Zärtlich Frivoles und Renaissance-Pop

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Zärtlich Frivoles und Renaissance-Pop
Kritik zum Barockkonzert; das Marais Gambenconsort
Barockkonzert mit dem Marais Consort aus Hamburg: Alte Italiener und ein
wenig Bach
von Klaudia Genuit-Thiessen
Halle. (WB) Was für ein Glück; dass wir nicht Alt-Italienisch sprechen! Ob „Chichilichi“
oder „Cucurucu“ – was Hühner und Tauben an liederlichen Dingen so treiben, bleibt im
ländlichen Umfeld. Aber lassen wir die Frivolitäten. Vom Inhalt der Liebeslieder im
Barockkonzert im Rahmen der Bachtage hätten viele der etwa 250 Zuhörer gern mehr
verstanden.
Italienische Komponisten der Spätrenaissance standen Montagabend im Mittelpunkt des
ersten Konzertteils, den das Marais Consort aus Hamburg unter Leitung von Hans-Georg
Kramer mit der Sopranistin Gundula Anders gestaltete. „Mit feurige Affecte, Phantastisches
und Bizarres“ lautete der Titel dieser kleinen Kostbarkeit für Freunde ganz zarter Klänge. Auf
Gamben und Cembalo – Kopien von italienischen Instrumenten der Spätrenaissance –
entfalteten die Musiker einen delikaten Fächer von „Canzones“ vorwiegend aus dem 16.
Jahrhundert. Auf kapriziösen Instrumenten, die häufig nachgestimmt werden mussten.
Süß und sanft, heiter und tänzerisch, aber auch melancholisch und schmerzensvoll besangen
sie die Liebe in all ihren Facetten. Dabei erklangen mitunter alle Instrumente, mitunter
schwieg die eine oder andere Viola da Gamba, manchmal sogar alle wie bei einem
anspruchsvollen Chanson, das im Grunde auf ein einziges bekanntes Lied zurückgeht, wie
Hans-Georg Kramer dem Publikum zu berichten wusste. Das Stück – eigentlich nur für ein
Instrument geschrieben – wurde dabei zum Vorbild für ein Stück, an dem sich drei
Komponisten beteiligten, die vielleicht ein wenig zu viel Wein getrunken haben mögen: Die
Variationen der drei Musiker, die an diesem Lied „gebastelt“ haben, durchlaufen verschiedene
Stimmen.
Traurig-schön sang Gundula Anders, die an der Musikhochschule in Leipzig historischen
Gesang unterrichtet, von unerfüllter Liebe, bevor das „Kikeriki“, die kleine Frechheit von
Giovan Domenico da Nola, eine Pause einläutete.
Mit etwas Kammermusik ging es weiter: Die Musiker spielten Bachs „Drei Contrapuncti aus
der Kunst der Fuge“, zwei Fantasien von Henry Purcell, einen zärtlichen Gesualdo und ein
schmerzliches Stück von Claudio Monteverdi - transparent, subtil und manchmal
überraschend reihten Gamben, Cembalo du Sopran die kleinen Perlen aneinander. Um den
Abend mit drei Pop-Stücken der englischen Renaissance ausklingen zu lassen: Die
Liebeslieder von Thomas Morley (1557-1602) bekamen so viel Applaus, dass ein kurzes
Spottlied auf alte Frauen als Zugabe folgte. Wie schön, dass wir auch dabei den Text nicht
verstanden haben.
Westfalen-Blatt 06.02.2008
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