Symposium Atomforschung im Dritten Reich – Die Physikalisch Technische Reichsanstalt in Ronneburg Im Rahmen der Ausstellung „Vom Urmeter zur Atomuhr“ (Osterburg in Weida) findet am 10. Oktober ein Symposium zur Atomforschung im Dritten Reich statt. Abweichend vom bisherigen Veranstaltungsort Weida finden die Vorträge dieses Symposiums in der Ronneburger Gaststätte „Destille“ statt. Wie in Weida so befand sich auch in Ronneburg eine Niederlassung der PhysikalischTechnischen Reichsanstalt, die Abteilung für Atomphysik und physikalischer Chemie. Die Reichs-Radiumreserve in Ronneburg Etlichen Ostthüringern ist sicher bekannt, dass sich in Ronneburg von 1944 bis 1945 die sog. Radiumreserve des Deutschen Reichs in Ronneburg befand. Es handelte sich mit etwa 23 Gramm um keine große Menge, deren Wert aber bei mehreren Millionen Dollar lag. Das Radium wurde für die Herstellung von Leuchtfarben für Flugzeuge und U-Boote sowie für die Uranforschung und andere wissenschaftliche Untersuchungen benötigt. Das Radium war zunächst in drei großen Kellern der PTR in Berlin aufbewahrt worden. Bei Beginn der schweren Luftangriffe auf Berlin wurde das gesamte Radium in einen Bergstollen bei Nordhausen gebracht. Von dort wurde es im Jahr 1944 nach und nach in den Tresor des Bergstollens in Ronneburg überführt, die letzten 8 Gamm erreichten am 3. April 1945 Ronneburg. Beim Einmarsch der Amerikaner befand sich aber dieses Radium nicht mehr in Ronneburg. Es war kurz vorher auf Anordnung von Gauleiter Fritz Sauckel nach Bayern abtransportiert worden und sollte dort der SS übergeben werden. Der Chef der Abteilung für Atomphysik und physikalischer Chemie der PTR, Dr. Carl Friedrich Weiss (1901-1981), hat diesen Befehl allerdings nicht ausgeführt, sondern das Radium nachts an einer einsamen Stelle des Isartals vergraben. Nach der Rückkehr von Weiss nach Ronneburg am 14. Juni 1945 wurde er vom amerikanischen Geheimdienst aufgefordert, das Radium herauszugeben. Am 26. Juni hat er in Anwesenheit von amerikanischen Wissenschaftlern, Offizieren und der Presse den Stahlkasten wieder ausgegraben, in den in größter Hast das Radium am 12. April in Ronneburg eingepackt wurde. Der Sohn von Carl Friedrich Weiss, Prof. Cornelius Weiss (geb. 1933), wird in seinem Vortrag auf diese bewegte Zeit eingehen und das weitere Schicksal seines Vaters nach der Deportation in die Sowjetunion darstellen. Weiss arbeitete dort am sowjetischen Atomprogramm. Arbeitsergebnisse aus dieser Zeit sind weiterhin geheim. Allerdings haben die Amerikaner und Russen nach dem Ende des Kalten Krieges Teile ihrer Archive geöffnet. Der Berliner Wirtschaftshistoriker Dr. Rainer Karlsch (geb. 1957) konnte in diesen Archiven recherchieren und wird in seinem Vortrag u.a. die Geschichte der Ronneburger Polonium-Anlage ergänzen. Im Archiv des Russischen Atomministeriums sind Befragungsprotokolle von Wissenschaftlern erhalten, die zum Kriegsende in Ronneburg tätig waren. Auch darüber wird Karlsch berichten. Bilder: radium-ronneburg.jpg (Quelle Bundesarchiv Berlin): Zeitungsnotiz über das Auffinden der Radiumreserve stop_ronneburg3.jpg (Bildquelle Bergbauverein Ronneburg): Die Radiumreserve wird aus Ronneburg abtransportiert. Rechts im Bild Dr. Diebner, der Leiter des Atombombenprojekts beim Heereswaffenamt. Das abenteuerliche Leben eines Physikers In seinem bekanntesten Buch „Hitlers Bombe. Die Geheime Geschichte der deutschen Kernwaffenversuche“ versucht Karlsch, eine Neueinschätzung der deutschen Rüstungsforschung während der letzten zwei Jahre des Dritten Reiches vorzunehmen. Lange Zeit hatte das Uranprojekt um Werner Heisenberg und Carl Friedrich von Weizsäcker im Mittelpunkt des Interesses gestanden. Karlsch zeigt, dass es noch andere Gruppen gab, die sich mit der Erforschung der Nukleartechnologie befassten und dabei nicht nur ihr Augenmerk auf einen funktionsfähigen Reaktor richteten, sondern bewusst und zielstrebig an der Entwicklung von Waffen arbeiten. Eine schillernde Persönlichkeit in diesem Zusammenhang ist der Atomphysiker Friedrich Georg Houtermans (1903-1966), der seit 1944 ebenfalls bei der PTR in Ronneburg tätig war und den weitere Wurzeln mit Thüringen verbinden. Wegen seiner Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei musste Houtermans 1933, nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten, nach England emigrieren. Offenbar unzufrieden mit seiner Situation dort und auch wegen seiner prokommunistischen Einstellung ging Houtermans 1935 in die Sowjetunion und war dort am Ukrainischen Physikalisch-Technischem Institut in Charkow beschäftigt. Am 1. Dezember 1937 wurde Houtermans jedoch Opfer der Stalinschen Säuberungsaktionen und in Moskau verhaftet. Nach zwei Jahren Haft lieferte ihn die Sowjetunion 1940 an Deutschland aus, wo er von der Gestapo erneut inhaftiert wurde. Der Physiker Max von Laue konnte jedoch seinen Einfluss geltend machen, seine Freilassung bewirken und ihm eine Anstellung an Manfred von Ardennes privatem Forschungsinstitut in Berlin verschaffen. Dort vollbrachte er nach kurzer Zeit bedeutende Forschungsarbeiten, die er in einem Geheimbericht Zur Frage der Auslösung von Kern-Kettenreaktionen (1941) zusammenfasste. Seine wissenschaftlichen Leistungen, die er trotz vieler Schicksalsschläge unermüdlich vollbringen konnte, seine kühne visionäre Sicht - genannt seien nur der Sternenaufbau, der Laser, das Elektronenmikroskop, das Plutonium und die Bestimmung des Erdalters -, aber auch seine in vielen Abenteuern bestandene Charakterfestigkeit, der Reichtum seiner Persönlichkeit, seine Allgemeinbildung und sein Humor machen ihn zu einer der interessantesten Physikergestalten des 20. Jahrhunderts. Prof. Dieter Hofmann (Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, Berlin) und Prof. Peter Bussemer (Berufsakademie Gera) werden in ihren Vorträgen über Fritz Houtermans berichten. Bilder: fritz-houtermans.jpg (Bildquelle: Wikipedia): Friedrich Georg Houtermans (1903-1966) Die deutschen Wunderwaffen – Fiktionen und Realitäten Bis in die letzten Kriegstage hinein glaubten viele Deutsche, dass durch den Einsatz von sog. Wunderwaffen der Endsieg Deutschlands im Krieg doch noch erreicht werden könne. Im seinem Vortrag wird Prof. Jürgen Müller (Berufsakademie Gera) darüber berichten, wie die SS nach Wunderwaffen suchte, welche teilweise bizarren Waffen-Entwicklungen es gab und welche Wunderwaffen-Technologien wirklich entwickelt wurden. Thematisiert wird dabei auch – soweit heute bekannt – welchen Anteil PTR-Wissenschaftler bei der Entwicklung von Wunderwaffen hatten. Filmausschnitte illustrieren einige der Wunderwaffen-Technologien. Bilder: krummlaufgewehr.jpg (Quelle: Wikipedia): Konnte um die Ecke schießen. Auch das Sturmgewehr 44 mit einem 90-Grad-Krummlauf galt als Wunderwaffe des Dritten Reichs. Der Besuch der Veranstaltung ist kostenfrei. Die Vorträge beginnen um 15 Uhr, zwischendurch können in einer längeren Pause der Eingang zum Radiumstollen, der Standort der Poloniumhalle und das Wohnhaus von Dr. Weiss besucht werden. Ende der Veranstaltung wird gegen 20:30 Uhr sein. Das Veranstaltungsprogramm kann gefunden werden unter der Adresse www.ptr-thueringen.de. -------------------------------------------------------------------------------------------------------Und hier das Gesamtprogramm, auch zu finden unter www.ptr-thueringen.de Programm für das Symposium zur PTR in Ronneburg: Mittwoch, 10. Oktober 2012, 15:00 Uhr in der Gaststätte „Destille“ Ronneburg Rosa-Luxemburg-Str. 1, 07580 Ronneburg / Thüringen Die Veranstaltung ist kostenfrei. Es ist möglich, nicht an der gesamten Veranstaltung teilzunehmen; die Vorträge können separat besucht werden. 15:00 Uhr: Prof. Dr. Dieter Hoffmann ( MPI für Wissenschaftsgeschichte, Berlin ): „Friedrich Houtermans (1903 – 1966): Das abenteuerliche Leben eines Physikers“ Houtermans, 1944/45 bei der PTR in Ronneburg beschäftigt, war ein bedeutender Physiker auf dem Gebiet der Kernphysik und am deutschen Atombombenprogramm beteiligt. Als in die Sowjetunion emigrierter Kommunist war er sowohl in NKWD- (1937-1940) als auch in Gestapohaft (1940). 15:45 Uhr: Prof. Dr. Peter Bussemer (Berufsakademie Gera): „Ergänzungen zu Houtermans: Internat Wickersdorf, kernphysikalische Arbeiten in Charkow und Berlin/Ronneburg“ Houtermans legte 1921 sein Abitur an der reformpädagogisch orientierten Freien Schulgemeinde Wickersdorf bei Saalfeld ab. Seine Forschungen zu Kernreaktoren bzw. – bomben im ukrainischen Charkow (1935-1937) als auch nach seiner Auslieferung nach Deutschland 1940 waren zwar grundlegend, wurden aber von Heisenberg u.a. nicht genutzt. 16:30 – 17:30 Uhr Pause mit Besuch des Radiumstollens, des Standorts der Poloniumhalle und des Wohnhauses von Dr. Weiss 17:30 Uhr: Prof. Dr. Cornelius Weiss (em. Rektor Universität Leipzig): „Dr. Carl-Friedrich Weiss in Ronneburg (1943 – 1946), mit Lesung aus “Risse in der Zeit” zur Poloniumhalle und Radiumreserve“ In seinem Buch „Risse in der Zeit. Ein Leben zwischen Ost und West“ berichtet Cornelius Weiss vom Vater, Carl Friedrich Weiss, dem Leiter der Abteilung Atomphysik der PTR, und seinen Erinnerungen an Ronneburg um 1945. Die Radiumreserve des Deutschen Reiches ( 21 Gramm im Wert von 5 Millionen Dollar) lagerte in einem erhalten gebliebenen Stollen in Ronneburg. 18:15 Uhr: Dr. Rainer Karlsch (Berlin): „Die PTR in Ronneburg aus der Sicht amerikanischer und russischer Quellen“ Neue Aktenfunde in amerikanischen Archiven ergänzen die Geschichte der Ronneburger Polonium-Anlage. Im Archiv des Russischen Atomministeriums sind Befragungsprotokolle von Wissenschaftlern erhalten, die zum Kriegsende in Ronneburg tätig waren, ebenso ein Schriftwechsel von Houtermans. 19:00 Uhr Abendessen 19:30 Uhr: Prof. Jürgen Müller (Berufsakademie Gera): „Deutsche Wunderwaffen – Fiktionen und Realitäten“ Bis in die letzten Kriegstage hinein glaubten viele Deutsche, dass durch den Einsatz von sog. Wunderwaffen der Endsieg Deutschlands im Krieg doch noch erreicht werden könne. Im Vortrag wird darüber berichtet, wie die SS nach Wunderwaffen suchte, welche teilweise bizarren Waffen-Entwicklungen es gab und welche Wunderwaffen-Technologien wirklich entwickelt wurden. Thematisiert wird dabei auch – soweit heute bekannt – welchen Anteil PTR-Wissenschaftler bei der Entwicklung von Wunderwaffen hatten. Filmausschnitte illustrieren einige der Wunderwaffen-Technologien. Ende des Symposiums gegen 20:30 Uhr, ein geselliges Beisammensein danach ist möglich