Drei Kompetenzmodelle – Begründungsstrategien und Leistung für den Unterricht Philipp Richter Technische Universität Darmstadt Institut für Philosophie Workshop Kompetenzbegriffe und Kompetenzorientierung im Philosophie-/Ethik-Unterricht 06.10.2016 Fragestellung und Gliederung Was genau sollen Schülerinnen und Schüler können, wenn sie Philosophie und Ethik „können“? Exemplarische Bestandsaufnahme anhand von drei fachdidaktischen Modellen 1. „Kompetenz“ aus fachdidaktischer Sicht (Einordnung) 2. „Die Praxis fragen ...“ – A. Rösch (Modell 1) 3. „Denken wie Sokrates ...“ – E. Martens (Modell 2) 4. Ableitung aus dem Begriff der Ethik – J. Dietrich (Modell 3) Fragen & Diskussion ... 06.10.2016 | Philipp Richter | Technische Universität Darmstadt | Fachbereich 2 | Institut für Philosophie | 2 „Kompetenz“ aus fachdidaktischer Sicht (Einordnung) sog. „Shift from Teaching to Learning“ / „Outcome“-Orientierung (PISA, Bologna-Reform) 1. Unterricht soll Lernergebnisse / Lernziele fokussieren 2. Ergebnisse sind überprüfbare Fähigkeiten: testbar, beobachtbar 3. Reproduktion von Inhalten / Kanon relativ dazu relevant 06.10.2016 | Philipp Richter | Technische Universität Darmstadt | Fachbereich 2 | Institut für Philosophie | 3 „Kompetenz“ aus fachdidaktischer Sicht (Einordnung) „Kompetenzen sind die bei Individuen verfügbaren oder von ihnen erlernbaren Fähigkeiten und Fertigkeiten, bestimmte Probleme [eines Wissensbereichs] zu lösen sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“ (vgl. Klieme/Avenarius et al. 2003, 72). Was bedeutet das für den Philosophie/Ethik-Unterricht? 1. Relativierung auf Problemlösefähigkeit in spez. Praxisbereich: Was zeichnet Philosophie und Ethik aus? [Theorie + Kategorienbildung] 2. Differenzierung anhand von Kriterien in bessere oder schlechtere, erfolgreiche und verfehlte Aktualisierungen [Kriterien] 3. möglichst disjunkte Indikatoren zur Testung in Unterrichts- oder Prüfungssituation [Operationalisierung + Überprüfbarkeit] 06.10.2016 | Philipp Richter | Technische Universität Darmstadt | Fachbereich 2 | Institut für Philosophie | 4 „Die Praxis fragen ...“ – A. Rösch Vorgehen: Dokumentenanalyse (Lehrpläne, Kerncurricula etc.), Literaturstudie (selektive Sichtung philosophischer Abhandlungen) und schriftliche Expertenbefragung (60 Personen aus schulischer Praxis, Referendarausbilder etc.) Ergebnis: fünf verallgemeinerte Kompetenzbereiche, Teilkompetenzen und gestufte Rastern mit Indikatoren + Arbeitsaufgaben Probleme 1. Implizite Theorie philosophisch-ethischer Kompetenz 2. Seinssollens-Fehlschluss + Interessenüberlagerung in „Praxis“ 3. keine überzeugende Argumentation für Teilkompetenzen (nur Sammlung) 4. unklare und vage Indikatoren: Warum gerade diese? 06.10.2016 | Philipp Richter | Technische Universität Darmstadt | Fachbereich 2 | Institut für Philosophie | 5 „Denken wie Sokrates ...“ – E. Martens Vorgehen: Aus Theoriegeschichte der Philosophie (insb. Sokrates / Platon) Denkmethoden entwickeln, die unabhängig von kanonischen Inhalten und Texten praktizierbar sind Ergebnis: Jeder, der philosophiert praktiziere die sog. phänomenologische Methode, hermeneutische Methode, Analytische Methode, Dialektische Methode und spekulative Methode Probleme 1. Warum diese fünf Tätigkeiten, die das Philosophieren des Sok. auszeichnen? 2. Warum philosophiert nur der, der Sokrates nachahmt? 3. Bezug der fünf Methoden zu Philosophie nur beiläufig ... !! 4. Weiterdenken und Operationalisieren der fünf Hinsichten nur durch Bezug auf die Philosophiegeschichte, kanonische Texte und philosophische Grundkompetenzen (z. B. begriffliches Differenzieren und Argumentieren) möglich (vgl. Pfister 2010; Pfister 2012) 06.10.2016 | Philipp Richter | Technische Universität Darmstadt | Fachbereich 2 | Institut für Philosophie | 6 Ableitung aus dem Begriff der Ethik – J. Dietrich Vorgehen: deduktive Ableitung einer philosophischen-ethischen Kompetenz aus der begrifflichen Unterscheidung Ethik und Moral; Konkretisierung des ethischen Könnens anhand des praktischen Syllogismus Ergebnisse: Praktischer Syllogismus als Form ethischer Kompetenz (Kriterium); Prinzip zur Ableitung eigener Arbeitsaufgaben und Indikatoren durch klare Begründung Praktischer Syllogismus: Allgemeine normative Prämisse Besondere deskriptive Prämisse ------------------------------------------Handlung / Handlungserklärung Probleme 1. Realisierung von Moral- und Moralitätskompetenz? keine Indikatoren ... 2. Berücksichtigung von reflexiver Weiterentwicklung des Modells? 06.10.2016 | Philipp Richter | Technische Universität Darmstadt | Fachbereich 2 | Institut für Philosophie | 7 Schluss Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! Fragen & Diskussion ? 06.10.2016 | Philipp Richter | Technische Universität Darmstadt | Fachbereich 2 | Institut für Philosophie | 8 Literatur 1. Dietrich, J. (2007): Was ist ethische Kompetenz? Ein philosophischer Versuch einer Systematisierung und Konkretion, in: Ammicht Quinn, Regina et al. (Hg.): Wertloses Wissen? Fachunterricht als Ort ethischer Reflexion, Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 31-51. 2. Gefert, C. (2008): Kompetenzmodelle für philosophische Bildungsprozesse, in: Rohbeck, J. et al. (Hg.): Empirische Unterrichtsforschung und Philosophiedidaktik, Jahrbuch für Didaktik der Philosophie und Ethik 9 (2008), Dresden: Thelem, S. 15-26. 3. Klieme, E./Avenarius, H./ et al (2003): Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards, Berlin: BMBF. 4. Martens, E. (2003): Methodik des Ethik- und Philosophieunterrichts. Philosophieren als elementare Kulturtechnik, Hannover: Siebert. 5. Martens, E. (2010): Wozu Philosophie in der Schule?, in: Meyer, K. (Hg.): Texte zur Didaktik der Philosophie, Stuttgart: Reclam, S. 156-172. 6. Pfister, Jonas (2010): Fachdidaktik Philosophie, Bern: Haupt UTB, S. 35-51. 7. Pfister, Jonas (2012): Methoden des Philosophierens und Unterrichtsmethoden, in: Tabula Rasa 81/11 (2012), www.tabularasamagazin.de/artikel/artikel_4264, 22.05.2016. 8. Richter, P. (2016): Unterrichtsmethoden in der didaktischen und fachdidaktischen Literatur. Bedeutung und Missverständnisse, in: Ders. (Hg.): Professionell Ethik und Philosophie unterrichten. Ein Arbeitsbuch, Kohlhammer: Stuttgart, S. 53-64. 9. Rösch, A. (2011): Kompetenzorientierung im Philosophie- und Ethikunterricht. Entwicklung eines Kompetenzmodells für die Fächergruppe Philosophie, Praktische Philosophie, Ethik, Werte und Normen, LER, 2. Aufl., Zürich: LIT. 06.10.2016 | Philipp Richter | Technische Universität Darmstadt | Fachbereich 2 | Institut für Philosophie | 9