Deutsches Ärzteblatt 1974: A-1381

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DEUTSCHES
ÄRZTEBLATT
Zur Fortbildung
Aktuelle Medizin
MedizinischWissenschaftliche
Fachredakteure
Allgemeinmedizin:
Sanitätsrat Dr. med.
Josef Schmitz-Formes
Augenheilkunde:
Prof. Dr. med. Dr. med. h. c.
Wolfgang Straub
Biomedizinische Technik:
Prof. Dr. rer. nat.
Adolf Habermehl
Synthese
eines weiteren Gens geglückt
Jürgen Fränz
Chirurgie:
Prof. Dr. med. Edgar Ungeheuer
Dermatologie:
Prof. Dr. med.
Hugo Constantin Friederich
Aus dem Institut für Humangenetik des Klinikums
der Universität Frankfurt am Main
(Geschäftsführender Direktor: Professor Dr. med. Karl-Heinz Degenhardt)
Gynäkologie und Geburtshilfe:
Prof. Dr. med. Peter Stoll
Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde:
Prof. Dr. med. Julius Berendes
Innere Medizin:
Prof. Dr. med. Helmut Martin
Prof. Dr. med. Wilhelm Schoeppe
Die Synthese eines Gens, das eine spezifische Transfer-Ribonukleinsäure codiert, stellt den ersten Schritt für eine mögliche
Gentherapie dar; bis dahin ist allerdings noch ein weiter Weg
zurückzulegen.
Kinder- und Jugendpsychiatrie:
Prof. Dr. med. Hubert Harbauer
Laboratoriumsmedizin:
Prof. Dr. med. Wirnt Rick
Neurochirurgie:
Prof. Dr. med. Hans Werner Pia
Nuklearmedizin:
Prof. Dr. med. Dr. rer. nat.
Emil Heinz Graul
Orthopädie:
Prof. Dr. med. Gerhard Exner
Pädiatrie:
Prof. Dr. med. Wilhelm Theopold
Pharmakologie:
Prof. Dr. med. Gustav Kuschinsky
Psychiatrie und Neurologie:
Prof. Dr. med. Hans Jacob
Radiologie:
Prof. Dr. med. Friedhelm hiess
Sozialmedizin:
Prof. Dr. med. Josef Stockhausen
Sportmedizin und Physiologie:
Prof. Dr. med.
Hans Rüdiger Vogel
Urologie:
Prof. Dr. med. Carl-Erich Alken
Der Arbeitsgruppe um den Nobelpreisträger Professor Har Gobind
Khorana, Massachusetts Institute
of Technology, Cambridge (USA),
ist es ein weiteres Mal gelungen,
ein natürliches Gen synthetisch
herzustellen. Das aus 126 Nukleotiden zusammengesetzte Stück einer
Desoxyribonukleinsäure (DNS) codiert die tyrosinspezifische Transfer-(Überträger-)Ribonukleinsäure
(= t-RNS) des Bakteriums Escherichia coli. Den Transfer-Ribonukleinsäuren kommt die Aufgabe zu,
spezifische Aminosäuren zum Ort
der Eiweißbiosynthese, den Ribosomen, zu transportieren (Darstellung 1). Für jede Aminosäure gibt
es zumindest eine spezifische
Transfer-Ribonukleinsäure.
Durch die bahnbrechenden Arbeiten von Holley et al. (1965) wurde
als erste die Nukleotidsequenz der
alaninspezifischen Transfer-Ribonukleinsäure aufgeklärt. Inzwischen kennt man die Nukleotidsequenz von mehr als 20 verschiedenen Transfer-Ribonukleinsäuren.
Als mögliche Struktur ist eine kleeblattähnliche Anordnung der Nukleotidsequenz vorgeschlagen worden. Das Anticodon (Darstellung 2)
sind jeweils die drei Nukleotide
Basentriplett), die zusammen das
Codewort für die betreffende Aminosäure, für die diese Transfer-Ribonukleinsäure spezifisch ist, abgeben.
Wahl der
Transfer-Ribonukleinsäure
Khorana und Mitarbeiter synthetisierten nun 1970 das Gen für die
von Holley et al. entschlüsselte
Transfer-Ribonukleinsäure, die alan i nspezifische Transfer-Ri bonukleinsäure der Bäckerhefe. Leider
erwies sich aber die Wahl dieser
Transfer-Ribonukleinsäure für eine
Gensynthese aus zwei Gründen als
unglücklich:
0 Khorana und seine Mitarbeiter
hatten zwar das Gen synthetisiert,
es fehlten aber die Nukleotidse-
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 19 vom 9. Mai 1974 1381
Zur Fortbildung
Aktuelle Medizin
Genforschung
quenzen für den Initiator und den
Terminator, mit deren Hilfe eine
Zelle der Bäckerhefe die Synthese
dieser Transfer-Ribonukleinsäure
hätte beginnen und wieder stoppen
können. Diese Ablesehilfen am Anfang und Ende eines Gens blieben
innentschlüsselt und damit auch
nicht greifbar für eine Synthese.
A. TRANSSKRIPTION
Kernmembran
B TRANSLATION
Polypeptid
Min0SaUfe
t RNS
99
e
0
A
m-RNS
-
"Ribosomen
Darstellung 1: Modell der Eiweißbiosynthese: A. Transskription = Übertragung der genetischen Information von der Desoxyribonukleinsäure (DNS)
auf die Messenger-Ribonukleinsäure (m-RNS). B. Translation = Übersetzung der Nukleotidsequenz in die Aminosäurensequenz. Transfer-Ribonukleinsäuren bringen die Aminosäure zum Ort der Eiweißsynthese, den Ribosomen (Aus Degenhardt „Humangenetik", 1974)
Anticodon
1382
Darstellung 2: Die
Transfer - Ribonukleinsäure. Nukleotidenkette in Kleeblattform angeordnet. Anticodon =
Basentriplett, das
sich mit dem Codon der Botenoder Messenger-Ribonukleinsäure verbindet. Das Anticodon ist für jede
Aminosäure aus anderen Nukleotiden
zusammengesetzt
Heft 19 vom 9. Mai 1974 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
O Hefezellen enthalten von Natur
aus das Gen, das die alaninspezifische Transfer-Ribonukleinsäure
codiert. Um die Funktionstüchtigkeit des synthetischen Gens zu
überprüfen, hätte es einer Mangermutante der Bäckerhefe bedurft,
die das Gen für die alaninspezifische Transfer-Ribonukleinsäure
nicht besitzt. Eine solche Mutante
würde durch das synthetische Gen
in die Lage versetzt, die Aminosäure Alanin für die Eiweißsynthese
zur Verfügung zu stellen. Ohne das
Gen würden alle Synthesen für Alanin enthaltende Eiweiße mißlingen.
Khoranas Mitarbeiter Agarwal berichtete letzten Sommer auf einer
Tagung in Chikago über die wesentlich günstigeren Aussichten,
durch die Synthese eines weiteren
Gens, nämlich des Gens für die tyrosinspezifische Transfer-Ribonukleinsäure, ein biologisch voll wirksames Gen erhalten zu haben. Dieser Arbeitsgruppe ist es bereits gelungen, neben den 87 Nukleotiden der Transfer-Ribonukleinsäure
auch Teile des Initiators und Terminators zu entschlüsseln und zu
synthetisieren. Das würde bedeuten, daß dieses Gen biologisch voll
wirksam sein müßte.
Biologische Prüfung
Die Prüfung der biologischen
Funktionstüchtigkeit dieses Gens ist
möglich, da es eine Mangelmutante des Bacteriums Escherichia
coli gibt, bei welcher der Terminator des zu prüfenden Gens einen
Defekt aufweist. Es werden funktionslose Eiweiße gebildet. Mit dem
synthetisierten Gen einschließlich
eines intakten Terminators müßte
eine „Reparatur" der Eiweißsynthe-
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Aktuelle Medizin
Genforschung
se und damit der Nachweis der
biologischen Wirksamkeit des synthetischen Gens gelingen.
Gentransport
Eine weitere Schwierigkeit, nämlich der Transport des synthetisierten Gens in die Bakterienzelle,
scheint durch die Arbeiten von
Smith et al. ebenfalls aus dem
Wege geräumt zu sein. Diese Gruppe fand nämlich ein Virus, das als
Vehikel für das synthetisierte Gen
benutzt werden könnte. Die Desoxyribonukleinsäure dieses Virus
bleibt stumm; es funktioniert die
Bakterienzelle nicht um, sondern
dient ausschließlich als Transporteur durch die Bakterienaußenwand. Das Gen für die Transfer-Ribonukleinsäure könnte allein nicht
in die Bakterienzelle gelangen.
Die Synthese eines Gens, das eine
spezifische Transfer-Ribonukleinsäure codiert, stellt einen ersten
Schritt auf dem Weg einer möglichen Gentherapie dar. Die Gene
für Transfer-Ribonukleinsäuren sind
die einfachsten Gene in der
Natur. Hier entspricht einem Nukleotid der Desoxyribonukleinsäure
ein Nukleotid der Transfer-Ribonukleinsäure. Dagegen ist für jede
Aminosäure, die in die Eiweiße eingebaut wird, ein Triplett von Nukleotiden erforderlich. Somit ergeben sich viel längere Ribonukleinsäure-Nukleotidsequenzen auch für
jene Proteine, die infolge einer
Genmutation eine fehlerhafte Aminosäuresequenz haben. Trotz der
so viel versprechenden Arbeiten
der Gruppe um Khorana ist der
Weg zu einer erfolgreichen Gentherapie aber noch sehr weit.
Anschrift des Verfassers:
Dr. rer. nat. Jürgen Fränz
6 Frankfurt am Main
Paul-Ehrlich-Straße 41
WISSENSCHAFT UND PRAXIS
Neuere technische
Entwicklungen und Verfahren in
der diagnostischen Radiologie
Ulf Rosenow
Aus der Strahlenabteilung
(Vorsteher: Professor Dr. med. Rolf Frischkorn)
der Universitäts-Frauenklinik Göttingen
(Direktor: Professor Dr. med. Heinz Kirchhoff)
Die technische Entwicklung der Röntgendiagnostik hat verschiedene gegenläufige Interessen zu berücksichtigen. Die Forderung nach
der Vereinfachung von Arbeitsabläufen, nach der Zunahme der
Anwendungsbereiche und nach Verbesserung der Bildverarbeitungsverfahren stehen sich ebenso gegenüber wie die Forderung
nach verbesserter Bildgüte und verminderter Strahlenbelastung
Nach der Erläuterung grundlegender Begriffe im Zusammenhang
mit dem Informationsgehalt von Röntgenbildern werden einige wichtige Verfahren beschrieben und Entwicklungstendenzen aufgezeigt.
Neuere Methoden der Röntgendiagnostik haben nur zum Teil Arbeitsabläufe beschleunigt und vereinfacht — man denke zum Beispiel an die 90-Sekunden-Filmentwicklungsmaschinen. Häufig beanspruchen sie mehr Zeit und führen
darüber hinaus zu einer Erweiterung des Spektrums der Untersuchungsmethoden. Nimmt man die
steigende Zahl von Patienten hinzu, ergibt sich, daß die Belastung
der röntgendiagnostischen Institute eher stärker geworden ist.
Der Strahlenschutz bei röntgendiagnostischen Maßnahmen ist durch
die technische Entwicklung wesentlich verbessert worden, doch müssen oft auch gegenläufige Interessen, wie Informationsverbesserung
und Strahlenschutz, gegeneinander
abgewogen werden. Beispielsweise kann man durch die Hartstrahltechnik die Qualität von Thoraxauf-
nahmen verbessern, muß dann jedoch eine höhere Gonadenbelastung in Kauf nehmen.
Begriffliche Grundlagen
Informationsgehalt
des Röntgenbildes
Jedes Röntgenbild enthält eine Fülle von Informationen, von denen
aber zur Beurteilung des medizinischen Sachverhaltes nur ein sehr
kleiner Teil benötigt wird. Will man
den relevanten Informationsgehalt
besser herausfinden beziehungsweise die Wahrscheinlichkeit der
Wahrnehmung anheben, muß man
den Verfahren zur Bildverbesserung besondere Bedeutung beimessen.
Die in einem Röntgenbild enthaltene objektive Information drückt
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 19 ve-rn 9. Mai 1974
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