Syntaktische Typologie - Universität Bielefeld

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Morphologie und Syntax (BA)
Morphologie und Syntax (BA)
Syntaktische Typologie
PD Dr. Ralf Vogel
Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft
Universität Bielefeld, SoSe 2007
[email protected]
24. Mai 2007
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Morphologie und Syntax (BA)
Gliederung
1 Übungsaufgabe 6
2 Syntaktische Typologie
Die Grundabfolge von Verb, Objekt und Subjekt
Die Satzstruktur der germanischen Sprachen
Syntaktische Variation bei deutschen Dialekten
3 Übungsaufgabe 7
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Morphologie und Syntax (BA)
Übungsaufgabe 6
Übungsaufgabe 6
1
Wir haben Sätze, die mit dem Subjekt beginnen, bislang als IP
analysiert, und Nebensätze als CP, die eine IP einbettet. Welches
Problem tritt dabei auf, wenn Sie Hauptsatz und Nebensatz in folgenden
Beispielen vergleichen und wie könnte man es lösen?
(1)
a.
b.
Der Lehrer hat die Frage nicht verstanden.
Ich glaube, dass der Lehrer die Frage nicht verstanden hat.
• Beide Sätze enthalten eine IP, aber I0 steht an verschiedenen Stellen:
(2)
a.
b.
[ IP Der Lehrer [ I0 hat] die Frage nicht verstanden ]
[ CP dass [ IP der Lehrer die Frage nicht verstanden [ I0 hat ]]]
• Wenn I0 in beiden Sätzen der Kopf von IP ist, dann ist die lineare
Abfolge von I0 und VP im Hauptsatz anders als im Nebensatz.
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Morphologie und Syntax (BA)
Übungsaufgabe 6
Übungsaufgabe 6
(3)
Nebensatz:
Hauptsatz:
CP
C0
dass
IP
IP
NPsubj
NP
I0
der Lehrer VP
die Frage
nicht verstanden
der Lehrer
I0
I0
I0
VP
hat
die Frage
nicht verstanden
hat
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Morphologie und Syntax (BA)
Übungsaufgabe 6
Übungsaufgabe 6
• Ob ein Kopf einer bestimmten Kategorie rechts oder links von seinem
Komplement steht, ist in einer Sprache einheitlich bestimmt.
(4)
a.
b.
V0 steht im Deutschen rechts von seinem Komplement:
(i)
[ VP [ NP Bücher] [ V0 lesen]]
(ii) *[ VP [ V0 lesen] [ NP Bücher] ]
P0 steht im Deutschen links von seinem Komplement:
(i)
[ PP [ P0 in] [ NP Göttingen] ]
(ii) *[ PP [ NP Göttingen] [ P0 in] ]
• Für I0 -Köpfe lässt sich so eine Festlegung scheinbar nicht treffen:
• Im Hauptsatz steht I0 links von VP.
• Im Nebensatz steht I0 rechts von VP.
• Ein Ausweg besteht darin, dass im Hauptsatz das finite Verb immer in
C0 steht.
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Morphologie und Syntax (BA)
Übungsaufgabe 6
Übungsaufgabe 6
(5)
CP
NPi
C0
C0k
IP
ti
I0
I0k
VP
der
Lehrer
hat
NP
V0
die
Frage
verstanden
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Morphologie und Syntax (BA)
Übungsaufgabe 6
Übungsaufgabe 6
2
Das ursprüngliche Modell der generativen Syntax sah vor, dass die
Tiefenstruktur die Bedeutung kodiert. Ein Grund, warum dies
aufgegeben wurde, lag in Satzpaaren wie dem folgenden:
(6)
a.
b.
Alle Studentinnen sprechen zwei Sprachen.
Zwei Sprachen werden von allen Studentinnen gesprochen.
Was vermuten Sie, worin das Problem liegt, und warum kann es nicht
alleine über die Tiefenstruktur gelöst werden?
• (6-a) wird präferiert so verstanden, dass jede der Studentinnen
irgendwelche zwei Sprachen spricht.
• (6-b) wird präferiert so verstanden, dass es zwei bestimmte Sprachen
gibt, bspw. Englisch und Spanisch, die von allen Studentinnen
gesprochen werden.
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Morphologie und Syntax (BA)
Übungsaufgabe 6
Übungsaufgabe 6
(7)
a.
b.
Alle Studentinnen sprechen zwei Sprachen.
Zwei Sprachen werden von allen Studentinnen gesprochen.
• Der Bedeutungsunterschied geht mit unterschiedlicher linearer Abfolge
der beiden quantifizierenden Ausdrücke „alle“ und „zwei“ einher.
• Da (7-b) aber einfach nur die Passiv-Variante von (7-a) ist, ist (7-b) als
per Passiv-Transformation aus (7-a) abgeleitet anzusehen.
• Demzufolge müssten beide Sätze dieselbe Tiefenstruktur besitzen, die
(7-a) entspricht.
• Also müssten beide Sätze auch die Bedeutung von (7-a) haben, was
nicht zutrifft.
• Da wie gesehen die lineare Abfolge von Konstituenten
bedeutungsrelevant sein kann, und diese durch Transformationen
geändert werden kann, leistet die Oberflächenstruktur einen Beitrag zur
Bedeutung des Satzes.
• Also muss das Standard-Modell der generativen Grammatik, in dem nur
die Tiefenstruktur die Bedeutung kodiert, aufgegeben werden.
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Morphologie und Syntax (BA)
Syntaktische Typologie
Syntaktische Typologie
• Wir werden heute uns anschauen, wie das CP-IP-VP-Schema der
GB-Theorie Variation darstellen kann . . .
• in der allgemeinen Typologie natürlicher Sprachen und
Sprachfamilien,
• in der Variation innerhalb der germanischen Sprachfamilie, und
• in der Variation innerhalb des deutschen, in Form deutscher
Dialekte.
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Morphologie und Syntax (BA)
Syntaktische Typologie
Die Grundabfolge von Verb, Objekt und Subjekt
OV- und VO-Sprachen
• Ein grundlegender Unterschied zwischen Deutsch und Englisch besteht
in der relativen Abfolge von Verb und Objekt.
(8)
a.
b.
[Bücher lesen] macht Spass (OV)
[Reading books] is fun (VO)
• Die Einteilung in VO- und OV-Sprachen ist eine der grundlegendsten
Unterscheidungen in der syntaktischen Typologie:
VP −→ NP V
OV-Sprachen (Deutsch, Japanisch, Hindi, Finnisch . . . )
VP −→ V NP
VO-Sprachen (Englisch, Mandarin, Spanisch . . . )
• Mit der unterschiedlichen Linearisierung von Kopf und Komplement in
der VP korrelieren in den meisten Sprachen weitere syntaktische
Eigenschaften:
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Morphologie und Syntax (BA)
Syntaktische Typologie
Die Grundabfolge von Verb, Objekt und Subjekt
OV- und VO-Sprachen
VO-Sprachen:
Kopf Komplement
VP → V
NP
IP → Aux
VP
PP → P
NP
NP → D
NP
OV-Sprachen:
Komplement Kopf
NP
V
VP
Aux
NP
P
NP
D
Tabelle 1: Kopf-Komplement-Linearisierung in OV- und VO-Sprachen
• Man spricht deshalb auch allgemein von linksköpfigen (VO) und
rechtsköpfigen (OV) Sprachen.
• Das Deutsche ist allerdings hier schon wieder eine Ausnahme, weil die
VP rechtsköpfig ist, aber die PP linksköpfig.
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Morphologie und Syntax (BA)
Syntaktische Typologie
Die Grundabfolge von Verb, Objekt und Subjekt
Wortstellungstypologie
• Bezieht man die Stellung des Subjekts mit ein, dann finden wir im
Wesentlichen vier Wortstellungstypen:
SOV Deutsch, Japanisch, Hindi . . .
SVO Englisch, Französisch, Mandarin Chinesisch . . .
VSO Irisch und andere gälische Sprachen, klassisches
Arabisch, Bretonisch, . . .
VOS vor allem einige austronesische Sprachen wie Malagasy,
Fidschi, Tagalog . . .
• Die beiden anderen logisch möglichen Grund-Abfolgen OSV und OVS
sind bislang lediglich in einigen wenigen indigenen Sprachen im
Amazonasgebiet Brasiliens gefunden worden.
• Wir betrachten im Folgenden zunächst das Japanische als eine typische
SOV-Sprache, die VOS-Sprache Malagasy, und die VSO-Sprache Irisch.
• Bei der Darstellung wird jeweils das CP-IP-VP-Schema der GB-Theorie
verwendet.
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Morphologie und Syntax (BA)
Syntaktische Typologie
Die Grundabfolge von Verb, Objekt und Subjekt
Eine SOV-Sprache: Japanisch
• Japanisch hat die Grundabfolge Subjekt–Objekt–Verb:
(9)
Taro-ga mado kara ookii inu-o
miru -bekida
Taro-NOM Fenster von gross Hund-AKK sehen sollte
“Taro sollte vom Fenster aus einen grossen Hund sehen.”
IP
NP
I0
N0 D0
I0
VP
PP
Taro ga
NP
mado
NP
P0
V0 -bekida
N0 D0 miru
kara inu -o
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Morphologie und Syntax (BA)
Syntaktische Typologie
Die Grundabfolge von Verb, Objekt und Subjekt
Eine VOS-Sprache: Malagasy
• Japanisch ist eine rechtsköpfige Sprache: nicht nur V0 steht rechts in
der VP, auch P0 steht rechts in der PP, D steht rechts in der NP und ein
Hilfsverb steht rechts von der VP.
• Japanisch ist also ein prototypischer Fall einer OV-Sprache, in der die
vorhin erwähnten Korrelationen zutreffen.
• Ein zum Japanischen spiegelbildlicher Fall ist das Malagasy, das auf
Madagaskar gesprochen wird. Es gehört zur Familie der
austronesischen Sprachen und hat VOS-Abfolge.
(10)
afaka maita alika be
avi eu am varavarana kely Rashu
kann sehen Hund gross durch
Tür
klein Rashu
„Rashu kann den grossen Hund durch das Fenster sehen“
(„kleine Tür“ = Fenster)
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Morphologie und Syntax (BA)
Syntaktische Typologie
Die Grundabfolge von Verb, Objekt und Subjekt
Eine VOS-Sprache: Malagasy
(11)
afaka maita alika be
avi eu am varavarana kely Rashu
kann sehen Hund gross durch
Tür
klein Rashu
(12)
IP
I0
I0
afaka V0
NP
VP
Rashu
NP
PP
maita NP AdjP P0
alika be avi
eu am
NP
NP AdjP
varavarana kely
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Morphologie und Syntax (BA)
Syntaktische Typologie
Die Grundabfolge von Verb, Objekt und Subjekt
Eine VSO-Sprache: Irisch
• VOS-Sprachen wie das Malagasy sind besonders unter den Sprachen
der Welt, weil sie der einzige weiter verbreitete Sprachtyp sind, bei dem
nicht in der Grundabfolge das Subjekt vor dem Objekt steht.
• In einer frühen bahnbrechenden Arbeit zur Typoloie hat Joseph
Greenberg (1963) sogar die (unrichtige) Generalisierung aufgestellt, in
allen Sprachen der Welt wäre „Subjekt-vor-Objekt“ die Grundabfolge.
• Sprachen unterschieden sich dann nur darin, wo das Verb in dieser
Grundabfolge steht, relativ zu Subjekt und Objekt, es gäbe also
SOV- SVO- und VSO-Sprachen.
• SOV-Sprachen wie Deutsch und Japanisch haben wir bereits
besprochen,
• Mit dem Englischen haben wir bereits eine SVO-Sprache kennengelernt.
• Eine bekannte VSO-Sprache ist das Irische, eine der drei gälischen
Sprachen (neben Schottisch-Gälisch und Manx) die zur Familie der
keltischen Sprachen gehören.
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Morphologie und Syntax (BA)
Syntaktische Typologie
Die Grundabfolge von Verb, Objekt und Subjekt
Eine VSO-Sprache: Irisch
(13)
Deir sí gu-r bhrís sé an doras leis an ord
aréir
Sagt sie dass brach er die Tür mit dem Hammer letzte-Nacht
„Sie sagt, dass er letzte Nacht die Tür mit dem Hammer zerbrach“
• Die Anwendung unseres CP-IP-VP-Schemas auf das Irische ist nicht so
leicht.
• Nehmen wir an, dass das finite Verb in C0 steht.
• Wir müssen dann für den Nebensatz CP-Dopplung annehmen, da hier
auch ein Komplementierer, „gu-r“, vorhanden ist.
• Das Subjekt soll im Spezifikator von IP stehen, wie üblich.
• Das Objekt soll in VP stehen, und die Adverbial-Phrasen sind rechts an
VP adjungiert:
(14)
[ CP dass [ CP brachi [ IP er ti [ VP [ VP [ VP [ NP die Tür ti ]] [ PP mit dem
Hammer ]] [ AdvP letzte Nacht ]] ] ]]
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Morphologie und Syntax (BA)
Syntaktische Typologie
Die Grundabfolge von Verb, Objekt und Subjekt
Eine VSO-Sprache: Irisch
(15)
CP
C0
dass
CP
C0i
brach
IP
NP
er
I0
ti
VP
VP
VP
ti
AdvP
PP
letzte Nacht
NP
P0
NP
die Tür
mit
dem Hammer
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Morphologie und Syntax (BA)
Syntaktische Typologie
Die Grundabfolge von Verb, Objekt und Subjekt
Kriterien syntaktischer Typologie
• Deutsch und Japanisch sind beide SOV-Sprachen.
• Es gibt aber trotzdem eine ganze Reihe syntaktischer Unterschiede
zwischen beiden Sprachen.
• Das betrifft auch die Satzstruktur.
• Im Japanischen Hauptsatz steht das finite Verb ganz rechts, im
Deutschen an zweiter Stelle.
(16)
a.
b.
Taro-ga mado kara ookii inu-o
miru -bekida
Taro-NOM Fenster von gross Hund-AKK sehen sollte.
Taro sollte vom Fenster aus einen grossen Hund sehen.
• Im Deutschen steht das finite Verb im Hauptsatz in C0 , im Japanischen
in I0 .
• C0 ist linksköpfig im Deutschen.
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Morphologie und Syntax (BA)
Syntaktische Typologie
Die Grundabfolge von Verb, Objekt und Subjekt
Kriterien syntaktischer Typologie
• Das CP-IP-VP-Schema lässt sich für die Beschreibung der meisten
natürlichen Sprachen verwenden.
• Unterschiede in der Satz-Struktur der Sprachen können wir innerhalb
des Schemas durch Variation an zwei Punkten darstellen:
1
2
Die Position des finiten Verbs (V0 (Englisch) vs. I0 (Malagasy) vs.
C0 (Irisch)).
Die lineare Abfolge zweier Schwesterknoten:
• VO- (Englisch, Malagasy, Irisch) vs. OV-Abfolge.
• I0 -VP (Englisch) vs. VP-I0 (Deutsch).
• Subjekt links von I0 (Deutsch, Englisch) oder rechts von I0 (Malagasy).
• Zusätzliche Möglichkeiten bestehen bspw. darin, das Subjekt nicht nur
im Spezifikator von IP einzusetzen, sondern auch im Spezifikator von
VP oder CP zuzulassen.
• Für Hilfsverben besteht die Möglichkeit, sie nicht nur unter INFL
einzusetzen, sondern ihnen auch eine eigene Verb-Phrase
zuzugestehen.
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Morphologie und Syntax (BA)
Syntaktische Typologie
Die Satzstruktur der germanischen Sprachen
Die germanischen SVO-Sprachen: Englisch
• Innerhalb der germanischen Sprachen gibt es mehrere VO-Sprachen,
die sich in ihrer Satz-Struktur auf interessante Weise unterscheiden.
• Im Englischen besetzt ein finites lexikalisches Verb die V0 -Position, ein
finites Hilfsverb die I0 -Position.
(17)
a.
b.
(that) [ IP John
[ VP often [ VP kissed Mary ]]]
(that) [ IP John has [ VP often [ VP kissed Mary ]]]
• Die Verbstellung ist in Hauptsatz und Nebensatz dieselbe.
• Bei Objekt-Voranstellung bleibt das finite Verb in I0 :
(18)
a.
b.
I would never eat Beefsteak.
Beefsteak, I would never eat.
[ IP Beefsteaki [ IP I would [ VP never [ eat ti ]]]]
• Nur in einigen speziellen Fällen, wie bspw. einer Frage, erscheint das
Verb vor dem Subjekt:
(19)
[ CP Didi [ IP you ti [ VP [ VP sleep ] well ]]] ?
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Morphologie und Syntax (BA)
Syntaktische Typologie
Die Satzstruktur der germanischen Sprachen
Die germanischen SVO-Sprachen: Englisch
• Die germanischen Sprachen gelten mit Ausnahme des Englischen als
Verb-Zweit-Sprachen.
• Bei Voranstellung bspw. eines Objekts oder eines Adverbs, steht das
finite Verb vor dem Subjekt, also in der C0 -Position:
(20)
a.
b.
Beefsteak, John would never eat.
Beefsteak würde John nie essen.
(21)
Englisch:
[ IP Objekt [ IP Subjekt [I0 VerbFIN ] . . . ]]
Andere germanische Sprachen:
[ CP Objekt [C0 VerbFIN ] [ IP Subjekt tVerb . . . ] ]
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Morphologie und Syntax (BA)
Syntaktische Typologie
Die Satzstruktur der germanischen Sprachen
Die germanischen SVO-Sprachen: Isländisch
• Im Isländischen steht das finite Verb stets vor einem Adverb wie „oft“,
von dem wir annehmen, dass es an VP adjungiert ist.
(22)
Jón borðar oft tómata.
Jón ass
oft Tomaten
[ IP Jón borðari [ VP oft [ VP ti tómata ]]]
(23)
Jón hafi oft borðað tómata.
Jón hat oft gegessen Tomaten
[ IP Jón hafi [ VP oft [ VP borðað tómata ]]]
• Bei Objekt-Voranstellung steht das finite Verb vor dem Subjekt
(Verb-Zweit):
(24)
Þessa bók hefur Pétur lesið
Dieses Buch hat Peter gelesen
[ CP Þessa bókk hefuri [ IP Pétur ti [ VP lesið tk ]]]
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Morphologie und Syntax (BA)
Syntaktische Typologie
Die Satzstruktur der germanischen Sprachen
Die germanischen SVO-Sprachen: Isländisch
• Im Nebensatz haben wir dieselbe Abfolge von Adverb und finitem Verb
wie im Hauptsatz:
(25)
a.
að Jón borðar oft tómata.
dass Jón isst
oft Tomaten
b.
að Jón hafi oft borðað tómata.
dass Jón hat oft gegessen Tomaten
• Englisch und Isländisch unterscheiden sich darin, dass Isländisch das
finite Verb immer in I0 hat, auch wenn es ein lexikalisches Verb ist und
kein Hilfsverb:
(26)
(that) [ IP John
[ VP often [ VP eats tomatoes ]]]
(að) [ IP Jón borðari [ VP oft [ VP ti
tómata ]]]
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Morphologie und Syntax (BA)
Syntaktische Typologie
Die Satzstruktur der germanischen Sprachen
Die germanischen SVO-Sprachen: Dänisch
• Dänisch hat wie Isländisch im Hauptsatz das Verb an zweiter Stelle:
(27)
Johan spiser ofte tomater
Johan isst oft Tomaten
[ IP Johan spiseri [ VP ofte [ VP ti tomater ]]]
(28)
Peter har ofte læst
denne bog
Peter hat oft gelesen dieses Buch
[ IP Johan har [ VP ofte [ VP læst denne bog ]]]
• Bei Objekt-Voranstellung steht das finite Verb in C0 (wie im deutschen
und Isländischen):
(29)
[ CP Denne bogk hari [ IP Peter ti [ VP ofte [ VP læst tk ]]]]
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Morphologie und Syntax (BA)
Syntaktische Typologie
Die Satzstruktur der germanischen Sprachen
Die germanischen SVO-Sprachen: Dänisch
• Im Nebensatz steht im Dänischen das finite Verb rechts vom Adverb:
(30)
a.
at
Peter ofte har drucket kaffe
dass Peter oft hat getrunken Kaffee
b.
at
Peter ofte drikker koffe
dass Peter oft trinkt Kaffee
• Wenn auch hier das Adverb „ofte“ an VP adjungiert ist, dann können die
finiten Verben in (30-a,b) nich in I0 stehen, da sie sonst links des
adverbs stehen müssten.
• Wir schlussfolgern, dass die finiten Verben in daänischen Nebensätzen
in VP verbleiben.
• Das Hilfsverb in (30-a) muss demzufolge eine eigene Verb-Phrase
unterhalb von IP haben! (hier als „AuxP“ bezeichnet)
(31)
a.
b.
at [ IP Peter [ AuxP ofte [ AuxP har [ VP drucket kaffe ]]]]
at [ IP Peter [ VP ofte [ VP drikker kaffe ]]]
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Morphologie und Syntax (BA)
Syntaktische Typologie
Die Satzstruktur der germanischen Sprachen
Die germanischen SVO-Sprachen: Zusammenfassung
Hauptsatz
Hilfsverb Voll-Verb
Deutsch
Englisch
Isländisch
Dänisch
C0
I0
I0
I0
C0
V0
I0
I0
Nebensatz
Hilfsverb Voll-Verb
I0
I0
I0
Aux0
I0
V0
I0
V0
Tabelle 2: Position des finiten Verbs in Subjekt-initialen Sätzen in
ausgewählten germanischen Sprachen
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Morphologie und Syntax (BA)
Syntaktische Typologie
Syntaktische Variation bei deutschen Dialekten
Syntaktische Variation bei deutschen Dialekten
• Auch syntaktische Variation innerhalb einer Sprache, also dialektale
Variation, lässt sich mit unserem Schema beschreiben.
• Unser Beispiel sind Verb-Komplexe im Standard-deutschen und
Schweizer-Deutschen:
(32)
Hochdeutsch:
. . . dass er eine Arie singen gewollt hat
Vollverb–Modalverb–Hilfsverb
. . . dass er eine Arie hat singen wollen
Hilfsverb–Vollverb–Modalverb
(33)
Züri Tüütsch (Züricher Deutsch):
das er en arie het wele singe
Hilfsverb–Modalverb–Vollverb
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Morphologie und Syntax (BA)
Syntaktische Typologie
Syntaktische Variation bei deutschen Dialekten
Syntaktische Variation bei deutschen Dialekten
• Im Standard-Deutschen und Schweizer-Deutschen haben wir
spiegelbildliche Abfolgen:
Standard-Deutsch:
Vollverb–Modalverb–Hilfsverb
Schweizer-Deutsch:
Hilfsverb–Modalverb–Vollverb
• Dies kann man darstellen als Unterschied in der Linearisierung der
verbalen Köpfe.
• Nimmt man an, dass wie im Dänischen Hilfsverb und Modalverb eigene
Projektionen haben, dann können wir folgende Strukturen annehmen:
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Morphologie und Syntax (BA)
Syntaktische Typologie
Syntaktische Variation bei deutschen Dialekten
Syntaktische Variation bei deutschen Dialekten
(34)
Schweizer Deutsch:
Standard-Deutsch:
AuxP
AuxP
Aux0
ModP
Mod0
Aux0
ModP
VP
VP
V0
V0
Mod0
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Morphologie und Syntax (BA)
Syntaktische Typologie
Syntaktische Variation bei deutschen Dialekten
Syntaktische Variation bei deutschen Dialekten
• Eine Vorhersage dieser Analyse ist, dass im Schweizer-Deutschen ein
Objekt innerhalb des Verb-Komplexes, als Komplement des Vollverbs in
der VP, auftreten kann.
• Dies ist der Fall:
(35)
das er [ AuxP het [ ModP wele [ VP en arie singe ]]]
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Morphologie und Syntax (BA)
Syntaktische Typologie
Syntaktische Variation bei deutschen Dialekten
Zwischen-Fazit
• Das CP-IP-VP-Schema bewährt sich in der Beschreibung syntaktischer
Variation . . .
• zwischen Sprachfamilien,
• innerhalb von Sprachfamilien, sowie
• innerhalb einzelner Sprachen
• Man sieht auch, dass bspw. unsere syntaktische Analyse des
Deutschen sich mit der Einbeziehung neuer Aspekte stetig verändert.
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Morphologie und Syntax (BA)
Übungsaufgabe 7
Übungsaufgabe 7
• Für das Deutsche wird oft ein alternatives Modell der syntaktischen
Beschreibung verwendet, das Modell der topologischen Felder.
• Hier wird der Satz aufgeteilt in
das Vorfeld Hier steht im hauptsatz genau eine Konstituente.
die linke Satzklammer Hier steht im Hauptsatz das finite Verb
(Verb-Zweit) und im Nebensatz die Konjunktion.
das Mittelfeld Hier stehen die nominalen Satzglieder, Adverbien und
manche satzwertige Konstituenten.
die rechte Satzklammer Hier stehen Partizipien, infinite Verben und
Verb-Komplexe.
das Nachfeld Hier stehen Nebensätze und andere Konstituenten, die
nach den infiniten verben stehen können.
(36)
Der Peter hat
gestern ein Buch gelesen.
Vorfeld l. Satzkl. Mittelf.
r. Satzkl.
• Vergleichen Sie das topologische Modell mit dem CP-IP-VP-Schema
und prüfen Sie insbesondere, wie gut es mit der Variationen in den
germanischen Sprachen und innerhalb des Deutschen umgehen kann!
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