vom froschschenkel zur batterie

Werbung
MENSCHEN & MARKENPorträt
VOM FROSCHSCHENKEL ZUR BATTERIE
A
m Anfang stand der Disput zwischen einem
Mediziner und einem Physiker. Am 6. November 1780 seziert der Anatomieprofessor Luigi
Galvani in Bologna einen Frosch. Er staunt
nicht schlecht, als die Schenkel zucken, nachdem er sie mit Kupfer und Eisen in Berührung bringt.
Er folgert: In den Muskeln und Nerven des Tieres fließt
elektrische Energie. Er veröffentlicht seine Beobachtungen und stellt die These der „animalischen Elektrizität“ auf. Einer, der seine Beobachtungen mit Faszination aufnimmt, ist der Physikprofessor Alessandro
Volta in Pavia. Seit Jahren beschäftigt er sich mit Elektrizität. Bereits 1775 hat er den Elektrophor erfunden
und die elektrische Spannung definiert. Sie ist also
bekannt, doch entlädt sie sich stets blitzartig und
kann letztlich nicht genutzt werden. Trotz seiner Begeisterung glaubt er nicht an die „animalische Elektrizität“. Seine Theorie: Die Metalle sind für das Zucken
der Froschschenkel verantwortlich.
Was bringt den Frosch zum Zucken – eine innere
Energie oder die Metalle? Diese Frage stand am Anfang der Entwicklung der Batterie. Ihr Prinzip ist die
chemische Erzeugung von elektrischem Strom. Volta
entscheidet den Wissenschaftsstreit mit Galvani
schließlich für sich. Seine Theorie ist richtig: Es sind
die Metalle, nicht die Schenkel. Nach Volta wird dann
auch die Einheit der elektrischen Spannung benannt,
das Volt: V. Seine Erfindung, die Volta-Säule, ist der
Prototyp aller weiteren Entwicklungen. Doch das
Prinzip der Batterie ist das galvanische – die chemische Erzeugung von elektrischem Strom, „die galvanische Zelle“. Somit hat auch der Anatomieprofessor
seinen Teil zur Entwicklung der Batterie beigetragen.
AKRIBISCHE EXPERIMENTE IN ITALIEN
Wie ist Volta zu seinem Schluss gekommen? Jahrelang
experimentiert er akribisch, untersucht verschiedene
Metalle und stellt fest, dass sich deren elektrische
Wirkung verstärkt, wenn er sie mit Säure befeuchtet.
Der Physiker beobachtet: Es entsteht elektrische
Spannung, wenn er zwei feuchte Platten verschiedener Metalle aufeinander legt. Er experimentiert weiter: Zwischen Glasstäben schichtet er im Wechsel
eine Zinkscheibe, ein in Säure getauchtes Leder und
eine Kupferscheibe. Das erzeugt elektrische Spannung: Die Zinkscheibe gibt Elektronen ab, ein Elektronenüberschuss entsteht und somit eine negative
Ladung. Kupfer nimmt Elektronen von Zink auf. Es
entstehen somit ein Elektronenmangel und zugleich
eine positive Ladung. Verbindet man Plus- und Minuspol durch ein Kabel, fließt Strom. Werden mehrere elektrische Zellen aufeinander gestapelt, addieren
sich die Spannungen zu einer Gesamtspannung.
Galvani hat mit seinen Froschschenkeln und den
Metallen unwissentlich einen Stromkreis produziert.
Das Salzwasser der Amphibie ist der Elektrolyt und
der zuckende Muskel zeigt die elektrische Aktivität
an. Das ist der Prototyp der galvanischen Zelle: Zwei
verschiedene Elektroden und ein Elektrolyt werden
20
Alessandro Volta: Seine
Erfindung ist der Prototyp
aller Entwicklungen.
ZEITLEISTE
1780
Galvani macht sein
Froschschenkel-Experiment.
1800
Volta konstruiert
die Urbatterie – die
Volta-Säule.
1836
John Frederic Daniell
erfindet das
Daniell-Element.
1866
Georges Leclanché
erfindet das Leclanché-Element.
1999
Die Lithium-IonenPolymer-Batterie wird
kommerzialisiert.
maschinenmarkt.de
Suche „Porträt“
in Verbindung gebracht. Chemische Energie wird in
elektrische umgewandelt – eine geniale Entdeckung.
Voltas Erfindung revolutioniert die Welt. Die bisherigen Elektrisiermaschinen hatten durchaus hohe
Spannungen erzeugt. Doch in Sekundenbruchteilen
entluden sie sich. Die Volta-Säule dagegen produziert
zum ersten Mal einen elektrischen Strom, der fortlaufend über einen längeren Zeitraum fließt. Erst damit
sind Experimente möglich, die die Welt verändern
und das Zeitalter der Elektrizität ermöglichen.
Schnell wird die Erfindung optimiert. Bereits zwei
Jahre später erfindet William Cruickshank in Schottland die Trogbatterie und schafft damit die Grundlage zur massenhaften Herstellung von Batterien. Und
ebenfalls 1802 konstruiert der deutsche Physiker Johann Wilhelm Ritter die Vorform des heutigen Akkumulators. 1854 entwickelt der deutsche Mediziner und
Physiker Wilhelm Josef Sinsteden den ersten Bleiakkumulator und als Werner von Siemens 1866 den
elektrischen Generator konstruiert, steigt die Nachfrage nach Möglichkeiten zur Speicherung der elektrischen Energie rasant an. 1887 gründet Adolph Müller die erste Akkumulatorenfabrik in Deutschland.
Aus ihr entwickelt sich später der Konzern Varta.
AUS NASS WIRD TROCKEN
1836 entwickelt der Brite John Frederic Daniell das
nach ihm benannte Element. Das Daniell-Element ist
eine historische galvanische Zelle, die aus einer Zinkund einer Kupferhalbzelle besteht. Der französische
Physikochemiker Georges Leclanché erfindet 30 Jahre später ebenfalls ein Element, das nach ihm benannt
ist, das Leclanché-Element. Beide Zellen gehören den
„Nassbatterien“ an. Und noch in den 1880ern wurden
Türklingeln aus nassen Leclanché-Zellen gespeist, die
häufig austrockneten.
Der Mediziner Carl Gassner experimentiert 1887
in Deutschland mit Gips als Bindemittel und entwickelt die erste Trockenzelle, ein Jahr später ist die
Vorform der Trockenbatterie serienreif. Und auch Paul
Schmidt trägt dazu bei, dass sich mit Beginn des 20.
Jahrhunderts die transportable Trockenbatterie
durchsetzt. 1913 fertigt seine neue Fabrik Batterien
und Taschenlampen in Massenproduktion. Der Markenname Daimon erobert die Weltmärkte. Ebenfalls
um die Jahrhundertwende werden fast zeitgleich in
Schweden und in den USA weitere Weichen für die
Geschichte der Batterie gestellt: Jungner entwickelt
1899 in Skandinavien den Nickel-Cadmium-Akkumulator, Edison den Nickel-Eisen-Akkumulator.
Im Laufe des 20. Jahrhunderts werden viele Techniken für Batterien und Akkumulatoren entwickelt,
der Wirkungsgrad wird stetig verbessert. 1999 werden
Lithium-Ionen-Polymer-Batterien kommerzialisiert.
Im Oktober 2010 unternimmt ein umgebautes Serienmodell des Audi A2 damit eine 605 km lange Rekordfahrt von München nach Berlin. Das Prinzip der
Batterie ist aber auch nach 215 Jahren immer noch
das gleiche.
Alexander Völkert
MM MASCHINENMARKT KW28/29 2015
Herunterladen