Wissenschaft intern 345 Institut für Mikrobiologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena Gabriele Diekert, Erika Kothe, Kerstin Voigt, Johannes Wöstemeyer, Jena E Bei der Neugestaltung der Universität Lehrangebote nach der „Wende“ wurde die Mikrobiologie in Jena zu einem Schwerpunkt entwickelt. 1993 wurde die Allgemeine Mikrobiologie mit neuer Ausrichtung als Lehrstuhl für Allgemeine Mikrobiologie und Mikrobengenetik mit Johannes Wöstemeyer neu besetzt. Der unter Prof. Reinhard Tröger taxonomisch und biotechnisch arbeitende Lehrstuhl fokussiert sich seitdem auf Entwicklungsgenetik, Phylogenetik und Wechselwirkungen zwischen Pilzen und Pflanzen. Angegliedert ist die ehemalige Pilzkulturensammlung Weimar, die seit dem Umzug nach Jena zwischen 1998 und 2000 als Pilz-Referenz-Zentrum Jena (Fungal Reference Centre, FRC-Jena) neu gegründet wurde. In der Forschung entwickelte sich Abteilung zu einer Molekularen Phylogenetik der Pilze. Inhaltlich verstehen wir das FRC als Äquivalent einer ‘Speziellen Professur’ in der Mikrobiologie. Die Molekularbiologie wurde 1997 durch die Berufung von Erika Kothe auf eine neue Professur für Mikrobielle Phytopathologie nochmals gestärkt. Die Ausrichtung auch auf symbiontische Systeme ergänzt die am Lehrstuhl für Allgemeine Mikrobiologie und Mikrobengenetik betriebenen Arbeiten zu Wirt-Parasit-Beziehungen. Das auf Heinrich Anton de Bary zurückgehende Konzept der Symbiose erfährt mit den Arbeiten an der Schnittstelle von Parasitismus und Symbiose eine molekularbiologisch geprägte Wiedergeburt. Der Lehrstuhl für Angewandte und Ökologische Mikrobiologie wurde im Herbst 1998 aufbauend auf der ehemaligen Technischen Mikrobiologie gegründet. In der Nachfolge von Prof. Wolfgang Fritsche, der über Abbauleistungen aerober Pilze arbeitete, legt Gabriele Diekert den Schwerpunkt auf Abbauleistungen anaerober Bakterien. Damit etablierte sich am Institut für Mikrobiologie erstmals eine starke mit Prokaryonten arbeitende Arbeitsrichtung, so dass endlich ein altes konzeptionelles Defizit korrigiert wurde. Wir decken nun die wichtigsten Aspekte mikrobiologischer Forschung ab und können unseren Absolventen eine umfassende Ausbildung mitgeben. Wir beteiligen uns an den Studiengängen Biologie (Diplom, Lehramt, Magister), Biochemie, Molekularbiologie, Ernährungswissenschaften, Geowissenschaften und neuerdings Bioinformatik. Bereits im Grundstudium der Biologen werden die Vorlesungen aus den Lehrgebieten der drei Professuren von Praktika zur Allgemeinen Mikrobiologie/Mikrobengenetik (Wöstemeyer) und zur Mikrobiellen Physiologie (Diekert) begleitet. Mikrobiologie ist obligatorisches Prüfungsfach im Vordiplom. Im Hauptstudium wählen die Studierenden ein Hauptfach mit 60 SWS und zwei Nebenfächer mit jeweils 20 SWS. Mikrobiologie kann als Haupt- oder Nebenfach gewählt werden. Derzeit ist Mikrobiologie mit etwa der Hälfte aller Studenten pro Jahrgang das beliebteste Hauptfach. Die Nachfrage übersteigt derzeit unsere Kapazität von 48 Studierenden. Wir legen Wert darauf, dass Mikrobiologie in der Breite studiert wird. Das Großpraktikum ist daher blockweise organisiert. Nach dem Rotationsprinzip verbringen die Praktikanten jeweils ein Semesterdrittel in den drei Häusern. Zusätzlich bieten wir halbtägige Wahlpflicht-Praktika an: Bodenmikrobiologie, Phytopathologie und Bakterienbestimmung (Kothe), Biochemie und Biotechnologie (Diekert), Molekulargenetik und Radioisotopen-Verwendung (Wöstemeyer) sowie Phylogenie der Pilze (Voigt). Unsere Praktikumsräume sind seit kurzem überwiegend saniert und technisch und optisch in attraktivem Zustand. Die beliebtesten Fächerkombinationen sind Mikrobiologie als Hauptfach in Verbindung mit den Nebenfächern Genetik, Phytopathologie/Angewandte Botanik oder Medizinische Mikrobiologie. Die beiden biologischen Nebenfächer gestaltet die Mikrobiologie maßgeblich mit, die Medizinische Mikrobiologie übernehmen die Kollegen Prof. Straube und Prof. Stelzner aus der Medizinischen Fakultät. Unsere Absolventen sind bei den Forschungsinstituten in Jena beliebt, in erster Linie wegen ihrer vielseitigen Ausbildung, die aussichtsreiche Berufschancen garantiert. BIOspektrum . 4/01 . 7. Jahrgang Abteilung für Angewandte und Ökologische Mikrobiologie (Prof. Gabriele Diekert) Die Schwerpunkte der Arbeitsgruppe von Gabriele Diekert liegen bei Vitamin B12-abhängigen Reaktionen, die am Abbau von chlorierten Kohlenwasserstoffen oder von Phenylmethylethern (Bestandteilen des Lignin) durch strikt anaerobe Bakterien beteiligt sind. Chlorierte Kohlenwasserstoffe sind in größerem Umfang erst durch den Menschen in die Natur gelangt. Sie sind meist toxisch und schädigen oft die Ozonschicht. Einige strikt anaerobe Bakterien können chlorierte Kohlenwasserstoffe als terminale Elektronenakzeptoren verwenden und die reduktive Dechlorierung dieser Verbindungen an die Synthese von ATP über einen anaeroben Atmungsprozess koppeln (Dehalorespiration; siehe Biospektrum 1/2000, S. 32). Im Mittelpunkt der Untersuchungen stehen die reduktiven Dehalogenasen, die fast alle neben Eisen-SchwefelZentren auch Corrinoide als Cofaktoren enthalten. Schwerpunkte des Forschungsprojektes sind der Reaktionsmechanismus, der Aufbau der an der Dehalorespiration beteiligten Elektronentransportkette sowie der Mechanismus der Energiekonservierung. Die ebenfalls strikt anaeroben, homoacetogenen Bakterien können die Etherbindung von Phenylmethylethern mit Hilfe der O-Demethylasen spalten. Dabei wird die Methylgruppe über ein Protein-gebundenes Corrinoid auf Tetrahydrofolat übertragen. Die Funktion der vier beteiligten Proteine wird untersucht. Die Arbeitsgruppe von Dr. Jörg Nüske untersucht den Abbau von Lignocellulose mit Hilfe pilzlicher Peroxidasen. Abteilung für Allgemeine Mikrobiologie und Mikrobengenetik (Prof. Johannes Wöstemeyer) Zentrales Thema des Lehrstuhls ist die molekularbiologische und genetische Analyse sexueller Differenzierungsprogramme bei Pilzen aus der Mucor-Verwandtschaft (Zygomycota). Unsere Modellorganismen sind Absidia glauca, Mucor mucedo und ein Parasit dieser Pilze, Parasitella parasitica. Zygomyceten haben im Vergleich zu anderen Pilzgruppen etliche genetische Besonderheiten. Aufällig sind der hohe Gehalt an repetitiver DNA (35%), die Existenz natürlicher Plasmide und die autonome Replikation artifizieller Vektoren. Nach Reinigung eines Schlüsselenzyms zur Biosynthese des Sexualhormons Trisporsäure und partieller Proteinsequenzierung haben wir das zugehörige Gen isoliert (tdh, das Gen für Dihydromethyl-trispor- Wissenschaft intern 346 säure-Dehydrogenase). Trisporsäure ist ein Carotin-Derivat, das in allen untersuchten Mucoralen das Hormon für die Induktion der sexuellen Differenzierung darstellt und wahrscheinlich ähnlich funktioniert wie Retinoide in Säugern (PD Dr. Burmester). Das Trisporsäuresystem vermittelt auch die Erkennung zwischen Wirt und Parasit bei der Infektion von Zygomyceten durch Parasitella parasitica. Die Ähnlichkeit zwischen Sexualität und Parasitismus geht über die physiologische Ebene hinaus. Bei lungsschwerpunkte, Zygomyceten (Jochpilze) und phytopathogene Pilze, sind mit Blick auf die Forschungsorientierung gewählt worden. Die räumliche Anbindung an den Lehrstuhl für Allgemeine Mikrobiologie und Mikrobengenetik ist abgeschlossen. Sie hat sich gut bewährt; denn zwischen ReferenzZentrum und Lehrstuhl gibt es einen innovativen wissenschaftlichen Austausch. Mehrere Baumaßnahmen haben renovierte Labors und einen für die Lagerung der Lebend- Sammlung von Raps-Pathogenen. Der besondere Wert der Sammlung für die praktische Diagnose liegt in der Kombination von Isolaten, den zugehörigen genetischen Fingerprints und molekularen diagnostischen Sonden. Auf dem Gebiet der Molekularen Phylogenie wurde die Mucor-Verwandtschaft basierend auf fast 100.000 bp neu erstellten Sequenzen Protein-kodierender Gene erstmals auf molekularer Ebene in das System eingebunden und damit die Basis für eine natürliche Familienstruktur der Ordnung Mucorales geschaffen. Abteilung für Mikrobielle Phytopathologie (Prof. Erika Kothe) Abb.1. Fusionsparasiten wie der Zygomycet Chaetocladium brefeldii übertragen bei der Ausbildung der charakteristischen Infektionsstrukturen genetisches Material auf ihre Wirtsorganismen (Voigt, Wöstemeyer). der Infektion entsteht ein räumliches Kontinuum zwischen Wirt und Parasit. Zellkerne des Parasiten gelangen in den Wirt. Es entstehen echte Rekombinanten. P. parasitica ist ein natürlich vorkommendes System zur genetischen Manipulation seiner Wirte. Pilze vom Parasitella-Typ sind bei den Zygomyceten keine Ausnahmen. Auch andere sogenannte “biotophe Fusionsparasiten” können Gene übertragen, etwa der in Abb.1 gezeigte Chaetocladium brefeldii. In weiteren Projekten studieren wir Wechselwirkungen zwischen Raps-Pflanzen und dem wirtschaftlich weltweit bedeutendsten Raps-Schädling, dem Ascomyceten Leptosphaeria maculans. Das besondere Interesse gilt der Expression von Endo- und Exo-Cellulasen im Infektionsverlauf. Pilz-Referenz-Zentrum (Dr. Kerstin Voigt) Das Fungal Reference Centre (FRC-Jena) bewahrt Pilze für Hochschule und Industrie. Etwa 10.000 Isolate werden als Aktivkulturen und Gefrierkonservate in Flüssigstickstoff gehalten. Die beiden Samm- kulturen bei 12-14°C benötigten großen Kellerbereich geschaffen. Das Isolieren neuer Stämme aus natürlichen Habitaten findet in einem Nachbargebäude statt, so dass Kreuzkontaminationen und Vernichtung der Reinkulturen durch Schädlingsbefall verhindert werden. Seit der konzeptionellen Neuausrichtung steigt die Beliebtheit bei ausländischen Gastwissenschaftlern und Studenten. Das FRC arbeitet mit genetischen Fingerabdrücken, so dass die Identität von biotechnisch, medizinisch oder phytopathologisch relevanten Isolaten unabhängig von morphologischen Merkmalen garantiert wird. Für die Zygomyceten können wir eine Vielzahl von Mutanten (Stoffwechsel und Differenzierung) sowie viele klonierte Gene zur Verfügung stellen. Wir gehören bereits jetzt zu den größten ZygomycetenSammlungen weltweit und verfügen über die größte Sammlung von Klonen einschließlich ihrer DNA-Sequenzen. Außerdem werden Sonden für die Diagnose potentiell human-pathogener Pilze entwickelt. Bei den Pflanzen-pathogenen Pilzen verfügt das FRC über eine respektable Diese Arbeitsgruppe erforscht molekulare Signale und ihre Umsetzung in Symbiose und Parasitismus zwischen Waldbäumen und Basidiomyceten. Die Ausbreitung des Weißfäulepilzes Schizophyllum commune ist eng an den sexuellen Fortpflanzungszyklus gekoppelt. Daher werden Pheromone und die spezifische Erkennung zwischen Kreuzungspartnern durch an G-Proteine gekoppelte 7-Transmembrandomänen-Rezeptoren erforscht. Die Rezeptoren sind in der Lage, zwischen rund 20 verschiedenen Liganden zu unterscheiden und so die Erkennung von „fremd“ gegenüber „selbst“ zu kontrollieren. Als Antwort auf die Erkennung eines solchen Pheromons eines geeigneten Kreuzungspartners wird nach intrazellulärer Signalübertragung die Kernwanderung induziert. Ebenfalls eine spezifische Entwicklung, die zur Fruchtkörperbildung notwendig ist, wird bei den Ektomykorrhizapilzen beobachtet. Ritterlinge der Gattung Tricholoma werden auf spezifische Genexpression in wirtsspezifischen Assoziationen untersucht. Kürzlich wurde zum ersten Mal die Bildung eines Fruchtkörpers in einer Mykorrhizakultur in vitro beobachtet. Dazu sind Signale des Wirtsbaums unerlässlich, deren Einfluss auf die Genexpression im Pilz durch die Identifizierung von über hundert spezifisch in der Mykorrhiza exprimierten Genen näher beschrieben wird. Für ein Zellwandprotein des Pilzes, ein Hydrophobin, konnte diese spezifische Expression durch Immunfluoreszenzfärbung im Mykorrhizaquerschnitt und durch kompetitive PCR direkt nachgewiesen werden. Dabei zeigte sich, dass die Expression in Symbiose mit dem natürlichen Baumpartner deutlich stärker ist als in der Mykorrhiza mit einem schwach kompatiblen Baum. Die Untersuchungen der Rhizosphäre von Pflanzen dehnt sich in die Bodenmikrobiologie aus. Dazu werden Streptomyceten untersucht, die von einem schwermeBIOspektrum . 4/01 . 7. Jahrgang Wissenschaft intern 347 Abb. 2. Von links nach rechts: Erika Kothe (Mikrobielle Phytopathologie), Gabriele Diekert (Angewandte und Ökologische Mikrobiologie), Kerstin Voigt (Pilz-ReferenzZentrum), Johannes Wöstemeyer (Allgemeine Mikrobiologie und Mikrobengenetik). tallbelasteten Standort aus Ostthüringen isoliert wurden. Diese ehemalige Uranbergbauregion wird im Zusammenhang mit Fragen der Geo-Bio-Interaktionen mit mehreren anderen Gruppen bearbeitet. Dabei stehen die Fragen nach der möglichen Mobilisierung und dem Transport der vorgefundenen Elemente im Vordergrund. Dr. Beate Völksch beschäftigt sich in ihrer Arbeitsgruppe mit Blattflecken-erzeugenden Pseudomonaden. So wird auch die Möglichkeit der biologischen Kontrolle der pathogenen Pseudomonas syringae mit anderen Pseudomonaden studiert. In der Nachwuchsgruppe „Wachstumskontrolle pathogener Pilze“, die gemeinsam von der Universität und dem HansKnöll-Institut für Naturstoffforschung e.V. eingerichtet wurde, untersucht Dr. Jürgen Wendland durch funktionelle Genomansätze die molekularen Mechanismen für polares Zellwachstum des pflanzenpathogenen, filamentösen Ascomyceten Ashbya gossypii und der humanpathogenen, dimorphen Hefe Candida albicans. Kontakt und weitere Informationen Prof. Dr. Gabriele Diekert: [email protected]; http://www.uni-jena.de/biologie/tech_mikrobio/ Prof. Dr. Erika Kothe: [email protected]; http://pinguin.biologie.uni-jena.de/phytopathologie/phytopathologie.html Dr. Kerstin Voigt: [email protected]; http://www.frc-jena.de Prof. Dr. Johannes Wöstemeyer: [email protected]; http://www.uni-jena.de/biologie/mikrobio BIOspektrum . 4/01 . 7. Jahrgang