Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 12 / 12. Wahlperiode 14. 12. 2000 5828 Kleine Anfrage der Abg. Carla Bregenzer SPD und Antwort des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Verteilung von ungeprüftem Unterrichtsmaterial zum Thema Nationalsozialismus von den Zeugen Jehovas Kleine Anfrage Ich frage die Landesregierung: 1. Trifft es zu, dass die Zeugen Jehovas an sämtlichen Gymnasien und teils auch an Realschulen in Karlsruhe aufwändig gestaltete Mappen (mit Video und fertigen Unterrichtsfolien) als Unterrichtsmaterial zum Thema Nationalsozialismus und Zeugen Jehovas verteilen? 2. Wie beurteilt die Landesregierung die Tatsache, dass von bestimmten Gruppierungen erstelltes Informationsmaterial in den Schulen ungeprüft benützt wird und wie sieht dieses Material aus, welche konkreten Inhalte hat es? 3. Wie verhindert die Landesregierung, dass solche Aktivitäten der Werbung für die Zeugen Jehovas dienen? 4. Hat die Landesregierung Informationen, ob die Zeugen Jehovas das Unterrichtsmaterial auch noch in anderen Orten, bzw. an anderen Schulen verteilen? 5. Was gedenkt die Landesregierung zu tun, um solche Werbung zu unterbinden? 14. 12. 2000 Carla Bregenzer SPD Eingegangen: 14. 12. 2000 / Ausgegeben: 01. 03. 2001 1 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 12 / 5828 A n t w o r t *) Mit Schreiben vom 28. Februar 2001 Nr. 45–6521–Geschichte/131 beantwortet das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Trifft es zu, dass die Zeugen Jehovas an sämtlichen Gymnasien und teils auch an Realschulen in Karlsruhe aufwändig gestaltete Mappen (mit Video und fertigen Unterrichtsfolien) als Unterrichtsmaterial zum Thema Nationalsozialismus und Zeugen Jehovas verteilen? Zu 1.: Im Bereich des Oberschulamts Karlsruhe wurde im Zusammenhang mit der Ausstellung der Zeugen Jehovas in Karlsruhe zum Thema „Unterdrückung unter dem Nationalsozialismus“ den Gymnasien und Realschulen in Karlsruhe (mit Ausnahme der Realschule in Neureut) Begleitmaterial übergeben. 2. Wie beurteilt die Landesregierung die Tatsache, dass von bestimmten Gruppierungen erstelltes Informationsmaterial in den Schulen ungeprüft benutzt wird und wie sieht dieses Material aus, welche konkreten Inhalte hat es? Zu 2.: Den Schulen werden immer wieder von unterschiedlichsten Gruppierungen Informationsmaterialien zugestellt. Die Schulleitung entscheidet in der Regel selbst, ob sich die Informationsmaterialien für die schulische Arbeit eignen. An den Schulen besteht eine hohe Sensibilität gegenüber u. U. kritisch zu beurteilendem Material. Nach Kenntnis des Kultusministeriums wird durch die den Zeugen Jehovas zuzurechnende Organisation „Wachturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft, Deutscher Zweig e. V.“, Selters, seit Anfang 1997 versucht, eine 78-minütige Videodokumentation (Langfassung) mit dem Titel „Standhaft trotz Verfolgung – Jehovas Zeugen unter dem NS-Regime“ in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Die Produktion des Videos erfolgte durch die „Watchtower Bible and Tract Society of Pennsylvania“. Die Weltpremiere der 28 Minuten langen Video-Schulversion fand am 20. Januar 1998 in London statt. Seit 1999 wird in Deutschland von der „Wachturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft, Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit“ eine Broschüre „Texte und Unterrichtsvorschläge“ zur o. a. Videodokumentation angeboten. Der Film widmet sich der Verfolgung der Zeugen Jehovas, einer der Gruppen von Opfern in der Zeit des Nationalsozialismus. Er wurde in den Bestand der beiden Landesbildstellen aufgenommen. 3. Wie verhindert die Landesregierung, dass solche Aktivitäten der Werbung für die Zeugen Jehovas dienen? 5. Was gedenkt die Landesregierung zu tun, um solche Werbung zu unterbinden? *) Der Überschreitung der Drei-Wochen-Frist wurde zugestimmt. 2 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 12 / 5828 Zu 3. und 5.: Nach Abschnitt 1 der Verwaltungsvorschrift „Werbung, Wettbewerb und Erhebungen an Schulen“ vom 19. Oktober 1995 sind weltanschauliche Werbemaßnahmen nicht gestattet. Bei einem Gespräch zwischen dem Leiter des Staatlichen Schulamts Karlsruhe und Vertretern der Zeugen Jehovas wurden diese ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es in die Entscheidungsbefugnis des jeweiligen Schulleiters fällt, ob er Informationsmaterial weitergibt. Es ist nichts bekannt, das darauf hindeuten könnte, dass die Prüfung durch die Schulleiter nicht gewissenhaft erfolgt. Diese werden bei historischem Material Lehrkräfte für das Fach Geschichte zur Beratung heranziehen. Im Übrigen finden Maßnahmen des Staates ihre Begrenzung durch dessen verfassungsrechtliche Pflicht zur religiösen Neutralität. 4. Hat die Landesregierung Informationen, ob die Zeugen Jehovas das Unterrichtsmaterial auch noch in anderen Orten bzw. an anderen Schulen verteilen? Zu 4.: Das Kultusministerium geht davon aus, dass die Zeugen Jehovas verschiedentlich Informationsmaterialien Schulen zur Verfügung gestellt haben. Um welche Schulen es sich dabei handelt, ist dem Kultusministerium nicht bekannt. Darüber hinaus haben einzelne Stadt- und Kreisbildstellen 1998 mitgeteilt, dass ihnen die Videoversion des o. a. Materials zugestellt worden sei. In Vertretung Mäck Ministerialdirektor 3