Marktübersicht 150 B I O S P E K T R U M • 2. 0 1 • 7. J A H R G A N G Marktübersicht Chiptechnologie DNA-Mikroarrays: eine neue Technologie zur Erstellung von RNA-Expressionsprofilen auf Genomebene Ludger Klein-Hitpaß und Tarik Möröy, Institut für Zellbiologie (Tumorforschung), IFZ, Universitätsklinikum Essen A DNA-Mikroarrays bieten die Möglichkeit, ein Expressionsprofil aller Gene eines Organismus für ein bestimmtes Gewebe oder einen bestimmten Zelltyp zu erstellen, wenn diese in ihrer Sequenz bekannt sind. Dadurch kann eine quantitative Aussage über das Expressionsniveau der Gene eines gesamten Genoms in einem Arbeitsgang in sehr kurzer Zeit gewonnen werden. Weiterentwicklungen dieser einfachsten Form des Mikroarrays erlauben darüber hinaus auch, bestimmte Mutationen wie etwa Polymorphismen, die auf singulären Basenaustauschen beruhen (sog. „single nucleotide polymorphisms“ oder SNPs) für eine Reihe von Genen zu detektieren. Diese neue Technologie und vor allem die Messung der Expressionsprofile verspricht einen rascheren Zugang zur Identifikation von Signalübertragungswegen, ein besseres Verständnis der Wirkung von therapeutisch eingesetzten Substanzen und auch einen differenzierteren Zugang zu einer molekular definierten Prognose von Erkrankungen als herkömmliche Verfahren. Insbesondere für die Krebsforschung könnte diese neue Technologie von großer Bedeutung sein. Clusteranalysen von Expressionsprofilen aus einer Vielzahl von Tumorgeweben könnten Auskunft über Verlauf der Erkrankung und über die Mechanismen der Therapieresistenz geben. Wie bei jeder neuen Technologie wird abzuwarten sein, welche der erhofften Anwendungen unser Verständnis molekularbiologischer und biochemischer Zusammenhänge tatsächlich deutlich vertiefen wird. Mikroarray-Technologie Neue technische Verfahren aus der Molekularbiologie und Biochemie gewinnen sehr rasch an Bedeutung für viele Lebensbereiche. Die medizinische Grundlagenforschung ist von diesen neuen Technologien bereits fast vollständig durchdrungen und stellt Therapie und Diagnostik zur Zeit vor ganz neue Möglichkeiten. In diesem Zusammenhang repräsentieren DNA-Mikroarrays eine der innovativsten neuen Technologi- en, deren Weiterentwicklung sehr rasch Anwendungen sowohl in der biomedizinischen Grundlagenforschung als auch in der Diagnostik finden wird. Ein DNA-Mikroarray besteht aus einem Glasträger, auf dem Fragmente bekannter Gene oder noch wenig charakterisierter, exprimierter Sequenzen (ESTs) in einem dichtgepackten, geordneten Muster aufgebracht sind. Der Ort, an dem ein bestimmtes Genfragment aufgebracht ist, ist durch ein Koordinatensystem definiert. Schon heute sind die Voraussetzungen für eine sehr umfassende Mikroarray-Analyse des menschlichen Genoms und anderer Genome gegeben, deren Sequenzen vollständig bekannt sind. Im Falle der von der Abb. 1 A: Schematischer Aufbau eines DNA-Mikroarrays, der aus einer großen Zahl von DNAMolekülen besteht, die in kleinen Sektoren auf dem Glasträger immobilisiert sind (weiße Felder). Herausvergrößert ist ein sogenanntes Probeset, das aus jeweils ca. 20 verschiedenen Oligonukleotiden mit perfekter Sequenz (obere Reihe) und den dazugehörigen 20Kontrolloligonukleotiden (untere Reihe) besteht. Kontrolloligokuleotide enthalten einen Basenaustausch (Mismatch) gegenüber der perfekten Sequenz und sollten eine deutlich schwächere oder keine Hybridisierung zeigen. B: Darstellung des Verfahrens zur Messung der Genaktivität mittels DNA-Mikroarray-Hybridisierung. Die isolierte mRNA wird enzymatisch modifiziert (siehe Text) und auf den Mikroarray aufgetragen. Nach dem Waschen bleiben nur perfekt komplementäre mRNAMoleküle an den immobilisierten DNA-Fragmenten gebunden und ergeben nach „Färbung“ mit Streptavidin-Phycoerythrin (hier gelb dargestellt) ein spezifisches Signal im Laser-Scanner. Marktübersicht 151 B I O S P E K T R U M • 2. 0 1 • 7. J A H R G A N G Abb. 2: Ergebnis der Messung eines DNAMikroarrays im Laser-Scanner (Übersicht). Gezeigt ist ein Pseudocolor-Bild. Die Fluoreszenzintensität nimmt von schwarz (inaktiv, keine Expression) über blau, grün, gelb, rot und weiß (höchste Intensität) zu. Firma Affymetrix hergestellten DNA-Mikroarrays, werden statt cDNA-Fragmenten von mehreren hundert Basenpaaren kurze Oligonukleotide von 18-25 Basen in einem photolithographischen Verfahren direkt auf dem Träger synthetisiert. Da sowohl das verwendete Material als auch das Herstellungsverfahren starke Parallelen zur Computerchip-Herstellung aufweisen, hat sich die alternative Bezeichnung Biochip oder auch Gen-Chip für DNA-Mikroarrays eingebürgert. In dem Array-Herstellungsverfahren der Firma Affymetrix werden pro Gen bis Abb. 3: Ausschnittsvergrößerung eines DNAMikroarrays nach Hybridisierung. Beispielhaft sind die Ergebnisse für die „Probesets“ für das Gen „adipogenesis inhibitory factor“, das in diesem Experiment keine Expression zeigt und für das Fibromodulin-Gen gezeigt. Das Fibromodulin-Gen wird exprimiert, da in der oberen Reihe des Probesets, die die perfekt hybridisierenden Oligonukleotide enthält, stärkere Signale zu sehen sind als in der unteren Reihe, die die mismatch-Oligonukleotide enthält. zu 20 verschiedene Oligonukleotide in winzigen Sektoren auf den Träger aufgebracht. Nach dem heutigen Stand der Technik lassen sich so auf einer ca. 1,5 cm2 cm großen Fläche Genfragmente von bis zu 12.000 verschiedenen Genen mit dazugehörigen Kontrollen – in insgesamt mehr als 400.000 Sektoren – in einem geordneten Muster unterbringen (Abb. 1A). Die Firma Affymetrix bietet für verschiedene Fragestellungen Arrays mit einer unterschiedlichen Auswahl und Anzahl von Genen an und hat Genchips entwickelt, die annäherungsweise die gesamten Genome verschiedener Spezies wie Mensch, Maus, Ratte oder Hefe abdecken. Die Arrays, die Gensequenzen der Ratte und der Maus enthalten, werden insbesondere bei der Analyse der Wirkungsweise von therapeutisch interessanten neuen Wirkstoffen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Um ein Expressionsprofil gewinnen zu können, muss zunächst aus dem biologischen Material, zum Beispiel einem Tumor, die messenger-RNA (mRNA) isoliert werden. Die isolierte mRNA-Population, die je nach Zelltyp aus 30.000 bis 50.000 verschiedenen mRNA-Spezies besteht, wird enzymatisch in eine doppelsträngige cDNA umgeschrieben, aus der wieder eine cRNA durch in vitro-Transkription gewonnen wird. Bei der in vitro-Transkriptionsreaktion wird ein biotinyliertes Nukleotid eingebaut, das eine spätere Markierung der cRNA erlaubt. Die so modifizierte cRNA wird in einer speziellen Vorrichtung auf den Mikroarray aufgetragen (Abb.1B). Unter geeigneten Bedingungen binden nun die modifizierten cRNA-Moleküle spezifisch an die auf dem Array vorhandenen komplementären Genfragmente. Ungebundene cRNA Moleküle, die keine komplementären DNA-Fragmente auf dem Array „finden“, werden durch Waschen entfernt und die gebundenen cRNA-Moleküle werden mit StreptavidinPhycoerythrin markiert (Abb. 1B). Schließlich wird der Mikroarray in einem Scanner ausgemessen, indem der PhycoerythrinFarbstoff durch Laserlicht angeregt und die Fluoreszenz in den verschiedenen Sektoren, die den bekannten Genfragmenten entsprechen, detektiert und quantifiziert wird (Abb. 2, 3). Die Fluoreszenz-Intensitäten, die mit den verschiedenen Genfragmenten assoziiert sind, sind ein sehr präzises Maß für die Menge der im Ausgangsmaterial vorhandenen mRNA-Moleküle und damit in erster Näherung auch ein Maß für die Menge der entsprechenden Proteine. Da mehrere Mikroarrays parallel beschickt und nacheinander ausgewertet werden können, kann zum Beispiel das Expressionsprofil des derzeit bekannten Anteils des menschlichen Genoms (>90%) in einem bestimmten Gewebe in einem einzigen Arbeitsgang analysiert werden. Im Vergleich zu herkömmlichen RNA-Bestimmungsmethoden, mit denen bei ähnlichen Zeitaufwand allenfalls bis zu zehn Gene parallel gemessen werden können, stellt dies natürlich eine für Biologen und Mediziner absolut aufregende Innovation dar, die letztlich die Kosten für die Durchführung einer solchen Analyse rechtfertigt. Ein weiterer, großer Vorteil der Methode ist, dass vergleichsweise wenig Gewebe bzw. mRNA für die Untersuchungen benötigt wird. DNA-Mikroarrays in der Grundlagenforschung Einen sehr hohen Stellenwert wird die DNA-Mikroarray-Analyse in Zukunft auch in der Grundlagenforschung einnehmen, da sie erlaubt auf molekularer Ebene in die verschiedensten Prozesse der biologischen Steuerung Einblick zu nehmen. Erste Erfahrungen mit Zellen in Kultur zeigen, dass etwa die Stimulierung von Membranrezeptoren mit Liganden oder die Expression konditioneller Allele von Transkriptionsfaktoren eindeutige und reproduzierbare Messergebnisse liefern. Dies wird die Aufklärung von Signalübertragungswegen und die Identifizierung von Zielgenen vieler bekannter Transkriptionsregulatoren enorm erleichtern und beschleunigen. Neben kultivierten Zellen können auch verschiedene Gewebe aus Modellorganismen analysiert werden, wenn Sie vergleichbare Zellpopulationen enthalten. Die Vielzahl von Mausmutanten, die mittels „Gene Targeting“ hergestellt wurden und spezifisch eingeführte Gendefekte aufweisen, bieten hier eine schier unerschöpfliche Quelle. Eine weitere Anwendung von DNA-Mikroarrays kann mit dem Wort „Pharmacogenomics“ beschrieben werden. Hierbei handelt es sich um die Analyse von Effekten, die Pharmaka oder andere niedermolekulare Wirkstoffe auf das Transkriptionsprofil von Zellen haben. Ein Ziel ist hier, toxische Wirkungen von Pharmaka mit spezifischen Transkriptionsprofilen zu assoziieren. Dies kann erheblich zur Vereinfachung der Wirkstoffselektion beitragen, da man ohne langwierige Tierversuche solche Kandidaten aussortieren kann, die bekannte Toxizitätsmuster aufweisen. Eine Vielzahl der heute üblichen Therapeutika greift nämlich direkt in Signalwege ein; man kann davon ausgehen, dass etwa 10% der wichtigsten Pharmaka, die heute therapeutisch eingesetzt werden, dadurch wirken, dass sie mittelbar oder unmittelbar Transkription kontrollieren [1]. Ein Beispiel sind Cortison, Östrogen oder Thyroxin, die an Kernrezeptoren binden, welche selbst als Transkriptionsfaktoren agieren. Das als Immunsuppressivum eingesetzte Cyclosporin wirkt dadurch, dass es das Enzym Calcineurin daran hindert, den Tran- Marktübersicht 152 B I O S P E K T R U M • 2. 0 1 • 7. J A H R G A N G Abb. 4: Schematische Darstellung der Expressionsprofile zweier unterschiedlicher Tumorgewebebiopsien. Das Gen, das durch den umrandeten Probeset markiert ist, ist in Biopsie A nicht exprimiert, aber in Biopsie B. skriptionsfaktor NF-AT (Nuclear Factor of Activated T-cells) zu aktivieren. Das weit verbreitete Salicylat inhibiert unter anderem die Aktivierung des Transkriptionsfaktors NFκB, da es die Phosphorylierung seines Inhibitors IκB verhindert. Diese und weitere Beispiele unterstreichen die große Bedeutung der Transkriptionskontrolle bei der Wirkung von Pharmaka. Es ist offensichtlich, dass der Erstellung von Transkriptionsprofilen für klinische Wirkstoffe in sehr naher Zukunft eine enorme Bedeutung zukommen wird. Mikroarrays in der Diagnostik von Tumoren Der Einsatz von DNA-Mikroarrays und die Erstellung von Expressionsprofilen verspricht darüber hinaus große Fortschritte bei der Klassifizierung von Tumoren und damit der Entwicklung besserer, maßgeschneiderter Therapiekonzepte für maligne Erkrankungen. Aus vielen Einzeluntersuchungen mit herkömmlichen Methoden zur Messung der mRNA-Menge in Tumoren und Normalgewebe weiß man, dass in Tumoren die Aktivität vieler Gene verändert ist. Führt man nun Messungen mit DNA-Mikroarrays an Tumormaterial und einer Probe von angrenzendem gesunden Gewebe durch, so kann man mit Hilfe eines Computerprogramms die Aktivität Tausender von Genen in den beiden Proben vergleichen und diejenigen Gene identifizieren, die im Tumor erhöhte oder verminderte Genaktivität bzw. mRNAKonzentrationen zeigen (Abb. 4). Gene, die in bestimmten Tumortypen veränderte Genaktivität zeigen, können zunächst als neue Marker in der Diagnostik mit herkömmlichen Verfahren gemessen werden und neue Informationen zur Bewertung von Tumoren liefern. Potentiell können die Gene, die im Tumor erhöhte oder verminderte Expression aufweisen, aber auch mitverantwortlich sein für das beschleunigte Wachstum, für eine verminderte Apoptose der Tumorzelle oder für seine Therapieresistenz. Wenn ein solcher ursächlicher Zusammenhang durch weitere Untersuchungen abgesichert werden kann und gezeigt werden kann, dass das entsprechende Protein eine tumorrelevante Funktion hat, dann könnte es einen neuen Ansatzpunkt oder „Target“ für die Tumortherapie darstellen. Tumorzellen entwickeln sich aus normalen Zellen in einem Mehrschritt-Prozess, in dem sie nacheinander verschiedene genetische Mutationen anhäufen, die isoliert betrachtet jeweils nur vergleichsweise geringfügige Veränderungen in der Zellphysiologie herbeiführen, schließlich in der Summe aber zu einem bösartigen Tumor führen, der in das umliegende Gewebe eindringt und Metastasen absiedelt. Bei der Entstehung und Progression von Tumorzellen spielen viele Gene bzw. Proteine eine Rolle, die eine wichtige Funktion in der Regulation der Genaktivität ausüben. Wenn solche Regulatorgene durch Mutation oder andere Mechanismen ausfallen, führt dies natürlich zu einer veränderten Aktivität der Gene, deren Aktivität sie normalerweise steuern. Mit Hilfe der Mikroarray-Technologie kann deshalb der Frage nachgegangen werden, ob und durch welche Genaktivitätsprofile sich unterschiedliche Stadien eines Tumors auszeichnen. Derartige Analysen an einer größeren Anzahl von normalem Gewebe, gutartigen Vorstufen, Übergangsformen und bösartigen Stadien eines Tumortyps ergeben zunächst eine enorme Zahl von Datenpunkten (untersuchte Gene x Anzahl der Proben), die nur noch mit Hilfe von entsprechenden Programmen statistisch ausgewertet und dargestellt werden kann. Die Auswertung ergibt zunächst eine Korrelation zwischen bestimmten Genaktivitätsprofilen und Tumorstadien. Die Identität der im Vergleich zu Normalgewebe auf- oder abregulierten Gene kann dann möglicherweise Rückschlüsse auf die an der Tumorentstehung beteiligten, das heißt mutierten, Gene erlauben. Durch Anwendung statistischer Verfahren, sogenannter Cluster-Algorithmen, kann dann versucht werden, aus den Gesamtprofilen eine übersichtlichere Anzahl von Gengruppen mit ähnlich veränderter Aktivität herauszufiltern, deren Aktivitätsmuster ein bestimmtes Tumorstadium kennzeichnet [2] (Abb. 5). Solche Genaktivitätsmuster können als Kriterium für eine Vorhersage des Krankheitsverlaufes dienen (Prognose). Die Identifizierung von stadienspezifischen Genaktivitätsmustern sollte dann die Konzeption und Herstellung kleinerer Arrays erlauben, die nur noch diejenigen Gene umfassen, die für diese neuartige Art der Klassifizierung der Tumorstadien von Bedeutung sind. Diese speziell auf die verschiedenen Stadien eines Tumortyps zugeschnittenen Arrays könnten dann routinemäßig bei der Klassifizierung von verdächtigem Gewebe und von Tumoren eingesetzt werden und eine wertvolle Ergänzung oder sogar eine konkurrenzfähige Alternative zu herkömmlichen diagnostischen Untersuchungsmethoden darstellen. Da die Resultate und Erkenntnisse solcher Analysen – selbstverständlich in anonymisierter Form – in Datenbanken eingegeben werden, können sie anderen Wissenschaftlern für weitere vergleichende Untersuchungen zugänglich gemacht werden, um beispielsweise Genaktivitätsmuster zu identifizieren, die von unterschiedlichen Ausgangszellen abstammende Tumore charakterisieren. Grundsätzlich kann man die DNAMikroarray-Analyse auch mit Tumor- oder Gewebeproben durchführen, die Patienten bereits vor Jahren entnommen und in einer Tumorbank tiefgefroren gelagert wurden. Diese Strategie hat den großen Vorteil, dass man die Genaktivitätsprofile der Tumore mit der bekannten Krankengeschichte und damit der Prognose der Patienten verknüpfen kann. Man kann deshalb wieder durch statistische Verfahren untersuchen, ob die Genaktivitätsprofile der Tumore von Patienten mit guter und schlechter Prognose charakteristische Unterschiede aufweisen, die bei weiteren Analysen an frisch entnommenen Tumoren eine sichere Vorhersage des Krankheitsverlaufes, zum Beispiel die Bildung von Metastasen, ermöglichen. Falls man an Hand eines bestimmten Genaktivitätsmusters erkennen kann, dass Metastasen sehr wahrscheinlich sind, kann der Kliniker dann gezielt bei diesen Risikopatienten zusätzliche oder besonders abgestimmte chemotherapeutische Maßnahmen ergreifen, während Marktübersicht 153 B I O S P E K T R U M • 2. 0 1 • 7. J A H R G A N G diese der Nicht-Risikogruppe erspart bleiben könnten. DNA-Mikroarray-Analysen: Befürchtungen und Hoffnungen Kritiker von genomweiten Analysen wie die durch DNA-Mikroarray erstellten Expressionsprofile befürchteten zunächst, dass die gewonnenen Daten wegen individueller und zufallsbedingter Schwankungen im Genaktivitätsmuster uninterpretierbar und Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Messungen nicht ausreichend sein würden. Pilotstudien zeigen jedoch, dass sich durch die Messungen in der Tat wichtige Aspekte der Biologie von Tumorzellen aufzeigen lassen: So erlaubten Messungen an Tumorzelllinien, die in Kultur gehalten wurden, eine korrekte Aussage über den Gewebeursprung der Tumorzellen [3]. Ein weiteres, noch nicht komplett gelöstes Problem liegt in der Tatsache, dass klinisches Probenmaterial, zum Beispiel ein chirurgisch entfernter Tumor, häufig mit gesunden Zellen durchsetzt ist, was zu einer Verfälschung der Daten führt. Hier setzt man große Hoffnungen auf Laser-Dissektions-Verfahren, bei denen gezielt einzelne Tumorzellen mit Hilfe eines Lasers aus mikroskopisch dünnen Schnitten herausgelöst werden. Diese Verfahren führen nachweislich zu sehr rei- Abb. 5: Schematische Darstellung einer Ableitung von Gen-Aktivitätsmustern zur Charakterisierung von Tumoren. Die stark vereinfachte und hypothetische Darstellung einer hierarchischen Clusteranalyse nach Eisen et al. (1998) von 12 Tumoren (T1-T12) und der Expression von 40 Genen in diesen Tumoren zeigt, dass zwei Tumorgruppen existieren, die die Expression von unterschiedlichen Gen-Clustern regulieren. Die Tumoren, die in eine Gruppe fallen, haben also ein untereinander „ähnliches“ Expressionsprofil. Gruppe 1 (Tumore T1 - T4 und T11) zeigt erhöhte transkriptionelle Aktivität in Genen des Clusters 1. Die zweite Gruppe, die die Tumore T5 - T8 und T12 umfasst, zeigt erhöhte Aktivität in Genen des Clusters 2. Zwei der 12 Tumore (T9 und T10) fallen in keine der beiden Gruppen. Die „Ähnlichkeit“ der Genaktivitätsmuster der Tumorproben wird durch ein Dendrogramm verdeutlicht. Die Aktivität der Gene ist durch unterschiedliche Farbabstufungen dargestellt (rot=überdurchschnittliche Aktivität, grün=unterdurchschnittliche Aktivität, schwarz=inaktiv). nen Tumorzell-Präparationen, haben aber den Nachteil, dass die aus diesen wenigen Zellen gewonnenen mRNA-Mengen für umfassende DNA-Mikroarray-Analysen gegenwärtig noch nicht ausreichend sind. Da aber parallel an Techniken gearbeitet wird, die eine ausreichende und repräsentative Vervielfältigung der mRNA-Moleküle erlauben, wird dieses technische Problem bald zufriedenstellend gelöst sein. Erste Array-Studien, zum Beispiel an Knochenmark-Biopsien von Leukämie-Patienten, zeigten klar, dass die Array-Technologie zu einer korrekten und zuverlässigen Klassifikation von bestimmten Leukämienformen führt (Ref. 4). Insgesamt räumen Experten der ArrayTechnologie und den darauf basierenden neuen Forschungsansätzen große Zukunftschancen ein und spekulieren, dass diese neue Messtechnik in der Zukunft nicht nur in der Grundlagenforschung, sondern auch in der klinischen Diagnostik sehr stark an Bedeutung gewinnen wird. In jedem Fall wird diese neue Technik zur massiven Parallelanalyse Tausender von Genen zu einer explosionsartigen Zunahme von Informationen über die Aktivität und Rolle von Genen in verschiedenen Krankheiten führen. Ob sich die großen Hoffnungen erfüllen, wird zunächst davon abhängen, ob es der Grundlagenforschung gelingt, die Verläss- lichkeit und Aussagekraft der Daten zu beweisen. Literatur 1. Latchman DS (1997) How can we use our growing understanding of gene transcription to discover effective new medicines? Curr. Opin. Biotechnol. 6, 712-717 2. Eisen MB, Spellman PT, Brown PO, Botstein D (1998). Cluster analysis and display of genome-wide expression patterns. Proc. Natl Acad. Sci. USA 95, 14863-14868 3. Ross DT, Scherf U, Eisen MB, Perou CM, Rees C, Spellman P, Iyer V, Jeffrey SS, Van de Rijn M, Waltham M, Pergamenschikov A, Lee JC, Lashkari D, Shalon D, Myers TG, Weinstein JN, Botstein D, Brown PO (2000). Systematic variation in gene expression patterns in human cancer cell lines. Nature Genetics 24, 227-235 4. Golub TR, Slonim DK, Tamayo P, Huard C, Gaasenbeek M, Mesirov JP, Coller H, Loh ML, Downing JR, Caligiuri MA, Bloomfield CD, Lander ES (1999) Molecular classification of cancer: class discovery and class prediction by gene expression monitoring. Science 286, 531-537 Korrespondenzadresse Prof. Dr. Tarik Möröy Institut für Zellbiologie (Tumorforschung) Universitätsklinikum Essen Virchowstraße 173 D- 45122 Essen Tel.: 0201-723 3380 Fax: 0201-723 5904 eMail: [email protected]