5 Themenkreis: Das Geld

Werbung
5
Themenkreis:
Das Geld
Money
5
Das Geld
Welche Rolle spielt Geld in unserer Wirtschaft?
5.1
Entwicklung, Arten und Funktionen
des Geldes
Wie verlief die Geschichte des Geldes?
5.2
Geldproduzenten und Geldproduktion
des Euro
Wer trägt die Verantwortung in der
Europäischen Währungsunion?
5.2.1
Die Mitgliedstaaten der europäischen
Währungsunion lassen Münzen prägen
Wie sind die Euro-Münzen beschaffen?
5.2.2
Notenmonopol der Bundesbank bzw.
des Eurosystems
Wie werden die Banknoten ausgegeben und
gesichert?
5.2.3
Die Geschäftsbanken schöpfen Buchgeld
Wie wird Buchgeld geschaffen?
5.2.3.1 Das Giralgeld
Wie funktioniert Giralgeld?
3334210
5.2.3.2 „Transport“ von Giralgeld – Organisation
des bargeldlosen Zahlungsverkehrs
Wie ist der bargeldlose Zahlungsverkehr
organisiert?
5.2.3.3 Giralgeldumlauf und Mindestreservepflicht
Was sind Giralgeldschöfpung und
Mindestreservepflicht?
5.2.4
Die Banken in Deutschland
Wie sieht die Bankerlandschaft in Deutschland
aus?
5.3
Die Ordnung des Geldwesens
Was enthält eine Geldverfassung?
5.3.1
„Währung“
Welche Bedeutung hat der Begriff „Währung“?
5.3.2
Der Euro
Wie kam es zum Euro?
5.3.2.1 Entstehungsgeschichte des Euro
Wie verlief die europäische Wirtschaftsintegration bisher?
5.3.2.2 Die Entwicklung des Euro
Ist der Euro eine stabile Währung?
5.3.3
Eurosystem und Europäisches System
der Zentralbanken (ESZB)
Wie sind das Eurosystem und die Europäische
Zentralbank aufgebaut?
5.3.4
Aufgaben und Organisation der
Deutschen Bundesbank
Welches sind die Aufgaben der Zentralbank der
BRD und wie ist sie aufgebaut?
5.3.5
Erweiterung des Euroraums
Wie entwickelt sich die Europäische
Währungsunion?
5.4
Geldwert und Geldwertänderungen
Welchen Wert hat der Euro im In- und Ausland?
5.4.1
Der Binnenwert des Geldes
Welchen Wert hat eine Münze?
5.4.2
Bestimmungsgrößen des Geldwertes
Welche Aussagen macht die Fishersche
Verkehrsgleichung?
5.4.3
Geldwertmessungen
Welche Probleme treten bei der Geldwertmessung auf?
5.4.4
Der Außenwert des Geldes
Wie viel kostet ein Dollar?
5.4.5
Wechselkurssysteme
Welche Wechselkurssysteme haben sich
entwickelt?
5.4.6
Das System von Bretton-Woods
Ein Währungssystem auf Zeit!
5.4.7
Das europäische Währungssystem
Ein Währungssystem auf Zeit?
5.4.8
Die Korrektur des Wechselkurses
Was sind Auf- und Abwertungen?
5.5
Die Zahlungsbilanz
Welche Informationen enthält die
Zahlungsbilanz?
5.5.1
Die Leistungsbilanz
Wie ist die Leistungsbilanz aufgebaut?
5.5.2
Die Kapitalbilanz
Welche Daten nimmt die Kapitalbilanz auf?
5.5.3
Die Zahlungsbilanz des Euroraums
Welche Zahlungsbilanz hat der Euroraum?
5.5.4
Die Zahlungsbilanzungleichgewichte
Sind Zahlungsbilanzungleichgewichte zu beheben?
5.6
Geldwertstörungen
Was sind die Ursachen, Arten und Auswirkungen
von Geldwertstörungen?
5.6.1
Ursachen der Inflation
Wie kommt es zur Inflation?
5.6.2
Arten der Inflation
In welchen Formen tritt Inflation auf?
5.6.3
Auswirkungen der Inflation
Welche wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen hat eine Inflation?
5.6.4
Die Deflation
Bringt eine Deflation mehr Vor- oder Nachteile?
5.7
Aufgaben zum 5. Themenkreis zur
Kontrolle des Lernerfolgs
Was habe ich gelernt?
3334211
211
5
Welche Rolle spielt Geld in unserer Wirtschaft?
Das Geld
Money
Arbeitsvorschläge
1
Was hätte am Anfang dieses Themenkreises abgebildet werden müssen, wäre
dieses Buch vor 5000 Jahren geschrieben
worden?
2 Welche Probleme könnten auftreten, falls
Sie mit einer Tasche voller Banknoten
5.1
Urlaub auf einer Südseeinsel machen
möchten, auf der es keine Bank gibt?
3 Woran denken Sie, wenn Sie das Wort
„Geld“ hören? Erstellen Sie eine Mindmap
(s. S. 50) zum Thema „Geld“ und/oder
„money“.
Wie verlief die Geschichte des Geldes?
Entwicklung, Arten und Funktionen des Geldes
The Origin, History and Functions of Money
Die Geschichte des Geldes lässt sich in mehrere
Stufen einteilen, die zwar sachlich deutlich verschieden, zeitlich aber nicht gegeneinander abzugrenzen sind: 1. Warengeld, 2. Metallgeld,
3. Münzgeld, 4. Papiergeld und 5. Buchgeld.
Aufgrund der Forschungsergebnisse der Geschichtswissenschaft kann man sagen, dass es
wohl kaum ein Gut gegeben hat, das nicht einmal
in irgendeinem Land als Geld Verwendung fand.
Manche Völker bevorzugten dabei Nahrungsmittel, wie Reis, getrocknete Fische, Olivenöl, Nüsse,
Weizen, Mais, Salz oder Datteln, andere dagegen
wieder Waffen, wie z. B. Messer, Flinten, Säbel,
Pulver. Bei anderen Stämmen waren Edelsteine,
Schmuckgegenstände aus Bronze, Silber und Gold
oder Kaurimuscheln beliebter. Daneben erfüllten
aber auch Kleidungsstücke sowie Häute und Pelze,
Werkzeuge, Metalle, Tabak, Butter, Wein, Vieh,
Sklaven oder riesige Steine die Geldfunktion.
Eine besondere Rolle innerhalb dieses Warengeldes
spielte jedoch fast bei allen Völkern das Vieh. Das
beweist auch die Ableitung der für Geld bei verschiedenen Völkern verwendeten Bezeichnung. So
stammt das lateinische Wort „pecunia“ von pecus =
Rindvieh und auch das deutsche Wort „Pfennig“ geht
212
auf dieses Wort zurück. Die indische Rupie leitet
sich von dem Ausdruck rupa = Viehherde her und
der alte englische Ausdruck für Geld „fee“ ist mit
dem germanischen Wort „Vieh“ identisch.
Alle als Geld Verwendung findenden Objekte wiesen aber gewisse Mängel auf. So traten vor allem
bei der Verwendung von Sklaven und Vieh als
Tauschmittel in erster Linie dadurch erhebliche
Nachteile auf, dass es sich hierbei um sehr wertvolle Maßeinheiten handelte, die sich nicht gut zum
Tausch gegen weniger wertvolle Güter eigneten.
Außerdem kam die Schwierigkeit hinzu, die unvermeidlichen Qualitätsunterschiede in angemessener
Weise zu berücksichtigen. Schließlich musste noch
das Risiko von Krankheit und Tod in Kauf genommen werden.
Als besonders geeignetes Zwischentauschmittel
wurden schließlich die Metalle, wie Gold, Silber,
Kupfer, erkannt. Aus den Anfängen dieser Entwicklung stammt der Begriff des Wägegeldes, d. h., die
zur Zahlung verwendeten Metalle wurden abgewogen (vgl. Geldnamen wie Pfund, Lire). Später erhielten die Metalle bestimmte Formen, sie wurden
in Ringe, Stäbe und Barren gegossen. Circa 650
Jahre v. Chr. wurden die ältesten uns bekannten
3334212
Münzen von den Lydern in Kleinasien hergestellt.
Zunächst wurden vollwertige Münzen (= Kurantmünzen) aus Gold und Silber, später durchwegs
unterwertige Münzen (= Scheidemünzen) geprägt.
Führendes Münzmetall ist bis heute das Silber
geblieben. In großen Mengen vorhanden, entwertete es sich unter Schwankungen ständig. Diese
Erscheinung ließ die jeweiligen Landesfürsten an
der Geldherstellung verdienen. Ja, sie förderten
diese Erscheinung geradezu.
Die Erfindung des Münzgeldes war zweifellos ein
großer Fortschritt. Münzen aus Edelmetallen besaßen den Vorteil der Wertbeständigkeit gegenüber
anderen Tauschgegenständen. Die Ausweitung des
Handels und damit auch des Geldverkehrs brachte
jedoch die Notwendigkeit mit sich, das schwere
Münzgeld durch eine bequemere Zahlungsart zu
ersetzen. Andererseits mag auch die vorübergehende Geldknappheit mancher Landesherren die
Erfindung des Papiergeldes beschleunigt haben.
Das erste Papiergeld war aber nicht Geld an sich,
sondern als Anweisung zur Auszahlung von Münzgeld gedacht.
Als die eigentlichen Schöpfer des Papiergeldes
gelten die Chinesen. Marco Polo fand auf seinen
Reisen 1276 kaiserliche Banknoten aus Papier.
Papiergeld braucht Vertrauen, d. h., es muss von
jedermann jederzeit in Waren oder andere Vermögenswerte umgetauscht werden können. In früherer Zeit wurde dieses Vertrauen durch eine vollständige Golddeckung – im Laufe der Geschichte
nur mehr durch eine teilweise Deckung – gestützt.
Heute besteht keine Golddeckungspflicht der Notenbanken mehr. Die Deckung in der Bundesrepublik Deutschland besteht allein im Vertrauen in die
Wirtschaftskraft des Landes.
In der modernen Volkswirtschaft spielt auch das
Bargeld keine führende Rolle mehr. Das Buch- und
Giralgeld, über das mit Scheck und Überweisung
verfügt werden kann, ist die moderne Geldform.
Es hat bereits eine lange Geschichte hinter sich.
Die Italiener bedienen sich dieser Form bereits seit
mehr als 300 Jahren durch die Übertragung von
Guthaben in den Büchern der Banken.
Geschichtlich gesehen ist die Entstehung des
Geldes und dessen Entwicklung einer der Faktoren, ohne die heutige, hoch entwickelte Wirtschaftssysteme nicht möglich wären. So charakterisiert der Philosoph Schopenhauer das Geld als
einen unermüdlichen Proteus, einen Geist, der jede
3334213
Gestalt annehmen kann, „jeden Augenblick bereit,
sich in den jedesmaligen Gegenstand unserer so
wandelbaren Wünsche und mannigfaltigen Bedürfnisse zu verwandeln“.
Hätten wir kein Geld in den heute üblichen Formen, so ginge es uns unter Umständen immer
noch so wie dem Afrikaforscher Nachtigal im
19. Jahrhundert.
Auf seiner Afrikaexpedition (1869–1874) kommt
er an einen See. Um ihn zu überqueren, braucht
er Boote. Er findet auch einen Eingeborenen, der
bereit ist, ihm die Boote gegen etwas anderes zu
tauschen. Nachtigal hat aber nur Elefantenzähne
bei sich und die will der Eingeborene nicht nehmen. Nachtigal muss nun die Elefantenzähne bei
einem anderen Eingeborenen gegen andere Waren
eintauschen und diese wiederum gegen andere, bis
er endlich das hat, wofür ihm der Bootsbesitzer die
Boote abzugeben bereit ist.
Im Gegensatz zu dem heutigen Geld hatten Nachtigals Elefantenzähne keine allgemeine Tauschmittelfunktion. Wie das Beispiel zeigt, ist die
Tauschmittelfunktion des Geldes aber auch keine
absolut notwendige, denn letztlich, wenn auch
nur beschwerlich, kam Nachtigal auch ohne ein
allgemein anerkanntes Tauschmittel zum Ziel. Absolut notwendig hingegen ist das Vorhandensein
einer Verrechnungseinheit für jegliche Tauschgeschäfte. „So gab es z. B. in Afrika einen Volksstamm, der als Geldeinheit den ,Makut‘ benutzte,
der nur als abstrakte Wert- und Recheneinheit fungierte, dem aber keine körperliche Sache in der
Realität entsprach.“
Nicht immer liegt der Hingabe von Geld ein direktes Tauschgeschäft zugrunde, denn durch Geld
können auch Werte ohne Gegenleistung übertragen werden (Wertübertragungsmittel). So ist es
möglich, mit Geld z. B. die Steuern zu bezahlen,
Geschenke zu machen, Kredite zu tilgen usw. Geld
dient in diesem Falle als Zahlungsmittel. Gesetzlich anerkanntes Zahlungsmittel wird das Geld
nur durch staatliche Eingriffe, doch muss zu der
durch die Rechtsordnung auferlegten Verpflichtung, eine bestimmte Geldart als Zahlungsmittel
zu verwenden, noch die Annahmebereitschaft der
Wirtschaftssubjekte hinzutreten. Ist diese Geldannahmebereitschaft verloren gegangen, wie z. B.
gegen Ende des Zweiten Weltkrieges, so ist das
Geld zwar Zahlungsmittel, aber kein allgemeines
Tauschmittel mehr.
213
Arbeitsvorschläge
1
Vervollständigen Sie die folgenden Bildunterschriften in Ihrem Arbeitsheft.
Ursprung und Entwicklung des Geldes
a) Naturaltausch
Barter
In der Wirtschaft ohne … war der Tauschhandel mit Schwierigkeiten verbunden.
c) Metallgeld
Metal Money
… entwickelten sich zum allgemeinen
Zahlungsmittel.
e) Bargeld
Coins and Notes (Cash)
… und Münzen bilden das Bargeld.
214
b) Warengeld
Goods as Medium of Exchange
… übernahmen die Rolle des Geldes.
d) Münzgeld
Coins
Durch … erhielten die Metalle eine
Wertangabe.
f) Buchgeld/Giralgeld
Book Money
Neben dem Bargeld sind … weitverbreitete
bargeldlose Zahlungsmittel.
3334214
g) „Plastikgeld“
Electronic Money/Digital Cash
Zur Vertiefung
Nehmen Sie die folgende Abbildung zum
Anlass, um im Internet unter dem Stichwort
Handy-Bezahldienst „Wallet“ zu recherchieren, ob das Plastikgeld zukünftig ersetzbar ist.
Heute wird häufig mit Bank- und Kreditkarten
über … verfügt.
Arbeitsvorschläge (Fortsetzung)
2 Nennen Sie die verschiedenen Arten des
Geldes.
3 Erläutern Sie die verschiedenen Funktionen des Geldes in modernen Volkswirtschaften anhand der folgenden
Abbildungen.
Tauschmittel und Zahlungsmittel
Medium of exchange and means of payment
Wertspeicher
Store of value
Wertübertragungsmittel
Transfer of value
Wertmesser
Standard of value
Quelle: Die Rolle des Geldes, Deutscher Sparkassenverlag GmbH, Stuttgart 1991, S. 4 ff.
3334215
215
5.2
Wer trägt die Verantwortung in der Europäischen Währungsunion?
Geldproduzenten und Geldproduktion des Euro
Money Production and the Production of the Euro
5.2.1
Wie sind die Euro-Münzen beschaffen?
Die Mitgliedstaaten der europäischen Union
lassen Münzen prägen
Member States Coin Money
Die europäische Münzseite
Jede Euro-Münze hat eine
einheitliche und eine länderspezifisch gestaltete
Seite.
Gruppenarbeit
1.
Betrachten Sie die abgebildeten Münzen
und nehmen Sie Münzen, die Sie bei sich
haben, zur Hand.
2. Erstellen Sie gemeinsam ein Mind-Map
zum Thema „Münzen“.
216
3. Stellen Sie die Mind-Map Ihren Klassenkameradinnen und -kameraden im
Plenum vor.
3334216
Die nationalen Seiten der 2-Euro-Münze der Euroländer
Belgien
Deutschland
Estland
Finnland
Frankreich
Griechenland
Irland
Italien
Luxembug
Malta
Monaco
Niederlande
Österreich
Portugal
San Marino
Slowakei
Slowenien
Spanien
Vatikanstadt
Zypern
Die Euro-Münzen
Münzen sind geprägte Metallstücke, auf denen
Wertangaben stehen. Dieser auf den Münzen angegebene Nennwert ist im Allgemeinen höher als der
Wert des Metalls (Metallwert), aus dem die Münzen
hergestellt sind. Solche nicht „vollwertigen“ Münzen werden Scheidemünzen genannt. Sie stellen
gewissermaßen eine Ergänzung des Banknotenumlaufs für kleine Zahlungen dar. Im Gegensatz zu
den Banknoten sind die Münzen nur in beschränktem Umfang gesetzlichen Zahlungsmittel. Ein Gläu-
3334217
biger ist nicht verpflichtet, mehr als 50 einzelne
Euro- oder Cent-Münzen oder mehr als 200 Euro
insgesamt in Münzgeld pro Zahlung anzunehmen.
Kurantmünzen waren früher gesetzliches Zahlungsmittel. Ihr Metallwert entsprach dem aufgeprägten Nennwert und sie mussten in voller Höhe
in Zahlung genommen werden. Sie bestanden zumeist aus Gold, Silber oder Kupfer. Heutzutage
kommen Kurantmünzen kaum noch vor.
217
Quelle
Gestaltung der Euro-Münzen
Die Euro-Münzen gibt es in acht Stückelungen
zu 1, 2, 5, 10, 20 und 50 Cent sowie zu 1 und 2
Euro. Im Gegensatz zu den Banknoten ist das
Aussehen der Münzen nicht in allen Ländern
des Euro-Währungsgebiets gleich. Während
eine Münzseite länderübergreifend einheitlich
gestaltet ist, wird die andere Seite in jedem
Land mit individuellen Motiven versehen.
Die gemeinsame europäische Münzseite symbolisiert die Einheit der Europäischen Union. Sie
zeigt den Münzwert neben verschieden stilisierten europäischen Landkarten bzw. der Weltkugel („Europa in der Welt“) und zwölf Sternen
(in Anlehnung an die Flagge der Europäischen
Union). Aufgrund der Erweiterung der Europäischen Union von 15 auf 27 Länder wurde das
Motiv der europäischen Seite der meisten EuroMünzen angepasst. Statt der bis dahin 15 EULänder zeigen die neuen Münzen ab 2007 Europa ohne Ländergrenzen.
Diese einheitliche Münzseite ging 1997 aus
einem Gestaltungswettbewerb unter Federführung der EU-Kommission hervor. Der Sieger,
Luc Luycx aus Belgien, ist auf den Münzen
durch seine Initialen „LL“ gewürdigt.
Die nationale Münzseite hingegen wird von
jedem Land individuell gestaltet. Sie zeigt
unterschiedliche nationale Symbole und Persönlichkeiten. Neben den 17 Mitgliedern der
Währungsunion können auch Monaco, San
Marino und der Vatikan aufgrund einer Vereinbarung mit der Europäischen Union EuroMünzen mit nationaler Seite ausgeben (vgl. vorstehende Abbildung der nationalen Seiten der
2-Euro-Münzen).
Trotz der vielfältigen Motive der nationalen
Münzseiten gelten die Münzen aller Teilnehmerstaaten der Währungsunion im gesamten
Euroraum als gesetzliches Zahlungsmittel. Die
umlaufenden Münzen spiegeln so die Einheit
der Währungsunion in ihrer Vielfalt wider.
Die deutschen Euro-Münzen
Die deutschen Euro-Münzen tragen auf der nationalen Seite der 1-, 2- und 5-Cent-Münzen – in
218
Anlehnung an die früheren Pfennige – den Eichenzweig. Auf den 10-, 20- und 50-Cent-Münzen ist das Brandenburger Tor abgebildet. Die
1- und 2-Euro-Münzen zeigen – wie die früheren D-Mark-Münzen – den Bundesadler.
1 und 2 Euro
Bundesadler
10, 20, 50 Cent
Brandenburger Tor
1, 2, 5 Cent
Eichenzweig
Sicherheitsmerkmale
Die acht Euro-Münzen unterscheiden sich in
Größe, Gewicht, Material, Farbe und Dicke. Die
1- und 2-Euro-Münzen sind aus einem Münzkern und einem Münzring zusammengesetzt,
die jeweils aus verschiedenen Metall-Legierungen bestehen. Daher sind diese Münzen zweifarbig. Einige Merkmale wurden eingeführt, um
insbesondere Blinden und Sehbehinderten das
Erkennen der verschiedenen Stückelungen zu
erleichtern. So ist der Rand der einzelnen Münzen unterschiedlich gestaltet.
Bei echten Münzen hebt sich das Münzbild klar
abgegrenzt und fühlbar von der übrigen Münzoberfläche ab. Alle Konturen sind deutlich und
scharf ausgeprägt und klar zu erkennen. Das
gilt auch für den Münzrand. Bei der Münze zu
2 Euro erschwert die eingeprägte Schrift auf
dem Münzrand das Fälschen zusätzlich. Auch
die Zweifarbigkeit der 1- und 2-Euro-Münzen
erhöht den Fälschungsschutz. Fälschungen unterscheiden sich oft farblich von echten Münzen. Überzogene oder beschichtete Falschmünzen werden nach kurzer Zeit fleckig, weil sich
die Beschichtung abnutzt und das andersfarbige
Grundmaterial hervortritt. Erkennbar ist dies
vor allem an der fühlbaren Prägung.
Aufgrund eines speziellen Sicherheitsmaterials ist der Mittelteil der 1- und 2-Euro-Münzen
leicht magnetisch, d. h., die Münzen werden
von einem Magneten leicht angezogen und fallen bei leichtem Schütteln wieder vom Magne-
3334218
ten ab. Der äußere Münzring der echten 1- und
2-Euro-Münzen sowie die echten 10-, 20- und
50-Cent-Münzen sind nicht magnetisch. Echte
1-, 2- und 5-Cent-Münzen aus kupferbeschichtetem Stahl sind stark magnetisch.
Herstellung
Die Wahl des Münzmetalls war eine Frage der
Zweckmäßigkeit und der Kosten. Die Münzlegierungen dürfen insbesondere nicht rostempfindlich sein und sollen sich im Gebrauch
wenig abnutzen. Hautkontakt soll zudem keine Allergien auslösen. Wichtig ist auch, dass
der Metallwert unter dem Nennwert der Münze bleibt. Sonst bestünde die Gefahr, dass die
Münzen eingeschmolzen und als Ware gehandelt werden.
Metallwerke liefern den Münzstätten die Münzrohlinge im Auftrag der Regierungen prägefertig. Diese Rohlinge (Ronden) werden in Prägemaschinen zwischen zwei Stahlstempeln zu
Münzen geprägt. In Deutschland stellen fünf
staatliche Münzstätten die Euro-Münzen her.
Dabei weist das eingeprägte Münzzeichen in
Form eines Buchstabens auf die Herkunft jeder
Münze hin. Die scheinbar willkürlich gewählte
Buchstabenfolge geht auf die kaiserliche Regierung zurück, die unmittelbar nach Gründung
des Deutschen Reiches im Jahre 1871 alle damals existierenden Münzstätten alphabetisch
„durchnummerierte“. Dabei standen die Buchstaben A bis J für die Prägeanstalten. Die Prägeanstalten mit den Buchstaben A, D, F, G und
J bestehen noch heute.
Buchstabe
A
Prägeanstalt
bis
Berlin
heute
B
Hannover
1878
C
Frankfurt/M.
1880
D
München
heute
E
Dresden
1953
F
Stuttgart
heute
heute
G
Karlsruhe
H
Darmstadt
1883
J
Hamburg
heute
Gedenkmünzen
Neben Umlaufmünzen geben Staaten zu besonderen Anlässen oder zur Würdigung herausragender Persönlichkeiten auch Gedenkmün-
3334219
zen aus. So können die Länder des Euroraums
2-Euro-Gedenkmünzen mit besonders gestalteten nationalen Seiten prägen lassen. Alle
2-Euro-Gedenkmünzen gelten wie die regulären 2-Euro-Münzen in allen Euroländern als
gesetzliches Zahlungsmittel. In Deutschland
beispielsweise erscheint seit 2006 jährlich eine
2-Euro-Gedenkmünze, deren Motiv jeweils einem Bundesland gewidmet ist. Die Reihenfolge
der Ausgabe entspricht dem jeweiligen Vorsitz
der Länder im Bundesrat.
Deutsche 2-Euro-Gedenkmünze
2011: NRW
Andere Regierungen geben ebenfalls 2-EuroGedenkmünzen aus, Griechenland und Italien
beispielsweise anlässlich der Olympischen
Sommer- bzw. Winterspiele im eigenen Land.
In Belgien, Italien, Finnland und Portugal erschienen 2008 2-Euro-Gedenkmünzen zum
60. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte. 2007 prägten alle Euroländer
eine 2-Euro-Münze zum 50-jährigen Bestehen
der Europäischen Union (EU) mit einheitlichem
Motiv, ebenso 2009 zum 10. Jahrestag der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion
(WWU).
Darüber hinaus gibt es höherwertige EuroGedenkmünzen, die nur im Ausgabeland Gültigkeit als Zahlungsmittel besitzen. Seit der
Euro-Bargeld-Einführung gibt die Bundesregierung neben silbernen 10-Euro-Gedenkmünzen auch höherwertige 100-Euro-Goldmünzen
heraus. Einmalig brachte sie 2002 auch eine
200-Euro-Münze in Gold in Umlauf. Teil dieses
höherwertigen Münzprogramms sind 100-EuroGoldmünzen, die im Rahmen einer mehrjährigen Goldmünzen-Serie von Orten des UNESCOWelterbes in Deutschland ausgegeben werden,
sowie eine 100-Euro-Goldmünze anlässlich der
Fußballweltmeisterschaft.
Von 2010 bis 2015 wird jährlich eine 20-EuroGoldmünze erscheinen, die dem deutschen
219
Wald gewidmet ist. Nach den Planungen des
Bundesfinanzministeriums werden die zusätzlichen Goldmünzen in folgender Reihenfolge
erscheinen: Eiche (Juni 2010) – Buche (2011)
– Fichte (2012) – Kiefer (2013) – Kastanie
(2014) – Linde (2015). Aber nicht nur die Themen stehen bereits fest, auch die zugehörigen
Entwürfe wurden bereits angefertigt. Heinz Hoyer übernahm die beiden Motive Eiche und Kastanie, Frantisek Chochola zeichnet für restlichen Gestaltungen verantwortlich.
Münzhoheit
Die Euro-Münzen werden – anders als die Banknoten – jeweils im Auftrag der Regierungen
ausgegeben. Diese Art der Zuständigkeit ist
ein Relikt aus alter Zeit, als es ausschließlich
Münzen gab. Damals schon lag das Recht zur
Regelung des Münzwesens beim Landesherrn
bzw. beim Staat (Münzregal). Die Zentralbanken kaufen den Regierungen die Münzen jeweils zum Nennwert ab, der meist höher ist als
die eigentlichen Herstellungskosten. Die Regierungen ziehen so aus der Münzhoheit Gewinne.
Im Verhältnis zu den gesamten Einnahmen des
Staates sind diese Gewinne allerdings wenig
bedeutend. Auch bei den Münzen genehmigt
seit Einführung des Euro die Europäische Zentralbank den Umfang der Ausgabe. In Deutschland lässt das Bundesministerium der Finanzen Euro-Münzen herstellen. Die Bundesbank
bringt sie in den Umlauf.
Quelle: Deutsche Bundesbank (Hg.): Eurosystem:
Geld- und Geldpolitik. Frankfurt am Main 2010, S. 22
u. 38 ff.
Arbeitsvorschläge
1
Wie sind die Euromünzen gestaltet?
Gefallen sie Ihnen?
2 Wie sind die Euromünzen gestückelt?
3 Welches sind ihre wichtigsten Merkmale?
4 Wie wurden die Euromünzen
fälschungssicher?
220
5 Nennen Sie die deutschen Münzstätten.
6 Erläutern Sie den Begriff „Münzhoheit“.
7 Welches Recht hat die Europäische Zentralbank im Hinblick auf das zu prägende
Münzgeld?
3334220
5.2.2
Wie werden die Banknoten ausgegeben und gesichert?
Notenmonopol der Bundesbank bzw. des
Eurosystems
Monopoly Suppliers of Banknotes – The German Central Bank and the Eurosystem
Gruppenarbeit
1.
3334221
Betrachten Sie die oben abgebildeten
Banknoten und nehmen Sie Geldscheine,
die Sie in Ihrer Geldbörse haben, zur
Hand. – Was sind die auffälligsten
Merkmale?
2. Erstellen Sie gemeinsam eine Mind-Map
zum Thema „Euro-Banknoten“.
3. Stellen Sie die Mind-Map in Ihrer Klasse
vor.
221
Banknoten sind Geldscheine (Papiergeld), die auf
einen bestimmten Betrag in einer bestimmten Währung lauten. In Deutschland waren bis Ende 2001
Geldscheine mit der Währung Deutsche Mark (DM)
im Gebrauch. Seit Anfang 2002 sind – wie im gesamten Euroraum – Euro-Banknoten im Umlauf.
Euro-Banknoten sind im Euro-Währungsgebiet das
einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel.
Jeder Gläubiger einer Geldforderung muss Banknoten in unbegrenztem Umfang als Erfüllung seiner
Forderung annehmen, sofern die Vertragsparteien
nichts anderes vereinbart haben. Kaufvertragsparteien können sich darauf verständigen, dass der
Gläubiger bestimmte Banknoten nicht entgegennehmen muss. So akzeptieren beispielsweise Tankstellen häufig keine 500-Euro-Banknoten.
Die Euro-Banknoten1
Das Europäische Währungsinstitut (EWI) als Vorgänger der Europäischen Zentralbank legte 1994
fest, Euro-Banknoten in sieben Stückelungen auszugeben. Dabei orientierte man sich an den damaligen nationalen Währungen. Seit 2002 sind im
Euroraum Banknoten in den Nennwerten von 5,
10, 20, 50, 100, 200 und 500 Euro gesetzliches
Zahlungsmittel.
Neben der Entscheidung über das einheitliche
Aussehen und die Sicherheitsmerkmale der Geldscheine mussten Druckfarben und Banknotenpapier optimiert werden, um in allen Herstellungsländern eine gleich hohe Qualität der Banknoten zu
sichern. Im Frühjahr 1999 genehmigte der EZB-Rat
schließlich die endgültige technische Ausstattung
des neuen Geldes und die Serienproduktion der
Euro-Banknoten konnte anlaufen.
Gestaltung
Das Aussehen der Euro-Banknoten wurde bereits
Mitte der 1990er Jahre im Rahmen eines Gestaltungswettbewerbs festgelegt. Die Wettbewerbsteilnehmer konnten die Banknoten entweder zum
Thema „Zeitalter und Stile in Europa“ oder nach
einem frei wählbaren abstrakten modernen De1 nach: Deutsche Bundesbank (Hg.): Eurosystem: Geld und
Geldpolitik. Frankfurt am Main 2010, S. 30 ff.
222
sign gestalten. Aus 44 Vorschlägen wählte eine
fachkundige Jury zehn Entwürfe aus, auf deren
Basis der EWI-Rat die Endauswahl zu treffen hatte. Neben der Stellungnahme der Jury lagen dem
Rat des EWI zu den Entwürfen auch Ergebnisse
einer Bürgerumfrage und Empfehlungen einer internen Expertengruppe vor. Auf dieser Grundlage
entschied er sich schließlich für den Entwurf von
Robert Kalina, einem Grafiker der Österreichischen
Zentralbank, der das Thema „Zeitalter und Stile in
Europa“ überzeugend umgesetzt hatte.
Durch ihre verschiedenen Farben und Größen sind
die sieben Euro-Banknoten leicht voneinander zu
unterscheiden. Je höher der Nennwert, desto
größer ist die Banknote. Auf den Banknoten sind
Baustile aus sieben Epochen der europäischen
Kulturgeschichte dargestellt – von der Klassik bis
zur modernen Architektur des 20. Jahrhunderts.
Bei der Gestaltung der Banknoten stehen drei wesentliche architektonische Elemente im Vordergrund: Fenster, Tore und Brücken, die dem Stil
der jeweiligen Epoche nachempfunden sind. Die
Fenster und Tore auf der Vorderseite jeder Banknote symbolisieren den Geist der Offenheit und
Zusammenarbeit in Europa. Darüber hinaus sind
die zwölf Sterne der Europäischen Union abgebildet, die für Dynamik und Harmonie im heutigen
Europa stehen. Auf der Rückseite der Banknoten
werden diese Stilelemente durch die Abbildung
einer für die jeweilige Epoche typischen Brücke
ergänzt. Von den frühen Konstruktionen bis zu den
modernen Hängebrücken der Gegenwart sind diese Bauwerke ein Symbol der Verbindung zwischen
den Völkern Europas und zur übrigen Welt.
Allgemeine Merkmale
Die Euro-Banknoten zeichnen sich durch die folgenden allgemeinen
Merkmale aus:
@ Flagge der Europäischen Union
@ Bezeichnung „Euro“ in lateinischer und griechischer Schrift
@ Copyright der EZB
@ Unterschrift des Präsidenten der EZB: Jean-Claude Trichet (Willem F. Duisenberg bis
31.10.2003)
@ Abkürzung der Europäischen Zentralbank in
fünf Varianten – den Amtssprachen der Europäischen Union entsprechend.
3334222
Sicherheitsmerkmale
Aufgrund des Fortschritts in der modernen Reproduktionstechnik lassen sich heute leicht Kopien
jeder gedruckten Abbildung herstellen. Zum Schutz
vor Fälschungen werden Banknoten deshalb mit
einer Reihe von Sicherheitsmerkmalen versehen.
So kann jeder aufmerksame Bargeldnutzer Fälschungen auch ohne den Einsatz von Hilfsmitteln
erkennen. Es ist unmöglich, eine Fälschung herzustellen, die all diese Sicherheitsmerkmale überzeugend nachbildet. Die Sicherheit beginnt bereits bei
dem verwendeten Spezialpapier. Die Baumwollfasern, aus denen es hergestellt wird, verleihen den
Banknoten eine charakteristische Struktur. Das
Papier enthält fluoreszierende Fasern. Außerdem
sind die Euro-Banknoten mit maschinenlesbaren
Merkmalen ausgestattet, damit Automaten deren
Echtheit verlässlich feststellen können. Die ohne
Hilfsmittel zu erkennenden Sicherheitsmerkmale
sind entweder fühlbar oder in der Durchsicht bzw.
beim Kippen sichtbar. Die wegen ihres Spezialpapiers besonders griffigen Banknoten weisen an
einigen Stellen ein fühlbares Druckbild auf. Dazu
gehören die in den unterschiedlichen Sprachen
des Euro-Währungsgebiets üblichen Abkürzungen der Europäischen Zentralbank. Hält man die
Banknoten gegen das Licht, erscheinen bei allen
Banknotenwerten Architekturmotiv und Wertzahl
als Wasserzeichen. Die unvollständigen Formen
auf der Vorder- und Rückseite in der oberen Ecke
ergeben als Durchsichtselement die Wertzahl.
Im Gegenlicht wird auch ein Sicherheitsfaden als
dunkler Streifen mit heller Schrift in der Mitte der
Banknote sichtbar.
Beim Kippen der „kleinen“ Banknoten (5, 10, 20
Euro) erscheinen im Hologramm-Streifen die jeweiligen Notenwerte und das Euro-Symbol (€) vor
einem regenbogenfarbigen Hintergrund. Auch im
Glanzstreifen auf der Rückseite werden die Wertzahl und das Euro-Symbol (€) beim Kippen sichtbar.
Beim Kippen der „großen“ Geldscheine (50, 100,
200, 500 Euro) sieht man im Hologramm-Element
abwechselnd die Wertzahl und das jeweilige Architekturmotiv. Auf der Rückseite ändert sich beim
Kippen die Farbe der Wertzahl in der rechten unteren Ecke. Die Farbe wechselt von Purpurrot zu
Olivgrün oder Braun.
Damit der Euro auch in Zukunft gut gegen Fälschungen geschützt ist, wird das Eurosystem in
3334223
den nächsten Jahren eine sicherheitstechnisch verbesserte Banknotenserie ausgeben. Bei den Banknoten der zweiten Serie werden die Hauptmotive
und -farben der jetzigen Banknoten übernommen.
Herstellung
Die nationalen Zentralbanken sind für den Druck
der Euro-Banknoten zuständig. Hergestellt werden die Banknoten von staatlichen, aber auch von
privaten Spezialdruckereien. Zur Sicherung der
Banknotenqualität gilt in allen autorisierten Druckereien ein einheitliches Qualitätsmanagementsystem. Durch genaue Prüf- und Testverfahren wird
die Einhaltung der Vorgaben kontrolliert. Um die
Kosten zu minimieren, lässt nicht jede Euro-Zentralbank alle sieben Notenstückelungen herstellen.
Vielmehr sind die nationalen Zentralbanken jeweils
nur für den Druck ausgewählter Banknoten verantwortlich. 2010 erteilte die Deutsche Bundesbank
Druckaufträge für 10-, 20-, 50- und 200-Euro-Noten. Welche Zentralbank die Banknoten in Auftrag
gegeben hat, erkennt man am Buchstaben vor der
Seriennummer auf der Rückseite der Banknote;
z. B. Ländercode X für Deutschland, N für Österreich und P für die Niederlande.
Falschgeld
Immer wieder versuchen sich Fälscher als Bargeldproduzenten. Sie setzen darauf, dass sich
viele Menschen die Banknoten nicht genau genug
ansehen und nicht auf die Sicherheitsmerkmale
achten. Mit Falschgeld ist jedoch nicht zu spaßen.
Wer nicht nachweisen kann, von wem er Falschgeld
bekommen hat, muss den Schaden selbst tragen.
Wer wissentlich gefälschte Banknoten oder Münzen weitergibt, macht sich sogar strafbar.
Das Eurosystem beobachtet Neuentwicklungen
in der Druck- und Reproduktionstechnologie und
überwacht das Falschgeldaufkommen. Die nationalen Zentralbanken analysieren die Fälschungen, die in ihrem Land anfallen, verwahren diese
und pflegen die Untersuchungsergebnisse in eine
europaweite Datenbank ein. Bei Maßnahmen zur
Falschgeldprävention und -bekämpfung arbeiten
die Zentralbanken eng mit den nationalen und internationalen Polizeibehörden zusammen.
223
Falschgeldaufkommen
2009 wurden im Euroraum vom Eurosystem
860 000 falsche Euro-Banknoten aus dem Zahlungsverkehr gezogen. 2010 wurden rund 91 000
falsche Banknoten in Deutschland gefunden (vgl.
Grafik). Spitzenreiter der Euro-Fälschungen in
Deutschland sind 50-Euro-Noten. Bei den gefälschten Euro-Münzen im deutschen Zahlungsverkehr
überwog die 2-Euro-Münze.
Verhalten bei Falschgeld
Mit etwas Aufmerksamkeit kann sich jeder anhand der Sicherheitsmerkmale vor der Annahme
falscher Banknoten schützen. Bei Verdacht auf
Falschgeld sollte man einige Verhaltensregeln beachten: Verdächtige Banknoten sollten möglichst
wenig berührt werden, um Fingerabdrücke nicht
zu verwischen. Der Vergleich mit einer echten
Note erleichtert das Prüfen eines verdächtigen
Geldscheins. In Zweifelsfällen kann man auch bei
seiner Hausbank oder in einer Filiale der Bundes-
224
bank um Rat fragen. Eindeutig als falsch erkanntes
Geld muss mit Angaben zu dessen Herkunft sofort
der Polizei übergeben werden. Wenn bekannt, sind
auch Informationen zu Aussehen und besonderen
Merkmalen des Verbreiters hilfreich.
Notenmonopol
Im Euroraum ist die Europäische Zentralbank zusammen mit den nationalen Zentralbanken für
die Ausgabe der Banknoten verantwortlich. In
Deutschland besitzt die Deutsche Bundesbank
das ausschließliche Recht zur Notenausgabe. Sie
gibt die Banknoten – wie auch zu D-Mark-Zeiten – in Umlauf. Seit Einführung des Euro ist das
ausgegebene Banknotenvolumen der nationalen
Zentralbanken allerdings von der Europäischen
Zentralbank zu genehmigen. Traditionell ist die
Bundesbank auch in die Versorgung von Ländern
mit Euro-Bargeld außerhalb des Eurosystems – wie
beispielsweise der Schweiz oder von Ländern in
Ost- und Südosteuropa – stark eingebunden.
3334224
Arbeitsvorschläge
1
Schauen Sie sich die Abbildungen der Euro-Noten an und/oder nehmen Sie Noten in die
Hand. Wie gefallen Ihnen die Banknoten?
5 Euro
Der Fünfer ist der kleinste Schein. Das dargestellte Tor ist ein Stilelement aus der Klassik,
also aus der griechisch-römischen Antike. Das
ist ein Verweis auf die historischen Wurzeln
Europas. Das Tor ist zugleich ein aktuelles
Symbol für die Offenheit, die die Zusammenarbeit in der Europäischen Union prägen soll.
10 Euro
Am runden Torbogen auf dem neuen Zehner
erkennt man den romanischen Stil, die Epoche
des frühen Mittelalters. Das ist ein typisches
Architekturelement für Kirchen, die etwa 1 000
Jahre alt und als gemeinsames Kulturerbe in
ganz Europa zu finden sind.
20 Euro
Das Design des Zwanziges repräsentiert die
Epoche der Gotik, leicht zu erkennen am Spitzbogen der Fenster auf der Vorderseite oder am
Strebewerk der Brückenpfeiler auf der Rückseite. Das Fenster ist ein Symbol für den Ausblick
auf das vereinte Europa im neuen Jahrhundert.
50 Euro
Der Füfziger zeigt Elemente der Renaissance,
der Zeit des Epochenwandels vom Mittelalter
zur Neuzeit. Es war die Zeit von Leonardo da
Vinci, Michelangelo und Albrecht Dürer. Die
Renaissance begann in Italien und strahlte
1500 auf alle europäischen Länder aus.
2 Wie sind die Euro-Noten gestückelt?
3 Welches sind ihre wichtigsten Merkmale?
4 Welche Elemente der europäischen Kulturgeschichte werden auf den Euro-Noten
angesprochen?
5 Welche Elemente haben alle Banknoten
gemeinsam?
6 Versuchen Sie den Namen der Europäischen Zentralbank (EZB) in möglichst vielen europäischen Sprachen
herauszubekommen.
7 Wer druckt im Euroland das Papiergeld?
8 Wie wurden die Euro-Noten gegen Fälschungen gesichert? Listen Sie alle
Sicherheitsmerkmale auf.
9 Welche Verhaltensregeln gelten beim Verdacht auf Falschgeld?
10 Erläutern Sie den Begriff „Notenmonopol“.
Zur Diskussion
Was würde passieren, wenn jeder Mensch sein eigenes Geld drucken könnte?
3334225
225
Zusammenfassung
Das Wichtigste im Überblick:
@ Bargeld bezeichnet Banknoten und Münzen. Euro-Banknoten und -Münzen sind gesetzliches Zahlungsmittel im Euroraum.
@ Banknoten werden von der Zentralbank (Notenmonopol) und Münzen vom Staat (Münzhoheit)
ausgegeben.
@ Der Euro ist eine reine Papierwährung, also nicht durch Gold oder andere Edelmetalle gedeckt.
Für Euro-Bargeld besteht keine Einlösungsverpflichtung in andere Werte.
@ Der Bargeldumlauf in Deutschland ist in der Vergangenheit fast stetig gestiegen. Nach wie vor wird
auch ein großer Teil aller Zahlungen beim Einkauf mit Bargeld getätigt.
@ In Deutschland gibt die Bundesbank Bargeld in Umlauf. Sie ersetzt abgenutztes und beschädigtes
Bargeld und zieht Falschgeld aus dem Verkehr.
@ Es gibt sieben Euro-Banknoten unterschiedlicher Farbe und Größe. Sie sind mit Sicherheitsmerkmalen ausgestattet, die es jedem erlauben, die Banknote auf Echtheit zu prüfen.
@ Es gibt acht verschiedene Euro-Münzen mit jeweils einer einheitlichen europäischen und einer von
jedem Land individuell gestalteten Münzseite.
@ Auch 2-Euro-Gedenkmünzen sind gesetzliches Zahlungsmittel im gesamten Euro-Währungsgebiet.
@ Falschgeld ist sofort der Polizei zu übergeben. Wer wissentlich Falschgeld in Umlauf bringt, macht
sich strafbar.
226
3334226
6.2
Kann Wirtschaftspolitik das Unmögliche ermöglichen?
Wirtschaftspolitik und ihre Ziele
Economic Policy and its Objectives
Arbeitsvorschläge
1
Was verbinden Sie gedanklich mit den
Abbildungen oben?
2 Erläutern Sie die in den Bildern angesprochenen wirtschaftlichen Probleme?
304
3 Wer ist für die Bewältigung der in den Bildern dargestellten Probleme einer Volkswirtschaft verantwortlich?
3334304
6.2.1
Wer ist für die Wirtschaftspolitik verantwortlich?
Wirtschaftspolitik
Economic Policy
Als Wirtschaftspolitik bezeichnen wir das Handeln, durch das eine Vielzahl von Akteuren – Regierung, Notenbank, Parlament, internationale
Organisationen, Kommunen, Interessenverbände –
Einfluss auf das Wirtschaftsgeschehen zu nehmen
versucht. Ziel dieses Handelns ist es, eine als unbefriedigend erachtete Istsituation einer angestrebten
Sollsituation bestmöglich anzupassen.
Quelle
Die Aufgabe der Theorie der Wirtschaftspolitik kann zum einen darin gesehen werden, die
Praxis der Wirtschaftspolitik zu analysieren,
das hier relevante Geschehen in seinen Motiven, Erscheinungsformen und Konsequenzen
zu systematisieren und zu erklären, ohne damit Wertungen zu verbinden und Empfehlungen auszusprechen. Das Erkenntnisinteresse
gilt etwa der Frage, wie wirtschaftspolitische
Ziele formuliert, Befugnisse zugewiesen, Entscheidungen getroffen, Konflikte ausgetragen
oder Koordinierungsprobleme gelöst werden:
Wodurch wird wirtschaftspolitisches Handeln
veranlasst? Worauf zielt es ab? Wie wird es vollzogen? Was kann es bewirken? Hier Antworten
zu geben, ist das Ziel einer wissenschaftlichen
Betrachtungsweise, die Erkenntnisfortschritte
anstrebt, ohne damit die Frage nach unmittelbarer Verwertbarkeit und praktischen Nutzen
zu verbinden. Die Ökonomische Theorie der
Politik, auch Neue Politische Ökonomie (NPÖ)
genannt, steht für diese Absicht, das Verhalten
der hier relevanten Akteure zu erklären, ohne
damit auch schon die Absicht zu verbinden, die
jeweils optimale Lösung zu benennen und die
taugliche Strategie zu ihrer Durchsetzung zu
formulieren.
Zum anderen kann Theorie der Wirtschaftspolitik auch mit einem normativen Anspruch
verbunden sein. Sie will dann Zweifaches leisten: Als „Kunstlehre“ will sie den Wirtschaftspolitiker wissenschaftlich beraten. Sie will darüber aufklären, was jeweils gesellschaftlich
wünschenswert und möglich ist, welche ZielMittel-Kombinationen als stimmig anzusehen
und welche als nicht sachgerecht zu verwerfen
sind. Das Bemühen der Theorie der Wirtschafts-
3334305
politik zielt hier also darauf ab, die Qualität der
praktischen Wirtschaftspolitik zu verbessern
und damit die Chance zu erhöhen, die angestrebten Ziele auch tatsächlich so weitgehend
und so effizient wie möglich zu verwirklichen.
Normativ angelegt ist die Theorie der Wirtschaftspolitik schließlich auch, wenn sie die
Frage zu beantworten versucht, welche Aufgaben welchen Trägern der Wirtschaftspolitik
zuerkannt werden sollen, welche Institutionen
zur Erfüllung dieser Aufgaben erforderlich sind,
nach welchen Regeln von welchen Instrumenten Gebrauch gemacht werden sollte und wie
gewährleistet werden kann, dass die Träger der
Wirtschaftspolitik die ihnen zuerkannte Macht
nicht gegen das Interesse der Gesellschaft ausüben.
Wirtschaftspolitik ist nur dort erforderlich, wo
gesellschaftliches, arbeitsteiliges Wirtschaften
stattfindet. […] Wirtschaftspolitik ist somit immer ein Prozess, der Kollektive, d. h. Gruppen
als Vereinigungen von Personen, betrifft und
dem politische Entscheidungen zugrunde liegen, die für alle Gruppenmitglieder Bindungswirkungen besitzen. Werden die politischen
Entscheidungen von den Mitgliedern der Gruppe kollektiv nach festgelegten Regeln getroffen,
handelt es sich um demokratische Gesellschaften. Sie unterscheiden sich von Diktaturen insofern, als der Diktator die Interessen des Kollektivs mit seinen Interessen gleichsetzt und
alle das Kollektiv betreffende Entscheidungen
individuell entsprechend seinen persönlichen
Vorstellungen trifft.
Quelle: Berg, H., u. a., Theorie der Wirtschaftspolitik,
in: Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und
Wirtschaftspolitik, Bd. 2, München 2007, S. 245 f.
305
Arbeitsvorschläge
1
Geben Sie eine Definition für den Begriff
„Wirtschaftspolitik“, nachdem Sie die Texte
auf der vorherigen Seite gelesen haben.
2 Erläutern Sie die beiden Hauptaufgaben
(der Theorie) der Wirtschaftspolitik.
6.2.2
3 Warum ist Wirtschaftspolitik nur in arbeitsteiligen Gesellschaften erforderlich?
4 Formulieren Sie wirtschaftspolitische
Ziele, die Ihrer Meinung nach zurzeit
unbedingt verfolgt werden sollten.
Welche Ziele soll Wirtschaftspolitik erreichen?
Ziele der Wirtschaftspolitik
Objectives of Economic Policies
Quelle
Auszug aus:
Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft
Vom 8. Juni 1967
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:
§1
Bund und Länder haben bei ihren wirtschaftsund finanzpolitischen Maßnahmen die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu beachten. Die Maßnahmen sind so
zu treffen, dass sie im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung zur Stabilität des Preisniveaus, zu einem hohen Beschäftigungsstand
und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht bei
stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum beitragen.
§2
(1) Die Bundesregierung legt im Januar eines
jeden Jahres dem Bundestag und dem Bundesrat einen Jahreswirtschaftsbericht vor.
Der Jahreswirtschaftsbericht enthält:
1. die Stellungnahme zu dem Jahresgutachten des Sachverständigenrates aufgrund
des § 6 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes über die
Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung vom 14. August 1963 (Bundesgesetzbl. I S. 685) in der Fassung des Gesetzes
vom 8. November 1966 (Bundesgesetzbl. I
S. 633);
2. eine Darlegung der für das laufende Jahr
von der Bundesregierung angestrebten
wirtschafts- und finanzpolitischen Ziele
(Jahresprojektion); die Jahresprojektion bedient sich der Mittel und der Form der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, gegebenenfalls mit Alternativrechnungen;
3. eine Darlegung der für das laufende Jahr
geplanten Wirtschafts- und Finanzpolitik.
Quelle mit wirtschaftsgeschichtlicher Bedeutung: Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1967, Teil I
306
3334306
Arbeitsvorschläge
1
Wer ist der Adressat des obigen Gesetzes?
2 Welches sind die in § 1 des Stabilitätsgesetzes genannten Ziele der Wirtschaftspolitik?
3 Seit wann sind diese Ziele gesetzlich verankert?
4 Ist es Ihrer Meinung nach selbstverständlich, dass Ziele der Wirtschaftspolitik
gesetzlich festgeschrieben sind?
In der Bundesrepublik Deutschland sind Stabilitätsziele in verschiedenen Gesetzen verankert:
@ Der EWG-Vertrag von 1957 fordert in Artikel 104
von jedem Mitgliedsland eine Wirtschaftspolitik, die einen hohen Beschäftigungsstand, ein
stabiles Preisniveau und ein Gleichgewicht der
Zahlungsbilanz sichert.
@ Laut § 3 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank (1957) ist die Notenbank der Bundesrepublik damit beauftragt, die Währung zu
sichern (seit EU-Währungsunion als integraler
Bestandteil des Europäischen Systems der Zentralbanken).
@ Im Gesetz über die Bildung des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen von 1963 wird § 2
mit „stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum“ ein viertes Makroziel angesprochen.
@ Das Gesetz zur Förderung der Stabilität und
des Wachstums von 1967 fasst in § 1 die vier
wirtschaftspolitischen Ziele zusammen und gibt
einen Hinweis, in welcher Art von Wirtschaftsordnung diese Ziele zu verfolgen sind.
Die im Stabilitätsgesetz genannten Ziele:
@
@
@
@
Stabilität des Preisniveaus,
hoher Beschäftigungsstand,
außenwirtschaftliches Gleichgewicht,
bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum
gelten bis heute unverändert. Das Stabilitätsgesetz, das manchmal als das wirtschaftspolitische
3334307
5 Warum wird im Gesetz nicht festgelegt,
wann die genannten wirtschaftspolitischen Ziele erreicht sind?
6 Was enthält der von der Bundesregierung
jährlich vorzulegende Jahreswirtschaftsbericht?
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland bezeichnet wird, nennt weder Instrumente, mit denen
die Ziele erreicht werden sollen, noch Messgrößen, ab wann die Ziele als erreicht gelten sollen.
Vielmehr ist die Bundesregierung als wichtigster
Entscheidungsträger nach § 2 des Stabilitätsgesetzes verpflichtet, im jährlich vorzulegenden Jahreswirtschaftsbericht die von ihr für das laufende
Jahr angestrebten Ziele darzulegen („Jahresprojektion“).
Die Unbestimmtheit der Zielformulierungen ist
von verschiedenen Regierungen unterschiedlich
interpretiert worden. Von 1967–1971 galten unter
dem amtierenden Wirtschaftsminister Karl Schiller,
einem der Väter des Stabilitätsgesetzes, folgende
Zieldefinitionen:
@ Hoher Beschäftigungsstand erreicht bei einer
Arbeitslosenquote von 0,8 %.
@ Preisniveaustabilität erreicht bei einer Inflationsrate von 1 %.
@ Außenwirtschaftliches Gleichgewicht erreicht,
wenn der Anteil des Außenbeitrags am Bruttosozialprodukt 1 % beträgt.
@ Angemessenes Wirtschaftswachstum erreicht
bei einer jährlichen Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts von 4 %.
Angesichts der tatsächlichen Entwicklung der
Wirtschaft wurde dieses hohe Anspruchsniveau
Mitte der Siebzigerjahre erheblich reduziert. Die
jährliche Gegenüberstellung der Zielvorstellungen
(Zielprojektionen) und der tatsächlichen Istwerte
lässt außerdem vermuten, dass die Zielwerte im
Laufe der Zeit den tatsächlichen Werten angepasst
wurden und nicht umgekehrt.
307
Gesamtwirtschaftliche Ziele: Zielvorgaben und Zielerreichung für die BRD 2006 –2011
Ziel
Indikator
(Messgröße)
Ziel galt als erreicht,
wenn …
Hoher Beschäftigungsstand
Arbeitslosenquote
Arbeitslosenquote ≤ 3 %
Stabilität des
Preisniveaus
Verbraucherpreisindex
Außenwirtschaftliches
Gleichgewicht
Stetiges und
angemessenes
Wirtschaftswachstum
Zielvorgaben
der EZB bzw. der
Regierung für
2006–2011
Zielerreichung im
Jahr 2006–2011
10,9 % (2006)
9,6 % (2007)
8,2 % (2008)
8,4 % (2009)
8,9 % (2010)
7,0 % (2011)
10,8 % (2006)
9,0 % (2007)
7,8 % (2008)
8,2 % (2009)
7,7 % (2010)
7,1 % (2011)
am Verbraucherpreisindex gemessene
Preisniveausteigerung
(Inflationsrate) unter,
aber nahe bei 2 %
< 2 % (2006)
< 2 % (2007)
< 2 % (2008)
< 2 % (2009)
< 2 % (2010)
< 2 % (2011)
1,6 % (2006)
2,3 % (2007)
2,6 % (2008)
0,4 % (2009)
1,1 % (2010)
2,3 % (2011)
Anteil des Außenbeitrags am BIP in %
positiver Außenbeitrag
1,5 % bis 2 % des nominalen BIP
5,0 % (2006)
5,0 % (2007)
7,0 % (2008)
5,0 % (2009)
4,6 % (2010)
5,0 % (2011)
5,7 % (2006)
7,1 % (2007)
6,3 % (2008)
4,1 % (2009)
1,1 % (2010)
5,1 % (2011)
Zuwachsrate des
realen BIP
gleichmäßiges Wachstum in angemessener
Höhe (für deutliche
Beschäftigungseffekte
gelten 3 % als nötig)
1,4 % (2006)
1,7 % (2007)
1,7 % (2008)
– 6,0 % (2009)
1,4 % (2010)
2,3 % (2011)
3,0 % (2006)
2,5 % (2007)
1,3 % (2008)
– 5,1 % (2009)
3,7 % (2010)
3,0 % (2011)
Aktuelle Zahlen: www.destatis.de
Arbeitsvorschläge
1
Schreiben Sie einen erläuternden Text
zur vorstehenden Übersicht „Gesamtwirtschaftliche Ziele“ insbesondere im
Hinblick auf die Erreichung der Zievorgaben für 2011. Vergleichen Sie dabei
die Prognose mit der tatsächlichen
wirtschaftlichen Entwicklung im Jahre
2011.
2 Kommentieren Sie das nebenstehende
Titelblatt des Jahreswirtschaftsberichts
2012 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie.
3 Kommentieren Sie im Rückblick (2012
und Folgejahre) das prognostizierte Ende
der Krise (vgl. Abbildung S. 290) mit der
tatsächlich eingetretenen wirtschaftlichen
Entwicklung in Deutschland.
308
3334308
6.2.3
Können alle wirtschaftspolitischen Ziele erreicht werden?
Zielkonflikte
Conflicting Objectives
Übersicht:
Situation:
Ziel:
Maßnahme:
Effekt:
Konflikt:
hohe Arbeitslosigkeit
hoher Beschäftigungsstand
z. B. Erhöhung öffentlicher Ausgaben für
@ Investitionsprogramme
@ Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen
Erhöhung der umlaufenden Geldmenge mit der Folge
@ einer Nachfrageerhöhung
@ eines Investitionsschubes
@ der Schaffung neuer Arbeitsplätze
Erhöhung der Inflationsrate
Arbeitsvorschläge
1
Fassen Sie die Aussage der obigen
Übersicht in eigenen Worten und ganzen
Sätzen zusammen.
2 Erstellen Sie ähnliche Übersichten zu folgenden Ausgangssituationen:
a) Hohe Inflationsrate
b) Nullwachstum
c) Zahlungsbilanzüberschuss
3 Warum kommt es zu Konflikten zwischen
einzelnen Zielen der Wirtschaftspolitik?
4 Bestehen Zielkonflikte zwischen allen vier
Zielen der Wirtschaftspolitik?
Die vier gesetzlich verankerten Ziele der Wirtschaftspolitik können grafisch folgendermaßen dargestellt
werden:
hoher
Beschäftigungsstand
Preisniveaustabilität
außenwirtschaftliches
Gleichgewicht
stetiges angemessenes
Wirtschaftswachstum
Da es der Kraft eines Zauberers, eines Magiers,
bedürfte, alle Ziele gleichzeitig zu verwirklichen,
wird dieses Viereck, das die wirtschaftspolitischen
Zielvorstellungen darstellt, auch oft das magische
Viereck genannt. Die äußeren Pfeile deuten an,
3334309
dass die jeweiligen Ziele in einem sogenannten
Zielkonflikt stehen, d. h., sie lassen sich nicht
gleichzeitig erreichen, während die diagonal gegenüberliegenden Ziele gleichzeitig zu verwirklichen sind.
309
Zur Diskussion
Sind die vier gesetzlich verankerten Ziele der Wirtschaftspolitik heute überholt?
Das magische Viereck der Wirtschaftspolitik
Ziel:
Angemessenes
Wachstum
Angaben
für Deutschland
Wirtschaftswachstum
in Prozent
2009
2010
2011
3,7
3,0
-5,1
Ziel:
Außenwirtschaftliches
Gleichgewicht
Ziel:
Vollbeschäftigung
Saldo der
Leistungsbilanz
in Milliarden Euro
Arbeitslosenquote*
in Prozent
2009
2010
2011
2009
2010
2011
140,6 150,7 147,7
8,2
7,7
7,1
*in % aller zivilen
Erwerbspersonen
Ziel:
Preisstabilität
Preisanstieg
in Prozent
2009
2010
0,4
1,1
Quelle: Stat. Bundesamt, Deutsche Bundesbank, Bundesagentur für Arbeit
Als 1967 das sogenannte Stabilitätsgesetz vom
Bundestag verabschiedet wurde, herrschte in
Deutschland noch der Irrglaube, der Staat könne
über eine gezielte Steuerung ökonomischer Stellschrauben Wirtschaftswachstum und Wohlstand
gewährleisten. Dies bedeutete eine Abkehr vom
Kurs der sozialen Marktwirtschaft.
Statt der Schaffung eines freiheitlichen Rahmens,
innerhalb dessen Angebot und Nachfrage – gezügelt von einer Monopolkontrolle – zu optimalen
wirtschaftlichen Resultaten führen, feierte nun
der Interventionismus seine Wiederbelebung.
Der staatliche Machbarkeitswahn und der Instru-
310
2011
2,3
© Globus
4897
mentenkasten des magischen Vierecks gelten jedoch mittlerweile als überholt, denn die Ziele des
„Grundgesetzes der Wirtschaft“ wurden in den
letzten Jahrzehnten nie gleichzeitig erfüllt: Statt
Vollbeschäftigung herrschte über viele Jahre Massenarbeitslosigkeit. In den Siebzigerjahren gab es
Inflation statt Preisniveaustabilität und die ansteigenden Leistungsbilanzüberschüsse widersprechen einem außenwirtschaftlichen Gleichgewicht.
Auch von einer Verstetigung des Wirtschaftswachstums über die Konjunkturzyklen hinweg kann keine
Rede sein und von einer nachhaltigen Wirtschaft
ist ganz zu schweigen.
3334310
6.2.4
Welche alternativen Ziele sind zu berücksichtigen?
Alternative Ziele
Alternative Objectives
Zur Diskussion
Reicht es heute aus, wenn Wirtschaftspolitiker versuchen eine niedrige Inflationsrate, eine niedrige
Arbeitslosenrate, ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht und ein stetig angemessenes Wirtschaftswachstum zu erreichen?
Gruppenarbeit
1.
Formulieren Sie weitere wirtschaftspolitische Ziele, die Ihrer Meinung nach
gesetzlich verankert werden sollten.
2. Stellen Sie eine Rangreihenfolge der von
Ihnen ausformulierten Zielsetzungen auf.
3. Mit welchen Maßnahmen ließen sich die
von Ihnen genannten Ziele erreichen?
4. Wodurch wird Ihrer Meinung nach die
Erreichung der von Ihnen genannten
Ziele erschwert?
Rollenspiel
1.
2.
3.
4.
5.
3334311
Lesen Sie zunächst den unten abgedruckten Quellentext „2017: Weniger
ich – mehr wir“.
Bilden Sie fünf Arbeitsgruppen, die jeweils eine der im Bundestag vertretenen
Parteien repräsentiert (CDU/CSU, SPD,
FDP, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen).
Diskutieren Sie innerhalb Ihrer Arbeitsgruppe („Partei“), wie die verantwortlichen (Wirtschafts-)Politiker auf einen
Wandel der Einstellung reagieren könnten.
Entsenden Sie aus jeder Arbeitsgruppe
(Partei) zwei Mitglieder zu einer Podiumsdiskussion, die von einer Fernsehanstalt
übertragen werden könnte.
Führen Sie diese Podiumsdiskussion in
Ihrer Klasse durch, nachdem Sie einen
Diskussionsleiter bestimmt haben.
a) Ein Vertreter jeder Partei gibt zunächst ein kurzes Statement zum
Thema „Wertewandel in der Gesellschaft“.
b) Darauf folgt eine Diskussion mit den
Zuschauern, den übrigen Klassenmitgliedern.
c) Der Diskussionsleiter fasst zum
Schluss die wichtigsten Ergebnisse
der Diskussion zusammen.
6. Gehen Sie zurück in Ihre Arbeitsgruppen
(Parteien) und erarbeiten Sie ein konkretes „Partei“-Programm, wie dem Wertewandel in unserer Gesellschaft insbesondere unter ökonomischen Aspekten in
Zukunft entsprochen werden soll.
7. Wählen Sie einen Vertreter Ihrer Arbeitsgruppe (Partei), der im Plenum Ihr
„Partei“-Programm vorstellt.
311
Quelle
2017: Weniger ich – mehr wir
„Weniger ich – mehr wir“ – so könnte zukünftig eine der neuen Grundorientierungen
der Deutschen lauten. Dann jedenfalls, wenn
die Erkenntnisse der Studie „Delphi 2017 –
Was Menschen morgen bewegt“ zutreffen. Sie
prognostiziert eine langfristige Veränderung
der gesellschaftlichen Werte in Deutschland.
An der Studie haben mehr als 40 Experten aus
Deutschland und sechs weiteren Ländern mitgewirkt. In Deutschland wurde sie von der GIM
Gesellschaft für innovative Marktforschung in
Heidelberg durchgeführt. Die Ergebnisse der
Prognosen basieren auf einer zweistufigen qualitativen Befragung. Weil die Werteentwicklungen international verglichen wurden, entstand ein Bild des gesellschaftlichen Lebens in
Deutschland, Russland, USA, Großbritannien,
Frankreich, Italien und Spanien für den Zeitraum der nächsten zehn Jahre.
Fünf Grundprinzipien
In ihren Befragungen identifizierten die Forscher fünf zukunftsrelevante Grundorientierungen, die in den nächsten zehn Jahren für
Lebensbereiche wie Gesundheit, Bildung, Arbeit
und Familie prägend sein werden:
1. Managing Dutility: Funktionieren im System
2. Living Substance: Zurück zum Wesentlichen
3. Embedding Individuality: Weniger ich –
mehr wir
4. Creating Lifeholder Value: Gestalten und
Partizipieren
5. Engaging in a Sane Society: Nachhaltigkeit
und soziale Verantwortung
Die 90er-Jahre des letztes Jahrhunderts waren
von Individualisierung, Differenzierung und
Pluralisierung geprägt. Nun sind die Menschen
in Deutschland bereit, sich auf soziale Gemeinschaften einzulassen und ihre Ansprüche an
die individuelle Selbstverwirklichung zurückzufahren (Embedding Individuality). Zugleich
tritt die soziale Verantwortung wieder in den
Vordergrund. Diese ist jedoch frei von Sozialromantik. Vielmehr erscheint sie in Kombination
mit konkreten Hoffnungen auf persönliche Benefits (Engaging in a Sane Society).
„Besonders die bürgerliche Mitte wird sich um
das Thema ‚Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung‘ neu konstituieren“, lautet ein Resü-
312
mee der Studie […]. Das Thema „Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung“ bietet der von
Globalisierung und Reformen gebeutelten Mitte
die Chance, eine neue Identität zu entwickeln.
Funktionieren im System statt Individualität
Als weitere Grundorientierung haben die GIMForscher das Funktionieren im System (Managing „Dutility“) identifiziert. Dies bezeichnet
eine große gesellschaftliche Herausforderung,
die jeden Einzelnen und alle Schichten der Gesellschaft betrifft: Immer mehr Lebensbereiche
müssen in immer weniger Zeit erledigt, organisiert und synchronisiert werden, das Leben ist
vollgepackt mit Verpflichtungen, Ansprüchen
und Anforderungen.
Die frei zur Verfügung stehende Zeit schrumpft.
Das Leben wird zunehmend bestimmt von konsequenter Nutzenorientierung und Effizienzsteigerung. Die Folge: Der Raum für Individualität und Selbstverwirklichung schrumpft.
Rückbesinnung auf das Wesentliche
Der kleiner werdende Freiraum ist ein wichtiger
Auslöser für die weitere Grundorientierung „Zurück zum Wesentlichen“ (Living Substance). Die
Menschen werden sich wieder stärker nach innen richten, so die GIM-Forscher. Es wird ihnen
bewusst, dass sie mit ihren Kräften haushalten
müssen. Und sie stellen sich deshalb die Frage,
was in ihrem Leben wichtig und wesentlich ist.
Sie sehnen sich nach Sicherheit, Orientierung und
Verlässlichkeit. Hinzu kommt der Wunsch, das eigene Leben stärker in die eigene Hand zu nehmen.
Es findet eine Änderung der Einstellung statt:
vom Akzeptieren der auferlegten Eigenverantwortung (Rückzug des Staates) und der Verpflichtungszwänge zu einer selbstbestimmten
Eigenverantwortung. Als Mitglieder der Gesellschaft wollen die Menschen wieder stärker
gestalten und partizipieren, weniger in traditionellen Formen des Engagements (Vereine,
Kirche), sondern punktuell und situativ. Sie
sind dabei geleitet sowohl von persönlichen als
auch beruflichen Interessen (Creating „Lifeholder Value“). Partizipieren heißt heute schon,
mit anderen etwas zu bewegen und zugleich in
eigener Sache zu handeln.
Quelle: NPO, GIM Gesellschaft für innovative Marktforschung, 31. Dez. 2007
3334312
6.2.5
Sind die wirtschaftspolitischen Zielsetzungen sinnvoll?
Grenzen des Wachstums
Limits to Growth
Ein stetiges angemessenes Wirtschaftswachstum
ist nicht ein wirtschaftspolitisches Ziel an sich,
sondern gewissermaßen die Voraussetzung zur Erreichung der übrigen drei Ziele. Die meisten Zielkataloge der Wirtschaftspolitik gehen von einer
konstanten Wachstumsrate der Wirtschaft aus.
Auch viele empirische Untersuchungen bestätigen
die Konstanz der Wachstumsrate. Wenn aber die
Wachstumsrate konstant ist, muss die Wirtschaft
ein exponentielles Wachstum aufweisen. Ein solches Wachstum verläuft anfangs sehr langsam und
ist kaum merklich, beschleunigt sich und führt in
kurzer Zeit zu einem explosionsartigen Anwachsen
der betreffenden Größe. Ein Beispiel mag diese
Eigenschaft verdeutlichen:
Quelle
„Bei einem 5-prozentigen Wachstum verdoppelt sich eine Größe ca. alle 14 Jahre. Damit
eine Größe sich bei einem solchen Wachstum
vertausendfacht, braucht sie ca. 10 ,Verdoppelungszeiten‘, also 140 Jahre. Während der letzten Verdoppelungszeit, also in den letzten 14
Jahren, wächst sie um 500 Einheiten, genauso
viel wie in den 126 Jahren zuvor. Stellt in einer
solchen Wachstumssituation das 1 000-fache
An diesen Eigenschaften des exponentiellen
Wachstums knüpfte die Diskussion über die „Grenzen des Wachstums“ an, die von Dennis H. Meadows (1972) mit seinem Bericht für den Club of
Rome, einer losen Vereinigung von Wissenschaftlern und Unternehmern, initiiert wurde. Das Ziel
dieser Arbeit war es, mittels eines sog. Weltmodells auf empirischer Grundlage die Entwicklungsrichtung der Menschheit für den Zeitraum eines
Jahrhunderts vorauszuschätzen. Dazu wurden die
Trends folgender fünf Größen untersucht:
@ die Industrieproduktion,
@ das Bevölkerungswachstum,
@ die Nahrungsmittelproduktion,
@ die Ausbeutung der Rohstoffe,
@ die Belastung der Umwelt.
3334313
eine gefährliche Obergrenze für die Umwelt dar,
z. B. in Form einer nicht mehr zu tolerierenden
Strahlenbelastung, so war man 126 Jahre von
dieser Obergrenze weit entfernt. Man erreicht
sie nun aber schlagartig in einer einzigen weiteren Verdoppelungszeit, nämlich in 14 Jahren.“
Quelle: Gabisch, Günter, Konjunktur und Wachstum,
in: Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und
Wirtschaftspolitik, Bd. 1, 2007, S. 329.
Die zentralen Thesen, die Meadow aufstellte,
lauten:
1. Wird das exponentielle Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum der letzten hundert Jahre
unter heutigen gesellschaftlichen Bedingungen
auf der Erde fortgesetzt, so wird um das Jahr
2050 die Weltwirtschaft wegen fehlender
Ressourcen (Rohstoff- und Energiereserven)
zusammenbrechen.
2. Ein langfristig stabiles gesellschaftliches System auf der gesamten Erde kann nur ereicht
werden, wenn bereits um das Jahr 1975 einschneidende Maßnahmen ergriffen werden, zu
denen u. a. gehören: Stabilisierung der Weltbevölkerung, Reduzierung des relativen Rohstoffverbrauchs für die industrielle Produktion auf
ein Viertel des 1970-Wertes und Verminderung
der Umweltverschmutzung pro Produkteinheit
des Industrie- und Agrarbereichs auf ein Viertel
des 1970-Wertes.
313
Zur Diskussion
1.
Wie beurteilen Sie die politische Wirkung
langfristig angelegter Weltmodelle? Geben
Sie dem Politiker Entscheidungshilfen und
Handlungsanweisungen?
2. „Der Club of Rome war stets auch umstritten. Manche seiner Einschätzungen
erwiesen sich als unzulänglich. Unbestreit-
bar aber ist ein historisches Verdienst: Der
Glaube an die ungestrafte Machbarkeit von
Wohlstand auf Kosten der Natur wurde als
lebensgefährliche Illusion entlarvt.“
(Die Globale Revolution, Bericht des Club of Rome
1991, Spiegel, Spezial, Nr. 2, 1991, S. 3)
Arbeitsvorschläge
1
a) Ordnen Sie die Pro- und Kontra-Argumente der unten stehenden Tabelle
nach inhaltlichen Aspekten, sodass
Sie jedem Pro- ein Kontra-Argument
gegenübersteht.
b) Ergänzen Sie die fehlenden Argumente
auf beiden Seiten, sodass Sie für alle
Argumente eine Gegenposition haben.
Pro und kontra Wirtschaftswachstum
Pro Wachstum
Kontra Wachstum
Argumente der Wachstumsbefürworter
Argumente der Wachstumskritiker
1. Wirtschaftswachstum sichert einen hohen Beschäftigungsstand.
2. Wirtschaftswachstum erleichtert den Strukturwandel.
3. Wirtschaftswachstum dämpft die nationalen und
internationalen Verteilungskonflikte.
4. Wirtschaftswachstum ermöglicht mehr Umweltschutz
ohne Arbeitsplatzrisiko.
5. Wirtschaftswachstum schafft günstige Voraussetzungen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und für
Ressourcen sparende Investitionen.
6. Wirtschaftswachstum dient der Erhaltung des sozialen
Sicherungssystems.
7. Wirtschaftswachstum ist Ausdruck individueller Präferenzen.
1. Es gibt umwelt-, energie- und rohstoffbezogene Grenzen des Wirtschaftswachstums.
2. Verabsolutierung des Prinzips der ökonomischen
Rationalität.
3. Es gibt soziale und ökologische Grenzen der Konsumgesellschaft.
4. Fortgesetztes Wirtschaftswachstum bringt keine
Lösung des Verteilungsproblems.
5. Ökonomisierung der Gesamtgesellschaft.
6. Wirtschaftswachstum, Technologie, Arbeitseinteilung
und Arbeitszufriedenheit.
7. Zunehmende Abhängigkeit des Einzelnen von Marktund Staatsinstitutionen.
8. Abnehmende Beschäftigungseffekte des Wirtschaftswachstums.
9. Wertewandel von materialistischen zu postmaterialistischen Zielen.
Arbeitsvorschläge (Fortsetzung)
2 Prüfen Sie die einzelnen Argumente auf
ihren Aussagegehalt hin.
3 Suchen Sie nach wirtschaftspolitischen
Alternativen, um die Ziele, wie z. B. Vollbeschäftigung, Strukturwandel und Umverteilung, anders als durch Wirtschaftswachstum zu erreichen.
314
4 Vor 40 Jahren erschien das Buch „Grenzen des Wachstums“. Lesen Sie den
folgenden Quellentext und stellen
Sie dessen Erkenntnisse thesenartig
zusammen.
3334314
Quelle
Bericht an den Club of Rome: Klimawandel verstärkt sich dramatisch
Verheerende Fluten, mehr Dürren, extremes
Wetter – führende Wissenschaftler und Experten bestätigen in ihrem Report „2052“ an den
Club of Rome die schlimmsten Befürchtungen
der Klimaforscher. Vierzig Jahre nach dem Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ warnen
sie: Die Wirtschaft mit ihrem steten Wachstum
schadet dem Klima und den Naturschätzen.
Wie wird die Erde im Jahr 2052 aussehen? Düster, sollten die Prognosen des Forscherverbundes Club of Rome eintreffen. Mehr als 30 Wissenschaftler und Wirtschaftsexperten haben
sich mit der globalen Wirtschaftsentwicklung
und den Folgen des Klimawandels beschäftigt.
Der Ausblick, den sie in ihrem Report „2052“
zeichnen, ist überwiegend negativ: Der Klimawandel werde sich in der zweiten Hälfte des
Jahrhunderts dramatisch verstärken und dadurch viel Leid verursachen. Mehr Dürren,
verheerendere Fluten und extremes Wetter sagen die Forscher für die nächsten vierzig Jahre
voraus. „Die negativen Auswirkungen werden
deutlich sein“, warnte der Autor des Reports,
der norwegische Wirtschaftsexperte und Zukunftsforscher Jorgen Randers. „Die Menschheit hat die Ressourcen der Erde ausgereizt und
wir werden in einigen Fällen schon vor 2052
einen örtlichen Kollaps erleben“, sagte Randers bei der Präsentation der Ergebnisse in Rotterdam. „Wir stoßen jedes Jahr zweimal so viel
Treibhausgas aus wie Wälder und Meere absorbieren können.“
Der Report erscheint 40 Jahre nach dem ersten
großen Bericht im Auftrag des Club of Rome
und enthält Beiträge führender Wissenschaftler,
Ökonomen und Zukunftsforscher. Bereits 1972
hatte der Forscherverbund vor den „Grenzen
des Wachstums“ und vor Umweltverschmutzung gewarnt. „Der Meeresspiegel werde um
3334315
0,5 Meter höher sein, das Arktiseis im Sommer
verschwinden und das neue Wetter werde die
Landwirte treffen“, hieß es in der Prognose. Dem
aktuellen Bericht zufolge werden die Treibhausgasemissionen erst 2030 ihren Höhepunkt erreicht haben. Das sei zu spät, um den globalen
Temperaturanstieg auf zwei Grad zu begrenzen, was als eben noch akzeptable Marke angesehen wird. Bis 2080 werde die Temperatur
um 2,8 Grad steigen – was einen sich selbst
verstärkenden Klimawandel auslösen könne.
Randers zufolge schadet die Wirtschaft mit ihrem steten Wachstum dem Klima und den Naturschätzen. Zudem macht sie nach den Berechnungen der Forscher oft schon jetzt keinen
Gewinn mehr – verglichen mit dem Preis der
Umweltzerstörung.
Der Generalsekretär des Club of Rome, Ian
Johnson, sagte: „Business as usual ist keine Option, wenn wir wollen, dass unsere Enkelkinder auf einem zukunftsfähigen und gerechten
Planeten leben.“ Schnelles Handeln sei nötig.
Der Wirtschaftsexperte Randers kommt zudem
zu dem Ergebnis, dass das weltweite Bruttoinlandsprodukt (BIP) langsamer steigen wird
als erwartet. Um das Jahr 2050 wird das weltweite BIP ihm zufolge nur 2,2 Mal größer sein
als heute. Seine Erklärung: Sowohl der Bevölkerungs- als auch der Produktivitätszuwachs
werden abnehmen. Viele Volkswirtschaften
hätten ihr Entwicklungspotenzial ausgeschöpft
und es gebe weniger Geburten, da immer mehr
Menschen in Städten lebten und die Zahl ihrer
Kinder selbst bestimmen könnten. Nach seinen
Berechnungen wird die Weltbevölkerung kurz
nach 2040 bei 8,1 Milliarden ihren Höchststand
erreichen und dann zurückgehen.
Quelle: dpa/bero/mcs: www.sueddeutsche.de/
wissen/bericht-an-den-club-of-rome-klimawandelwird-sich-dramatisch-verstaerken-1.1351397;
Abruf: 08.05.2012
315
6.3
Was habe ich gelernt?
Aufgaben zum 6. Themenkreis zur Kontrolle
des Lernerfolgs
aufgaben
1 Charakterisieren Sie „Konjunkturschwankungen“ als ein historisches Phänomen.
2 Grenzen Sie die Begriffe „Konjunktur“,
„Trend“ und „saisonale Schwankungen“
gegeneinander ab.
3 Erläutern Sie einen Konjunkturzyklus
anhand einer von Ihnen angefertigten
Skizze.
4 Erläutern Sie die Situation auf dem
Markt für Autos der gehobenen Mittelklasse während der einzelnen Phasen
eines Konjunkturzyklus.
5 Nennen Sie mindestens fünf Konjunkturindikatoren und beschreiben Sie ihre
Aussagefähigkeit.
6 Schreiben Sie einen erläuternden Text zu
nebenstehender Statistik. Gehen Sie in
Ihrer Erläuterung auch darauf ein, in welcher Phase eines möglichen Konjunkturzyklus sich die Weltwirtschaft im Jahre
2011–2013 laut Prognose befindet.
7 Nennen Sie drei Konjunkturtheorien und
erläutern Sie ihre Hauptaussagen.
8 Beschreiben Sie die derzeitige konjunkturelle Lage in der Bundesrepublik
Deutschland, in Ihrem Bundesland, in Ihrem Kreis und in Ihrer Gemeinde/Stadt.
9 Welche aktuellen wirtschaftspolitischen
Ereignisse nahmen in den letzten Monaten Einfluss auf die konjunkturelle Lage?
10 Erläutern Sie die Aussage des „magischen Vierecks“.
11 Erweitern Sie das „magische Viereck“ zu
einem Sechs-, Acht-, Vieleck durch eine
Zeichnung und einen erklärenden Text.
316
3334316
Aufgaben (Fortsetzung)
12 Schreiben Sie einen kommentierenden Text zum Wirtschaftswachstum in Deutschland von
1900 bis 2010.
13 Recherchieren Sie die
tatsächliche wirtschaftliche Entwicklung im
ersten Halbjahr 2012
im Internet und stellen
Sie Ihre Ergebnisse den
Prognosen auf S. 316
gegenüber.
Mein Portfolio
1
Beschäftigen Sie sich mit den Möglichkeiten der Szenario-Technik.
Hilfe: Die Szenario-Methode dient dem
Entwurf von Zukunftsbildern. Mit ihrer
Hilfe sollen mögliche Entwicklungen
in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft
vorausgedacht werden, um bereits heute
mögliche Lösungsansätze zu entwickeln.
Ausgangslage für ein Szenario ist immer
die Gegenwart. Diese wird im Szenario
fortgeschrieben. Im Anschluss an die Entwicklung von Extrem-Szenarien kann ein
Trend-Szenario als realistischer Mittelweg
diskutiert werden.
Positives
Extrem-Szenario
Trend-Szenario
Negatives
Extrem-Szenario
heute
kurzfristig
(ca. 5–10 Jahre
mittelfristig
(ca. 11–20 Jahre
2 Erarbeiten Sie die Inhalte des Quellentextes Anlage 6 auf S. 403 ff. nach der
Fünf-Schritt-Methode (s. S. 82).
3 Recherchieren Sie im Internet nach einem
Szenario zur zukünftigen Entwicklung
Europas (z. B. Stichwort: „Was aus Europa
3334317
langfristig
(über 20 Jahre
Jahre
wird“). Stellen Sie die Kernaussagen des
von Ihnen ausgewählten Szenarios in einer
Tabelle der heutigen Realität gegenüber.
4 Entwickeln Sie ein alternatives Szenario
zum Thema „Europa im Jahr 2050“. Vergessen Sie dabei nicht die Extrem-Szenarien.
317
Herunterladen