Ökonomik der Agrar) und Ernährungswirtschaft Teil 1

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Skript der Vorlesung
Ökonomik der Agrar- und
Ernährungswirtschaft
Teil 1
WS 2007/08
Prof. Dr. T. Becker
Institut für Agrarpolitik und Landwirtschaftliche Marktlehre (420)
Universität Hohenheim
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung
3
2 Markt und Hierarchie
2.1 Governance-Modi und Organisationsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
7
3 Organisation in formalen Organisationen
3.1 Unternehmensformen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2 Unternehmensformen in den USA oder Rechtsformen des amerikanischen Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
8
4 Klassische Ansätze der Organisationstheorie
4.1 Arbeitswissenschaftlicher Ansatz (1900) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2 Bürokratie-Ansatz (1910) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3 Administrativer Ansatz (1920) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
11
14
16
5 Moderne Ansätze der Organisationstheorie
5.1 Motivationsorientierter Ansatz ( seit 1930) . . . . . . . . .
5.1.1 Human-Relations-Variante . . . . . . . . . . . . . .
5.1.2 Motivationstheoretische Variante . . . . . . . . . .
5.2 Entscheidungsorientierter Ansatz der Organisationstheorie
5.2.1 Mathematische Variante . . . . . . . . . . . . . . .
5.2.2 Die verhaltenswissenschaftliche Variante . . . . . .
5.2.3 Der experimentelle Ansatz . . . . . . . . . . . . . .
5.3 Systemorientierter Ansatz (1950) . . . . . . . . . . . . . .
5.3.1 Organisationssoziologische Variante . . . . . . . .
5.3.2 Kybernetische Variante . . . . . . . . . . . . . . .
5.4 Strukturalistischer Ansatz: Komparative Strukturanalysen
6 Die
6.1
6.2
6.3
6.4
6.5
6.6
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(seit 1940):
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(seit 1960)
mikroökonomische Organisationsanalyse: ein Überblick
Property-Rights-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Transaktionskosten-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Vertragstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Prinzipal-Agenten Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Mechanismus-Design Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das Menschenbild des mikroökonomischen Ansatzes . . . . . .
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21
21
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24
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29
29
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32
33
34
34
35
7 Transaktionen und Transaktionskosten
37
7.1 Arten von Transaktionskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
7.2 Eigenschaften von Transaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
7.2.1 Spezi…tät von Investitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
7.2.2 Häu…gkeit der Transaktionen und Zeitdauer der Wiederholungen. . . . . . 41
7.2.3 Komplexität von Transaktionen und Unsicherheit über Ausführung . . . . 41
7.2.4 Schwierigkeit, die Leistung, die in Transaktionen gesteckt wird, zu messen 41
8 Probleme des Transaktionskostenansatzes
8.1 Verteilung und E¢ zienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.2 Das Coase-Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
43
44
9 Koordination durch Preise und Mengen
9.1 Koordination über den Markt oder durch die Unternehmung? . . . . . . . . . . .
9.2 Preisplanung versus Mengenplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.2.1 Wohlfahrtsverluste durch Preis- und Mengensteuerung bei unvollständiger
Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
48
48
10 Private Information
10.1 Adverse Selection . . .
10.2 Moral Hazard . . . . .
10.3 Signaling . . . . . . .
10.3.1 Variationen des
10.4 Screening . . . . . . .
54
57
60
65
65
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Modells von Spence (1973)
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1
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50
11 Mechanismus Design
11.1 Anreizkompatible Mechanismen bei privater Information . . . . . . . . . . . . . .
11.1.1 Vollkommene Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.1.2 Private Information und strategisches Verhalten . . . . . . . . . . . . . .
11.1.3 Private Information und strategisches Verhalten . . . . . . . . . . . . . .
11.2 Auktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.2.1 Vergleich der englischen Auktionsform mit der Vickrey-Auktionsform . . .
11.2.2 Vergleich der holländischen Auktionsform mit der …rst-price sealed bid
Auktionsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.2.3 Auktion bei vollständiger Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.2.4 Auktion bei unvollständiger Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.3 Der Vickrey-Clarke-Groves Mechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
73
73
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77
79
81
81
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82
93
Literatur
[1] AID (Hrsg.): Rechtsformen landwirtschaftlicher Unternehmen. Bonn (1992).
[2] Manz, K.; B. Albrecht und F. Müller: Organisationstheorie. Band 9 Kompaktstudium Wirtschaftswissenschaften. München: Granz Vahlen Verlag (1994).
[3] Milgrom, Paul und John Roberts: Economics, Organization and Management. Englewood
Cli¤s, New Jersey: Prentice Hall Inc. (1992).
[4] Molho, Ian: The Economics of Information, Oxford: Blackwell Publishers (1997).
[5] Picot, A., R. Reichwald und R.T. Wigand: Die grenzenlose Unternehmung. Wiesbaden:
Gabler Verlag (2003).
2
1
Einführung
Das Modul ”Ökonomik der Agrar- und Ernährungswirtschaft”gliedert sich in zwei Teile. In dem
ersten Teil werden die Grundlagen der modernen ökonomischen Organisationstheorie vermittelt.
In dem zweiten Teil folgen dann die Grundlagen der Industrieökonomik. Zu beiden Teilen der
Vorlesung gibt es jeweils ein Skript. Das vorliegende Skript deckt den ersten Teil der Vorlesung
ab, der sich mit der Organisationstheorie beschäftigt.
In diesem ersten Teil der Vorlesung sollen die Studierenden die theoretischen Grundlagen der
modernen ökonomischen Organisationstheorie kennen lernen. Es wird besonderer Wert darauf
gelegt, dass die Studierenden nicht nur die Ansätze und Begri¤e der Organisationstheorie kennen
lernen, sondern diese Theorie auch auf konkrete Probleme anwenden können.
Für eine spätere Tätigkeit in leitender Position in Unternehmen der Agrar- und Ernährungswirtschaft sollten die Studierenden vertiefte Kenntnisse in den Bereichen
Organisation, Management, Personal, Marketing
Rechnungswesen, Investition, Finanzierung und Controlling erwerben.
Das Modul ”Ökonomik der Agrar- und Ernährungswirtschaft” vermittelt die Grundkenntnisse
in Organisation und Management, die für die erfolgreiche Führung und strategische Ausrichtung
eines Unternehmens benötigt werden. Die Grundlagen der Personalführung werden dabei nicht
behandelt. Hier wird auf andere Module verweisen.
Mit dem ersten Teil des Moduls soll folgende Lernziele erreicht werden:
die Studierenden kennen die verschiedenen Ansätze der Organisationstheorie,
die Studierenden analysieren das zu einem Ansatz jeweils gehörende Menschenbild,
die Studierenden kennen vertieft die theoretischen Grundlagen des modernen mikroökonomischen Ansatzes der Organisationstheorie,
die Studierenden erkennen die Bedeutung von privater Information für das Marktgeschehen
und die Organisation der Transaktionen,
die Studierenden kennen Mechanismen, um mit dem Problem der unvollständigen Information generell und insbesondere der privaten Information umzugehen,
die Studierenden können selbständig die theoretischen Grundlagen der modernen mikroökonomischen Organisationstheorie auf neue Organisationsprobleme anwenden,
die Studierenden können e¢ ziente Organisationsformen entwickeln und implementieren,
die Studierenden können strategisch denken,
die Studierenden haben einen Einblick erhalten, wie theoretische Überlegungen genutzt
werden können, um praktische Lösungen für die Organisation von Transaktionen zu entwickeln,
die Studierenden wissen die jeweils beste organisatorische und institutionelle Antworten
auf das strategische Verhalten der beteiligten Agenten,
die Studierenden können selbständig Fragen der Organisation durchdenken und zu e¢ zienten Lösungen kommen.
Damit haben die Studierenden in diesem ersten Teil bereits einen Einblick in strategisches Verhalten bekommen. Dies soll in dem zweiten Teil des Moduls vertieft werden, wenn auf die
Grundlagen der Industrieökonomik eingegangen wird. In diesem zweiten Teil lernen Studierende
strategisch zu denken.
Wir be…nden uns in einer Zeit des Wandels. Es lässt sich eine tiefgreifende Veränderung der
Wettbewerbsbedingungen feststellen. Die Informations- und Kommunikationstechnik führt zu
ganz neuen Formen der Organisation wirtschaftlicher Aktivitäten und damit zu ganz neuen
Unternehmensformen. Es …ndet ein Wertewandel in der Arbeitswelt und der Gesellschaft statt.
3
Dies alles führt dazu, dass bekannte etablierte Unternehmen wirtschaftliche Probleme bekommen
(Spar, Karstadt etc.) und aussterben. Auf der anderen Seite kommen ganz neue Unternehmen
auf den Markt (Google, Ebay, Amazon) und entwickeln sich zu führenden Unternehmen, die es
den traditionellen Unternehmen schwer machen.
Gerade in einer Zeit des Wandels ist es wichtig für Unternehmen, auf die neuen Herausforderungen zu reagieren (s. Abb. 1 / S. 4)1 . Es …ndet eine Au‡ösung von Hierarchien statt.
Einzelne Tätigkeiten, die bisher von der Unternehmung selber durchgeführt wurden, werden
an selbständige Subunternehmer vergeben. Elektronische Märkte und damit die Auktion als
Organisationsform dieser Märkte gewinnen an Bedeutung. Es entstehen virtuelle Unternehmen.
Abbildung 1: Herausforderungen an die Unternehmensführung
Aufgaben
1. Diskutieren Sie die zukünftigen Herausforderungen für Unternehmen und Märkte
2. Welche Trends aufgrund technischer Entwicklungsfortschritte werden die Zukunft bestimmen?
3. Welche Trends in der Bevölkerung werden die Zukunft bestimmen?
1
Quelle: Picot, Arnold; Ralf Reichenwald und Rolf T. Wiegand: Die grenzenlose Unternehmung –Information,
Organisation und Management. Wiesbaden: Gabler Verlag. 5. Au‡age, S. 2.
4
2
Markt und Hierarchie
Wirtschaftliche Aktivitäten sind in der Regel mit Transaktionen verbunden: es werden Güter
oder Dienstleistungen ausgetauscht. Es gibt eine Reihe verschiedener Möglichkeiten, wirtschaftliche Aktivitäten zu koordinieren. Ein Unternehmen kann Güter entweder über den Markt beziehen, mit anderen Produzenten Verträge abschließ
en oder selber produzieren. Dementsprechend
lassen sich als Formen wirtschaftlicher Organisation der Markt und die Hierarchie unterscheiden. Diese beiden Grundformen der Organisation wirtschaftlicher Aktivitäten …nden wir in allen
modernen Gesellschaften. Zwischen diesen beiden Extremformen …nden wir verschiedene Formen
von Verträgen. Sogar der Markt bzw. die Hierarchie können ihrerseits als besondere Formen
eines Vertrages betrachtet werden.
Nicht nur ein Unternehmen hat zu entscheiden, welche Aktivitäten in welcher Form organisiert
werden, sondern dasselbe Problem stellt sich auch auf gesellschaftlicher Ebene. Lange Zeit gab es
hier zwei konkurrierende Gesellschaftsentwürfe: die Marktwirtschaft und die Planwirtschaft.
Während in der Marktwirtschaft, wie es schon der Name sagt, der Markt als Organisationsform
wirtschaftlicher Aktivitäten herausgestellt wird, ist es in einer Planwirtschaft die Hierarchie.
Dabei spielt jedoch auch in einer Marktwirtschaft die Hierarchie als Organisationsform und in
der Planwirtschaft der Markt als Organisationsform eine gewisse Rolle. Wenn jede Transaktion,
die über den Markt statt…ndet, als roter Lichtpunkt und jede Transaktion, die innerhalb einer
Hierarchie statt…ndet, als blauer Lichtpunkt auf einer Karte von Europa eingezeichnet werden
würde, so würden sicherlich die blauen Lichtpunkte überwiegen, obwohl es sich in der Regel
bei den europäischen Staaten um Gesellschaften handelt, die sich selber als Marktwirtschaften
bezeichnen würden.
Exkurs zum vollkommenen Markt2
Der vollkommene Markt hat folgende Eigenschaften:
1. es werden ausschließ
lich (homogene und beliebig teilbare) private Konsumgüter produziert;
2. es fehlen externe E¤ekte sowohl in der Produktion als auch im Konsum;
3. es besteht Markttransparenz, d.h. alle Marktteilnehmer sind jederzeit und vollständig über
alle relevanten Daten informiert;
4. Rationalitätsannahme, d.h. alle Marktteilnehmer verhalten sich rational;
5. Punktförmigkeit des Marktes, d.h. der Markt ist räumlich und zeitlich konzentriert; Anpassungsprozesse vollziehen sich sofort und verursachen keine Kosten.
6. es besteht vollkommene Konkurrenz.
Unter diesen Bedingungen kommt es zu einem allgemeinen Gleichgewicht oder auch WalrasGleichgewicht in einer Volkswirtschaft.
Erstes Wohlfahrtstheorem: Das Walras-Gleichgewicht führt zu einer Pareto-e¢ zienten
Allokation.
Nach dem Pareto-Kriterium ist ein Zustand einem anderen Zustand vorzuziehen, wenn zumindest ein Individuum eine Erhöhung seines Nutzenniveaus erfährt und kein anderes Individuum
dabei benachteiligt wird. Ein Pareto-Optimum besteht, wenn kein Individuum besser gestellt
werden kann, ohne dass jemand anders schlechter gestellt wird.
Zweites Wohlfahrtstheorem: Wenn die Präferenzen monoton und konvex sind und die Präferenzordnung vollständig und transitiv ist, dann ist jede Pareto-e¢ ziente Allokation das WalrasGleichgewicht für eine bestimmte Anfangsausstattung.
2
vgl. Egon Sohmer: Allokationstheorie und Wirtschftspolitik, und David Kreps: A course in microeconomic
theory, oder Hal Varian: Microeconomics
5
Das zweite Wohlfahrtstheorem besagt, dass, um eine gewünschte Verteilung zu bekommen, die
Anfangsausstattung dementsprechend gewählt wird und der Markt dann den Rest besorgt. Wenn
zum Beispiel ein wohlwollender Diktator eine gleiche Verteilung anstrebt, so sollte nicht die
Endausstattung gleich sein (Präferenzen sind unterschiedlich), sondern die Anfangsausstattung.
Exkurs zu Externen E¤ekten
De…nition:
Externe E¤ ekte liegen vor, wenn irgendeine Handlung Konsequenzen hat für andere Personen,
Güter etc.
Wenn externe E¤ ekte in der Produktion auftreten, so entsprechen die privaten Grenzkosten der
Produktion nicht den sozialen Grenzkosten. Es besteht eine Divergenz zwischen privater und
sozialer Grenzkostenfunktion. Das Marktgleichgewicht, hervorgebracht durch das optimierende
Verhalten der Marktteilnehmer, liegt dort, wo die private Grenzkostenkurve oder Angebotskurve
die private Nachfragekurve oder die marginale Zahlungsbereitschaftskurve schneidet. Wenn nun
externe E¤ ekte vorliegen, wird im Marktgleichgewicht nicht mehr die soziale oder gesellschaftliche Wohlfahrt maximiert, da es eine Divergenz zwischen dem privatem und sozialen Grenzkosten
gibt. Im ”privatem” Marktgleichgewicht ohne Berücksichtigung der externen E¤ ekte durch die
Marktteilnehmer, ist die Wohlfahrt geringer als im sozial optimalen Marktgleichgewicht. Das
Marktgleichgewicht ist nicht mehr vollkommen. Externe E¤ ekte sind vor allem in der Umweltökonomie theoretisch und empirisch untersucht worden. Doch externe E¤ ekte beschränken sich
nicht auf Klimaänderung oder Umweltbelastungen. Besonders bei spieltheoretischen Modellen
sind immer externe E¤ ekte vorhanden, weil Reaktionsverbundenheit herrscht, d.h.: die Handlung von Spieler 1 hat Ein‡uss auf die Handlung von Spieler 2 und umgekehrt; im Modell des
vollkommenen Marktes hingegen wird von einem Mengenanpasserverhalten ausgegangen und
von externen E¤ ekten abstrahiert. Es wird zwischen positiven und negativen externen Effekten unterschieden.
Die Hierarchie als zweite extreme Organisationsform, gründet sich immer auf einem Weisungsberechtigten und seinen Untergeordneten. Nicht nur Unternehmen sind hierarchisch organisiert,
sondern auch Behörden, Institutionen etc. Unter dem Begri¤ Hierarchie werden wir daher nicht
nur Unternehmen verstehen, sondern jede Organisation, die wirtschaftliche Aktivitäten durchführt und hierarchisch strukturiert ist.
Beide genannten Organisationsformen können auch als eine besondere Form eines Vertrags
angesehen werden. Bei dem Erwerb eines Gutes auf einem Markt kommt implizit ein Vertrag
zu Stande. In der Regel sind die Vertragsmodalitäten in den allgemeinen Geschäftsbedingungen
…xiert. Auch die Unternehmung kann als ein ”Nexus von Verträgen”betrachtet werden. Hierauf
wird später noch zurück gekommen werden.
Zwischen diesen beiden Extremformen der Organisation wirtschaftlicher Aktivitäten liegen eine
ganze Reihe von Mischformen, z.B. explizite Verträge, Franchising, etc.
Der Grad der Beherrschung, nimmt von Markt bis zur Hierarchie zu. In einer Hierarchie ist
der Grad der Beherrschung am größ
ten. Der Grad der Koordination ist nicht ganz unabhängig
vom Grad der Beherrschung. Die Koordination ist beim Markt vorhanden, bei Abnahmeverträgen sehr hoch und bei Franchising und Hierarchie am höchsten. Der Grad der Flexibilität
hingegen nimmt vom Markt bis zur Hierarchie ab.
Exkurs zur Bedeutung von Verträgen in der Landwirtschaft
Nach einer Befragung von Drescher (Klaus Drescher: Vertraglich vertikale Koordination in der
deutschen Landwirtschaft) spielt die vertragliche Absicherung in der Sauenhaltung im Norden
Deutschlands eine wichtige Rolle (25% der Landwirte sind vertraglich vertikal gebunden), im
Süden hingegen nicht so sehr (in Deutschland insgesamt sind etwa nur 5% der sauenhaltenden
Landwirte vertraglich gebunden). Dasselbe gilt für Mastschweine mit 34% im Norden bzw. 15%
insgesamt. In der Rindermast scheint die vertikale vertragliche Bindung kaum Bedeutung zu
haben, in der Kälbermast eine geringe Bedeutung, wie auch in der Ge‡ügelmast. In der Legehennenhaltung, bei Schafen und Zuchtvieh scheinen kaum vertragliche vertikale Bindungen zu
bestehen.
In der p‡anzlichen Produktion beträgt bei Zuckerrüben und Braugerste der vertraglich gebundene Anteil 100%. Auch bei Saatgut ist der Anteil der vertraglich gebundenen Produktion sehr
hoch, wie auch bei Industriekarto¤eln und Industriegemüse. Bei Gemüse und Obst sowie Kartoffeln ist dieser Anteil höher als bei Getreide. Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn die Bedeutung
von Erzeugergemeinschaften auf den verschiedenen Märkten untersucht wird.
6
2.1
Governance-Modi und Organisationsform
Abbildung 2: Formale Koordinationsmechanismen
Der Governance-Ansatz unterscheidet fünf verschiedene Modi der Koordination wirtschaftlicher Transaktionen, die mögliche Risiken (bzw. eine Erklärung für Fehlentwicklungen), aber auch mögliche Chancen (bzw. institutionelle Konzeptionen für mögliche Reformen)
in sich bergen (vgl. Abb. 2 / S. 7).
Es handelt sich um fünf Basisinstitutionen oder Governance-Modi, die jeweils ein eigenes leitendes Prinzip haben:
1. der Markt und das Prinzip der unkoordinierten Konkurrenz;
2. das Unternehmen und das Prinzip der privaten Organisation mit interner Hierarchie;
3. die Gemeinschaft bzw. das Netzwerk und das Prinzip der spontanen Solidarität;
4. der Staat und das Prinzip der hierarchischen Kontrolle ö¤entlicher Gewalt;
5. die Verbände und das Prinzip kollektiver Verhandlungen und Abkommen durch organisierte Interessen.
Aufgaben
1. Unterscheiden Sie den Markt von einer Hierarchie.
2. Welche Rolle spielen Verträge in unserer Gesellschaft?
3. Was wird unter einem vollkommenen Markt verstanden?
4. Was ist eine ”Pareto-e¢ ziente Allokation”?
5. Welche Faktoren erfüllen Verträge?
6. Welche Modi der Koordination (Governance Modi) kennen Sie und welches leitende Prinzip
ist jeweils damit verbunden?
7
3
Organisation in formalen Organisationen
Wirtschaftliche Aktivitäten …nden nicht nur in hierarchisch strukturierten wirtschaftlichen Unternehmen statt, sondern auch in Behörden und anderen Institutionen. Aus diesem Grund verwenden wir hier den Begri¤ Hierarchie und nicht Unternehmung.
De…nition:
Eine Hierarchie ist eine Organisation in einer formalen Organisationsstruktur.
3.1
Unternehmensformen in Deutschland
Gliedern lassen sich die Rechtsformen für die Unternehmen3 in:
Kapitalgesellschaften
Personengesellschaften
Genossenschaften
Einzelunternehmen
Mischformen
Alle diese Unternehmensformen werden unter dem Begri¤ ”formale Organisationen”zusammengefasst, wobei Behörden, Universitäten, Kirchen u.a. auch hier einzuordnen sind, für unser
weiteres Thema aber nicht von Belang sind.
Unter die Kapitalgesellschaften fallen als spezi…schere Organisationsformen:
die Aktiengesellschaft (AG)
die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
Bei den Personengesellschaften sind es die:
O¤ene Handelsgesellschaft (OHG)
Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR oder BGB-Gesellschaft)
Kommanditgesellschaft (KG)
Genossenschaften:
eingetragene Genossenschaften (e.G.)
Im weiteren Verlauf wird uns die Fremdkapitalaufnahme und Haftung von Unternehmen interessieren.
Exkurs zu einem wichtigen ökonomischen Prinzip
Derjenige, der durch eine wirtschaftliche Aktivität Vorteile hat, sollte die Regeln und Abläufe
dieser Aktivität bestimmen und sollte auch selbst die entstehenden Kosten tragen.
3
vgl. hierzu AID (Hrsg.): Rechtsformen landwirtschaftlicher Unternehmen
8
Verschiedene Haftungsformen der deutschen Unternehmensformen:
Kapitalgesellschaften: Haftung in der Regel beschränkt
GmbH: ist juristische Person; die Haftung ist auf ihre Einlagen (mindestens 25 000 Euro)
beschränkt
AG: Aktionäre haften mit dem Nennwert ihrer Aktien. Die Anteile der Eigentümer werden
als marktgängige Wertpapiere in Umlauf gebracht
Personengesellschaften: unbeschränkte Haftung mit Privatvermögen
OHG: Gesellschafter haften unbeschränkt mit ihrem Privatvermögen
KG: bei der Kommanditgesellschaft haftet der Geschäftsführer (Komplementär) mit seinem Privatvermögen, die Kommanditisten in Höhe ihrer Einlagen
GbR: Gesellschafter haften unbeschränkt mit ihrem Privatvermögen
Genossenschaften: auf Einlagen beschränkte Haftung
- Personenvereinigung in fester Rechtsform zur wirtschaftlichen Förderung ihrer Mitglieder.
- Alle Mitglieder einer Genossenschaft haften mit ihren Einlagen.
- Die Mitglieder haben keine weiteren Verp‡ichtungen, sofern sie ihre Einlagen erbracht
haben und in der Satzung keine Nachschussp‡icht vereinbart worden ist.
Die GmbH&Co.KG: ist eine Mischform mit beschränkter Haftung.
Grundform dieser Mischform ist die KG. Diese hat zwei Arten von Gesellschaftern: Zum einen
solche, die wie die Gesellschafter der OHG unbeschränkt mit ihrem gesamten Vermögen haften
(Komplementäre), und zum anderen solche, deren Haftung auf die Kapitaleinlage beschränkt ist
(Kommanditisten). Anstelle natürlicher Personen wird als Komplementärin eine GmbH in die
KG aufgenommen. Damit wird die Haftung auf das Kapital der GmbH begrenzt.
Hinsichtlich aller Rechtsformen ist zu erwähnen, dass mit der Rigidität der jeweiligen Haftungsverhältnisse das Risiko der Eigenkapitalgeber wächst. Entgegengesetzt zum Risiko der Eigenkapitalgeber entwickelt sich das Risiko der Fremdkapitalgeber. Die Kreditwürdigkeit eines Unternehmens steigt mit der Strenge der Haftungsverp‡ichtung. Eine Personengesellschaft ist daher
grundsätzlich kreditwürdiger als eine GmbH.
Fazit
Sowohl die Eigen- als auch die Fremdkapitalbescha¤ung werden von den Haftungsverhältnissen beein‡usst.
3.2
Unternehmensformen in den USA oder Rechtsformen des amerikanischen
Unternehmens
Vergleichen Sie hierzu
4
Corporation (im Prinzip unsere Kapitalgesellschaft)
Sole proprietorship (unser Einzelunternehmen)
General partnership (OHG)
Limited partnership (Kommanditgesellschaft)
Joint Venture (Gemeinschaftsunternehmen)
4
S. Tiessen: Die Rechtsform des amerikanischen Geschäftsbetriebes. In: Eggert und Gonall (Hrsg.): Handbuch
USA-Geschäft. Wiesbaden: Gabler Verlag, 1989.
9
Es gibt mehrere frei wählbare Bezeichnungen der Corporations:
Corp. (Corporation)
Comp. (Company)
Inc. (Incorporated)
Ltd. (limited)
Allgemein ist zu erwähnen, dass überall auf der Welt die Unterscheidung von Kapital- und
Personengesellschaften vorgenommen wird.
Aufgaben
1. Welche Unternehmensformen kennen Sie?
2. Wie unterscheidet sich die Haftung bei den verschiedenen Unternehmensformen?
3. Welche Unternehmensformen kennt das amerikanische Recht?
10
4
Klassische Ansätze der Organisationstheorie
Die Ansätze der Organisationstheorie werden traditionell in klassische und moderne Ansätze
unterschieden. Überblick über die Ansätze der Organisationstheorie (vgl. Abb. 3 / S. 12) 5 .
Zu den klassischen Ansätzen zählen der Arbeitswissenschaftliche Ansatz (mit dem Namen Taylor
verbunden), der Bürokratieansatz (mit dem Namen Weber verbunden) und der administrative
Ansatz (mit den Namen Fayol und Kosiol verbunden).
4.1
Arbeitswissenschaftlicher Ansatz (1900)
Begründet wurde dieser Ansatz von Frederick W. Taylor (1856-1915) und kam um 1900 auf.
Er wird daher auch (mit deutlich negativer Konnotation) ”Taylorismus”genannt. Taylor selbst
(1911) wählte den Begri¤ ”Scienti…c Management”.
Taylors ”Scienti…c Management”löste im Gefolge mit der Er…ndung des Fliessbandes (daher eng
mit dem Namen Ford verbunden) eine Revolution in der industriellen Arbeitswelt aus. Man war
bestrebt genauestens die Arbeitsprozesse zu analysieren und stets e¢ zienter zu gestalten.
Der Arbeitsprozess, zusammen mit der Planung und Bescha¤ung, war Gegenstand dieser wissenschaftlichen Untersuchung. ”Scienti…c Management”(Hauptvertreter: Taylor, Drury, Towne,
Halsey) oder auch ”Physiologischer Ansatz”, deshalb, weil auch Zeit- und Bewegungsstudien
unternommen worden sind.
Was gab es vor dieser Zeit der Massenanfertigung und Zerlegung der Arbeitsprozesse? Vor dieser Zeit gab es überwiegend Handwerksarbeiten und daher Handwerksmeister, die nahezu für
alles zuständig waren, was die Arbeiter betraf. So waren sie z.B. verantwortlich für Einstellung,
Ausbildung, Lohnfestsetzung, Arbeitsdurchführung und Disziplinarmaß
nahmen. Im handwerklichen System ist es der Arbeiter, der auf der Grundlage seiner gesammelten Erfahrungen fast
alle Arbeitsschritte selbst gedanklich vorbereitet, die notwendigen Arbeiten dann ausführt und
schließ
lich die Ergebnisse kontrolliert. Taylor hat diese Einheit aufgebrochen und die Arbeit in
kleinste Schritte zerlegt, um möglichst hohe Spezialisierungsgewinne zu erzielen.
Exkurs zu Adam Smith und dem Beispiel der Stecknadelproduktion6
„Der Arbeiter zieht den Draht, ein anderer streckt ihn, ein dritter schneidet ihn ab, ein vierter
spitzt ihn zu, ein fünfter schleift ihn am oberen Ende, damit der Kopf angesetzt werden kann.
Die Anfertigung des Kopfes macht wiederum zwei oder drei verschiedene Tätigkeiten erforderlich: das Ansetzen desselben ist eine Arbeit für sich, das Weiß
glühen der Nadeln ebenso, ja sogar
das Einwickeln der Nadeln in Papier bildet eine selbstständige Arbeit. Auf diese Weise zerfällt
die schwierige Aufgabe, eine Stecknadel herzustellen, in etwa achtzehn verschiedene Teilarbeiten, die in manchen Fabriken alle von verschiedenen Händen ausgeführt werden, während in
anderen zuweilen zwei oder drei derselben von einem Arbeiter allein besorgt werden. Ich habe
eine kleine Manufaktur dieser Art gesehen, in der nur zehn Mann beschäftigt waren und folglich
einige zwei oder drei verschiedene Arbeiten zu übernehmen hatten. Obgleich sie nur sehr arm
und infolgedessen mit den nötigen Maschinen nur ungenügend versehen waren, so konnten sie
doch, wenn sie sich tüchtig daranhielten, an einem Tag zusammen etwa zwölf Pfund Stecknadeln anfertigen. Ein Pfund enthält über viertausend Nadeln mittlerer Größ
e. Diese zehn Arbeiter
konnten demnach täglich über achtundvierzigtausend Nadeln herstellen. Da nun auf jeden der
zehnte Teil von achtundvierzigtausend Nadeln entfällt, so kann man auch sagen, dass jeder täglich viertausendachthundert Nadeln herstellte. Hätten sie dagegen alle einzeln und unabhängig
voneinander gearbeitet und wäre niemand besonders angelernt gewesen, so hätte gewißkeiner
zwanzig, vielleicht sogar nicht einmal einer eine Nadel täglich anfertigen können, d. h. sicher
nicht den zweihundertvierzigsten, vielleicht nicht einmal den viertausendachthundertsten Teil
von dem, was sie jetzt in Folge einer entsprechenden Teilung und Vereinigung der verschiedenen
Arbeitsvorgänge zu leisten imstande sind.”
5
Quelle: Verändert nach Manz, Albrecht und Müller: Organisationstheorie, S. 2
6
Adam Smith: Eine Untersuchung über Natur und Wesen des Volkswohlstandes, S. 5 ¤ zitiert nach U. Baß
eler,
J. Heinrich und W. Koch: Grundlagen und Probleme der Volkswirtschaft. Köln: Wirtschaftsverlag Bachem,
1991 (13. Au‡age)
11
Abbildung 3: Ansätze der Organisationstheorie
Taylor
1910
Bürokratieansatz
Weber
1920
Administrativer Ansatz
Fayol, Kosiol
1930
Motivationsorientierter
Ansatz
Human-Relations-Variante (Mayo)
Motivationstheoretische Variante
(Maslow, Herzberg, McGregor)
1940
Entscheidungsorientierter
Ansatz
Verhaltenswissenschaftliche
Variante (Barnard, Simon, March)
Experimentelle Variante
Systemorientierter Ansatz
1960
Strukturalistischer Ansatz
Systemtheoretisch-kybernetische
Variante (Bertalanffy, Wiener)
Aston-Gruppe
Property-Rights-Ansatz (Coase,
Alchian, Demsetz)
seit
1970
Transaktionskostenansatz
(Williamson)
Moderne Mikroökonomik
Vertragstheorie
Principal-Agent-Ansatz (Jensen,
Meckling)
Mechanismus Design
12
Mensch als
Strategisch denkender rationaler
„Complex Man“ Produkt der
Mensch
Umwelt
Moderne Ansätze
1950
(60)
Organisations-soziologische
Variante (Talcott Parsons, Niklas
Luhmann)
(begrenzt)
rationaler Mensch
Mathematische Variante (Marschak,
Neumann, Morgenstern)
(sozial)
motivierter
Mensch
Arbeitswissenschaftlicher
Ansatz
Mechanistischer
Mensch
Klassische
Ansätze
1900
Taylor kam nach verschiedenen Studien zu der Erkenntnis, dass durch die Aufteilung der Gesamtarbeit in viele einzelne Teilarbeiten die Arbeitsproduktivität gesteigert werden konnte. Die
Analyse der Arbeitsvorgänge ist für das ”Scienti…c Management” die Voraussetzung. Hierfür
wurde von Taylor und seinen Schülern ein spezielles Instrumentarium entwickelt, die Zeit- und
Bewegungsstudien.
Weiter stellte Taylor fest, dass die einfachen Arbeiter von planenden und vorbereitenden Aufgaben entbunden werden mussten, um eine e¢ zientere Arbeit zu gewährleisten.
Bemerkungen
Das erste Kernprinzip des Taylor-Systems ist die Trennung von Hand- und Kopfarbeit.
) Die Arbeitsplanung wurde die Aufgabe speziell vorgebildeter Ingenieure, die Arbeiter
sollten sich ganz auf die Ausführung einzelner Arbeitsschritte konzentrieren. Daher richtete er eine zentrale Verwaltung ein mit der Zuständigkeit für Arbeitsvorbereitung und
Produktionskontrolle.
Das zweite Kernprinzip ist die Einführung des Leistungslohns, genauer gesagt des
Akkordlohns.
) Dafür ist die Messung der ”Normalzeit” oder stückbezogene ”Normalleistung” ganz
wichtig.
Die systematische Personalauswahl auf der Basis von exakt spezi…zierten Anforderungspro…len bildete das dritte Kernprinzip des Ansatzes von Taylor.
) Die jeweils best geeignetsten Arbeiter sollten ausgewählt werden. Dies war die Geburtsstunde der modernen Personalwirtschaft.
Fazit
Das Menschenbild, welches hinter diesem System steht, ist das eines Arbeiters, der ein systematischer ”Drückeberger”7 ist und einen angeborenen Instinkt hat, ”nicht mehr zu arbeiten,
als unumgänglich nötig”8 . Daher bekommt neben der Arbeitsplanung und der Ausführung die
Kontrolle eine ganz wichtige Funktion.
Das Taylor-Prinzip, wonach jede Spezialisierung und Standardisierung eine Steigerung
der Arbeitsproduktivität zu Folge hat, hat einerseits die E¢ zienz gesteigert, andererseits
für den arbeitenden Menschen zu einer Entfremdung von der eigenen Arbeit geführt: Teilung und Sinnentleerung der Arbeit, Disziplinierung und Überwachung der Arbeiter mit der
Folge der Fremd- statt Selbstbestimmung, Verschärfung des Arbeitstempos bis hin zur Arbeitshetze, Monotonie etc.
In den USA verband sich das Taylor-System mit anderen Methoden und Technologien der Massenproduktion, wie Produktstandardisierung, Logistik und Mechanisierung und sollte entscheidende Bedeutung für die Entwicklung der modernen Industriegesellschaft erhalten. Als es schließ
lich zu Streiks und massiver Opposition gegen das Taylor-System kam, entschied sich
der US-Kongress im Jahr 1912 sogar ein Hearing zu veranstalten, um zu klären, ob das System
ethisch vertretbar sei oder ob es den Arbeiter ausbeute.
Exkurs zu dem Zeitgeist dargestellt in Charlie Chaplins ”Moderne Zeiten”
(Arbeit am Fliessband: Schraubendrehen und durch die Räder gedreht werden.)
7
Taylor 1913, S. 21
8
Taylor 1913, S. 18
13
Bewertung des Taylor-Ansatzes:
Mensch zur Maschine degradiert
Zerstörung des traditionellen Handwerksethos und der Arbeitszufriedenheit
Mangelnde Berücksichtigung von Motivation und menschlichen Beziehungen
aber
(wirtschaftlicher) Vorteil des Ansatzes: Arbeitsteilung und Produktivitätssteigerung, Senkung der Kosten
4.2
Bürokratie-Ansatz (1910)
Die Notwendigkeit von Organisationsstrukturen besteht nicht erst in jüngster Vergangenheit.
Die Verwaltung des alten chinesischen Reiches (1122-249 v. Chr.) stellte eine groß
e Organisationsaufgabe dar. So entstand um das Jahr 1100 v. Chr. ein ”Handbuch zur Verwaltung des
Reiches”, das die einzelnen Kompetenzen den verschiedenen ö¤entlichen Ämtern zuordnete. Damit ist Verwaltung eigentlich die früheste Organisationsform gewesen.
Der bürokratische Ansatz geht auf Max Weber (1864-1920) zurück. Weber ist nicht daran
gelegen, Prinzipien zur Optimierung betrieblicher Organisation zu entwickeln, sondern ihm geht
es um die Erklärung des Aufkommens und des Funktionierens groß
er Organisationen zu Anfang
des 20. Jahrhunderts.
Folgende Merkmale charakterisieren die bürokratische Organisation9 :
Genau abgegrenzte Kompetenzbereiche
Anstellung durch Arbeitsvertrag
Fixierte Laufbahnen einschließ
lich Gehaltshierarchie
De…nierte Quali…kationserfordernisse für Stelleninhaber
Unpersönlichkeit der Amtsführung
Aktenmäß
igkeit der Verwaltung
Prinzip der Amtshierarchie (Instanzenzug)
Regelgebundenheit der Amtsführung
Ausgangspunkt für Webers Arbeiten war das rasche Anwachsen groß
er Organisationen in den
industriellen Gesellschaften und der Versuch zur Erklärung ihres Erfolges.
Annahme
Webers zentrale These ist, dass mit der bürokratischen Organisation das e¢ zienteste
Instrument gefunden wurde, um die komplexen Handlungssituationen in Groß
organisationen
zu steuern und den Gehorsam der vielen Mitglieder sicher zu stellen.
Exkurs zu den Organisationsformen von Bienen oder Ameisen?
Einige Lebewesen bilden Kolonien (z.B. Ameisen oder Termiten) oder Völker (Bienen). Hier
stellt sich sofort die Frage, wie ist es möglich, dass diese Wesen, die selber relativ primitiv
sind, komplexe Organisationsformen erfolgreich praktizieren können. (Hier ist das Ganze sehr
viel mehr als die Summe der Teile.) Betrachten wir als Beispiel die Suche eines neuen Wohnplatzes durch einen Bienenschwarm 10 Wenn ein Bienenschwarm eine neue Wohnstätte sucht,
9
Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft - Grundriss der verstehenden Soziologie, 1976, S. 124 ¤.
10
vgl. hierzu Thomas D. Seeley: Decision Making in Superorganisms: How Collective Wisdom Arises from
the Poorly Informed Masses. In: Gigerenzer, G. und R. Selten (Hrsg.): Bounded Rationality: The Adaptive
Toolbox.
14
‡iegen viele Hundert Kundschafter aus. Die Frage hierbei ist, wie können die Bienen gemeinsam entscheiden, welche von den möglichen Wohnstätten in der Umgebung am besten geeignet ist? Die Kundschafter-Bienen in dem Schwarm identi…zieren etwa ein Dutzend möglicher
Plätze. Jede dieser Alternativen wird anhand von einer Reihe von Eigenschaften bewertet und
die beste Alternative wird von dem Schwarm dann gewählt. Wir wissen wenig darüber, wie die
Kundschafter-Bienen die einzelnen Plätze bewerten, jedoch besucht jede Kundschafter-Biene in
der Regel nur einen einzigen möglichen Standort. Wir wissen jedoch etwas mehr darüber, wie
die einzelnen Bienen zusammenarbeiten, um den besten Standort zu wählen, nachdem die einzelnen Kundschafter die Information über die verschiedenen Standorte dem Schwarm durch einen
Wackeltanz mitgeteilt haben. Die Bienen entscheiden, welches der beste Standort ist, in einer
Art Abstimmungsprozess der einzelnen Kundschafter. Anstatt dass jede Biene den von ihr erkundschafteten Standortes mit der Qualität der von den anderen Bienen erkundeten Standorte
vergleicht, indem jede Biene alle möglichen Standort selber besucht, …ndet der folgende Abstimmungsprozess zwischen den einzelnen Kundschaftern statt: die Abstimmung …ndet dadurch statt,
dass Bienen entweder aufhören für ihren Standort zu tanzen, die Stärke ihres Tanzes an die Qualität des von ihr erkundeten Standortes anpassen oder neue Tänzer gewinnen durch die Intensität
mit der sie für Ihren Standort tanzen. Auf diese Art verlieren mittelmäß
ige Standorte alle ihre Tänzer und der beste Standort wird alle Tänzer gewinnen. Es zeigt sich, dass der Schwarm
fähig ist, ganz komplexe Entscheidungen zu tre¤ en, während die einzelnen Individuen nur ganz
einfach denkende Lebewesen sind.
Vergleichen wir dies mit den Überlegungen von Adam Smith in seinem Beispiel zum Schlachter
und Bäcker: ”Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers oder Bäckers erwarten wir das, was
wir zum Essen brauchen, sondern davon, dass sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen.”11 .
Weber erklärt, weshalb die Bürokratie allen anderen bis dahin bekannten Organisationsformen
überlegen ist. Kernpunkt ist die Existenz einer durch generelle Regeln gescha¤ene Ordnung (Organisationsstruktur) und die Anerkennung dieser Ordnung durch die Organisationsmitglieder. Indem sie die Regeln befolgen, stabilisieren die Organisationsmitglieder die Verhaltenserwartungen nach innen und nach auß
en. Der organisatorische
Komplex wird dadurch trotz seiner Größ
e zu einer berechenbaren und beherrschbaren Einheit.
Zentral für den Erklärungsansatz ist der Begri¤ der Herrschaft, de…niert als die Chance für
Befehle bei einer Gruppe von Menschen Gehorsam zu …nden.
De…nition:
Bei Weber ist Herrschaft ein Sonderfall von Macht. Diese wird de…niert als die Möglichkeit, den
eigenen Willen dem Verhalten anderer aufzuzwingen.
Herrschaft entspringt einem geordneten Gefüge. Befehle werden befolgt, wenn und soweit ihre
Basis für legitim gehalten wird. Wenn dieser fundamentale Gehorsamskonsens fehlt, handelt es
sich nach Weber nicht um Herrschaft, sondern nur allgemein um Macht. Die Frage, worauf dieser Legitimitätsglaube basieren kann, führt zur Unterscheidung verschiedener Herrschaftstypen.
Weber sieht in der Bürokratie eine Form der Legalherrschaft. Er sieht in dieser Form eine
zu dieser Zeit dominierende Herrschaftsform in Wirtschaft und Verwaltung. Dabei beschreibt er
weniger die Realität, sondern er stellt eher die Zweckmäß
igkeit der bürokratischen Organisation
als wirksamste Form der Herrschaftsausübung in den Mittelpunkt.
Weber unterscheidet drei Arten von Herrschaftsformen, die alleine oder in Kombination
auftreten können:
die legale Herrschaft, die auf dem Glauben an die Legalität der gegebenen Ordnung basiert;
die traditionelle Herrschaft, die auf dem Glauben des immer schon Gewesenen beruht;
die charismatische Herrschaft, deren Legitimität sich auf dem emotionalen Glauben an
eine Person oder die durch sie gescha¤ene Ordnung stützt
11
Smith 1978, S. 17
15
Der Leiter einer bürokratischen Organisationsstruktur erlangt seine Legitimation entweder durch
Wahlen oder durch Eigentum und Vermögen. Die abstrakte Regelbindung und der Glaube
an die Legitimität dieser Regeln ist das Besondere der legalen Herrschaft, und die bürokratische Organisation wird als deren reinste Verkörperung angesehen.
Organisationen zeichnen sich durch Regelmäß
igkeiten im Handeln ihrer Mitglieder aus. Das
individuelle Handeln der Organisationsmitglieder richtet sich nach dem Handeln der übrigen
Mitglieder. Dies funktioniert gut bei kleinen überschaubaren Gruppen. Wie kommen aber Regelmäß
igkeiten in groß
en unüberschaubaren sozialen Gebilden zustande? Hier liefert die Organisationsstruktur eine abstrakte Orientierungshilfe. Nur durch die Existenz dieser legitimen
Ordnung kann jedes Organisationsmitglied das Verhalten anderer Mitglieder absehen und so
sein eigenes Verhalten daran anpassen.
Max Weber unterscheidet Konvention und Recht als zwei Mechanismen der äuß
eren Garantie.
Eine äuß
erliche garantierte Ordnung heiß
t nicht gleich auch die innere Anerkennung und Akzeptanz durch die handelnde Person, wodurch eine legitime Ordnung erst entsteht. Diese innere
Überzeugung wird durch Tradition (das immer Gewesene hat Geltung), kraft emotionalen
Glaubens (das Emp…nden einer nicht zu erklärenden Attraktivität von Regelungen oder deren Vorbildlichkeit), kraft wertrationalen Glaubens (der Glaube an bestimmte Wertbegri¤e,
die durch die Ordnung garantiert werden) oder kraft positiver Satzung (der Glaube an die
Legalität der vereinbarten oder oktroyierten Ordnung selbst) hervorgerufen.
Bewertung des Weber-Ansatzes:
Herrschaftsaspekt rückt in den Mittelpunkt;
Arbeitsmotivation und Zufriedenheit werden kaum beachtet;
die eingeforderte Regeltreue kann sich verselbständigen: Mitarbeiter verlieren die eigentliche Zielerfüllung aus den Augen und Regelgehorsam ist zum Ziel geworden;
die Umwelt unterliegt einem Wandel: Anpassung an die geänderten Bedingungen wird
durch strenge Regelgebundenheit erschwert.
Exkurs zu dem Zeitgeist: Kafka: ”Der Prozess” und ”das Schloss”.
Der Prozess (1914):
„Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde
er eines Morgens verhaftet.” Der vor einem imaginären Gericht Angeklagte trachtet die Schuld,
die ihm zur Last gelegt wird, den ganzen Roman hindurch zu ergründen. Die Anklageschrift ist
ihm wie seinem Advokaten unerreichbar. Die Schuld steigert sich dadurch, dass K. sich gegen sie
wehrt, Aus‡üchte und Hilfe sucht. Trotz ihrer Immaterialität ist sie konkret, mit unerbittlicher
Präzision erfolgt die Verurteilung zum Tod, das unbekannte Gesetz erfüllt sich.
Das Schloss:
Der Versuch des Landvermessers K., ins Schloßzu gelangen, jenen gleich nahen und unermesslich fernen Bau, schlägt ebenso fehl wie sein Versuch, sich in der Dorfgemeinde, die zum
Schloss gehört, anzusiedeln. Je mehr K. sucht, desto weiter entfernt er sich vom Ziel, ja, er
verliert es schließ
lich im Gestrüpp täglicher Niederlagen und Erniedrigungen fast ganz aus dem
Auge. Das Schloss aber mit seinen seltsamen Akten, seiner unerforschlichen Hierarchie von Beamten, mit seinen Launen und seinem Anspruch auf unbedingten Gehorsam bleibt bestehen; nur
die Weisungen, die von ihm kommen, scheinen dunkel und unverständlich.
4.3
Administrativer Ansatz (1920)
Wie bei Taylor werden auch in dem administrativen Ansatz Überlegungen zu einer rationaleren
Arbeitsorganisation angestellt, die für eine e¤ektivere Bewältigung von Führungs- und Verwaltungsaufgaben Hilfestellung geben soll. Dieser Ansatz ist mit dem Namen von Henry Fayol
(1841-1925) verbunden.
Fayol schlägt folgende 8, auf das Organisieren bezogene, Managementprinzipien (von 14) vor12 :
12
Fayol (1918) nach Schreyögg.
16
1. Arbeitsteilung: Mehr und bessere Arbeit bei gleicher Anstrengung ist durch Spezialisierung erzielbar.
2. Autorität und Verantwortung: Autorität ist das Recht, Anweisungen zu erteilen, und
die Macht, sich Gehorsam zu verscha¤en.
3. Disziplin: Dies bedeutet in erster Linie Gehorsam gegenüber allen Konventionen, die in
dem Unternehmen gelten.
4. Einheit der Auftragserteilung: Für jedwede Arbeit sollte ein Beschäftigter Anweisungen nur von einem Vorgesetzten erhalten.
5. Einheit der Leitung: Alle Anstrengungen, Koordinierungen, Anweisungen müssen auf
ein Ziel und eine Direktion hin ausgerichtet sein.
6. Zentralisierung: Die Zentralisierung ist natürlicher Bestandteil jeder Organisation, alle
Entscheidungen müssen an einem Ort zusammenlaufen. Das optimale Ausmaßan Zentralisierung muss für jedes Unternehmen individuell gefunden werden.
7. Hierarchie: Sie bezeichnet den Instanzenzug, beginnend bei der höchsten Autorität bis
zur untersten Führungsebene. Dies ist der Weg, den alle Kommunikationen zu laufen
haben. In Ausnahmefällen ist jedoch die direkte horizontale Kommunikation zu erlauben
(”Passarelle”).
8. Ordnung: Jeder Mitarbeiter und jedes Ding braucht seinen Platz und alles hat auf seinem
Platz zu sein.
Hierbei stehen die beiden folgenden Grundgedanken im Vordergrund:
Grundsatz der Einheit der Auftragserteilung (Jeder Organisationsteilnehmer erhält
nur von einem Vorgesetzten Weisungen)
Prinzip der optimalen Kontrollspanne (Kein Vorgesetzter soll mehr Untergebene
haben als er überwachen kann).
Die Organisationsgestaltung steht im Mittelpunkt der Fayolschen Lehre. Dabei wird versucht,
die Organisationslehre als eine Sammlung gültiger Prinzipien aufzubauen.
Die Überlegungen Fayols führten zum sogenannten Einliniensystem (s. Abb. 4/ S.18).
Exkurs zu Organisationsstrukturen13
Allgemein wird zwischen der Aufbau- und der Ablauforganisation von Unternehmen unterschieden.
De…nition:
Die Aufbauorganisation umfasst die Gliederung der Unternehmung in Subsysteme (Hierarchieebenen, Abteilungen und Stellen) sowie die Scha¤ ung von Leitungs- Informations- und
Kommunikationsbeziehungen zwischen den Subsystemen. Die Aufbauorganisation beschäftigt sich
demnach mit der Gliederung der Unternehmen in Aktionseinheiten und deren Koordination.
De…nition:
Unter Ablauforganisation wird die räumliche, zeitliche und zielgerichtete Strukturierung von
Arbeitsprozessen verstanden.
Ein Qualitätsmanagementsystem wie ISO (International Organization of Standardization) 9000
oder ein Hygienemanagementsystem wie HACCP (Hazard Analysis and Critical Control Points)
oder auch QS (Qualität und Sicherheit) oder Integrierte Produktion können als Normen für
eine Ablauforganisation bzw. bestimmter Aspekte einer Ablauforganisation, wie Hygiene oder
13
vgl. Manz, Albrecht und Müller: Organisationstheorie
17
gesetzliche Bestimmungen, betrachtet werden. Bei einem umfassenden Qualitätsmanagementsystem wie ISO 9000 wird dementsprechend zwischen Verfahrens- und Arbeitsanweisungen
unterschieden (vgl. hierzu Skript zur Vorlesung Qualitätsmanagement).
Im Rahmen der Aufbauorganisation wird traditionell zwischen Einlinien- und Mehrliniensystemen (s. Abb. 4 / S.18) unterschieden. Das Einliniensystem verwirklicht das von Fayol
(1929) verfochtene Prinzip der Einheit der Auftragserteilung.
Abbildung 4: Einliniensystem
Das Mehrliniensystem (s. Abb. 5 / S.19) geht auf Taylors Funktionsmeistersystem zurück.
An die Stelle des Prinzips der Einheit der Auftragserteilung tritt die Mehrfachunterstellung, eine
Organisationseinheit ist mehreren übergeordneten Einheiten unterstellt. Beim Mehrliniensystem
steht die Fachkompetenz im Vordergrund und nicht das hierarchische Denken. Mögliche Nachteile
des Mehrliniensystems liegen im groß
en Informations- und Kommunikationsbedarf sowie dem
Problem der Abgrenzung von Zuständigkeiten, Weisungen und Verantwortlichkeiten.
Eine weitere Form des Mehrliniensystems ist die Matrixorganisation (s. Abb. 6 / S.19),
mit gleichzeitiger Verrichtungs- und Objektgliederung. Die Verrichtungsgliederung, das heiß
t die
Gliederung nach Funktionsbereichen wie beispielsweise Bescha¤ ung, Produktion, Marketing bildet typischerweise die vertikale Dimension (Linieninstanz), während die Objektgliederung - beispielsweise die Gliederung nach Märkten, Produkten oder Regionen –die horizontale Dimension
(Matrixinstanz) bildet. Durch diese Anordnung entsteht die namengebende Matrix. Die Mitarbeiter stehen in mehreren Weisungsbeziehungen, z.B. sind sie den Leitern der verrichtungsbezogenen Abteilungen Bescha¤ ung, Fertigung und Absatz und gleichzeitig den objektbezogenen
Produktmanagern unterstellt.
Das Stabliniensystem (s. Abb. 7 / S.20) stellt ein weiteres System der Weisungsbefugnisse dar, welches sowohl die Vorteile des Ein- als auch des Mehrliniensystems zu realisieren
versucht. Aufgabe des Stabes ist es, die Instanz bei der Vorbereitung und Kontrolle ihrer Entscheidungen zu unterstützen, Informationen zu bescha¤ en sowie Vorschläge auszuarbeiten. Stäbe
besitzen keine Anweisungsbefugnisse auß
erhalb der eigenen Stelle. Lediglich die zugeordnete Instanz erteilt dem Stab Weisungen. Stäbe können auch auf mehreren Hierarchieebenen auftreten.
18
Abbildung 5: Mehrliniensystem
Abbildung 6: Matrixorganisation
Unternehmensführung
ProduktManagement
Forschung
und
Entwicklung
Beschaffung
Fertigung
Produkt A
Produkt B
Produkt C
19
Absatz
Finanzierung
und
Verwaltung
Abbildung 7: Stabliniensystem
Stab
Aufgaben
1. Beschreiben Sie die klassischen Ansätze der Organisationstheorie
2. Welches Menschenbild bestimmt jeweils die klassischen Ansätze
3. Welche Lehren sind für die Organisationstheorie zu ziehen?
20
5
Moderne Ansätze der Organisationstheorie
Eine mehr oder weniger radikale Abwendung von der klassischen Sichtweise bereitete sich in den
sogenannten Hawthorne-Experimenten vor, die von 1924 bis 1932 im Hawthorne Werk der
Western Electric Comp., einer Tochter der AT&T (American Telefone and Telegraph Comp.)
durchgeführt wurden.
5.1
Motivationsorientierter Ansatz ( seit 1930)
Bei dem motivationsorientierten Ansatz lassen sich zwei Varianten unterscheiden:
1. die Human-Relations-Variante
2. die motivationstheoretische Variante
5.1.1
Human-Relations-Variante
Diese Variante ist zu sehen als Gegenbewegung zu dem im klassischen Ansatz postulierten mechanistischem Menschenbild. Es wurden zum ersten Mal auch die höheren Bedürfnisse des
Menschen angesprochen. Der Mensch wurde als ”sozial motiviertes Gruppenwesen” entdeckt,
bei dem es nicht nur die physiologischen und die Sicherheitsbedürfnisse zu befriedigen gilt.
Beispiel
Hawthorne-Studien: Untersucht werden sollte zunächst der Ein‡uss der Beleuchtung auf die
Arbeitsproduktivität der Arbeiter. Es wurden für dieses Experiment zwei Gruppen gebildet. Die
eine Gruppe arbeitete weiter unter den alten Bedingungen, während die andere, die Testgruppe,
wechselnden Lichtverhältnissen ausgesetzt wurde. Ergebnis des Experiments war, dass sowohl die
Leistung der Test-, als auch der Kontrollgruppe anstieg. Während der ganzen Periode registrierte
man paradoxe Produktivitätsänderungen, die mit den herkömmlichen Theorien nicht zu erklären
waren. Zur Klärung wurde schließ
lich 1927 eine Forschergruppe der Harvard Universität unter
Leitung von E. Mayo hinzugezogen.
Die dann folgenden Untersuchungen und Ergebnisinterpretationen sollten die Hawthorne Experimente weltweit berühmt und zu einem Wendepunkt in der Entwicklung der Organisationstheorie
machen. Nach der Durchsicht aller Befunde und weiteren Experimenten kam die Forschergruppe zu der Au¤assung, dass der entscheidende Grund für die (unerklärlichen) Produktivitätssteigerungen nicht im Lohnsystem oder äuß
eren Arbeitsbedingungen zu suchen sei, sondern im
sozio-emotionalen Bereich, den ”human relations”. Die Beschäftigten waren stolz darauf, Teil
einer so wichtigen Gruppe zu sein, der die freundliche Aufmerksamkeit der Vorgesetzten und
der Forscher galt und überdies das Privileg hatte, über die eigenen Arbeitsbedingungen mitbestimmen zu können. Die Erklärung für die Produktivitätssteigerungen liegt damit in den durch
die Forscher gescha¤enen Beziehungen (Entwicklung einer Gruppenidentität bei den Untersuchungsgruppen).
Exkurs: Unterschied zwischen Naturwissenschaften und Sozialwissenschaften
In den Naturwissenschaften wird in der Regel, Ausnahme im atomaren Bereich, eine Unabhängigkeit des Forschungsgegenstandes von der Forschung selbst ausgegangen. Wenn die Temperatur
gemessen wird, so verändert das nicht die Temperatur. Wenn ein Experiment durchgeführt wird,
gelten keine anderen physikalischen Gesetze, als ausserhalb des Experiments.
In den Sozialwissenschaften hingegen ist der Forschungsgegenstand der Mensch. Auch die Forschung selber wird von Menschen gemacht. Menschen können re‡ektieren und lernen. Damit
sind Forschungsgegenstand und Forschung nicht unabhängig voneinander.
Auch in den Wirtschaftswissenschaften gilt dies. Wenn es z.B. eine Theorie über die zukünftige
Entwicklung des Wechselkurses, einer Aktie oder des Ölpreises geben würde, die überdurchschnittlich erfolgreich in der Prognose dieser Kurse wäre, so würde es sich lohnen, entsprechend dieser
Theorie zu spekulieren. Dies würde sich rumsprechen und immer mehr Marktteilnehmer würden
sich entsprechend dieser Theorie verhalten mit dem Erfolg, dass die Theorie nicht mehr gültig
ist und aufgrund dieser Theorie keine Spekulationsgewinne mehr erzielt werden können.
21
Das Phänomen, dass sich der Forschungsgegenstand durch das Experiment verändert, tritt zum
Beispiel auch in Panelbefragungen auf. Wenn Haushalte veranlasst werden, die Einkaufsdaten
(Preise und Mengen) aufzuschreiben, so ändert sich hierdurch das Einkaufsverhalten. Dieser
E¤ ekt ist als Panele¤ ekt bekannt.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die modernen Neurowissenschaften zeigen, dass
die Erinnerung an ein Ereignis sich mit jedem Erinnern an die Erinnerung verändert. Der
Mensch ist auch für sich selber ein sich mit der Beobachtung veränderndes System.
Fazit
Folgende Schluß
folgerungen können aus den Hawthorne Experimenten gezogen werden:
Organisationsmitglieder verhalten sich nicht rein individualistisch bei Anwesenheit sogenannter informeller Gruppen.
Von besonderer Bedeutung scheinen soziales Prestige und persönliches Ansehen des Organisationsmitgliedes zu sein.
Daraus ergibt sich für den Vorgesetzten, dass er neben seinen technischen auch insbesondere
seine sozialen Fähigkeiten entwickeln soll. Oft sind persönliche Schwierigkeiten und soziale
Probleme die Ursache für ein Sinken der Produktivität. Soziale Beziehungen und Bedingungen rufen Arbeitszufriedenheit hervor, Arbeitszufriedenheit ist wiederum wichtig für die
Arbeitsleistung.
Kritik an dieser Variante:
Arbeitszufriedenheit alleine nicht ausreichend für Leistung. Arbeitszufriedenheit ist eine
notwendige aber nicht hinreichende Bedingung für Leistung.
5.1.2
Motivationstheoretische Variante
Eine wesentliche Weiterentwicklung fand die Human-Relations-Bewegung in dem HumanRessourcen-Ansatz. Hier wird der Human-Relations-Ansatz erweitert, indem nicht nur die
menschlichen Beziehungen, sondern in einem viel umfassenderen Sinne das Selbstverwirklichungsstreben des Menschen am Arbeitsplatz berücksichtigt wird. Es wurde versucht, neue Organisationsmodelle zu entwickeln, die den menschlichen Bedürfnissen besser angepasst sind und
eine wirtschaftliche Nutzung der Human-Ressourcen erlauben.
Diese Variante geht davon aus, dass der Mensch nicht nur ein sozial motiviertes-, sondern
vielmehr auch ein individuell motiviertes Wesen ist.
Bedürfnisse wie Selbstverwirklichung, Verantwortungsübernahme und Partizipation am Entscheidungsprozess treten immer mehr in den Vordergrund (s. auch Abb. 8 / S. 23).
Die nächstfolgende Bedürfnisstufe kann erst erklommen werden, wenn das Individuum die darunter liegende Stufe als langfristig erfüllt betrachtet.
Unter die motivationsorientierte Variante fällt auch der Ansatz von Herzberg (1959):
Herzberg und sein Team ließ
en sich von Ingenieuren und Buchhaltern ihre Erlebnisse am Arbeitsplatz schildern, die diese als angenehm oder unangenehm empfunden hatten. Herzberg
erkannte, dass nur ganz selten dieselben Faktoren in Zusammenhang mit guten und schlechten
Arbeitserlebnissen genannt wurden.
Er vermutete, dass es zwei Klassen von Faktoren gibt:
1. Faktoren, die Zufriedenheit hervorrufen können (Motivatoren), wie Leistung, Anerkennung, Verantwortung usw.
2. Faktoren, die Unzufriedenheit abbauen, aber keine Zufriedenheit erzeugen (Hygienefaktoren), wie Unternehmenspolitik, Überwachung, Beziehung zu Vorgesetzten, Arbeitsbedingungen usw.
22
Abbildung 8: Maslows (1934,1954) Bedürfnispyramide
Herzberg appelliert hiermit an die Manager mehr Gewicht auf den Arbeitsinhalt zu legen als
auf die gescha¤enen Rahmenbedingungen (Hygienefaktoren).
Der Ansatz von McGregor (1960):
McGregor unterscheidet zwischen zwei grundlegenden polaren Menschenbildern:
1. die kontrollorientierte ”Theorie X”, die unterstellt, dass der Mensch müß
ig und faul
ist, zur Arbeit gezwungen werden muss, sich lieber lenken lässt und ungern Verantwortung
übernimmt und dass die Entlohnung einziger Motivationsfaktor ist.
2. die motivationsorientierte ”Theorie Y”, unterstellt dagegen, dass Arbeit ebenso natürlich ist wie das Spiel, wenn die Bedingungen dafür günstig sind und der Mensch an die
Ziele der Organisation festhält.
!”Das Menschenbild bestimmt den Führungsstil”.
Geht man vom postulierten Menschenbild Y aus, dann würden Unternehmensziele eher erreicht
und die Mitarbeiter zufriedener. Eine Anwendung des Menschenbildes X durch den Vorgesetzten
führt dazu, dass sich die Untergebenen tatsächlich so verhalten.
Zusammenfassung
Bewertung des motivationsorientierten Ansatzes: Dieser Ansatz hat einen groß
en Teil zur
Entwicklung der Organisationstheorie beigetragen. Es werden erstmals Organisationsformen
entwickelt, die nicht nur die betrieblichen Bedürfnisse berücksichtigen, sondern vor allem die
menschlichen Bedürfnisse in den Mittelpunkt rücken. Jedoch führen die aufgeführten Organisationsformen oft nicht zum ersehnten Erfolg, da das menschliche Verhalten von sehr komplexen
Bedingungen abhängt, sich oft nicht vorhersagen lässt und sich somit keine standardisierten
Organisationsformen entwickeln lassen. Das Verhalten der Personen ist von anderen Personen
abhängig. Oft tragen zum Erfolg oder Misserfolg von Unternehmen ganz entscheidend die Entscheidungen einzelner Personen bei. Die individuelle Persönlichkeit von Entscheidungsträgern
ist ganz individuell und nur bedingt verallgemeinerungsfähig.
23
5.2
Entscheidungsorientierter Ansatz der Organisationstheorie (seit 1940):
Hier lassen sich drei Varianten unterscheiden:
1. die mathematische Variante unterteilt in:
(a)
(b)
(c)
(d)
Entscheidungstheorie
Unternehmensforschung mit LP
Spieltheorie
Teamtheorie
2. die verhaltenswissenschaftliche Variante
3. der experimentelle Ansatz
5.2.1
Mathematische Variante
Die mathematische Variante liefert formalisierte Regeln sowie formale Entscheidungsmethoden
mit denen optimale Verhaltensweisen zur Problemlösung ermittelt werden. Sie schreibt also
vor, wie der Mensch sich verhalten/entscheiden soll, daher spricht man auch von ”normativer
Entscheidungstheorie”.
Im Gegensatz dazu sieht die ”deskriptive Entscheidungstheorie”(oder auch beschreibende Entscheidungstheorie genannt) ihre Aufgabe darin, das tatsächliche menschliche Verhalten zu beschreiben. Entscheidet sich der Mensch tatsächlich immer rational? Wie entscheidet er sich
tatsächlich?
Der Ansatz der Entscheidungstheorie
Während die normative Entscheidungstheorie Aussagen darüber macht, wie sich der Entscheider
entscheiden sollte, beschreibt die deskriptive Entscheidungstheorie, wie sich Entscheider tatsächlich entscheiden. Dem mikroökonomischen Ansatz liegt die Entscheidungstheorie zu Grunde,
deshalb wird nicht nur an dieser Stelle hierauf eingegangen.
In der (normativen) Entscheidungstheorie geht man in dem Grundmodell davon aus, dass der
Entscheider Handlungsalternativen hat, verschiedene Umweltzustände möglich sind und
die Handlungsalternativen bei den verschiedenen Umweltzuständen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Weiterhin wird unterstellt, dass der Entscheider aus allen Handlungsalternativen
diejenige auswählt, die, gegeben seiner Präferenzfunktion, für ihn optimal ist. Präferenzen
werden durch die Zuordnung von ”Netzwerken” beschrieben.
Beispiel
Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Stellen Sie sich vor, sie gehen zur Vorlesung und sollen sich
entscheiden, ob sie einen Regenschirm mitnehmen sollen oder nicht. Wie wollen nur diese beiden
Handlungsalternativen zulassen: Regenschirm mitnehmen oder Regenschirm nicht mitnehmen. Es soll auch nur zwei mögliche Umweltzustände geben: es regnet oder es regnet nicht.
Wenn sie einen Regenschirm mitnehmen und es regnet, freuen sie sich, da sie nicht nass werden.
Wir wollen dieser Situation einen Nutzenwert von 4 zuordnen. Wenn sie einen Regenschirm mitnehmen und es regnet nicht, so ärgern sie sich, da sie die ganze Zeit den Regenschirm mit sich
rumtragen müssen (und ihn vielleicht sogar verlieren). In diesem Fall wollen wir ihrem Nutzen
einen Wert von –5 zuordnen. Wenn sie keinen Regenschirm mitnehmen und es regnet, ärgern sie
sich, da sie nass werden. Dies soll einen Nutzenwert von –8 haben. Wenn sie keinen Regenschirm
mitnehmen und es nicht regnet, soll der damit verbundene Nutzen für sie 0 betragen:
Ergebnismatrix:
es regnet
es regnet nicht
Regenschirm mitnehmen
4
-5
Regenschirm nicht mitnehmen
-8
0
24
Nun stelle sich die Entscheidungstheorie die Frage, wie sollen Sie sich entscheiden?
Wenn es mit 100% Wahrscheinlichkeit (nicht) regnet, ist es klar, dass Sie einen Regenschirm
(nicht) mitnehmen sollten. Doch was ist, wenn es nur mit 50% Wahrscheinlichkeit regnet. In
diesem Fall ist ihr erwarteter Nutzen bei der Handlungsalternative ”Regenschirm mitnehmen”
0,5*4 +0,5*-5= -0,5 und bei der Handlungsalternative ”Regenschirm nicht mitnehmen” 0,5*-8
+0,5*0 = -4. Da der erwartete Nutzen bei der ersten Alternative größ
er ist, sollte sie einen
Regenschirm mitnehmen.
Wie großmuss die Regenwahrscheinlichkeit sein, dass Sie gerade indi¤erent zwischen beiden
Alternativen sind? Gerade wenn diese Wahrscheinlichkeit 5/17 ist, sind Sie indi¤erent. Dies
bedeutet, wenn die Regenwahrscheinlichkeit größ
er als 5/17 ist, sollten Sie einen Regenschirm
mitnehmen und wenn sie kleiner ist, sollten Sie ihn zu Hause lassen.14
Der Ansatz der Unternehmensforschung (Operations Research)
Eine Reihe von Arbeiten des entscheidungsorientierten Ansatzes stehen in der Tradition des
Operations Research und versuchen, durch die Anwendung spezieller mathematischer Methoden (z.B. Lineare Programmierung, Warteschlangenmodelle, Lagerhaltungsmodelle etc.), eine optimale Lösung zu …nden.
Als die wichtigste Methode ist hier sicherlich die Lineare Programmierung anzusehen.
Die lineare Optimierung wurde entwickelt, um für Probleme, die durch verschiedene Nebenbedingungen charakterisiert sind, eine bestmögliche Lösung zu …nden. Es können mit diesem
Verfahren Probleme organisatorischer Art gelöst werden, die sich in Form von Zielfunktion
und Nebenbedingungen formulieren lassen. Ganz generell handelt es sich bei den Programmierungsmodellen um (lineare und auch nicht-lineare) Modelle, bei denen eine sogenannte
Zielfunktion unter Nebenbedingungen maximiert wird. Es gibt unzählige Anwendungsbeispiele
der Programmierung aus allen Bereichen der Unternehmung (von Finanzierung über Marketing,
Management, Rechnungswesen etc.). So lassen sich die optimalen Standorte für Unternehmen
berechnen, die optimalen Transportwege, das optimale Produktionsprogramm (optimale Produktionszusammensetzung) etc. Neben der linearen Programmierung gibt es noch die ganzzahlige,
die nicht-lineare und die dynamische Programmierung.
Mit anderen Methoden der Unternehmensforschung lassen sich eine Reihe von verschiedenen
Problemen lösen, wie z.B.:
Transportprobleme (z.B. die beste Route für einen Vertreter zu bestimmen, um seine
Kunden zu besuchen),
Lagerhaltungsprobleme (z.B. den optimalen Umfang der Lagerhaltung bei unsicherer
Nachfrage),
Warteschlangenprobleme (z.B. die optimale Anzahl von Schaltern für die Abfertigung
von Kunden).
Eine Reihe von Lehrbüchern geben einen Einblick in die Methoden der Unternehmensforschung,
(z.B. Hillier und Lieberman: Introduction to Operations Research oder Anderson, Sweeney und
Williams: An Introduction to Management Science).
14
Eine kurze Einführung in die Entscheidungstheorie bietet Manz, Dahmen und Ho¤mann: Entscheidungstheorie. Es gibt eine Reihe von Lehrbüchern in diesem Gebiet, z.B. von Eisenführ und Weber: Rationales
Entscheiden oder von Bamberg und Coenenberg: Betriebswirtschaftliche Entscheidungstheorie. Das Buch
von Hanf: Entscheidungstheorie dürfte für die Studierenden der Ökonomik der Agrar- und Ernährungswirtschaft am besten geeignet sein, da dieses Lehrbuch den Bedürfnissen der Agrar- und Ernährungswirtschaft
mit einer Reihe von Anwendungsbeispielen am Besten gerecht wird.
25
Der Ansatz der Spieltheorie
Die Spieltheorie wurde von Neumann und Morgenstern Mitte der vierziger Jahre entwickelt.
Diese Theorie versucht, mit einem formalanalytischen Ansatz optimale Verhaltensstrategien in
Situationen mit Reaktionsverbundenheit (Spielen) bereitzustellen. Die Spieltheorie ist für die
Organisationstheorie insofern bedeutsam, als sich viele Entscheidungsprozesse in einer Organisation als Verhandlungsprozesse interpretieren lassen. Die Intuitive Ökonomik, die in Teil 2 des
Moduls behandelt wird, baut auf der Spieltheorie auf.
Der Ansatz der Teamtheorie
Die auf Marshak zurückgehende Teamtheorie vermittelt entscheidungslogische Einblicke in
die grundlegenden Mechanismen und Prinzipien der Koordination in arbeitsteiligen Systemen.
In diesem Ansatz steht die Ableitung optimaler Regeln der Arbeitsteilung, die Einräumung von
Verfügungskompetenzen oder ganz allgemein die Bestimmung optimaler Verhaltensnormen im
Vordergrund.
Die Teamtheorie geht auf Arbeiten von Marschak aus dem Jahr 1955 zurück (Marschak, 1955).
Sie stellt damit einen der ersten Versuche dar, entscheidungstheoretische Konzepte auf organisationstheoretische Fragestellungen anzuwenden.
De…nition:
Ein Team ist de…niert als eine Gruppe von Personen, von denen jeder Entscheidungen bezüglich unterschiedlicher Variablen tri¤t. Die Konsequenzen ihrer Entscheidungen betre¤en jedoch
alle Mitglieder in gleicher Weise. Wie schon der Name ”Team” nahe legt, ist diese Situation
beim Mannschaftssport gegeben. In einem Fuß
ballteam gibt es unterschiedliche Aufgaben wie
Stürmer oder Torwart, das Ergebnis Sieg oder Niederlage gilt aber für die gesamte Mannschaft.
Auch ein Unternehmen kann zunächst durchaus als Team in diesem Sinne interpretiert werden. Es gibt zwar unterschiedliche (z.B. funktionale) Bereiche wie Bescha¤ung, Produktion
oder Absatz, aber es gibt nur einen Gewinn des gesamten Unternehmens. Fragen individueller Anreizsysteme bzw. der Verteilung des erzielten Erfolges bleiben bei dieser Analyse zunächst
ausgeklammert.
Die Teamtheorie untersucht die Gestaltung dieses Informationsaustausches sowie die Entscheidungsregeln für die einzelnen Mitglieder. Dabei wird von einer Risikosituation ausgegangen, d.h.
es werden mehrere Umweltzustände mit unterschiedlichen Konsequenzen für die Teammitglieder
betrachtet.
Ferner wird unterstellt, dass jedes Teammitglied unterschiedliche Entscheidungsvariablen festlegt
und damit einen bestimmten Aspekt des Problems kontrolliert. In einem funktional gegliederten
Unternehmen legt z.B. die Produktionsabteilung den Faktoreinsatz und die Produktionsmengen
fest, der Einkauf bescha¤t Rohsto¤e, oder das Marketing plant Werbestrategien.
Die Verteilung von Kompetenzen selbst wird in diesem Ansatz nicht thematisiert, man geht
davon aus, dass sie schon feststeht.
Das Teamproblem besteht aus zwei Teilproblemen:
1. Die Bestimmung einer (optimalen) Informationsstruktur: Der für das Teamergebnis relevante Umweltzustand wird durch eine Menge von beobachtbaren Variablen beschrieben, die jeweils mehrere Ausprägungen annehmen können. Sowohl die Variablen als
auch deren mögliche Ausprägungen werden als gegeben vorausgesetzt. Jedes Teammitglied
kann jedoch nur einige dieser Variablen beobachten und hat somit nur partielle Informationen über den eingetretenen Umweltzustand. Die Teammitglieder können Informationen an
die anderen Mitglieder übermitteln, damit sind jedoch Kosten verbunden. Das Problem besteht nun darin, ein Informationssystem zu entwickeln, das festlegt, welche Informationen
von wem an wen weiterzugeben sind.
26
2. Festlegung von Entscheidungsregeln: Eine Entscheidungsregel für ein Teammitglied
legt fest, welche Entscheidung es (in Abhängigkeit von seinem Informationsstand) treffen soll. Formal kann eine Entscheidungsregel daher als Funktion de…niert werden, die
jedem Informationsstand einen Wertevektor der Entscheidungsvariablen des Teammitgliedes zuordnet. Eine Entscheidungsregel muss dem Teammitglied vorgegeben werden, da die
Mitglieder nur über unvollständige Informationen über die Umwelt und die Entscheidungen der anderen Mitglieder verfügen. Ein einzelnes Mitglied ist daher nicht in der Lage,
die optimale Entscheidung zu tre¤en, selbst wenn es keine vom Team abweichenden Ziele
verfolgt15 .
5.2.2
Die verhaltenswissenschaftliche Variante
Der organisationstheoretische Ansatz der verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorie wurde von Barnard (1938) begründet und darauf von Simon (1957), March und Simon (1958),
Cyert und March (1963), Kirsch (1971) und March und Olson (1976) weiterentwickelt.
In diesem Ansatz soll erklärt werden, wie Individuen ihre Entscheidungen tatsächlich tre¤en.
Damit steht weniger der normative Aspekt sondern mehr der deskriptive Aspekt im Vordergrund des Interesses.
Anreiz-Beitrags-Theorie nach Barnard (1938)
Im Mittelpunkt des Interesses von Chester Barnard (1886-1961) steht die Thematisierung der
Unternehmung als System von Handlungen, dessen Gleichgewicht labil ist. Es gilt ein Gleichgewicht zwischen formalen und informellen Beziehungen, zwischen internen und externen Ansprüchen und zwischen Anreizen und Beiträgen herzustellen. Die Umwelt taucht als integraler
Teil des Organisationsproblems auf.
Unternehmen werden als kooperative Systeme interpretiert. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die Existenz von Organisationen von der Bereitschaft der Mitglieder abhängt, in dem Kooperationsverbund mitzuwirken. Eine formale Organisation wird de…niert
als ein System koordinierter Handlungen oder Kräfte von zwei und mehr Personen.
Wenn formale Organisationen ihre Existenz der Bereitschaft von Individuen zur Kooperation
verdanken, dann gerät die Frage in den Vordergrund, welche Erwartungen eine Organisation
erfüllen muss, damit der Kooperationsverbund aufrechterhalten werden kann. Damit wird eine
ganz neue Perspektive erö¤net.
Barnard führt hier als Idee das sogenannte Anreiz-Beitrags-Gleichgewicht ein. ”Beiträge”
sind die Handlungen, welche die Organisation benötigt, um ihre Ziele zu erreichen. ”Anreize”
sind die Gegenleistung der Organisation, sie sichern die Bereitschaft zur Kooperation und zum
Erbringen einer guten Leistung. Anreize können materieller oder immaterieller Art sein.
Der Anreiz-Beitrags-Gedanke hat weitere Implikationen, die schließ
lich zu einer ganz neuen
Bestimmung von Systemmitgliedschaft und -grenzen führen. Die Balance von Anreizen
und Beiträgen ist nicht auf die Arbeitnehmer beschränkt. Für Barnard sind alle Kooperationsbeteiligten, seien es Kapitalgeber, Arbeitnehmer, Lieferanten oder Kunden Teilnehmer der
Organisation.
Kritik an dem Ansatz von Barnard
Bernard geht von formal gleichberechtigten Verhandlungspartnern aus und vernachlässigt
die Machtunterschiede zwischen diesen.
15
http://www.unister.de/Unister/wissen/sf_lexikon/ausgabe_stichwort3660_0.html vom 25.10.04.
27
Der Ansatz von Simon (1957)
Simon zeigte auf, dass objektive Rationalität, wie sie in vielen volks- und betriebswirtschaftlichen
Modellen zu …nden ist, folgende Bedingungen voraussetzt:
Bedingung
Das Individuum (a) kennt alle möglichen Verhaltensalternativen, (b) kennt alle Konsequenzen
der einzelnen Verhaltensalternativen und kann c) durch sein aufgebautes Wertesystem die beste
Alternative auswählen.
Diese aufgezählten Bedingungen sind für Entscheidungen in der Realität nicht gültig, da
1. das Individuum unmöglich alle Konsequenzen einer möglichen Verhaltensalternative kennen kann.
2. die Kapazität des Individuums zur Informationsverarbeitung nur begrenzt ist. Das Individuum ist daher nicht fähig alle möglichen Verhaltensalternativen zu kennen.
3. der Einzelne die Folgen der Verhaltensalternativen nur sehr schwer beurteilen kann, da diese sich erst in Zukunft einstellen. Er weißnicht, ob er die mit der Alternative verbundenen
Konsequenzen zu diesem Zeitpunkt noch gut …ndet, da sich bis dahin sein Wertesystem
geändert haben könnte.
Menschen sind nicht vollständig rational, sondern ”begrenzt rational”.
Um nun daher zu einer zweckvollen und guten Entscheidung zu gelangen, wenden die Individuen
”Tricks” an, die es ihnen erlauben mit der Fülle von Informationen umzugehen und fertig zu
werden:
1. Mit sogenannten Verhaltensroutinen wird eine Menge an Problemlösungskapazität gespart.
2. Wenn bestimmte, meistens neue Situationen nicht mit Verhaltensroutinen bewältigt
werden können, werden Problemlösungskonzepte benötigt.
3. Das Individuum entscheidet sich mit Hilfe des Satis…zierungsprinzips: es wird keine
bestmögliche Entscheidung gesucht, sondern eine zufriedenstellende Lösung gefunden.
4. Wenn alle diese Techniken des Entscheidungsverhaltens zu keiner akzeptablen Problemlösung führen, werden kreative Problemlösungstechniken angewendet (auch ”Heurismen” genannt; eine davon ist das Brainstorming, welches häu…g angewendet wird, um zu
originellen und kreativen Problemlösungen zu gelangen).
Simon/March: ”Anreiz-Beitrags-Theorie”
Diese Theorie untersucht, was Individuen dazu bewegt, Organisationen beizutreten und in ihnen
zu bleiben, sowie warum Individuen sich dafür entscheiden viel oder wenig zu leisten.
Die Organisationsmitglieder leisten Beiträge an die Organisation und empfangen im Gegenzug
Anreize von dieser. Damit wird auf Barnard aufgebaut, bekommt doch eine stärkere ökonomische
Gewichtung.
Das Mitglied ist solange in der Organisation zufrieden, wie der persönliche Nutzen der empfangenen Reize nicht kleiner ist als der Nutzenentgang, der durch die Beiträge entsteht.
Stimmt dieses Verhältnis nicht, so erwächst daraus eine Unzufriedenheit beim Individuum, was
den Wechsel zu einer anderen Organisation zur Folge haben kann oder mit einer verminderten
Leistung an die Organisation einhergeht.
Kritikpunkte an der verhaltenswissenschaftlichen Variante:
zwar bedeutungsvoller Beitrag zur Organisationsforschung,
aber Aussagen der verhaltensorientierten Entscheidungstheorie nicht empirisch fundiert.
Probleme der organisatorischen Gesamtstruktur werden vernachlässigt.
28
5.2.3
Der experimentelle Ansatz
In neuerer Zeit haben Experimente in den Wirtschaftswissenschaften eine erhebliche und zunehmende Bedeutung gewonnen. Hier geht es darum, sogenannte ”Verhaltensanomalien” zu
erklären: die Abweichungen von einem rationalen Entscheidungsverhalten werden untersucht.
5.3
Systemorientierter Ansatz (1950)
Es lassen sich zwei Varianten unterscheiden: die organisationssoziologische Variante und die
systemtheoretisch-kybernetische Variante. Das Erkenntnisinteresse der ersten Variante zielt auf
die Klärung der Frage, wie eine soziale Ordnung angesichts der Vielfalt von Handlungsmöglichkeiten und der Vielfalt individueller Perspektiven möglich ist.
5.3.1
Organisationssoziologische Variante
Die soziologische Variante stützt sich auf die Systemtheorie, die von Bertalan¤y entwickelt wurde. Diese Theorie geht von den Bezugspunkten der Systemerhaltung und Systemverwirklichung
aus und zerlegt das System in die beiden analytischen Kategorien ”Struktur”(statischer Aspekt)
und ”Funktion” (dynamischer Aspekt).
Die Untersuchungsbereiche der organisationssoziologischen Variante der Systemtheorie lassen
sich allgemein wie folgt zusammenfassen:
die Ziele der Organisation
die Struktur der Organisation
die Prozesse der Organisation
die Umweltvariablen
die Leistungswirksamkeit der Organisation
5.3.2
Kybernetische Variante
Erster Ausgangspunkt der kybernetischen Variante war die Theorie des o¤enen Systems
von Bertalan¤y. Ein zweiter Ausgangspunkt waren die informationstheoretischen und
regeltechnischen Entwicklungen (Norbert Wiener).
Den Autoren geht es vor allem darum, soziale Systeme kybernetisch zu interpretieren, d.h. zu
untersuchen wieweit sie die Eigenschaften der Selbstregelung, der Anpassung, der Lernfähigkeit,
der Selbstdi¤erenzierung usw. aufweisen und wieweit solche Eigenschaften zur Automatisierung
dieser Systeme ausgenützt werden können.
De…nition:
Kybernetik: Theorie von der Aufnahme, Verarbeitung und Übertragung von Informationen
verschiedenster Art.
Exkurs: Menschliche Entscheidungs…ndung in komplexen Situationen
Eine Reihe von Untersuchungen belegen, dass Menschen die Entscheidungs…ndung in komplexen
Situationen schwer fällt. Es kommt zu systematischen Fehlern.
Menschen haben groß
e Probleme, sich in komplexen Entscheidungssituationen richtig zu entscheiden. Döner spricht hier sogar von der Logik des Misslingens, dies ist auch der Titel seines Buches, in dem dieser Logik des Misslingens auf den Grund gegangen wird: Ziele werden
nicht konkretisiert, kontradiktorische Teilziele nicht als kontradiktorisch erkannt, keine klaren
Schwerpunkte werden gebildet, nur unzureichende oder gar keine Modellbildung …ndet statt, Informationen werden nur einseitig oder unzulänglich gesammelt, falsche Au¤ assungen über die
Gestalt von Zeitabläufen werden gebildet, es wird falsch oder gar nicht geplant, Fehler werden
nicht korrigiert.
Der Biokybernetiker von Bertalan¤ y schreibt hierzu (Döner, S. 254): Überstarke Vereinfachungen, die man im weiteren ständig korrigiert, sind die wirksamsten oder sogar eigentlich einzigen
Mittel, um die Natur zu verstehen.
Kritik an dem systemorientierten Ansatz: nur geringe Bedeutung als Grundlage empirischer
Untersuchungen.
29
5.4
Strukturalistischer Ansatz: Komparative Strukturanalysen (seit 1960)
Nachdem die Anfänge der Organisationstheorie stark interpretativ ausgerichtet war, ging es dem
strukturalistischen Ansatz zunächst einmal darum, die verschiedenen Formen von Organisationsstrukturen, die in der Praxis vorzu…nden waren, zu beschreiben. Anschließ
end wurde nach den
Bestimmungsgründen unterschiedlicher Umweltzuständen für unterschiedliche Organisationsformen gesucht. Man war auf der Suche nach verborgenen Gesetzen der Organisationsstrukturen.
Es wurde gefragt, auf welche Ein‡usskräfte die vorgefundenen Unterschiede in den Strukturen
zurückgeführt werden können. Diese Forschungsrichtung ist später unter dem Namen Kontingenztheorie der Organisation bekannt geworden
Eine typische Vorgehensweise ist die folgende: Es werden Messinstrumente entwickelt, die
den Ansprüchen rigoroser, d.h. naturwissenschaftlich ausgerichteter Forschung, genügen. Die
Skalen sollen objektiv, reliabel (verlässlich) und valide (gültig) sein. Die Reliabilität bezieht sich auf die Stabilität und formale Genauigkeit der Merkmalserfassung. Sie bezieht
sich auf die Stabilität und Genauigkeit der Messungen und Konstanz der Messbedingungen.
Ein Messvorgang und das ihm zugrundeliegende Messinstrument sind reliabel, wenn sich bei
wiederholten Messungen stets das gleiche Ergebnis ergibt., d.h. der Zufallsfehler gering ist. Die
Validität der Messung bezieht sich darauf, ob tatsächlich das, was erhoben bzw. gemessen werden soll, auch ermittelt wird. Reliabilität ist die Voraussetzung für Validität. Dann werden Strukturdimensionen entwickelt. Mit Hilfe der Faktorenanalyse werden die orthogonalen
Strukturdimensionen berechnet und anschließ
end mit Hilfe der Cluster-Analyse zu Gruppen zusammengefasst und unterschiedliche Organisationstypen unterschieden. Eine maß
gebliche Rolle
spielt hier die sogenannte Aston-Gruppe (Pugh, Hickson, Hinings und andere).
Aufgaben
1. Berechnen Sie in dem Beispiel zur Entscheidungstheorie die Wahrscheinlichkeiten für Regen und kein Regen, bei denen der Entscheider indi¤erent ist, ob er einen Regenschirm
mitnehmen soll oder nicht. berücksichtigen Sie, dass der erwartete Nutzen bei jeder Handlungsalternative gleich großsein muss und dass sich die beiden Wahrscheinlichkeiten zu 1
addieren. Lösen Sie diese beiden Gleichungen für die beiden unbekannten Wahrscheinlichkeiten.
2. Stellen Sie die Modernen Ansätze bis auf den mikroökonomischen Ansatz dar.
3. Diskutieren Sie die betre¤enden Menschenbilder dieser Ansätze.
30
6
Die mikroökonomische Organisationsanalyse: ein Überblick
Traditionell wird die Unternehmung in dem mikroökonomischen Ansatz als Produktionseinheit betrachtet und durch eine Produktionsfunktion dargestellt. Die Organisation
stand zunächst nicht im Mittelpunkt des Interesses, sondern wurde als Gegenstandsbereich der
Organisationstheorie betrachtet. Seit Anfang der 70er Jahre …nden sich zunehmend auch
Beiträge zur Organisationstheorie, die auf den mikroökonomischen Ansatz zurückgreifen und
diesen weiterentwickeln.
Diese Ansätze haben sich anfänglich als Alternativen zu dem mikroökonomischen Ansatz präsentiert, sind aber zunehmend in die mikroökonomische Theorie integriert worden. Wir wollen an
dieser Stelle fünf verschiedene Ansätze unterscheiden, obwohl diese Unterscheidung mittlerweile nicht mehr so sinnvoll ist, da diese Ansätze in die mikroökonomische Theorie integriert
sind. Diese Unterscheidung ist hier aber, wie bei den anderen Ansätzen der Organisationstheorie,
aus historischen Gründen von Interesse.
1. Property-Rights Ansatz
2. Transaktionskostenansatz
3. Vertragstheorie
4. Principal-Agenten Ansatz
5. Mechanismus-Design Ansatz
6.1
Property-Rights-Ansatz
Der Property-Rights Ansatz oder verfügungsrechtliche Ansatz stellt die Verfügung über
Ressourcen und unterschiedliche Regelungen zur Verteilung der Verfügungsrechte in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen. Er kann zurückgeführt werden auf Coase (1937) und wurde in
den sechziger Jahren von Alchian und Demsetz (1972) weiterentwickelt. Er ist eng verwandt
mit dem Transaktionskostenansatz.
Die Theorie basiert auf vier Elementen:
Verhaltensannahmen individueller Nutzenmaximierung
Verfügungs- und Handlungsrechte (Property-Rights)
Existenz von Transaktionskosten
Auftreten externer E¤ekte
De…nition:
Property Rights sind die mit einem Gut verbundenen und Wirtschaftssubjekten, aufgrund von
Rechtsordnungen und Verträgen, zustehenden Handlungs- und Verfügungsrechte.
Die Property-Rights können in vier Einzelrechte aufgespalten werden:
Rechte, die die Nutzung eines Gutes betre¤en (usus)
Rechte, Form und Substanz des Gutes zu verändern (abusus)
Rechte, sich die mit dem Gut verbundenen Gewinne anzueignen bzw. die damit verbundenen Verluste, Kosten zu tragen (usus fructus)
Rechte, das Gut an Dritte zu veräuß
ern (Kapitalisierungs- bzw. Liquidationsrecht)
Die Theorie der Verfügungsrechte interessiert sich für die verschiedenen möglichen Arrangements der Handlungs- und Verfügungsrechte und deren Wirkungen mit dem Ziel,
die ökonomisch optimale Struktur der Verfügungsrechtsverteilung im Hinblick auf die jeweiligen
31
situativen Bedingungen zu ermitteln16 . Es ist nun diejenige Property-Rights-Verteilung e¢ zient,
d.h. die Verteilung der Handlungs- und Verfügungsrechte, die die Summe aus Transaktionskosten
und die durch negative externe E¤ekte hervorgerufenen Wohlfahrtsverluste minimiert.
Hier gilt ein Grundprinzip:
Es ist notwendig, dass möglichst vollständige Rechtsbündel mit der Nutzung ökonomischer Ressourcen verbunden und dem Handelnden zugeordnet sind, so dass dieser den Anreiz erhält mit
den Ressourcen verantwortungsvoll und e¢ zient umzugehen.
Es ist ein beliebtes soziales Spiel, zu versuchen, die Kosten auf andere abzuwälzen und den Nutzen für sich zu behalten, oder anders gesagt, Nutzen zu privatisieren und Kosten zu sozialisieren.
Bei Alchian und Demsetz wird, im Unterschied zur Neoklassik, die Faktorentlohnung zu einem
Problem. Am Beispiel von zwei Arbeitern, die ein schweres Gut auf einen Lastwagen heben, machen die Autoren ihr Anliegen klar: der Arbeitserfolg ist das Ergebnis einer gemeinsamen
Anstrengung, die nicht auf die geleisteten individuellen Inputs zurückzuführen ist.
In einem Team wird es immer ”Drückeberger”geben. Um diese zu überwachen, wird, so Alchian
und Demsetz, eine Person bestellt, die sich auf die Überwachung des Arbeitsverhaltens der
Teammitglieder spezialisiert. Die Hierarchie ist nach Alchian und Demsetz entwickelt worden,
um dieses Problem des ”Drückebergers” zu reduzieren. Die Lösung ist, dass das Team
der Input-Eigentümer einen Teil seiner Verfügungsrechte dem Kontrolleur überträgt.
Wie kann aber sichergestellt werden, dass der Kontrolleur seine Überwachungstätigkeit sorgfältig wahrnimmt? Es ist ein Anreiz zu scha¤en, der es für den Kontrolleur irrational werden lässt,
selbst zum Drückeberger zu werden. Der Kontrolleur soll das Recht auf das Residualeinkommen nach Abzug der (Marginal-)Entlohnung der anderen Faktoren erhalten (residual
claimant monitor). Zur Kontrolleur-Position soll auch gehören: Leistungsmessung, Zuteilung der
einzelnen Ertragsanteile basierend auf bilateralen Verträgen sowie die Koordination des Faktoreinsatzes.
Ein wichtiger Grund, warum es diesen Ansatz nach Hierarchien gibt, ist, dass die Teammitglieder
einander nicht vertrauen.
Die Analyse der Verfügungsrechte setzt auf verschiedenen Ebenen an: der rechtlichen Eigentumsgestaltung, der Gesamtunternehmung, dem Team, dem Einzelvertrag.
6.2
Transaktionskosten-Ansatz
Dieser Ansatz kann ebenfalls auf Coase zurückgeführt werden und ist mit dem Namen von
Williamson verbunden. Als Transaktionskosten bezeichnet man Kosten, die im Zuge der
Anbahnung, des Abschlusses und der Überwachung von Verträgen entstehen. Es handelt sich also
im wesentlichen um Informations- und Kommunikationskosten. Der Bezug zu und die Relevanz
von Produktions- und Distributionskosten bleibt unklar.
Die für den Transaktionskostenansatz entscheidende Frage ist, unter welchen situativen Bedingungen welcher Koordinationstyp die geringsten Transaktionskosten verursacht, dass
heiß
t im Sinne von Williamson am e¢ zientesten ist. Ausgangspunkt ist, dass alle Beteiligten
nur begrenzt rational handeln können und wo immer möglich, den eigenen Nutzen verfolgen auch jenseits moralischer Grenzen (Opportunismus). Die Opportunismus-Annahme ist ein
”Dreh und Angelpunkt der Theorie” (Scheyögg, S. 73).
Die Höhe der Transaktionskosten hängt von den Eigenschaften der zu erbringenden Leistungen
und vom Verhalten der beteiligten Personen und von der gewählten Organisationsform ab. Als
Organisations- bzw. Koordinationsformen kommen Markt, Hierarchie und alle Zwischenformen
in Frage.
In einer unsicheren Umwelt wird die Vertragserfüllung durch Termin-, Preis-, Konditionen-,
Mengenänderung erschwert, was häu…ge Vertragsmodi…kationen und damit höhere Transaktionskosten erfordert. Je unsicherer die Umwelt, desto eher lohnt sich opportunistisches Verhalten.
16
Milgrom, Roberts, S. 307
32
Die Unsicherheit der Umweltbedingungen wird aber erst mit der Verhaltensannahme der beschränkten Rationalität zum Problem. Die Kapazität der Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung des Individuums ist beschränkt, wonach es nur begrenzt rational handlungsfähig ist.
6.3
Vertragstheorie
De…nitionen:
Die Vertragstheorie beschäftigt sich mit dem Design von e¢ zienten Verträgen. Es
werden zunächst vier Arten von Verträgen unterschieden: klassische, neoklassische, vollständige und unvollständige Verträge.
Klassische Verträge: Leistungen und Gegenleistungen fallen zeitlich zusammen.
Neoklassische Verträge: Leistungen und Gegenleistungen sind Raum-Zeit bezogen (z.
B. Mietverträge).
Vollständige Verträge: Hier ist alles genau festgelegt (jede mögliche Konsequenz einer
Umweltänderung wird bedacht, sowie die damit verbundene Handlung spezi…ziert). Dies
ist in der Regel nicht möglich, weil nicht alle Eventualitäten spezi…ziert und berücksichtigt
werden können.
Unvollständige Verträge: Nicht jede Eventualität wird spezi…ziert (Möglichkeiten, die
in Zukunft auftreten können sind unbekannt).
Es gibt selten vollständige Verträge, weil:
Alle möglichen Umweltzustände lassen sich nicht vorhersehen.
Für jeden möglichen Umweltzustand müssten Verhaltensregeln de…niert werden.
Beide Parteien müssen, sobald sie den Vertrag eingegangen sind, in jedem Umweltzustand
glücklich darüber sein.
Verträge sind i.d.R. immer unvollständig, da man nicht alles vorhersehen kann, Menschen sind
nur begrenzt rational. Mögliche Antworten hierauf sind:
Hilfen durch allgemeine Klauseln:
Generalklauseln (z.B. alle Mängel sind vom Architekten zu beheben).
Spezi…zierung von Kon‡iktlösungsstrategien (z.B. unabhängiger Schiedsrichter wird bei
Nichteinigung bestellt; hier die Architektenkammer).
De…nitionen:
Relationale Verträge: Auf Vertrauensbasis beruhende Vereinbarungen.
Explizite Verträge: Ausdrücklich und schriftlich exakt formulierte Verträge. Meist nicht
vollständig möglich durch begrenzte Rationalität der Teilnehmer und/oder zu hohe Transaktionskosten.
Implizite Verträge: Stille Vereinbarung, auf Konventionen, Normen beruhend. Sehr viele
Interaktionen werden implizit geregelt.
33
6.4
Prinzipal-Agenten Ansatz
Die von Jensen und Meckling aufgestellte Principal-Agenten Theorie behandelt die arbeitsteilige Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehung, die durch asymmetrisch (ungleich) verteilte
Informationen, Unsicherheit gegenüber den auftretenden Umweltzuständen und das Verhalten
des Vertragspartners gekennzeichnet ist.
Prinzipal-Agenten-Beziehungen werden eingegangen, wenn der Prinzipal (z.B. der Arbeitgeber) dem Agenten (Arbeitnehmer) Entscheidungskompetenzen überträgt. Andere PrinzipalAgenten-Beziehungen sind zum Beispiel die zwischen Arzt und Patient, Eigentümer und Manager, Kreditgeber und Kreditnehmer etc.
Bei vollständiger Information kann der Prinzipal den Agenten vollständig überwachen. Es treten
keine Probleme auf. Aber in der Realität ist das Wissen der Akteure begrenzt (beschränkte
Rationalität) und zwischen den Akteuren ungleich verteilt. Auß
erdem verursacht die Bescha¤ung
zusätzlicher Informationen Kosten. Aus der Unvollständigkeit und ungleichen Verteilung
von Informationen, ergeben sich für den Agenten diskretionäre Handlungsspielräume,
die er zu seinem Vorteil ausnutzen kann.
De…nition:
Es treten Agency-Costs auf, die die Di¤erenz der …rst best-Lösung bei vollkommener Information und der second best-Lösung bei ungleich verteilter Information ausdrücken. Agency-Kosten
setzen sich aus den Überwachungs- und Kontrollkosten des Prinzipals sowie dem verbleibenden
Wohlfahrtsverlust zusammen.
Hinsichtlich der Ursachen der Informationsasymmetrie zwischen Prinzipal und Agent lassen sich
drei Problemtypen unterscheiden:
1. Hidden characteristics: Problem besteht darin, dass der Prinzipal Eigenschaften des
Agenten oder Leistungen im voraus nicht kennt, die dem Agenten jedoch bekannt sind.
Die daraus resultierende Gefahr besteht in der möglichen Auswahl schlechter Agenten, d.h.
Vertragspartner (adverse selection).
2. Hidden action: Problem besteht darin, dass der Prinzipal die Handlungen des Agenten
nicht beobachten kann. Die daraus resultierende Gefahr besteht darin, daßder Agent
seine Handlungsspielräume opportunistisch ausnutzen kann und wider den Interessen des
Prinzipals handelt. Die daraus resultierende Gefahr besteht in ine¢ zienten Handlungen
seiten des Agenten (moral hazard).
3. Hidden information: Der Agent kann nicht nur besser über seine eigenen Eigenschaften,
seine Handlungen, sondern auch über andere relevanten Daten informiert sein.
Die Prinzipal-Agenten-Theorie gibt Gestaltungsempfehlungen, um die aus der ungleichen Informationsverteilung erzeugten Probleme zu bewältigen und Moral-Hazard-Probleme sowie AdverseSelection-Probleme zu vermeiden.
Zur Vermeidung dieser Probleme schlägt die Theorie vor:
Signaling: Signaling bedeutet, dass der Agent dem Prinzipal die Eigenschaften seiner
Leistung signalisiert, z.B. in Form eines Arbeitszeugnisses.
Screening: Hier verscha¤t der Principal sich zusätzlich Informationen über die Eigenschaften und Leistungen des Agenten, z.B. in Form von Einstellungstests.
Self selection: Hier bringt der Principal den Agenten in eine bestimmte Entscheidungssituation, die er derart gestaltet, dass er aus der Entscheidung des Agenten wesentliche
Eigenschaften seiner Persönlichkeit oder seiner Leistung erkennen kann.
6.5
Mechanismus-Design Ansatz
Dieser Ansatz kann als eine Verallgemeinerung des Prinzipal-Agenten-Ansatzes angesehen werden. Bereits in dem Prinzipal-Agenten-Ansatz wird nach dem Mechanismus, d.h. der Form der
Organisation der Zusammenarbeit, die für die Beteiligten insgesamt am Besten ist, gesucht. In
dem Prinzipal-Agenten-Ansatz wird von einer hierarchischen Beziehung zwischen dem
Prinzipal, z.B. der Versicherung und dem Agenten, z.B. den Versicherungsvertreter ausgegangen.
34
Dann wird eine Organisationsform, ein Mechanismus entwickelt, damit der Versicherungsvertreter nicht nur seine privaten Interessen, sondern auch die Interessen der Versicherung in seinem
Handeln vertritt. Hierbei geht es um die Frage, wie die ökonomischen Anreizsysteme für den
Agenten durch den Prinzipal zu setzen sind. Ein ganz bestimmter Aspekt einer hierarchisch vorbestimmten Interaktionsbeziehung zwischen Menschen werden in dem Prinzipal-Agenten-Ansatz
beleuchtet.
Auch im Mechanismus-Design geht es darum, Mechanismen zu entwickeln. Doch in diesem Ansatz geht es generell um die ökonomischen Interaktionsbeziehungen zwischen
Anbietern und Nachfragern, d.h. Käufern und Verkäufern. Doch die Fragestellung ist
primär normativ: Wie sollte ein e¢ zienter Mechanismus ausgestaltet sein? Der Ansatz
des Mechanismus-Design stammt aus der Spieltheorie. In der Spieltheorie geht es ja gerade um
”Spielregeln”und deren Konsequenzen für das Verhalten der Spieler. Die Spieltheorie untersucht
das Handeln von Menschen in Situationen mit Reaktionsverbundenheit. Dies bedeutet, dass das
Handeln eines Spielers einen Ein‡uss auf die Auszahlungen in Nutzenwerten der anderen Spieler
hat.
6.6
Das Menschenbild des mikroökonomischen Ansatzes
Der klassische mikroökonomische Ansatz geht von einem Entscheider aus, für den alle relevanten Daten bekannt sind. Für die Unternehmung sind die Produktionsfunktion und die Preise
für Inputfaktoren und für die Produkte bekannt. Weiterhin wird davon ausgegangen, dass das
Unternehmen den Gewinn maximiert. Die Bedingungen für eine gewinnmaximierende Produktionsmenge werden hergeleitet. Auf der Nachfrageseite sind die Preise für die Produkte bekannt.
Es wird davon ausgegangen, dass der Nachfrager seinen Nutzen maximiert. Auch hier werden
dann die Bedingungen für dieses Entscheidungsverhalten hergeleitet. Es wird von vollständig
rationalen Anbietern und Nachfragern ausgegangen.
Dieses einfache Modell ist sehr eingehend untersucht. Die Annahmen (Axiome) und die Implikationen (Theoreme und Beweise) wurden intensiv wissenschaftlich bearbeitet. So zeigten Arrow und Debreu, dass es ein Marktgleichgewicht in diesem mikroökonomischen Marktmodell gibt. Den Modelpreis hierfür erhielten sie in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts.
Zumindest in den letzten zwei Jahrzehnten wurde dieses sehr einfache Bild der Unternehmung
bzw. des Nachfragers erweitert. Die Spieltheorie und unvollständige Information sowie die anderen mikroökonomischen Ansätze traten zuerst getrennt von der traditionellen mikroökonomischen Theorie (a la Varian) auf, wurden von dieser aber zunehmend integriert und können als
ein Teil dieser sehr ausdi¤erenzierten modernen mikroökonomischen Theorie betrachtet werden
(a la Mas-Collel).
Das Menschenbild, welches hier in der Regel zu Grunde liegt, ist das des rationalen Entscheiders. Hieran hat sich bisher (noch?) nichts geändert, obwohl eine Reihe von alternativen
Ansätzen (Kahnemann und Tversky, Rabin etc.) entwickelt wurden, auf die nicht näher eingegangen wird. Wir wollen in dem weiteren Verlauf diese Annahme des rationalen Entscheiders
weiterhin aufrecht erhalten, doch wir gehen davon aus, dass unvollständige Information über
die relevanten Daten vorliegt. Diese unvollständige Information wird in der Form einer
Wahrscheinlichkeitsverteilung das Modell erweitern.
Wenn unvollständige Information über die relevanten Daten besteht, so kann dieses strategisch ausgenutzt werden. Wir werden dabei davon ausgehen, dass alleine Rationalität,
d.h. die klare Abwägung von (wirtschaftlichen) Vor- und Nachteilen, das Handeln bestimmt
und nicht Moral, Ethik oder andere ”informelle Regeln”. Diese werden nur dann befolgt, wenn
es sich auszahlt. Wenn es sich für einen Entscheider lohnt, Information, die nur ihm/ihr selber vorliegt strategisch auszunutzen, d.h. mit ”List und ohne Schuldgefühle” zu handeln, so
ergeben sich hieraus eine Reihe von wichtigen Implikationen. Diese Verhalten werden wir als
”opportunistisches Verhalten” bezeichnen.
Wenn die Information über relevante Daten nicht vollständig, sondern unvollständig ist, werden
Institutionen und Organisationen relevant.
35
Aufgaben
1. Welche sieben Arten von Verträgen kennen Sie?
2. Auf welchen Annahmen beruht der mikroökonomische Ansatz?
3. Welches Menschenbild hat der mikroökonomische Ansatz?
4. Charakterisieren Sie die fünf verschiedenen mikroökonomischen Ansätze.
5. Wie unterscheidet sich der moderne mikroökonomische Ansatz von dem traditionellen
mikroökonomischen Ansatz?
36
7
Transaktionen und Transaktionskosten
Wir hatten bisher (in Kapitel 1) zwischen Markt, Verträgen und Hierarchie als Organisationsformen unterschieden. Die Aufgaben einer jeder ökonomischen Organisationsform sind:
Koordinieren (wirtschaftliche Aktivitäten)
Motivieren (Anreize für wirtschaftliche Aktivitäten setzten)
Koordinieren bedeutet, dass ein kohärenter Plan durchgeführt wird; motivieren, dass Akteure
in Übereinstimmung mit dem Plan handeln.
Coase geht in seiner Theorie der Unternehmung davon aus, dass sich für jede Unternehmung
oder Hierarchie die Frage nach den Grenzen der Unternehmung stellt. Dabei unterstellt
Coase, dass eine Unternehmung solche Transaktionen integriert, bei denen es e¢ zienter ist, diese
Transaktionen selber vorzunehmen. Diejenigen Transaktionen, die günstiger von dem Markt zur
Verfügung gestellt werden, werden hingegen über den Markt getätigt.
Alchian und Demsetz betonen die Unternehmung als Nexus von Verträgen. Nach ihrer
Meinung handelt es sich bei der Unternehmung um eine ökonomische Er…ndung, wie das
Geld, die gescha¤en wurde, um die E¢ zienz zu steigern. Es ist einfacher, wenn eine …ktive
Einheit, wie die Unternehmung, bilaterale Verträge mit den Beschäftigten abschließ
t, als wenn
jeder Beschäftigte bilateral mit allen anderen Beschäftigten Verträge abschließ
t. Damit bekommt
die …ktive Person der Unternehmung dieselbe Bedeutung wie die …ktive Rolle des Geldes als
Tauschmittel.
7.1
Arten von Transaktionskosten
Grundeinheit der Analyse unserer Betrachtung ist die Transaktion, die als Übertragung von
Verfügungsrechten (Property-Rights) de…niert wird. Die dabei anfallenden Kosten der
Information und Kommunikation für Anbahnung, Vereinbarung, Abwicklung und
Kontrolle eines Leistungsaustausches werden als Transaktionskosten bezeichnet.
E¢ zienzbegri¤e:
Pareto-Optimum: Kein Wirtschaftssubjekt kann besser gestellt werden, ohne dass mindestens ein anderes schlechter gestellt würde! berücksichtigt Interessen jedes Einzelnen!
Kaldor-Hicks-Optimum: Die Gesamtheit kann nicht besser gestellt werden (Kuchen
am größ
ten), ohne Berücksichtigung von Verteilungsaspekten! Zustand maximaler Wohlfahrt!
Diese beiden ökonomischen E¢ zienzkriterien sind auch für die Organisationstheorie von Bedeutung. Betrachten wir drei Organisationsformen X, Y und Z. Eine Organisationsform Y ist
pareto-optimal, d.h. optimal im Sinne des Pareto-Kriteriums, wenn es nicht möglich ist, eine
Organisationsform X zu …nden, die zumindest einen Beteiligten besser stellt, ohne dass gleichzeitig ein anderer Beteiligter schlechter gestellt ist. Wenn in der Organisationsform X zumindest
ein Beteiligter besser gestellt wäre, ohne dass ein anderer Beteiligter schlechter gestellt wäre,
würde es einen Anreiz geben, zu der Organisationsform X überzugehen. Eine Organisationsform
Z ist optimal im Sinne des Kaldor-Hicks- oder Kompensationskriterium, wenn es keine Organisationsform z.B. X gibt, bei der die gesamte Wohlfahrt der Beteiligten größ
er ist, d.h. die
”aufsummierte” Wohlfahrt aller Beteiligten maximal ist.
7.2
Eigenschaften von Transaktionen
Der Transaktionskostenansatz betrachtet die einzelne Transaktion als kleinste Einheit. Weiterhin
wird davon ausgegangen, dass die Eigenschaften einer Transaktion deren Organisationsform
bestimmen. Dies gilt jedoch nur, wenn die Beteiligten e¢ zient miteinander verhandeln und eine
e¢ ziente Lösung …nden können.
37
Folgende Eigenschaften sind für eine e¢ ziente Organisation einer Transaktion von Bedeutung:
1. Spezi…tät der Investitionen, die für eine Transaktion notwendig sind.
2. Häu…gkeit der Transaktionen und Zeitdauer der Wiederholung.
3. Komplexität von Transaktionen und Unsicherheit über Ausführungen.
4. Schwierigkeit, die Leistung, die in Transaktionen gesteckt wird, zu messen.
7.2.1
Spezi…tät von Investitionen
Unterscheidung der Spezi…zität von Investitionen nach:
Standort (site speci…ty) =) Investitionen in ortsgebundene Anlagen
Sachkapital (physical asset speci…ty) =) Investitionen in spezi…sche Maschinen und Technologie
Humankapital (human asset speci…ty) =) Investitionen in spezi…sche Mitarbeiterquali…kationen
Zweckgebundene Sachwerte (dedicated assets) =) Investitionen in an sich unspezi…sche
Anlagen, die jedoch bei Wegfall Überkapazitäten darstellen würden.
Wenn für eine Transaktion spezi…sche Investitionen notwendig sind, so ist der Markt nicht die
geeignete Organisationsform für diese Transaktion.
Transaktionsspezi…sche Investition =) kein Markttausch, sondern Verträge mit
Abnehmer/Zulieferer
Wie das folgende Beispiel zeigen soll, ist die vertragliche Absicherung umso wichtiger, je höher
die transaktionsspezi…schen Investitionen sind.
Beispiel
Ein Landwirt produziert Hafer. Er kann Futterhafer produzieren und hat Grenzkosten der Produktion GKF H . Für Futterhafer erhält der Landwirt den Preis PF H .
Der Preis PF H soll genau den Grenzkosten entsprechen: PF H = GKF H und es sollen nur variable
Kosten mit der Produktion von Futterhafer oder von Qualitätshafer verbunden sein.
Nun erfährt der Landwirt, dass Qualitätshafer zu einem deutlich höheren Preis PQH gehandelt
wird. Um Qualitätshafer zu produzieren, sind jedoch transaktionsspezi…sche Investition nötig.
Stellen wir uns vor, dass der Landwirt für die Produktion von Qualitätshafer eine andere und
weniger ertragreiche Sorte anbauen muss. Dieser Qualitätshafer soll nur von einem Nachfrager
nachgefragt werden. Es sind transaktionsspezi…sche Investitionenen notwendig, die dem Landwirt Kosten verursachen.
Die Grenzkosten der Produktion von Qualitätshafer liegen wegen der weniger ertragreichen
Sorte über den Grenzkosten der Produktion von Futterhafer: GKQH >GKF H . Wenn der Preis
von Qualitätshafer über den Grenzkosten liegt, könnte es sich lohnen, Qualitätshafer anstelle
von Futterhafer anzubauen.
Wir wollen davon ausgehen, dass der Landwirt sich sicher sein kann, dass er den hohen Preis für
Qualitätshafer erhält, würde sich die transaktionsspezi…sche Investition in die neue Hafersorte
lohnen. Der Landwirt weißjedoch, dass es nur einen Nachfrager von Qualitätshafer gibt. Der
Qualitätshafer muss inferior als Futterhafer verkauft werden, wenn dieser Abnehmer ihn nicht
als Qualitätshafer abnimmt. Wenn der Qualitätshafer als Futterhafer verkauft werden muss,
liegen die Grenzkosten der Produktion von Qualitätshafer über dem Preis für Futterhafer und
der Landwirt macht einen Verlust.
Der Anteil, der als Qualitätshafer verkauft wird, sei w.
38
Wie hoch muss der Preis für Qualitätshafer sein, damit es sich für den Landwirt lohnt, die
transaktionsspezi…sche Investition zu tätigen?
Der Landwirt muss zumindest die Grenzkosten für Qualitätshafer gedeckt bekommen.
De…nition:
PF H = Preis Futterhafer
PQH = Preis Qualitätshafer
GKF H = Grenzkosten Futterhafer
GKQH = Grenzkosten Qualitätshafer
w= Anteil Qualitätshafer
GKQH = w PQH + (1
w) PF H
hieraus folgt:
GKQH (1 w) PF H
GKQH PF H + w PF H
= w PQH
= w PQH
da der Preis von Futterhafer entsprechend den Annahmen genau den Grenzkosten der Produktion von Futterhafer entspricht, so folgt:
(GKQH
GKF H ) + w PF H = w PQH
(GKQH
GKF H ) = w (PQH
und
PF H )
Folgerungen
Wenn w = 1, dann reicht es aus, dass der Preis für Qualitätshafer genau den Grenzkosten
für Qualitätshafer entspricht: PQH =GKQH , damit es sich für den Landwirt gerade noch
lohnt, Qualitätshafer zu produzieren,
Wenn w = 1/2, dann muss die Preisdi¤erenz zwischen Qualitätshafer und Futterhafer doppelt so hoch sein, wie die Di¤erenz der jeweiligen Grenzkosten, damit sich eine
Qualitätshaferproduktion gerade noch lohnt.
Damit der Landwirt Qualitätshafer produziert, muss der Preis für Qualitätshafer zumindest den Grenzkosten für die Produktion von Qualitätshafer entsprechen. Dies wäre der
Fall, wenn die gesamte Qualitätshaferproduktion den hohen Preis für Qualitätshafer erzielen würde. Je geringer w ist, desto höher muss der Preis für Qualitätshafer über den
Grenzkosten liegen.
Wenn hingegen der Landwirt und der Nachfrager einen Abnahmevertrag abschließ
en könnten mit einem …xierten Preis für Qualitätshafer, der die höheren Grenzkosten deckt, so würde dieses Problem gelöst werden und eine Qualitätshaferproduktion würde statt…nden. Es
wäre jedoch eine beidseitige Mengenabsprache notwendig.
Zusammenfassung
Transaktionsspezi…sche Investitionen erfordern eine vertragliche Absicherung gegenüber vorzeitigem Ende des Leistungsaustausches oder eventuellem opportunistischem Verhalten eines Partners.
Bei ko-spezialisierten Vermögenswerten besteht die Möglichkeit des Hold-up Problems und
des Lock-in E¤ekts.
Hold-up Problem (Gefahr des opportunistischen Verhaltens nach Vertragsabschluss ”Pistole auf die Brust”)
Lock-in E¤ekt (in der Sackgasse, d.h. ohne Ausweg)
39
Beispiele für den Lock-in E¤ekt:
1066 Wilhelm der Eroberer verbrannte nach der Anlandung alle Schi¤e.
Apple/Macintosh baute Fabrik für IBM-unkompatible Hardware (teurer und hoch spezialisiert). Durch diese Investitionen in spezi…sche Vermögenswerte (assets) reduziert man
freiwillig seine potentiellen Möglichkeiten. Die Selbstverp‡ichtung begrenzt die eigenen
Optionen. Eine wechselseitige Abhängigkeit, z.B. spezialisierter Rohsto- ieferant und Abnehmer.
Die Spezi…tät von Vermögenswerten und die Unvollständigkeit von Verträgen bilden die Grundlage des Hold-up Problems und ermöglichen opportunistisches Verhalten nach Vertragsabschluss.
Das Hold-up Problem besteht in der wechselseitigen Abhängigkeit von Lieferant und Abnehmer
durch Spezialisierung und spezi…sche Investitionen.
Beispiel für das Problem ko-spezialisierter Vermögenswerte:
Zwei Firmen gehen ein risikobehaftetes Unternehmen ein (joint venture). Jede Firma muss hierfür
eine Investition mit jeweils Kosten von 2 tätigen, die auß
erhalb des joint venture absolut wertlos
ist. Die Bruttoerträge ergeben 8 und der Gewinn 4.
Wenn beide Unternehmen sich den Gewinn teilen, ergibt sich daraus:
4
=2
2
Es gibt allerdings keinen durchsetzbaren Vertrag (enforceable contract). Es ist jeder Partei möglich, die Verteilung zum eigenen Vorteil zu verändern, d.h., durch ex-post Opportunismus
zu ”ra¤en”. Dies ist jedoch mit Kosten von 3 verbunden.
8
4=4)
Wenn beide Unternehmen ”ra¤en”, ergibt sich jeweils:
2 3= 1
Wenn nur ein Unternehmen ”ra¤t”, so soll dieses den gesamten Gewinn erhalten:
8 2 3=3
Das andere Unternehmen hat einen Verlust durch die Investitionskosten von 2.
Zusammenfassung
Im Ergebnis führt dies zu einer Art Gefangenendilemma, welches die nachfolgende Tabelle (s.
Abb.. 9 / S. 41) veranschaulicht.
Die kollektiv beste Lösung zu teilen bzw. miteinander zu kooperieren wird nicht
erreicht, weil beide unabhängig davon, was der andere tut, Ra¤en bevorzugen. Wenn der andere
Spieler ra¤t, ist es besser, ebenfalls zu ra¤en, als nicht zu ra¤en. Wenn der andere Spieler nicht
ra¤t ist es ebenfalls die bessere Strategie, zu ra¤en. Auch hier ist wieder die Auszahlung (in
Nutzen Werten) höher. Es ist damit eine dominante Strategie, ”zu ra¤en”. Beide werden
ra¤en und negative Auszahlungen erhalten. Dies ist das Gleichgewicht in dominanten
Strategien.
Werden die Firmen vor der Tätigung dieser spezi…schen Investition auf dieses Problem aufmerksam, werden sie sich überlegen, ob sie überhaupt investieren sollen. Folglich kann mögliches
opportunistisches Verhalten nicht nur Investitionen sondern bereits die Anreize dazu (zer)stören.
Aufbau von Reputationen als Ausweg
Überprüfung der Reputation = e¤ektiver Check von ex post Opportunismus
Vertrauen spielt eine wichtige Rolle bei Transaktionen, weil Verträge teuer und unvollständig
sind. Ein schlechter Ruf reduziert künftige Möglichkeiten für pro…table Transaktionen, daher
Vermeidung von Absagen, um den Ruf nicht zu gefährden. Besorgnis um den Ruf verringert
Anreize für opportunistisches Verhalten, da die Kosten kurzfristige Gewinne ausgleichen.
40
Abbildung 9: Gefangenendilemma
Unternehmen
Spieler 2
Verhalten
Raffen
Nicht Raffen
Raffen
-1,-1
3,-2
Nicht Raffen
-2,3
2,2
Spieler 1
7.2.2
Häu…gkeit der Transaktionen und Zeitdauer der Wiederholungen.
Je häu…ger eine Transaktion durchgeführt wird, desto geringer wird das Problem der transaktionsspezi…schen Investition.
Je öfter sich eine Transaktion wiederholt, desto eher kommt es zum Aufbau von Reputationse¤ekten.
Der Anreiz für Opportunistisches Verhalten ist umso geringer, je häu…ger sich die Transaktion zwischen den gleichen Geschäftspartnern wiederholt.
7.2.3
Komplexität von Transaktionen und Unsicherheit über Ausführung
Je komplexer die Transaktion, desto unvollständiger sind Verträge und desto eher wird
über die Hierarchie als über den Markt organisiert.
Je unsicherer die Eigenschaften des Transaktionsobjekts, desto hierarchischer (lieber selber
produzieren) die Organisation. Umgekehrt: Je einfacher die Transaktion, desto eher wird
sie über den Markt geregelt.
7.2.4
Schwierigkeit, die Leistung, die in Transaktionen gesteckt wird, zu messen
Je schwieriger es ist, die Leistungen zu messen, die in eine Transaktion gesteckt werden,
desto eher wird diese Transaktion innerhalb einer Unternehmung organisiert werden.
Bei der Festlegung der Leistungstiefe der Organisationsform besteht ein kontinuierlicher
Übergang zwischen Hierarchie und Markt (s. Abb. 10 / S. 42)17 .
Beispiel - Wiesenhof
Bei Wiesenhof herrscht ein sehr starker Integrationsgrad entlang der Produktionskette. Diese
reicht von eigenen Zuchtbetrieben und Brütereien über eigene Futtermühlen mit Futtermittelvertragsanbau, eigene und fremde Mastbetriebe (letztere mit mindestens 10 Jahren Vertragslaufzeiten) bis hin zu Informationen, Fortbildungen und Fachpersonal für den Bereich Humankapital.
17
modi…ziert nach Picot et al., S.53
41
Abbildung 10: Übergang zwischen Hierarchie und Markt
Aufgaben
1. Warum sind Genossenschaften bei Zucker und Milch zu …nden und weniger bei Getreide?
2. Welche ökonomischen E¢ zienzbegri¤e kennen Sie?
3. Zählen Sie für die e¢ ziente Organisationsform wichtige Eigenschaften von Transaktionen
auf.
4. Was versteht man unter dem Problem ko-spezialisierter Vermögenswerte
5. Was versteht man unter dem Hold-up Problem und dem Lock-in E¤ekt
42
8
Probleme des Transaktionskostenansatzes
Der Transaktionskostenansatz scheint generell geeignet, um zu erklären, warum bestimmte Organisationsformen für bestimmte Eigenschaften von Transaktionen besser geeignet sind,
als andere Organisationsformen. Wenn bestehende Organisationsformen betrachtet und Überlegungen über deren E¢ zienz angestellt werden, so liegt es nahe, in der praktischen Wirklichkeit
vorzu…ndende Organisationsformen als e¢ ziente Antworten auf die Eigenschaften der Transaktionen zu interpretieren.
Es kann mit einiger Berechtigung davon ausgegangen werden, dass nur solche Organisationsformen von Dauer sind, die pareto-e¢ zient sind. Hier gilt folgendes Argument: Wenn
zumindest einer der Beteiligten bei einer anderen Organisationsform besser gestellt ist, und niemand der Beteiligten schlechter, gibt es keinen Grund, warum die Beteiligten nicht zu dieser
pareto-e¢ zienten Organisationsform übergehen sollten.
Das Pareto-Kriterium ist ein im Vergleich zu dem Kompensationkriterium ein schwaches Kriterium. Bei dem Kompensationskriterium kann die Gesamtheit nicht besser gestellt werden, hierbei
sind Kompensationszahlungen zugelassen (im Gegensatz zum Pareto-Kriterium).
Nun stellt sich die Frage, wann ist eine Organisationsform auch entsprechend dem Kompensationskriterium e¢ zient? Verteilung und E¢ zienz hängen in der Regel voneinander
ab.
8.1
Verteilung und E¢ zienz
Jetzt bleibt zu fragen, unter welchen Bedingungen spielen Verteilungsaspekte keine
Rolle?
Hier bereits die Antwort:
Wenn die Beteiligten e¢ zient miteinander verhandeln können und das Ergebnis e¢ zient durchsetzen können, dann wird die (im Sinne des Kompensationskriteriums)
e¢ ziente Organisationsform gefunden werden.
Unter dieser Annahme können wir davon ausgehen, dass die Marktbeteiligten diejenige Organisationsform …nden werden, die die Summe aus Produktions- und Transaktionskosten minimiert. Wenn eine Organisationsform e¢ zienter ist als eine andere, dann wird sich erstere
durchsetzen. Die gewählte Organisationsform wird allein von E¢ zienzüberlegungen bestimmt.
Verteilungsaspekte spielen keine Rolle.
Eine Organisationsform ist Pareto-e¢ zient, wenn kein Beteiligter durch eine andere Organisationsform besser gestellt ist, ohne dass ein anderer schlechter gestellt ist. Diese ”Minimalforderung” an die E¢ zienz dürfte in der Regel gelten. Doch anspruchsvoller ist das Kompensationskriterium. Dieses besagt, dass die Gewinne, die einige Beteiligte erzielen, ausreichen müssen,
um die Verlierer für die Verluste zu kompensieren. Hierdurch wird die Wohlfahrt insgesamt,
die gesellschaftliche Wohlfahrt, maximiert. Wenn wir im folgenden von E¢ zienz sprechen,
meinen wir die E¢ zienz im Sinne des Kompensationskriteriums, sonst werden wir
ausdrücklich von Pareto-E¢ zienz sprechen.
Zuerst soll erläutert werden, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit die Beteiligten ef…zient miteinander verhandeln können: Es dürfen keine Ausstattungse¤ekte vorliegen, die Nutzenfunktionen und Aufteilungsregeln müssen bestimmte Bedingungen
erfüllen.
Es lassen sich E¢ zienzgewinne (entsprechend dem Kompensationskriterium) nur realisieren,
wenn keine Ausstattungse¤ekte vorliegen, die Nutzenfunktionen bestimmten Bedingungen genügen und die Aufteilungsregeln ”vernünftig” sind:
1. Der Entscheidende muss reich genug sein, jeden Wechsel von einer weniger präferierten
Alternative zu einer mehr präferierten Alternative bezahlen zu können, wenn er sich dabei
besser stellt.
2. Für alle beliebigen Paare von Alternativen yA und yB gibt es einen bestimmten Geldbetrag
x, der ausreicht, den Entscheidenden dafür zu kompensieren, statt yA die Alternative yB
zu wählen.
43
3. Wenn dem Entscheidenden zuerst ein Betrag z gegeben wird, so verändert sich damit nicht
die Höhe von x, die als Kompensation nötig wäre. Dies bedeutet, dass der Grenznutzen
des Einkommens x als konstant angenommen wird und die Nutzenfunktion als additiv
separabel in Einkommen und Kompensationszahlungen.
4. Die Aufteilungsregeln sind anreizkompatibel. Dies bedeutet, dass die Aufteilungsregel
(möglichst) e¢ zient ist.
Die Allokation innerhalb einer Gruppe wird nur dann den gesamten Wert für alle Parteien maximieren, wenn zumindest diese vier Bedingungen vorliegen. Nur dann kann davon ausgegangen
werden, dass die e¤ektive Organisationsform von den Parteien gefunden wird, die dazu führt,
dass die Allokation den gesamten Wert maximiert und somit das Wertmaximierungsprinzip
gilt. Nur wenn dieses Prinzip gilt, kann davon ausgegangen werden, dass die Beteiligten selber
die optimale Organisationsform im Sinne des Kompensationskriteriums …nden.
In der Realität werden wir oft andere als die im Beispiel unterstellte Nutzenfunktionen haben.
Der Gesamtnutzen ist nicht additiv separabel in Einkommen und Kompensationszahlungen.
Auch reicht oft das Vermögen nicht zur Kompensation aus oder eine Kompensation mit Geld
ist aus anderen Gründen nicht möglich.
8.2
Das Coase-Theorem
Eine notwendige Bedingung dafür, dass Verteilung und E¢ zienz nicht voneinander abhängen und
damit das Wertmaximierungsprinzip gilt, ist, dass keine Ausstattungse¤ekte vorliegen. Weiterhin
muss vollständige Information vorliegen. Nur wenn keine Ausstattungse¤ekte vorliegen
und vollständige Information besteht, ist die Verteilung unabhängig von der E¢ zienz. Nur dann gilt das Wertmaximierungsprinzip. Das Coase-Theorem verdeutlicht, dass
die (Eigentums- und Nutzungsrechte-)Verteilung unabhängig von der E¢ zienz ist, wenn diese
Bedingungen vorliegen.
Coase-Theorem: Wenn Parteien e¤ ektiv verhandeln können, d.h. vollständige Information
besteht und das Wertmaximierungsprinzip gilt, dann werden die wertscha¤ enden Aktivitäten,
auf die sie sich einigen, weder von der Verhandlungsmacht noch von der Anfangsausstattung
der Parteien bestimmt. E¢ zienz alleine bestimmt das Ergebnis. Die anderen Faktoren bestimmen
nur die Verteilung von Kosten und Gewinn.
Beispiel - Wäscherei und Fischzucht:
Wäscherei und Fischzucht liegen an einem Fluss, wobei die Wäscherei negative externe E¤ekte
auf die Fischzucht ausübt.
Grenzkosten (GK) der Emissionsvermeidung durch Wäscherei
Grenznutzen (GN) der Emissionsvermeidung für Fischzucht
EW - Wäscherei ohne Emissionsvermeidung
EF - Fischzucht ohne Emissionen
E x - optimale Emissionsvermeidung (s. Abb. 11 /S. 45)
Wir wollen zwei unterschiedliche Zuteilungen der Verfügungsrechte betrachten:
1. In dem einen Fall hat die Wäscherei die Verfügungsrechte an dem Fluss,
2. in dem anderen Fall die Fischerei.
Anwendung des Coase-Theorems
1. Wenn die Wäscherei die Nutzungsrechte am Fluss hat, so könnte die Fischzucht den Betrag
X E an die Wäscherei (Fläche A + B) bezahlen. Der Nettonutzen für die Fischerei ergibt
sich durch den Gesamtnutzen, die Fläche unter der Grenznutzenkurve bis zu E , minus die
Kompensationszahlung in Höhe von Fläche A + B. Damit entspricht der Nettogewinn für
die Fischerei die Fläche C. Die Wäscherei hat Kosten der Emissionsvermeidung, die der
Fläche unter der Grenzkostenkurve bis zu E entsprechen, erhält jedoch den Kompensationsbetrag in Höhe der Fläche A + B. Damit bleibt als Nettonutzen für die Wäscherei die
Fläche B übrig. Durch die Kompensationszahlungen steigt die Wohlfahrt der Beteiligten
44
Abbildung 11: Optimaler Grad der Emissionsvermeidung
um die Fläche B +C. Beide sind besser gestellt als bei EW , d.h., wenn die Wäscherei keine
Emissionsvermeidung betreibt. Der Nettonutzen für Fischzucht entspricht der Fläche C,
der Nettonutzen für Wäscherei entspricht der Fläche B. Weiterhin wird das ökonomisch
e¢ ziente Niveau der Emissionsvermeidung E erreicht. Es gibt keinen anderen Grad der
Emissionsvermeidung mit den entsprechenden Zahlungen, der die gesellschaftliche Wohlfahrt erhöhen würde. Damit ist der Grad der Emissionsvermeidung E e¢ zient (s. Abb.
12 / S. 46).
2. Wenn die Nutzungsrechte bei der Fischzucht liegen, dann wird die Wäscherei die Fischzucht
für ihre Emissionen kompensieren (s. Abb. 13 / S. 46). Die Fischzucht erhält von der
Wäscherei den Betrag aus der Di¤erenz von E F E multipliziert mit X ,dies entspricht
den Flächen D und E, und wird damit kompensiert für den Anstieg der Emissionen von
EF auf E . Der Nettonutzen für die Wäscherei entspricht der Fläche F , der Nettonutzen
für die Fischzucht entspricht der Fläche E.
Waagrechte Schra¢ erung =) tatsächlicher Verlust für die Fischerei
Diagonale Schra¢ erung =) Di¤erenz aus Kompensationszahlung von Wäscherei und
tatsächlicher Verlust
Senkrechte Schra¢ erung =) Di¤erenz aus entstehenden eingesparten Kosten der Emissionsvermeidung für die Wäscherei und Kompensationszahlungen an Fischerei
Wenn vollständige Information besteht und keine Ausstattungse¤ekte vorliegen,
sind die Beteiligten in der Lage miteinander e¤ektiv zu verhandeln und es stellt
sich eine e¢ ziente Lösung ein, wie das Beispiel zeigt.
Damit diese Entscheidung auch e¤ektiv durchgesetzt werden kann, wird als letzte Instanz
der Staat bzw. die Gerichtsbarkeit gebraucht.
45
Abbildung 12: Wohlfahrtsänderungen durch Kompensationszahlungen von Fischerei an
Wäscherei
GK,
GN
GN
GK
C
GK=
GN=
X
B
A
EW
EF
E*
wirtschaftl.
Aktivitäten/
Emissionsvermeidung
Abbildung 13: Wohlfahrtsänderungen durch Kompensationszahlungen von Wäscherei an
Fischerei
GK,
GN
GN
GK
F
X=GK=GN
E
D
EW
EF
E*
46
wirtschaftl.
Aktivitäten/
Emissionsvermeidung
Aufgaben
1. Unter welchen Bedingungen spielen Verteilungse¤ekte keine Rolle und wird die Allokation
nur von der E¢ zienz bestimmt?
2. Wann ist der Transaktionskostenansatz nicht geeignet, um bestehende Organisationsformen zu begründen?
3. Zeigen Sie an dem Beispiel für das Coase Theorem, dass keine Ausstattungse¤ekte vorliegen
dürfen, damit das Coase Theorem gilt.
4. Was bedeutet das Wertmaximierungsprinzip und wann gilt es?
5. Zeigen Sie, warum vollständige Information über Grenzkosten und Grenznutzen vorliegen
muss, damit das Coase Theorem gilt.
6. Wie lautet das Coase Theorem?
7. Diskutieren sie, warum letztendlich eine Dritte Instanz gebraucht wird, damit ein e¢ zientes
Ergebnis auch e¤ektiv durchgesetzt werden kann.
8. Zeigen Sie graphisch, dass E x der optimale Grad der Emissionsvermeidung ist, d.h. der
Grund, der die soziale oder gesellschaftliche Wohlfahrt (d.h. den Nettonutzen) maximiert.
Stellen Sie den Nettonutzen bei einem geringeren Grad der Emissionsvermeidung und bei
einem höheren Grad der Emissionsvermeidung als E x dar.
47
9
Koordination durch Preise und Mengen
Robinson Crusoe als einziger Mensch auf einer Insel war als Selbstversorger für alle Arbeiten
und Aufgaben selbst verantwortlich, Entscheider, Produzent und Konsument in einer Person.
Mit dem Auftauchen von Freitag konnte man die Aufgaben auf zwei Personen aufteilen. Diese
Arbeitsteilung ermöglichte eventuell auch schon eine Spezialisierung, in jedem Fall aber benötigte sie Koordination, d.h. Absprachen mit einem dafür notwendigen Zeitaufwand. Mit der
Zunahme der Arbeitsteilung und Spezialisierungen wird das Bedürfnis nach und der Aufwand
für Koordination größ
er.
9.1
Koordination über den Markt oder durch die Unternehmung?
Koordination und Motivation laufen am Markt über Preise, in Unternehmen eher durch Mengenvorgaben. Bei vollständiger Information ist beides äquivalent, d.h. bei bekannten Angebots- und
Nachfragekurven ist es unerheblich, ob die Gleichgewichtsmenge q* oder der Gleichgewichtspreis
p* vorgegeben wird. Das Problem der mengengesteuerten Planwirtschaft ist die Unvollständigkeit der Informationen. Es können nicht alle relevanten Daten erhoben werden und zudem gibt
es falsche Informationen durch Fehler oder aus Absicht.
Das Preissystem ist eine Methode in der Marktwirtschaft Spezialisierungsaktivitäten zu koordinieren; daneben existiert noch das Mengensystem als Koordinationsinstrument.
Bei der Mengensteuerung bzw. der Preissteuerung handelt es sich um extreme Formen der
Koordination und Motivation. Doch lassen sich Kriterien …nden, die für alle Koordinations- und
Motivationsmechanismen von Bedeutung sind.
Es gilt nun herauszu…nden, welches System das jeweils e¢ zientere System bei verschiedenen
Formen der Unsicherheit ist. Ebenso ist herauszu…nden, welches Koordinationssystem das informationse¢ zientere ist, d.h. das System, dass aufgrund seiner Struktur am wenigsten Informationen benötigt.
Vorteil Marktsteuerung
Vollkommener Markt !Konkurrenzgleichgewicht !Gesellschaftliches Optimum
Doch viele Formen der Koordination benutzen nicht nur Preise, sondern Pläne etc.(z.B.:
Notrufeinrichtungen, Studienplatzvergabe,...)
Vorteil hierarchische Steuerung
Koordinationsprobleme mit besonderen Struktureigenschaften
1. viele a priori Informationen über Optimum
2. minimale Abweichungen führen zu erheblichen Kosten
Besondere Struktureigenschaften liegen vor z.B. bei Synchronisationsproblemen (Steuermann im
Ruder-Achter) oder bei Zuordnungsproblemen (Notfall, Notoperation).
9.2
Preisplanung versus Mengenplanung
Ansprüche an die Informationstransmission bei Preis- und Mengensteuerung am Beispiel einer
Firma mit vielen Produktionsstätten mit 2 Möglichkeiten der Koordination:
1. Preissteuerung: Zentrum gibt Preis bekannt. Produktionseinheiten melden die Menge,
die sie bereit sind zu diesem Preis zu produzieren. Zentrum ändert Preise bis die gewünschte
Menge allokationse¢ zient (Grenzkosten bei allen Produktionseinheiten gleich) produziert
wird.
2. Mengensteuerung: Zentrum gibt jeder Produktionseinheit eine Menge vor. Jede Produktionseinheit meldet ihre Grenzkosten bei dieser Menge. Die vorgegebenen Mengen für
Produktionseinheiten mit hohen Grenzkosten werden verringert und für Einheiten mit
niedrigen Grenzkosten erhöht. (Grenzkosten müssen bei allen Produktionsstätten zu der
von der Zentrale gewünschten Menge erst gefunden werden.)
48
1 Preis
Zentrale
Produktion
n Mengen
Bei n Produktionseinheiten und Preissteuerung müssen bei einer Preissteuerung jedes Mal 1
Preis und n Mengen ausgetauscht werden:
Zentrale
Datenanzahl = n + 1
Bei Mengensteuerung müssen n Mengen und n Grenzkosten ausgetauscht werden, daraus resultiert:
n Mengen
Zentrale
Produktion
n Grenzkosten
Datenanzahl = 2n
Die Koordination von Aktivitäten über Preissteuerung ist viel einfacher und leichter als über
die aufwändigere Mengensteuerung. Bei Preissteuerung wird nur 1 Parameter (Information) von
der Zentrale hinausgegeben, während bei der Mengensteuerung n Informationen hinausgegeben
werden.
Zusammenfassung
Die Preissteuerung bildet gegenüber der Mengensteuerung das informationse¢ zientere System.
Informationse¢ zienz-Theorem:
Die Informationse¢ zienz hängt ab von der Anzahl der ausgetauschten Informationen. (z.B. Informationsaustausch zwischen Zentrale und Produktionsstätten). Wenn es keine a priori Informationen gibt, so muss zumindest zusätzlich zum Plan (Preis- oder Mengen-) noch eine Variable
kommuniziert werden. Es gibt kein System, bei dem weniger Information zur Steuerung der dezentralen Produktion durch eine Zentrale ausgetauscht werden kann. Dabei bleibt allerdings die
möglicherweise unterschiedliche Geschwindigkeit mit der die Lösung erreicht wird, unberücksichtigt.
Die nachfolgenden 3 Fragen zum Vergleich von unterschiedlichen Systemen dienen der Beurteilung, welches System am besten wirtschaftliche Probleme lösen kann:
1. Vorausgesetzt alle vom System geforderten Informationen stehen zur Verfügung, alle Berichte sind ehrlich und sorgsam erfasst und die Informationsbescha¤ung und -verarbeitung
ist reibungslos und kostengünstig: Könnte dann dieses System eine e¢ ziente Entscheidung
tre¤en?
2. Wie viele Informationen braucht das System, um seine Aufgabe zu erfüllen? Gibt es andere
gleich gute Systeme, die aber weniger Informationen benötigen?
3. Wie zerbrechlich ist das System? D.h., wenn eine gewünschte Information fehlt oder unzureichend ist, wie sehr wird sich dann die Leistung des Systems verschlechtern?
=) Das System wählen, welches unter Berücksichtigung aller verbindlichen Kosten den NettoNutzen maximiert.
49
9.2.1
Wohlfahrtsverluste durch Preis- und Mengensteuerung bei unvollständiger
Information
Die Emp…ndlichkeit von Preis- und Mengensystem gegenüber auftretenden Fehlern lässt sich
anhand eines Modells geographisch und mathematisch vergleichen.
Im Schaubild (s. Abb. 14 / S. 50) ist GN die Grenznutzenkurve und GK die geschätzte Grenzkostenkurve durch den Planer. Beide schneiden sich im Punkt a und führen zu einer Menge
Q.
Die tatsächliche Grenzkostenkurve ist jedoch GK0 und liegt um d unter der Erwartung. Sie
schneidet GN in c und führt zu der tatsächlich e¢ zienten Menge Q0.
Abbildung 14: Wohlfahrtsverluste bei Preis- und bei Mengensteuerung
GK
GN
GK’
a
f
P
c
d
D
b
e
GN
Q
Q’
Q’
’
1. Mengensteuerung:
Der Planer gibt Output Q vor =) Unternehmen produziert Q.
Fläche QacQ0 : Nutzen des erhöhten Outputs von Q nach Q0
Fläche QbcQ0 : Kosten des erhöhten Outputs von Q nach Q0
Fläche abc : Nettowohlfahrtsgewinn von Q nach Q0 =) Verlust, bei Mengenvorgabe
Größ
e des Dreiecks abc: 21 d(Q0
Q)
I Es entsteht durch den Irrtum des Planers, nämlich eine falsche Einschätzung der GK-Kurve,
ein Wohlfahrtsverlust in Höhe der Fläche abc = 12 d(Q0 Q) bei Mengenvorgabe.
2. Preissteuerung:
Der Planer gibt Preis P vor =) Unternehmen produziert Q00.
Fläche Q0ceQ00: Nutzen des erhöhten Outputs von Q0 nach Q00
Fläche Q0cf Q00: Kosten des erhöhten Outputs von Q0 nach Q00
Fläche ef c : Nettowohlfahrtsverlust von Q0 nach Q00
Größ
e des Dreiecks ef c : 21 D(Q00
Q0)
I Der Wohlfahrtsverlust bei Preissteuerung beträgt ef c = 21 D(Q00
50
Q0)
3. Vergleich der Wohlfahrtsverluste:
Die Dreiecke abc und ef c ähneln sich, weil die Winkel bei a und e bzw. bei b und f gleich groß
sind: Hieraus folgt für das Verhältnis der beiden Wohlfahrtsverluste:
1
D (Q00
ef c
= 21
abc
2 d (Q0
Q0)
Q)
Höhen und Grund‡ächen der Dreiecke im gleichen Verhältnis:
Q00
Q0
Q0
D
=
Q
d
SGN : Steigung Grenznutzen (GN ) (negativ)
SGK: Steigung Grenzkosten (GK)
D = SGN (Q00
d = SGK (Q00
Q)
Q)
SGN
D
=
d
SGK
4. Verhältnis der Wohlfahrtsverluste von Preis- und Mengensteuerung (s. Abb. 14 / S. 50):
1
2 D(Q00
1
2 d(Q0
Q0)
D (Q00
=
d (Q0
Q)
Q0)
Q)
Wegen der Ähnlichkeit der Dreiecke gilt:
Q00
Q0
Q0
D
=
Q
d
Wenn dann D und d als Steigungen ausgedrückt werden, folgt für das Verhältnis der beiden
Flächen:
ef c
GN
=
abc
GK
Verlust bei Preissteuerung
Verlust bei Mengensteuerung
=
h
2
Steigerung Grenznutzen
Steigerung Grenzkosten
Zusammenfassung
Die Ergebnisgleichung kann wie folgt interpretiert werden:
i2
Steigerung Grenznutzen < Steigerung Grenzkosten
=) Verlust bei Preissteuerung < Verlust bei Mengensteuerung
Steigerung Grenzkosten < Steigerung Grenznutzen
=) Verlust bei Mengensteuerung < Verlust bei Preissteuerung
51
Exkurs - Beispiel: Gesundheitssystem18
Staatliche Eingri¤ e in das Gesundheitssystem sind in allen Industrieländern zu …nden und werden mit dem hohen Wert des Gutes ”Gesundheit” begründet. Die Gesetzliche Krankenversicherung soll garantieren, dass auch die Versorgung …nanziell Schwacher oder von Arbeitnehmern
mit hohem berufsbedingtem Krankheitsrisiko gesichert ist. Über eine notwendige Basisabsicherung hinausgehende staatliche Regulierungen ziehen allerdings häu…g weitere e¢ zienzbeeinträchtigende und in dieser Hinsicht unerwünschte Maß
nahmen nach sich.
In einem umlage…nanzierten Versicherungssystem wie der gesetzlichen Krankenversicherung in
Deutschland gibt es grundsätzlich (neben dem hier ausgeklammerten Qualitätsaspekt) drei mögliche Ansatzpunkte der staatlichen Steuerung: Mengen, Preise und Gesamtausgaben bzw. einnahmen. Zur Steuerung kann man auf der Anbieterseite, also bei den Leistungserbringern (Ärzte,
Hersteller von Arznei- oder Heilmitteln etc.), auf der Nachfragerseite (Patienten) oder auf globaler Ebene am Gesamtsystem ansetzen.
Eine wesentliche Ursache der scheinbar unlösbaren Probleme im deutschen Gesundheitswesen ist
der politisch opportune, weitgehende Verzicht auf eine preisliche Steuerung der individuellen
Gesundheitsnachfrage. Dies hat weitreichende Folgen. Es führt zu einer Nachfrageausweitung
nach Gesundheitsgütern und Dienstleistungen auf Grund des bestehenden Versicherungsschutzes. Wegen dieses als Moral-Hazard-Phänomen bezeichneten Zusammenhanges nehmen die
Patienten auch Leistungen in Anspruch, deren zusätzlichen Gesundheitsnutzen sie geringer einschätzen als den Preis, der hierfür von den Krankenkassen zu zahlen ist. Man spricht auch von
”Reinholmentalität”. Ohne preisliche Steuerung fällt es zudem den Leistungserbringern leicht,
Patienten ”von der Notwendigkeit nicht notwendiger Maß
nahmen” zu überzeugen.
Eine (verstärkte) Preissteuerung kann z. B. in Form von (fühlbareren) Selbstbeteiligungen
der Patienten an Gesundheitsleistungen und -gütern erfolgen (Zuzahlungen zu Arzneimitteln
oder auch je Arztbesuch). Voraussetzung für die Wirksamkeit von Zuzahlungen ist eine preisabhängige bzw. -elastische Nachfrage, also ein negativer Zusammenhang zwischen Preis und
nachgefragter Menge. Dies setzt unter anderem voraus, dass der Konsument Substitutionsmöglichkeiten (zum Beispiel zwischen ”teuren”und ”billigen”Schmerzmitteln bei ähnlicher Qualität)
hat, er die erforderlichen von den nicht notwendigen Leistungen unterscheiden sowie die Qualität der Leistungen beurteilen kann (Konsumentensouveränität), ferner die Leistungen nicht
lebensnotwendig sind.
Selbstbeteiligungen entfalten ihre Steuerungswirkung einmal durch ”Verzicht der Patienten auf
entbehrliche Leistungen”, darüber hinaus aber auch durch ”Preisvergleich” und Wahl preiswerter Leistungen. Ein wichtiges Instrument der Preissteuerung ist die Beitragsrückerstattung bei
Nicht-Inanspruchnahme der Versicherung, wie sie schon heute bei vielen privaten Krankenversicherungen praktiziert wird. Während absolute Zuzahlungen pro Leistung (Gebühren) in den meisten Fällen nur die Entscheidung beein‡ussen, ob eine Leistung in Anspruch genommen wird,
beein‡usst die prozentuale Selbstbeteiligung auch, welche Leistungen in Anspruch genommen
werden (falls Preisvergleiche möglich sind). Die Preissteuerung dient hier der Annäherung an
Marktbedingungen, die die Verzerrungen eines ”Quasi-Nulltarifs” der Versicherung abmildern
soll und dadurch einen umfassenden Leistungskatalog weiterhin …nanzierbar macht.
Bei der Honorierung medizinischer Leistungen in einem staatlich regulierten System treten ebenfalls verschiedene Probleme auf: Die Leistungen müssen auf Grund der bestehenden Informationsunterschiede von Patienten und Leistungserbringern sowie der daraus resultierenden erschwerten Qualitätskontrolle durch den Patienten ”angemessen” (indirekt über die Versicherung) bezahlt werden, damit auch qualitativ hochwertige Leistungen erbracht werden. Da der
Erfolg medizinischer Maß
nahmen - in Abgrenzung zur eintretenden Situation ohne medizinische
Leistungen schwer zu quanti…zieren ist, bleibt nur der Rückgri¤ auf die Entlohnung der Leistung,
also die Bezahlung für Arbeits- und Kapitaleinsatz. Hier sind unterschiedlichste Verfahren möglich:
Da ist zum einen die Entlohnung für Einzelleistungen (staatlich administrierte Preise) in Höhe
der hieraus entstandenen Kosten oder die Bezahlung von Behandlungsfällen (z.B. Fallpauschalen). Preise sind eines der steuerungswirksamsten Instrumente. Ergeben sich Preise allerdings
18
Quelle: http://www.bpb.de/publikationen/CDQPS2,1,0,Reform_des_Gesundheitswesens_bleibt_aktuell.html
vom 10.11.03
52
nicht aus dem Marktprozess, sondern werden administrativ festgelegt, besteht die Gefahr, dass
sie ”falsch sind”. Sie spiegeln die Knappheitsverhältnisse nicht richtig wider. ”Falsche Preise”
steuern dann mit hoher Wirksamkeit in die falsche Richtung. Administrativ festgelegte Preise
werden zudem selten geändert, einem raschen Wandel der Knappheitsverhältnisse (z.B. bei medizinischtechnischem Fortschritt oder im demographischen Wandel) können sie nur langsam folgen.
Zudem besteht die Gefahr, dass sie nicht nach Knappheitsverhältnissen ausgerichtet, sondern
nach politischen (z.B. Ausgabendämpfung) oder gesundheitsfremden (z.B. nach Arbeitsmarkterfordernissen) Zielen und Machtverhältnissen festgelegt werden. Der Bedarf der Versicherten und
Patienten, die Versorgungsqualität bleibt dann leicht auf der Strecke.
Zum anderen sind auch Modelle unabhängig von erbrachten Leistungen, beispielsweise ein festes Gehalt pro Periode oder ein Betrag pro (potentiellen) Patienten, möglich. Eine Bezahlung
nach Einzelleistungen (bei festen Sätzen) kann einen Anreiz zu einer Leistungsausweitung geben, wenn noch freie Kapazitäten bestehen. Bei einem festen Gehalt besteht im Extremfall die
Gefahr des Ausbleibens erforderlicher Leistungen. Breyer und Zweifel kommen in ihren quantitativen Analysen zu dem Ergebnis, dass ”Kassenärzte in Deutschland einen Anreiz haben, ihre
Einzelleistungen e¢ zient zu produzieren. Dagegen ist nicht zu erwarten, dass sie eine Kombination von Einzelleistungen wählen, mit der sie den von ihnen gewünschten Behandlungserfolg
kostenminimierend erreichen.”
Eine Mengensteuerung im Arzneimittelbereich kann beispielsweise in Form von Leistungsausschlüssen (Negativliste) erfolgen. Leistungsausschlüsse sind ein grob steuerndes Instrument,
da sie faktisch eine hundertprozentige Selbstbeteiligung bei der Inanspruchnahme der Leistung
bedeuten. Sie verursachen scharfe Verwerfungen der Nachfrage zwischen gänzlich versicherungsgedeckten und gänzlich selbst zu bezahlenden Leistungen. Leistungsausschlüsse erfolgen zumeist
mit der Begründung mangelnden therapeutischen Nutzens oder der Indikation einer ”Bagatellerkrankung”, die in den Bereich der Eigenverantwortung fällt. Man kann versuchen, die Anreize
der Anbieter zu medizinisch nicht notwendigen Leistungsausweitungen zu verringern. Die Mengen können direkt durch staatliche Versorgungsplanung und Zulassungsbeschränkungen auf der
Anbieterseite (Mengensteuerung) oder indirekt über die Ausgaben für Leistungen, z.B. durch
Budgets für Ärzte oder Krankenhäuser, begrenzt werden. Ausgabenbeschränkungen können für
einzelne Teilbereiche des Gesundheitswesens gelten - sektorale Budgets beispielsweise für ambulante, stationäre und Arzneimittelversorgung - oder als Globalbudget für alle erbrachten Leistungen insgesamt.”
Aufgaben
1. Vergleichen Sie graphisch die Wohlfahrtsverluste bei gleicher Steigung und jeweils sehr
unterschiedlicher Steigung der Grenznutzen und Grenzkosten.
2. Zeigen Sie graphisch, dass wenn minimale Abweichungen vom Optimum zu erheblichen
Kosten führen, die Mengensteuerung der Preissteuerung überlegen ist.
3. Warum ist das Preissystem als Koordinationsmechanismus informationse¢ zient?
4. Diskutieren Sie das Problem einer reinen Planwirtschaft.
53
10
Private Information
Bei privater Information lassen sich zumindest drei Formen unterscheiden:
1. Hidden characteristics: Problem besteht darin, dass der eine Agent die Eigenschaften
des anderen Agenten oder die Leistungen im voraus nicht kennt, die dem anderen Agenten
jedoch selbst bekannt sind. Die daraus resultierende Gefahr besteht in der möglichen Auswahl schlechter Agenten, d.h. Vertragspartner. Dieses Problem ist als Adverse selection
bekannt.
2. Hidden action: Problem besteht darin, dass der eine Agent die Handlungen des anderen
Agenten nicht beobachten kann. Die daraus resultierende Gefahr besteht darin, dass der
Agent seine Handlungsspielräume opportunistisch ausnutzen kann und wider den Interessen des anderen Agenten handelt. Die daraus resultierende Gefahr besteht in ine¢ zienten
Handlungen seitens des anderen Agenten, dem sogenannten Moral Hazard.
3. Hidden information generell: Der Agent kann nicht nur besser über seine eigenen
Eigenschaften, seine Handlungen, sondern auch über andere relevanten Daten informiert
sein.
Private Information bringt eine Reihe von Problemen mit sich. Im folgenden sollen zwei Probleme
näher dargestellt werden: Adverse Selection und Moral Hazard.
Zum einen sollen die Studierenden mit diesen beiden Problemen bekannt gemacht werden. Weiterhin soll aufgezeigt werden, welche Lösungsmöglichkeiten es für diese beiden Probleme gibt.
Dabei wird die Situation mit vollständiger Information mit der Situation bei unvollständiger,
d.h. privater Information, verglichen. An diesen beiden Beispielen sollen die Studierenden aufbauend auf den bisherigen Lernerfolgen lernen, auch mit di¤erenzierten ökonomischen Modellen
zu arbeiten. Diese beiden Beispiele veranschaulichen auch, welche sozialen Verluste dadurch entstehen, dass es private Information gibt. Der optimale Umgang mit unvollständiger Information
wird in diesen beiden Modellen bereits gezeigt. Doch dies wird vertieft werden in dem Abschnitt
über Mechanismus Design.
Signaling und Screening sind zwei mögliche Antworten auf das Problem der privaten Information. Diese beiden Begri¤e werden wiederum mit jeweils einem Beispiel verdeutlicht. Es zeigt
sich, dass Signaling und Screening erfolgreich eingesetzt werden können, um dem Vergleichsmaß
stab der vollständigen Information möglichst nahe zu kommen. Doch auch hier wird die perfekte
Welt der vollständigen Information nicht erreicht.
Exkurs in die Märchenwelt: Pinocchio19
Die Totengräber – Das Lügen und die lange Nase
Nachdem die drei Ärzte gegangen waren, trat die Fee an Pinocchios Bett und legte ihm die Hand
auf die Stirn. Sie stellte fest, dass er sehr hohes, ja lebensgefährliches Fieber hatte. Aus einem
goldenen Schränkchen holte sie ein weiß
es Pulver, löste es in einem Glas Wasser auf und reichte
es Pinocchio mit den Worten: „Trink das, dann bist du morgen wieder gesund.”„Schmeckt es süß
oder bitter?”„Bitter, aber es wird dir gut tun!”„Bittere Sachen mag ich nicht.”„Gehorche mir
und trink!”„Ich kann bittere Sachen aber nicht ausstehen!”„Trink es! Danach gebe ich dir gleich
ein Stück Zucker, damit der Geschmack weggeht.”„Wo ist der Zucker?”„Da!”, sagte die Fee
und zeigte eine goldene Zuckerdose. „Ich will erst den Zucker, dann trinke ich auch das bittere
Zeug da.”„Versprichst du es mir?”„Ja!”Die Fee gab ihm das Stück Zucker: Pinocchio steckte es
blitzschnell in den Mund, zerbiss und schluckte es im Nu, fuhr sich genüsslich mit der Zunge über
die Lippen und meinte: „Wenn Zucker eine Medizin wäre, wäre ich gerne krank.”„Halte jetzt dein
Versprechen und schlucke die paar Tropfen, die dich wieder gesund machen!”Widerwillig nahm
Pinocchio das Glas in die Hand und roch daran. Dann setzte er es zwar an die Lippen, steckte
aber noch einmal die Nasenspitze hinein und sagte: „Nein! Es ist zu bitter, viel zu bitter, ich kann
es nicht trinken.”„Das weiß
t du doch gar nicht; du hast es ja noch nicht einmal versucht.”„Ich
merke es doch! Ich rieche es! Erst noch ein Stück Zucker, dann will ich’s trinken.”Mit der Geduld
einer nachsichtigen Mutter steckte ihm die Fee ein zweites Stück Zucker in den Mund und reichte
ihm dann erneut das Glas. „So kann ich es nicht trinken”, quengelte Pinocchio weiter. „Warum
nicht?”„Die Federdecke auf den Füß
en stört mich!”Da nahm die Fee die Decke weg. „Ich kann es
19
Quelle: Carlo Collodi: „Pinocchio“, Kapitel 17.
54
trotzdem nicht trinken.”„Was behagt dir sonst nicht?”„Die Zimmertür ist halb auf und das stört
mich.”Da ging die Fee und schloss die Tür. Da …ng Pinocchio laut an zu schluchzen und unter
Tränen stammelte er: „Nein! . . . Überhaupt! . . . Nein, das bittere Zeug, nein, . . . das trink
ich nicht, nein, nein, nein!”„Liebes Kind, du wirst es bereuen!”„Ist mir egal!”„Du bist schwer
krank.”„Ist mir egal!”„Mit einem so hohen Fieber wirst du in wenigen Stunden sterben.”„Ist mir
egal!”„Hast du keine Angst vor dem Sterben?”„Ich! Angst? Lieber sterben, als diese grässliche
Medizin trinken.”–Leise ging die Tür auf. Vier schwarze Hasen kamen und trugen einen kleinen
Sarg herein. „Was wollt ihr hier?”, rief Pinocchio und setzte sich voller Schrecken im Bett auf.
„Wir wollen dich holen”, sagte der größ
te der schwarzen Hasen. „Mich holen? Aber ich bin
doch gar nicht tot.”„Noch nicht, aber es wird nicht mehr lange dauern! Schließ
lich hast du die
Medizin nicht getrunken, die dich geheilt hätte.”„Liebe, liebe Fee!”, ‡ehte Pinocchio. ”Gib mir
schnell das Glas! Schnell! Schnell! Ich will nicht sterben! Nein, ich will nicht sterben!”Mit beiden
Händen nahm er das Glas und leerte es in einem Zug. „Nun ja”, sagten die Hasen, „heute sind
wir umsonst gekommen.” Sie drehten sich mit ihrem Sarg um und gingen brummend und leise
schimpfend wieder zur Tür hinaus. Nach wenigen Minuten sprang Pinocchio quietsch…del aus
dem Bett. Hampelmänner werden nämlich nur selten krank, und wenn, dann werden sie sehr
rasch wieder gesund. Als die Fee ihn ausgelassen im Zimmer herumtollen sah, sagte sie: „Meine
Medizin hat dir also doch geholfen?”„Und wie, ich fühle mich wie neu geboren.”„Warum hast
du dich dann so lange bitten lassen, bis du sie getrunken hast?”„Das machen alle Kinder so,
weil sie vor der Medizin mehr Angst haben als vor der Krankheit.”„Schämt euch! Ihr dummen
Kinder solltet bedenken, dass eine bittere Medizin, rechtzeitig eingenommen, euch vor schwerer
Krankheit und vielleicht sogar vor dem Sterben bewahren kann.”„Oh ja! Nächstes mal lass ich
mich nicht mehr lange bitten; ich brauche nur an die schwarzen Hasen zu denken . . . dann
nehme ich das Glas und - schwupps! - drunten ist die Medizin!”„Setz dich jetzt ein wenig zu
mir und erzähle mir, wie du unter die Räuber geraten bist.”Pinocchio …ng an: „Es war so: Der
Direktor Feuerschlund gab mir fünf Goldstücke und sagte: ‚Da, bring das deinem Vater!’ Aber
auf der Straß
e habe ich den Fuchs und die Katze getro¤ en, zwei rechtscha¤ ene Leute. Sie haben
mir gesagt :‚Willst du, dass aus diesen fünf Goldstücken tausend oder zweitausend werden? Geh
mit uns, wir führen dich aufs Wunderfeld!’Da habe ich gesagt: ‚Gehen wir.’Und sie sagten: ‚Wir
wollen im ”Geleimten Vogel” einkehren; um Mitternacht gehen wir weiter.’ Als ich aufwachte,
waren sie nicht mehr da, weil sie schon fort waren. dann lief ich die ganze Nacht; es war
stockdunkel. Auf der Straß
e traf ich zwei Räuber in schwarzen Säcken. Sie schrien: ’Geld her
oder Leben!’Ich habe nur stumm den Kopf geschüttelt, weil ich die Münzen nämlich in den Mund
gesteckt hatte. Da wollte mir einer der Räuber ein Messer in den Mund stecken; aber ich habe
ihm die Hand abgebissen. Als ich sie ausspuckte, sah ich, dass es eine Katzenpfote war. Dann
rannten die Räuber mir nach. Ich lief, was ich laufen konnte; aber sie bekamen mich doch und
hängten mich an den Baum im Wäldchen. Dann gingen sie fort und sagten: ‚Morgen, wenn wir
wieder kommen, wird er schon den Mund aufmachen und dann kriegen wir das Gold!’”„Wo hast
du die vier Goldstücke jetzt?” fragte die Fee. „Verloren!”, log Pinocchio. Er hatte sie nämlich in
der Tasche. Kaum hatte er diese Lüge ausgesprochen, da wuchs seine ohnehin schon lange Nase
um zwei Finger. „Wo hast du sie verloren?”„Im Wäldchen , hier in der Nähe.”Bei dieser zweiten
Lüge wuchs die Nase noch mehr. „Wenn du sie wirklich in dem Wäldchen verloren hast, können
wir sie gleich suchen. Alles, was man in diesem Wäldchen verliert, …ndet man wieder.”„Ah,
jetzt fällt es mir wieder ein”, schwindelte der Hampelmann weiter, „ich habe sie nicht verloren,
sondern versehentlich mit der Medizin hinuntergeschluckt.”Bei dieser dritten Lüge wurde die
Nase so lang, dass der arme Pinocchio sich nicht mehr im Zimmer umdrehen konnte. Überall
stießer mit der Nase an: am Bett, am Fenster, and der Wand, an der Tür. Ein Glück, dass die
Fee sich in Acht nahm, sonst hätte er ihr mit der Nasenspitze ein Auge ausgestochen. Die Nase
wuchs immer weiter. Pinocchio machte ein so verdutztes Gesicht, dass die Fee laut lachen musste.
Ängstlich fragte der Hampelmann: „Warum lachst du?”„Über deine Lügen.”„Woher weiß
t du,
dass ich gelogen habe?”„Mein lieber Junge, Lügen erkennt man sofort. Die einen haben kurze
Beine und die anderen eine lange Nase. Deine gehören zu der zweiten Sorte.”Am liebsten wäre
Pinocchio vor Scham in ein Mauseloch gekrochen. Er wollte davonlaufen, aber seine Nase war
so lang geworden, dass er nicht einmal mehr zur Tür hinauskam.
55
Exkurs in die christliche Mythologie: Baum der Erkenntnis20
Der Mensch im Paradies
Also ist Himmel und Erde geworden, da sie gescha¤ en sind zu der Zeit, da Gott der Herr
Erde und Himmel machte. Und allerlei Bäume auf dem Felde waren noch nicht auf Erden, und
allerlei Kraut auf dem Felde war noch nicht gewachsen; denn Gott der Herr hatte es noch nicht
regnen lassen auf Erden und es war kein Mensch, der das Land baute. Aber ein Nebel ging auf
von der Erde und feuchtete alles Land. Und Gott der Herr machte den Menschen aus einem
Erdenkloß
, und er blies ihm ein den lebendigen Odem in seine Nase. Und also ward der Mensch
eine lebendige Seele. Und Gott der Herr p‡anzte einen Garten in Eden gegen Morgen und setzt
den Menschen hinein, den er gemacht hatte. Und Gott der Herr ließaufwachsen aus der Erde
allerlei Bäume, lustig anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten
und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. Und es ging aus von Eden ein Strom,
zu wässern den Garten, und teilte sich von da in vier Hauptwasser. Das erste heiß
t Pison, das
‡ieß
t um das ganze Land Hevila; und daselbst …ndet man Gold. Und das Gold des Landes ist
köstlich; und da …ndet man Bedellion und den Edelstein Onyx. Das andere Wasser heiß
t Gihon,
das ‡ieß
t um das ganze Mohrenland. Das dritte Wasser heiß
t Hiddekel, das ‡ieß
t vor Assyrien.
Das vierte Wasser ist der Euphrat. Und Gott der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in
den Garten Eden, dass er ihn baute und bewahrte. Gottes Gebot Und Gott der Herr gebot dem
Menschen und sprach: Du sollst essen von allerlei Bäumen im Garten; Aber von dem Baum der
Erkenntnis des Guten und des Bösen sollst du nicht essen; denn welches Tages du davon issest,
wirst du des Todes sterben. Und Gott der Herr sprach: Es ist nicht gut, daßder Mensch allein
sei; ich will ihm eine Gehil…n machen, die um ihn sei. Denn als Gott der Herr gemacht hatte
von der Erde allerlei Tiere auf dem Felde und allerlei Vögel unter dem Himmel, brachte er sie
zu dem Menschen, daßer sähe wie er sie nennte; denn wie der Mensch allerlei lebendige Tiere
nennen würde, so sollten sie heiß
en. Und der Mensch gab einem jeglichen Vieh und Vogel unter
dem Himmel und Tier auf dem Felde seinen Namen; aber für den Menschen ward keine Gehil…n
gefunden, die um ihn wäre.
Schöpfung des Weibes: Ehestand
Da ließGott der Herr einen tiefen Schlaf fallen auf den Menschen, und er schlief ein. Und er
nahm seiner Rippen eine und schloßdie Stätte zu mit Fleisch. Und Gott der Herr baute ein
Weib aus der Rippe, die er von dem Menschen nahm, und brachte sie zu ihm. Da sprach der
Mensch: Das ist doch Bein von meinen Bein und Fleisch von meinem Fleisch; man wird sie
Männin heiß
en, darum daßsie vom Manne genommen ist. Darum wird ein Mann Vater und
Mutter verlassen und an seinem Weibe hangen, und sie werden sein ein Fleisch. Und sie waren
beide nackt, der Mensch und sein Weib, und schämten sich nicht.
Sündenfall
Und die Schlange war listiger denn alle Tiere auf dem Felde, die Gott der Herr gemacht hatte,
und sprach zu dem Weibe: Ja, sollte Gott gesagt haben: Ihr sollt nicht essen von allerlei Bäumen
im Garten? Da sprach das Weib zu der Schlange: Wir essen von den Früchten der Bäume im
Garten, Aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt: Esset nicht
davon, rühret’s auch nicht an, daßihr nicht sterbet. Da sprach die Schlange zum Weibe: Ihr
werdet mitnichten des Todes sterben, Sondern Gott weiß
, daßwelches Tages ihr davon esset, so
werden eure Augen aufgetan, und werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist. Und
das Weib schaute an, daßvon dem Baum gut zu essen wäre, und daßer lieblich anzusehen und
ein lustiger Baum wäre, weil er klug machte; und sie nahm von der Frucht und aßund gab ihrem
Mann auch davon, und er aß
. Da wurden ihre beider Augen aufgetan, und sie wurden gewahr,
daßsie nackt waren, und ‡ochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze. Und sie
hörten die Stimme Gottes des Herrn, der im Garten ging, da der Tag kühl geworden war. Und
Adam versteckte sich mit seinem Weibe vor dem Angesicht Gottes des Herrn unter die Bäume
im Garten. Und Gott der Herr rief Adam und sprach zu ihm: Wo bist du? Und er sprach: Ich
hörte deine Stimme im Garten und fürchtete mich, denn ich bin nackt; darum verstecke ich
mich. Und er sprach: Wer hat dir’s gesagt, daßdu nackt bist? Hast du nicht gegessen von dem
Baum, davon ich dir gebot, du solltest nicht davon essen? Da sprach Adam: das Weib, das du
mir zugesellt hast, gab mir von dem Baum, und ich aß
. Da sprach Gott der Herr zum Weibe:
Warum hast du das getan? Das Weib sprach: Die Schlange betrog mich also, daßich aß
.
20
Quelle: Die Bibel: 1. Mose 1.2., 1.3.
56
Fluch und erste Verheiß
ung
Da sprach Gott der Herr zu der Schlange: Weil du solches getan hat, seist du ver‡ucht vor
allem Vieh und vor allen Tieren auf dem Felde. Auf deinem Bauche sollst du gehen und Erde
essen dein Leben lang. Und ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe zwischen
deinem Samen und ihrem Samen. Derselbe soll dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in
die Ferse stechen. Und zum Weibe sprach er: Ich will dir viel Schmerzen scha¤ en, wenn du
schwanger wirst; du sollst mit Schmerzen Kinder gebären; und dein Verlangen soll nach deinem
Manne sein und er soll dein Herr sein. Und zu Adam sprach er: Dieweil du hast gehorcht der
Stimme deines Weibes und gegessen von dem Baum, davon ich dir gebot und sprach: Du sollst
nicht davon essen, - ver‡ucht sei der Acker um deinetwillen, mit Kummer sollst du dich darauf
nähren ein Leben lang. Dornen und Disteln soll er dir tragen, und sollst das Kraut auf dem
Felde essen. Im Schweiß
e deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis daßdu wieder zu Erde
werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden.
Austreibung aus dem Paradies
Und Adam hießsein Weib Eva, darum daßsie Mutter ist aller Lebendigen. Und Gott der Herr
machte Adam und seinem Weibe Röcke von Fellen und kleidete sie. Und Gott der Herr sprach:
Siehe, Adam ist geworden wie unsereiner und weiß
, was gut und böse ist. Nun aber, daßer nicht
ausstrecke seine Hand und breche auch von dem Baum des Lebens und esse und lebe ewiglich! Da
wies ihn Gott der Herr aus dem Garten Eden, daßer das Feld baute, davon er gekommen ist;
Und trieb Adam aus und lagerte vor den Garten Eden die Cherubim mit dem bloß
en hauenden
Schwert, zu bewahren den Weg zum Baum des Lebens.
10.1
Adverse Selection
Das Problem der adversen Selektion, welches sich durch private Information ergibt, soll
an einem kleinen Beispiel verdeutlicht werden. Es geht um die Transaktion eines Gutes. Dieses
Gut kann entweder von hoher Qualität oder geringer Qualität sein. Die Qualität ist nur dem
Verkäufer, dem Anbieter, bekannt. Der Käufer, der Nachfrager, weißnicht, ob das Gut von hoher
oder geringer Qualität ist. Wenn der Verkäufer somit private Information über die Qualität
des Gutes hat, die der Käufer nicht hat, so besteht die Gefahr, dass im Marktgleichgewicht nur
geringe Qualität gehandelt wird und der Teilmarkt für hohe Qualität zusammenbricht.
In dem Beispiel geht es um Gebrauchtwagen, die von privat an privat verkauft werden. Der
Verkäufer kennt in der Regel die ”Macken” des Autos und weiß
, ob es sich um ein gebrauchtes
Auto von geringer oder hoher Qualität handelt. Der Käufer jedoch lernt diese ”Macken” in der
Regel erst nach dem Kauf kennen. Die Qualität des Gutes ist private Information des Verkäufers.
Die guten Autos werden als P…rsiche (Peaches) und die schlechten Autos als Zitronen
(Lemons) bezeichnet.
Beispiel - Lemons and Peaches
P…rsich: hat Wert von 3000e für den Käufer und 2500e für den Verkäufer.
Wenn die Nachfrage > Angebot, dann ist der Gleichgewichtspreis: 3000e und
wenn Nachfrage < Angebot, dann ist der Gleichgewichtspreis 2500e.
Handel lohnt sich, da der Handelsgewinn in jedem Fall bei jeder Transaktion 500e beträgt.
Zitrone: hat Wert von 2000e für Käufer und 1000e für Verkäufer.
Wenn Nachfrage > Angebot, dann ist der Gleichgewichtspreis 2000e und
wenn Nachfrage < Angebot, dann ist der Gleichgewichtspreis 1000e.
Der Handelsgewinn auf diesem Markt beträgt in unserem Beispiel bei jeder Transaktion 1000e.
Die Aufteilung des Handelsgewinns zwischen dem Verkäufer und Käufer soll uns nicht weiter
interessieren. Auf beiden Märkten könnten Gewinne durch Handel realisiert werden, nämlich bei
jeder Transaktion der jeweilige Handelsgewinn.
Annahme
Der Einfachheit halber betrachten wir immer nur die Situation Nachfrage > Angebot. Hier ist
nur die E¢ zienz von Interesse, nicht jedoch die Verteilung.
57
Fall 1
Vollständige Information für Anbieter und Nachfrager
Bei vollständiger Information über die Qualität des Gutes würde es einen Markt für Zitronen
mit einem Gleichgewichtspreis von 2000e und einen Markt für P…rsiche mit einem Gleichgewichtspreis von 3000e geben. Bei jeder Transaktion auf dem Markt für Zitronen würde ein
Handelsgewinn von 1000e und auf dem Markt für P…rsiche von 500e realisiert werden.
Fall 2
Unvollständige Information für Anbieter und Nachfrager
Weder Käufer noch Verkäufer kennt die Qualität (P…rsich oder Zitrone?). Damit werden beide
Märkte zu einem gemeinsamen Markt. Käufer und Verkäufer kennen zwar nicht die Qualität,
es besteht unvollständige Information, doch beide sollen Vorstellungen haben über die Wahrscheinlichkeiten, bei einem Kauf einen P…rsich oder eine Zitrone zu erstehen. Gehen wir zunächst
davon aus, das auf diesem für Anbieter und Nachfrager gleichermaß
en durch unvollständige Information gekennzeichneten Markt jedoch zumindest die Wahrscheinlichkeiten bekannt sind,
einen P…rsich oder eine Zitrone zu verkaufen bzw. zu kaufen. Diese Wahrscheinlichkeiten sollen
als 1/3 für einen P…rsich und 2/3 für eine Zitrone gegeben sein.
Ein Objekt auf diesem Markt mit unvollständiger Information hat unter Annahme dieser Wahrscheinlichkeiten und bei risikoneutraler Einstellung die folgenden Erwartungswerte für Verkäufer
und Käufer:
Erwartungswert für Verkäufer:
Erwartungswert für Käufer:
1
3
1
3
2500 +
3000 +
2
3
2
3
1000 = 1500 e
2000 = 2333 e
Wenn nachgefragte Menge > angebotene Menge, so würde der Gleichgewichtspreis 2333e betragen. Auf jeden Fall beträgt der Handelsgewinn bei jeder Transaktion 833e. Wenn die relativen Häu…gkeiten von Transaktionen auf den beiden Märkten bei vollständiger Information den
Wahrscheinlichkeiten im Falle von unvollständiger Information entsprechen, so gilt für den zu
erwartenden Handelsgewinn: 1/3* 500 + 2/3*1000 = 833e. Dies entspricht dem Handelsgewinn bei vollständiger Information.
Bisher hatten wir zwei Fälle betrachtet: Anbieter und Nachfrager kennen beide entweder die
Qualität des Gutes oder beide kennen diese Qualität gleichermaß
en nicht. Damit ist jedes Mal
die Informationsverteilung symmetrisch. Im folgenden wollen wir von einer asymmetrischen Informationsverteilung ausgehen, es soll private Information des Verkäufers geben, die der Käufer
nicht hat. Dies soll als dritter Fall betrachtet werden und mit den beiden anderen Fällen verglichen werden.
Fall 3
Private Information des Anbieters über die Qualität: asymmetrische Information
Verkäufer kennt Qualität, Käufer aber nicht. In diesem Fall weißder Käufer, dass die Gefahr
besteht, eine Zitrone zu kriegen. Nun soll gefragt werden, wie sieht das Marktgleichgewicht in
diesem Fall aus?
Der Verkäufer bietet einen P…rsich nicht unter 2500 und eine Zitrone nicht unter 1000 an, da
dies der jeweilige Wert für den Verkäufer ist. Dies weißder Käufer (im Gleichgewicht) und geht
daher davon aus, das jedes Auto, welches unter 2500 angeboten wird, eine Zitrone sein muss.
Die Zahlungsbereitschaft der Käufer bei 1/3 P…rsichen und 2/3 Zitronen beträgt, wie bereits
berechnet, 2333. Der Käufer ist also bereit, unter der Annahme dass 1/3 P…rsiche und 2/3
Zitronen gehandelt werden, diesen Betrag maximal für ein Objekt zu bezahlen. Doch, so gehen
die Überlegungen des Käufers weiter, wenn ich 2333 e für ein Auto bezahle, so mußes eine
Zitrone sein, da der Verkäufer einen P…rsich nicht zu diesem Preis verkaufen würde. Aber, so
denkt der Käufer weiter, wenn ich sicher eine Zitrone kriege, bin ich nur bereit, maximal 2000e
zu bezahlen. Also entspricht die Zahlungsbereitschaft des Käufers auf diesem Markt mit privater
Information nur der auf dem Markt für Zitronen.
Wenn die Käufer bereit sind, nur 2000e zu bezahlen, so werden die Verkäufer, ganz entsprechend
der (Gleichgewichts)erwartungen der Käufer nur Zitronen anbieten. Es werden bei privater Information nur Zitronen gehandelt. Die möglichen Handelsgewinne durch den Handel mit dem
58
qualitativ höherwertigen Produkt können durch die Anbieter von und Nachfrager nach diesem
Produkt nicht realisiert werden, obwohl Handelsgewinne bei vollständiger Information hier realisiert werden könnten.
Zusammenfassung
Der Markt für P…rsiche (Qualität) bricht zusammen, obwohl Handelsgewinne realisiert werden
könnten.
Beispiel - Rind‡eischmarkt:
Kosten der Produktion von 1kg ”Kuh‡eisch”: 3e
Kosten der Produktion von 1kg ”Ochsen‡eisch”: 5e
Der Verbraucher ist bereit für 1kg ”Kuh‡eisch”3e und für 1kg ”Ochsen‡eisch”7e zu bezahlen.
x 3e+(1
z.B.
wenn
wenn
oder
x) 7e,
x = 0; 5
x=1
x=0
wobei
x = Anteil an ”Kuh‡eisch”
so liegt die Zahlungsbereitschaft der Käufer bei 5e.
so liegt die Zahlungsbereitschaft der Käufer bei 3e.
so liegt die Zahlungsbereitschaft der Käufer bei 7e.
In der Regel wissen Käufer nicht, was für Fleisch sie an der Theke kaufen. Dies führt dazu, dass
der Markt für ”Ochsen‡eisch” zusammenbricht. Gehen wir davon aus, dass der Anteil der Ochsen am Gesamtrind‡eischmarkt in der Ausgangssituation bei 50% liegt. Die Ochsenproduzenten
machen keinen Gewinn, jedoch die Kuhproduzenten. Dies werden die Ochsenproduzenten bald
merken und ebenfalls in die wirtschaftlich lohnendere Kuhproduktion überwechseln. Der Anteil
der ”Ochsenproduzenten” geht zurück und damit die Durchschnittsqualität des Fleisches. Die
Verbraucher sind jedoch nicht bereit für diese im Durchschnitt jetzt schlechtere Qualität weiterhin 5e, d.h. den Preis zu bezahlen, den die Produzenten der hohen und teureren Qualität
brauchen würden. Als Ergebnis der Unwissenheit der Käufer bricht der ”Ochsen‡eischmarkt”
zusammen.
Ohne glaubwürdige Qualitätssignale gibt es hier keinen Markt für hohe Qualitäten. Solche Signale können sein: Garantien, Markennamen, Werbung, Preis usw. oder generell alle Maß
nahmen
die dazu dienen Reputation aufzubauen.
Wenn trotz geringer Transaktionskosten (leichter Marktzugang) der betre¤ende Markt nur ungenaue, pauschalierende Bewertungen der Gegenleistung erzeugt (die Weitergabe von Informationen über die tatsächliche Qualität nicht möglich ist), kann es sein, dass eine rein marktwirtschaftliche Form der Kooperation nicht zustande kommt, sondern dass einer der Marktpartner
es vorzieht, den Markt zu verlassen bzw. zu meiden.
Märkte, die ihre Informationsfunktion nur zu grob erfüllen, sind instabil, wenn einige Marktteilnehmer ein alternatives Kooperationsdesign entdecken, bei dem sie durch di¤erenziertere
Behandlung Vorteile erhalten können. Die ”besseren”Marktteilnehmer sind auf einem pauschalierenden Markt im Vergleich zu der sich bietenden Alternative benachteiligt. Daher verlassen
sie den Markt, während die ”Schlechten” auf einem pauschalierenden Markt einen Vorteil haben und bleiben. Die einsetzende Negativauslese (adverse Selektion) kann bis zur Au‡ösung des
Marktes führen.
Beispiel - Adverse Selektion
Versicherungen
59
10.2
Moral Hazard
Moral Hazard bezeichnet das Problem, welches durch verborgene Aktionen eines Agenten für
die Transaktion entstehen. Dieses Problem soll am Beispiel eines Prinzipal-Agenten-Verhältnisses dargestellt werden. Der Prinzipal ist z.B. das Versicherungsunternehmen und der Agent
der Versicherungsvertreter.
Der Prinzipal könnte den Agenten entweder erfolgsabhängig oder mit einem Festgehalt
entlohnen. Der Agent wird sich rational verhalten und seinen Nutzen, gegeben die Entlohnungsform, maximieren. Gehen wir weiterhin davon aus, dass der Agent nicht gerne arbeitet, aber
gerne Geld verdient.
Exkurs zum Risikoverhalten
Bei den verschiedenen vorgestellten Theorien und Modellen spielt das Verhalten der Teilnehmer
eine wichtige Rolle. Beim Prinzipal-Agenten-Modell gehen wir beispielsweise von einem risikoneutralen (s. Abb. 15 / S. 60) Prinzipal aus, d.h., bei ihm entspricht der Erwartungswert des
Nutzen dem Nutzen des Erwartungswertes E(U ) = U (E).
Abbildung 15: Unterschiedliches Risikoverhalten
U
risikoneutral
U
U
risikoavers
E
E
risikofreudig
E
Im Unterschied dazu wird der Agent als risikoavers (s. Abb. 15 / S. 60) angesehen. Hier ist der
Erwartungswert des Nutzen kleiner als der Nutzen des Erwartungswertes E(U ) < U (E). Bei
Risikofreude (s. Abb. 15 / S. 60) ist der Erwartungswert des Nutzens größ
er als der Nutzen des
Erwartungswertes E(U) > U(E). Die Risikonutzenfunktion (s. Abb. 16 / S. 61) hat einen konstanten Grenznutzen bei Risikoneutralität und einen sinkenden Grenznutzen bei Risikoaversion.
Aus der Summe der mit den Wahrscheinlichkeiten multiplizierten Erlöse lassen sich folgende
Berechnungen anstellen, wenn für x1 p = 0; 5 und für x2 p = 0; 5 gilt:
Erwartungswert des Einkommens:
Erwartungswert des Nutzen:
E(x) = 0; 5x1 + 0; 5x2
E(U ) = 0; 5U (x1 ) + 0; 5U (x2 )
Bei Risikoneutralität halbiert En (U ) die Strecke zwischen Un (x1 ) und Un (x2 ) genauso wie Un (E),
so dass der Erwartungswert des Nutzen dem Nutzen des Erwartungswertes entspricht. Bei Risikoaversion liegt der Nutzen des Erwartungswertes über dem Erwartungswert des Nutzen, d.h.,
Ua (E) > Ea (U )
Bei Risikofreude liegt der Nutzen des Erwartungswertes unter dem Erwartungswert des Nutzen,
d.h.,
Ua (E) < Ea (U )
Das Sicherheitsäquivalent bezeichnet das sichere Einkommen, welches genau denselben Nutzen
stiftet, wie das unsichere Einkommen E(x). Bei Risikoaversion liegt das Sicherheitsäquivalent
unter dem Erwartungswert des unsicheren Einkommens, da hier sowohl ein niedriges (x1 ) als
auch das hohes (x2 ) Einkommen möglich ist.
60
Abbildung 16: Risikonutzenfunktion
Nutzen
Ua(x2)
Ua(E)
Ea(U)
Ua(x1)
risikoavers
x1
xs E(x)
x2
Einkommen
xS =Sicherheitsäquivalent
Beispiel - Glücksspiel
Glücksspiel mit 50:50-Chance, beispielsweise Münzwurf, mit einer Auszahlung von 10 e oder
10 Mio. e. Ein risikoneutraler Spieler würde bei einer Auszahlung von 5 Mio. und 5 e auf das
Spiel verzichten, ein risikoaverser Spieler würde schon bei einem geringeren Betrag z.B. 1 Mio.
e oder sogar nur 100.000 e auf das Spiel verzichten.
Beispiel - Reisegepäckversicherung
Bei einem Gepäckwert 1000e und einer Wahrscheinlichkeit des Totalverlustes von 1%, muss
die Prämie, um die Kosten der Versicherung zu decken, deutlich wegen der Verwaltungskosten
über 10e liegen. Dadurch ist die Auszahlung der Versicherung geringer als die Summe der
Einzahlungen der Versicherten, d.h., Versicherungen leben von der Risikoaversion der Menschen.
Risikoaversion tritt häu…g bei hohen Beträgen auf, wohingegen bei kleinen Beträgen risikofreudiges Verhalten häu…ger auftritt (s. Abb. 17 / S. 61).
Abbildung 17: Risikoverhalten bei niedrigem und hohem Einkommen
U = Nutzen,
E= Einkommen
61
Das Moral Hazard Problem asymmetrischer Information bezeichnet das Phänomen, dass die
Gegenleistung eines Vertragspartners von seinem Verhalten abhängt, welches selber vertraglich
nicht geregelt werden kann. Der ”Vertragsgeber”, der Prinzipal, kann das Verhalten auch nicht
ex post erkennen, sondern nur das Ergebnis beobachten (das wiederum von den exogenen Bedingungen abhängt). Da der Vertragsgeber weder die exogenen Bedingungen noch das Verhalten
kennt, hat der Vertragsnehmer einen Handlungsspielraum, um eigene Vorteile zu erlangen.
Beispiel für Moral Hazard
Fragestellung: Wie sollte der optimale ”Arbeits”-Vertrag zwischen Prinzipal und Agenten aussehen, wenn die Aktionen des Agenten, d.h. sein Grad der Anstrengung bei der Arbeit, nicht
von dem Prinzipal beobachtet werden kann.
Es wird davon ausgegangen, dass der Agent private Informationen über den Grad der Anstrengungen hat, den er investiert. Wenn diese Anstrengungen direkt beobachtet werden könnten,
sollte die Entlohnung entsprechend der beobachteten Anstrengungen erfolgen. Diese Anstrengungen können jedoch vom Prinzipal nicht direkt beobachtet werden. Nur der Erfolg dieser
Anstrengungen, z.B. die Anzahl der abgeschlossenen Versicherungsverträge, kann von dem Prinzipal beobachtet werden. Doch der Erfolg hängt nicht nur von den Anstrengungen des Agenten
ab, sondern auch von anderen Ein‡üssen, die dieser nicht kontrollieren kann.
Annahmen
Prinzipal ist risikoneutral (Ziel ist Maximierung des erwarteten Gewinns)
Agent hat die Nutzenfunktion (Ziel ist die Maximierung der erwarteten Nutzenfunktion):
U (w; e) =
p
w
e
mit U = Nutzen, w = Lohn (erfolgsabhängig entweder w=y oder w=z), e = Anstrengung
mit drei möglichen Ausprägungen: e = 0; e = 1; e = 2.
Wenn e = 0 bedeutet dies, dass der Agent nicht bereit ist, für den Prinzipal zu arbeiten (und erhält als Entlohnung w = 0). Der Nutzen für den Agenten, wenn er den Arbeitsvertrag verweigert,
der ”Reservationsnutzen” des Agenten beträgt somit
p
U (0; 0) = 0 0 = 0
Wenn er e = 1 investiert, bedeutet dies für den Agenten einen geringen Grad von Anstrengung,
wenn e = 2 einen hohen Grad von Anstrengung.
Die Nutzenfunktion des Agenten zeichnet sich dadurch aus, dass der Grenznutzen des Einkommens abnimmt. Dies wird deutlich, wenn die erste Ableitung der Nutzenfunktion nach dem
Einkommen gebildet wird:
@U
1
= p
@w
2 w
Agent kann wählen, ob er am Mechanismus teilnimmt. Wenn er am Mechanismus teilnimmt,
kann der Agent zwischen zwei Anstrengungsniveaus wählen, ein geringes oder ein hohes Niveau:
e = 1 oder e = 2
Der Erlös für den Prinzipal ist entweder R = 10 oder R = 30 und stochastisch abhängig von den
Anstrengungen des Agenten. Bezahlung ist entweder w = y, wenn R = 10 oder w = z, wenn
R = 30 (s. Abb. 18 / S. 63):
Zuerst soll berechnet werden, mit welchem Erlös der Prinzipal im Durchschnitt rechnen kann in
Abhängigkeit von dem Anstrengungsniveau des Agenten. Es wird vollständige Information unterstellt, d.h. die Anstrengungen können direkt vom Prinzipal beobachtet werden. Die möglichen
Nettoerlöse werden für die Situation mit vollständiger Information berechnet und mit denen bei
unvollständiger Information und optimalem Entlohnungssystem verglichen.
62
Abbildung 18: Wahrscheinlichkeiten für den hohen (geringen) Erlös bei hoher (geringer)
Anstrengung des Agenten
Erlös
R=10
R=30
e=1
p=2/3
p=1/3
e=2
p=1/3
p=2/3
Aktion
A) Vollständige Information
De…nition
Vollständige Information bedeutet, dass der Prinzipal die Anstrengungen des Agenten direkt
beobachten kann. Damit ist klar, dass die Bezahlung vom Anstrengungsniveau selber abhängig
gemacht werden kann. Es bleibt zu fragen, ob ein hohes oder niedriges Anstrengungsniveau für
den Agenten und den Prinzipal besser wäre.
Annahme
Wir wollen davon ausgehen, dass der Agent jeweils zumindest seinen Reservationsnutzen erhält.
Bei einer Entlohnung in Abhängigkeit von den direkt beobachteten Anstrengungen, sind hohe
Anstrengungen seitens des Agenten, gegeben die damit verbundenen Kosten, überhaupt sinnvoll?
1. Erlös bei e = 1:
2
3
10 +
1
3
30 =
50
3
Der Agent sollte hierbei (zumindest) genauso gut gestellt sein wie bei w = 0 und e = 0, d.h.
wenn er nicht am Mechanismus teilnimmt. Der Reservationsnutzen beträgt, wie oben berechnet:
U (0; 0) = 0
das heiß
t, sein Nutzen durch Teilnahme an dem Mechanismus (bei Anstrengungsniveau e = 1
und Entlohnung w = yv ) muss zumindest so hoch sein, wie dieser Reservationsnutzen:
p
U (yv ; e = 1) = yv 1 0 =) yv 1
Die Entlohnung bei e = 1, einem geringen Anstrengungsniveau, muss zumindest yv = 1 betragen,
um den Agenten für die Anstrengungen zu kompensieren.
Damit bleibt für den Prinzipal der:
Nettoerlös bei yv = 1 und e = 1 :
2. Erlös bei e = 2:
1
3
10 +
2
3
30 =
50
3
1=
47
3
70
3
Der Agent sollte hierbei (zumindest) genauso gut gestellt sein, wie bei w = 0 und e = 0,
d.h. wenn er nicht am Mechanismus teilnimmt.
p
p
U (zv ; e = 2) = zv 2 = zv 2 0 =) zv 4
Die Entlohnung bei e = 2, einem hohen Anstrengungsniveau, muss zumindest zv = 4 betragen,
um den Agenten für die Anstrengungen zu kompensieren. Damit bleibt für den Prinzipal der
Nettoerlös bei zv = 4 und e = 2:
63
70
3
4=
58
3
3. Da das Anstrengungsniveau direkt beobachtet werden kann, kann der Prinzipal den Agenten veranlassen, hohe Anstrengungen zu investieren, z.B. durch yv < 1 und zv > 4.
Zusammenfassung
Bei vollständiger Information lohnt es sich für den Prinzipal, dafür zu sorgen, dass der Agent e
= 2 einsetzt, da der Nettoerlös bei e = 2 größ
er ist als der Nettoerlös bei e = 1. Dies ist auch
das Optimum entsprechend dem Kompensationskriterium.
Wenn der Prinzipal yv < 1 und zv > 4 setzt, so lohnt sich die Teilnahme an dem Mechanismus
für den Agenten nur, wenn er e = 2 investiert. Dies bedeutet, dass der Agent am Mechanismus
teilnimmt und die Anreize so gesetzt sind, dass
U (yv ; e = 1) < U (zv ; e = 2)
Bei vollständiger Information beträgt der Handelsgewinn, in diesem Fall der Gewinn für den
Prinzipal, 58
3 (wenn yv = 1 und zv = 4).
B) Private Information
Wenn der Prinzipal das Anstrengungsniveau nicht direkt beobachten kann, sondern nur den
Bruttoerlös R, der Agent jedoch weiß
, ob er e = 1 oder e = 2 investiert hat, so besteht unvollständige Information. In diesem Fall kann der Prinzipal die Entlohnung nicht mehr von dem
Anstrengungsniveau direkt abhängig machen, sondern nur von dem ”Signal”, nämlich den Erlösen. Wenn die Erlöse hoch sind, ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Agent sich angestrengt
hat, großund der Agent erhält den Lohn w = z, und wenn sie niedrig sind, hat sich der Agent
wahrscheinlich nicht angestrengt und erhält nur den Lohn w = y. Doch es kann auch passieren,
dass die Erlöse gering sind, obwohl sich der Agent angestrengt hat und dass die Erlöse hoch
sind, obwohl sich der Agent nicht angestrengt hat.
1. Erlös bei e = 1:
50
3
Erwarteter Nutzen für Agent, wenn e = 1:
2 p
( y
3
2. Erlös bei e = 2:
1) +
1 p
z
3
1 =
2 p
1 p
y+
z
3
3
1
2 =
1 p
2 p
y+
z
3
3
2
70
3
Erwarteter Nutzen für Agent, wenn e = 2:
1 p
( y
3
2) +
2
3
p
z
3. Damit der Agent e = 2 wählt, muss sein Nutzen bei e = 2 (zumindest) genau so großsein,
wie sein Nutzen bei e = 1 (Anreizkompatibilitätsbedingung):
U (w; e = 2)
U (w; e = 1)
d.h.
1 p
2 p
2 p
1 p
y+
z 1
y+
z
3
3
3
3
Weiterhin muss hier natürlich auch gelten, dass der Agent bereit ist, an dem Mechanismus
teilzunehmen (Teilnahmebedingung):
U (0; 0)
U (w; e = 2)
d. h.
1 p
2 p
y+
z 2 0
3
3
Mit der Anreizkompatibilitätsbedingung und der Teilnahmebedingung sind zwei Ungleichungen
mit zwei Unbekannten gegeben. Um gerade die kritischen Werte zu bestimmen, können wir aus
64
den Ungleichungen Gleichungen machen. Als Lösung dieser zwei Gleichungen mit zwei Unbekannten ergeben sich für y = 0 und z = 9. Dies ist der geringste Lohn, den der Prinzipal dem
Agenten bezahlen muss, damit gerade er noch teilnimmt (genauer gesagt indi¤erent ist) und in
ein hohes Anstrengungsniveau e = 2 investiert (genauer gesagt auch hier indi¤erent ist).
P robe : U (y; z; e = 2)
1
3
p
0
2 +
2
3
p
9
U (y; z; e = 2)
1
3
p
0
2 +
p
2
3
9
2
+2
3
U (0; 0)
2 2
+ =0
3 3
2 =
0
U (y; z; e = 1)
p
2
3
2
4
3
0
1 +
2
+1
3
0
1
3
p
9
1
1
3
0
Der Nettoerlös für den Prinzipal beträgt:
70
3
1
2
0+
9
3
3
=
52
3
Dieser Nettoerlös ist geringer, als der bei vollständiger Information. Hier beträgt der
Nettoerlös
58
3
Zusammenfassung
Die ”Kosten” der unvollständigen, d.h. privaten Information betragen damit in diesem kleinen
Beispiel 6/3=2. Bei unvollständiger Information reduziert sich der Gewinn, der durch den Vertrag, den Handel, erzielt werden kann. Der Agent investiert zwar hohe Anstrengungen, ist aber
nicht besser bestellt als bei seinem Reservationsnutzen. Der Prinzipal erhält einen geringeren
Nettogewinn. Damit ist auch der Handelsgewinn geringer.
10.3
Signaling
Wir hatten bereits bei dem Beispiel für adverse Selektion darauf hingewiesen, dass Signale
dafür sorgen können, das Problem der adversen Selektion zu verringern. Da Signale in
der Regel nicht vollkommen zuverlässig sind, kann zwar dem Problem adverser Selektion mit
geeigneten Mitteln begegnet werden, jedoch nicht vollständig eliminiert werden. Signale, damit
diese glaubwürdig und zuverlässig sind, müssen etwas kosten. Diese Signalkosten müssen für
die Anbieter geringer und hoher Qualität unterschiedlich sein, sonst sind es keine
glaubwürdigen Signale. Dies macht das folgende Beispiel deutlich, in dem in Signale
investiert wird, obwohl diese Investition nur Sinn als Signal macht und nicht die
Produktivität steigert, und damit sonst unproduktiv, d.h. die Wohlfahrt mindernd,
ist.
10.3.1
Variationen des Modells von Spence (1973)
Aufbau des Signalingprozesses:
1. Arbeitsplatzbewerber entscheiden, wieviel sie in Ausbildung als Signal investieren wollen
und haben dementsprechende Signalingkosten.
2. Arbeitgeber können nicht die Produktivität der Bewerber direkt beobachten, aber sie können das Signal beobachten. Sie machen sich Vorstellungen (probabilistic beliefs) über den
Zusammenhang zwischen beobachtetem Signal und unbeobachteter Produktivität und machen dementsprechende Lohnangebote.
65
Bedingungen
Ein Signaling-Gleichgewicht ist vorhanden, wenn gilt:
1. Bewerber haben keinen Anreiz, ihre Signalingentscheidung zu ändern, gegeben die Signalingkosten auf der einen Seite und die Lohnangebote für Personen mit verschiedenem Ausbildungsniveau auf der anderen Seite.
2. Vorstellungen der Unternehmen über den Zusammenhang zwischen beobachtetem Signal
und unbeobachteter Produktivität werden im Gleichgewicht bestätigt.
Annahmen
1. Die Unternehmen machen Konkurrenzangebote beim Lohn, d. h. die Entlohnung entspricht
der Durchschnittsproduktivität der Arbeiter.
2. Die Produktivität der Bewerber
vomTyp L beträgt 1,
vom Typ H beträgt 2.
Die Grenzproduktivität ist konstant und entspricht damit der Durchschnittsproduktivität des
betre¤enden Arbeiters.
Der Bewerber selbst weiß
, von welchem Typ er ist, die Arbeitgeber kennen nur das Signal, d. h.
die Ausbildung.
Der Anteil der Bewerber vom Typ L beträgt q und der vom Typ H 1
q.
Die Bewerber haben Kosten, Ausbildung zu erwerben. Diese Kosten betragen KL = CL E
bzw. KH = CH E, damit entsprechen die Durchschnittskosten den Grenzkosten und diese
betragen pro Einheit der Ausbildung für die Bewerber vom
Typ L:
CL
Typ H:
CH
und vom
Ausbildung kein Signal für Produktivität:
Unternehmen zahlen jedem Anbieter denselben Lohn w = q 1 + (1
q) 2 = 2
q
A) Vollständige Information:
Jeder Arbeiter bekommt einen Lohn entsprechend seiner Produktivität. Die Produktivität der
Bewerber, d. h. der Typ des Bewerbers kann direkt von den Unternehmen beobachtet werden,
es ist kein Signal nötig. Die Löhne betragen
W (T yp L) = 1
W (T yp H) = 2.
B) Private Information:
Annahme
Gehen wir davon aus, dass die Produktivität eines Arbeiters private Information ist. Nur dieser
kennt seine Produktivität, nicht jedoch der Arbeitgeber.
C) Ausbildung als Signal für Produktivität.
Zwei Formen von Gleichgewichten können unterschieden werden:
66
pooling Gleichgewichte
separating Gleichgewichte.
In einem pooling Gleichgewicht senden alle Bewerber dasselbe Signal.
In einem separating Gleichgewicht unterscheiden sich die Bewerber vom Typ L von dem
Bewerbern vom Typ H in dem Signal, d. h. dem Ausbildungsniveau.
Bedingung
Bedingungen für ein separierendes Gleichgewicht sind, dass es sich für die Bewerber vom
Typ H lohnt, ein hohes Ausbildungsniveau zu erwerben, nicht jedoch für die Bewerber vom Typ
L.
In einem separierenden Gleichgewicht müssen folgende zwei (Anreizkompatibilitäts-) Bedingungen IC erfüllt sein:
Typ L:
(ICL ) : 2
CL EH
Typ H:
1
CL EL
(ICH ) : 2
hieraus folgt:
(ICL ) : 1 CL EH CL EL
oder
(ICL ) : 1 CL (EH EL )
CH EH
hieraus folgt:
(ICH ) : 1 CH (EH
1
CH EL
EL )
Separierendes Gleichgewicht, wenn beide Bedingungen gleichzeitig erfüllt sind:
(EH
EL ) CH
1
(EH
EL ) CL
d.h. die Kosten für den Unterschied in der Ausbildung für den Typ H geringer als 1 sind und
für den Typ L höher als 1.
Fazit
CH
1
(EH
EL )
CL
Beispiel
CH = 0; 5
(ICL ) : (EH
(ICH ) : (EH
CL = 1
EL ) 1 1 =) (EH EL ) 1
EL ) 0; 5 1 =) (EH EL ) 2
Wenn
(EH
EL ) > 2;
so poolendes Gleichgewicht, da es sich auch für Typ H bei einem Lohnsatz von 2 nicht lohnt,
ein hohes Ausbildungsniveau zu erwerben.
Wenn
(EH EL ) < 1;
so poolendes Gleichgewicht, da es sich auch für Typ L lohnt, bei einem Lohnsatz von 2 ein
hohes Ausbildungsniveau zu erwerben.
Da ausschließ
lich die Di¤erenz der beiden Ausbildungsniveaus für die Lösung relevant ist, kann
das geringere Ausbildungsniveau im separierenden Gleichgewicht gleich Null gesetzt: ELx = 0
und derart normiert werden.
Wenn
ELx = 0
folgt daraus wegen ICL : 1
x und wegen IC : E x 0; 5
EH
H
H
x
1 bzw. EH
2.
x zwischen 1 und 2 liegen muss, damit ein separierendes GleichgeDamit wird deutlich, dass EH
wicht auftritt.
67
Zusammenfassung
Für ein separierendes Gleichgewicht (s. Abb. 19 / S. 68) müssen für Typ L die Kosten höher
sein, als für Typ H: single crossing property
Dies soll im folgenden graphisch dargestellt werden.
CL = 1 E x
CH = 21 E x
Für Typ L Arbeiter betragen die Ausbildungskosten
Für Typ H Arbeiter, betragen die Kosten
Annahme
Angenommen, dass Arbeitgeber glauben, nur Bewerber mit einem besonderen Ausbildungsniveau E x oder höher sind vom Typ H, und der Rest vom Typ L.
Wenn
Wenn
E < E x =) T ypL =) w = 1:
E > E x =) T ypH =) w = 2:
Abbildung 19: Separierendes Gleichgewicht
Euro
C,W
CL =1 E
2
w(y)
a
c
CH = 0,5 E
1
b
E
Ex
Ein separierendes Gleichgewicht liegt vor, wenn der Nettonutzen für den Agenten vom Typ L
wenn er ein hohes Ausbildungsniveau erwirbt und den hohen Lohnsatz erhält, geringer ist als
der Nettonutzen, den er bei dem geringen Lohnsatz und dem geringen, dass heiß
t sogar hier auf
Null normierten Ausbildungsniveau hat. Graphisch bedeutet dies: a < b.
Weiterhin muss in einem separierenden Gleichgewicht gelten, dass der Nettonutzen von Typ H
bei einem hohen Ausbildungsniveau aber auch dem hohen Lohnsatz größ
er ist, als bei einem
geringen Ausbildungsniveau und einem geringen Lohnsatz. Graphisch bedeutet dies: c > b. Typ
L wählt Ausbildungsniveau ELx = 0 und Typ H wählt ELx = 1.
68
D) Werden auch die Vorstellungen der Arbeitgeber erfüllt?
Arbeitgeber glauben, dass Bewerber mit E < E x vom Typ L sind. Dies ist wahr, da alle von
Typ L: ELx = 0 vorweisen.
Arbeitgeber glauben, dass Bewerber mit E
E x vom Typ H sind. Auch dies ist wahr mit
x
EH = 1.
Wann kommt es zu einem separierenden Gleichgewicht?
Wenn gilt
w (E = 0) > w (E = E x )
Typ L wählen E = 0, wenn
dies entspricht
1
CL E x
2
(ICL ) : E x
hieraus folgt
Typ H wählen E = E x , wenn
1
w (E = E x )
w (E = 0)
dies entspricht
1
CH E x
1 x
2E
2
(ICH ) : E x
hieraus folgt
CL E x
2
Bemerkung
Wenn E x zwischen 1 und 2 liegt, so kommt es zu einem separierenden Gleichgewicht. Da der Typ
H nicht unnötige Kosten für die Ausbildung aufbringen wird, wird dieser als Ausbildungsniveau
x gerade E x wählen: E x = E x und gleiches gilt für den Typ L, der das geringst mögliche
EH
H
Ausbildungsniveau wählen wird: ELx = 0.
=)Ein Signaling-Gleichgewicht besteht, gegeben den Vorstellungen der Arbeitgeber, solange
1 Ex.
Abbildung 20: Gleichgewichtsbereich E x
a=b
c=b
AL
2
Poolendes
Gleichgewicht
Separierendes
Gleichgewicht
Poolendes
Gleichgewicht
AH
1
y
ELx
EHx
Ex
69
Zusammenfassung
Ein separierendes Gleichgewicht (s. Abb. 20 / S. 69) gilt für jedes 1
Ex
2.
Wenn E x unterhalb von 1 liegt, lohnt es sich für beide Typen von Agenten ein hohes
Ausbildungsniveau zu erwerben.
Ein poolendes Gleichgewicht (s. Abb. 20 / S. 69) wäre die Konsequenz. Wenn E x oberhalb
von 2 liegt, lohnt es sich auch für den Agenten vom Typ H nicht mehr ein hohes Ausbildungsniveau zu erwerben.
Eigenschaften dieses Gleichgewichts:
1. Separierendes Gleichgewicht: Signal ist informativ
2. Gleichgewichte nicht eindeutig. Jeder Wert von E x zwischen 1 und 2 führt zu einem Gleichgewicht.
E¢ zienz-Kriterium:
x an 1 liegt, desto größ
Je näher ELx an 0 und EH
er ist der Nettonutzen von Typ L
und Typ H und es kommt trotzdem zu einem separierenden Gleichgewicht, weil die
Di¤erenz größ
er ist als 1. Damit würde das e¢ ziente Ergebnis bei privater Information
Signalingkosten von 1 für den Agenten vom Typ H bedeuten.
3. Das Ergebnis hängt nicht von dem Anteil des Typ L in der Bevölkerung (q) ab.
4. Gleichgewicht bei vollständiger Information ist e¢ zienter als das separierende Gleichgewicht bei unvollständiger Information.
5. Das ”Nonsignalling”Benchmark-Modell kann auch einige der separierenden Gleichgewichte
Pareto-dominieren.
–w = 2
q ist für jedes q besser als 1 für Typ L
x
– 2 q > 2 E2 oder E x > 2q ist Bedingung , dass w = 2 q besser für Typ H. Dies
ist erfüllt, wenn bei E x = 1 gilt: q 0; 5
– Arbeitgeber sind indi¤erent, da in jedem Fall Gewinne = 0 (normale Gewinne)
Zusammenfassung
Non-signalling Pareto-dominiert viele andere Gleichgewichte. Wenn die Spieler sich jedoch
in einem separierenden Gleichgewicht be…nden, ist es nicht möglich für eine Person zu dem
”Non-Signalling-Gleichgewicht” zurückzukehren.
Signalling muss mit Kosten verbunden sein, um glaubwürdig zu sein.
Signalling-Kosten müssen für Typ H geringer sein als für Typ L: single crossing property.
70
10.4
Screening
Einschätzung der Arbeiter durch den Arbeitgeber (Vorab-Abfrage).
Beispiel
IBM koppelt den Lohn der Verkäufer an die Genauigkeit ihrer geschätzten zukünftigen Verkaufszahlen, um so eine genauere Prognose für das nächste Jahr zu erhalten (s. Abb. 21 / S.
71).
Abbildung 21: Lohnhöhe und geschätzte bzw. tatsächliche Verkaufszahlen
Lohn
Lohnkurve
Schätzung
Verkaufszahlen
71
Aufgaben
1. Welche Formen privater Information kennen Sie?
2. Was versteht man unter Moral-Hazard und unter Adverse Selection? Welche Mechanismen
sind zur Problemlösung geeignet?
3. Welche Lehren haben Sie aus dem Beispiel für Adverse Selection gezogen?
4. Erklären Sie mit Ihren Worten, warum private Information in der Regel zu einer weniger
e¢ zienten Lösung führt, als vollständige Information oder symmetrische Information.
5. Welche Lehren haben Sie aus dem Beispiel für Moral Hazard gezogen?
6. Was zeigt das Beispiel für Signaling?
7. Erklären Sie den Unterschied zwischen einem Pooling- und einem Signaling-Gleichgewicht
72
11
Mechanismus Design
Mit dem Prinzipal-Agenten-Beispiel haben wir bereits einen Mechanismus kennen gelernt, genauer gesagt einen Entlohnungsmechanismus. Wenn der Arbeitseinsatz nicht kontrolliert werden
kann, dieser also private Information des Agenten ist, so kann der Prinzipal versuchen, die Anreize so zu setzen, dass der Agent den Grad von Arbeitseinsatz wählt, bei dem die Gesamtwohlfahrt
maximiert wird. In dem Beispiel hatte der Prinzipal die Möglichkeit, den Lohnsatz vom Erfolg
abhängig zu machen. Ein einfacher Mechanismus, um den Agenten zu veranlassen, den optimalen Einsatz zu zeigen, ist es, den Lohnsatz wenn es schon wegen unvollständiger Information
nicht möglich ist, diesen direkt von dem Arbeitseinsatz abhängig zu machen, doch vom Erfolg des Agenten abhängig zu machen. Dieser ist ja indirekt ein Maßfür den Arbeitseinsatz.
Wie wir gesehen hatten, führt dieses nicht ganz direkt wirkende Anreizsystem dazu, dass der
Handelsgewinn sinkt. Es entstehen durch die private Information soziale Kosten.
Mit dem Beispiel für adverse Selektion hatten wir gelernt, dass bei unvollständiger Information
der Marktmechanismus alleine nicht ausreicht, um alle möglichen Handelsgewinne zu erzielen.
Dann hatten wir gelernt, dass Signale eine Möglichkeit sind, um mit dem Problem privater Information umzugehen. Aber an dem Signaling Beispiel wurde deutlich, dass private
Information immer zu E¢ zienzverlusten, d.h. Kosten im Vergleich zu der Situation mit
vollständiger Information führt.
Die Zielsetzung des Mechanismus-Design Ansatzes ist es, gegeben die unvollständige
Information, den besten, d.h. ökonomisch e¢ zientesten Mechanismus zu …nden. Dies
kann immer nur, im Vergleich zu der Situation mit vollständiger Information, eine zweitbeste
Lösung sein. Doch gerade diese zweitbeste und nicht eine drittbeste oder noch schlechtere Lösung
für das institutionelle Design zu …nden, hat sich der Mechanismus Design Ansatz zum Ziel
gemacht.
11.1
Anreizkompatible Mechanismen bei privater Information
Versetzen wir uns in einen Ökonomen, dem es darum geht, einen möglichst e¢ zienten Mechanismus zu …nden. Erschwert wird diese Aufgabe durch die private Information. Es gibt verschiedene Formen privater Information, wie die eigenen Anstrengungen, die eigene Quali…kation,
die zu erwartenden Verkaufszahlen etc. Es ging darum, die e¢ zienteste Lösung zu …nden, gegeben die private Information, um einen möglichen Zusammenbruch von Märkten, z.B. für hohe
Qualität, zu verhindern.
Die Form der privaten Information, die einem zuerst in den Sinn kommt, ist die Information
über die eigene Wertschätzung eines Objektes. Wenn der Käufer eine höhere Wertschätzung für das Objekt hat, als der Verkäufer, ist eine Transaktion ökonomisch sinnvoll und e¢ zient.
Es können Handelsgewinne realisiert werden. Nun stellt sich die Frage, können diese Handelsgewinne auch dann realisiert werden, wenn der Käufer bzw. Verkäufer nur die eigene Wertschätzung
kennt, nicht jedoch die des Handelspartners. Damit besteht private Information über die
Wertschätzung des Objektes.
Beispiel
Käufer und Verkäufer mit diskreten Werten für die Wertschätzung
Verkäufer besitzt Gut, an dem Käufer interessiert ist. Jeder hat private Information über den
Wert, den er dem Gut beimisst. Käufer kennt nur die mögliche Wertschätzung des Verkäufers
und hat subjektive Wahrscheinlichkeitszuordnung: Er glaubt, dass Verkäufer dem Gut entweder
den Wert 2 $ beimisst (p = 20%) oder es für wertlos (0 $) hält (p = 80%).
Verkäufer kennt ebenfalls nur mögliche Werte des Käufers und hat eine subjektive Wahrscheinlichkeitszuordnung. Er glaubt, dass der Käufer das Gut entweder mit 1 $ (p = 20%) oder mit 3
$ bewertet (p = 80%).
11.1.1
Vollkommene Information
Wenn die tatsächlichen Bewertungen 1 $ für den Käufer und 2 $ für den Verkäufer sind,
dann ist es (bezüglich der Maximierung des Gesamtwertes) e¢ zient, wenn das Gut beim
Verkäufer bleibt. (p = 0; 2 0; 2 = 0; 04). In allen anderen Fällen (96%) verlangt das
E¢ zienzziel den Handel, so dass das Gut zum Käufer transferiert wird.
73
Wenn beide Parteien wissen, was das Gut dem anderen Wert ist - vollkommene Information(s. Abb. 22 / S. 74), und wenn durch den Handel ein Gewinn an Wert statt…ndet, sollten
sie handeln, wenn beide zusammen nach dem Handel bessergestellt sind als vor dem Handel. In der vorliegenden Situation …ndet ein Handel mit einer Wahrscheinlichkeit von 96%
statt.
Abbildung 22: Handel bei vollständiger Information
für Verkäufer
Wert und Wahrscheinlichkeit
0
p=0,8
2
p=0,2
1
p=0,2
Handel
kein Handel
3
p=0,8
Handel
Handel
für Käufer
11.1.2
Private Information und strategisches Verhalten
Bei asymmetrischer Information besteht die Möglichkeit der Täuschung des Partners
über den tatsächlichen Wert, um einen besseren Preis zu bekommen.
Es gibt für den Käufer keinen Anreiz, einen Wert anzugeben, der über der eigenen Wertschätzung
liegt. Damit würde er sich nur der Gefahr aussetzen, einen Verlust zu machen. Jedoch gibt es
einen Anreiz für den Käufer, die eigene Wertschätzung zu untertreiben, nämlich einen
geringeren Wert als eigene Wertschätzung anzugeben, um möglicherweise einen günstigeren Preis
zu bekommen.
Für den Verkäufer gibt es einen Anreiz, die eigene Wertschätzung zu übertreiben.
Hierdurch kann möglicherweise ein höherer Preis erzielt werden. Es gibt jedoch keinen Anreiz,
die eigene Wertschätzung zu untertreiben.
Möglicherweise gibt also der Käufer, obwohl er das Gut mit 3 bewertet, den Wert von 1 an,
um das Objekt billig zu bekommen. Es …ndet dann nur Handel statt, wenn der Verkäufer den
eigenen Wert mit 0 angibt. Der Handel …ndet statt bei jedem Preis zwischen 0 und 1. Nun stellt
sich hier die Frage, wie sollte der Preis innerhalb dieses Wertebereichs festgelegt werden, um die
Wahrscheinlichkeit dafür, dass Handel statt…ndet, möglichst hoch zu machen. Da hier nur für den
Käufer ein Anreiz besteht, sich strategisch zu verhalten, d.h. einen unwahren Wert anzugeben,
wird der Anreiz für diesen, einen zu geringen Wert anzugeben, möglichst teuer gemacht, dass
heiß
t er muss tatsächlich auch 1 bezahlen, obwohl der Verkäufer als eigenen Wert nur 0 angegeben
hat und zu jedem Preis zwischen 0 und 1 Handel statt…nden könnte. Andererseits ist dieser Preis
für den Verkäufer, der den Wert 0 angibt, sehr gut. Damit wird dessen Interesse, seinen eigenen
Wert zu übertreiben, um einen besseren Preis zu bekommen, möglichst gering gehalten.
Auch die Lösung für die Angabe eines Wertes von 3 durch den Käufer und 2 durch den Verkäufer
ist eindeutig. In diesem Fall sollte der Handel zu einem Preis von 2 statt…nden. Damit erhält der
Käufer den gesamten Handelsgewinn in dieser Situation. Dies macht den Anreiz für den Käufer,
einen geringeren Wert anzugeben, möglichst gering. Für den Verkäufer ist damit gleichzeitig der
Anreiz, den eigenen Wert zu übertreiben, möglichst gering geworden, da er dann nur 2 erhält
und keinen höheren Wert zwischen 2 und 3.
Wenn jedoch der Verkäufer einen geringen Preis, d.h. 0 angibt und der Käufer einen hohen Preis,
d.h. 3, wie sollte dann der Preis festgelegt werden, damit es für beide Parteien einen Anreiz gibt,
die eigene Wertschätzung möglichst wahrheitsgemäßzu o¤enbaren (s. Abb. 23 / S. 75)?
74
Abbildung 23: Handel bei unvollständiger Information
für Verkäufer
Wert und Wahrscheinlichkeit
0
p=0,8
2
p=0,2
1
p=0,2
1
kein Handel
3
p=0,8
p
2
für Käufer
Fall
Wie hoch soll p sein, damit beide im Falle der tatsächlichen Werte Verkäufer = 0 und Käufer =
3 diese wahrheitsgemäßangeben?
Käufer muss veranlasst werden, nicht zu geringen Wert zu nennen.
Verkäufer muss veranlasst werden, nicht übertriebenen Wert zu nennen
1. Wenn der Verkäufer wahrheitsgemäß(0) berichtet und gleichzeitig der Käufer 1 angibt (20
% der Fälle), bekommt der Verkäufer 1. In den restlichen 80 % der Falle erhält er p.
Erwartungswert: 0; 2 1 + 0; 8 p
2. Wenn der Verkäufer nicht wahrheitsgemäß(2) angibt und gleichzeitig der Käufer (mit 20
% Wahrscheinlichkeit) einen Wert von 1 angibt, …ndet kein Handel statt. In den übrigen
Fällen (80%) bekommt der Verkäufer 2.
Erwartungswert: 0; 2 0 + 0; 8 2 = 1; 6
wenn
0; 2 1 + 0; 8 p > 1; 6 =) p
1; 75
Folgerung
Wahrheit zahlt sich aus. Anreizkompatibilität gewährleistet!
1. Wenn der Käufer wahrheitsgemäßberichtet (3) und der Verkäufer gleichzeitig 2 angibt, so
bekommt der Käufer das Objekt für 2. Dies passiert in 20% der Fälle. In 80 % der Fälle
muss er p bezahlen.
Erwartungswert: 0; 2 (3
2) + 0; 8 (3
p) = 2; 6
0; 8 p
2. Wenn der Käufer nicht wahrheitsgemäßberichtet (1) und gleichzeitig der Verkäufer 2 angibt, …ndet kein Handel statt. Ein Handel …ndet nur statt, wenn der Verkäufer 0 angibt.
In diesen Fall erhält der Käufer das Objekt für 1.
Erwartungswert: 0; 8 (3
1) = 1; 6
Um wahrheitsgemäß
e Angabe sicherzustellen:
2; 6
0; 8 p
1; 6 =) p
75
1; 25
Folgerung
Wahrheit zahlt sich aus. Anreizkompatibilität gewährleistet!
Fall
Es gibt kein p, das p 1; 25 und p 1; 75 erfüllt.
Folgerung
Es ist unmöglich, einen Preis zu …nden, der dafür sorgt, dass es im individuellen Interesse der
Parteien liegt, wahrheitsgemäßdie Präferenz bekannt zugeben und immer dann zu handeln,
wenn Handel sich werterhöhend auswirkt.
In dieser Situation mit privater Information über Werte ist Handel nicht möglich, auch wenn
der Wert des Käufers den des Verkäufers übersteigt.
Frage:
Wenn die Wahrscheinlichkeiten vertauscht werden, …ndet dann immer Handel statt, wenn sich
Handel auch lohnt? (s. Abb.24 / S. 76)
Ein wahrheitsgemäß
er Mechanismus ist beispielsweise möglich, wenn die Wahrscheinlichkeiten
umgekehrt verteilt sind:
Abbildung 24: Handel bei unvollständiger Information (vertauschte Wahrscheinlichkeiten)
für Verkäufer
Wert und Wahrscheinlichkeit
0
p=0,2
2
p=0,8
1
kein Handel
1
p=0,8
(Handel)
3
p=0,2
p
2
(Handel)
(Handel)
für Käufer
Verkäufer:
Käufer:
Wahrheitsgemäß
: 0; 8 1 + 0; 2 p = 0; 8 + 0; 2 p
Lüge:
0; 8 0 + 0; 2 2 = 0; 4
0; 8 + 0; 2 p > 0; 4
p> 2
0; 2 (3 p) + 0; 8 (3 2)
= 0; 6 0; 2 p + 0; 8 = 1; 4
0; 2 p
0; 2 (3 1) + 0; 2 0 = 0; 4
0; 2 p + 1; 4 > 0; 4
p<5
Die Preise im Intervall ] 2; 5[ erfüllen die Anreizkompatibilitätsbedingung.
Erklärung: Hier ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass kein Handel zustande kommt, wenn die
Parteien lügen. Daher ist es kostspielig, abzuweichen.
Folgerung
Es ist leichter, die Anreizkompatibilitätsbedingung zu erfüllen; das e¢ ziente Ergebnis der vollen
Information wird nicht eliminiert.
Beispiel
Käufer und Verkäufer ziehen ihre Wertschätzung aus einer Wahrscheinlichkeitsverteilung
Annahmen
76
Die Wertschätzung von Käufer und Verkäufer kann mit gleicher Wahrscheinlichkeit bei
jedem Wert zwischen 0 und 1 liegen.
Käufer misst dem Gut den tatsächlichen Wert vi bei.
Verkäufer misst dem Gut den tatsächlichen Wert vs bei.
Verhandlungsregeln:
1. Der Käufer macht einen Preisvorschlag bi . Der Verkäufer kann entweder den Preis akzeptieren oder ablehnen.
2. Der Verkäufer macht einen Preisvorschlag bs . Der Käufer kann entweder diesen Pries akzeptieren oder ablehnen.
Angabe der wahren Wertschätzung
1. Wenn der Käufer seine wahre Wertschätzung angibt: bi = vi , dann wird Handel statt…nden,
wenn bi größ
er ist als vs .
Bei einer Gleichverteilung der Werte von vi und vs zwischen 0 und 1 ist der Erwartungswert
sowohl von vs (und vi ) genau 0,5. Dies bedeutet, dass zu erwarten ist, dass in 50% der Fälle der
Wert von vi über vs liegt und in 50% der Fälle darunter. Dies bedeutet, dass in 50% der Fälle
Handel statt…ndet.
2. Wenn der Verkäufer seine wahre Wertschätzung angibt: bs = vs , dann wird Handel statt…nden, wenn bs kleiner ist als vi .. Dies ist ebenfalls in 50% der Fälle zu erwarten.
Damit wird bei vollständiger wahrer Angabe des Wertes in 50% der Fälle Handel statt…nden.
11.1.3
Private Information und strategisches Verhalten
Bei privater Information über die eigene Wertschätzung lohnt sich strategisches Verhalten.
1. Es gibt hier für den Käufer einen Anreiz, einen geringeren Wert anzugeben, als seine
tatsächliche Wertschätzung. Wenn der Käufer genau seinen wahren Wert angibt, erhält er
entweder 0, wenn kein Handel statt…ndet, weil der Wert den der Käufer angibt, geringer
ist, als der des Verkäufers, oder wenn Handel statt…ndet ebenfalls (als Nettogewinn) 0, da
er genau das bezahlt, was ihm das Objekt wert ist. Daher wird sich der Käufer überlegen,
ob es nicht besser wäre, einen geringeren Wert anzugeben.
Stellen wir uns vor, der wahre Wert vi sei 0,9. Nun überlegt sich der Käufer folgendes:
Wenn ich bi = 0; 9 angebe, werde ich mit 90% Wahrscheinlichkeit das Objekt erhalten.
Wenn ich das Objekt zu diesem Preis erhalte, ist mein Nettogewinn bi vi = 0; 9 0; 9 = 0.
Wenn ich bi = 0; 8 angebe, so werde ich das Objekt zwar nur noch mit 80% Wahrscheinlichkeit erhalten, aber ich brauche auch weniger zu bezahlen. Mein Nettogewinn ist dann
0; 1(= 0; 9 0; 8). Der erwartete Nettogewinn ist also 0; 8 0; 1 = 0; 08
Wenn ich bi = 0; 7 angebe, verringert sich zwar die Wahrscheinlichkeit, dass ich das Objekt erhalte auf 70%, aber mein Nettogewinn steigt auf 0; 2(= 0; 9 0; 7). Der erwartete
Nettogewinn ist dann 0; 7 0; 2 = 0; 14.
Wenn ich bi = 0; 6 angebe, verringert sich zwar die Wahrscheinlichkeit, dass ich das Objekt
erhalte auf 60%, aber mein Nettogewinn steigt auf 0; 3(= 0; 9 0; 6). Der erwartete Nettogewinn ist dann 0; 6 0; 3 = 0; 18.
Wenn ich bi = 0; 5 angebe, verringert sich zwar die Wahrscheinlichkeit, dass ich das Objekt erhalte auf 50%, aber mein Nettogewinn steigt auf 0; 4(= 0; 9 0; 5). Der erwartete
Nettogewinn ist dann 0; 5 0; 4 = 0; 20.
77
Wenn ich bi = 0; 45 angebe, verringert sich zwar die Wahrscheinlichkeit, dass ich das Objekt
erhalte auf 45%, aber mein Nettogewinn steigt auf 0; 45(= 0; 9 0; 45). Der erwartete
Nettogewinn ist dann 0; 45 0; 45 = 0; 2025.
Wenn ich bi = 0; 4 angebe, verringert sich zwar die Wahrscheinlichkeit, dass ich das Objekt erhalte auf 40%, aber mein Nettogewinn steigt auf 0; 5(= 0; 9 0; 4): Der erwartete
Nettogewinn ist dann 0; 4 0; 5 = 0; 20.
Wenn ich bi = 0; 3 angebe, verringert sich zwar die Wahrscheinlichkeit, dass ich das Objekt erhalte auf 30%, aber mein Nettogewinn steigt auf 0; 6(= 0; 9 0; 3). Der erwartete
Nettogewinn ist dann 0; 3 0; 6 = 0; 18.
Wenn ich bi = 0; 2 angebe, verringert sich zwar die Wahrscheinlichkeit, dass ich das Objekt erhalte auf 20%, aber mein Nettogewinn steigt auf 0; 7(= 0; 9 0; 2). Der erwartete
Nettogewinn ist dann 0; 2 0; 7 = 0; 14.
Wenn ich bi = 0; 1 angebe, verringert sich zwar die Wahrscheinlichkeit, dass ich das Objekt erhalte auf 10%, aber mein Nettogewinn steigt auf 0; 8(= 0; 9 0; 1). Der erwartete
Nettogewinn ist dann 0; 1 0; 8 = 0; 08.
Nach diesen Überlegungen wird der Käufer den Wert angeben, bei dem sein erwarteter NettoT = 0; 45.
gewinn am höchsten ist, dies ist der Wert bOP
i
T = 0; 40 herauskommen. Wie Sie
Wenn Sie dieselbe Rechnung für vi = 0; 8 machen, wird bOP
i
vi
sich herleiten können, ist die optimale Wertangabe bi = 2 .
Dies bedeutet, es besteht ein Anreiz für den Käufer, einen geringeren Wert anzugeben, als den
tatsächlichen Wert, den das Objekt für ihn hat.
2. Es gibt hier für den Verkäufer einen Anreiz, einen höheren Wert anzugeben, als seine
tatsächliche Wertschätzung. Wenn der Verkäufer genau seinen wahren Wert angibt, erhält
er entweder 0, wenn kein Handel statt…ndet, weil der Wert den der Käufer angibt, geringer
ist, als der des Verkäufers, oder wenn Handel statt…ndet ebenfalls (als Nettogewinn) 0, da
er genau das erhält, was ihm das Objekt wert ist. Daher wird sich der Käufer überlegen,
ob es nicht besser wäre, einen höheren Wert anzugeben.
Stellen wir uns vor, der wahre Wert vs sei 0,1. Nun überlegt sich der Verkäufer folgendes:
Wenn ich bs = 0; 1 angebe, werde ich mit 90% Wahrscheinlichkeit das Objekt verkaufen.
Wenn ich das Objekt zu diesem Preis verkaufe, ist mein Nettogewinn bs vs = 0; 1 0; 1 = 0.
Wenn ich bs = 0; 2 angebe, so werde ich das Objekt zwar nur noch mit 80% Wahrscheinlichkeit verkaufen, aber ich bekomme auch einen höheren Preis. Mein Nettogewinn ist dann
0; 1(= 0; 2 0; 1). Der erwartete Nettogewinn ist also 0; 8 0; 1 = 0:08
Wenn ich bs = 0; 3 angebe, verringert sich zwar die Wahrscheinlichkeit, dass ich das Objekt
verkaufe auf 70%, aber mein Nettogewinn steigt auf 0; 2(= 0; 3 0; 1). Der erwartete
Nettogewinn ist dann 0; 7 0; 2 = 0; 14.
Wenn ich bs = 0; 4 angebe, verringert sich zwar die Wahrscheinlichkeit, dass ich das Objekt
verkaufe auf 60%, aber mein Nettogewinn steigt auf 0; 3(= 0; 4 0; 1). Der erwartete
Nettogewinn ist dann 0; 6 0; 3 = 0; 18.
Wenn ich bs = 0; 5 angebe, verringert sich zwar die Wahrscheinlichkeit, dass ich das Objekt
verkaufe auf 50%, aber mein Nettogewinn steigt auf 0; 4(= 0; 5 0; 1). Der erwartete
Nettogewinn ist dann 0; 5 0; 4 = 0; 20.
Wenn ich bs = 0; 55 angebe, verringert sich zwar die Wahrscheinlichkeit, dass ich das
Objekt verkaufe auf 45%, aber mein Nettogewinn steigt auf 0; 45(= 0; 55 0; 1). Der
erwartete Nettogewinn ist dann 0; 45 0; 45 = 0; 2025.
Wenn ich bs = 0; 6 angebe, verringert sich zwar die Wahrscheinlichkeit, dass ich das Objekt
verkaufe auf 40%, aber mein Nettogewinn steigt auf 0; 5(= 0; 6 0; 1). Der erwartete
Nettogewinn ist dann 0; 4 0; 5 = 0; 20.
78
Wenn ich bs = 0; 7 angebe, verringert sich zwar die Wahrscheinlichkeit, dass ich das Objekt
verkaufe auf 30%, aber mein Nettogewinn steigt auf 0; 6(= 0; 7 0; 1). Der erwartete
Nettogewinn ist dann 0; 3 0; 6 = 0; 18.
Wenn ich bs = 0; 8 angebe, verringert sich zwar die Wahrscheinlichkeit, dass ich das Objekt
verkaufe auf 20%, aber mein Nettogewinn steigt auf 0; 7(= 0; 8 0; 1). Der erwartete
Nettogewinn ist dann 0; 2 0; 7 = 0; 14.
Wenn ich bs = 0; 9 angebe, verringert sich zwar die Wahrscheinlichkeit, dass ich das Objekt
verkaufe auf 10%, aber mein Nettogewinn steigt auf 0; 8(= 0; 9 0; 1). Der erwartete
Nettogewinn ist dann 0; 1 0; 8 = 0; 08.
Nach diesen Überlegungen wird der Verkäufer den Wert angeben, bei dem sein erwarteter
T = 0; 55:
Nettogewinn am höchsten ist, dies ist der Wert bOP
s
T = 0; 60 herauskommen. Es
Wenn Sie dieselbe Rechnung für vs = 0; 2 machen,wird bOP
s
lässt sich herleiten, dass die optimale Wertangabe bs = vs + (1 vs )=2 ist.
Dies bedeutet, es besteht ein Anreiz für den Verkäufer, einen höheren Wert anzugeben, als den
tatsächlichen Wert, den das Objekt für ihn hat.
Bei der ersten Verhandlungsregel wird der Käufer seine wahre Wertschätzung untertreiben und
zwar, bei einer Gleichverteilung der Werte des Verkäufers, auf die Hälfte seiner tatsächlichen
Wertschätzung. Dies bedeutet, dass, während vi gleichverteilt ist zwischen 0 und 1, die Angabe
über die wahre Wertschätzung bi gleichverteilt ist zwischen 0 und 0,5 mit einem Erwartungswert von 0,25. Da der Erwartungswert von bi nur 0,25 ist, wird nur in 25% der Fälle Handel
statt…nden.
Bei der zweiten Verhandlungsregel wird der Verkäufer seine wahre Wertschätzung übertreiben
und zwar, bei einer Gleichverteilung der Werte des Käufers, auf bs = vs + (1- vs ) /2, d.h. die
Hälfte seiner tatsächlichen Wertschätzung plus 1=2. Dies bedeutet, dass, während vs gleichverteilt
ist zwischen 0 und 1, die Angabe über die wahre Wertschätzung bs gleichverteilt ist zwischen
0,5 und 1 mit einem Erwartungswert von 0,75. Da der Erwartungswert von bs 0,75 ist, wird nur
in 25% der Fälle Handel statt…nden.
Zusammenfassung
Als Fazit bleibt festzuhalten, dass bei einem strategischen Verhalten nur in 25% der Fälle ein
Handel statt…ndet, obwohl ein Handel in 50% der Fälle zu Wohlfahrtsgewinnen führen würde.
Mit privater Information ist die e¢ ziente Lösung, die bei vollständiger Information möglich ist,
nicht realisierbar.
Bei privater Information wird möglicherweise ein wertmaximierender Plan nicht realisiert, Gewinne werden nicht ausgeschöpft. Anreizkompatible Mechanismen minimieren diese Verluste.
(Kein Handel, wenn Gewinne zu gering.)
11.2
Auktionen
Im folgenden wird zuerst das ökonomische Grundmodell zur Analyse von Auktionen vorgestellt.
Bedingung
Es soll zwei Bieter geben i = 1; 2 und ein Objekt, welches zum Verkauf steht. Beide Bieter haben
eine Wertschätzung für dieses Objekt. Die Wertschätzung des Bieters i bezeichnen wir mit vi .
Wenn das Objekt verkauft wird, muss der Bieter den Preis p an den Verkäufer zahlen. Die
ui = vi p
wenn i das Objekt zu dem Preis p bekommt
ui = 0
wenn der Bieter i nicht erfolgreich ist, d.h. in allen anderen Fällen
und der Nutzen des Verkäufers us ist:
us = p
us = 0
vs
wenn das Objekt zum Preis von p verkauft wird
wenn das Objekt nicht verkauft wird
Wir wollen davon ausgehen, dass die Wertschätzung beider Bieter aus derselben Gleichverteilung
mit dem Wertebereich [0; 1] gezogen wird, wie in dem Schaubild (s. Abb. 25 / S. 80) dargestellt:
79
Abbildung 25: Die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Wertschätzung der Bieter
Prob(vi)
1
Prob{vi<bi/αj}
0
0
bi/αj
1
vi
Bei einer Gleichverteilung ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Wert kleiner als z.B. 0; 7 gezogen
wird, genau 0; 7 oder allgemein, die Wahrscheinlichkeit für einen Wert kleiner als x mit 0 x 1
ist genau x.
Wir wollen vier Auktionsformen unterscheiden:
1. Englisch
2. Holländisch
3. First-price sealed bid
4. Second-price sealed bid.
1. Bei der englischen Auktionsform versammeln sich die Käufer an einem Ort. Die Versteigerung beginnt mit einem geringen Preis und dieser wird entsprechend den Geboten
durch den Auktionator solange erhöht, bis nur noch ein Bieter übrigbleibt. Ein klassisches
Beispiel für eine englische Auktion sind die Kunst- oder Antiquitätenauktionen, wobei der
Auktionator nach jedem Gebot fragt, ob jemand noch höher bieten will. Erst wenn nur ein
Bieter übrigbleibt, wird der Zuschlag erteilt. Der Zuschlag erfolgt zu dem Preis, der dem
Betrag entspricht, den der Bieter mit dem höchsten Gebot geboten hat.
2. Bei der holländischen Auktionsform beginnt die Versteigerung mit einem sehr hohen
Preis. Dieser wird durch den Auktionator solange verringert, bis sich ein Bieter meldet,
der bereit ist, zu diesem Preis zu kaufen. Zumeist wird diese Auktionsform mit Hilfe einer
”Uhr” durchgeführt. Auf dieser ”Uhr” wandert ein Zeiger von einem sehr hohen Preis
solange nach unten, bis der erste Bieter einen Knopf drückt und damit den Zeiger anhält.
Das Objekt wird dann zu dem Preis gehandelt, bei dem ein Bieter zuerst den Knopf
gedrückt hat.
3. Bei der …rst-price sealed bid Auktion handelt es sich um eine Ausschreibung. Die
Gebote werden verdeckt (sealed bid) abgegeben, z.B. in einem Briefumschlag. Der Auktionator ö¤net die Briefumschläge und das höchste Gebot erhält den Zuschlag zu dem Preis,
der dem höchsten Gebot (…rst-price) entspricht.
4. Bei der second-price sealed bid Auktion handelt es sich ebenfalls um eine Ausschreibung. Die Gebote werden verdeckt abgegeben. Der Auktionator ö¤net die Gebote und das
höchste Gebot erhält den Zuschlag, aber diesmal zu dem Preis, der dem Gebot des zweithöchsten Bieters entspricht. Diese Auktionsform wird oft nach ihrem Er…nder VickreyAuktion genannt.
80
11.2.1
Vergleich der englischen Auktionsform mit der Vickrey-Auktionsform
Bei der englischen Auktionsform muss der Bieter mit dem höchsten Gebot für das Objekt, um
erfolgreich zu sein, gerade so viel bieten, dass sein Gebot höher ist als das Gebot des Bieters
mit dem zweithöchsten Gebot. Ein Bieter wird hier solange mitbieten, bis die Gebotshöhe seine
Wertschätzung erreicht, dann wird er aus dem Bieteprozess aussteigen. Bei sehr kleinen Bieteinkrementen, d.h. Schritten, um denen die Gebote durch den Auktionator erhöht werden,
bekommt der Bieter mit der höchsten Wertschätzung das Objekt zu einem Preis, der gerade der
Wertschätzung des zweithöchsten Bieters entspricht.
Damit hat die englische Auktion eine sehr groß
e Ähnlichkeit mit der second-price sealed bid
Auktionsform. Auch hier bekommt der erfolgreiche Bieter (mit dem höchsten Gebot) das Objekt
zu einem Preis, der gerade dem Gebot des zweithöchsten Bieters entspricht.
Wegen dieser Ähnlichkeit spricht man auch davon, dass diese beiden Auktionsformen strategisch äquivalent sind. Bei der englischen Auktionsform ist es die sinnvolle Strategie, solange
mitzubieten, bis die Gebotshöhe die eigene Wertschätzung erreicht. Dann sollte ein Bieter aufhören mitzubieten, um nicht der Gefahr ausgesetzt zu sein, einen Preis zu bezahlen, der höher
als die eigene Wertschätzung ist. Bei der second-price sealed bid Auktion sollte jeder Bieter als
Gebot seine wahre Wertschätzung abgeben. Wenn ein Bieter überlegt, ob es sinnvoll ist, weniger zu bieten, so verändert sich hierdurch nicht der Preis, der für das Objekt bezahlt werden
muss, da dieser ja unabhängig von der Gebotshöhe des erfolgreichen Bieters ist, sondern nur die
Wahrscheinlichkeit, das Objekt zu bekommen. Der Preis, den der höchste Bieter zu zahlen hat,
richtet sich ja nach dem Gebot des zweithöchsten Bieters.
Zusammenfassung
Die optimale Strategie bei einer englischen Auktion ist es, solange mitzubieten, bis die eigene
Wertschätzung erreicht wird und bei der second-price sealed bid Auktion die wahre Wertschätzung als Gebot abzugeben. Daher können diese beiden Auktionsformen als strategisch äquivalent
angesehen werden.
11.2.2
Vergleich der holländischen Auktionsform mit der …rst-price sealed bid
Auktionsform
Auch die holländische Auktionsform und die …rst-price sealed bid Auktion sind sich sehr ähnlich.
Auch hier spricht man daher von strategischer Äquivalenz. Bei der holländischen Auktion
ist es nicht sinnvoll, dann auf den Knopf zu drücken, wenn gerade die eigene Wertschätzung
erreicht wird. Dann würde der Bieter zwar das Objekt bekommen, müsste aber genau so viel
bezahlen, wie es ihm wert ist. Wenn der Bieter hingegen etwas warten würde, so verringert sich
der Preis, den er zu zahlen hat, aber dafür nimmt das Risiko zu, dass ein anderer Bieter vorher
auf den Knopf drückt. Es kann sich lohnen zu warten. Auch bei der …rst-price sealed bid Auktion
wäre der Bieter schlecht beraten, wenn er als Gebot seine wahre Wertschätzung angeben würde.
Er würde dann zwar das Objekt mit einer größ
eren Wahrscheinlichkeit bekommen, als wenn er
weniger als seine wahre Wertschätzung bietet. Doch andererseits ist der Preis, den er zu bezahlen
hat, entsprechend seinem Gebot, sehr hoch. Auch hier kann es sich lohnen, strategisch zu bieten.
Zusammenfassung
Die optimale Strategie bei einer holländischen Auktion ist es, den Preisvorteil bei einem geringeren Gebot mit der Abnahme der Wahrscheinlichkeit, dass Objekt zu bekommen, gegeneinander
abzuwägen. Dies gilt gleichermaß
en für die …rst-price sealed bid Auktion. Daher können diese
beiden Auktionsformen als strategisch äquivalent angesehen werden.
11.2.3
Auktion bei vollständiger Information
Stellen wir uns vor, es gäbe zwei Bieter, die jeweils die Wertschätzung 0,2 und 0,7 haben. Jeder
Bieter kennt seine eigene Wertschätzung und die Wertschätzung des anderen Bieters. Es soll
vollständige Information bestehen.
Bei der englischen Aktionsform würden die Gebote bis zu dem Betrag 0,2 erhöht werden. Dann
würde nur noch ein Bieter übrigbleiben. Das Objekt würde zu einem Preis von 0,2 plus einem
ganz kleinen Bieteinkrement verkauft werden. Bei der second-price sealed bid Auktion ist es für
jeden Bieter optimal, seine wahre Wertschätzung als Gebot abzugeben. Auch hier würde der
81
Bieter mit der Wertschätzung von 0,7 das Objekt bekommen, aber nur 0,2 bezahlen. Da jedes
Mal der Preis nicht direkt von der eigenen Gebotshöhe abhängt, ist es optimal für jeden Bieter,
seine eigene Wertschätzung zu bieten, bzw. solange mitzubieten, bis diese erreicht ist.
Bei der holländischen Auktionsform wäre es hingegen nicht sinnvoll, wenn der Bieter mit der
Wertschätzung von 0,7 den Knopf drücken würde, sobald diese eigene Wertschätzung erreicht
ist. Hier lohnt es sich solange zu warten, bis die Uhr sich dem Wert 0,2 nähert und dann zu
drücken, gerade kurz bevor dieser Wert erreicht ist. Auch hier wieder bekommt der Bieter mit
der höchsten Wertschätzung das Objekt zu einem Preis, der gerade der Wertschätzung des
zweithöchsten Bieters entspricht, wenn er sich strategisch verhält. Dies gilt analog für die …rstprice sealed bid Auktion. Wenn der Bieter mit der Wertschätzung von 0,7 weiß
, dass es nur einen
anderen Bieter mit der Wertschätzung von 0,2 gibt, so sollte dieser Bieter auch nur gerade etwas
mehr als diese Wertschätzung des zweithöchsten Bieters bieten. Auch hier wieder bekommt der
Bieter mit der höchsten Wertschätzung das Objekt zu einem Preis, der der Wertschätzung des
zweithöchsten Bieters (plus einem ganz kleinen Bieteinkrement) entspricht.
11.2.4
Auktion bei unvollständiger Information
Bei unvollständiger Information kennt zwar jeder Bieter seine eigene Wertschätzung, nicht jedoch
die Wertschätzung des anderen Bieters. Nur die Verteilung, aus der die Wertschätzungen gezogen
werden und die Anzahl der Bieter soll beiden Bietern bekannt sein.
A) Optimale Strategie bei der holländischen und …rst-price sealed bid Auktion
Bei unvollständiger Information (und risikoneutralem) Verhalten ist der Bieter i bestrebt, sein
Gebot bi so zu wählen, dass der Erwartungswert des Nutzens maximiert wird. Dieser Erwartungswert ergibt sich aus der erwarteten Di¤erenz zwischen der eigenen Wertschätzung vi und
dem Preis, den der Bieter, wenn er erfolgreich ist, bezahlt. Dieser Preis entspricht bei der holländischen und der …rst-price sealed bid Auktion dem Gebot des Bieters i, wenn er erfolgreich
ist: p = bi Dieser Wert ist mit der Wahrscheinlichkeit (Prob) zu multiplizieren, dass der Bieter
das Objekt erhält, d.h. dass sein Gebot bi größ
er ist als das Gebot des anderen Bieters bj , wobei
das Gebot des anderen Bieters j ebenfalls von dessen Wertschätzung vj abhängt. Wenn er das
Objekt nicht bekommt, ist sein Nutzen 0.
M ax (vi
bi
bi ) P rob fbi > bj (vj )g
Nun bleibt zu fragen, wie das Gebot eines Bieters i bzw. j von dessen Wertschätzung abhängt.
Aus Gründen der Vereinfachung gehen wir davon aus, dass das Gebot jeweils eine lineare Funktion der Wertschätzung ist:
bi =
i
bj =
vi ;
j
wobei 1
vj ;
0 und
i
wobei 1
j
0:
j
vj g
Hieraus folgt:
M ax(vi
bi
bi ) P robfbi >
bzw.
M ax(vi
bi
bi ) P robfbi =
j
> vj g
Wenn die Wertschätzungen der Bieter aus einer identischen Gleichverteilung mit dem Wertebereich von 0 bis 1 gezogen werden, vereinfacht sich die Analyse. Bei dieser Verteilung ist die
Wahrscheinlichkeit, dass der andere Bieter einen Wert gezogen hat vj , der unter bi = j liegt, genau bi = j . Bei einer Gleichverteilung zwischen 0 und 1 ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Wert
gezogen wird, der kleiner als, sagen wir 0,7 ist, genau 0,7. Die Wertschätzung des anderen Bieters
j ist ja eine Zufallsziehung aus dieser Verteilung. Aus diesem Grund wird obige Gleichung zu:
82
M ax(vi
bi ) bi =
bi
j
Um das Gebot bi zu …nden, welches den erwarteten Nutzen maximiert, ist das Maximum der
Funktion zu suchen. Dieses Maximum kann berechnet werden, wenn die erste Ableitung der
Gleichung nach bi gleich Null gesetzt wird:
(vi
bi ) 1=
(vi
bi =
j
2 bi )=
j
j
= 0 oder
=0
Hieraus folgt:
vi = 2bi ;
1
bzw. bi = vi :
2
Das optimale Gebot bi des Bieters i mit der Wertschätzung vi und nur einem anderem Mitbieter
j ist es, die halbe Wertschätzung zu bieten. Da nur die halbe Wertschätzung geboten wird,
ist die Wahrscheinlichkeit für den Bieter i, der Bieter von beiden Bietern mit der höchsten
Wertschätzung zu sein, geringer geworden, als wenn die volle Wertschätzung geboten wird. Auf
der anderen Seite ist jedoch der Nutzen, wenn das Objekt erlangt wird, durch den geringeren
Preis höher, als wenn die wahre Wertschätzung geboten werden würde.
Da in der holländischen und …rst-price sealed bid Auktion der Bieter mit dem höchsten Gebot das
Objekt zu einem Preis bekommt, der seinem Gebot entspricht, lohnt es sich, weniger als die eigene
Wertschätzung zu bieten. Hierdurch wird der Preis, der zu bezahlen ist, geringer. Andererseits
verringert sich jedoch auch die Wahrscheinlichkeit, das Objekt zu bekommen. Im Optimum wird
bei zwei Bietern auf der holländischen und …rst-price sealed bid Auktion von jedem Bieter ein
Gebot abgegeben, welches gerade der Hälfte der eigenen Wertschätzung entspricht. Dies werden
beide Bieter machen, da dieselben Rechnungen für den Bieter j gelten (nur i ist durch j bzw. j
durch i zu ersetzen).
1
vj
2
Wenn die Anzahl der Bieter n beträgt, so gilt allgemein, dass
bj =
bi =
(n
1)
n
vi
Auch dies können wir herleiten.
Bei unabhängigen Ziehungen aus einer Gleichverteilung mit dem Wertebereich von 0 bis 1 ist
die Wahrscheinlichkeit, dass ein Wert vh der höchste Wert ist: vhn 1 ; wobei n die Anzahl der
Bieter bezeichnet. Wenn ein Bieter beispielsweise den Wert 0,7 gezogen hat, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Bieter eine höhere Wertschätzung als ein anderer Bieter hat, genau
0; 7 oder 0; 72 1 . Bei dreimaliger Ziehung ist die Wahrscheinlichkeit, dass kein höherer Wert als
0; 7 gefunden wird, genau 0; 7 0; 7 = 0; 73 1 = 0; 72 . Je öfter gezogen wird, desto wahrscheinlicher wird es, dass in einer der Ziehungen ein höherer Wert als 0; 7 gezogen wird. Demzufolge
nimmt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Wert von v der höchste aller gezogenen Werte ist, mit
der Anzahl der Ziehungen aus der Verteilung exponentiell ab.
Der Erwartungswert des Nutzens durch strategische Gebotsabgabe bei n Bietern ergibt sich
durch den Nettonutzen (vi bi ) multipliziert mit der Eintre¤enswahrscheinlichkeit, das heiß
t
der Wahrscheinlichkeit, die höchste Wertschätzung und damit auch (bei symmetrischen Bietern)
das höchste Gebot bni 1 zu haben:
(vi
bi ) bin
Der Erwartungswert des Nutzens:
83
1
bi ) bin
Hi = (vi
wobei
und
bni
1
vi
1
bi = N utzen
= Wahrscheinlichkeit mit bi Höchster von n Bietern zu sein
Hi
bi
= bni 1 + (vi bi ) (n 1) bni
(vi bi ) (n 1) bni 2 = bni 1
(vi bi ) (n 1) 1 = bi
vi (n 1) bi (n 1) = bi
bi + bi (n 1) = vi (n 1)
bi (1 + n 1) = vi (n 1)
bi n = vi (n 1)
bi = vi (nn 1)
2
=0
B) Optimale Strategie bei der englischen und second-price sealed bid Auktion
Um das optimale Gebot in diesem Fall zu bestimmen, kann analog vorgegangen werden. Bei
unvollständiger Information (und risikoneutralem) Verhalten ist der Bieter i bestrebt, sein Gebot
bi so zu wählen, dass der Erwartungswert des Nutzens maximiert wird. Dieser Erwartungswert
ergibt sich aus der erwarteten Di¤erenz zwischen der eigenen Wertschätzung vi und dem Preis,
den der Bieter, wenn er erfolgreich ist, bezahlt. Dieser Preis, den der Bieter mit dem höchsten
Gebot zahlen muss, entspricht bei der englischen und der second-price sealed bid Auktion dem
Gebot des Bieters mit dem zweithöchsten Gebot. Bei nur zwei Bietern ist daher: p = bj . Dieser
Wert ist mit der Wahrscheinlichkeit (Prob) zu multiplizieren, dass der Bieter das Objekt erhält,
d.h. dass sein Gebot bi größ
er ist als das Gebot des anderen Bieters bj , wobei das Gebot des
anderen Bieters j von dessen Wertschätzung vj abhängt. Wenn er das Objekt nicht bekommt,
ist sein Nutzen 0.
M ax(vi
bj ) P robfbi > bj (vj )g
bi
Wenn wieder von einer linearen Bietefunktion ausgegangen wird, folgt:
M ax(vi
bj ) P robfbi =
bi
j
> vj g
und bei einer Gleichverteilung folgt:
M ax(vi
bi
b j ) bi =
j
Dieser Ausdruck wird maximal, wenn bi maximiert wird. Bei gegebenem vi wird bi maximiert,
wenn bi = vi .
Es ist die optimale Strategie für Bieter i bei der holländischen und …rst-price sealed bid Auktion solange mitzubieten, bis die eigene Wertschätzung erreicht wird, bzw. als Gebot in der
Ausschreibung die eigene Wertschätzung abzugeben. Dies gilt gleichermaß
en für Bieter j.
C) Erlös für den Auktionator bei den verschiedenen Auktionsformen
Nachdem nun das Bieteverhalten der Bieter untersucht wurde, stellt sich die Frage, welche
Auktionsform für den Verkäufer optimal ist.
Bei der englischen und der second-price sealed bid Auktion ist es die optimale Strategie, die
eigene Wertschätzung zu bieten. Das Objekt wird an den Bieter mit der höchsten Wertschätzung
zu einem Preis verkauft, der der Wertschätzung des zweithöchsten Bieters entspricht.
Bei der holländischen und der second-price sealed bid Auktion hingegen bietet bei zwei Bietern
und einer Gleichverteilung der Wertschätzungen jeder Bieter nur die Hälfte seiner wahren Wertschätzung. Auf der anderen Seite zahlt hier der erfolgreiche Bieter den Preis, der seinem Gebot
entspricht.
84
Wie im folgenden gezeigt werden wird, ist der zu erwartende Erlös für den Verkäufer bei den
vier Auktionsformen identisch.
Der erwartete Erlös bei der englischen und der second-price sealed bid Auktion ist gleich der
Wertschätzung des zweithöchsten Bieters. Wenn es nur zwei Bieter gibt und diese ihre Wertschätzungen aus einer Gleichverteilung zwischen 0 und 1 ziehen, so ist bei einer zweimaligen
Ziehung aus dieser Verteilung der Erwartungswert der niedrigeren Wertschätzung vl genau 1/3
und der Erwartungswert der höheren Wertschätzung vh genau 2/3. Dies bedeutet, dass der Erwartungswert des Preises, der der Wertschätzung des zweithöchsten Bieters entspricht, 1/3 ist
(s. Abb. 26 / S. 85):
p = E(vl ) =
1
3
Abbildung 26: Erwartungswert für die geringere und höhere Wertschätzung bei zwei Ziehungen
aus der Verteilung
p
1
E(vh)
E(vl)
0
vl
0
vh
1
vi
Bei der holländischen und der …rst-price sealed bid Auktion und zwei Bietern bietet jeder Bieter
nur die Hälfte seiner Wertschätzung. Der Erwartungswert der höheren Wertschätzung beträgt
weiterhin 2/3 und der der geringeren Wertschätzung 1/3. Da jeder Bieter nur die Hälfte seiner
Wertschätzung bietet, geht das Objekt an den Bieter mit der höheren Wertschätzung (mit einem
Erwartungswert von vh ), wobei der Preis dem Gebot entspricht. Da das Gebot 12 vh ist, gilt hier
für den Preis, den der Verkäufer bekommt:
1
1 2
1
E(vh ) =
= = E(vl )
2
2 3
3
Auch hier beträgt der erwartete Preis:
p=
p = 1=3
Dies zeigt, dass in dem Fall von zwei Bietern, die ihre Wertschätzung unabhängig voneinander aus der selben Gleichverteilung ziehen, der Erlös für den Verkäufer bei der englischen und
second-price sealed bid Auktion dem Preis bei der holländischen und …rst-price sealed bid Auktion entspricht. Der erwartete Erlös für den Verkäufer ist bei allen vier Auktionsformen gleich
hoch. Dies ist das sogenannte Revenue Equivalence Theorem von Vickrey. Doch dieses Theorem
gilt nur für die hier gemachte Annahme, dass die Wertschätzungen der beiden Bieter unabhängig voneinander aus derselben Verteilung gezogen werden. Es braucht nicht unbedingt eine
Gleichverteilung zu sein. Das Theorem gilt auch bei jeder anderen Verteilung, wie Vickrey (1961)
gezeigt hat.
85
Auch dieses Ergebnis kann wieder für mehr als zwei Bieter verallgemeinert werden. Bei n Bietern
wird die Strecke zwischen 0 und 1 in n + 1 gleichgroß
e Teile geteilt. Der Erwartungswert der
höchsten Wertschätzung ist:
E(vh ) =
n
(n + 1)
Bei einem Bieter ist dieser Erwartungswert 1/2, bei zwei Bietern 2/3 und bei n Bietern
n
(n+1) .
Gegeben die optimale Strategie in der holländischen und der …rst-price sealed bid Auktion ist
der erwartete Preis:
E(p) =
(n
1)
n
(n
E(vh ) =
1)
n
n
(n 1)
=
(n + 1)
(n + 1)
In der englischen und der second-price sealed-bid Auktion entspricht der erwartete Preis dem
1)
Erwartungswert der zweithöchsten Wertschätzung, welche (n
(n+1) ist. Bei zwei Bietern ist der
Erwartungswert der zweithöchsten Wertschätzung 1/3, bei drei Bietern 2/4 oder 1/2 und bei n
Bietern:
E(p) =
(n 1)
(n + 1)
Auch hier gilt, dass der Erlös für den Verkäufer bei diesen vier Auktionsformen identisch ist,
obwohl die Regeln unterschiedlich sind.
D) Auf der Suche nach der optimalen Auktionsform
Die vier bisher diskutierten Auktionsformen unterscheiden sich in den Regeln über die Gebotsabgabe (Auktion oder schriftliche Ausschreibung) und die Festlegung der Regeln für die Höhe
des Preises, zu dem der Zuschlag erfolgt (…rst oder second price). Es wurde untersucht, welchen
Ein‡uss diese Regeln auf das Bieteverhalten haben und gezeigt, dass dieses bei unterschiedlichen
Auktionsregeln unterschiedlich ausfällt. Entweder wird strategisch geboten oder die wahre Wertschätzung. Dies führt dazu, dass der Erlös für den Verkäufer, der Preis, der erzielt wird, in dem
Standardmodell bei jeder Regel gleichhoch ausfällt. Damit wäre jede diese vier Auktionsformen
e¢ zient.
Es bleibt aber hier zu fragen, welche Auktionsform für den Verkäufer optimal ist. Bisher waren wir davon ausgegangen, dass der Verkäufer keinen Mindestpreis angibt, unter dem er nicht
bereit ist, zu verkaufen, So ein Mindestpreis kann als Reservationspreis bezeichnet werden. Die vier Auktionsformen sind erst dann optimal für den Verkäufer, wenn er einen solchen
Mindestpreis setzt. Dies wird im folgenden dargestellt werden.
Es ist ganz o¤ensichtlich, dass es im Interesse des Verkäufers liegt, einen Mindestpreis zu setzen.
Dies ist bei den Regeln, die für die optimale Auktionsform (aus der Sicht des Verkäufers) gelten
sollten, zu berücksichtigen.
Der optimale Mindestpreis soll für das Standardmodell berechnet werden. Bisher waren wir
davon ausgegangen, dass das Objekt keinen Nutzen für den Verkäufer hat. Dies war aus Gründen
der Übersichtlichkeit erfolgt. Wenn wir jedoch einen positiven Wert für den Verkäufer annehmen,
so sollte der Mindestpreis immer über diesem Wert liegen, da sonst durch den Handel Verluste
für den Verkäufer entstehen würden. Auß
erdem könnte ein Mindestpreis Bieter mit geringer
Wertschätzung dazu veranlassen aggressiver zu bieten und damit zu einem höheren Preis und
Erlös führen. Auf der anderen Seite kann ein deutlich über der Wertschätzung des Verkäufers
liegender Mindestpreis dazu führen, dass das Objekt nicht verkauft wird. Dies erinnert an die
Überlegungen eines Bieters bei der (strategischen) Gebotsabgabe.
Hieraus kann nun ohne weitere Mühe dieser Mindestpreis hergeleitet werden. Im Falle einer
Gleichverteilung der Wertschätzungen der Bieter und des Verkäufers und bei unabhängigen
Ziehungen aus dieser Verteilung ist der Mindestpreis unabhängig von der Anzahl der Bieter.
Wenn wir weiterhin zunächst davon ausgehen, dass der wahre Wert des Objektes für den Verkäufer 0 beträgt, so ist der optimale Mindestpreis 1/2. Dies lässt sich durch Ausprobieren leicht
zeigen.
86
Bei einem Bieter ist es o¤ensichtlich, dass dieser Mindestpreis optimal ist. Der Mindestpreis
bringt so etwas wie Wettbewerb in das Spiel. Bei zwei Bietern wird der Mindestpreis in der
englischen und second-price sealed bid Auktion manchmal relevant werden, manchmal nicht.
In der holländischen und der …rst-price sealed bid Auktion wird der Mindestpreis dazu führen,
dass jeder Bieter, der eine höhere Wertschätzung als diesen Mindestpreis hat, sein Gebot erhöhen
wird bis zumindest der Mindestpreis erreicht wird. Dieser Vorteil ist mit dem Verlust abzuwägen,
der dadurch entsteht, das dieser Mindestpreis dazu führt, dass das Objekt nicht verkauft wird,
obwohl es Bieter gibt, die eine höhere Wertschätzung für das Objekt haben, als der Verkäufer
selber.
Wenn der wahre Wert des Objektes für den Verkäufer vs ist, so sollte der Mindestpreis pmin bei
der Gleichverteilung auf der Hälfte der Strecke zwischen der maximalen möglichen Wertschätzung eines Bieters, also 1 und der Wertschätzung des Verkäufers liegen:
(vs + 1)
2
Wenn der Verkäufer diesen Mindestpreis festlegt, ist in dem Standardmodell jede der vier Auktionsformen auch optimal für den Verkäufer, d.h. bringt den maximal möglichen Erlös oder
Preis.
pmin =
E) Das Standardmodell und seine Erweiterungen
Nachdem wir nun das Standardmodell kennen gelernt haben, wollen wir die Ergebnisse der
Literatur vorstellen, wenn die Annahmen des Standardmodells variiert werden.
In dem Standardmodell hatten wir zwei Bieter unterstellt. Wir hatten dies Modell auch auf n
Bieter erweitert.
Folgende Annahmen hatten wir getro¤en:
es wird nur ein Objekt versteigert,
es …ndet (bei den beiden Ausschreibungen) nur eine einmalige Gebotsabgabe statt,
die Wertschätzungen der Bieter werden aufgrund von Ziehungen aus einer Gleichverteilung
zwischen 0 und 1 bestimmt,
die Bieter sind symmetrisch, d.h. alle Bieter ziehen aus derselben Wahrscheinlichkeitsverteilung,
die Bieter sind risikoneutral (Nutzenfunktion mit konstantem Grenznutzen des Einkommens),
und maximieren den Erwartungswert des Nutzens,
die Zahlungen bestehen nur aus dem Preis, der von den Geboten abhängt und andere
Zahlungen wie Eintrittsgebühren werden nicht betrachtet.
Oft werden mehrere Objekte nacheinander versteigert. Diese Objekte können
vollständig homogen und damit austauschbar sein, wie Schuldverschreibungen oder auch
Aktien, oder
heterogen, wie langstielige und kurzstielige Rosen oder verschiedene Fischsorten untereinander. Es sind hier substitutive oder komplementäre Beziehungen der Objekte zueinander
zu unterscheiden, oder
vollständig unabhängig voneinander sein, wie Fischauktionen oder Blumenauktionen.
87
Im Extremfall sind die Objekte entweder ganz homogen, d.h. vollkommen substitutiv oder vollkommen unabhängig voneinander. Den Grad der Beziehung zwischen den Objekten in der Betrachtung der Nachfrager kann auch durch die unterstellten Wahrscheinlichkeitsverteilungen für
die Wertschätzungen berücksichtigt werden. Hierauf wird später noch eingegangen werden.
Eine Auktionsform setzt die Regeln für die Transaktionen, die in und durch diesen Mechanismus
getätigt werden. Bei diesen Regeln ist nicht nur das Verhalten der Bieter zu berücksichtigen,
sondern auch die Eigenschaften des Objektes.
Wenn mehrere homogene, d.h. vollständig gleichartige Objekte nacheinander versteigert werden,
kann es zu Preistrends im Verlauf der Auktion kommen (Becker 1985). Die Objekte, die zuerst
versteigert werden, könnten höhere Preise kriegen, da zuerst die Bieter mit den höchsten Wertschätzungen jeweils ein oder mehrere Objekte ersteigern. Dementsprechend würden die Preise
im Verlauf einer Auktion mehrerer gleichartiger Objekte nacheinander sinken (entsprechend der
Höhe der gezogenen Wertschätzungen), es gäbe einen negativen Preistrend und die zuerst versteigerten Objekte hätten einen ”Platzvorteil”. Allerdings gibt es auch eine Reihe von Gründen,
warum ein solcher Trend der Preise nach unten zumindest begrenzt, wenn nicht sogar durch das
strategische Verhalten der Bieter aufgehoben wird.
Die Beziehungen zwischen den auf einer Veranstaltung zu versteigernden Objekten können auch
sehr kompliziert sein, wie bei den UMTS Auktionen oder den Spektrum Auktionen oder auf Bescha¤ungsauktionen. Dementsprechend kompliziert sind diese Auktionsformen. (Literatur......).
Wir …nden in der Praxis bei leichtverderblichen heterogenen Produkten wie Fisch oder Blumen
vor allem die holländische Auktionsform, bei haltbaren einzigartigen Produkten, wie Kunst oder
Antiquitäten, die englische Auktionsform. Ein wichtiger Grund liegt darin, dass bei leichtverderblichen Produkten ganz entscheidend ist, wie lange eine Transaktion an Zeit beansprucht.
Je schneller die einzelnen Transaktionen nacheinander statt…nden können, umso besser. Die Zeitdauer einer Transaktion ist bei haltbaren Produkten nicht so entscheidend.
Bei den Gütern, bei denen die Qualität nur durch eigenen Augenschein bewertet werden kann,
…nden vor allem die englische und holländische Auktion statt. Bei nicht fungiblen Gütern, die
nicht hinreichend beschrieben werden können, kann eine reale Auktion mit in Augenscheinnahme
des Objektes durch den Käufer sinnvoll sein, doch in den Zeiten des Internet werden solche
Auktionen zunehmend an Bedeutung verlieren und durch virtuelle Auktionen ersetzt werden.
Eine Eigenschaft einer optimalen Auktionsform für Objekte, die miteinander in Beziehung stehen, ist die wiederholte Gebotsabgabe. Es werden praktisch in den ersten Gebotsrunden
nur vorläu…ge Gebote abgegeben, bei denen auf jedes Objekt einzeln oder auf mehrere Objekten gleichzeitig geboten werden kann. Die jeweils höchsten Gebotsabgaben werden allen Bietern
nach jeder Runde zugänglich gemacht. In der nächsten Runde hat jeder Bieter die Möglichkeit,
seine Gebote zu korrigieren. Wenn nach mehreren Runden keine wesentlichen Gebotsänderungen
mehr erfolgen, erhalten die jeweils höchsten Gebote das jeweilige Objekt.
Ein Anzeichen dafür, dass eine Auktionsform nicht e¢ zient ist, sind sekundäre Auktionen oder Nachverhandlungen. Sekundäre Auktionen, wie bei Exporterstattungen für
Getreide, beweisen, dass Handelsgewinne zu erzielen sind, die nicht mit der primären Auktion
erzielt werden konnten. Hier sind sehr genau die Gründe zu betrachten, welche zu dieser sekundären Auktion führen. In der Regel werden diese dann darauf hindeuten, dass die Auktion nicht
e¢ zient ist. Auktionen unter den Mitgliedern eines Bietekartells sind wettbewerbsrechtlich sogar
verboten.
Sehr eingehend wurde untersucht, wie sich die Ergebnisse ändern, wenn andere Wahrscheinlichkeitsverteilungen als die Gleichverteilung unterstellt werden. Die Ergebnisse ändern sich
hierdurch nicht wesentlich. Erst wenn unterstellt wird, dass die Ziehungen der Wertschätzungen
der Bieter nicht unabhängig voneinander oder aus unterschiedlichen Verteilungen vorgenommen
werden, ändern sich die Ergebnisse.
Wenn die Bieter ihre Wertschätzungen aus unterschiedlichen Verteilungen ziehen, bricht das
Revenue Equivalence Theorem zusammen. In diesem Fall erzielen die holländische und …rst-price
sealed bid Auktion einen anderen Preis als die englische und second-price sealed bid Auktion.
Dieser kann je nach Beispiel, entweder höher oder geringer ausfallen.
Wenn unterstellt wird, dass die Bieter die wahre Wertschätzung gar nicht genau kennen, sondern selber unvollständige und private Information über die eigene Wertschätzung haben, es
88
jedoch einen wahren Wert des Objektes gibt, der für alle Bieter gleich hoch ist, so kann es zu
dem sogenannten ”winner’s curse” kommen, dem Schicksal des Gewinners.
Das Standardmodell gehört zu den sogenannten Independent Private Value Modellen, da
die Wertschätzungen unabhängig voneinander aus derselben Verteilung bestimmt werden und
jeder Bieter private Information über seine eigene Wertschätzung hat. In den Common Value
Modellen hingegen gibt es einen wahren Wert des Objektes und die Bieter haben unterschiedliche Informationen über den wahren Wert. Diese unterschiedlichen Informationen veranlassen
die Bieter, zu unterschiedlichen Wertschätzungen zu kommen. Es wird Bieter geben, die den
wahren Wert überschätzen und andere, die ihn unterschätzen. Von allen Bietern wird derjenige das Objekt bekommen, der das höchste Gebot abgegeben hat. Dieser erfolgreiche Bieter
zeigt, dass er die höchste Wertschätzung für das Objekt hat und sich damit sehr wahrscheinlich
verschätzt hat. Ein Beispiel für Auktionen, bei denen die common value Annahme zutri¤t, sind
Auktionen für Ölförderungsrechte in Meeresgebieten. Bevor diese Ölquellen ausgebeutet werden,
ist die Höhe der Ausbeute des jeweiligen Ölfeldes ungewiss. Jeder Bieter wird Probebohrungen
etc. durchführen, aber nicht alle Bieter werden dieselben Informationen haben. Dort ist in der
Regel die Ausbeute des Ölfeldes ungewiss. Der Bieter, der den Zuschlag aufgrund seines Gebotes bekommt, weißnun zumindest, dass alle anderen den Wert geringer eingeschätzt haben,
als er selber. In der Regel werden die anderen Bieter nicht ganz Unrecht haben. Dies ist der
Fluch oder das Schicksal des Gewinners. Dieser Fluch des Gewinners tritt vor allem bei
Ausschreibungen auf.
Im Verlauf der englischen Auktion und auch begrenzt im Verlauf der holländischen Auktion
werden möglicherweise den Bietern Informationen z.B. über die anderen Bieter, zugänglich, die
einen Ein‡uss auf die eigene Wertschätzung und/oder die Gebotsabgabe haben. Information über
die Wertschätzungen der anderen Bieter, die während des Bietens gewonnen werden, können zu
einer veränderten eigenen Wertschätzung und einem veränderten Bieteverhalten führen.
Wenn die Wertschätzungen der Bieter voneinander abhängen, bringt die englische Auktion den
höchsten Erlös, gefolgt von der seond-price sealed bid Auktion. Auf dem dritten Platz liegen
gleichauf die holländische und die …rst-price sealed bid Aktion.
Bei unvollständiger Information der Bieter über den wahren Wert des Objektes führt zusätzliche Information zumindest dazu, dass die Bieter mit geringen Geboten aggressiver bieten. Aus
diesem Grund ist es in der Regel von Vorteil wenn der Verkäufer seinen Teil zur Information der
Bieter über den Wert des Objektes beiträgt.
In dem Standardmodell waren wir von risikoneutralen Bietern ausgegangen. Bei risikoaversen
Bietern bricht wiederum das Revenue Equivalenz Theorem zusammen. Bei risikoaversen Bietern werden die holländische und die …rst-price sealed bid Auktion einen höheren Preis erzielen,
als die englische und die second-price sealed bid Auktion. Bei diesen letzteren beiden Auktionsformen wird weiterhin (bis zu) die wahre Wertschätzung geboten, bei der holländischen
und der …rst-price sealed bid Auktion hingegen wird die mögliche Verlustwahrscheinlichkeit bei
einer Verringerung des Gebotes bei risikoaversem Verhalten stärker gewichtet werden als bei
riskoneutralem Verhalten und dementsprechend wird hier näher an der eigenen Wertschätzung
geboten.
Bei risikoaversen Bietern und risikoneutralem Verkäufer sind die …rst-price sealed bid Auktion
und die holländische Auktion nicht e¢ zient, da ein Gewinn durch den Handel mit Risiko erzielt
werden könnte. Die optimale Auktion für risikoaverse Bieter würde bedeuten, dass solche Bieter
mit hohen Geboten, die verlieren, mit einer Strafzahlung belegt werden, wohingegen Bieter mit
geringen Geboten subventioniert werden.
In der Regel kommt das höchste Gebot auch von der Person mit der höchsten Wertschätzung. Wenn sich die Bieter auch in dem Grad ihrer Risikoaversion unterscheiden, ist eine
solch (Allokations-) e¢ ziente Lösung nicht mehr garantiert.
Beispiel
Versteigerungen verderblicher Güter wie Obst, Gemüse, Fisch oder Blumen, Ausschreibungen,
eBay, Bescha¤ungsauktionen, UMTS, Schatzbriefe, Exportlizenzen
F) Das O¤enbarungsprinzip - Revelation principle
89
Nachdem die Studierenden nun bereits eine kleine Einführung in das Standardmodel der Auktionstheorie erhalten haben, soll ein weiteres, für die Theorie sehr wichtiges Prinzip dargestellt
werden, das O¤enbarungsprinzip. Dies Prinzip ist für einen Ökonomen, der die Aufgabe hat, für
einen Verkäufer einen optimalen Mechanismus zu …nden, sehr hilfreich: Um die für den Verkäufer
optimale Versteigerungsform zu …nden, wählt man aus den unendlich vielen denkbaren Möglichkeiten nur diejenigen aus, bei denen es eine dominante Strategie ist, die wahre Wertschätzung
zu bieten. Der Erlös bei der Versteigerungsform, die bei wahrer Angabe des Wertes zu einer
Maximierung des zu erwartenden Erlöses für den Verkäufer führt, gibt den Erlös an, der auch
nicht durch eine andere Versteigerungsform, sei diese noch so kompliziert mit einem noch so
komplizierten strategischen Verhalten, übertro¤en werden kann.
Beispiel
In dem Standardmodell hatten wir gesehen, dass jede Auktionsform zu demselben erwarteten
Erlös für den Verkäufer führt. Bei der englischen und second-price sealed bid Auktion ist es eine
dominante Strategie, die wahre Wertschätzung zu bieten. Wenn der Verkäufer einen Reservationspreis entsprechend der hergeleiteten Regel setzt, ist dies diejenige Auktionsform, die den
Erlös maximiert.
Weiterhin ist es möglich, die holländische und …rst-price sealed bid Auktion so zu modi…zieren,
dass es auch hier eine dominante Strategie wird, die wahre Wertschätzung zu bieten. Stellen Sie
sich vor, der Verkäufer führt eine solche Auktion durch, macht aber gleichzeitig die Ankündigung,
dass aufgrund jedes abgegebenen Gebots ein Wert entsprechend der folgenden Regel berechnet
wird:
n
bi
n 1
Weiterhin kündigt der Verkäufer an, dass der solchermaß
en berechnete Wert wi als Gebot des
Bieters i interpretiert wird und die Auktion dann mit diesem Wert als Gebot durchgeführt wird.
wi =
Wie sieht nun die optimale Strategie für einen Bieter aus. Da die optimale Gebotsabgabe bi
weiterhin
bi =
n
1
vi
n
ist, wird jeder Bieter nun genau seine wahre Wertschätzung als Gebot abgeben:
n
1
vi
n
n 1
Diese wahre Wertschätzung wird umgerechnet zu dem Gebot entsprechend der Regel, die der
Verkäufer angegeben hat und damit wird das für den jeweiligen Käufer optimale Gebot von dem
Verkäufer praktisch für diesen berechnet.
wi =
n
Bei jeder Auktion, bei der es sich lohnt, strategisch zu bieten, kann der Verkäufer ankündigen,
dass er selber die Berechnungen anstellen wird, die der Käufer anstellen würde, um sein optimales Gebot abzugeben. Unter diesen Bedingungen ist es für den Käufer optimal, seine wahre
Wertschätzung anzugeben.
Folgerung
Jedes überhaupt implementierbare Ergebnis X kann auch implementiert werden durch einen
Mechanismus in dem es eine dominante Strategie ist, die wahre Wertschätzung zu bieten. Dieser
Mechanismus zeichnet sich dadurch aus, dass nun nicht mehr der Käufer seine optimale Strategie
bestimmt, sondern dass dies praktisch der Verkäufer für ihn macht.
Das O¤enbarungsprinzip ist weniger von praktischer als von theoretischer Bedeutung. In der
Praxis dürfte der Käufer zu Recht daran zweifeln, dass der Verkäufer sich an die Regeln der
Neuberechnung des Gebotes aufgrund der abgegebenen Wertschätzung auch tatsächlich hält.
Doch dies ist hier nicht relevant, da es darum geht, dass es prinzipiell immer möglich ist, einen
Mechanismus, bei dem es sinnvoll ist, strategisch zu bieten, derart zu modi…zieren, dass es
sich lohnt, den wahren Wert als Gebot abzugeben. Damit lässt sich zu jedem Mechanismus
immer ein äquivalenter Mechanismus …nden, bei dem es eine dominante Strategie ist, den wahren
Wert anzugeben. Jeder beliebige Mechanismus lässt sich damit immer in einen Mechanismus
umwandeln, bei dem die O¤enbarung des wahren Wertes für den Käufer sinnvoll ist.
90
Die bisher vorgestellten Auktionsformen sind nur Beispiele für Mechanismen. Generell kann jede
Form des Verkaufs, sei es eine Auktion oder ein festgelegter (Laden-) Preis als Mechanismus
betrachtet werden.
In dem folgenden Beispiel sollen die Auktionsformen mit einem festgelegten Preis (take it or
leave it) verglichen werden.
Beispiel - Hausverkauf
Mr. Prinzipal will ein Haus verkaufen. Da der Prinzipal gehört hat, dass es verschiedene Verkaufsmechanismen gibt, überlegt er, ob das Haus versteigert oder mit einem festen Preis in der
Zeitung angeboten werden soll. Ein Ökonom wird beauftragt, den optimalen Mechanismus zu
…nden.
1. Bei vollständiger Information
Für den Prinzipal soll das Haus einen Wert von 0 haben, wenn es nicht verkauft wird.
Es gibt zwei interessierte Parteien: Agent I und Agent II, die die eigene Wertschätzung kennen.
Diese ist den anderen nicht bekannt.
Wahrscheinlichkeiten der Typenverteilung:
Agent I:
vom Typ High oder Low
Agent II:
vom Typ High oder Low
Typ High bewertet das Haus mit 4 Mio. e
Wahrscheinlichkeit für Typ High: 1
Typ Low bewertet das Haus mit 3 Mio. e
Wahrscheinlichkeit für Typ Low: p
Beide Agenten vom Typ Low
! p p = p2
Beide Agenten unterschiedlich
! (1 p) p + (1 p) p = 2p (1 p) = 2p 2p2
Beide Agenten vom Typ High
! (1 p)2
Probe: p2 + 2p 2p2 + (1 p)2 = 2p + 1 2p + p2 p2 = 1
p
Folgerung
Bestes Ergebnis bei vollständiger Information:
Haus für 4 Mio. e verkaufen, wenn einer der beiden Agenten vom Typ High ist, ansonsten für
3 Mio. e.
Wahrscheinlichkeit für beide Agenten vom Typ Low beträgt
p p = p2
Somit ist erwarteter Erlös für Prinzipal:
3p2 + 4(1
p2 ) = 4
p2
2. Bei unvollständiger Information
Da der Prinzipal jedoch nicht die Typen kennt, bzw. die wahre Zahlungsbereitschaft, kann dieses
Ergebnis nicht erzielt werden.
a) ”Take it or leave it”
Wenn Preis = 3 Mio. e, dann wird das Haus sicher verkauft.
Der erwartete Erlös ist damit 3 Mio. e. Dies ist weniger als der erwartete Erlös bei vollständiger
Information:
3<4
p2
für alle p < 1
91
Nur wenn p=1, d.h. wenn beide Agenten vom Typ Low sind, ist dies Ergebnis so gut, wie das
erstbeste Ergebnis bei vollständiger Information.
Wenn Preis = 4 Mio. e, dann wird das Haus verkauft, solange nicht beide vom Typ Low sind.
Erwarteter Erlös:
p2 )
4(1
Dies ist nur zweitbeste Lösung, da:
4(1
p2 ) < 4
p2
auß
er wenn p = 0
nur wenn zumindest einer der beiden Agenten von Typ High ist, ist dies Ergebnis besser als das
Ergebnis bei vollständiger Information.
Wenn der Prinzipal nur die Möglichkeit eines Festpreises (nur ”take it or leave it” ) hat, dann
wäre Preis von 3 Mio. e optimal, wenn
3 > 4(1
p2 )
Dies gilt nur, wenn p > 12 . Wenn p < 12 , dann Preis von 4 Mio. e optimal.
b) Second-price sealed-bid Auktion
Dominante Strategie, die wahre Wertschätzung zu bieten. Höchster Preis, der zu erzielen ist, ist
3 Mio. e, auß
er wenn beide vom Typ High, dann 4 Mio. e.
Erwarteter Erlös:
4(1
p)2 + 3(1
(1
p)2 ) = 3 + (1
p)2
Auch dies nur zweitbeste Lösung, da:
3 + (1
p)2 < 4
p2
auß
er wenn p = 1 oder p = 0
Nur wenn beide Agenten von Typ High sind oder beide Agenten von Typ Low, ist das Ergebnis
so gut wie das erstbeste Ergebnis.
Jedoch ist diese Auktion besser als ein festgelegter Preis von 3 Mio. e, auß
er wenn p = 1.
Es ist besser als ein festgelegter Preis von 4 Mio. e, wenn:
3 + (1
p)2 > 4(1
p2 )
Dies gilt, wenn: 52 < p < 1
c) Modi…zierte Second-price sealed bid Auktion:
Diese Auktionsform gibt somit den höchsten Erlös für Prinzipal, wenn 2/5 < p < 1. Jedoch sind
Verbesserungen möglich.
Die optimale Auktion wäre in diesem Fall: Gewinner bezahlt den Durchschnitt des gewinnenden
und verlierenden Gebots. Dies ist optimale Auktion.
Es ist weiterhin ein Nash-Gleichgewicht, die eigene Wertschätzung zu bieten:
Wenn Bieter vom Typ Low 3 bietet, bekommt er nichts, wenn er gewinnt. Wenn er 4 bietet,
bekommt er nichts, wenn er verliert und 3 21 (3 + 4) = 21 , wenn er gewinnt.
Wenn Bieter vom Typ High 4 bietet, bekommt er nichts, wenn er gewinnt und nichts, wenn er
verliert, dann wenn sein Gegner vom Typ High ist. Wenn sein Gegner vom Typ Low ist, wird
er gewinnen und erhält 4 12 (3 + 4) = 12 . Der erwartete Pay o¤ bei einem Gebot von 3 ist
1
3) p = 21 p.
2 (4
Was bekommt der Prinzipal?
Erwarteter Pay o¤:
1
1
p)2 + (3 + 4)p(1 p) + (3 + 4)(1
2
2
Dies ist immer noch die zweitbeste Lösung, da
4(1
92
p)p + 3p2 = 4
p
4
p2
p<4
auß
er wenn p = 0
Aber dies ist besser als die reguläre Vickrey-Auktion, auß
er wenn p = 0 oder p = 1. Es ist auch
besser als posted price von 4, solange
4
Dies gilt, wenn:
1
4
p > 4(1
p2 )
<p<1
Zusammenfassung
Posted price von 4 ist am besten, wenn 0 < p < 41 .
Modi…zierte Vickrey-Auktion ist am besten, wenn 41 < p < 1.
11.3
Der Vickrey-Clarke-Groves Mechanismus
Nun wollen wir zeigen, dass die bisherigen Überlegungen auch von praktischer Relevanz sind.
Bei den bisherigen Mechanismen war immer davon ausgegangen worden, dass der Verkäufer, der
Prinzipal, wie er auch genannt wurde, sich an die Regeln des Mechanismus hält. Es bestehen
jedoch gerade bei der englischen und second-price sealed bid Auktion Anreize für den Verkäufer,
sich opportunistisch zu verhalten.
Als strategisches Verhalten bezeichnen wir das Verhalten, welches die private Information in
einer entsprechend den Regeln des Spiels zum eigenen Vorteil auszunutzen versteht. Es wäre
nicht sinnvoll, bei z.B. einem Autokauf gleich zu Beginn die maximale Zahlungsbereitschaft dem
Verkäufer kundzutun. Das gleiche gilt für den Reservationspreis des Verkäufers. Der Verkäufer
sollte nicht zu Beginn der Kaufverhandlungen seinen Mindestpreis bekannt geben. Dabei bezeichnet der Reservationspreis den minimalen Preis, zu dem der Verkäufer zu verkaufen bereit
ist.
Als opportunistisches Verhalten bezeichnen wir solches Verhalten, welche in moralisch unzulässiger Weise den eigenen Vorteil sucht. Jeder Mechanismus besteht aus Regeln. Es kann sich
lohnen, diese Regeln zu brechen. Bisher hatten wir uns vor allem Gedanken darüber gemacht,
was optimal ist für den Käufer. Der Verkäufer wurde als Regelgeber verstanden, der sich an die
aufgestellten Regeln hält, selbst wenn diese für ihn von Nachteil sein sollten.
Das Risiko des opportunistischen Verhaltens des Regelgebers ist jedoch nicht von der Hand zu
weisen. Wenn sich eine Abweichung von den Regeln lohnt, so wird der Verkäufer diese nutzen.
Insbesondere bei einer Auktion, bei der die Käufer eine wahrhafte Angabe ihrer Zahlungsbereitschaft aufgrund der Regeln machen, könnte es sich für den Verkäufer auszahlen, die somit
gewonnene Information zu nutzen, den Verkaufspreis bis zur Höhe der Wertschätzung des Bieters
mit der höchsten Wertschätzung anzuheben und dann an diesen zu verkaufen. Damit könnte der
Erlös (einer einmaligen Auktion) noch weiter gesteigert werden.
Dies wollen wir als opportunistisches Verhalten bezeichnen, wenn die vereinbarten Regeln gebrochen werden. Bei den hier behandelten Mechanismen besteht vor allem für den Verkäufer ein
Anreiz, die Regeln nach Erhalt der Gebote z.B. von einer second-price sealed bid Auktion zu
einer …rst-price sealed bid Auktion zu verändern oder gar zu behaupten, dass das zweithöchste
Gebot gerade so hoch gewesen sei, wie das des höchsten Bieters.
Dieser Anreiz des Verkäufers für ein opportunistisches Verhalten ist in der Regel bei jedem
Mechanismus, der zu einer wahrheitsgemäß
en O¤enbarung der eigenen Wertschätzung führt,
gegeben. Nur wenn die Regeln derart sind, dass es sich nicht lohnt, die Unwahrheit zu sagen,
werden Regeln befolgt z.B. bei wiederholten Transaktionen mit denselben Handelspartnern, kann
es sich für den Verkäufer lohnen, eine Reputation als zuverlässiger Verkäufer aufzubauen.
Von dem Staat, als dritter Instanz, ist zu erwarten, dass er sich an die selber verkündeten Regeln
hält. Es ist vielleicht von strategischem Verhalten eines Staates auszugehen, jedoch würde sich
opportunistisches Verhalten verbieten, angesichts des Wertes, den die Reputation für den Staat
hat: ohne Reputation kein Vertrauen (und keine Wählerstimmen).
Gehen wir in dem folgenden praktischen Beispiel also davon aus, dass der Staat oder eine andere
Organisation auftritt, der/die bestrebt ist die Wohlfahrt einer Gruppe von Agenten zu maximieren und in dieser Funktion als Prinzipal auftritt. Es soll um ein ö¤entliches Gut gehen. Oder
genauer gesagt, um ein Klubgut, d.h. ein ö¤entliches Gut für eine begrenzte Anzahl von
Nutzern.
Ein ö¤entliches Gut zeichnet sich dadurch aus, dass (zu akzeptablen Kosten) kein Ausschluss
von der Nutzung möglich ist und/oder keine Rivalität im Konsum besteht. Ein Extrembeispiel
93
für ein ö¤entliches Gut ist der Leuchtturm. Es kann kein Schi¤ (in der Nähe) davon ausgeschlossen werden, das Leuchtfeuer zu nutzen und die Nutzung verursacht keine zusätzlichen Kosten
(variable oder Grenzkosten).
Klubgüter hingegen zeichnen sich dadurch aus, dass das Ausschlussprinzip nicht gilt, aber
keine Rivalität im Konsum besteht, oder diese gering ist, wie bei sinkenden Grenzkosten.
Es besteht keine Rivalität im Konsum bedeutet, dass durch die Nutzung des Gutes durch
eine weitere Person keine Kosten entstehen. Damit ergibt sich der soziale oder gesellschaftliche
Wert des ö¤entliches Gutes aus der Summe der Zahlungsbereitschaften der Nutzer. Wenn die
Summe der Zahlungsbereitschaften der Nutzer höher sind als die Kosten der Erstellung des
ö¤entlichen Gutes, sollte dies Gut (durch den Staat) erstellt werden.
X
vi K
i
vi = Wertschätzung (Zahlungsbereitschaft) von Agenten i
K = Kosten der Bereitstellung des ö¤entlichen Gutes
Die Anzahl der Agenten N ist fest vorgegeben, wobei die Menge aller dieser Agenten entweder
N Elemente hat oder, wenn alle Agenten auß
er i, i 6= j , betrachtet werden, N 1 Elemente
hat.
Regeln:
jeder Agent äuß
ert Zahlungsbereitschaft, die von seiner wahren Wertschätzung vi abweichen kann.
das ö¤entliche Gut wird bereitgestellt, wenn
X
bi
K
i
bei ehrlicher Angabe, also genau dann, wenn es e¢ zient ist.
wird das ö¤entliche Gut bereitgestellt, muss jeder Agent der i = 1; :::N Agenten (i 2 I)
einen vorher bestimmten Beitrag zur Finanzierung leisten, bei gleichen Anteilen, also:
Bi =
K
jIj
wobei jIj die Anzahl der Agenten bezeichnet.
zusätzlich zu Bi haben die Agenten eine Steuer zu entrichten. Die Höhe der Steuer beträgt
für Agent j:
X
X
X
X
0, falls
bi
Bi = K und
bi
Bi
i2I
0, falls
i2I
X
bi <
i2I
X
Bi
X
bi
i2I
i2I
X
bi > 0 falls
i2I
X
i2I
Bi
i2I
i6=j
X
Bi und
X
bi
X
bi <
i2I
i2I
bi <
i2I
i6=j
i2I
0 falls
X
X
Bi und
X
Bi und
i2I
i2I
i2I
i6=j
X
Bi
i2I
i6=j
X
bi <
X
bi
i2I
i6=j
i2I
i6=j
X
Bi
X
Bi
i2I
i6=j
i2I
i6=j
Es stellt sich die Frage, ob das ö¤entliche Gut bereitgestellt werden soll. Dies kann nur geschehen,
wenn den Agenten ein Mechanismus angeboten wird, bei dem es eine dominante Strategie ist,
die Wahrheit über die eigene Zahlungsbereitschaft zu berichten. Die ersten beiden Fälle treten
ein, wenn der Agent j keine entscheidende Rolle spielt in der Entscheidung, ob das ö¤entliche
Gut angescha¤t werden soll oder nicht. Im ersten Fall würde das ö¤entliche Gut auch ohne
94
den Agenten j angescha¤t werden, im zweiten Fall wäre es nicht sinnvoll, wieder unabhängig
von Agent j, das Gut anzuscha¤en. In diesen beiden Fällen hat der Agent keinen Ein‡uss
auf die kollektive Entscheidung und erhält als ”Sonderabgabe” 0. Damit ist es eine dominante
Strategie für den Agenten, seine wahre Wertschätzung anzugeben. Die kollektive Entscheidung
ist unabhängig von seiner Gebotsabgabe.
Die letzen beiden Fälle bedürfen der näheren Betrachtung. In dieser beiden Fällen ist der Agent
j entscheidend für die kollektive Entscheidung. Entweder würde das ö¤entliche Gut mit dem
Agenten sehr wohl mit ihm, aber nicht ohne ihn angescha¤t werden, oder mit dem Agenten j
nicht mit ihm, aber sehr wohl ohne ihn angescha¤t werden.
In diesen beiden Fällen ist der Agent j entscheidend für die kollektive Entscheidung. Auch hier
ist es wieder eine dominante Strategie, die wahre Wertschätzung anzugeben, weil der Agent j in
Abhängigkeit von seinem Gebot, die mit diesem verbundenen Konsequenzen für das Kollektiv
tragen muss und damit direkt davon betro¤en ist.
Ein Agent wird, wenn er der entscheidende Agent sein sollte, mit den kollektiven Konsequenzen
seines Gebotes konfrontiert. Es lohnt sich in diesem Fall, sich ehrenhaft zu verhalten und die
Wahrheit zu sagen.
Aufgaben
1. Zeigen Sie, dass die in dem Standardmodell unterstellte Nutzenfunktion ui = (vi p)
P rob(Objekt zu erhalten) + 0 P rob(Objekt nicht zu erhalten), wobei P rob(Objekt zu
erhalten) = 1 P rob(Objekt nicht zu erhalten), von einem konstanten Grenznutzen des
Einkommens und damit von Risikoneutralität ausgeht. Bilden Sie hierfür die erste Ableitung der Nutzenfunktion nach dem Preis und interpretieren Sie den Preis als Einkommensverlust.
2. Zeigen Sie, dass in dem Standardmodell auch für N Bieter das Revenue Equivalence Theorem gilt. Benutzen Sie für Ihre Argumentation die Ergebnisse im Text.
3. Welche Regeln könnte der Verkäufer im Fall der holländischen und …rst-price sealed bid
Auktion einführen, damit auch hier ein Anreiz für die Bieter entsteht, die wahre Wertschätzung zu bieten? Machen Sie sich Ihre eigenen Gedanken und argumentieren Sie anhand
des Standardmodells.
4. Bei einer Versteigerung mehrerer homogener Produkte ist ein Trend der Preise nach unten
zu erwarten. Nennen Sie die Gründe, warum dieser negative Preistrend zu erwarten ist.
Dann überlegen Sie sich bitte Gründe, die dazu führen, dass dieser Trend begrenzt oder
sogar gebrochen wird. Erweitern Sie das Standardmodell mit zusätzlichen Variablen, um
den Trend zu begrenzen bzw. zu brechen. Welches Verhalten der Bieter ist zu unterstellen,
um einen positiven Trend der Preise im Verlauf einer Auktion zu erklären?
5. Zeigen Sie durch Ausprobieren (d.h. Einsetzen von verschiedenen Werten), dass der optimale Mindestpreis des Verkäufers bei einer Gleichverteilung zwischen 0 und 1 genau bei
1/2 liegt. Beginnen Sie zuerst nur mit einem Bieter. Gilt dies auch für zwei Bieter und
mehr?
6. Warum ist jede Auktionsform, bei der der Bieter mit der höchsten Wertschätzung das
Objekt erhält, auch damit gleichzeitig e¢ zient im Sinne des Kompensationskriteriums?
Kann es vorkommen, dass eine ökonomisch e¢ ziente Auktion nicht optimal für den Verkäufer ist? Kann es vorkommen, dass eine für den Verkäufer optimale Auktionsform nicht
ökonomisch e¢ zient ist? Gilt dies auch in den jeweiligen Gleichgewichten?
7. Erweitern Sie das Beispiel des Käufers und Verkäufers mit wahren Werten, die aus einer
Gleichverteilung zwischen 0 und 1 gezogen werden, indem Sie eine dritte Verhandlungsregel
einführen. Laut dieser Regel soll immer dann, wenn der angegebene Wert des Käufers über
dem des Verkäufers liegt, ein Handel zu einem Preis statt…nden, der genau in der Mitte
zwischen diesen beiden Werten liegt. Leiten Sie die optimalen Strategien für die Angabe
des Käufers und des Verkäufers her. Berechnen Sie, in wieviel Prozent der Fälle ein Handel
statt…ndet und vergleichen Sie dies mit den bisherigen Ergebnissen.
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