der befragten Personen für die biologische Vielfalt. Der Verhaltensindikator erfasst die Verhaltensbereitschaft der befragten Personen in verschiedenen Handlungsbereichen (u. a. beim Konsumverhalten), die für die Erhaltung der biologischen Vielfalt relevant sind. In der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt hat sich die Bundesregierung als Ziel gesetzt, dass bis zum Jahr 2015 für mindestens 75 % der Bevölkerung die Erhaltung der biologischen Vielfalt zu den prioritären gesellschaftlichen Aufgaben zählt. Die Bedeutung der biologischen Vielfalt soll fest im gesellschaftlichen Bewusstsein verankert und das Handeln der Menschen zunehmend daran ausgerichtet sein. Die Datenbasis des Indikators sind regelmäßig durchzuführende repräsentative Bevölkerungsumfragen. Diese sind entweder in die Naturbewusstseins­ studien des Bundesamtes für Naturschutz oder die Umweltbewusstseinsstudien des Umweltbundesamtes integriert oder sind Teil einer Mehrthemenumfrage eines Sozialforschungsinstituts. Die Zahl der befragten Personen beträgt mindestens 1.000, wenn möglich 2.000, um Teilgruppen wie etwa Personen mit hoher und niedriger formaler Bildung bezüglich ihres Bewusstseins vergleichen zu können. Die erste umfassende Naturbewusstseinsstudie wurde im Jahr 2009 durchgeführt (BMU & BfN 2010). Der Indikator bilanziert das Bewusstsein der Bevölkerung in Bezug auf die biologische Vielfalt. Indikator „Im Jahre 2015 zählt für mindestens 75 % der Bevölkerung die Erhaltung der biologischen Vielfalt zu den prioritären gesellschaftlichen Aufgaben.“ (BMU 2007: 60) Aufbau 71 Naturerlebnisse stärken das Bewusstsein für biologische Vielfalt. Folgende, auf den Zielen und Maßnahmen der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt basierende Empfehlungen zur Verbesserung des Bewusstseins über biologische Vielfalt sollten zeitnah verwirklicht werden: • Die Bedeutung von Schutz und naturverträglicher Nutzung der biologischen Vielfalt ist als wichtiges Bildungsthema in stärkerem Maße als bisher zu verankern. Um einen möglichst großen Teil der Bevölkerung zu erreichen, müssen in den verschiedensten Bildungseinrichtungen entsprechende Angebote zielgruppengerecht und an der Lebenswirklichkeit der Menschen orientiert ausgebaut werden. • Die Vermittlung des Wertes der biologischen Vielfalt muss über die gesamte Breite moderner Kommunikationswege zielgruppenspezifisch vorangebracht werden. Das Fragenset zur Datenerhebung besteht aus zwei Fragen zum Wissen, sieben Fragen zu Einstellungen und sechs Fragen zur Verhaltensbereitschaft. Es werden zunächst die drei Teilindikatoren gesondert berechnet. Dabei entspricht die Höhe eines Teilindikators jeweils dem Prozentanteil an Personen, deren Antworten im Sinne der Ziele der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt zur Bewusstseinsbildung als ausreichend oder besser gewertet wurden. Schließlich wird ein Gesamtindikator gebildet, der angibt, wie viel Prozent der befragten Personen die Anforderungen in allen drei Teilbereichen erfüllen, d. h. ein mindestens ausreichendes Bewusstsein in Bezug auf die biologische Vielfalt haben. Aufgrund dieser Konstruktion kann der Wert des Gesamtindikators maximal so hoch sein wie der Wert des niedrigsten Teilindikators. Aussage 72 Im Jahr 2009 haben 22 % der deutschsprachigen Wohnbevölkerung über 18 Jahre ein mindestens ausreichendes Wissen sowie eine positive Einstellung bezüglich der biologischen Vielfalt und äußern zugleich eine entsprechende Verhaltensbereitschaft. Damit liegt der Wert des Gesamtindikators noch sehr weit vom Zielwert von 75 % entfernt. Da die Umfragen im Jahr 2009 erstmals durchgeführt wurden, ist bisher kein Vergleich mit früheren Ergebnissen möglich. Komponenten der biologischen Vielfalt Siedlung und Verkehr Wirtschaftliche Nutzungen Klimawandel Gesellschaftliches Bewusstsein Betrachtet man die einzelnen Teilindikatoren getrennt, so zeigt sich ein differenziertes Bild. Von den Befragten kennen 42 % den Begriff der biologischen Vielfalt (Wissensindikator). Die meisten aus dieser Gruppe verbinden damit zumindest die Artenvielfalt, nur wenige auch die Vielfalt der Lebensräume/ Ökosysteme oder die genetische Vielfalt. Bei 54 % der Befragten sind die Einstellungen bezüglich biologischer Vielfalt positiv (Einstellungsindikator), und 50 % sind bereit, ihr Verhalten an der Erhaltung der biologischen Vielfalt auszurichten (Verhaltensindikator). Im Vergleich der Teilindikatoren schneidet der Wissensindikator am schlechtesten ab, aber auch die beiden anderen Teilindikatoren liegen noch weit vom gesetzten Zielwert entfernt. Es besteht also auf allen drei Ebenen der Bewusstseinsbildung die Notwendigkeit, geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Dabei sollten sich Programme zur Aufklärung und Bildung an unterschiedlichen Zielgruppen orientieren und deren besondere Bedürfnisse und Interessen in differenzierter Weise aufnehmen. Die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt enthält zahlreiche Maßnahmen in Hinblick auf gesellschaftliches Bewusstsein, Bildung und Information, deren konsequente Umsetzung zu einer Verbesserung des Bewusstseins über die biologische Vielfalt beitragen soll. Bewusstsein für biologische Vielfalt Anteil der deutschsprachigen Wohnbevölkerung mit mindestens ausreichendem Bewusstsein in Bezug auf die biologische Vielfalt in % Der aktuelle Wert liegt noch sehr weit vom Zielbereich entfernt. 100 Zielwert von 75 % im Jahr 2015 80 60 40 20 0 22 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Grafik: BfN (2010), Daten: BMU/BfN (2009) Themenfelder der NBS B 5 Gesellschaftliches Bewusstsein, C 14 Bildung und Information Zielwert Bis zum Jahr 2015 zählt für mindestens 75 % der Bevölkerung die Erhaltung der biologischen Vielfalt zu den prioritären gesellschaftlichen Aufgaben. Definition Der Indikator bildet das Bewusstsein der deutschsprachigen Wohnbevölkerung über 18 Jahre in Bezug auf die biologische Vielfalt in drei Teilbereichen ab: dem Wissen, der Einstellung und der Verhaltensbereitschaft. Kernaussage Im Jahr 2009 haben 22 % der Bevölkerung ein mindestens ausreichendes Bewusstsein für die biologische Vielfalt. Da der aktuelle Wert noch sehr weit vom Zielwert entfernt liegt, muss die Bedeutung biologischer Vielfalt verstärkt zielgruppengerecht vermittelt werden. 73 3 Gesamtbilanz Die wichtigsten Informationen zu den 19 Indikatoren der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt werden im Indikatorenspiegel auf den folgenden Seiten noch einmal in einer Übersicht dargestellt. Die Indikatoren sind dabei den fünf Themenfeldern „Komponenten der biologischen Vielfalt“, „Siedlung und Verkehr“, „Wirtschaftliche Nutzungen“, „Klimawandel“ und „Gesellschaftliches Bewusstsein“ zugeordnet. Zu jedem Indikator finden sich Angaben zur gemessenen oder beobachteten Größe, zum letzten berichteten Wert, zum Ziel/Zielwert sowie zu Status (Grad der Zielerreichung) und Trend. Nähere Ausführungen zur Ermittlung von Status und Trend der Indikatoren sowie eine Erklärung der Symbole finden sich in der Einleitung zu Kap. 2 und in der Legende zum Indikatorenspiegel. Als weitere Informationen enthält die Übersicht Angaben zur Verwendung der Indikatoren in anderen Indikatorensystemen. In der letzten Spalte steht die Kernaussage des Indikators. Diese fasst kurz die Entwicklung des Indikators und den Handlungsbedarf für das Themenfeld zusammen. Quantitative Zielwerte wurden bei insgesamt 12 Indikatoren festgelegt. Die Statusangaben zeigen bei sechs dieser Indikatoren einen geringen Zielerreichungsgrad zwischen 50 % und weniger als 80 % (-) und bei fünf weiteren dieser Indikatoren einen sehr geringen Zielerreichungsgrad von weniger als 50 % (--). Das bedeutet, dass die zuletzt bilanzierten Werte noch weit bzw. sehr weit vom jeweiligen Zielwert entfernt sind. Beim Indikator „Nachhaltige Forstwirtschaft“ liegt der aktuelle Wert in der Nähe des Zielbereiches (+). 74 Eine statistische Trendanalyse konnte bei insgesamt sieben Indikatoren durchgeführt werden. Statistisch signifikant in Richtung auf das Ziel bzw. den Zielwert ( ) entwickeln sich fünf Indikatoren: Gebietsschutz, Flächeninanspruchnahme, Ökologischer Landbau, Stickstoffüberschuss der Landwirtschaft und Nachhaltige Forstwirtschaft. Nur beim Indikator „Klimawandel und Frühlingsbeginn“ ist der Trend signifikant negativ ( ): Der Klimawandel verursacht eine fortschreitende Verfrühung des Beginns des phänologischen Vollfrühlings. Für den Indikator „Artenvielfalt und Landschaftsqualität“ liefert die Trendanalyse keinen statistisch eindeutigen Trend ( ). Die Entwicklung der bilanzierten Werte ist hier über die letzten 10 Jahre in etwa gleichbleibend. Bei zwölf Indikatoren lässt sich aus methodischen Gründen keine statistische Trendberechnung durchführen, da zu wenige Datenpunkte zur Verfügung stehen. ~ Die Zielwerte der Indikatoren „Stickstoffüberschuss der Landwirtschaft“ und „Nachhaltige Forstwirtschaft“ beziehen sich auf das Jahr 2010. Diese Werte können bis Ende 2010 nicht mehr erreicht werden. Die anderen Zielwerte gelten, soweit sie an ein bestimmtes Zieljahr geknüpft sind, für die Jahre 2015 oder 2020. Auch wenn bis dahin noch einige Jahre Zeit bleiben, wird an dem starken Auseinanderklaffen der aktuellen Werte und der Zielwerte deutlich, dass die gesetzten Ziele nur unter sehr großen Anstrengungen erreicht werden können. Sehr geringe Zielerreichungsgrade zeigen sich beim ökologischen Gewässerzustand, bei der Flächeninanspruchnahme, bei den eutrophierenden Stickstoffeinträgen und beim Bewusstsein für biologische Vielfalt. Ähnliches gilt für den ökologischen Landbau, für den es jedoch kein konkretes Zieljahr gibt. Bei der Flächeninanspruchnahme und beim ökologischen Landbau lässt sich allerdings ein statistisch signifikanter Trend in Richtung auf den Zielwert feststellen. Insbesondere die Zustandsindikatoren verdeutlichen, dass das 2010-Ziel der CBD, den Verlust an biologischer Vielfalt signifikant zu reduzieren, bzw. das weitergehende 2010-Ziel der EU, den Verlust ganz zu stoppen, in Deutschland bis Ende des Jahres 2010 nicht erreicht werden kann. Auch in der gesamten EU wird dieses Ziel trotz erheblicher Anstrengungen verfehlt werden. Es ist noch ein weiter Weg zu gehen, um den Verlust an biologischer Vielfalt zu stoppen. 75 Die Erhaltung der biologischen Vielfalt bleibt für Deutschland auch in der Zeit nach 2010 eine zentrale Zukunftsaufgabe. Um hier signifikante Verbesserungen zu erzielen, ist eine konsequente Umsetzung der im Jahre 2007 beschlossenen Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt erforderlich. Viele der über 400 Maßnahmen in den Aktionsfeldern der Strategie wurden bereits in Angriff genommen. Positive Wirkungen werden sich allerdings aufgrund langer Zeiträume, welche die Bestände von Tier- und Pflanzenarten sowie Biotope für eine Regeneration benötigen, erst mit erheblicher Verzögerung in den bilanzierten Werten der Indikatoren niederschlagen. Hinzu kommen bei einigen Indikatoren längere Zeitintervalle für eine Aktualisierung der zugrunde liegenden Daten. Elbe bei Breitenhagen 76 Indikatorenspiegel Legende zum Status ++ + -- Zielerreichungsgrad ≥ 90 % Der aktuelle Wert liegt innerhalb des Zielbereiches. Zielerreichungsgrad 80 % bis < 90 % Der aktuelle Wert liegt in der Nähe des Zielbereiches. Zielerreichungsgrad 50 % bis < 80 % Der aktuelle Wert liegt noch weit vom Zielbereich entfernt. Zielerreichungsgrad < 50 % Der aktuelle Wert liegt noch sehr weit vom Zielbereich entfernt. Legende zum Trend Statistisch signifikanter Trend hin zum Ziel bzw. Zielwert ~ Kein statistisch signifikanter Trend feststellbar (keine Signifikanz für ansteigenden oder abfallenden Trend) Statistisch signifikanter Trend weg vom Ziel bzw. Zielwert Legende zu den Indikatorensystemen SEBI Streamlining European Biodiversity Indicators NHS Nationale Nachhaltigkeitsstrategie KIS Kernindikatorensystem Umwelt LIKI Länderinitiative Kernindikatoren (umweltbezogene Nachhaltigkeitsindikatoren) Einzelne Indikatoren wurden aus bestehenden Indikatorensystemen ggf. in modifizierter Form übernommen. 77 Indikatorenspiegel Indikator Gemessene oder beobachtete Größe Letzter berichteter Wert Ziel/ Zielwert Komponenten der biologischen Vielfalt Artenvielfalt und Landschaftsqualität Index (Maßzahl in %) über die bundesweiten Bestandsgrößen von 59 repräsentativen Vogelarten in sechs Hauptlebensraum- und Landschaftstypen 69 % (Stand: 2008) 100 % im Jahr 2015 Gefährdete Arten Index (Maßzahl in %) über die Einstufung von Arten ausgewählter Artengruppen in die Rote-Liste-Kategorien bundesweiter Roter Listen 23 % (Stand: 2009) 16 % im Jahr 2020 Erhaltungszustand der FFH-Lebensräume und FFH-Arten Index (Maßzahl in %) über die Bewertungen des Erhaltungszustands der Lebensraumtypen des An48 % hangs I und der Arten der Anhänge II, IV und V der (Stand: FFH-Richtlinie in den biogeographischen Regionen 2001-2006) in Deutschland Invasive Arten Anzahl der Arten der Schwarzen Liste invasiver Arten getrennt nach der Aktions- und der Managementliste Gebietsschutz 80 % im Jahr 2020 6/40 Arten (Stand: 2010) Keine weitere Zunahme der gelisteten Arten Flächenanteil streng geschützter Gebiete (Naturschutzgebiete, Nationalparke) an der Landfläche Deutschlands 4,1 % (Stand: 2008) – Ökologischer Gewässerzustand Anteil der Wasserkörper der Flüsse, Bäche, Seen, Übergangs- und Küstengewässer, die sich in einem guten oder sehr guten ökologischen Zustand befinden, an der Gesamtanzahl aller bewerteten Wasserkörper 10 % (Stand: 2009) 100 % im Jahr 2015 Zustand der Flussauen Index (Maßzahl in %) über die Bewertungen des Auenzustands von 79 im Auenzustandsbericht erfassten Flussauen 19 % (Stand: 2009) 29 % im Jahr 2020 Flächeninanspruch­nahme Durchschnittliche Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche in ha pro Tag (gleitendes Vierjahresmittel) 94 ha (Stand: 2009) 30 ha im Jahr 2020 Landschafts­zerschneidung Flächenanteil unzerschnittener verkehrsarmer Räume ≥ 100 km² (UZVR) an der Landfläche Deutschlands und effektive Maschenweite (Meff) 25,4 % (Stand: 2005) Keine Veränderung gegenüber 2005 Siedlung und Verkehr 78 Status Trend Indikatorensystem Kernaussage - ~ Die Indikatorwerte liegen nach wie vor weit vom Zielwert entfernt. Einzig der Teilindikator für die Wälder liegt knapp über 80 % und damit in der Nähe des Zielbereiches. NHS, KIS, Bei gleich bleibender Entwicklung kann das Ziel von 100 % im Jahr 2015 nicht ohne LIKI, SEBI erhebliche zusätzliche Anstrengungen von Bund, Ländern und auf kommunaler Ebene in möglichst allen betroffenen Politikfeldern erreicht werden. - – KIS, SEBI - – SEBI Für die letzte Berichtsperiode (2001-2006) beträgt der Indikatorwert 48 %. Er liegt noch weit vom Zielwert entfernt. Bei einem Großteil der Schutzgüter sind daher erhebliche Anstrengungen erforderlich, um deren Erhaltungszustand zu verbessern. – – KIS, SEBI In 2010 gefährden 40 Arten der vorläufigen Managementliste der Schwarzen Liste invasiver Arten die biologische Vielfalt. Gegen sechs Arten der vorläufigen Aktionsliste sind Sofortmaßnahmen zu ergreifen. Für das Jahr 2009 beträgt der vorläufig nur für die Gruppe der Wirbeltiere (ohne die Meeresfische) berechnete Indikatorwert 23 %. Um den Zielwert von 16 % bis 2020 zu erreichen, sind große Anstrengungen im Artenschutz notwendig. KIS, LIKI, Der Flächenanteil streng geschützter Gebiete ist von 2000 bis 2008 von 3,2 % auf 4,1 % SEBI der Landfläche Deutschlands gestiegen. – -- – - – Nur 10 % der Wasserkörper befanden sich im Jahr 2009 in einem guten oder sehr guten LIKI, SEBI ökologischen Zustand. Die häufigsten Ursachen für Beeinträchtigungen sind Veränderungen der Gewässerstruktur und hohe Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft. – Die größeren Flussauen in Deutschland sind insgesamt stark beeinträchtigt (Indikatorwert im Jahr 2009 beträgt 19 %). Um die biologische Vielfalt in Flussauen zu schützen und zu entwickeln, bedarf es auch künftig großer Anstrengungen. -- Das gleitende Vierjahresmittel ist von 129 ha pro Tag im Jahr 2000 auf 94 ha pro Tag NHS, KIS, im Jahr 2009 gesunken. Trotz des positiven Trends ist der aktuelle Wert noch sehr weit LIKI vom Zielwert entfernt. Daher müssen Instrumente zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme gestärkt und konsequent angewandt werden. – Der Flächenanteil der UZVR ≥ 100 km² ist zwischen 2000 und 2005 von 26,5 % auf KIS, LIKI, 25,4 % gesunken, die effektive Maschenweite (Meff) von 84 km² auf 81 km². Künftig soll SEBI der Schwerpunkt der Investitionen auf das Netz bestehender Verkehrsachsen gelegt werden. – 79 Gemessene oder beobachtete Größe Letzter berichteter Wert Ziel/ Zielwert Agrarumwelt­maßnahmen Gesamtfläche der durch Agrarumweltmaßnahmen geförderten Flächen und Höhe der dafür gewährten Finanzmittel 4,8 Mio. ha 603 Mio. € (Stand: 2007) – Ökologischer Landbau Anteil der Flächen mit ökologischem Landbau an der landwirtschaftlich genutzten Fläche 5,6 % (Stand: 2009) 20 % ohne Zieljahr Landwirtschafts­flächen mit hohem Naturwert Anteil der Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert (HNV Farmland, High Nature Value Farmland) an der gesamten Landwirtschaftsfläche 13,0 % (Stand: 2009) 19 % im Jahr 2015 Genetische Vielfalt in der Landwirtschaft Prozentualer Anteil gefährdeter einheimischer Nutztierrassen der Pferde, Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen 83 % (Stand: 2010) Verringe­rung der Gefährdung der Nutztierrassen Gentechnik in der Landwirtschaft Für den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen (GVP) gemeldete Flächen 0 ha (Stand: 2009) – Stickstoffüberschuss der Landwirtschaft Differenz zwischen Stickstoffflüssen in die Landwirtschaft und Stickstoffflüssen aus der Landwirtschaft (Gesamtbilanz) 105 kg/ha*a (Stand: 2007) 80 kg/ha*a im Jahr 2010 Eutrophierende Stickstoffeinträge Flächenanteil ohne Überschreitungen ökosystemspezifischer Belastungsgrenzen für eutrophierende Stickstoffeinträge (Critical Loads of Nutrient Nitrogen) 4,3 % (Stand: 2004) 100 % im Jahr 2020 Nachhaltige Forstwirtschaft Anteil der nach PEFC bzw. FSC zertifizierten Waldflächen an der gesamten Waldfläche 69 % / 4 % (Stand: 2009) 80 % im Jahr 2010 Verschiebung des Beginns der Apfelblüte infolge des Klimawandels (deutschlandweiter Mittelwert des Termins für den Beginn der Apfelblüte) 20. April (Stand: 2009) Keine weitere Verfrühung des Beginns des phänologischen Vollfrühlings 22 % (Stand: 2009) 75 % im Jahr 2015 Indikator Wirtschaftliche Nutzungen Klimawandel Klimawandel und Frühlingsbeginn Gesellschaftliches Bewusstsein Bewusstsein für biologische Vielfalt 80 Anteil der deutschsprachigen Wohnbevölkerung über 18 Jahre, der in Bezug auf die biologische Vielfalt in den drei Teilbereichen „Wissen“, „Einstellung“ und „Verhaltensbereitschaft“ bestimmte Mindestanforderungen erfüllt Status – Trend – Indikatorensystem Kernaussage KIS Nach einem leichten Anstieg während der vergangenen Förderperiode zeichnet sich in der aktuellen Förderperiode ein Rückgang der Fördermittel ab. Künftig muss die Förderung verstärkt auf den Schutz und die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt ausgerichtet werden. Zwar nehmen die Flächen mit ökologischem Landbau kontinuierlich zu (5,6 % Flächenanteil NHS, KIS, im Jahr 2009). Das 20 %-Ziel ist jedoch bei weitem noch nicht erreicht. Es ist beabsichtigt, die LIKI, SEBI Rahmenbedingungen für den Umstieg auf den ökologischen Landbau so zu gestalten, dass in den nächsten Jahren die Fläche des ökologischen Landbaus auf 20 % der LF steigen kann. -- – SEBI Im Jahr 2009 betrug der Anteil der Landwirtschaftsflächen mit äußerst hohem Naturwert 2,2 %, mit sehr hohem Naturwert 4,5 % und mit mäßig hohem Naturwert 6,3 % (HNV-Farmland-Flächen mit einem Gesamtanteil von 13,0 %). Um das Ziel bis zum Jahr 2015 zu erreichen, müssen gezielt Maßnahmen zur Förderung der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft ergriffen werden. – – SEBI Der Anteil gefährdeter einheimischer Rassen (BEO, ERH, PERH) ist im Jahr 2010 mit etwas mehr als 83 % sehr hoch. Es müssen gezielt Maßnahmen zur Verringerung der Gefährdungssituation ergriffen werden. – – KIS, LIKI -+ Von 1991 bis 2007 ist der Stickstoffüberschuss von 132 kg/ha und Jahr auf 105 kg/ha NHS, KIS, und Jahr gesunken (gleitendes Dreijahresmittel). Der aktuelle Wert liegt noch weit über LIKI, SEBI dem angestrebten Zielwert von 80 kg/ha und Jahr. – KIS, SEBI Im Jahr 2004 wurden nur auf 4,3 % der bewerteten Flächen empfindlicher Ökosysteme die Belastungsgrenzen eingehalten. Während luftgetragene Stickstoffeinträge aus Verkehr und Industrie von 1990 bis 2004 abgenommen haben, weisen die Ammoniakemissionen und daraus folgende Stickstoffeinträge aus der Landwirtschaft bislang keinen Abwärtstrend auf. KIS Im Jahr 2009 waren 69 % der Waldfläche nach PEFC und 4 % der Waldfläche nach FSC zertifiziert. Der Gesamtwert liegt in der Nähe des Zielbereiches. Um das Ziel von 80 % zu erreichen, bedarf es weiterer Zertifizierungen nach hochwertigen ökologischen Standards. KIS, LIKI – -- Nach kontinuierlichem Zuwachs in den Jahren 2005 bis 2008 sind die GVP-Anbauflächen im Jahr 2009 aufgrund des Ruhens der Zulassung von Bt-Mais der Sorte MON 810 wieder auf Null gesunken. – SEBI Seit dem Ende der 1980er Jahre zeigt sich eine deutliche Verfrühung des Beginns des phänologischen Vollfrühlings. Dieser Termin fiel im Jahr 2009 auf den 20. April und lag damit nur einen Tag nach dem frühesten Blütebeginn im Bilanzierungszeitraum von 1951 bis 2009. Im Jahr 2009 haben 22 % der Bevölkerung ein mindestens ausreichendes Bewusstsein für die biologische Vielfalt. Da der aktuelle Wert noch sehr weit vom Zielwert entfernt liegt, muss die Bedeutung biologischer Vielfalt verstärkt zielgruppengerecht vermittelt werden. 81 4 Ausblick Der Indikatorenspiegel zeigt auch, dass noch nicht alle Themenfelder der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt in adäquater Form von Indikatoren abgedeckt werden. Für die Themenbereiche „Zersiedelung der Landschaft“ und „Nachhaltige Meeresfischerei“ befinden sich zwei weitere Indikatoren in der konkreten Entwicklung. Die Bilanzierung dieser Indikatoren soll bei der Fortschreibung dieses Indikatorenberichts erfolgen. Zersiedelung der Landschaft Parallel zur Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsflächen erhöhte sich die Zersiedelung der verbleibenden Landschaft. Dieser Prozess wird insbesondere durch eine starke räumliche Streuung (Dispersion) neuer Siedlungsflächen angetrieben. Da von Siedlungen störende Randeffekte (z. B. Lärm, Licht, stoffliche Emissionen) ausgehen, muss bei Planungen künftig die Beeinträchtigung der biologischen Vielfalt auch durch die räumliche Struktur der Siedlungstätigkeit stärker beachtet werden. Eine dispersere Siedlungsstruktur führt aber nicht nur zu stärkeren Belastungen für die Landschaftsfunktionen, sie bedeutet auch mehr Verkehrsaufkommen, höheren Energieverbrauch und höhere Kosten für Bau und Erhaltung der Infrastruktur. Effekte der Zersiedelung werden von dem im Kap. 2.2.1 dargestellten Indikator zur Flächeninanspruchnahme nicht erfasst. Wie in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt vorgesehen, wird hierfür ein Indikator entwickelt, der den Indikator zur Flächeninanspruchnahme ergänzen soll. Der Indikator „Landschaftszersiedelung“ soll einen Bezug zwischen den räumlichen Aspekten der Siedlungsentwicklung und deren Wirkungen auf die biologische Vielfalt herstellen. 82 Nachhaltige Meeresfischerei Eine nachhaltige, ökosystemgerechte Fischerei ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Erhaltung der biologischen Vielfalt in den deutschen Meeres­ gebieten. Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten haben sich auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg 2002 verpflichtet, die Fischbestände auf einem Stand zu erhalten oder bis zum Jahr 2015 auf einen Stand zurückzuführen, der einen höchstmöglichen Dauerertrag (Maximum Sustainable Yield, MSY) der Fischerei sichert. Dies ist ein wichtiges Teilziel auch für die Erreichung eines guten Umweltzustandes der Meere, den die Mitglieder der EU in ihren Meeresgebieten in der 2008 verabschiedeten Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie bis 2020 anstreben. Das Ziel ist hierbei eine Erhöhung der Laicherbestandsbiomasse – also der Biomasse aller Individuen eines Bestandes, die sich fortpflanzen. Ein Bestand gilt erst dann als nachhaltig befischt, wenn die Laicherbestandsbiomasse oberhalb und die fischereiliche Sterblichkeit unterhalb des jeweiligen Grenzwertes für den höchstmöglichen Dauerertrag liegen. Die Anpassung der Fangmengen an die vorhandenen Ressourcen sichert einerseits die nachhaltige Nutzung der Fischbestände und verringert andererseits negative Auswirkungen der Fischerei auf die biologische Vielfalt der Meere. In der Nord- und Ostsee ist dies bei wichtigen fischereilich genutzten Beständen mit einer Reduktion der aktuellen Fangmengen verbunden. Der Indikator „Nachhaltige Meeresfischerei“ soll die Anzahl nachhaltig befischter Bestände von Fisch-, Krebstier- und Weichtierarten bilanzieren, deren Verbreitungsgebiet zumindest teilweise in den deutschen Meeresgebieten von Nordund Ostsee liegt. Bisher werden vom zuständigen Internationalen Rat für Meeresforschung (ICES) nur solche Bestände analytisch bewertet, für die ausreichend Daten vorliegen. In der Regel sind dies die Bestände, die eine hohe ökonomische Bedeutung und entsprechende Fangmengen aufweisen. Um die Aussagekraft des neu zu entwickelnden Indikators gegenüber dem bisher verwendeten Indikator „Marine Trophic Index“ auf eine breitere Basis zu stellen, sollen daher künftig für möglichst alle kommerziell genutzten Bestände analytische Bewertungen vorgenommen und Grenzwerte der fischereilichen Sterblichkeit gemäß dem höchstmöglichen Dauerertrag bestimmt werden. Die entsprechenden Referenzwerte für die einzelnen kommerziell genutzten Bestände befinden sich zurzeit noch in der Abstimmung zwischen den zuständigen Fachbehörden. Heringsschwarm (Clupea harengus) Die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt enthält darüber hinaus verschiedene weitere Themenbereiche wie z. B. Rohstoffabbau und Energieerzeugung sowie Armutsbekämpfung und Entwicklungszusammenarbeit, die bisher noch gar nicht durch Indikatoren unterlegt sind. Auch die Auswirkungen des Klimawandels auf die biologische Vielfalt werden allein durch den Indikator „Klimawandel und Frühlingsbeginn“ noch nicht ausreichend erfasst. Das in diesem Bericht vorgestellte Indikatorenset, das gegenüber dem Indikatorenset der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt von 2007 schon eine Weiterentwicklung erfahren hat, ist somit nicht als abschließend anzusehen. Es muss auch künftig noch fortentwickelt werden, um die Aussagen über die Wirksamkeit und die Erfolge der Strategie zu verbessern. 83 5 Literatur Andersen, E.; Baldock, D.; Bennett, H.; Beaufoy, G.; Bignal, E.; Brouwer, F.; Elbersen, B.; Eiden, G.; Godeschalk, F.; Jones, G.; McCracken, D.; Nieu­ wenhuizen, W.; Eupen, M. van; Hennekens, S. & Zervas, G. (2003, revisions 2004): Developing a High Nature Value Farming area indicator. Final report. 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