Physikpraktikum im Modul Physik I für Studierende

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Physikpraktikum im Modul Physik I für
Studierende der Umweltwissenschaften
(Basispraktikum)
Das griechische Alphabet
Name
Alpha
Beta
Gamma
Delta
Epsilon
Zeta
Eta
Theta
Iota
Kappa
Lambda
My
Ny
Xi
Omikron
Pi
Rho
Sigma
Tau
Ypsilon
Phi
Chi
Psi
Omega
Minuskel
α
β
γ
δ
ε
ζ
η
θ
ι
κ
λ
µ
ν
ξ
o
π
ρ
σ
τ
υ
ϕ
χ
ψ
ω
Majuskel
A
B
Γ
∆
E
Z
H
Θ
I
K
Λ
M
N
Ξ
O
Π
P
Σ
T
Y
Φ
X
Ψ
Ω
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Fakultät V, Institut für Physik, D-26111 Oldenburg
Tel.: 0441-798-3153
Internet: http://physikpraktika.uni-oldenburg.de
[email protected]
April 2016
Abbildungen auf dem Titelblatt:
Oben: KARMANsche Wirbelströmung hinter einem Zylinder von ca. 6 mm Durchmesser. Das Foto zeigt eine Fläche
von ca. 2,5 cm × 7 cm.
©: AG Angewandte Optik, Institut für Physik, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Mitte: KARMANsche Wolkenstrasse hinter der JAN MAYEN Insel (Norwegen), hervorgerufen durch den ca. 2,2 km
hohen Vulkan BEERENBERG im Zentrum der Insel. Das Foto zeigt eine Fläche von ca. 365 km × 158 km.
©: NASA; http://photojournal.jpl.nasa.gov/tiff/PIA03448.tif
Unten: Strömungswirbel in der Atmosphäre des Planeten Jupiter in der Umgebung des Großen Roten Flecks. Vor
dem Jupiter sein Mond Io (Durchmesser 3.643 km), der seinen Schatten auf die Oberfläche des Planeten
wirft.
©: NASA; http://ppj-web-3.jpl.nasa.gov/jpegMod/PIA02860_modest.jpg
1
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Praktikum im Modul Physik I für Studierende der Umweltwissenschaften
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1
Reihenfolge der Versuche
2
Allgemeine Hinweise zum Basispraktikum Physik und zur Protokollführung
3
Zum Aufbau elektrischer Schaltungen und zum Umgang mit
Netzgeräten, Vielfachmessgeräten und Funktionsgeneratoren
12
Mechanische Messwerkzeuge
24
Einsatz der Computer im Basispraktikum Physik
26
Fehler- und Ausgleichsrechnung
40
Oszilloskop und Funktionsgenerator
63
Sensoren für Kraft, Druck, Abstand, Winkel und Lichtintensität
80
Kraft, Impuls und Kraftstoß
97
Viskosität und Reynoldszahlen
108
Oberflächenspannung, Minimalflächen und Kaffeeflecken
124
Geometrische Optik, optische Abbildung und Aberrationen
137
Fourieranalyse
156
Messung von Magnetfeldern
168
2
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Praktikum im Modul Physik I für Studierende der Umweltwissenschaften
Reihenfolge der Versuche
Termin
KW Anmerkungen
Praktikum
1
Thema
14
SE: Vorbesprechung, Platzvergabe, Skriptausgabe
15
Hinweise zum Praktikum, zur Protokollführung, zum Aufbau
elektrischer Schaltungen und zum Einsatz des Computers.
Übungsaufgaben zu Origin und Matlab
16
2
17
Maifeiertag
So 01.05.16
Oszilloskop und Funktionsgenerator
18
Himmelfahrt
Do 05.05.16
SE: Fehler- und Ausgleichsrechnung
3
19
4
20
Sensoren für Kraft, Druck, Abstand, Winkel und Lichtintensität
Pfingstmontag
Mo 16.05.16
Kraft, Impuls und Kraftstoß
21
5
22
Viskosität und Reynoldszahlen
6
23
Oberflächenspannung, Minimalflächen und Kaffeeflecken
7
24
Geometrische Optik, optische Abbildung und Aberrationen
25
8
26
Fourieranalyse
9
27
Messung von Magnetfeldern
Zu einer am Informationsbrett des Praktikums mitgeteilten Zeit wird ein Open Lab angeboten. Während
dieser Zeit sind die Praktikumsräume geöffnet und die Geräte des Praktikums stehen zur Verfügung. Damit
soll den Studierenden die Möglichkeit geboten werden, experimentelle Fähigkeiten eigenständig zu
vertiefen und zu verbessern. Die Betreuung im Open Lab übernehmen abwechselnd TutorInnen zusammen
mit der Technischen Assistenz.
3
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Praktikum im Modul Physik I für Studierende der Umweltwissenschaften
Allgemeine Hinweise zum Praktikum im Modul Physik I
für Studierende der Umweltwissenschaften (Basispraktikum)
und zur Protokollführung
1
Zur Bedeutung, Planung und Durchführung physikalischer Experimente
Am 23. März 1989 erregte eine Nachricht aus den USA großes Aufsehen in der naturwissenschaftlichen
Öffentlichkeit: zwei international anerkannte Wissenschaftler aus dem Bereich der Physikalischen Chemie
an der Universität von Utah waren mit der Erklärung vor die Weltpresse getreten, ihnen sei die „kalte
Kernfusion“ im Reagenzglas gelungen. Was andere Labore auf der Welt trotz Milliardenaufwandes bis
dahin nicht erreicht hatten, die kontrollierte Atomkernverschmelzung mit dem Ziel der Energieerzeugung,
sollte nun mit Mitteln möglich gewesen sein, die jedem kleinen Labor zur Verfügung stehen.
Rund um den Globus setzten umgehend fieberhafte Aktivitäten ein mit dem Ziel, das beschriebene Experiment nachzumachen. Die beteiligten Wissenschaftler/innen nutzten die internationalen Computernetze,
um ihre Messergebnisse auszutauschen, zugehörige theoretische Überlegungen zu diskutieren, zu spekulieren, den Quellen vieler Gerüchte nachzugehen und - leider auch - selber neue Gerüchte in die Welt zu
setzen.
Nach einigen Wochen war sich die internationale Fachwelt einig: die Ergebnisse des Reagenzglas-Experiments waren nicht reproduzierbar. Damit war das gesamte Experiment wertlos und mit ihm auch die
theoretischen Überlegungen, die die beiden Amerikaner zur Deutung ihrer Messergebnisse angestellt
hatten.
Das geschilderte Beispiel soll die elementarste Anforderung an physikalische Experimente deutlich machen:
Die Ergebnisse eines Experiments haben nur dann wissenschaftliche Bedeutung, wenn eine Wiederholung
des Experiments unter gleichen Bedingungen überall auf der Welt zum gleichen Resultat führt.
Damit ein Experiment diesem Anspruch genügt, muss zunächst der Gegenstand des Experiments, d.h. die
dem Experiment zugrunde liegende Fragestellung, klar und eindeutig beschrieben werden. Bei einigen
Experimenten geht es darum zu klären, ob eine Theorie (z.B. die der „kalten Fusion“ oder der Existenz von
Gravitationswellen) richtig oder falsch ist. Andere Experimente sollen dazu dienen, den algebraischen
Zusammenhang zwischen physikalischen Größen quantitativ zu erfassen (z.B. Galileis Versuche zur
Bestimmung des Zusammenhanges zwischen Weg und Zeit beim freien Fall) oder Zahlenwerte für
physikalische Größen zu ermitteln (z.B. Bestimmung der Masse eines Moleküls mit einem Massenspektrometer).
Nach erfolgter Formulierung der Fragestellung ist eine sorgfältige Planung der Durchführung des Experiments erforderlich. Dazu gehört vor allem die Konzeption eines systematischen Versuchsablaufs, die
Auswahl geeigneter Messinstrumente und das Kennenlernen des Verhaltens dieser Instrumente unter den
geplanten experimentellen Bedingungen. 1 Anschließend folgt der Aufbau des Experiments, die präzise
Beschreibung der Versuchsanordnung, die Durchführung der Messungen und die Aufzeichnung der
Messdaten sowie der Umgebungsparameter, die die Messergebnisse beeinflussen können. Dabei müssen
1
Hier haben übrigens die beiden Amerikaner die nötige Sorgfalt fehlen lassen - mit dem Ergebnis, dass sie
gemessene Effekte fälschlicherweise dem Einfluss von Neutronen zugeschrieben haben, die tatsächlich durch eine
Erwärmung des Untersuchungsobjektes verursacht worden waren.
4
systematische Fehlerquellen nach bestem Wissen ausgeschlossen und die zufälligen Messfehler quantitativ
erfasst werden (siehe Anleitung „Fehler- und Ausgleichsrechnung“).
Die quantitative Auswertung eines unter solchen Bedingungen durchgeführten Experimentes sollte schließlich eine eindeutige und reproduzierbare Antwort auf die Eingangsfrage geben. Ist das Ergebnis dagegen
nicht eindeutig und nicht reproduzierbar, so müssen alle Schritte von der Fragestellung bis zur Auswertung
noch einmal überprüft werden. Irgendwo wird ein Fehler vorliegen, der beseitigt werden muss. So kann
z.B. ein falsches Messgerät gewählt worden sein, dessen Messgenauigkeit oder Messbereich für den
erwarteten Effekt gar nicht ausgelegt ist. Oder es hat sich trotz aller Sorgfalt ein systematischer Fehler bei
der Messwertaufzeichnung eingeschlichen. Oder es wurde versucht, einen gar nicht existenten
Zusammenhang zwischen zwei physikalischen Größen quantitativ zu ermitteln. Ein solches Experiment
wird immer zufällig verteilte Ergebnisse liefern. Oder...
2
Die Lernziele im Basispraktikum
Um Experimente in der beschriebenen Weise planen, durchführen und auswerten zu können, bedarf es
einiger Erfahrung, die in den verschiedenen aufeinander aufbauenden Praktika im Laufe des Studiums
gewonnen werden soll. Dem Basispraktikum kommt dabei die Aufgabe zu, erste Grundlagen des Experimentierens zu vermitteln und zu üben. Nach erfolgreicher Teilnahme am Basispraktikum sollen die
Studierenden mit den Grundprinzipien des Experimentierens vertraut sein, also
- wissen, wie mit einem Experiment der quantitative Zusammenhang zwischen physikalischen Größen
bestimmt oder der Zahlenwert für eine physikalische Größe ermittelt werden kann,
- ein entsprechendes Experiment beschreiben, planen und durchführen können,
- den Unterschied zwischen direkten und indirekten Messverfahren kennen,
- gängige Messverfahren sowie Funktion, Gebrauch, Verhalten und Genauigkeit wesentlicher Messgeräte
kennen,
- Messgeräte überprüfen, justieren und kalibrieren können,
- mit den Grundprinzipien computerunterstützter Messdatenerfassung vertraut sein,
- Messergebnisse sinnvoll darstellen, auswerten, interpretieren und kritisch bewerten können,
- Messunsicherheiten angeben können und mit den Grundlagen der Fehlerrechnung vertraut sein,
- Verfahren zur Anpassung von Ausgleichskurven (Fitkurven) an Messdaten kennen,
- ein Protokoll über die Durchführung eines Experiments führen können,
- die Ergebnisse eines Experiments in einem Vortrag präsentieren können.
Darüber hinaus sollen die Studierenden im Praktikum über den Vorlesungsstoff hinaus weitere physikalische Phänomene, Gesetzmäßigkeiten und Methoden kennen lernen, für deren Behandlung in der Vorlesung
kein Platz ist. Sie müssen sich also gelegentlich im Rahmen der Praktikumsvorbereitung mit Inhalten
auseinandersetzen, die in der Vorlesung bis dahin weder behandelt wurden noch behandelt werden. Deshalb
sind die Versuchsanleitungen so gehalten, dass sie mit den üblichen mathematischen und physikalischen
Vorkenntnissen der Studierenden in den ersten beiden Semestern verstanden werden können. Wem der
Anleitungstext an einigen Stellen zu abstrakt bleibt, dem sind möglicherweise Fotos der Versuchsaufbauten
bei der Vorbereitung der Praktika eine Hilfe. Sie finden sich auf den Internetseiten des Basispraktikums 2.
Bei gemeinsamen Themen von Vorlesung und Praktikum wird versucht, beide Veranstaltungen soweit wie
möglich zeitlich aufeinander abzustimmen.
3
Durchführung des Praktikums
3.1
Gruppenarbeit
Zu Beginn des Semesters bilden die Studierenden Zweiergruppen (Teams), die bis zum Semesterende
bestehen bleiben. Innerhalb der Teams muss eine gemeinsame Vorbereitung auf das Praktikum stattfinden,
gefolgt von einer gemeinsamen Durchführung der Versuche, einer gemeinsamen Auswertung der
2
http://www.uni-oldenburg.de/physik/lehre/praktika/uwi/basis/
5
Messergebnisse und einer gemeinsamen Protokollierung. Für jeden Teil des Protokolls sind beide Studierende verantwortlich.
3.2
Versuchsvorbereitung
Die Vorbereitung auf einen Versuch muss vor dem Praktikumstermin anhand der Versuchsanleitung und
durch Teilnahme am Begleitseminar geschehen. Die Versuchsanleitungen werden zu Beginn des Semesters
ausgehändigt. Sie stehen darüber hinaus als PDF-Dateien auf den Internetseiten des Praktikums zur
Verfügung. Es genügt möglicherweise nicht immer, nur die Anleitung durchzulesen. Insbesondere bei
ernsthaften Verständnisproblemen muss auch die angegebene Literatur sowie die Vorlesungsmitschrift zur
Vorbereitung mit herangezogen werden.
Ohne gründliche Vorbereitung ist eine Durchführung der Versuche weder sinnvoll noch möglich.
In den Praktikumsräumen steht ein Bücherschrank mit einer Büchersammlung zur Nutzung durch die
Studierenden vor Ort zur Verfügung. Die Bücher werden grundsätzlich nicht ausgeliehen. Sie können während der Öffnungszeiten der Praktikumsräume jedoch jederzeit benutzt werden. Die Sammlung enthält
neben der in den Anleitungen angegebenen Literatur weitere Lehrbücher, Formelsammlungen und Tabellenwerke, die für die Auswertung der Versuche hilfreich sind.
Eine gründliche Versuchsvorbereitung schließt die Vorbereitung von Tabellen mit ein, in die während des
Praktikums die Messergebnisse mit dokumentenechtem Stift eingetragen werden.
Die vorbereiteten Messwerttabellen werden zu Beginn des Praktikums von den BetreuerInnen abgestempelt und müssen später dem Protokoll beigefügt werden. 3
Mit der Vorbereitung von Tabellen wird vor allem erreicht, dass man sich bereits vor Beginn der Experimente klar macht, welche Messreihen durchzuführen sind und welche Messgrößen für die Auswertung der
Experimente zusätzlich benötigt werden. Außerdem wird bei vorbereiteten Messwerttabellen von
vornherein vermieden, dass Messergebnisse während des Versuchs zunächst auf Schmierzetteln notiert
werden, um anschließend ins „Reine“ übertragen zu werden. Ein solches Vorgehen ist erstens unökonomisch, schafft zweitens die Gefahr von Übertragungsfehlern und führt möglicherweise auch zur Versuchung, Messdaten nachträglich zu „bereinigen“.
Ökonomisches Arbeiten bei der Vorbereitung, der Durchführung und der Auswertung der Praktikumsversuche setzt auch voraus, dass die Studierenden über folgende Hilfsmittel verfügen:
Versuchsanleitung, Lehrbuch, mathematische Formelsammlung, Taschenrechner mit technisch-wissenschaftlichen Funktionen, Zugang zu Computern (ist für alle Studierenden im Basispraktikum und im
CIP-Raum des Instituts für Physik gewährleistet).
3.3
Versuchsdurchführung
Während der Versuchsdurchführung müssen die Messergebnisse direkt in die vorbereiteten Messwerttabellen eingetragen werden. Die Ablesegenauigkeit der Messgeräte muss für die später zu erfolgende Fehleranalyse ebenfalls notiert werden. Schließlich müssen all die Gerätespezifikationen und sonstigen Parameter (z. B. Umgebungstemperatur) notiert werden, die für eine vollständige Versuchsdokumentation und
-auswertung im Protokoll erforderlich sind.
Der Umfang der Versuche wurde so gewählt, dass auch die Studierenden, die bereits experimentelle
Erfahrungen mitbringen, nicht schon nach der Hälfte der vorgesehenen Zeit mit ihren Experimenten fertig
3
Für die Versuche zum Oszilloskop und zur Fourieranalyse müssen keine Messwerttabellen vorbereitet werden.
Für Versuchsteile, in denen Messdaten direkt in Origin-Tabellen eingetragen werden sollen, sind ebenfalls
keine Tabellen erforderlich.
6
sind. Das kann zur Folge haben, dass Studierende ohne jegliche experimentelle Erfahrung, insbesondere
während der ersten Versuchstermine, aus zeitlichen Gründen nicht immer alle Versuchsteile werden
durchführen können. In diesen Fällen gilt:
Bei Zeitknappheit lieber einiges gründlich, als alles oberflächlich durchführen!
Nutzen Sie das Open Lab, um Ihre experimentellen Fähigkeiten eigenständig zu vertiefen!
4
Protokollführung
4.1
Bedeutung des Protokolls
Das Versuchsprotokoll hat die Aufgabe, das gesamte Experiment von der Fragestellung über die Durchführung bis hin zur Auswertung dokumentarisch festzuhalten. Es muss hinsichtlich Inhalt und Form eine
Einheit bilden. Es muss von einer fremden, mit der Materie insgesamt vertrauten Person gelesen und
verstanden werden können und es muss diese Person prinzipiell in die Lage versetzen, ohne Einholen
zusätzlicher Informationen das gleiche Experiment mit den gleichen Geräten jederzeit nachmachen zu
können.
Protokolle werden nicht nur als „lästige Pflicht“ im Rahmen von Praktika geführt. Das Führen und Archivieren eines Protokollbuchs gehört vielmehr unabdingbar zum Alltag des wissenschaftlichen Arbeitens. Im
Zweifelsfall muss ein Protokollbuch als Beleg für erzielte Messergebnisse dienen. Die Fälschungsskandale
in der Wissenschaft aus der Vergangenheit, z.B. der Fall des Physikers JAN HENDRIK SCHÖN aus dem Jahre
2002 4, haben Wissenschaftsorganisationen wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) dazu
veranlasst, nochmals mit Nachdruck an die Verpflichtung zur Führung von Protokollbüchern und deren
Bedeutung zu erinnern 5.
4.2
Inhalt und Aufbau eines Protokolls
Ein Praktikumsprotokoll muss
o
o
o
in übersichtlicher Gliederung,
mit nummerierten Kapitelüberschriften,
auf nummerierten Seiten enthalten:
1.
2.
3.
4.
Namen, Praktikumsgruppe und Datum der Versuchsdurchführung.
Titel des Versuchs.
Ein Inhaltsverzeichnis ist nicht erforderlich.
Kurze Darstellung des Versuchsgegenstandes in einer Einleitung: was ist Ziel des Versuches, was soll
gemessen werden? Dieser Teil des Protokolls sollte nicht länger als ¼ Seite sein.
Daran anschließend folgt für jeden Versuchsteil eine Protokollierung gemäß der Punkte 5 - 10:
5.
6.
4
5
Eine kurze Nennung der Aufgabenstellung und Beschreibung der Versuchsdurchführung mit einer
Darstellung des Versuchsaufbaus in Form einer Prinzipskizze mit kurzer Erläuterung. Skizzen können
z. B. auch aus der Versuchsanleitung oder aus anderen Quellen übernommen werden. In diesem Fall
muss die Quelle korrekt zitiert werden, s. Kap. 4.3. Skizzen werden wie andere Grafiken nummeriert
und beschriftet (siehe Punkt 8). Beispiel:
„Abb. xx: Anordnung zur Messung der Oberflächenspannung mit der Blasendruckmethode.“
Bei Bedarf Dokumentation derjenigen äußeren Versuchsbedingungen, die die Versuchsergebnisse
beeinflussen können (z.B. Temperatur bei den Versuchen zur Oberflächenspannung und Viskosität)
sowie Dokumentation möglicher Fehlerquellen (z.B. Ablesegenauigkeit von Messgeräten).
Siehe z.B. S. Jorda, PHYSIK JOURNAL 1.11 (2002) 7-8.
DFG: Vorschläge zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis, Bonn, 1998.
7
7.
Tabellarische Darstellung der Ergebnisse von Messreihen. Bei der Spalten- bzw. Zeilenbeschriftung
muss die Form „physikalische Größe / Einheit der Größe“ gewählt werden, also z.B. „U / V“ für eine
Spannung, „I / A“ für einen Strom, „t / s“ für die Zeit usw. Zur Begründung für diese Notation siehe
Kap. 4.3, Punkt 1. Tabellen müssen innerhalb des Protokolls fortlaufend nummeriert und mit kurzen
erläuternden Beschriftungen versehen werden, aus denen hervorgeht, was in der Tabelle dargestellt ist.
Hier ein Beispiel:
d/m
± 10-3 m
0,050
0,045
0,040
0,035
0,030
0,025
0,020
Tab. xx:
I / mA
± 10-1 mA
14,8
14,2
13,4
12,6
11,8
10,8
9,8
Spannung U und Strom I als Funktion der Eintauchtiefe d von Kupferelektroden in einen
Elektrolyten.
Zu jeder Tabelle muss ein Verweis im laufenden Text erfolgen, z.B. in der Form: „Die Messdaten
finden sich in Tab. xx“.
Grafische Darstellung der Ergebnisse von Messreihen. Jede Grafik muss neben einer fortlaufenden
Nummer eine kurze erläuternde Beschriftung enthalten, aus der hervorgeht, was in der Grafik dargestellt ist. Die unabhängige Variable, d.h. die vorgegebene Größe (d in der o. a. Mustertabelle), wird auf
der Abszisse dargestellt, die abhängige Größe auf der Ordinate. Die Skaleneinteilung und die Lage der
Achsen-Nullpunkte muss so gewählt werden, dass der interessierende Kurvenverlauf gut zu erkennen
ist. Die Koordinatenachsen müssen vollständig beschriftet sein. Bei der Achsenbeschriftung gilt das
Gleiche wie bei der Spalten- und Zeilenbeschriftung von Tabellen: sie muss in der Form "physikalische
Größe / Einheit der Größe" erfolgen. Falls gefordert, müssen Ausgleichskurven und / oder Fehlerbalken
eingezeichnet sein. Auch hierzu ein Beispiel:
220
220
200
200
180
180
R/Ω
R/Ω
8.
U/V
± 10-2 V
1,74
1,77
1,81
1,85
1,89
1,94
2,01
160
140
120
120
0,03
0,04
d/m
Abb. xx:
160
140
0,02
0,05
Messdaten
Ausgleichsgerade
20
30
40
50
d -1 / m-1
Ohmscher Widerstand R eines Elektrolyten als Funktion der Elektroden-Eintauchtiefe d.
Links R über d, rechts linearisierte Darstellung R über 1/d.
Die Abstände zwischen den Werten der unabhängigen Variablen müssen so gewählt sein, dass der
Verlauf der Messwerte der abhängigen Variablen gut zu erkennen ist. Sie sollen also dort besonders
dicht liegen, wo sich im Diagramm „etwas tut“. Das folgende Beispiel der Amplitudenresonanzkurve
eines gedämpften harmonischen Oszillators verdeutlicht dies. In der Umgebung der Eigenkreisfrequenz von ω 0 ≈ 4,5 Hz wurden die Abstände der unabhängigen Variablen ω 1 deutlich kleiner gewählt
als außerhalb dieses Bereichs, so dass der Verlauf der Amplitude x 0 in der Umgebung von ω 0 gut zu
erkennen ist:
8
x0 / m
0,2
0,1
0,0
0
5
10
ω1 / Hz
15
Abb. xx: Amplitudenresonanzkurve eines gedämpften harmonischen Oszillators.
Die Messpunkte dürfen in der Regel nicht miteinander verbunden werden. Eine gerade Verbindung
würde z.B. einen linearen Zusammenhang zwischen den dargestellten Größen in dem von zwei
Messwerten begrenzten Bereich suggerieren. Sollte eine Verbindung nötig sein, um den Verlauf der
Messwerte besser erkennen zu können, muss die Verbindungslinie an den Messwerten mit sichtbarer
Lücke unterteilt werden:
220
200
R/Ω
180
160
140
120
0,02
0,03
0,04
0,05
d/m
Abb. xx: Ohmscher Widerstand R eines Elektrolyten als Funktion der Elektroden-Eintauchtiefe d.
Zu jeder Grafik muss ein Verweis im laufenden Text erfolgen, z.B. in der Form: „Abb. xx zeigt die
grafische Darstellung der Messdaten“.
9. Berechnung von Zahlenwerten für die zu messenden Größen. Für jeden Zahlenwert muss der Fehler
(die Messunsicherheit) angegeben werden, der entweder berechnet oder sinnvoll abgeschätzt wird.
Einzelheiten dazu und zur Rundung von berechneten Zahlenwerten finden sich in der Anleitung zur
„Fehler- und Ausgleichsrechnung“.
10. Interpretation und Bewertung der Versuchsergebnisse anhand eines Vergleichs mit den nach der
Theorie erwarteten Ergebnissen bzw. mit Literaturwerten. Dabei ist eine realistische und kritische
Bewertung der eigenen Messergebnisse deutlich wichtiger als ein möglichst genaues Treffen eines
Zielwertes oder eine möglichst genaue Reproduktion von Literaturwerten.
Auf eine Auflistung der benutzten Geräte kann verzichtet werden, da sie in der Anleitung unter „Zubehör“
bei den jeweiligen Versuchen aufgeführt sind. Es reicht daher ein entsprechender Verweis.
4.3
Regeln bei der Abfassung von Protokollen
Bei der Abfassung des Protokolls muss man sich von vornherein daran gewöhnen, bestimmte Normen und
Gepflogenheiten einzuhalten (siehe z.B. /10/), wie sie später im Studium auch für die Erstellung von
Examensarbeiten oder anderen wissenschaftlichen Texten üblich sind:
9
1.
Eine physikalische Größe G wird als Produkt aus Zahlenwert {G} mal Einheit [G] dieser Größe
angegeben, also
(1)
G = {G} × [G]
Beispiel: eine elektrische Spannung U hat einen Wert von 5 V, es ist also U = 5 V, mit {U} = 5 und
[U] = V.
2.
Wegen der in Gl. (1) festgelegten Notation werden Tabellenspalten und –zeilen sowie die Achsen von
Grafiken in der Form „G / [G]“ beschriftet, also z.B. „U / V“, „d / m“ usw. Der Quotient G / [G] ergibt
nämlich gerade den Zahlenwert {G}, der in die Tabelle eingetragen oder an die Teilstriche der Achse
geschrieben wird, wie z.B. 5 10 15 20 usw. Angaben der Art „U [V]“ oder „d [m]“ sind formal
falsch! 6
Als Einheit [G] einer physikalischen Größe G muss immer die durch das Internationale Einheitensystem (SI: Système Internationale d'Unités) vorgegebene Einheit verwendet werden /10/. Neben den
sieben SI-Basiseinheiten für die Länge (Meter, m), die Masse (Kilogramm, kg), die Zeit (Sekunde, s),
die Stromstärke (Ampere, A), die Temperatur (Kelvin, K), die Stoffmenge (Mol, mol) und die Lichtstärke (Candela, cd) gibt es abgeleitete SI-Einheiten, die sich immer als Produkt der Basiseinheiten
darstellen lassen, also
[G ] = m a kgb sc A d K e mol f
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
6
7
cd g
mit den zu bestimmenden Exponenten a, b, c, d, e, f und g. Für viele abgeleitete Einheiten sind eigene
Namen gebräuchlich, wie z.B. das Pascal (Pa) für den Druck (Pa = kg m-1 s-2), das Volt (V) für die
elektrische Spannung (V = kg m2 s-3 A-1) oder das Hertz (Hz) für die Frequenz (Hz = s-1). Die in
Deutschland gesetzlich zugelassenen Namen abgeleiteter Einheiten finden sich in /11/.
Für die meisten physikalischen Größen gibt es etablierte Symbole bzw. Formelzeichen (z.B. F für die
Kraft, ω für die Kreisfrequenz, U für die elektrische Spannung usw.), von denen man nicht ohne
wichtigen Grund abweichen sollte. Eine Liste dieser Symbole enthält /7/.
Die Symbole physikalischer Größen, also z.B. F, ω und U werden kursiv gesetzt, die zugehörigen
Einheiten, im Beispiel N, Hz und V, dagegen gerade. Man schreibt also z.B. F / N, ω / Hz und U / V.
Zwischen den Zahlenwert der physikalischen Größe und die Einheit wird ein Leerzeichen gesetzt, also
z.B. F = 1,5 N oder U = 5 V.
Im Text verwendete Symbole physikalischer Größen müssen grundsätzlich definiert werden. Es muss
also z. B. heißen: „...das elektrische Feld E ist durch die Spannung U und den Abstand d gegeben; es
gilt: E = U/d “.
Bei der Anfertigung von Schaltskizzen sollte man sich an die Vorgaben des Deutschen Instituts für
Normen (DIN) halten, die auch in den Versuchsanleitungen angewendet werden. Kopien der entsprechenden DIN-Normen 7 befinden sich im Bücherschrank.
Für eine Reihe von Berechnungen benötigt man die Zahlenwerte physikalischer Konstanten. Derzeitige
Bestwerte dieser Konstanten findet man in /9/, eine Auswahl davon auf der hinteren Umschlagseite
dieses Skriptes.
Zu jeder Tabelle und jeder Abbildung muss es einen Hinweis im laufenden Text des Protokolls geben
(siehe Hinweise unter Punkt 7 und 8 in Kap. 4.2). Beispiele: „Den prinzipiellen Versuchsaufbau zeigt
Abb. 2“ oder „Die Messwerte sind in Tab. 3 aufgelistet und in Abb. 6 grafisch dargestellt“.
Werden Grafiken, Tabellen oder Textpassagen aus fremden Quellen (einschließlich Internetseiten!) in
das Protokoll übernommen, so muss die Quelle korrekt zitiert werden. Wird beispielsweise eine
Abbildung aus dem Skript zum Modul Basispraktikum Physik, Teil I übernommen, muss am Ende der
Abbildungsbeschriftung der Hinweis „(aus /1/)“ erfolgen. Am Ende des Protokolls wird dann angefügt:
In Fachzeitschriften werden z.T. andere Arten der Beschriftung verlangt. Leider sind die Regeln nicht einheitlich.
So wird z.B. in NATURE, PHYSICAL REVIEW LETTERS und im PHYSIK JOURNAL jeweils eine andere Notation
verwendet.
Z.B. DIN EN 60617: „Grafische Symbole für Schaltpläne“; siehe auch Text „Zum Aufbau elektrischer
Schaltungen…“.in diesem Skript.
10
Literatur
/1/ Skript zum Praktikum im Modul Physik I für Studierende der Umweltwissenschaften (Basispraktikum), CvO Universität Oldenburg, Institut für Physik, April 2016
Bei Verwendung von Quellen aus dem Internet muss die Internetadresse in Form der URL (Uniform
Resource Locator) und das Datum der Seitenabfrage angegeben werden8, also z.B.:
/2/ Physikalisch Technische Bundesanstalt (PTB): „Fragen zur Zeit“, URL:
http://www.ptb.de/cms/themenrundgaenge/wegweiser/fragenzurzeit.html, Stand: 24.09.2014
Protokolle, die Grafiken, Tabellen oder Textpassagen aus fremden Quellen enthalten, ohne dass die
Quellen zitiert werden, sind Fälschungen und werden und werden als solche gewertet. In diesem Zusammenhang wird nachdrücklich auf die Publikation „Gute wissenschaftliche Praxis“ der Carl von Ossietzky
Universität Oldenburg hingewiesen 9 sowie auf einen Artikel in der ZEIT 10.
Beim Einsatz von Textverarbeitungssoftware für die Erstellung eines Protokolls gilt als oberster Grundsatz:
ein Protokoll lebt in erster Linie von seinem Inhalt und seiner Struktur und nicht von seiner äußeren Form.
Man sollte sich daher gut überlegen, ob man die Zeit, die z.B. für das Schreiben von Formeln mit einem
Computer benötigt wird, nicht sinnvoller einsetzen kann. Handschriftliche Protokolle oder mit Hand
eingesetzte Formeln sind, solange sie lesbar bleiben, völlig ausreichend.
Zu guter Letzt noch eine eiserne Regel zum Thema Protokolle:
Der jeweils nächste Versuch kann erst durchgeführt werden, wenn das Protokoll vom vorherigen Versuch
abgegeben wurde.
5
Literatur
Jede Versuchsanleitung enthält eine eigene Literaturliste, in der die Bücher aufgelistet sind, die für die
Vorbereitung auf die einzelnen Versuche besonders nützlich sind. Zum generellen Gebrauch im Praktikum
sind
folgende
Bücher
empfehlenswert
(siehe
auch
http://www.uni11
oldenburg.de/physik/lehre/praktika/literatur/ ) :
/1/ Eichler, H. J., Kronfeldt, H.-D., Sahm, J.: „Das Neue Physikalische Grundpraktikum“, SpringerVerlag, Berlin u.a.
/2/ Geschke, D. [Hrsg.]: „Physikalisches Praktikum“, Teubner-Verlag, Stuttgart u.a.
/3/ Walcher, W.: „Praktikum der Physik“, Teubner-Verlag, Stuttgart
/4/ Gerthsen, C. u.a.: „Physik“, Springer-Verlag, Berlin u.a.
/5/ Stöcker, H.: „Taschenbuch der Physik“, Harri Deutsch, Frankfurt (steht auf den Computern im
Basispraktikum auch als HTML-Version zur Verfügung)
/6/ Bronstein, I. N., Semendjajew, K. A.; Musiol, G.; Mühling, H.: „Taschenbuch der Mathematik“,
Verlag Harri Deutsch, Frankfurt (steht auf den Computern im Basispraktikum auch als HTMLVersion zur Verfügung)
Als Tabellenwerke zum Nachschlagen von Zahlenwerten physikalischer Größen sind besonders geeignet:
8
9
10
11
Für alle URL-Angaben in diesem Skript gilt das Datum 24.09.2014.
http://www.uni-oldenburg.de/fileadmin/user_upload/physik/ag/physikpraktika/download/Faltblatt_GWP.pdf
„Suchmaschine gegen den Gedankenklau – Universitäten rüsten sich gegen Plagiatoren - und verhängen schwere
Strafen.“ DIE ZEIT, 08.02.07; http://zeus.zeit.de/text/2007/07/B-Plagiatskontrolle.
Wegen z. T. häufiger Neuausgaben wird an dieser Stelle auf eine Angabe des Erscheinungsjahres verzichtet. Die
Erscheinungsdaten der aktuellen Ausgaben finden sich auf der genannten Internetseite.
11
/7/ Lide, D. R. [Hrsg.]: „CRC Handbook of Chemistry and Physics”, CRC Press, Boca Raton (steht
auf den Computern im Basispraktikum auch als PDF-Version zur Verfügung)
/8/ Madelung, O. [Hrsg.]: „Landolt-Börnstein: Zahlenwerte und Funktionen aus Naturwissenschaften
und Technik“, Springer-Verlag, Berlin u.a.
Derzeitige Bestwerte physikalischer Konstanten (Auswahl s. hintere Umschlagseite dieses Skriptes) findet
man in:
/9/ Mohr, P. J.; Taylor, B. N.; Nevell, D. B.: "CODATA Recommended Values of the Fundamental
Physical Constants: 2010", Rev. Mod. Phys. 84(4), 1527-1605 (2012).
Die Daten sind auch über das National Institute of Standards and Technology (NIST) der USA
verfügbar: http://physics.nist.gov/cuu/Constants/index.html.
Hinweise zur Abfassung wissenschaftlicher Manuskripte sowie eine Zusammenstellung der SI-Basiseinheiten und daraus abgeleiteter Einheiten enthält folgende Broschüre des „Bureau International des Poids et
Mesures (BIPM)“ 12:
/10/ Bureau International des Poids et Mesures: „The International System of Units (SI)“, 8th Edition,
Paris, 2006. (http://www.bipm.org/utils/common/pdf/si_brochure_8_en.pdf)
Eine Zusammenstellung der in Deutschland gesetzlich zugelassen Einheiten findet sich in:
/11/ Physikalisch Technische Bundesanstalt (PTB) [Hrg.]: „Die gesetzlichen Einheiten in Deutschland“,
Faltblatt 2012, Braunschweig, 2012.
(http://www.ptb.de/cms/fileadmin/internet/publikationen/Einheiten_deutsch.pdf)
12
Das BIPM wurde am 20.05.1875 von 17 Staaten ins Leben gerufen, mittlerweile sind ihm 51 Staaten beigetreten.
Aufgabe des Büros ist die „weltweite Vereinheitlichung von Messungen“. Hauptsitz des Büros ist Paris, die
offizielle Sprache des BIPM ist französisch.
12
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Praktikum im Modul Physik I für Studierende der Umweltwissenschaften
Zum Aufbau elektrischer Schaltungen und zum Umgang mit
Netzgeräten, Vielfachmessgeräten und Funktionsgeneratoren
1
Einleitung
Studierende, die noch nie oder nur wenige Male selbstständig experimentiert haben, haben oftmals Schwierigkeiten bei der Umsetzung einer Schaltungsskizze oder eines Blockschaltbildes in eine reale elektrische
Schaltung. Auch der Umgang mit Netzgeräten, Vielfach-Messgeräten und Funktionsgeneratoren bereitet
ihnen anfänglich Probleme. Deshalb wird hier eine kurze Einführung gegeben. Zunächst werden die
wichtigsten Funktionen der genannten Geräte erläutert. Im Laufe des Basispraktikums werden sie noch
genauer behandelt. Anschließend werden einfache Schaltungsskizzen beschrieben und Fotos der zugehörigen realen Aufbauten gezeigt. Beim Aufbau einer der Schaltungen kommt ein Oszilloskop zum Einsatz,
dessen Funktionsweise und Betrieb in einem separaten Praktikumstermin ausführlich behandelt wird.
Details der Fotos lassen sich in der PDF-Version dieses Textes möglicherweise besser erkennen; siehe
dazu http://physikpraktika.uni-oldenburg.de/download/GPR/pdf/Schaltungen_Multimeter.pdf.
2
Netzgeräte
Für viele Versuchsaufbauten im Praktikum werden Gleichspannungen 1 (gelegentlich auch Gleichströme)
mit unterschiedlichen Höhen und Vorzeichen benötigt, wie z. B. + 10 V, - 12 V, + 5 V usw. Solche Spannungen können einem Netzgerät 2 entnommen werden. Netzgeräte werden auch als Stromversorgung oder
Spannungsversorgung bezeichnet.
Abb. 1 zeigt ein Netzgerät der Fa. PHYWE, das im Grundpraktikum zum Einsatz kommt. Es handelt sich
um ein Doppel-Netzgerät, da es über zwei separat einstellbare Ausgänge verfügt. Am linken Ausgang
können Spannungen zwischen 0 V und 15 V eingestellt werden, der Strom kann dort maximal 5 A betragen.
Am rechten Ausgang stehen Spannungen zwischen 0 V und 30 V zur Verfügung bei einem maximalen
Strom von 2,5 A.
Abb. 1: Netzgerät vom Typ PHYWE. An beiden Ausgängen (jeweils blaue und rote Buchse) ist eine Spannung von ca. 10 V eingestellt.
Mit den Drehknöpfen können die Spannung U und der Strom I eingestellt bzw. begrenzt werden. In den
meisten Fällen wird im Praktikum für den Betrieb eines Verbrauchers, z. B. eines Fotodetektors, eine
bestimmte Spannung benötigt. Diese Spannung wird zunächst ohne angeschlossenen Verbraucher mit dem
1
2
Englisch DC voltage; DC bedeutet direct current (Gleichstrom).
Englisch Power Supply.
13
Drehknopf unter der Spannungsanzeige (V) eingestellt. Der eingestellte Wert wird an der Spannungsanzeige überprüft. Anschließend wird der zum selben Ausgang des Netzgeräts gehörende Knopf zur
Strombegrenzung an den rechten Anschlag gedreht. Dadurch wird erreicht, dass der später angeschlossene
Verbraucher dem Netzgerät so viel Strom entnehmen kann, wie zu seinem Betrieb benötigt wird.
Jeder Ausgang des Netzgeräts verfügt über zwei Anschlussbuchsen für gewöhnliche Laborkabel. Das
Potential 3 an der blauen Buchse ist immer niedriger als das Potential an der roten Buchse. Vergleicht man
den Ausgang des Netzgeräts mit einer Batterie, so entspricht die blaue Buchse dem Kontakt mit der
Bezeichnung „-“ und die rote Buchse dem Kontakt mit der Bezeichnung „+“.
Das Vorzeichen der Spannung zwischen den beiden Anschlussbuchsen hängt ausschließlich vom gewählten
Bezugspunkt ab. Nehmen wir an, am Ausgang des Netzgerätes sei eine Spannung (Potentialdifferenz) von
10 V eingestellt. Wählen wir die rote Buchse als Bezugspunkt, so ist das Potential an der blauen Buchse
um 10 V niedriger. Von diesem Bezugspunkt aus betrachtet ist die Spannung also U = – 10 V. Wählen wir
dagegen die blaue Buchse als Bezugspunkt, so ist das Potential an der roten Buchse um 10 V höher. Von
diesem Bezugspunkt aus betrachtet ist die Spannung also U = + 10 V.
Abb. 2 verdeutlicht die Zusammenhänge anhand der Spannungsmessung mit zwei als Voltmeter betriebenen Vielfachmessgeräten (weiteres zu Vielfachmessgeräten in Kap. 4).
Abb. 2: Zum Vorzeichen der Spannung aus einem Netzgerät. An dessen linkem Ausgang ist eine Spannung von ca. 10 V eingestellt. Das linke Multimeter (Typ FLUKE) zeigt eine Spannung von
– 10,02 V an, das rechte eine Spannung von + 10,01 V 4. Ursache: der Bezugspunkt für die Spannungsmessung (schwarze Buchse COM am Multimeter) ist links mit der roten Buchse des
Netzgerätes verbunden (an der das höhere Potential liegt), rechts mit der blauen Buchse (an der
das niedrigere Potential liegt).
Die gleichen Überlegungen gelten auch für eine Batterie. Eine Blockbatterie mit einer Spannung von 9 V
kann demnach, je nach Bezugspunkt, eine Spannung von + 9 V oder - 9 V liefern.
3
4
Das (elektrische) Potential ist eine auf einen festen Bezugspunkt bezogene Spannung. Ein Bezugspunkt kann z.B.
die Erde sein, gekennzeichnet mit den Symbolen
oder . Hierbei handelt es sich um einen Anschluss (s.
Netzgerät in Abb. 2), der elektrisch leitend mit der Erde verbunden ist. Dies kann man z. B. erreichen, indem man
einen elektrischen Leiter in die Erde eingräbt und über Kabel mit dem Anschluss verbindet. In Gebäuden findet
die Erdung durch einen Fundamenterder statt, an den über eine Potentialausgleichsschiene u.a. der Schutzleiter
der Stromversorgung angeschlossen ist.
Die Abweichungen der angezeigten Spannungsbeträge um 0,01 V werden durch die beschränkte Messgenauigkeit
der Multimeter verursacht.
14
3
Funktionsgeneratoren
Funktionsgeneratoren (FG) dienen der Erzeugung von Wechselspannungen 5 mit unterschiedlichen Formen,
Amplituden und Frequenzen. Wahlweise können zu diesen Wechselspannungen Gleichspannungen
hinzuaddiert werden, man spricht dann von einem DC-Offset. Die gängigste Signalform am Ausgang eines
FG ist eine sinusförmige Wechselspannung U(t), die sich mathematisch wie folgt beschreiben lässt:
(1)=
U ( t ) U 0 sin (ω t ) + U DC
Darin bedeuten:
t:
U0 :
=
ω 2π
=
f
U DC :
Zeit
Amplitude
2π
: Kreisfrequenz; f : Frequenz, T : Periodendauer
T
Gleichspannungsanteil (DC-Offset)
Abb. 3 zeigt eine solche Wechselspannung zusammen mit anderen typischen Ausgangsspannungen von
Funktionsgeneratoren.
In Abb. 4 sind die Frontansichten von zwei im Basispraktikum eingesetzten Funktionsgeneratoren dargestellt. Über Schalter und Drehknöpfe werden die Form (Function: Sinus, Rechteck, Dreieck, Sägezahn),
die Frequenz (Freq), die Amplitude (Ampl) und der Gleichspannungsanteil (DC-Offset) des Signals
eingestellt. Auf weitere Einstellmöglichkeiten wird im späteren Verlauf des Praktikums eingegangen.
Die Ausgabe des Signals erfolgt jeweils über die Buchse Output. Hierbei handelt es sich um eine 2-polige
BNC-Buchse6. Der Innenleiter einer solchen Buchse bildet den einen Pol, der äußere Kontakt den zweiten
Pol (weiteres dazu in Kap. 5.2).
5
6
Englisch AC voltage; AC bedeutet alternating current (Wechselstrom).
BNC ist ursprünglich ein Produktname der Fa. AMPHENOL und steht für „Bayonet NEILL CONCELMAN“
15
U (t)
U (t)
U0
UDC
t
t
T
U (t)
U (t)
t
t
U (t)
U (t)
High
Low
t
t
Abb. 3: Typische Ausgangssignale von Funktionsgeneratoren. Oben links: sinusförmige Wechselspannung ohne DC-Offset. Oben rechts: dito mit DC-Offset. Mitte links: Dreieckspannung. Mitte
rechts: Sägezahnspannung. Unten links: Rechteckspannung. Unten rechts: TTL-Signal 7.
7
TTL ist die Abkürzung für Transistor-Transistor-Logik. Ein TTL-Signal ist ein Logiksignal, das nur zwei
Spannungswerte U annehmen kann: Low und High. Für ein Ausgangssignal eines Gerätes gilt: Zustand Low wenn
0 V ≤ U < 0,4 V, Zustand High wenn 2,4 V < U ≤ 5,0 V. Für ein Eingangssignal in ein Gerät gilt: Low wenn
0 V ≤ U < 0,8 V, High wenn 2,0 V < U ≤ 5,0 V.
Hinweis: Das Signal an der Buchse TTL-OUT des FG TOELLNER 7401 entspricht dieser Norm nicht.
16
Abb. 4: Frontansichten von zwei im Praktikum eingesetzten Funktionsgeneratoren. Oben: AGILENT
33120A, unten: TOELLNER 7401. Beim FG TOELLNER ist die Frequenz f des Ausgangssignals das
Produkt aus dem am Schalter FREQ RANGE eingestellten Wert (hier 100 Hz) und dem am
Drehknopf FREQUENCY eingestellten Multiplikator (hier 1). Bei der dargestellten Einstellung
ist also f = 1 × 100 Hz = 100 Hz.
17
4
Vielfachmessgeräte
Vielfachmessgeräte 8 (Abb. 5) können, wie der Name sagt, je nach Schalterstellung zur Messung
verschiedener elektrischer Größen eingesetzt werden. Die wichtigsten davon sind (angegeben mit typischen
Bezeichnungen auf den Wahlschaltern der Geräte):
Gleichspannung:
Wechselspannung:
Gleichstrom:
Wechselstrom:
Widerstand:
Kapazität:
V , DC V
V ∼, AC V
A , DC A
A ∼, AC A
Ω
Abb. 5: Frontansichten von sechs im Praktikum eingesetzten Multimetern. Oben v. l. n. r.: MONACOR DMT-3010, ABB METRAWATT M2012, FLUKE 112, AGILENT U1251B. Mitte: KONTRON
DMM 3021. Unten: AGILENT 34405A.
8
Englisch: Multimeter. Diese Bezeichnung wird auch im Deutschen verwendet.
18
Bei Messung von Wechselspannungen oder Wechselströmen (AC-Messungen) zeigen die Messgeräte
jeweils den Effektivwert (Index „eff“) an. Der Effektivwert einer Wechselgröße ist derjenige Wert, den eine
Gleichgröße haben müsste, um an einem ohmschen Verbraucher die gleiche elektrische Leistung
umzusetzen. Für sinusförmige Signale ohne DC-Offset gilt folgender Zusammenhang zwischen Effektivwert und Amplitude (Index „0“):
=
U eff
(2)
=
I eff
T
1
U0
2
T
1
I0
2
1
=
U 2 ( t ) dt
∫
T 0
1 2
=
I ( t ) dt
T ∫0
Die Spannung des Stromnetzes in Deutschland hat beispielsweise einen Effektivwert von U eff ≈ 230 V.
Dieser Wert ist auf den Typenschildern von Elektrogeräten angegeben. 9 Die zugehörige Amplitude der
Netzspannung ist also
U 0 ≈ 2 × U eff = 2 × 230 V ≈ 325 V
Bei AC-Messungen erhält man nur für Signale mit Frequenzen innerhalb eines bestimmten Intervalls einen
korrekten Messwert für den Effektivwert. Außerdem muss die Signalform (Sinus, Dreieck, Rechteck usw.)
bei der Interpretation des Messwertes beachtet werden. Detaillierte Informationen dazu findet man in den
Handbüchern der Geräte.
Vor der Benutzung eines Vielfachmessgerätes muss die zu messende Größe am Wahlschalter eingestellt
werden. Erst danach dürfen die Kabel mit den Eingangsbuchsen verbunden werden.
Die Eingangsbuchse, deren Potential bei Spannungsmessungen das Bezugspotential bildet, wird je nach
Hersteller unterschiedlich bezeichnet. Die gängigsten Bezeichnungen sind:
Bezugspotential:
COM, COMMON, LO, LOW, 0, ⊥
Die Farbe dieser Buchse ist in der Regel schwarz.
Die zweite Buchse, an die bei Spannungsmessungen das Vergleichspotential gelegt wird, trägt gelegentlich
die Bezeichnungen:
Vergleichspotential:
HI, HIGH, +
Häufig sind dort jedoch nur die Einheiten der zu messenden Größen angegeben, wie z. B.: V, Ω usw. Die
Farbe dieser Buchse ist in der Regel rot.
Für Strommessungen wird neben der COM-Buchse eine andere Buchse als für Spannungs- und Widerstandsmessungen benutzt. Diese Buchse, ebenfalls oftmals rot, trägt dann die Beschriftung:
Strommessung:
mA, A
Für hohe Stromstärken bis z. B. 10 A gibt es oftmals separate Anschlussbuchsen.
Bei den im Basispraktikum eingesetzten Multimetern handelt es sich um Digital-Multimeter. Diese Geräte
bieten eine Anzeigegenauigkeit, die durch die Zahl der in der Anzeige vorhandenen Stellen (Digits 10)
festgelegt ist. Die Stelle ganz links kann dabei üblicherweise nur eine 0 oder eine 1 anzeigen, man zählt sie
9
10
Häufig findet sich auf den Typenschildern noch der veraltete Wert von 220 V.
Digit (engl.) = Ziffer.
19
deshalb als halbe Stelle. Beispielsweise ist das Gerät vom Typ AGILENT U1251B ein 4 ½-stelliges
Multimeter, das vom Typ AGILENT 34405A ein 5 ½ -stelliges. Das bedeutet: Die erste Stelle kann nur 0
oder 1 anzeigen, die übrigen 4 oder 5 Stellen die Ziffern 0 – 9.
Neben dem eigentlichen Messwert (Zahlenwert) erscheinen bei manchen Geräten weitere Angaben auf der
Anzeige, wie z. B. die Einheit der gemessenen Größe (mA, A, mV,…), der Signaltyp (AC, DC), der
Messbereich (100 mV, 100 Ω,…) usw.
Bei Widerstandsmessungen liefert ein Multimeter intern einen konstanten Teststrom I T , der von der roten
Buchse durch den zu messenden Widerstand zur schwarzen Buchse fließt. Durch interne Messung der
Spannung U über dem Widerstand R ergibt sich dann der Anzeigewert zu R = U / I T . Der Teststrom muss
möglichst klein sein, um eine Erwärmung des Widerstandes zu vermeiden. Einzelheiten zu Widerstandsmessungen werden im Versuch „Messung ohmscher Widerstände …“ behandelt.
Bei Kapazitätsmessungen wird der Kondensator mit einem konstanten Ladestrom I L geladen. Durch Messung der Spannung U über dem Kondensator zu zwei Zeitpunkten t 1 und t 2 kann die Kapazität C bestimmt
werden. Einzelheiten zu Kapazitätsmessungen werden im Versuch „Messung von Kapazitäten …“ behandelt.
5
Exemplarische Schaltungen
5.1
Spannungsteiler
Abb. 6 zeigt das Schaltbild eines Spannungsteilers mit den Widerständen R 1 und R 2 , die an eine Gleichspannungsquelle (Netzgerät) mit der Klemmenspannung U angeschlossen sind. Die verwendeten Schaltsymbole
werden in Kap. 6 erläutert. Mit einem Amperemeter A wird der Strom durch die Widerstände gemessen,
mit dem Voltmeter V die Spannung über dem Widerstand R 2 .
Abb. 7 zeigt ein Foto des realen Aufbaus. Als Widerstände kommen Widerstandsdekaden zum Einsatz, an
denen mit Hilfe von Schiebeschaltern die gewünschten Widerstandswerte eingestellt werden können (rechts
R 1 = (100 + 10) Ω, links R 2 = 200 Ω; Genauigkeit jeweils ± 1 %). Zur Strom- und Spannungsmessung
werden Multimeter eingesetzt. Die elektrische Verbindung zwischen den Geräten und Komponenten wird
mit gewöhnlichen einadrigen Laborkabeln realisiert (blaue und rote Kabel in Abb. 7), die an ihren Enden
mit Laborsteckern versehen sind. Die Geräte und Komponenten selber verfügen über Laborbuchsen, die
zu diesen Laborsteckern passen.
Ist U = 4,8 V die am Netzgerät eingestellte Spannung, so fließt durch die Widerstände ein Strom I von
(3)
=
I
U
=
R
4,8 V
≈ 15,5 mA
(110 + 200 ) Ω
Dieser Wert wird auf der Anzeige des Amperemeters erwartet. Tatsächlich zeigt das Amperemeter einen
Wert von 15,38 mA an. Die Abweichung wird durch die eingeschränkte Genauigkeit der Widerstände aus
der Widerstandsdekade, der Spannungseinstellung am Netzgerät und des Messgerätes selber verursacht.
Die Spannung U teilt sich auf die Widerstände im Verhältnis
(4)
U1 R1 110 Ω
= =
= 0,55
U 2 R2 200 Ω
auf. Mit
(5)
U
= U1 + U 2
20
folgt dann durch Kombination von Gl. (4) und (5) für U 2 :
U2
=
(6)
U
4,8 V
=
≈ 3,10 V
R1
1,55
1+
R2
Tatsächlich zeigt das Voltmeter einen Wert von – 3,04 V an. Die Abweichung des Zahlenwertes ist wieder
auf die eingeschränkten Genauigkeiten von R 1 , R 2 , U und des Messgerätes zurückzuführen. Das negative
Vorzeichen rührt daher, dass die COM-Buchse des Messgerätes mit dem höheren Potential am Widerstand
R 2 (rote Leitung) verbunden ist.
=U
A
R2
R1
V
Abb. 6: Blockschaltbild eines Spannungsteilers mit den Widerständen R 1
und R 2 , Gleichspannungsquelle
mit Klemmenspannung U, Voltmeter V und Amperemeter A.
5.2
Abb. 7: Realer Aufbau der Schaltung nach Abb. 6.
Am Netzgerät ist eine Spannung von ca.
4,8 V eingestellt.
Funktionsgenerator und Oszilloskop
Abb. 8 zeigt ein Blockschaltbild mit einem Funktionsgenerator FG, der eine sinusförmige Wechselspannung U ~ mit einstellbarer Amplitude und Frequenz liefert (z. B. 2 V, 1 kHz). An den Ausgang des Funktionsgenerators wird ein Lastwiderstand R (z. B. 1 kΩ) gelegt. Die Ausgangsspannung des FG bei dieser
Belastung wird mit einem Oszilloskop OS gemessen 11. Abb. 9 zeigt ein Foto des realen Aufbaus.
Zur elektrischen Verbindung des Funktionsgenerators mit dem Oszilloskop (Abb. 11) und dem Widerstand
(Widerstandsdekade) kommen in diesem Fall Koaxialkabel zum Einsatz, die im Laufe des Praktikums noch
ausführlicher behandelt werden. Diese Kabel (Abb. 10) verfügen über einen Innenleiter und einen
Außenleiter, es handelt sich also um zweiadrige Kabel. Zwischen Innen- und Außenleiter befindet sich ein
Isolator, der Außenleiter ist von einem Kunststoffmantel umgeben. An den Enden der Kabel befinden sich
BNC-Stecker. Der innere Stift des Steckers ist mit dem Innenleiter, der äußere Metallkörper mit dem
Außenleiter des Kabels verbunden. Die Stecker werden mit einem Bajonettverschluss an die zugehörigen
BNC-Buchsen von Geräten wie Funktionsgenerator oder Oszilloskop angeschlossen.
11
Einzelheiten zum Oszilloskop werden im Versuch „Oszilloskop und Funktionsgenerator“ behandelt.
21
Um Komponenten wie z. B. Widerstandsdekaden an Koaxialkabel anschließen zu können, gibt es zwei
Varianten. Entweder werden Kabel verwendet, die an einer Seite über einen BNC-Stecker und an der
anderen Seite über zwei gewöhnliche Laborstecker verfügen (Abb. 9, Verbindung von FG und R), oder
man benutzt ein geeignetes Adapterstück (Abb. 10). Mit Hilfe von BNC-T-Stücken (Abb. 10) kann ein
Signal gleichzeitig an zwei Koaxialkabel gelegt werden (in Abb. 9 das Ausgangssignal des FG).
FG
U~
R
OS
Abb. 8: Blockschaltbild eines Funktionsgenerators FG mit Ausgangs-Wechselspannung U ~ , Lastwiderstand R
und Oszilloskop OS zur Spannungsmessung.
Mantel
Außenleiter
(Geflecht)
Abb. 9: Realer Aufbau der Schaltung nach Abb.
8.
Isolierung
Innenleiter
Abb. 10: Oben links: Koaxialkabel schematisch, oben rechts: Koaxialkabel mit BNC-Stecker, unten v. l. n.
r.: T-Stück für Koaxialkabel mit BNC-Steckern, Verbindungsstück für Koaxialkabel mit BNCSteckern, Adapterstück für den Übergang BNC-Stecker → Laborbuchse.
22
Abb. 11: Frontansichten von zwei im Praktikum eingesetzten Oszilloskopen. Oben: DigitalOszilloskop TEKTRONIX TDS 210, Unten: Digital-Oszilloskp TEKTRONIX TDS 1012B.
23
6
Anhang
Auswahl von Schaltsymbolen nach DIN EN 60617:
Spannungsquelle
Widerstand
Stromquelle
Kondensator
V
Voltmeter
Spule
A
Amperemeter
Leitungskreuzung mit Verbindung
Erde
Leitungskreuzung ohne Verbindung
Masse
Anschlussbuchse
24
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Praktikum im Modul Physik I für Studierende der Umweltwissenschaften
Mechanische Messwerkzeuge
1
Bügelmessschraube
Eine Bügelmessschraube (Abb. 1) dient zur Messung des Außenmaßes eines Körpers mit einer Genauigkeit
von 0,01 mm. Der Körper (blau in Abb. 1) wird zwischen den starren Amboss und die verschiebbare
Messspindel positioniert. Die Messtrommel wird im Uhrzeigersinn gedreht, bis zwischen Messspindel und
Körper noch ein kleiner Spalt besteht. Anschließend wird die Messspindel durch Drehen der Ratsche im
Uhrzeigersinn weiter vorgeschoben, bis sie den Körper berührt. Die Ratsche sorgt dafür, dass die
Messspindel nur mit einem definierten Drehmoment gegen den Körper gedrückt wird, um dessen Stauchung zwischen Amboss und Messspindel zu vermeiden (Prinzip des Drehmomentschlüssels). Die
Ablesung des Messwertes ist in Abb. 1 erläutert 1.
Abb. 1: Bügelmessschraube 2. Auf der Messhülse (Skalenstriche vertikal) wird der Messwert bis auf einen
halben Millimeter genau abgelesen (untere Teilstriche: ganze Millimeter, obere Teilstriche: halbe
Millimeter). Dies ist der Skalenwert, der links neben der Messtrommel gerade noch zu erkennen
ist. Auf der Messtrommel (Skalenstriche horizontal) werden die hundertstel Millimeter abgelesen.
Abgelesen wird der Wert, der auf der horizontalen Achse der Messhülse liegt. Gemessen wird in
diesem Beispiel die Dicke des blauen Quaders. Der angezeigte Messwert beträgt 20,22 mm.
2
Messschieber
Ein Messschieber (Abb. 2) dient zur Messung eines Außen-, Innen- oder Tiefenmaßes eines Körpers mit
einer Genauigkeit von 0,1 mm oder 0,05 mm. Zur Messung eines Außenmaßes wird der Körper (blau in
Abb. 2) zwischen den starren linken und den beweglichen rechten Außenmessschenkel gehalten und der
bewegliche Schenkel so weit nach links geschoben, bis beide Schenkel den Körper berühren. Zur Messung
eines Innenmaßes wird der Körper zwischen die Innenmessschenkel gehalten und der bewegliche Schenkel
so weit nach rechts geschoben, bis beide Schenkel den Körper berühren. Zur Messung eines Tiefenmaßes,
z.B. der Tiefe eines Bohrloches, wird der bewegliche Schenkel so weit nach rechts geschoben, bis die
Tiefenmessschiene auf den Boden der Bohrung aufstößt und die Messschiene auf dem Rand der Bohrung
aufliegt. Die Ablesung des Messwertes ist in Abb. 2 und Abb. 3 erläutert 3.
1
2
3
Siehe auch http://www.messmittelonline.de/Buegelmessschraube/seite1.htm
Abbildung nach http://www.messmittelonline.de/
Siehe auch http://www.messmittelonline.de/Messschieber/seite1.htm
25
Abb. 2: Messschieber zur Messung von Außenmaßen (Beispiel: blauer Quader), Innenmaßen und Tiefenmaßen. Auf der Messschiene werden die ganzen Millimeter abgelesen (nächster Skalenwert links
neben der „0“ des Nonius, hier 75 mm). Auf dem Nonius erfolgt die Ablesung des
Nachkommawertes (Abb. 3).
Abb. 3: Vergrößerte Darstellung des Nonius aus Abb. 2. Im abgebildeten Modell beträgt die
Messgenauigkeit 0,05 mm. Zur Ablesung des Nachkommawertes wird der Teilstrich auf dem
Nonius gesucht, der mit einem Teilstrich auf der Messschiene auf einer Linie liegt. Im Beispiel
ist das bei 0,75 mm der Fall. Der zusammengesetzte Messwert für den blauen Quader aus Abb. 2
beträgt demnach 75,75 mm.
26
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Praktikum im Modul Physik I für Studierende der Umweltwissenschaften
Einsatz der Computer im Basispraktikum Physik
1
Zum Umgang mit den Computern im Basispraktikum
Die Computer im Basispraktikum können und sollen von den Studierenden für alle Aufgaben genutzt
werden, die im Zusammenhang mit den Praktikumsversuchen stehen. Eine kurze Einführung in ihre Benutzung wird während des ersten Praktikumstermins gegeben. Studierenden ohne ausreichende Kenntnisse im
Umgang mit Computern wird empfohlen, möglichst bald an entsprechenden Kursen teilzunehmen
(Windows, Textverarbeitung (Word oder LaTeX), Tabellenkalkulation (Excel), Präsentation
(Powerpoint), eine Programmiersprache).
1.1
Anmelden am Computer
Die Computer im Basispraktikum (Betriebssystem Windows 7) sind Teil (Clients) der WindowsDomäne gpr. Zur Anmeldung ist die Angabe eines Benutzernamens, des zugehörigen Passworts und die
Auswahl der Domäne erforderlich. Der Benutzername ist uwibnn, wobei „nn“ für die Nummer der Praktikumsgruppe laut Veranstaltungsverzeichnis steht (01, 02, 03, ...), also z. B. uwib01, uwib02,…. Das Passwort wird vor Ort mitgeteilt. Der Domänenname ist gpr.
1.2
Arbeitsverzeichnis auf den PCs im Praktikum und im Hochschulnetz
Auf den Computern steht nach dem Anmelden das Arbeitsverzeichnis (Laufwerk) O:\ zur Verfügung. Im
Windows-Explorer (Dateimanager) erscheint dieses Arbeitsverzeichnis unter dem Eintrag
uwibnn (\\gpr00.gpr.physik.uni-oldenburg.de\gprdaten$) (O:).
Es handelt sich dabei um ein Verzeichnis auf dem Server gpr00 der Domäne gpr. Jedes 2er-Team (also
z. B. Müller und Meier) legt dort bei der ersten Anmeldung sein eigenes Unterverzeichnis an. Als Verzeichnisname werden die Nachnamen gewählt, also z. B. O:\Mueller_Meier.
 Eigene Daten dürfen nur in diesem persönlichen Verzeichnis gespeichert werden!
In diesem Verzeichnis muss im Laufe des Semesters eine Struktur mit Unterordnern angelegt werden, in
denen später die Daten zu einzelnen Versuchen abgelegt werden, also:
o
O:\Mueller_Meier
o Uebungen_Origin
o Oszilloskop
o Fehlerrechnung
o Widerstaende
o Kapazitaeten
o …
Vermeiden Sie Umlaute und Leerzeichen in den Namen von Ordnern und Dokumenten. Dadurch verhindern Sie, dass es zu Problemen kommt, wenn Sie auf ein anderes Betriebssystem wechseln.
Alle Mitglieder einer Praktikumsgruppe „nn“ haben im gesamten Verzeichnis O:\ die Berechtigung zum
Lesen und Schreiben und damit auch zum Löschen von Daten. Dauerhafte Datensicherheit kann also nicht
gewährleistet werden. Um persönliche Daten dauerhaft zu sichern, sollten sie deshalb auf einem eigenen
USB-Speicherstick oder in einem persönlichen Verzeichnis im Hochschulnetz gespeichert werden. Ein
27
solches Verzeichnis wird von der Abteilung IT-Dienste 1 der Universität für alle Studierenden automatisch
angelegt. Näheres dazu erfährt man bei der Abteilung IT-Dienste und über die Person, die die Computer
im CIP-Raum 2 des Instituts für Physik betreut.
1.3
Laufwerksverknüpfungen
Nach dem Anmelden an einem PC im Basispraktikum stehen neben dem Arbeitsverzeichnis (O:) zwei
weitere voreingestellte Laufwerksverknüpfungen zur Verfügung:
P:
Q:
Lexika$ (\\gpr00.gpr.physik.uni-oldenburg.de)
MatlabSkripte$ (\\gpr00.gpr.physik.uni-oldenburg.de)
Unter P: finden sich Lexika und Handbücher, die durch Klick auf die Dateien index.html oder
start.htm oder start.bat geöffnet werden können. Eine Liste der verfügbaren Lexika und Handbücher ist unter http://www.uni-oldenburg.de/physik/lehre/praktika/literatur/ zu finden.
Unter Q: sind Matlab-Skripte abgelegt, die im Laufe des Praktikums benötigt werden. Einzelheiten dazu
sind den entsprechenden Versuchsanleitungen zu entnehmen.
1.4
Drucker im Praktikum
Im Basispraktikum steht ein Netzwerkdrucker (HP LaserJet 4300 PS, schwarz/weiß) zur Verfügung. Der
Drucker kann zum Ausdruck der Dokumente genutzt werden, die im Rahmen des Basispraktikums erstellt
werden.
1.5
Verbindung mit dem Arbeitsverzeichnis O: vom CIP-Raum aus
Wenn von einem PC im CIP-Raum aus auf das Arbeitsverzeichnis O: im Basispraktikum zugegriffen
werden soll, muss dort beim ersten Mal eine Laufwerksverknüpfung zu O: hergestellt werden. Dazu wie
folgt vorgehen (hier exemplarisch beschrieben für den Benutzernamen uwib01):
Rechter Mausklick auf Start → Windows Explorer → Extras (obere Menüleiste 3) → Netzwerklaufwerk
verbinden. Alternativ: Rechtsklick auf → Computer → Netzwerklaufwerk verbinden.
Im erscheinenden Fenster eintragen:
o
o
o
o
o
o
1
2
3
Laufwerk:
O:
Pfad:
\\gpr00.gpr.physik.uni-oldenburg.de\gprdaten$\uwib01
Haken setzen unter „Verbindung bei Anmeldung wieder herstellen“
Haken setzen unter „Verbindung mit anderen Anmeldeinformationen herstellen“
Fertig stellen
Benutzername: gpr\uwib01
Passwort:
s. 1.1.
Haken setzen unter „Anmeldedaten speichern“
http://www.uni-oldenburg.de/itdienste/
Im CIP-Raum des Instituts für Physik (W2 2-249) stehen den Studierenden mehrere Computer zur Verfügung.
Einzelheiten dazu unter http://www.uni-oldenburg.de/physik/cip/.
Sollte die Menüzeile nicht sichtbar sein: → Organisieren → Layout → Menüleiste.
28
1.6
Verbindung mit dem Drucker im Praktikum vom CIP-Raum aus
Um vom CIP-Raum aus den Drucker im Praktikum nutzen zu können, muss er am CIP-Arbeitsplatz einmal
der Druckerliste hinzugefügt werden. Dazu sind folgende Schritte nötig (hier exemplarisch für den
Nutzer uwib01):
o
o
o
o
o
o
o
1.7
Start → Geräte und Drucker
Drucker hinzufügen
Einen Netzwerkdrucker … hinzufügen
Klick auf „Der gesuchte Drucker ist nicht aufgeführt“
Haken setzen bei „Freigegebene Drucker über den Namen auswählen“
Im Feld eintragen:
\\gpr00.gpr.physik.uni-oldenburg.de\HP LaserJet 4300 PS
(drei Leerzeichen im Druckernamen beachten!)
Benutzername: gpr\uwib01
Passwort:
s. 1.1.
Schutz vor Computer-Viren
Die Studierenden im Basispraktikum können für die Sicherung ihrer eigenen Daten USB-Speichersticks
verwenden. Dabei ist sicherzustellen, dass keine Computer-Viren auf die PCs übertragen werden. Im
Zweifelsfall muss der Datenträger vor Verwendung mit der Antivirensoftware Sophos überprüft werden.
2
Auswahl der zur Verfügung stehenden Software
Neben den Windows-Standardprogrammen sind übliche Programme zur Textverarbeitung (Word), zur
Tabellenkalkulation (Excel), zur Präsentation (Powerpoint) und Internetbrowser (Firefox) auf den
Computern im Basispraktikum verfügbar. Darüber hinaus stehen die Programme Origin und Matlab
zur Verfügung. Sie sind für die Datenaufnahme, Datenanalyse und Datenvisualisierung sowie für allgemeine Funktionsberechnungen und Darstellungen von Funktionsgraphen besonders geeignet und im technisch-wissenschaftlichen Bereich weit verbreitet. Beide Programme sind auch auf den Computern im CIPRaum des Instituts für Physik verfügbar. Eine Nutzung auf dem eigenen PC ist ebenfalls möglich.
Informationen dazu finden sich hier:
http://www.uni-oldenburg.de/physik/lehre/praktika/origin/ (Origin)
http://www.uni-oldenburg.de/physik/lehre/praktika/matlab/ (Matlab).
Die folgenden Kurzanleitungen können und sollen keine Handbücher ersetzen, sondern lediglich Einstiegshinweise geben, die für die Lösung der jeweiligen exemplarischen Aufgaben ausreichend sind.
Weitere Hinweise werden vor Ort gegeben. Bei den folgenden Beschreibungen wird vorausgesetzt, dass
grundlegende Kenntnisse im Umgang mit Windows-Programmen vorhanden sind.
29
3
Origin
Das Programm Origin (Version 8G, SP 6) 4 wird im Praktikum eingesetzt, um Messdaten in Tabellen
einzugeben, Berechnungen mit den Daten durchzuführen, grafische Darstellungen der Daten zu erzeugen,
Parameter von Ausgleichsgeraden durch Messwerte zu berechnen (lineare Regression) und nichtlineare
Funktionsfits durchzuführen. Die in Kap. 3.3.3 beschriebenen Punkte werden erst im späteren Verlauf des
Praktikums benötigt. Es wird daher empfohlen, zu gegebener Zeit erneut einen Blick in diesen Text zu
werfen. 5
3.1
Start von Origin, Grundeinstellungen
Nach dem Start von Origin erscheint eine Bildschirmoberfläche ähnlich wie in Abb. 1 dargestellt. Die
Anzahl und die Position geöffneter Fenster und Symbolleisten hängen von den persönlichen Einstellungen
ab. Über
→ Ansicht
bzw.
→ Ansicht → Symbolleisten
lassen sich die Einstellungen den individuellen Bedürfnissen anpassen. 6
In dem Startfenster erscheint, ähnlich wie beim Programm EXCEL, ein Fenster mit einem leeren Arbeitsblatt (Sheet1) einer Arbeitsmappe (Book1). In dieses Arbeitsblatt werden die Messdaten eingetragen, aus
denen anschließend Diagramme erzeugt werden. Möglicherweise werden später weitere Arbeitsblätter und
Diagramme, Notizen, Berechnungen usw. ergänzt. All diese Daten werden von Origin zu einem Projekt
zusammengefasst, das als Ganzes in einer Datei mit der Endung .opj (origin project) abgespeichert wird:
→ Datei → Projekt speichern.
Das in Abb. 1 unten dargestellte Fenster des Projekt-Explorers enthält eine Übersicht aller zu einem Projekt
gehörenden Daten. Es lässt sich wie folgt sichtbar machen:
→ Ansicht → Projekt Explorer
Die Lage und Größe des Fensters kann wie üblich eingestellt werden.
Über das Menü
→ Hilfe → Sprache ändern
→ Help → Change Language
bzw.
kann zwischen der deutschen und englischen Sprachversion von Origin umgeschaltet werden.
4
5
6
Eine neuere Version Origin 2016 ist bereits über die IT-Dienste erhältlich. Im Grundpraktikum wird die
Umstellung erst zum WiSe 2016/2017 durchgeführt.
Weitere Unterlagen zu Origin (Getting Started, Tutorials, Help,…) finden sich im Download-Bereich der Seite
http://www.originlab.com/.
Die Lage einer Symbolleiste (oben, unten, seitlich) kann, wie bei Windows-Programmen üblich, verändert
werden, indem die Symbolleiste bei gedrückter linker Maustaste an die gewünschte Position gezogen wird.
30
Abb. 1: Bildschirmoberfläche nach dem Starten des Programms Origin.
3.2
Einstellung des Dezimalzeichens
Version 8 von Origin erlaubt die Umschaltung zwischen einer deutschen und englischen Sprachversion.
Dadurch kann es zu Mehrdeutigkeiten bei der Interpretation des Dezimaltrennzeichens (Dezimalkomma
bzw. Dezimalpunkt) kommen, die u.U. zu scheinbar unerklärlichen Fehlern führen. Um solche Probleme
zu vermeiden, dürfen bei Verwendung von Origin nicht die Regions- und Sprachoptionen aus Windows
übernommen werden, sondern es muss explizit der Dezimalpunkt als Trennzeichen eingestellt werden.
Diese Einstellung erfolgt gem. Abb. 2 über
→ Hilfsmittel → Optionen → Zahlenformat → Trennzeichen→ 1,000.0
Trennzeichen für ASCII-Import→ 1,000.0
Der Punkt in der Angabe 1,000.0 ist das Dezimaltrennzeichen, das Komma nur eine visuelle Hilfe zur
Hervorhebung von Tausender-Blöcken (englische Notation).
Abb. 2: Einstellung des Dezimalpunktes als Dezimaltrennzeichen.
31
3.3
Beispielaufgaben
Kap. 3.3.3 widmet sich der linearen Regression. Es kann zunächst übersprungen werden. Es wird bei der
Behandlung der „Fehler- und Ausgleichsrechnung“ benötigt.
3.3.1
Grafische Darstellung von Messdaten
Ziel: Eingabe von X-Werten (X), einem dazugehörigen Satz von Y-Werten (Y1), Fehlern zu diesen
Y1-Werten (FY1) und einem zweiten Satz von Y-Werten (Y2) zu denselben X-Werten. Anschließend
grafische Darstellung dieser Werte inkl. Fehlerbalken für die Y1-Werte.
(1)
(2)
(3)
(4)
Nach dem Start von Origin erscheint die Oberfläche eines neuen Projektes (Abb. 1). Auf der
Projektoberfläche ist ein Arbeitsblatt (Worksheet) der Arbeitsmappe Book1 geöffnet, in das die Daten
eingegeben werden können (analog zu einer Excel-Tabelle).
Statt manueller Eingabe in das Arbeitsblatt können Daten auch aus Dateien mit fremden Formaten
(Excel, ASCII,...) importiert oder per cut&paste eingefügt werden.
Die Arbeitsblatt-Tabelle hat zunächst 2 Spalten 7: A(X) und B(Y), wobei A und B die Bezeichnungen
der Spalten sind und die Buchstaben in Klammern angeben, ob es sich um Abszissen-Werte (X) oder
Ordinaten-Werte (Y) handelt. Weitere Spalten für die Fehlerangabe zu Y (FY1) und den zweiten
Datensatz mit Y-Werten (Y2) erhält man durch: → Spalte → Spalten hinzufügen.
Die Dateneingabe erfolgt unter Verwendung des Dezimalpunktes (s. Kap. 3.2). In den gelb unterlegten Zellen der Zeile Langname wird die Beschriftung für die Daten der jeweiligen Spalte
eingetragen. Abb. 3 (links) zeigt das Arbeitsblatt nach Eintrag der Daten.
Abb. 3: Origin-Arbeitsblatt in der Arbeitsmappe Book1 nach Eintrag der Daten (links) und nach Festlegung des Datentyps in den Spalten (rechts).
(5)
Zur Erstellung eines Diagramms aus den eingegebenen Daten ist festzulegen, welche Spalte welchen
Datentyp enthält. Dazu jeweils die gesamte Spalte markieren (Mausklick auf den Kopf der Spalte),
dann rechter Mausklick, danach → Setzen Als. Zur Auswahl stehen:
→
→
→
→
Als X setzen
Als Y setzen
Y-Fehlerbalken
X-Fehlerbalken.
Durch diese Festlegung ändert sich die Spaltenbeschriftung gem. Abb. 3 (rechts): C(yEr±) 8 bedeutet z. B., dass in Spalte C Y-Fehlerwerte stehen.
7
8
englisch column, in Origin abgekürzt mit col.
„Er“ von „error“ (Fehler).
32
(6)
Anschließend die Spalten mit den zu zeichnenden Daten markieren. Da hier alle Daten gezeichnet
werden sollen, müssen alle Spalten markiert werden. Danach → Zeichnen → Symbol
→ Punktdiagramm. Durch Wahl von Punktdiagramm werden nur Datenpunkte gezeichnet,
ohne Verbindungslinien, die in der Regel physikalisch unsinnig sind.
(7) Das Diagramm wird in ein neues Fenster (Graph1) gezeichnet, das damit zum aktiven Fenster wird.
Dadurch ergeben sich z.T. andere Einstellungen in der Hauptmenüleiste (Abb. 4), als wenn das
Arbeitsblatt das aktive Fenster ist (Abb. 1).
(8) Die Symbole für die Datenpunkte lassen sich nach Doppelklick auf die Symbole ändern. Im sich
öffnenden Fenster muss zunächst unter → Gruppe → Modus Bearbeiten der Wert Unabhängig eingestellt werden. Danach können unter → Symbole diverse Eigenschaften (Größe,
Form, Farbe) für die einzelnen Datensätze unabhängig voneinander eingestellt werden. Es wird
empfohlen, möglichst offene statt gefüllter Symbole zu verwenden, da dadurch z. B. kleine Fehlerbalken besser erkannt werden können.
(9) Alle Textfenster in einem Diagramm sind nach Anklicken frei verschiebbar.
(10) Die Achsenbeschriftung, die Achsenskalierung, die Art der Achse (linear, logarithmisch, ...), Gitterlinien usw. lassen sich über ein Fenster einstellen, das sich nach einem Doppelklick auf die
entsprechende Achse öffnet.
(11) Funktionsgraphen können einem Diagramm wie folgt hinzugefügt werden: Klick auf das Diagrammfenster, das dadurch zum aktiven Fenster wird. Dann → Grafik → Funktionsgraph hinzufügen. Im sich öffnenden Fenster kann die Funktion eingeben werden.
Abb. 4: Origin-Fenster nach Zeichnen eines Diagramms (Graph1). Die Fehler zu den Y1-Werten
(schwarze Kreise) werden als Fehlerbalken (rote Linien) dargestellt.
3.3.2
Berechnungen mit Tabellendaten
Berechnungen mit den eingegebenen Daten können wie folgt durchgeführt werden: Arbeitsblatt durch
Anklicken zum aktiven Fenster machen, dann eine leere Spalte (in den folgenden Beispielen C, D oder E)
markieren, anschließend
33
→ Spalte → Spaltenwerte errechnen
In das nun erscheinende obere Textfenster (Abb. 5 links) wird die gewünschte Rechenoperation eingetragen.
1. Beispiel: In Spalte E soll das (elementweise) Produkt der Spalten A und B erscheinen. In das Textfenster trägt man demnach col(A)*col(B) ein (Abb. 5 links), anschließend → OK.
2. Beispiel: In Spalte C soll der Sinus von der Differenz der Werte in den Spalten B und A erscheinen.
Der Eintrag im Textfenster muss dann lauten: sin(col(B)-col(A)), → OK.
Abb. 5: Textfenster zum Eintrag von Rechenoperationen (links) und zusätzliches Skriptfenster (rechts,
unten) zur Definition von Parametern.
Häufig müssen Berechnungen durchgeführt werden, bei denen neben den Zahlenwerten aus einzelnen
Spalten auch Zahlenwerte physikalischer Größen wie z.B. die Erdbeschleunigung g, ein Widerstand R, eine
Kapazität C usw. benötigt werden. Dann ist es praktisch, wenn diese Zahlenwerte einmal definiert
(festgelegt) werden können und für alle späteren Berechnungen innerhalb desselben Projektes zur Verfügung stehen. Solche Definitionen können in einem Skriptfenster vorgenommen werden. Dazu wird dieses
Fenster zunächst durch Klick auf den nach unten gerichteten Doppelpfeil (Abb. 5 links, unten rechts)
sichtbar gemacht. Danach trägt man im unteren Skriptfenster (Abb. 5 rechts) die gewünschten Definitionen
ein. Jede Definition wird mit einem Semikolon und der Eingabetaste abgeschlossen. Dazu folgendes
Beispiel:
3. Beispiel: In Spalte D soll die Differenz aus dem Produkt der Spalten A und B, dividiert durch Spalte
C, und der Erdbeschleunigung g erscheinen, die im Skriptfenster mit g=9.8133 definiert wird. Der
Eintrag im Textfenster muss dann lauten: col(A)*col(B)/col(C) - g, → OK.
3.3.3
Lineare Regression
Eine lineare Regression („linearer Fit“), d. h. die Berechnung einer Ausgleichsgeraden y = a + bx durch
Datenpunkte, die in einem Diagramm dargestellt wurden, wird wie folgt durchgeführt: Klick auf das Diagrammfenster, das dadurch zum aktiven Fenster wird. Anschließend Klick auf einen Datenpunkt, der zu
dem Datensatz gehört, für den eine Ausgleichsgerade berechnet werden soll (hier ein Punkt aus dem
34
Datensatz (X,Y1)). Danach → Analyse → Anpassen → Linearer Fit 9. Es öffnet sich ein
Fenster Lineare Anpassung, in dem eine Vielzahl von Parametern eingestellt werden kann. Nur die
Wichtigsten werden hier erwähnt:
(1) Der Wert im Fenster Neu berechnen sollte auf Auto gesetzt werden. Dadurch erfolgt eine
automatische Neuberechnung aller Parameter der linearen Regression nach Änderung von Daten.
(2) Im Feld Fit Optionen → Fehler als Gewichtung → Keine Gewichtung (vorerst).
(3) Für eine Berechnung der Steigung b und des Ordinatenabschnitts a der Ausgleichsgeraden im Feld Fit
Optionen keine Haken setzen.
Hinweis:
Für eine Berechnung nur der Steigung b der Ausgleichsgeraden (wenn der Ordinatenabschnitt a fest
vorgegeben ist): Haken bei Fester Schnittpunkt mit der Y-Achse setzen, Ordinatenabschnitt a festlegen. Für eine Berechnung nur des Ordinatenabschnitts a der Ausgleichsgeraden (wenn
also die Steigung der Geraden fest vorgegeben ist): Haken bei Feste Steigung setzen, Steigungswert b festlegen.
(4) Im Feld Angepasstes Kurvendiagramm unter → X-Datentyp → Bereich die Einstellung Ausweiten auf gesamten Achsenbereich wählen. Die übrigen Einstellungen können
beibehalten werden.
(5) Nach Klick auf OK wird der lineare Fit durchgeführt. Im Diagrammfenster erscheinen die Ausgleichsgerade und eine Tabelle mit den Ergebnissen des linearen Fits (Abb. 6). Nach Doppelklick auf die
Tabelle kann sie, wie üblich, den eigenen Bedürfnissen angepasst werden.
Abb. 6: Origin-Diagrammfenster nach Durchführung eines linearen Fits durch die X/Y1-Wertepaare.
(6) Nach Durchführung des linearen Fits werden in der Arbeitsmappe Book1 automatisch zwei weitere
Arbeitsblätter ergänzt, in denen die Ergebnisse des linearen Fits (Blatt FitLinear1) und eine Wertetabelle zu der Ausgleichsgeraden (Blatt FitLinearCurves1) ausgegeben werden (Abb. 7).
9
Wenn bereits einmal ein linearer Fit durchgeführt wurde, muss gewählt werden, ob alte Einstellungen übernommen
werden sollen, oder ob ein neues Dialogfenster geöffnet werden soll.
35
Abb. 7: Origin-Arbeitsmappe nach Durchführung eines linearen Fits.
(7) Neben den Größen a und/oder b werden im Ergebnisfenster die Zahl N der für den Fit benutzten Datenpunkte (Wertepaare) und der Korrelationskoeffizient R ausgegeben. Die übrigen Parameter sind im
Basispraktikum vorerst unbedeutend.
Andere Verfahren zur Berechnung von Ausgleichskurven („Fit“) durch Datenpunkte, z. B. nichtlineare
Funktionsfits, wie sie unter → Analyse → Anpassen zur Verfügung stehen, werden im
Basispraktikum erst später benötigt. Auf sie wird zu gegebener Zeit eingegangen.
3.3.4
Lineare Regression in logarithmischen Diagrammen
Durch Logarithmierung lassen sich bestimmte nichtlineare Zusammenhänge linearisieren. Beispielsweise
wird aus dem Exponentialzusammenhang
y = a eb x
durch Anwendung des natürlichen Logarithmus (Basis e)
ln=
y ln a + b x
Trägt man also in einem halblogarithmischen Diagramm y über x auf (Ordinate logarithmisch), so ergibt
sich eine lineare Darstellung: eine Gerade mit der Steigung b und dem Ordinatenabschnitt ln a.
Ebenso wird aus dem Potenzgesetz
y = a xb
durch Logarithmieren (Basis 10)
log
=
y log a + b log x
Trägt man demnach in einem doppeltlogarithmischen Diagramm y über x auf (Ordinate und Abszisse
logarithmisch), so ergibt sich ebenfalls eine lineare Darstellung: eine Gerade mit der Steigung b und dem
Ordinatenabschnitt log a.
Für eine lineare Regression durch derart linearisierte Daten muss unter → Analyse → Anpassen
→ Linearer Fit unter Fit Optionen der Haken bei Scheinbarer Fit gesetzt werden. Der
Fit erfolgt dann durch die linearisierten Daten, wie sie im Diagramm erscheinen.
36
4
Matlab
Das Programm Matlab wird im Praktikum eingesetzt, um Zahlenwerte mathematischer Funktionen zu
berechnen und grafisch darzustellen, Berechnungen mit vektoriellen Größen durchzuführen (z. B. beim
Versuch „Impuls- und Energieerhaltungssatz“) und Messdaten über geeignete Hardware in den Computer
einzulesen und darzustellen. Dies stellt nur einen sehr bescheidenen Ausschnitt der vielfältigen Möglichkeiten dar, die Matlab bietet, der für die Arbeit im Basispraktikum jedoch zunächst ausreichend ist. 10
Die folgenden Bemerkungen sind wichtig, um die Lösung der Aufgabe aus Kap. 4.1 verstehen zu können.
Matlab steht für matrix laboratory. Damit wird deutlich, dass Matlab ein Werkzeug zur Rechnung mit
Matrizen (zur Matrizenalgebra) ist. Eine Matrix besteht aus m × n Zahlen, die in einem zweidimensionalen
Schema mit m Zeilen und n Spalten angeordnet sind; man spricht auch von einer (m,n) Matrix (Abb. 8). Im
einfachsten Fall ist m = n = 1, die Matrix enthält dann nur ein Element und stellt somit nur eine einzelne
Zahl (einen Skalar) dar. Im nächst einfachen Fall enthält die Matrix nur eine Zeile oder nur eine Spalte, sie
stellt dann einen Zeilen- oder Spaltenvektor dar.
a
a b c
a
b
c
a b c
d e f
g h i
Abb. 8: V. l. n. r: schematische Darstellung von Skalar, Zeilenvektor mit 3 Komponenten, Spaltenvektor
mit 3 Komponenten, Matrix mit 3 × 3 Elementen.
In einer Programmiersprache stellen üblicherweise z. B. A und B zwei Variablen dar, die jeweils eine Zahl
repräsentieren und deren Produkt C = A × B eine neue Zahl C ergibt. In Matlab dagegen stellen die
Variablen A und B im Allgemeinen Matrizen dar, deren Produkt A × B eine neue Matrix C ergibt. Sollen
demnach z. B. zwei Zeilenvektoren A = [1 2 3] und B = [4 5 6] elementweise miteinander multipliziert
werden, um den Zeilenvektor C = [1×4 2×5 3×6] zu erzeugen, so darf man in Matlab nicht schreiben
C = A × B. Das ergäbe nach den Gesetzen der Matrizenalgebra auch keinen Sinn, denn es lassen sich nur
Matrizen miteinander multiplizieren, bei denen die Spaltenzahl der ersten Matrix mit der Zeilenzahl der
zweiten identisch ist. Für eine elementweise Multiplikation muss man vielmehr schreiben: C = A . × B. Aus
dem Operator „ד wird also der Operator „ . ד, wenn elementweise Multiplikation gemeint ist, die im
genannten Beispiel zu dem Ergebnis C = [4 10 18] führt. Analog dazu gibt es die Operatoren für die
elementweise Division („ ./“) und das elementweise Potenzieren („ .^“).
Dazu ein einfaches Beispiel. Für die x-Werte 1, 2, 3, 4 sollen die Funktionen
=
=
y1 sin(
x)
und
y2 x sin( x)
berechnet werden. Dazu schreibt man die x-Werte zunächst in einen Zeilenvektor x. In Matlab-Syntax
lautet der entsprechende Befehl:
x = [1, 2, 3, 4]
Mit Hilfe von
y1 = sin(x)
wird aus dem Zeilenvektor x der Zeilenvektor y1 berechnet, der vier Funktionswerte für die vier x-Werte
enthält:
10
Eine Kurzanleitung für Matlab („Primer“) ist zu finden unter:
http://www.mathworks.com/access/helpdesk/help/pdf_doc/matlab/getstart.pdf
37
y1 = 0.8415
0.9093
0.1411
-0.7568
Für die Berechnung der Funktion y 2 schreibt man:
y2 = x .* y1
oder direkt
y2 = x .* sin(x)
Der Punkt vor dem Multiplikationszeichen (*) sorgt dafür, dass eine elementweise Multiplikation der
Zeilenvektoren x und y1 bzw. x und sin(x) stattfindet und das Ergebnis einen neuen Zeilenvektor y2
mit ebenfalls vier Elementen ergibt:
y2 = 0.8415
1.8186
0.4234
-3.0272
Alles Weitere im Umgang mit Matlab ist „learning by doing“, wie aus der Lösung der folgenden Aufgabe
hoffentlich deutlich wird.
4.1
Exemplarische Aufgabe
Zeichnen Sie ein Spannungssignal U als Funktion der Zeit t, das eine gedämpfte harmonische Schwingung
darstellt:
(1)=
U (t ) U 0 sin (ω t + ϕ ) e −α t
mit der Amplitude U 0 = 2 V, der Kreisfrequenz ω = 2π f, der Frequenz f = 0,5 Hz, der Anfangsphase
ϕ = π/5 und der Dämpfungskonstanten α = 1/(4T) (T = 2π/ω ist die Periodendauer der Schwingung) im
Zeitbereich zwischen t = 0 s und t = 15 s.
4.2
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
Hinweise zur Lösung
Starten des Programms durch Doppelklick auf das Matlab-Icon.
Nach dem Start erscheint ein Fenster gem. Abb. 9. Sollte das Startfenster anders aussehen, kann es
durch → Layout → Default in die Form aus Abb. 9 gebracht werden.
Das Fenster enthält in der Mitte das „Command Window“, in das Matlab-Befehle direkt eingegeben werden können. Rechts oben erscheint das Fenster „Workspace“, in dem alle benutzen Variablen
aufgelistet werden. In dem darunter liegenden Fenster „Command History“ erscheinen alle Befehle,
die in das „Command Windows“ eingegeben wurden. Das linke Fenster „Current Folder“ zeigt den
Inhalt des aktuellen Arbeitsverzeichnisses an, das in der Pfad-Zeile ausgewählt wurde.
Statt Matlab-Befehle direkt in das „Command Window“ einzugeben, ist es praktischer, sie
zunächst in eine Textdatei, das so genannte „m-File“ (oder „Matlab-Script-File“, Endung „.m“) zu
schreiben. Durch → New Script öffnet sich das Fenster des Matlab Editors, in das die Befehle zur
Lösung der Aufgabe eingetragen werden können. Abb. 10 zeigt das Editor-Fenster mit diesen
Befehlen und zusätzlichen Kommentaren.
Nach Ende der Eingabe erfolgt ein Klick auf das Symbol (Save and Run) in der "Toolbar-Zeile"
des Editor-Fensters. Das m-File wird dadurch zunächst unter einem einzugebenden Namen, z. B.
O:\Mueller_Meier\Uebungen_Matlab\Gedaempfte_Schwingung.m
gespeichert. Anschließend werden die Befehle aus dem Script-File Gedaempfte_Schwingung.m
nacheinander ausgeführt. In diesem Beispiel wird die gesuchte Funktion berechnet und in einem
separaten Fenster „Figure 1“ grafisch dargestellt (Abb. 11).
38
Abb. 9: Bildschirmoberfläche nach Starten des Programms Matlab.
Abb. 10: Matlab Editor Fenster mit Befehlen für das Berechnen und Zeichnen der Funktion aus Gl. (1).
39
Abb. 11: Grafische Darstellung der Funktion aus Gl. (1) im „Figure“ Fenster. Auf die kursive Darstellung
der physikalischen Größen U und t wird in diesem Beispiel verzichtet.
40
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Praktikum im Modul Physik I für Studierende der Umweltwissenschaften
Fehler- und Ausgleichsrechnung
Stichworte:
Messgröße, Messwert, Messergebnis, Messunsicherheit, systematische und zufällige Fehler, absolute
und relative Fehler, Häufigkeitsverteilung, Dichtefunktion, Gaußkurve, Mittelwert, Standardabweichung, Varianz, mittlerer quadratischer Fehler, Größtfehler, Fehlerfortpflanzungsgesetz, lineare
Regression.
Literatur:
/1/ BIPM 1: „Evaluation of measurement data — Guide to the expression of uncertainty in measurement” (GUM), 2008
http://www.bipm.org/utils/common/documents/jcgm/JCGM_100_2008_E.pdf
/2/ DIN 1319-3 2: „Grundlagen der Messtechnik - Teil 3: Auswertung von Messungen einer einzelnen
Messgröße, Messunsicherheit“, 1996
/3/ DIN 1319-4: „Grundlagen der Messtechnik - Teil 4: Auswertung von Messungen, Messunsicherheit“, 1999
/4/ NIST 3 Technical Note 1297: „Guidelines for Evaluating and Expressing the Uncertainty of NIST
Measurement Results”, 1994 (http://physics.nist.gov/Pubs/guidelines/TN1297/tn1297s.pdf)
/5/ TAYLOR, J. R.: „Fehleranalyse“, VCH Verlagsgesellschaft mbH, Weinheim
/6/ YOUNG, H. D.: „Statistical Treatment of Experimental Data“, McGraw-Hill, New York u.a.
1
Einleitung
In einem Hörsaal wird ein Experiment zur Bestimmung der Erdbeschleunigung g durchgeführt. Eine Kugel
wird in einem Magnethalter gehalten. Nach dem Einschalten des Magneten fällt die Kugel und trifft auf
eine Plattform. Für das Durchfallen der Strecke s benötigt sie die Zeit t. Durch Messung der Messgrößen s
und t lässt sich die Messgröße g bestimmen:
(1)
g=
2s
t2
Die Apparatur sei so gebaut, dass beim Loslassen der Kugel und beim Auftreffen auf die Plattform jeweils
ein Lichtblitz ausgelöst wird. Der Zeit t zwischen den beiden Lichtblitzen wird von den Studierenden im
Hörsaal mit einer Stoppuhr gemessen. Niemand wird erwarten, dass alle die gleiche Zeit messen. Die
einzelnen Messwerte werden voneinander abweichen. Das liegt zum einen an der individuellen
Reaktionsfähigkeit der Studierenden, zum anderen an Gang- oder Kalibrierunterschieden zwischen den
einzelnen Stoppuhren. Ebenso kommt es zu unterschiedlichen Messwerten, wenn mehrere Personen die
Strecke s messen, denn das Anlegen und Ablesen des Maßstabs wird individuell unterschiedlich sein. Hinzu
kommt, dass der Maßstab selbst nur eine begrenzte Kalibriergenauigkeit aufweist.
Daraus ergeben sich folgende Fragen:
1
2
3
BIPM: Bureau International des Poids et Mesures
DIN: Deutsches Institut für Normung e.V.
NIST: National Institute of Standards and Technology des United States Department of Commerce - Technology
Administration.
41
(1)
(2)
(3)
Welche Werte sollen für s und t zur Berechnung von g in Gl. (1) eingesetzt werden?
Wie berücksichtigt man die Tatsache, dass die einzelnen Messwerte für s und t voneinander abweichen und dass die Messgeräte nur über eine begrenzte Genauigkeit verfügen?
Wie verlässlich ist der Wert für g, den man aus den Messwerten errechnet?
Die Antworten auf diese Fragen lauten:
Zu (1): Aus den einzelnen Messwerten muss nach festgelegten Regeln jeweils ein Messergebnis für s und
t ausgerechnet werden. Die Messergebnisse für s und t werden in Gl. (1) eingesetzt und liefern ein
Messergebnis für g.
Zu (2): Zu den Messergebnissen für s und t müssen nach festgelegten Regeln Messunsicherheiten
ausgerechnet werden. Diese Messunsicherheiten liefern ein statistisches Maß für die Abweichungen der einzelnen Messwerte voneinander. Sie sind so bemessen, dass eine weitere Messung von s
oder t mit einer definierten Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis liefert, das jeweils innerhalb des
Intervalls Messergebnis ± Messunsicherheit liegt.
Zu (3): Aus den Messergebnissen und Messunsicherheiten für s und t muss nach festgelegten Regeln eine
Messunsicherheit für g ausgerechnet werden. Eine weitere Messung von g nach dem gleichen
Messverfahren wird dann mit einer definierten Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis liefern, das
innerhalb des Intervalls Messergebnis ± Messunsicherheit liegt. Beide Größen zusammen bilden
schließlich das vollständige Messergebnis für die Messung der Größe g.
Die oben erwähnten Regeln haben internationale Gültigkeit. Sie sind für alle denkbaren Anwendungen in
etlichen Normen und Anleitungen sehr ausführlich beschrieben (siehe z.B. /1/ - /4/). Darüber hinaus gibt es
eine Reihe von umfangreichen Büchern, die sich diesem Thema widmen (z.B. /5/und /6/). Es würde den
Rahmen dieser Anleitung sprengen, wenn diese Regeln hier im Detail wieder gegeben würden. Wir werden
uns deshalb darauf beschränken, einige Grundlagen darzustellen und das Handwerkszeug bereitzustellen,
das im Praktikum für die Berechnung von Messergebnissen und Messunsicherheiten benötigt wird.
2
Direkte und indirekte Messung
Im betrachteten Beispiel lassen sich die Messgrößen s und t direkt messen, nämlich mit einem Maßstab und
einer Stoppuhr. Man spricht in einem solchen Fall von einem direkten Messverfahren. Die Messgröße g
wird in dem Beispiel indirekt gemessen, nämlich über den Umweg der Messung von s und t, aus deren
Messergebnissen ein Messergebnis für g gewonnen wird. In einem solchen Fall spricht man von einem
indirekten Messverfahren.
3
Hinweis zur Nomenklatur
Nach /2/ soll im Kontext der Messung einer Messgröße von Messergebnis und Messunsicherheit gesprochen werden. Im physikalischen Alltag hat sich dies jedoch bislang wenig durchgesetzt. Vielmehr wird statt
des Begriffs Messunsicherheit vielfach der Begriff Fehler verwendet. Deshalb ist auch eher von
Fehlerrechnung die Rede, als von Berechnung von Messunsicherheiten. Oder von Fehlerbalken statt von
Balken der Messunsicherheit. Wir werden in diesem Text beide Begriffe, Fehler und Messunsicherheit,
verwenden.
42
4
Mögliche Fehlerarten
4.1
Systematische Fehler
Systematische Fehler entstehen bei einer Messung z.B. durch unvollkommene Messgeräte, durch unvermeidbare Umwelteinflüsse auf die Messung oder auch durch Wahl eines ungeeigneten Messverfahrens.
Wir wollen dies an einigen Beispielen aus dem Praktikum verdeutlichen:
(1) Unvollkommene Messgeräte: Hierzu zählen z.B. ein Oszilloskop mit dejustierter Zeitablenkeinheit,
ein Vielfachmessgerät mit Nullpunktfehler, eine dejustierte elektronische Waage, usw. Das Unangenehme an diesen Mängeln ist, dass man sie zum Teil während der Messung nicht erkennt. Im Gegenteil:
der abgelesene Messwert (z.B. 27,5 µs, 147 Ω, 5,389 g) täuscht die Genauigkeit vor, die man von
Geräten dieses Typs erwartet. Es besteht also eigentlich kein Grund, das Ergebnis zu bezweifeln.
(2) Einfluss der Umwelt: Ein Beispiel dafür ist die Temperaturabhängigkeit von Messgeräten. In der
Regel sind diese Abhängigkeiten quantitativ bekannt. Man kann sie dann den Gerätehandbüchern
entnehmen und bei der Auswertung der Messung berücksichtigen.
(3) Ungeeignete Messverfahren: Wenn man die Masse eines Magneten mit einer elektronischen Waage
bestimmen will, merkt man schnell, dass das Messergebnis offensichtlich unsinnig ist. Da das Magnetfeld auf die Mechanik der Waage einwirkt, ist das Messverfahren ungeeignet; man muss eine andere
Waage benutzen. Erheblich schwieriger ist es beispielsweise zu beurteilen, ob der innerhalb einer
elektrischen Schaltung gemessene Strom in unzulässiger Weise durch die Beschaltung und den
Innenwiderstand des Messgeräts beeinflusst wird. Hier sieht man dem Messergebnis nicht auf den
ersten Blick an, ob es „richtig“ oder „falsch“ ist. Man kann sich also i.Allg. nicht darauf verlassen, dass
man schon merkt, wenn man das falsche Messverfahren einsetzt. Vielmehr muss bereits bei der
Planung des Experiments gründlich überlegt werden, welches Messverfahren geeignet ist.
Systematische Fehler lassen sich niemals völlig ausschließen. Sie beeinflussen das Messergebnis in einer
ganz bestimmten Art und Weise - hinter den Fehlern steckt „System“. Das bedeutet insbesondere, dass man
den Einfluss dieser Fehler auf das Messergebnis auch durch häufige Wiederholung der Messung nicht
verringern kann. Ist jedoch das Ausmaß des systematischen Fehlers bekannt (z.B. der Nullpunktfehler eines
Ohmmeters, der Temperaturgang eines Verstärkers oder der Kalibrierfehler eines Drucksensors), kann man
ihn bei der Angabe des Messergebnisses berücksichtigen.
4.2
Zufällige Fehler
Zufällige Fehler beeinflussen das Ergebnis einer Messung auf eine unvorhersehbare und unkontrollierbare,
eben auf rein zufällige Art und Weise. Ursachen für zufällige Fehler, wie sie im Praktikum auftreten,
können z.B. sein:
(1) Die Zufälligkeit, mit der ein Naturprozess abläuft, wie z.B. der radioaktive Zerfall oder die Emission
von Photonen aus einer Lichtquelle. Sie führt z.B. dazu, dass die während einer Messzeit t gemessene
Anzahl von Ereignissen zufällig schwankt.
(2) Die Stoppuhr, die je nach Reaktionszeit mal zu früh, mal zu spät gedrückt wird.
(3) Der Maßstab oder der Messschieber, an dem mal ein zu großer, mal ein zu kleiner Wert abgelesen
wird.
(4) Das elektronische Rauschen eines Messverstärkers, das zu Schwankungen der Ausgangsspannung
führt.
Zufällige Fehler führen immer dazu, dass das Messergebnis mal in der einen, mal in der anderen Richtung
vom „wahren“ Wert abweicht (zum Begriff des „wahren“ Wertes siehe Kap. 5). Wird die Messung mehrmals wiederholt, halten sich die Abweichungen in beiden Richtungen die Waage. Wäre das nicht der Fall,
so wären die beobachteten Fehler nicht rein zufällig.
Die Konsequenzen aus dieser Aussage lassen sich so zusammenfassen: liegen keine Erfahrungen mit einem
bestimmten Messverfahren vor, so sagt ein einziger Messwert im Prinzip gar nichts aus. Der Messwert
43
kann zufällig mehr oder weniger stark nach oben oder unten vom „wahren“ Wert abweichen. Erst durch
häufige Wiederholung der Messung oder aufgrund zurückliegender Erfahrungen mit dem Messverfahren
bekommt man ein Gefühl dafür, um welchen Wert herum einzelne Messwerte schwanken und man kann
beurteilen, welche Aussagekraft in einem solchen Messwert steckt. In den nächsten Kapiteln werden diese
Zusammenhänge quantitativ mit Hilfe von Formeln beschrieben.
5
Die Häufigkeitsverteilung von Messwerten
Wir wollen annehmen, dass eine Messgröße, etwa die Zeit t, die ein Körper braucht, um von A nach B zu
gelangen, N-mal gemessen wurde 4. Es liegen also N Messwerte vor, die nach den Gesetzen des Zufalls
voneinander abweichen. Die Frage ist: welche dieser Messwerte kommen dem „wahren“ Wert am nächsten?
Um diese Frage zu beantworten, muss man untersuchen, ob bestimmte Messwerte deutlich häufiger vorkommen als andere, und wenn ja welche. Denn man darf mit Recht erwarten, dass es diese häufigsten, d.h.
wahrscheinlichsten Messwerte sind, die dem „wahren“ Wert am nächsten kommen. Man teilt deshalb die
N Messwerte, die im Bereich zwischen t min und t max liegen, in j Klassen mit der Klassenbreite ∆t ein und
ordnet der Klasse i (i = 1, 2,..., j) den Messwertbereich
(2)
tmin + ( i − 1) ∆t ≤ t < tmin + i∆t
zu 5. Jeder Klasse i wird eine Zeit t i zugeordnet, die der Mitte des jeweiligen Zeitintervalls entspricht. Nun
wird für jede Klasse i die Zahl der Messwerte pro ∆t, n(t i ), die in dieser Klasse liegen, in Form eines Balkens
über der zugehörigen Zeit t i aufgetragen. Man erhält auf diese Weise ein Balkendiagramm, dem man
entnehmen kann, wie häufig die einzelnen Messwerte vorgekommen sind (Abb. 1).
Abb. 1: Häufigkeitskurve von Messwerten. Die Breite eines Zeitintervalls
(Balkens) ist ∆t.
Abb. 2: Häufigkeitskurve
(Dichtefunktion)
der Gauß- oder Normalverteilung
(Gaußkurve).
Die Einhüllende dieses Diagramms, n(t i ), heißt Häufigkeitskurve der Messwerte. Entsprechend ihrer
Definition ist der Flächeninhalt unter der Häufigkeitskurve immer gleich der Gesamtzahl der Messwerte N.
Frage 1:
4
5
Die folgenden Überlegungen gelten gleichermaßen für jede physikalische Messgröße. Die Größe t (Zeit) dient hier
nur als Beispiel.
Dazu ein Beispiel: Die Messwerte mögen im Bereich zwischen tmin = 20,4 s und tmax = 22,3 s liegen, die Ablesegenauigkeit der Uhr betrage 0,1 s. Die Messwerte werden daher in insgesamt j = (22,3 - 20,4)/0,1 = 19 Klassen
eingeteilt, die jeweils ein Zeitintervall von ∆t = 0,1 s Breite repräsentieren.
44
- Welche Einheit hat die Größe n(t i ) im gewählten Beispiel? Wie lautet die (sehr einfache!) Beziehung
zwischen der Messwerthäufigkeit pro ∆t, n(t i ), und der Zahl der Messwerte in einer Klasse, m(t i )?
- Wie lautet die Gleichung zur Berechnung von N aus der Häufigkeitskurve n(t i )?
Die Erfahrung lehrt, und die auf CARL FRIEDRICH GAUß (Abb. 3) zurückgehende Theorie kann das begründen, dass für N → ∞ und ∆t → 0 (und damit t i → t) die Häufigkeitskurve n(t) für Messwerte, die
unabhängig voneinander gewonnen wurden und die mit zufälligen Fehlern behaftet sind, eine ganz charakteristische Form hat: Die Form einer Gaußschen Glockenkurve oder kurz Gaußkurve (Abb. 2). Man
spricht dann auch davon, dass die Messwerte gaußverteilt oder normalverteilt seien.
Abb. 3: CARL FRIEDRICH GAUß (1777 - 1855) 6
Der Flächeninhalt unter der Gaußkurve ist wiederum gleich der Gesamtzahl der Messwerte N. Es ist jedoch
üblich, ihn auf den Wert 1 zu normieren. Wie weiter unten noch erläutert wird, bringt man damit zum
Ausdruck, dass die Wahrscheinlichkeit, einen Messwert im gesamten Wertebereich von -∞ bis +∞ zu
finden, gleich 1 ist 7.
Der Verlauf der auf den Flächeninhalt 1 normierten Gaußkurve ist gegeben durch:
(3)
1
n (t ) =
e
σ 2π
−
( t − t )2
2σ 2
∞
mit
∫
n(t )dt = 1
−∞
wobei t der Mittelwert und σ die Standardabweichung der Gaußkurve ist. Das Quadrat der Standardabweichung, σ 2, heißt Varianz. An den Stellen t = t ± σ hat die Gaußkurve ihre Wendepunkte. Die Größen
t und σ haben große praktische Bedeutung:
- Der Mittelwert t ist der Wert, bei dem n(t) ein Maximum hat. Dieser Wert würde also bei einer Messreihe mit unendlich vielen Einzelmessungen am häufigsten vorkommen. Er stellt somit das wahrscheinlichste Ergebnis der Messung dar. Mit anderen Worten: eine Messreihe liefert nie einen wahren, sondern
immer nur einen wahrscheinlichsten Wert.
6
7
Bildquelle: GELLERT, W. et al. [Eds.]: „Kleine Enzyklopädie Mathematik“, VEB Bibliographisches Institut,
Leipzig, 1969
Im betrachteten Beispiel ist die Zeit t die Messgröße, deren realer Wertebereich nur im Intervall 0 ≤ t ≤ ∞ liegen
kann. Formal gesehen erscheint es dann falsch oder mindestens unsinnig, den Wertebereich bis nach - ∞
auszudehnen. Jedoch ist in der Praxis der Anteil des Integrals aus Gl. (3) im Bereich - ∞ ≤ t < 0 so klein (≈ 0), dass
er vernachlässigt werden kann. Deshalb werden aus Gründen der mathematischen Vereinfachung die Grenzen des
Wertebereiches auf ± ∞ festgelegt.
45
- Die Standardabweichung σ ist ein Maß für die Streuung der Messwerte um den Mittelwert t . Je größer
die Streuung, je größer also σ, desto breiter wird die Häufigkeitskurve (bei gleich bleibendem Flächeninhalt), umso weniger deutlich hebt sich also ein Messwert von den übrigen ab.
Frage 2:
- Berechnen und zeichnen Sie mit Hilfe von Matlab n(t) gem. Gl. (3) im Zeitintervall
121,5 s ≤ t ≤ 123,5 s für t = 122,5 s sowie a) σ = 0,1 s und b) σ = 0,2 s. Stellen Sie beide Kurven in
einem Diagramm dar (Matlab-Befehl hold on). Gl. (3) lautet in Matlab-Notation:
n = (1/(sigma*sqrt(2*pi)))*exp(- ((t - t_quer).^2)/(2*sigma^2))
Wir wollen nun so tun, als ob wir unser Experiment so durchgeführt hätten, dass die Bedingungen N → ∞
und ∆t → 0 annähernd erfüllt waren, dass also die Häufigkeitskurve für die Messwerte näherungsweise
durch eine Gaußkurve gem. Gl. (3) gegeben ist. Dann kann man durch Integration von n(t) ausrechnen
(man muss also nicht zählen!), wie viele Messwerte z.B. in dem Zeitintervall [ t − σ , t + σ ] , also im
Bereich t ± σ liegen:
Wir wissen, dass alle N Messwerte im Zeitintervall [-∞, +∞] liegen müssen. Aufgrund der Normierung des
Flächeninhalts unter der Gaußkurve auf den Wert 1 (s. Gl. (3)) bedeutet das:
∞
(4)
∫
n(t )dt = 1  N  100 % aller Messwerte,
−∞
Für das gesuchte Intervall [ t - σ, t + σ] ergibt sich:
t +σ
t +σ
−
1
(
)d
e
=
n
t
t
(5)
∫
∫
t −σ
t − σ σ 2π
( t − t )2
2σ 2
dt ≈ 0, 683  0, 683 N  68,3% aller Messwerte.
 Wer dies nachrechnen möchte, sei gewarnt: das Integral über die Gaußkurve gem. Gl. (3) lässt sich
nicht analytisch, sondern nur numerisch lösen! Es ist in Tabelle 2 (Kap. 11.5) angegeben.
Ist also die Häufigkeitskurve der Messwerte durch eine Gaußkurve gegeben (wovon wir in der Praxis fast
immer ausgehen werden), so liegen immer rund 68,3 % aller Messwerte im Bereich t ± σ (Abb. 4). Für
den Bereich t ± 2σ erhält man immer einen Wert von rund 95,5 % (Abb. 4), für den Bereich t ± 3σ
immer einen Wert von rund 99,7 %. Im Laborjargon heißt es dann häufig: 68 % aller Messwerte liegen im
1σ-Bereich um den Mittelwert, 95 % im 2σ-Bereich und 99 % im 3σ-Bereich.
In der Praxis lassen sich die Bedingungen N → ∞ und ∆t → 0 natürlich nicht einhalten. Dadurch wird der
Bereich größer, in dem z.B. 68,3 % aller Messwerte liegen. t ± σ ist in diesem Fall durch t ± pσ zu
ersetzen, wobei der Wert der Größe p ≥ 1 von N abhängt und sich mit Hilfe der Statistik berechnen lässt
(z.B. p = 1,32 für N = 3, p = 1,15 für N = 5, p = 1,06 für N = 10 und p → 1 für N → ∞). Für die Auswertung
von Messungen im Praktikum werden wir das jedoch nicht berücksichtigen.
46
Abb. 4: Flächenanteile unter einer Gaußkurve mit der auf 1 normierten Gesamtfläche. Oben: Flächenanteil im Bereich t ± σ, unten: Flächenanteil im Bereich t ± 2σ.
6
Mittelwert und Standardabweichung
Im vorigen Kapitel wurde erläutert, dass man unter den dort genannten Annahmen über das Ergebnis einer
einzelnen Messung (einen Messwert) aus einer Messreihe folgende Aussage machen kann:
 Das Ergebnis einer Einzelmessung liegt mit ca. 68 % Wahrscheinlichkeit im Bereich t ± σ.
Für die Praxis stellt sich nun die Frage, wie man t und σ ermittelt. Da man im realen Experiment weder
die Bedingung N → ∞ noch die Bedingung ∆t → 0 einhalten kann, muss man herausfinden, wie man aus
nur endlich vielen Messwerten (einer so genannten Stichprobe) die besten Schätzwerte, kurz: die Bestwerte,
für t und σ ausrechnet. Wir verzichten auf die theoretische Herleitung zur Berechnung der Bestwerte und
geben im Folgenden nur die Ergebnisse an.
6.1
Mittelwert
Wird eine Messgröße, etwa die Zeit t, N-mal gemessen, so ist der Bestwert für den Mittelwert t , der sich
im Falle N → ∞ ergeben würde, das arithmetische Mittel der Messwerte t i :
(6)
6.2
t =
1
N
N
∑ ti
i= 1
Standardabweichung der Einzelmessung
Als Bestwert für die Standardabweichung σ der Einzelmessung ergibt sich:
(7)
σ
=
 1 N

( ti − t
 N − 1 i∑
1
=


)2 

47
Dies lässt sich plausibel machen: Die Standardabweichung der Einzelmessung stellt ein Maß für die
Streuung der Messwerte t i um den Mittelwert t dar. Die Abweichung 8 eines einzelnen Messwertes t i von
t ist durch die Differenz ti − t gegeben (siehe Abb. 5). Würde man das arithmetische Mittel dieser
Differenzen als Maß für die Streuung ansetzen, so würde sich hierfür als direkte Folge aus der Definition
des Mittelwertes immer ein Wert Null ergeben, da sich positive und negative Differenzen gegenseitig
aufheben. Die Information über die vorhandene Streuung der Messwerte ginge also verloren. Um das zu
verhindern, werden die Differenzen zunächst quadriert:
( ti − t )
2
Dadurch werden alle Größen positiv. Danach wird das arithmetische Mittel dieser Quadrate gebildet und
schließlich daraus die Wurzel gezogen.
Die Tatsache, dass bei Bildung des arithmetischen Mittels nicht durch N, sondern durch N - 1 geteilt wird,
lässt sich aus einer detaillierten statistischen Analyse begründen, die insbesondere auf die Unterschiede
zwischen Stichprobe und Grundgesamtheit eingeht. Wir wollen dies hier jedoch nicht weiter vertiefen,
zumal für großes N die Abweichung zwischen 1/N und 1/(N - 1) nur winzig ist.
14
t5 - t > 0
12
ti / s
10
8
t
t15 - t < 0
6
4
2
0
0
5
10
15
20
25
30
35
i
Abb. 5: Zur Veranschaulichung der Standardabweichung. Aufgetragen sind 32 Messwerte t i der Zeit t
über der Nummer der Messung i. t ist der Mittelwert der t i . Für i = 5 und i = 15 sind die Abweichungen zwischen t i und t exemplarisch eingezeichnet.
Die Standardabweichung σ der Einzelmessung wird auch als Fehler (Unsicherheit) der Einzelmessung oder
gem. Gl. (7) als mittlerer quadratischer Fehler (engl. rms error, rms = root-mean-square) bezeichnet.
6.3
Standardabweichung des Mittelwertes
In der Praxis ist die Standardabweichung σ der Einzelmessung oftmals nicht die wesentliche Größe. Es
interessiert nämlich nicht so sehr, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein einzelner Messwert im Bereich
t ± σ liegt. Viel wichtiger ist die Frage, wie verlässlich bzw. reproduzierbar der Mittelwert t ist, der mit
einer Messreihe gefunden wurde und der das Messergebnis einer Messung darstellt. Anders ausgedrückt:
mit welcher Wahrscheinlichkeit würde das Messergebnis einer weiteren Messreihe, also ein zweiter Mittel-
8
nach /2/ heißt diese Größe Messabweichung.
48
wert, in einem vorgegebenen Intervall um den ersten herum liegen? Um diese Frage beantworten zu können, benötigt man analog zur Standardabweichung der Einzelmessung eine Angabe über die Standardabweichung des Mittelwertes σ t .
Nehmen wir an, wir haben eine Messreihe mit N Messwerten insgesamt M-mal wiederholt, so dass
anschließend M Mittelwerte t j vorliegen (j = 1, 2,..., M). Man kann nun zeigen, dass für M → ∞ die Häufigkeitskurve dieser Mittelwerte der Messreihen wieder eine Gaußkurve ist mit der Standardabweichung σ t .
In der Praxis wird man die Messreihe nicht M-mal wiederholen wollen, um die Standardabweichung des
Mittelwertes, σ t , zu ermitteln. Vielmehr ist es das Ziel, aus einer Messreihe mit N Messwerten den Bestwert für σ t zu ermitteln. Dieser ergibt sich zu:
(8)
=
σt
σ
=
N
N


1
2


−
t
t
(
)
i
 N ( N − 1) i∑

=1


Damit kann man über den Mittelwert t dieser einen Messreihe, der das Messergebnis darstellt, folgende
Wahrscheinlichkeitsaussage machen:
 Das Messergebnis einer weiteren Messreihe wird mit ca. 68 % Wahrscheinlichkeit im Bereich t ± σ t
liegen.
Ferner gilt:
 Die Standardabweichung σ t des Mittelwertes ist die in Kap. 1 genannte Messunsicherheit, die zusammen mit dem Messergebnis (dem Mittelwert) als vollständiges Messergebnis einer Messreihe zur
Bestimmung einer Messgröße angegeben wird. Sie wird häufig auch als Fehler des Mittelwertes
bezeichnet.
Man sieht aus Gl. (7), dass mit zunehmender Zahl N der Messwerte die Standardabweichung σ der Einzelmessung nahezu gleich bleibt. Das erkennt man auch in Abb. 5. Durch Hinzufügen weiterer Messwerte in
das Diagramm ändert sich nichts an der Streuung der Messwerte um den Mittelwert.
Dagegen lässt sich aus Gl. (8) ablesen, dass die Standardabweichung σ t des Mittelwertes, also die Messunsicherheit, mit zunehmendem N immer kleiner wird: Die Messunsicherheit nimmt mit 1/ N ab. Im
Prinzip könnte man sie also beliebig klein machen, wenn nur oft genug gemessen wird. In der Praxis wird
man jedoch nur so oft messen, bis die Messunsicherheit einer vorher festgelegten Genauigkeitsanforderung
genügt. Dabei muss jedoch immer N ≥ 4 eingehalten werden, da andernfalls keine Standardabweichung
nach Gl. (7) angegeben werden kann. Dies folgt aus statistischen Überlegungen, auf die hier nicht weiter
eingegangen werden kann.
Zusammenfassend lässt sich festhalten:
 Das Ergebnis einer Messreihe wird immer in der Form t ± σ t angegeben.
 Die Messunsicherheit σ t (der Fehler des Mittelwertes) nimmt mit zunehmender Zahl N der Messwerte
um den Faktor 1 / N ab.
 Solange keine anderen Angaben gemacht werden, wird ein Messergebnis der Art t = (100,6 ± 1,2) s
immer wie folgt interpretiert: Messergebnis (Mittelwert) 100,6 s, Messunsicherheit (Standardabweichung des Mittelwertes) 1,2 s.
49
6.4
Absoluter und relativer Fehler
Die Größe σ t stellt den absoluten Fehler des Messergebnisses dar, die Größe σ t / t den relativen Fehler,
der in der Regel in Prozent angegeben wird. Im Praktikum werden wir uns überwiegend auf die Angabe
absoluter Fehler beschränken.
7
Größtfehler der Einzelmessung
Oftmals kommt es vor, im Praktikum sehr häufig, dass der Wert einer Messgröße a nicht mit Hilfe einer
Messreihe, sondern nur durch eine Einzelmessung bestimmt wird, wie z.B. bei einer Längenmessung. In
diesem Fall wird im Praktikum statt des Mittelwertes das Ergebnis der Einzelmessung und statt der Standardabweichung des Mittelwertes der Größtfehler ∆a angegeben. Dies ist der größtmögliche Fehler, der
bei der Einzelmessung der Größe insgesamt auftreten kann. Er muss nach vernünftigen Überlegungen abgeschätzt werden. Wird beispielsweise die Länge einer Strecke mit einem Maßstab gemessen, so wird man
bei sorgfältiger Messung die Ablesegenauigkeit des Maßstabs als Größtfehler annehmen. Sie beträgt z.B.
bei einem Metallmaßband 0,5 mm, bei einem Messschieber 0,1 mm oder 0,05 mm und bei einer
Bügelmessschraube 0,01 mm.
8
Genauigkeitsangaben
Die Genauigkeit, mit der ein Messergebnis für die Messgröße a angegeben werden kann, d.h. die Anzahl
der signifikanten Stellen, ist durch die Messunsicherheit limitiert, also durch die Standardabweichung σ a
des Mittelwertes bzw. durch den Größtfehler ∆a einer Einzelmessung.
σ a und ∆a werden im Basispraktikum auf maximal zwei signifikante Stellen gerundet! 9
Der Mittelwert bzw. der Einzelmesswert ist dann so zu runden, dass seine letzte signifikante Stelle die
gleiche Größenordnung hat wie die letzte signifikante Stelle von σ a bzw. von ∆a.
Dazu Beispiele: Eine durch Rechenoperationen oder die Zahl der Stellen einer elektronischen Uhr vorgetäuschte Genauigkeit der Art t = 90,4671 s ist schlichtweg falsch, wenn der Größtfehler der Zeitmessung
z.B. 1,1 s beträgt. In diesem Fall müsste es (gerundet) richtig heißen: t = (90,5 ± 1,1) s. Ebenso falsch ist
eine Angabe der Art R = (83,62 ± 2,624) Ω; hier müsste es wegen der Beschränkung auf 2 signifikante
Stellen für die Messunsicherheit heißen R = (83,6 ± 2,6) Ω.
Die Signifikanz einer Stelle ist unabhängig von ihrer Größenordnung (Stellung in Bezug auf den Dezimalpunkt). Folgende Angaben enthalten demnach jeweils zwei signifikante Stellen:
18
1,8
0,18
0,018
0,0018
usw.
Das erkennt man besonders deutlich, wenn man zur empfohlenen Darstellung mit Zehnerpotenzen übergeht, also für die genannten Zahlen schreibt:
1,8×101
1,8×100
1,8×10-1
1,8×10-2
1,8×10-3.
Beim Runden stellt sich die Frage, wie mit der Ziffer 5 umzugehen ist. Nehmen wir als Beispiel die Zahl
4,135, die auf zwei Stellen hinter dem Komma gerundet werden soll. Möglich wäre die Rundung auf 4,13
oder auf 4,14. Es gilt die Regel so zu runden, dass die letzte Ziffer der gerundeten Zahl gerade ist. Im
Beispiel würde also auf den Wert 4,14 aufgerundet. Dagegen würde die Zahl 4,125 auf den Wert 4,12
9
Dies bedeutet, dass die Messunsicherheit mit einer Genauigkeit von ca. 1 % angegeben wird. Eine bessere
Genauigkeit ist mit den Geräten im Praktikum nicht zu erreichen!
50
abgerundet. Hinter dieser Regel steckt die Überlegung, dass bei einer Division durch 2 gerundete und
ungerundete Zahl den gleichen gerundeten Zahlenwert ergeben. Für die genannten Beispielen gilt:
9
4,135 : 2 = 2,0675 ≈ 2,07
und ebenso
4,14 : 2 = 2,07
4,125 : 2 = 2,0625 ≈ 2,06
und ebenso
4,12 : 2 = 2,06
Fehlerfortpflanzung, zusammengesetzte Messgrößen
Es kommt häufig vor, dass bei einem Experiment nicht die gemessene Größe (direktes Messergebnis) selbst
interessiert, sondern eine hieraus berechnete Größe (indirektes Messergebnis, s. Kap. 2). Nehmen wir als
Beispiel noch einmal die Schwerebeschleunigung g nach Gl. (1), die von den Messgrößen s und t abhängt:
g=
2s
t2
Weitere Beispiele sind die Dichte ρ eines Körpers, die eine Funktion der Messgrößen Masse m und
Volumen V ist:
ρ=
(9)
m
V
oder die Kapazität C eines Plattenkondensators im Vakuum, die von den Messgrößen Fläche A und Abstand
d der Platten abhängt. Mit der elektrischen Feldkonstanten ε 0 gilt:
(10)
C = ε0
A
d
Für all diese Beispiele wird deutlich, dass der Fehler der gesuchten Größe aus den Fehlern der einzelnen
Messgrößen berechnet werden muss. Wie das geht, wird in den folgenden Kapiteln beschrieben.
9.1
Wahrscheinlichster Fehler einer zusammengesetzten Messgröße
Wird das Messergebnis für eine Messgröße y aus den Messergebnissen für mehrere gaußverteilte Messgrößen berechnet, für die Mittelwerte und Standardabweichungen aus Messreihen gewonnen wurden, so
wird der wahrscheinlichste Fehler für y mit dem gaußschen Fehlerfortpflanzungsgesetz berechnet, das wir
nun formulieren wollen.
Wir wollen annehmen, dass die gesuchte Größe y von den Messgrößen a, b, c, usw. abhängt:
(11)
y = f (a, b, c,...)
Die Messwerte für die Messgrößen a, b, c,... seien gaußverteilt und sollen sich gegenseitig nicht beeinflussen, d. h. im statistischen Sinne unabhängig voneinander sein. Für die Messgrößen mögen Mittelwerte
a , b , c , ... und die Standardabweichungen der Mittelwerte σ a , σ b , σ c , ... vorliegen. Dann ist der Bestwert y B 10 der gesuchten Messgröße y derjenige Wert, der sich ergibt, wenn y aus den Mittelwerten (Bestwerten) a , b , c , ... berechnet wird:
(12)
10
y B = f ( a , b , c , ...)
Der Index B steht für Bestwert.
51
Das ist plausibel. Die Standardabweichung σ yB von y B ist durch das gaußsche Fehlerfortpflanzungsgesetz
(veranschaulicht in Kap. 9.2) gegeben, das lautet:
2
(13)
σ yB =
2
2
 ∂ y 

 ∂ y 

 ∂ y 


 σ a  + 
 σ b  + 
 σ c  + ... :=
 ∂ a  B 
 ∂ b  B 
 ∂ c  B 
∆ya2 + ∆yb2 + ∆yc2 + ...
Die Ausdrücke ∂y/∂a, ∂y/∂b, usw. in Gleichung (13) sind die „partiellen Ableitungen“ von y nach den
Größen a, b, c,.... Sie geben an, wie sich y ändert, wenn man nur a, oder nur b, oder nur c usw. verändern
und die jeweils anderen Größen konstant halten würde. Mathematisch: Man leitet y jeweils nach einer der
Größen a, b, c,... ab und betrachtet die anderen Größen dabei als Konstanten. Der Index B bei den partiellen
Ableitungen gibt an, dass man die Zahlenwerte der partiellen Ableitungen jeweils für die Bestwerte
(Mittelwerte) a , b , c , ... der Messgrößen a, b, c, ... berechnen muss.
Als Beispiel für die Berechnung von partiellen Ableitungen nehmen wir nochmals Gl. (1) für die
Schwerebeschleunigung g, die von den Größen s und t abhängt. Die partielle Ableitung von g nach s ist:
∂g 2
=
∂s t 2
und die partielle Ableitung von g nach t:
∂g
4s
= − 3
∂t
t
9.2
Veranschaulichung des Fehlerfortpflanzungsgesetzes
Zur Veranschaulichung des Fehlerfortpflanzungsgesetzes betrachten wir als Beispiel erneut die Schwerebeschleunigung g nach Gl. (1). Wir haben es also mit einer Funktion zu tun, die von den zwei Variablen s
und t abhängt. Gl. (11) lautet dann mit y := g, a := s und b := t:
g f=
(14)=
( s, t )
2s
t2
In Abb. 6 ist g als Funktion von s und t in einem 3D-Plot dargestellt, in dem die lineare Abhängigkeit der
Schwerebeschleunigung von s und die reziprok-quadratische Abhängigkeit von t deutlich wird.
Mit Blick auf Abb. 6 betrachten wir die einzelnen Summanden in Gleichung (13) einmal näher und greifen
beispielhaft den zweiten heraus: Die zu bestimmende Größe y (hier g) hängt unter anderem von der
Messgröße b (hier t) ab. Ändert sich b, so ändert sich auch y. Die partielle Ableitung ∂y/∂b gibt an, wie
groß diese Änderung ist, d.h. wie groß die Steigung der Funktion y = f(a, b, c,...) als Funktion von b ist,
wenn man die übrigen Größen a, c,... als konstant annimmt. Im betrachteten Beispiel ergibt sich:
(15)
∂y ∂g
4s
:=
= − 3
∂b ∂t
t
Da diese Steigung nicht überall gleich ist (im Beispiel ändert sie sich gem. Gl. (15) mit t-3), ist es sinnvoll,
sie an der Stelle a , b , c , ... (hier s , t ) zu berechnen, die auch für die Berechnung des Bestwertes y B (hier
g B ) maßgeblich ist. Deshalb steht in Gl. (13) der Index B: (∂y/∂b) B .
52
Abb. 6: Zur Veranschaulichung des Fehlerfortpflanzungsgesetzes
Nun muss man für den herausgegriffenen Term noch wissen, wie groß die Änderung von y B ist, der durch
den Fehler σ b hervorgerufen wird. Aus den Grundlagen der Differentialrechnung ist bekannt, dass diese
Änderung durch das Differential
(16)
∂ y
∆yb :=

 σb
 ∂ b B
hier:
∂ g 
4s
∆gt =
− 3 σt

 σt =
t
 ∂ t B
gegeben ist. Auf gleiche Weise kann man die Fehler
∂ y
 σa
 ∂ a B
(17) =
∆ya : 
(18)
∂ y
∆yc :=

 σc
 ∂ c B
∂ g 
2
∆g s  =
σs
hier:=
 σs
t2
 ∂ s B
(hier ohne Belang)
usw. bestimmen, die alle zum Gesamtfehler, d.h. zur Standardabweichung σ yB von y B beitragen. Es ist
daher einleuchtend, sie zur Berechnung von σ yB aufzuaddieren. Da jedoch die einzelnen Fehler gem. Gl.
(16) - (18) positiv und negativ sein können, können sie sich teilweise oder sogar ganz aufheben und damit
einen zu kleinen Gesamtfehler suggerieren. Um das zu vermeiden, ist es vernünftig, die Einzelfehler
zunächst zu quadrieren (dadurch werden alle Beiträge positiv) und anschließend aus der Summe der Quadrate die Wurzel zu ziehen. Durch diese geometrische (quadratische) Addition der Einzelfehler wird der
Gesamtfehler kleiner als die Summe der Einzelfehler. Damit wird berücksichtigt, dass sich die Einzelfehler
der voneinander unabhängigen Größen a, b, c usw. nicht alle gleichsinnig im Endergebnis niederschlagen,
sondern sich gegenseitig wenigstens teilweise kompensieren. Man spricht deshalb vom wahrscheinlichsten
Fehler.
9.3
Größtfehler einer zusammengesetzten Messgröße
Wir wollen nun den Fall betrachten, dass die Größen a, b, c usw. z. B. keine zufälligen Fehler aufweisen
oder ihre Fehler zum Teil nicht aus Messreihen gewonnen wurden. Letzteres kommt in der Praxis (auch im
Praktikum) recht häufig vor, wenn nämlich Messergebnisse für die Messgrößen a, b, c usw. mindestens
53
zum Teil aus Einzelmessungen gewonnen wurden, für die nur die jeweiligen Größtfehler ∆a, ∆b, ∆c usw.
vorliegen.
In einem solchen Fall wird für die zusammengesetzte Messgröße y statt der Standardabweichung nach Gl.
(13) der Größtfehler ∆y B angegeben. Er ergibt sich aus der ungünstigsten, d. h. arithmetischen (linearen)
Addition aller Einzelfehler und ist gegeben durch:
(19)
∆yB =
∂ y
∂ y
∂ y
∆a +
∆b +
∆c + ...:= ∆ya + ∆yb + ∆yc + ...
∂aB
∂bB
∂cB
Dabei sind für die Größen ∆a, ∆b, ∆c,... die Größtfehler bzw. Standardabweichungen einzusetzen.
Bis auf die Betragsstriche stellt Gl. (19) das totale Differential von y B dar.
 Wenn nicht ausdrücklich ein anderer Hinweis erfolgt, soll im Praktikum für zusammengesetzte Messgrößen immer der Größtfehler angegeben werden.
10
Ein konkretes Beispiel
Mit einem so genannten „mathematischen Pendel“ kann die Erdbeschleunigung g bestimmt werden. Das
mathematische Pendel, das sich in der Praxis nur annähernd realisieren lässt, besteht im Idealfall aus einer
punktförmigen Masse, die an einem masselosen Faden derart aufgehängt wird, dass sie ohne äußere Störeinflüsse (insbesondere Reibung) pendeln kann. Für Pendelausschläge um einen kleinen Winkel α unter
ca. 5 ° ist α ≈ sin α ≈ tan α (α im Bogenmaß!) und es gilt in guter Näherung folgender Zusammenhang
zwischen der Schwingungsdauer T des Pendels, der Fadenlänge l und der Erdbeschleunigung g:
(20)
T = 2π
l
g
bzw.
g=
4π 2l
T2
Durch Messung von l und T ist es also möglich, g zu bestimmen. Schon vor Beginn der Messung kann man
sagen, welche systematischen Fehler auftreten werden:
- Entgegen der Theorie ist die Masse nicht punktförmig und der Faden nicht masselos. Welchen Einfluss
dies auf die Messung hat, lässt sich nur schwer angeben. Man muss versuchen, durch Verwendung eines
sehr dünnen Fadens und einer Masse mit kleiner räumlicher Ausdehnung dem mathematischen Pendel
möglichst nahe zu kommen und erwartet, dass die verbleibenden Fehler so klein gegenüber den
Messunsicherheiten der Messgrößen l und T sind, dass sie vernachlässigt werden können.
- Das Pendel kann nicht völlig reibungsfrei aufgehängt werden. Man muss sich deshalb bei der Aufhängung so viel Mühe geben, dass der Fehler durch Reibung klein gegenüber den Messunsicherheiten ist.
Bei der Vorbereitung des Experiments muss man darauf achten, dass sowohl die Uhr zur Messung von T
als auch der Maßstab zur Messung von l kalibriert sind, um systematische Fehler durch unzulängliche
Messgeräte auszuschließen. Außerdem muss man die Fadenlänge l so groß wählen, dass die Messung bei
Pendelausschlägen unter ca. 5° erfolgen kann, weil Gleichung (20) nur dann in guter Näherung gilt.
Nach diesen Vorbereitungen kann die Messung beginnen. Es ist bekannt, dass man den Einfluss zufälliger
Fehler auf die Messunsicherheit minimieren kann, wenn möglichst oft gemessen wird. Gleichzeitig erkennt
man, dass eine mehrmalige Messung der Länge l gar nichts bringt. Denn wenn man den Maßstab sorgfältig
anlegt und abliest, ändert sich an dem abgelesenen Wert auch bei mehrmaliger Wiederholung nichts.
Dennoch ist natürlich auch der abgelesene Wert für l mit einem Fehler behaftet: Zum einen hat der Maßstab
selbst trotz Kalibrierung nur eine bestimmte Genauigkeit, zum anderen kann man ihn nur mit einer
54
endlichen Genauigkeit anlegen und ablesen. Das Ergebnis der Längenmessung kann man dann folgendermaßen festhalten:
(21)
=
l
z.B.
l= L ± ∆L ;
( 2,5580 ± 0, 0020 ) m
wobei L der abgelesene Wert und ∆L dessen Größtfehler ist.
Die Periodendauer T wird mit einer Stoppuhr gemessen, deren Gangungenauigkeit vernachlässigbar klein
sei. Das Starten und Stoppen der Uhr hängt von der Reaktionsfähigkeit der BenutzerIn ab und unterliegt
damit zufälligen Schwankungen, deren Einfluss auf die Messunsicherheit des Messergebnisses durch
häufige Messung minimiert werden kann. Nach insgesamt N Messungen, die die Messwerte T i liefern,
lautet das Ergebnis der Zeitmessung:
(22)
T= T ± σ T ;
T
z.B.=
( 3, 210 ± 0,010) s
wobei T der arithmetische Mittelwert der Messwerte T i nach Gl. (6) und damit der Bestwert für T ist und
σ T die Standardabweichung des Mittelwertes nach Gl. (8).
Der Bestwert g B für g ist also gem. Gl. (20):
(23)
gB =
4π 2 L
;
T2
im Beispiel=
gB
4π 2 × 2,5580 m
m
=
9,801 2
2
s
( 3, 210 s )
Da L nicht aus einer Messreihe ermittelt wurde, wird nicht die Standardabweichung nach Gl. (13) berechnet,
sondern der Größtfehler ∆g B nach Gl. (19). Es ergibt sich:
(24)
∆=
gB
∂ g
∂ g
∆L +
σ
∂ l B
∂ TB T
Zunächst werden die Beträge der partiellen Ableitungen an den Stellen der Bestwerte B ermittelt, hier also
für die Werte L und T :
∂ g
4π 2
4π 2
=
=
=
∂ l L,T
T 2 L,T T 2
4π 2
= ...
( 3, 210 s )2
(25)
∂ g
∂ T
L ,T
8π 2l
8π 2 L 8π 2 × 2,5580 m
=
− 3
=
=
=
...
3
T L,T
T3
3,
210
s
(
)
Gleichung (25) liefert nach Einsetzen der Zahlwerte für L und T zwei Zahlen, die gemäß Gleichung (24)
mit zwei anderen Zahlen, nämlich ∆L und σ T , multipliziert und anschließend addiert werden müssen, um
den gesuchten Wert ∆g B zu erhalten:
55
∆g B
4π 2
8π 2 L
σT
=
∆L +
T2
T3
(26)
=
4π 2
( 3, 210 s )
2
0, 0020 m +
8π 2 × 2,5580 m
( 3, 210 s )
3
0, 010 s = 0,069
m
s2
Bei der Angabe des Zahlenwertes muss die Rundung auf zwei signifikante Stellen beachtet werden.
Zusammengefasst lautet das vollständige Messergebnis:
(27)
g= g B ± ∆g B=
( 9,801 ± 0, 069 )
m
s2
Da in diesem Beispiel bereits ein Literaturwert für g vorliegt, der für die eigene geographische Lage in
geeigneten Tabellenwerken nachschlagen werden kann 11, muss dieser Wert mit dem Messergebnis verglichen werden. Liegt der Literaturwert für g im Bereich g B ± ∆g B , so beendet man das Experiment mit der
Feststellung, dass eine „gute Übereinstimmung im Rahmen der Messgenauigkeit“ erreicht wurde. Liegt
jedoch der Literaturwert außerhalb des Bereichs g B ± ∆g B , so ist die Wahrscheinlichkeit relativ groß, dass
die Messung durch einen systematischen Fehler verfälscht wurde.
Statt des absoluten Fehlers ∆g B des Messergebnisses g B kann man auch den relativen Fehler ε g für g B
angeben:
(28)
εg =
∆g B
gB
ε=
g
σ
∆L
+2 T
L
T
also:
(29)
Dieser Gleichung kann man entnehmen, dass sich der relative Fehler von T , σ T / T , doppelt, der relative
Fehler von L, ∆L/L, jedoch nur einfach im Ergebnis niederschlägt. Soll dies kompensiert werden, so darf
der relative Fehler von T nur halb so groß werden wie der relative Fehler von L. Das lässt sich durch eine
ausreichende Anzahl von Messungen der Periodendauer immer erreichen (s. Gl. (8)) und sollte bereits bei
der Planung des Experiments berücksichtigt werden.
11
Siehe z.B. http://www.ptb.de/cartoweb3/SISproject.php
56
11
Anhang
11.1 Lineare Regression, Ausgleichsgeraden
11.1.1 Ausgleichsgeraden der Form y = ax + b
Es kommt in der Praxis recht häufig vor, dass zwei Größen x und y linear voneinander abhängen, d.h. sie
sind über eine Geradengleichung miteinander verknüpft: y = ax + b. Ziel der Messung ist es dann oftmals,
die Größen a und b zu ermitteln. Nehmen wir als Beispiel den zeitlichen Verlauf der Geschwindigkeit v bei
einer gleichmäßig beschleunigten Bewegung: v(t) = at + v 0 mit a: Beschleunigung, t: Zeit und v 0 : Anfangsgeschwindigkeit. Wir messen v(t) (abhängige Variable) bei bestimmten Vorgabewerten von t
(unabhängige Variable), um einen Wert für die Beschleunigung a und die Anfangsgeschwindigkeit v 0 zu
erhalten.
Tragen wir gem. Abb. 7 die Messwerte v(t) über t auf, so erwarten wir, dass die eingezeichneten Messpunkte
auf einer Geraden liegen, deren Steigung dem gesuchten Wert für a und deren v-Achsabschnitt dem
gesuchten Wert für v 0 entspricht. Wollen wir diese Gerade in das Diagramm der Messwerte einzeichnen,
so stellen wir fest, dass es mehrere Steigungen und Achsabschnitte gibt, bei denen die Messwerte mehr
oder weniger gut getroffen werden. Welche Parameter sind aber nun die richtigen? Diese Frage lässt sich
wieder nur im Sinne einer Wahrscheinlichkeitsaussage beantworten. Wir wollen die Antwort im Folgenden
geben.
Wir kehren zurück zu unserer Funktion y = ax + b. Wie in der Praxis häufig der Fall, geben wir N Werte
der Größe x vor, zu denen wir N Messwerte der Größe y bestimmen. Die Fehler der Vorgabewerte von x
seien zu vernachlässigen, die Fehler der Messwerte von y seien zufällig verteilt. Wir behaupten, dass die
Bestwerte A und B für die Parameter a und b der Geradengleichung dann gefunden wurden, wenn die
Summe der Quadrate der vertikalen Abstände der Messwerte von der durch A und B bestimmten „Ausgleichsgeraden“ minimal ist, wenn also gilt:
N
(30)
∑  yi − ( Axi + B )
2
→ Minimum
i =1
Frage 3:
- Wie lässt sich dieser Ansatz begründen?
Abb. 7: Wo liegt die beste Ausgleichsgerade durch die roten Messwerte?
Mit Hilfe der Differentialrechnung lässt sich eine Lösung für die in Gl. (30) dargestellte Forderung relativ
einfach bestimmen. Man findet für A und B (Summation jeweils von 1 bis N):
57
(31)
(32)
A=
N ( ∑ xi yi ) − ( ∑ xi )( ∑ yi )
B=
( ∑ yi )( ∑ xi2 ) − ( ∑ xi yi )( ∑ xi )
N ( ∑ xi2 ) − ( ∑ xi )2
N ( ∑ xi2 ) − ( ∑ xi )2
Natürlich sind auch diese Bestwerte mit Fehlern behaftet, die wir nun suchen. Die fehlerbehafteten Größen
in Gl. (31) und (32) sind die y i . Für die Varianz der y i ergibt sich als Bestwert (s. Gl. (7)):
=
σ y
(33)
2
1
2
( Axi + B − yi )
∑
N −2
wobei die Division durch (N - 2) anstatt durch (N - 1) darauf zurückzuführen ist, dass die Bestwerte A und
B in die Berechnung der Größe σ
2
y
einfließen. Wendet man nun die Fehlerfortpflanzung auf Gl. (31) und
(32) an und setzt für σ y Gl. (33) ein, so findet man als Bestwerte für die Standardabweichungen von A und
B (D ist eine in Gl. (36) definierte Hilfsgröße):
(34)
σ A = ND
(35)
σ B = D ∑ xi2
mit
1 ∑ ( Axi + B − yi )
D=
N − 2 N (∑ xi2 ) − (∑ xi ) 2
2
(36)
Im Praktikum wird die Software Origin für diese Berechnungen eingesetzt. Sie liefert die gesuchten
Daten durch ein paar Mausklicks (→ Analyse → Anpassen → Linearer Fit). Rechnen Sie die Parameter
von Ausgleichsgeraden niemals „zu Fuß“ aus, das wäre viel zu zeitaufwändig!
11.1.2 Ausgleichsgeraden der Form y = ax + b mit vorgegebenem b
In der Praxis kommt es auch vor, dass Messwerte durch eine lineare Funktion y = ax + b miteinander verknüpft sind, für die der Achsabschnitt b fest vorgegeben ist. Als Beispiel sei das OHMsche Gesetz U = RI
genannt: misst man die Spannung U als Funktion des Stromes I, so ergibt sich als Ausgleichsgerade durch
die Messwerte eine Gerade durch den Ursprung (b = 0) mit der Steigung R. Die Bedingung für die Berechnung des Bestwertes A der Steigung a der Ausgleichsgeraden lautet analog zu Gl. (30) in diesem Fall:
N
(37)
∑[
i =1
2
yi − Axi ] → Minimum
und man findet mit Hilfe der Differentialrechnung für A und mit Hilfe der Fehlerfortpflanzung für σ A :
(38)
A=
∑x y
∑x
i
i
2
i
58
(39)
σA =
∑( y
i
− Axi )
2
( N − 2 ) ∑ xi2
Um entsprechende Berechnungen mit Origin durchzuführen, muss im Fenster Lineare Anpassung der
Haken im Feld Fester Schnittpunkt mit der Y-Achse gesetzt und der Zahlenwert für b eingetragen
werden.
11.1.3 Ausgleichsgeraden der Form y = ax + b mit vorgegebenem a
Auch der umgekehrte Fall, in dem die Steigung a der Ausgleichsgeraden fest vorgegeben ist und nur der
Achsabschnitt b der Ausgleichsgeraden gesucht wird, kommt gelegentlich vor. Die Bedingung für die
Berechnung des Bestwertes B von b lautet wieder analog zu Gl. (30):
2
N
(40)
∑  yi − ( axi + B ) → Minimum
i =1
wobei diesmal nur B ein freier Parameter für die Bestimmung des Minimums ist. Für B und σ B ergibt sich
in diesem Fall:
(41)
B=
∑y
(42)
=
σB
i
− a ∑ xi
N
1
( axi + B − yi )2
∑
N ( N − 2)
Um entsprechende Berechnungen mit Origin durchzuführen, muss im Fenster Lineare Anpassung der
Haken im Feld Feste Steigung gesetzt und der Zahlenwert für a eingetragen werden.
11.2 Linearisierungen
Mit Hilfe recht elementarer mathematischer Umformungen lassen sich oftmals nichtlineare Zusammenhänge von Messgrößen linearisieren, so dass es möglich wird, auch in solchen Fällen die lineare Regression
zur Bestimmung von Bestwerten für gesuchte Größen anzuwenden. So wird z.B. aus einem Potenz-Zusammenhang der Form:
(43)
y = bx a
durch einfaches Logarithmieren der lineare Zusammenhang (Geradengleichung):
(44)
log
log
also
y =
b + a log
x

y
b
y =
b + ax
x
Bei solchen logarithmierten Zusammenhängen muss eines beachtet werden: der Logarithmus einer physikalischen Größe y, die durch das Produkt aus Zahlenwert mal Einheit gegeben ist, lässt sich nicht direkt
bilden, da der Logarithmus einer Einheit keinen Sinn macht. Deshalb müssen solche Größen per Division
durch ihre Einheit zunächst dimensionslos gemacht werden, ehe Umrechnungen der Art Gl. (43) nach Gl.
(44) erfolgen dürfen. Dazu ein Beispiel: aus dem ohmschen Widerstand R wird r = R/Ω, aus der Spannung
U wird u = U/V, aus der Stromstärke I wird i = I/A und damit aus dem ohmschen Gesetz R = U/I die
modifizierte Form r = u/i, das in logarithmierter Form lautet: log r = log u – log i.
59
Tragen wir gem. Gl. (44) y über x doppelt-logarithmisch auf (also log y über log x), so erhalten wir als beste
Ausgleichskurve durch die Messwerte eine Gerade mit dem Achsabschnitt log b und der Steigung a. Die
Bestwerte für a und log b dieser Geraden finden wir mit Hilfe der linearen Regression, die wir in diesem
Fall auf Gl. (44) anwenden müssen.
Logarithmieren macht auch aus einem exponentiellen Zusammenhang der Form:
(45)
y = be ax
einen linearen Zusammenhang:
(46)
ln y =
ln b + ax ln e =
ln b + ax
Tragen wir in diesem Fall y über x halb-logarithmisch auf, so erhalten wir auch hier als beste Ausgleichskurve eine Gerade, für deren Achsabschnitt ln b und Steigung a wir mit Hilfe der jetzt auf Gl. (46) angewandten linearen Regression die Bestwerte finden.
Bei Verwendung von Logarithmenpapieren ist zu beachten, dass diese immer für den dekadischen Logarithmus (log, Basis 10) ausgelegt sind. In Gl. (46) haben wir es aber mit dem natürlichen Logarithmus (ln,
Basis e) zu tun. Werden daher Größen auf grafischem Wege einem Diagramm auf Logarithmenpapier
entnommen oder sollen berechnete Größen dort eingetragen werden, müssen sie geeignet umgerechnet
werden (Erinnerung: log x = ln x/ln 10; ln x = log x/log e).
Im Praktikum wird zur Berechnung der Parameter von Ausgleichgeraden in logarithmierten Diagrammen
die Software Origin eingesetzt. Dazu muss im Fenster Lineare Anpassung der Haken im
Feld Scheinbarer Fit 12 gesetzt werden.
Frage 4:
- Das exponentielle Schwächungsgesetz=
I ( x ) I 0 exp ( − µ x ) beschreibt die Schwächung der Intensität
I einer Strahlung beim Durchgang durch eine Materieschicht der Dicke x. I 0 ist die Anfangsintensität
der Strahlung an der Stelle x = 0 und µ ein materialabhängiger Abschwächungskoeffizient ([µ] = 1/m).
Skizzieren Sie I(x) in linearer und halblogarithmischer Darstellung (Abszisse x jeweils linear). Wie lässt
sich aus dem halb-logarithmischen Diagramm der Abschwächungskoeffizient µ gewinnen?
11.3 Korrelation
Gelegentlich, wenngleich im Basispraktikum eher selten, muss untersucht werden, ob ein vermuteter
linearer Zusammenhang zwischen zwei Größen x und y tatsächlich existiert, ob die beiden Größen also
miteinander korreliert sind. Nicht immer sieht man es dem Diagramm der Messwerte an, ob die eingetragenen Messwerte „gut“ auf einer Geraden liegen oder nicht. In jedem Fall stellt sich die Frage: wie „gut“
ist „gut genug“, um die Hypothese, x und y seien miteinander korreliert, nicht verwerfen zu müssen? Die
quantitative Antwort auf diese Frage liefert die Berechnung des Korrelationskoeffizienten r. Er ist gegeben
durch:
(47)
12
r=
∑ ( xi − x )( yi − y )
∑ ( xi − x )2 ∑ ( yi − y )2
Der Fit heißt scheinbar, weil die Daten im Origin-Arbeitsblatt weiterhin in ihrer ursprünglichen, linearen Form
vorliegen. Nur im Diagramm, das dem Fit zu Grunde gelegt wird, erscheinen die Daten logarithmiert, wenn für
die Skalierung der entsprechenden Achsen als Art „log10“, „log2“ oder „ln“ gewählt wurde.
60
wobei x und y die arithmetischen Mittelwerte der Messwerte von x und y sind. Der Korrelationskoeffizient kann nur Werte zwischen -1 und +1 annehmen. Für die Beurteilung der Frage, ob zwei Größen miteinander korreliert sind, ist der Betrag von r maßgebend. Für |r| = 1 sind die Größen perfekt miteinander
korreliert, für |r| = 0 sind sie unkorreliert. Für alle Werte dazwischen lassen sich Wahrscheinlichkeitsaussagen machen, die zusätzlich von der Zahl N der durchgeführten Messungen abhängen. Für N = 10 und
|r| ≥ 0,8 ist beispielsweise die Wahrscheinlichkeit P, dass die Größen unkorreliert sind, P = 0,5 %. Aus
Tabelle 1 (Kap. 11.5) können für weitere Kombinationen von N und |r| die zugehörigen Wahrscheinlichkeiten abgelesen werden.
11.4 Fehler gewichteter Mittelwerte
Eine Messgröße h werde in M Messungen (Nr. i = 1,...,M) unter jeweils veränderten Bedingungen gemessen. Das Ergebnis der einzelnen Messungen habe zu den Messergebnissen h i und den Messunsicherheiten
σ i geführt.
Ziel ist nun, aus den M Werten h i ein Endergebnis für die gesuchte Größe h zu berechnen. Im einfachsten
Fall wäre dies das arithmetische Mittel der h i . Dabei bliebe jedoch unberücksichtigt, dass die h i unter Umständen recht unterschiedliche Messunsicherheiten σ i aufweisen können, weil beispielsweise die erreichbare Messgenauigkeit nicht für alle Messreihen die gleiche war.
In solchen Fällen berechnet man statt des arithmetischen Mittels der h i einen gewichteten Mittelwert h g .
Sind g i die Gewichte, mit denen die Einzelwerte h i bei der Berechnung von h g berücksichtigt werden sollen,
so gilt bei Summation von 1 bis M:
(48)
hg =
∑ hi gi
∑ gi
In der Regel wählt man als Gewichte die Reziprokwerte der Varianzen:
(49)
gi =
1
σ i2
Dann erhält man bei Anwendung der Fehlerfortpflanzung auf Gl. (48) für die Messunsichertheit σ g des
gewichteten Mittelwertes bei Summation von 1 bis M:
2
(50)
σg
=
 ∂ hg 
=
∑ ∂ h σi 
i



1 
 ∑ 2 
 σi 
−
1
2
Frage 5:
- Wie gelangt man zu diesem Resultat? Was ergibt sich für σ g im speziellen Fall g i = const. = 1?
61
11.5 Tabellen
Tabelle 1:
Prozentuale Wahrscheinlichkeit dafür, dass zwei Messgrößen, die N-mal gemessen wurden und einen
Korrelationskoeffizienten |r| ≥ |r b | aufweisen, unkorreliert sind (nach /1/).
|rb|→
0
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
0,6
0,7
0,8
0,9
1
N↓
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
25
30
35
40
45
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
94
90
87
85
83
81
80
78
77
76
75
73
72
71
70
69
68
67
63
60
57
54
51
87
80
75
70
67
63
61
58
56
53
51
49
47
46
44
43
41
40
34
29
25
22
19
81
70
62
56
51
47
43
40
37
34
32
30
28
26
24
23
21
20
15
11
8,0
6,0
4,5
74
60
50
43
37
33
29
25
22
20
18
16
14
12
11
10
9,0
8,1
4,8
2,9
1,7
1,1
0,6
67
50
39
31
25
21
17
14
12
9,8
8,2
6,9
5,8
4,9
4,1
3,5
2,9
2,5
1,1
0,5
0,2
0,1
59
40
28
21
15
12
8,8
6,7
5,1
3,9
3,0
2,3
1,8
1,4
1,1
0,8
0,7
0,5
0,2
0,1
51
30
19
12
8,0
5,3
3,6
2,4
1,6
1,1
0,8
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0,1
0,1
41
20
10
5,6
3,1
1,7
1,0
0,5
0,3
0,2
0,1
0,1
29
10
3,7
1,4
0,6
0,2
0,1
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
|rb|→
0
0,05
0,1
0,15
0,2
0,25
0,3
0,35
0,4
0,45
N↓
50
60
70
80
90
100
100
100
100
100
100
100
73
70
68
66
64
62
49
45
41
38
35
32
30
25
22
18
16
14
16
13
9,7
7,5
5,9
4,6
8,0
5,4
3,7
2,5
1,7
1,2
3,4
2,0
1,2
0,7
0,4
0,2
1,3
0,6
0,3
0,1
0,1
0,4
0,2
0,1
0,1
62
Tabelle 2:
Werte der Integrale P(a) über die Gaußfunktion (error-function) als Funktion des Parameters a für beliebige
Werte von Mittelwert t und Standardabweichung σ (aus /1/; beachte den Faktor 100 gegenüber Gl. (5) ff.):
P(a ) =
100
σ 2π
t + aσ
∫
−
e
( t − t )2
2σ 2
t − aσ
Exemplarisch markiert: P(a = 1,00) = 68,27, P(a = 2,00) = 95,45, P(a = 3,00) = 99,73
a
0,0
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
0,6
0,7
0,8
0,9
1,0
1,1
1,2
1,3
1,4
1,5
1,6
1,7
1,8
1,9
2,0
2,1
2,2
2,3
2,4
2,5
2,6
2,7
2,8
2,9
3,0
3,5
4,0
4,5
5,0
0,00
0,00
7,97
15,85
23,58
31,08
38,29
45,15
51,61
57,63
63,19
68,27
72,87
76,99
80,64
83,85
86,64
89,04
91,09
92,81
94,26
95,45
96,43
97,22
97,86
98,36
98,76
99,07
99,31
99,49
99,63
99,73
99,95
99,994
99,9993
99,99994
0,01
0,80
8,76
16,63
24,34
31,82
38,99
45,81
52,23
58,21
63,72
68,75
73,30
77,37
80,98
84,15
86,90
89,26
91,27
91,97
94,39
95,56
96,51
97,29
97,91
98,40
98,79
99,09
99,33
99,50
99,64
0,02
1,60
9,55
17,41
25,10
32,55
39,69
46,47
52,85
58,78
64,24
69,23
73,73
77,75
81,32
84,44
87,15
89,48
91,46
93,12
94,51
95,66
96,60
97,36
97,97
98,45
98,83
99,12
99,35
99,52
99,65
0,03
2,39
10,34
18,19
25,86
33,28
40,39
47,13
53,46
39,35
64,76
69,70
74,15
78,13
81,65
84,73
87,40
89,69
91,64
93,28
94,64
95,76
96,68
97,43
98,02
98,49
98,86
99,15
99,37
99,53
99,66
0,04
3,19
11,13
18,97
26,61
34,01
41,08
47,78
54,07
59,91
65,28
70,17
74,57
78,50
81,98
85,01
87,64
89,90
91,81
93,42
94,76
95,86
96,76
97,49
98,07
98,53
98,89
99,17
99,39
99,55
99,67
0,05
3,99
11,92
19,74
27,37
34,73
41,77
48,43
54,67
60,47
65,79
70,63
74,99
78,87
82,30
85,29
87,89
90,11
91,99
93,57
94,88
95,96
96,84
97,56
98,12
98,57
98,92
99,20
99,40
99,56
99,68
0,06
4,78
12,71
20,51
28,12
35,45
42,45
49,07
55,27
61,02
66,29
71,09
75,40
79,23
82,62
85,57
88,12
90,31
92,16
93,71
95,00
96,06
96,92
97,62
98,17
98,61
98,95
99,22
99,42
99,58
99,69
0,07
5,58
13,50
21,28
28,86
36,16
43,13
49,71
55,87
61,57
66,80
71,54
75,80
79,59
82,93
85,84
88,36
90,51
92,33
93,85
95,12
96,15
97,00
97,68
98,22
98,65
98,98
99,24
99,44
99,59
99,70
0,08
6,38
14,28
22,05
29,61
36,88
43,81
50,35
56,46
62,11
67,29
71,99
76,20
79,95
83,24
86,11
88,59
90,70
92,49
93,99
95,23
96,25
97,07
97,74
98,27
98,69
99,01
99,26
99,46
99,60
99,71
0,09
7,17
15,07
22,82
30,35
37,59
44,48
50,98
57,05
62,65
67,78
72,43
76,60
80,29
83,55
86,38
88,82
90,90
92,65
94,12
95,34
96,34
97,15
97,80
98,32
98,72
99,04
99,29
99,47
99,61
99,72
63
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Praktikum im Modul Physik I für Studierende der Umweltwissenschaften
Oszilloskop und Funktionsgenerator
Stichworte:
Anode, Kathode, Kathodenstrahlröhre, Elektronenablenkung, Ablenkplatten, Trigger, AC/DC-Kopplung, Gleichspannung, Wechselspannung, Frequenz, Kreisfrequenz, Periode, Amplitude, Phase, Phasendifferenz, Scheitel- und Effektivwert von Wechselspannungen, LISSAJOUS-Figuren, harmonische
Schwingung.
Literatur:
/1/ WALCHER, W.: „Praktikum der Physik“, Teubner Studienbücher Physik, Teubner-Verlag, Stuttgart
/2/ EICHLER, H. J., KRONFELDT, H.-D., SAHM, J.: „Das Neue Physikalische Grundpraktikum“, Springer-Verlag, Berlin u. a.
/3/ GERTHSEN, C. u.a.: „Physik“, Springer-Verlag, Berlin u. a.
1
Einleitung
Das Oszilloskop zählt zu den wichtigen Messinstrumenten in der experimentellen Physik. Mit ihm ist es
möglich, den Verlauf einer elektrischen Spannung U y als Funktion der Zeit t oder als Funktion einer
Spannung U x in „Echtzeit“ („Real-Time“) zu beobachten und quantitativ zu vermessen. Der zeitliche
Verlauf aller physikalischen Größen, die mit einem geeigneten Sensor (Messwertaufnehmer, Messgrößenaufnehmer) in eine elektrische Spannung umgewandelt werden können 1, ist mit einem Oszilloskop
darstellbar. Hinsichtlich der Amplitude und Frequenz der messbaren Signale bestehen nur wenige Einschränkungen: Ist man bereit, genügend viel Geld auszugeben, so lässt sich mit ziemlicher Sicherheit ein
Oszilloskop finden, das den gestellten Anforderungen gewachsen ist.
Auch im Basispraktikum ist das Oszilloskop ein häufig eingesetztes Messgerät. In einigen Versuchen ist
es wesentlicher Bestandteil des Versuchsaufbaus und liefert die quantitativen Daten, die für die Versuchsauswertung benötigt werden. In anderen Versuchen dient es der qualitativen Kontrolle, ob eine
Schaltung richtig aufgebaut wurde und funktionstüchtig ist, ob ein Sensor das richtige Signal liefert usw.
Um die Versuche im Praktikum erfolgreich durchführen zu können, ist daher eine gründliche Kenntnis
des Oszilloskops unabdingbar.
Bis vor einigen Jahren waren vielfach noch Elektronenstrahl-Oszilloskope im Einsatz. Heute sind diese
Geräte überwiegend durch Digital-Speicher-Oszilloskope verdrängt worden. Auch in diesem Versuch und
im Praktikum generell wird mit Digital-Speicher-Oszilloskopen gearbeitet. Dennoch wird im Theorieteil
zunächst kurz das Prinzip des Elektronenstrahl-Oszilloskops dargestellt, da sich einige grundlegende
Funktionsprinzipien von Oszilloskopen damit einfach und anschaulich erklären lassen.
2
Theorie
2.1
Elektronenstrahl-Oszilloskop
Abb. 1 zeigt den schematischen Aufbau einer Oszilloskopröhre; die realen Bauformen der einzelnen
Komponenten sind erheblich komplexer (Abb. 2). Die auf Massepotenzial (0 V) liegende Kathode K wird
über eine Heizwendel indirekt so weit aufgeheizt (Heizspannung U H ), dass es zur Glühemission von
Elektronen kommt. Im Abstand d A von der Kathode befindet sich die in der Mitte durchbohrte Anode A.
1
Einzelheiten dazu werden im Versuch „Sensoren für Kraft, Druck, ...“ behandelt.
64
Zwischen K und A wird eine positive Hochspannung U A in der Größenordnung von 1000 V angelegt.
Dadurch entsteht zwischen K und A ein elektrisches Feld E A vom Betrag
(1)
EA =
UA
,
dA
durch das auf die Elektronen mit der Ladung e eine Kraft F A vom Betrag
(2)
FA = e E A
ausgeübt wird. Diese Kraft beschleunigt die Elektronen in Richtung Anode. Nach Durchtritt durch das
Loch in der Anode treffen die Elektronen auf den Leuchtschirm L, wo sie beim Auftreffen abgebremst
werden und den Phosphor des Schirms zur Fluoreszenz anregen. Dadurch entsteht ein sichtbarer Leuchtfleck, dessen Größe mit Hilfe der Spannung U F an der Fokussiereinheit F minimiert werden kann.
Uy
K W F
Ux
A
UH~
- UW
+UA
L
+UF
Abb. 1: Schematischer Aufbau einer Elektronenstrahl-Oszilloskopröhre. Bezeichnungen siehe Text. Die
strichpunktierte grüne Linie gibt schematisch die Bahn der Elektronen im Fall U X = U Y = 0 an.
Abb. 2: Foto des hinteren Endes einer Elektronenstrahl-Oszilloskopröhre. Es zeigt die komplexe Struktur der Elektroden zur Formung und Steuerung des Elektronenstrahls. Am Ende der Röhre und
rechts am Röhrenmantel sind die Anschlusskontakte für die verschiedenen Elektroden zu erkennen.
65
VOLTS
/ DIV
MODE
AC
CH1
X
Y1
CH 1
CH 2
CH 1 / CH 2
CH 1 + CH 2
DC
GND
UY
VOLTS
/ DIV
AC
CH2
Y
Y2
DC
TRIGGER
GND
AUTO
LEVEL
CH1
CH2
EXT
TRIG
NORM
EXT
LINE
SLOPE
230 V ~
NETZTEIL
SEC
/ DIV
KIPPGEN.
YT
UX
XY
Abb. 3: Blockschaltbild der wichtigsten Funktionseinheiten eines Oszilloskops. Bezeichnungen siehe
Text und Abb. 4.
BNC-Buchse
- innen: Signalleitung
- außen: Massekontakt
Einheit zur Einstellung von z.B.
- Verstärkungsfaktor in VOLTS/DIV
- Zeitablenkung in SEC/DIV
- Triggerschwelle (LEVEL)
- Triggerflanke (SLOPE)
- Intensität (INTENS)
Verstärker
Schwellwertdiskriminator:
erzeugt Ausgangsimpuls, wenn
Eingangsspannung > Schwellwert
Abb. 4: Erklärung von Blockschaltbild-Elementen.
66
Mithilfe einer negativen Spannung U W zwischen K und dem WEHNELT-Zylinder W kann die Intensität
des Leuchtpunktes variiert werden. Das durch U W hervorgerufene elektrische Feld E W ist zum Feld E A
entgegen gerichtet und bremst die Elektronen. Nur Elektronen ausreichender kinetischer Energie können
die Anode erreichen.
Die X- und Y-Ablenkplatten (blau in Abb. 1) bilden paarweise je einen Plattenkondensator und dienen zur
horizontalen und vertikalen Ablenkung des Elektronenstrahls. Wird an die Y-Ablenkplatten die Ablenkspannung U Y angelegt, so entsteht zwischen den Platten bei einem Plattenabstand d Y ein elektrisches Feld
E Y vom Betrag
(3)
EY =
UY
,
dY
durch das auf die Elektronen während ihres Durchflugs eine Kraft F Y vom Betrag
(4)
=
FY e=
EY e
UY
dY
ausgeübt wird. Je nach Vorzeichen und Höhe der Spannung U Y werden die Elektronen deshalb mehr oder
weniger stark nach oben oder unten abgelenkt und erreichen den Leuchtschirm in vertikaler Richtung an
einer anderen Stelle. Analoge Überlegungen gelten für die X-Ablenkplatten, mit denen eine Ablenkung
der Elektronen in horizontaler Richtung erreicht werden kann.
Abb. 3 zeigt in einem Blockschaltbild die wichtigsten (nicht alle!) Funktionseinheiten für die Ansteuerung der einzelnen Elemente der Oszilloskopröhre. In Abb. 4 wird die Funktion der Blockschaltbild-Elemente erklärt. Abb. 5 zeigt die Frontansicht der Steuereinheiten eines typischen Elektronenstrahl-Oszilloskops.
Bei dem mit Abb. 3 und Abb. 5 beschriebenen Gerät handelt es sich um ein so genanntes 2-KanalOszilloskop mit zwei Signaleingängen. Die Eingänge sind als BNC-Buchsen ausgelegt und heißen
Kanal 1 (Channel 1; häufig bezeichnet mit CH1 2 oder X oder Y1) und Kanal 2 (CH2 oder Y oder Y2).
Zusätzlich gibt es einen BNC-Eingang für ein externes Triggersignal (EXT INPUT oder EXT TRIG).
In der Stellung DC 3 des Kanal-Eingangsschalters gelangt das jeweilige Eingangssignal direkt auf einen
Eingangsverstärker, in der Schalterstellung AC 4 nur sein Wechselspannungsanteil 5. In der Stellung GND
(Ground) wird der Eingang auf Massepotenzial gelegt.
Mit dem Drehschalter VOLTS/DIV wird der Verstärkungsfaktor des Eingangsverstärkers variiert und
festgelegt, wie viel Volt (VOLTS) des Eingangssignals zu einer Elektronenstrahlablenkung von einer
Längeneinheit (einer DIVision, meistens 1 cm) auf dem Oszilloskopbildschirm führen. Die VOLTS/DIVEinstellung bestimmt also die vertikale Größe eines Signals auf dem Oszilloskopbildschirm. Die horizontale und die vertikale Lage des Oszilloskopbildes wird dagegen über die POSITION-Potentiometer
verändert, über die eine positive oder negative Gleichspannung variabler Größe zu den Ablenkspannungen U Y und U X hinzu addiert wird.
2
3
4
5
In der Schriftart ARIAL gesetzte Bezeichnungen entsprechen den Beschriftungen auf der Frontplatte des
Oszilloskops.
DC: direct current (Gleichstrom); hier ist mit „DC“ Gleichspannungskopplung gemeint.
AC: alternating current (Wechselstrom); hier ist mit „AC“ Wechselspannungskopplung gemeint.
Einzelheiten zu Gleich- und Wechselspannungssignalen siehe Kapitel „Zum Aufbau elektrischer Schaltungen…“
dieses Skriptes.
67
Abb. 5: Frontansicht der Steuereinheiten des Elektronenstrahl-Oszilloskops TEKTRONIX 2213A
(Quelle: TEKTRONIX-Manual).
2.1.1 XY- und YT-Betrieb
Das Oszilloskop kann je nach Einstellung der Funktionsgruppe MODE in verschiedenen Modi arbeiten:
−
−
−
Im XY-Betrieb wird der Signalverlauf U y (U x ) dargestellt. Hierzu gelangt das Signal vom
Eingang CH1 (X) über einen Eingangsverstärker als Spannung U X an die X-Ablenkplatten und das
Signal vom Eingang CH2 (Y) über einen Eingangsverstärker als Spannung U Y an die YAblenkplatten.
Im YT-Betrieb werden Signale als Funktion der Zeit t dargestellt: U y1 (t), U y2 (t) oder U y1 (t) + U y2 (t).
Hierzu gelangen die Signale von CH1 bzw. von CH2 nach Verstärkung an die Y-Ablenkplatten. Ein
Kippgenerator erzeugt eine Sägezahnspannung mit der Periodendauer t d , die als Ablenkspannung U X
für eine periodisch sich wiederholende horizontale Ablenkung des Elektronenstrahls sorgt (s. Abb. 6).
Der Kippgenerator mit zugehörigen Komponenten (u.a. SEC/DIV-Schalter) wird auch als Zeitbasis
oder Time-Base bezeichnet.
Mit dem Zeitablenkschalter (SEC/DIV) wird im YT-Betrieb festgelegt, welche Zeit t e der
Elektronenstrahl benötigt, um auf dem Oszilloskopschirm in horizontaler Richtung eine Strecke von
einer Längeneinheit (1 DIV) zurückzulegen. Bei einer Bildschirmbreite von m DIVisions gilt
td = m te.
68
UX
tr
t
td
Abb. 6: Sägezahnspannung des Kippgenerators. Während der Zeit t d läuft der Elektronenstrahl mit
gleichmäßiger Geschwindigkeit von links nach rechts, während der Zeit t r läuft er von rechts
nach links an den Bildanfang zurück. Durch Verringerung von U W wird erreicht, dass der Strahl
während des Rücklaufs nicht auf den Leuchtschirm gelangt.
2.1.2 Synchronisierung (Triggerung)
Um auf dem Oszilloskopschirm ein periodisches Signal U y (t) mit der Periodendauer T als stehendes Bild
darzustellen, muss U y (t) mit der horizontalen Ablenkspannung U X (t) synchronisiert werden. Dieser Vorgang der Synchronisation heißt Triggerung. Sie wird über die Funktionseinheit Trigger gesteuert. Abb. 7
demonstriert die Triggerung anhand eines Beispiels für den Fall T ≥ t d + t r . Der Kippgenerator erzeugt die
nächste Periode von U X (t) erst dann, wenn die Eingangsspannung U y (t) gleich der Schwellenspannung U L
(TRIGGER LEVEL) ist und die Steigung (SLOPE) von U y (t) das am Trigger-Schalter SLOPE eingestellte Vorzeichen hat („+“ in dem in Abb. 7 dargestellten Fall). Nur wenn beide Bedingungen erfüllt sind
wird getriggert, d. h. der Elektronenstrahl läuft einmal von links nach rechts über den Oszilloskopschirm
und wartet anschließend am linken Rand auf das nächste Triggerereignis.
Uy
UL
T
t
UX
t
td + tr
Abb. 7: Signaltriggerung. Oben Eingangssignal U y (t), unten Signal U X (t) des Kippgenerators. U L : Trigger-Level.
Mit den Elementen der Funktionseinheit TRIGGER wird eingestellt, ob das Oszilloskop im oben
beschriebenen NORMal- oder im AUTO-Triggermodus betrieben werden soll:
−
Im NORMal-Modus kann eingestellt werden, auf welches Signal getriggert (synchronisiert) werden
soll. Möglich sind die INTerne Triggerung auf ein an CH1 oder CH2 anliegendes Signal, auf
ein EXTernes Signal, das dem Oszilloskop über die EXT INPUT / TRIG-Buchse zugeführt wird oder
auf die Netzspannung (LINE).
−
Im AUTO-Modus findet eine Triggerung wie im NORMal-Modus statt, falls das Eingangssignal die
Triggerbedingung erfüllt; andernfalls wird die nächste Periode der Sägezahnspannung auch ohne
Triggerung erzeugt. In dieser Betriebsart kann der Elektronenstrahl auch dann sichtbar gemacht werden, wenn der Kanal-Eingangsschalter auf GND steht. In diesem Fall ist U y (t) = 0, sodass die
Triggerbedingung (U y > U L ) für das Loslaufen des Elektronenstrahls gar nicht erfüllt werden kann.
69
Frage 1:
- Was bedeutet es für die Triggerung des Oszilloskops, wenn die TRIGGER-Wahlschalter auf
a) NORM, EXT, „-“,
b) NORM, CH1, „+“
stehen?
Frage 2:
- Auf dem Oszilloskopschirm mögen zwei sinusförmige Spannungsverläufe U y1 (t) und U y2 (t) zu sehen
sein. Wie lassen sich die Periodendauern T, die Frequenzen f und die Kreisfrequenzen ω der Signale
ermitteln? Wie lautet der formelmäßige Zusammenhang zwischen diesen Größen? Wie lassen sich die
Amplituden U y1,0 und U y2,0 der Spannungssignale bestimmen?
Frage 3:
- Angenommen, die Signale U y1 (t) und U y2 (t) haben die gleichen Frequenzen, sind jedoch seitlich
gegeneinander versetzt, d. h. phasenverschoben. Wie lässt sich dann der Betrag der Phasenverschiebung ϕ (in Grad) der beiden Signale ermitteln (Formel)?
2.2
Digital-Speicher-Oszilloskop
2.2.1 Grundlagen
Ein Digital-Speicher-Oszilloskop (kurz: Digital-Oszilloskop) ist im Grunde nichts anderes als ein Computer, der neben den üblichen Einheiten wie CPU, internem / externen Speicher, Bussystem und Software
folgende spezielle Komponenten enthält:
−
−
−
Ein Bedienfeld mit Drehknöpfen (z.B. VOLTS/DIV, SEC/DIV, LEVEL,…) und Tasten (z.B. CH1/2
MENU, TRIG MENU, CURSOR,…), s. Abb. 9 und Abb. 10, über die die Steuerung der Software
erfolgt (statt über Tastatur und Maus).
Eine Einheit zur Erfassung und Digitalisierung von Spannungssignalen, die an die BNCBuchsen CH1, CH2 und EXTR TRIG angelegt werden.
Einen LCD-Bildschirm zur Anzeige der erfassten Signale, zur Ausgabe von Messwerten und Einstellungsparametern sowie zur Darstellung der Menüs zur Gerätesteuerung (s. Abb. 11, Abb. 12, Abb.
13).
Die analogen Eingangssignale werden mit einem Analog/Digital-Wandler (A/D-Wandler) in digitale
Signale umgewandelt. Details dieses Wandlungsprozesses werden in einem separaten Versuch „Datenerfassung und –verarbeitung mit dem PC...“ behandelt. Deshalb werden im Folgenden nur einige Grundbegriffe erläutert.
Die Umwandlung analog → digital geschieht nicht kontinuierlich, sondern nur zu diskreten, periodisch
angeordneten Zeitpunkten, den so genannten Abtastpunkten (sampling points, Abb. 8). Die Häufigkeit,
mit der ein Signal abgetastet wird, ist durch die Abtastrate oder Abtastfrequenz f a vorgegeben, ihr Kehrwert ist das Abtastintervall T a . Je höher f a , je kleiner also T a , desto präziser kann der zeitliche Verlauf
eines Eingangssignals dargestellt werden. Bei den im Praktikum eingesetzten Geräten beträgt f a maximal
1 GHz.
Die höchstmögliche Abtastfrequenz f a bestimmt nach dem Abtasttheorem 6 gleichzeitig die maximale
Frequenz f s eines harmonischen Eingangssignals, die mit einem Digital-Oszilloskop noch erfasst werden
kann. Für eine korrekte Signalerfassung muss die Bedingung
6
Weitere Details zum Abtasttheorem und zum Aliasing werden im späteren Versuch „Fourieranalyse“ behandelt.
70
(5)
fa > 2 fs
erfüllt sein, andernfalls treten Fehler auf (Aliasing).
U
Ta
t
∆U
Abb. 8: Abtastung eines Sinussignals (rot). Die Abtastpunkte (blau) haben den zeitlichen Abstand
T a = 1/f a voneinander. ∆U gibt die maximale Spannungsdifferenz im dargestellten Signal an.
Um den Spannungswert an einem Abtastpunkt möglichst genau bestimmen zu können, benötigt man
einen A/D-Wandler mit möglichst großer Auflösung, die durch die Zahl n der verfügbaren Bits gegeben
ist. n Bits erlauben eine relative Genauigkeit für Spannungsmessungen von 1/2n. Bei den im Praktikum
eingesetzten Typen ist n = 8, es können also 28 = 256 unterschiedliche Spannungswerte erfasst werden.
Dazu zwei Beispiele:
−
Bei einer Verstärkereinstellung am VOLTS/DIV-Schalter von 1 V/DIV und 8 Divisions in vertikaler
Richtung
können
Eingangssignale
mit
maximalen
Spannungsunterschieden
von
∆U = 1 V/DIV × 8 DIV = 8 V dargestellt werden. Einzelne Spannungswerte können dann mit einer
Genauigkeit (Auflösung) von 8 V/ 28 ≈ 30 mV gemessen werden. Spannungsunterschiede im Eingangsignal, die kleiner als ca. 30 mV sind, können demnach nicht aufgelöst werden.
−
Bei einer Verstärkereinstellung von 20 mV/DIV und 8 Divisions können Eingangssignale mit
maximalen Spannungsunterschieden von ∆U = 20 mV/DIV × 8 DIV = 160 mV dargestellt werden.
Die Auflösung bei der Messung einzelner Spannungswerte beträgt dann 160 mV/ 28 ≈ 0,63 mV.
Für Messungen mit möglichst hoher Auflösung ist es deshalb wichtig, die Eingangssignale über die richtige Einstellung am VOLTS/DIV-Schalter immer so weit zu verstärken, dass sie sich in vertikaler Richtung annähernd über den gesamten Bildschirm erstrecken.
Eine weitere Größe, die die Güte eines Digital-Oszilloskops bestimmt, ist die maximale Zahl N von
Abtastwerten, die gespeichert werden können. Bei den im Praktikum eingesetzten Geräten ist N = 2.500.
Die Darstellung der Messwerte erfolgt auf einem Bildschirm mit z.B. 320 (horizontal) × 240 (vertikal)
Pixeln.
Die Signalspeicherung geschieht bei einem Digital-Oszilloskop kontinuierlich. Im Speicher stehen immer
die letzten N Abtastwerte des Signals zur Verfügung. Die Darstellung der Signale geschieht jedoch nur
dann, wenn eine Triggerung erfolgte. Die kontinuierliche Signalspeicherung hat den Vorteil, dass auch
Signalanteile vor dem Triggerzeitpunkt dargestellt werden können (Vortriggerung, englisch Pre-Triggering). So ist in der Grundeinstellung des Oszilloskops der Zeitpunkt, zu dem die Triggerung ausgelöst
wurde, in der horizontalen Bildmitte zu finden (s. Abb. 11). Mit Hilfe des HORIZONTAL POSITIONKnopfes kann dieser Zeitpunkt nach links und rechts verschoben werden.
71
Abb. 9: Frontansicht des Digital-Oszilloskops TEKTRONIX Typ TDS 220 (Quelle: TEKTRONIX-Manual).
Abb. 10: Frontansicht des Digital-Oszilloskops TEKTRONIX TDS 1012B (Quelle: TEKTRONIX-Manual).
Die Modelle TDS 1012, TDS 1012B und TDS 2012C verfügen über die Möglichkeit der Datenspeicherung auf einer SD-Karte bzw. einem USB-Speicherstick.
72
Abb. 11: Bildschirmfoto des Digital-Speicher-Oszilloskops TEKTRONIX TDS 1012, mit dem eine
sinusförmige Wechselspannung an CH1 gemessen wird. Durch Aktivierung der
Funktion MESSUNG werden am rechten Bildrand der Spitze-Spitze-Wert U SS der Spannung
(8,16 V) sowie ihre Frequenz (1,002 kHz) ausgegeben. Unten wird die Einstellung der
Parameter VOLTS/DIV (CH1 2.00V) und SEC/DIV (M 250µs) sowie die Höhe
des TRIGGER LEVELs ( 560mV) angezeigt. Das Zeichen
bedeutet Triggerung auf einen
Signalabschnitt mit positiver Steigung (SLOPE). Der nach unten zeigende Pfeil am oberen
Bildrand markiert den Triggerzeitpunkt, der nach links zeigende Pfeil am rechten Bildrand
den TRIGGER LEVEL und der nach rechts zeigende Pfeil am linken Bildrand mit der Ziffer 1
die Lage der 0 V-Linie (GND) von CH1.
2.2.2 Menüsteuerung
Viele Funktionen des Digital-Oszilloskops werden über Menüs gesteuert. Nach der Betätigung einer
Taste wie CH1 MENU, MESSUNG / MEASURE, ERFASSUNG / ACQUIRE, DISPLAY usw.
erscheint in der rechten Spalte des Bildschirms ein Menü mit fünf untereinander angeordneten Feldern.
Abb. 12 zeigt als Beispiel das Menü nach Betätigung der Taste CH1 MENU. Die Einträge in den einzelnen Feldern lassen sich durch Betätigung der rechts neben den Feldern liegenden Tasten verändern. So
führt beispielsweise eine mehrmalige Betätigung der Taste neben dem Feld Kopplung zur Änderung der
Signalkopplung: DC → AC → GND → DC → AC → GND →… Weitere Menüs sind in Abb. 13
dargestellt.
Abb. 12: Menü auf dem Bildschirm (rechte Spalte) nach Betätigung der Taste CH1 MENU. Rechts daneben die Tasten zur Änderung der Menüauswahl in den einzelnen Feldern.
73
Abb. 13: Menüs nach Betätigung unterschiedlicher Funktionstasten. Von links nach rechts und von oben
nach unten sind dargestellt: Menü DISPLAY (u.a. Umschaltung zwischen YT- und XYBetrieb), Menü TRIGGER, Menü ERFASSUNG und Menü MESSUNG.
2.2.3 Quantitative Messungen
Ein großer Vorteil von Digital-Oszilloskopen gegenüber analogen Geräten besteht in der Möglichkeit, die
gespeicherten Daten geräteintern verrechnen zu können. So können auf einfache Weise Signalmittelwerte,
Spitzenwerte von Signalen, Zeit- und Amplitudendifferenzen, Periodendauern, Signalfrequenzen usw.
gemessen werden.
Zur Messung von Parametern periodischer Signale (Periode, Frequenz, Amplitude usw.) eignet sich das
Menü MESSUNG / MEASURE. Die Ergebnisausgabe erfolgt jeweils am rechten und unteren Rand der
Anzeige. Abb. 11 und Abb. 13 unten rechts zeigen Beispiele.
Nichtperiodische Signale oder einzelne Spannungs- und Zeitwerte lassen sich mithilfe des CURSORMenüs messen (Abb. 14). Mit zwei horizontalen Cursorn (Spannungscursor) lassen sich Spannungswerte
und Spannungsdifferenzen bestimmen, mit zwei vertikalen Cursorn (Zeitcursor) Zeitwerte und Zeitdifferenzen. Die Cursor lassen sich mit Hilfe der POSITION-Knöpfe (Typ TDS 1012) oder mit einem separaten Drehknopf (Typ TDS 1012B / 2012C) verschieben. Die zu den Cursorpositionen gehörenden
Messwerte werden jeweils in Anzeigefeldern am rechten Bildrand ausgegeben.
74
Abb. 14: CURSOR-Menüs. Links zwei Spannungscursor (Typ Amplitude), die die Maxima (CURSOR 1, 100 mV) und die Minima (CURSOR 2, -102 mV) des Signals an CH1 markieren. ∆V
zeigt die Spannungsdifferenz beider Cursorwerte an (202 mV). Rechts zwei Zeitcursor
(Typ Zeit), die den Beginn (CURSOR 1, - 90 µs) und das Ende (CURSOR 2, 910 µs) einer
Periode des Signals an CH1 markieren. ∆t zeigt die Zeitdifferenz beider Cursorwerte an
(1.000 ms).
2.2.4 Speicherung von einmaligen Signalen
Ein weiterer Vorteil von Digital-Oszilloskopen gegenüber analogen Geräten besteht in der Möglichkeit,
einmalige Signale erfassen und speichern zu können. Ein Beispiel für solche Signale sind Spannungsimpulse, die eine Fotodiode nach Bestrahlung mit einem kurzen Lichtblitz ausgibt. Über das TRIGGERMenü kann man die Bedingungen einstellen (PEGEL / LEVEL, FLANKE / SLOPE,…) unter denen eine
einmalige Signalaufzeichnung erfolgen soll. Durch Betätigung der Taste RUN / STOP bzw. SINGLE
SEQ wird das Oszilloskop anschließend in eine Wartestellung versetzt (Anzeige READY in oberer
Menüzeile). Erfüllt das Eingangssignal danach die Triggerbedingungen, erfolgt die Aufzeichnung. Aufgrund der Pre-Triggerung (s. Kap. 2.2.1) ist dann auch der Signalverlauf direkt vor dem Auslösen des
Triggerereignisses sichtbar.
3
Versuchsdurchführung
Zubehör:
Digital-Oszilloskop (TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C), Funktionsgeneratoren (TOELLNER
7401), Signalformer, Stroboskop, Blitzgerät (METZ 44 AF-1), Fotodetektor (Si-Fotoelement SIEMENS
BPY64P), Glühlampe und Leuchtstofflampe in lichtdichtem Kasten, hochohmiger Spannungsteiler
100:1 zur Teilung der Netzspannung.
Hinweise:
Einzelheiten zum Betrieb der zur Verfügung stehenden Geräte, insbesondere der Oszilloskope, müssen
bei Bedarf in den bereitliegenden Gerätehandbüchern nachgelesen werden. Das Erlernen des Umgangs
mit Handbüchern (auch englischsprachigen) gehört mit zu den Lernzielen im Praktikum!
Im Laufe des Studiums wird man immer wieder mit Oszilloskopen arbeiten müssen, die jeweils anders
aussehen und unterschiedlich in ihrer Bedienung sind. Es wäre daher falsch, sich im Praktikum an nur
einen Gerätetyp zu gewöhnen. Im Gegenteil, man sollte im eigenen Interesse häufig zwischen
verschiedenen Modellen wechseln, um genügend Routine beim Umgang mit den Geräten zu erwerben.
Manchmal kann es hilfreich sein, die AUTOSET-Taste am Oszilloskop zu betätigen. Das Gerät analysiert dann das Eingangssignal und stellt es mit daraus abgeleiteten Einstellungen dar.
75
3.1
Erzeugung eines Punktes
In der Mitte des Bildschirmes soll ein ruhender Punkt erzeugt werden. Dazu muss das Oszilloskop
auf XY-Betrieb (Menü DISPLAY) eingestellt werden. Durch welche Bedienungselemente lässt sich die
vertikale und horizontale Lage des Punktes verändern?
3.2
Erzeugung eines vertikalen Striches
Im XY-Betrieb soll in der Mitte des Bildschirms ein vertikaler Strich mit einer Länge von 6 DIVisions
erzeugt werden. Dazu muss ein geeignetes Signal aus dem Funktionsgenerator (Buchse OUTPUT) an den
Y-Kanal gelegt werden. Durch welche Bedienungselemente des Oszilloskops und des Funktionsgenerators lassen sich die Länge und die Lage des Striches beeinflussen? (Alle Möglichkeiten ausprobieren!)
3.3
Ausgangssignale eines Funktionsgenerators
Im YT-Betrieb sollen nacheinander die verschiedenen Ausgangssignale (Sinus-, Dreieck-, Rechtecksignal) des Funktionsgenerators an CH1 dargestellt werden. Variieren Sie die Frequenz, die Amplitude und
den Gleichspannungsanteil (DC-OFFSET) am FG und beobachten Sie die zugehörigen Signaländerungen auf dem Oszilloskop. Um Änderungen bei Variation des Gleichspannungsanteils beobachten zu können, muss am Oszilloskop die DC-Kopplung (CH1/2 MENU) eingestellt sein. Stellen Sie gleichzeitig mit
dem Ausgangssignal des FG das Signal an der Buchse TTL OUT 7 dar. Dokumentieren Sie für alle drei
Signalformen das Ausgangssignal zusammen mit dem TTL-Signal entweder per Handskizze oder mit
einem Bildschirmfoto (siehe Anhang, Kap. 4). Geben Sie den maximalen und minimalen Spannungswert
des TTL-Signals sowie seine Phasenlage relativ zu den Ausgangssignalen (Sinus, Dreieck, Rechteck) an.
3.4
Trigger-Level und Trigger-Flanke
Der Funktionsgenerator (DC-OFFSET OFF) wird an CH1 des Oszilloskops angeschlossen. Auf dem
Schirm wird ein Bild entsprechend Abb. 15 erzeugt, d. h. ein „Sinussignal mit Grundlinie“. Die Amplitude des Sinussignals soll 1 V betragen, die Frequenz 2 kHz und auf dem Schirm soll genau eine Periode
sichtbar sein. Getriggert wird im NORMal-Modus (TRIG MENU), der Triggerzeitpunkt soll am linken
Bildrand liegen.
Abb. 15: Oszilloskopbild eines
Größe 1 DIV × 1 DIV.
Sinussignals
mit
Grundlinie
(rot).
Jedes
Kästchen
hat
die
Das Sinussignal soll am linken Rand nacheinander bei einem Argument (Phasenwinkel) von 0°, 45°, 90°,
135°, 180°, 225° und 270° beginnen, ohne dass die Einstellung der HORIZONTAL POSITION am
Oszilloskop dabei verändert wird. Wie müssen der PEGEL / LEVEL und die FLANKE / SLOPE der
7
Siehe Erläuterungen zu den Ausgangssignalen eines FG im Kapitel „Zum Aufbau elektrischer Schaltungen…“
dieses Skriptes.
76
Triggereinheit dazu eingestellt werden? (Darstellung der Ergebnisse in Tabellenform; Trigger-Level für
die jeweiligen Phasenwinkel ausrechnen, am Oszilloskop einstellen und in die Tabelle eintragen.)
3.5
Quantitative Messung eines Spannungssignals
Mit Hilfe eines Fotodetektors ist es möglich, den zeitlichen Verlauf einer Lichtintensität I(t) in ein dazu
proportionales Spannungssignal U(t) umzuwandeln. Mit dem zur Verfügung stehenden Fotodetektor soll
der zeitliche Verlauf der Lichtintensität einer an das Stromnetz (50 Hz Wechselspannung) angeschlossenen Glühlampe und einer Leuchtstofflampe (Abb. 16) gemessen werden (Frequenz, Amplitude, Signalform). Dabei soll insbesondere auf charakteristische Unterschiede in den Signalen beider Lampen geachtet werden.
Zur Messung wird der Fotodetektor auf die Öffnung des Lampenkastens gelegt und die jeweilige Lampe
eingeschaltet. I(t) enthält einen Gleichanteil I DC und einen deutlich kleineren zeitlich variierenden Anteil
I AC . Nur das zu I AC gehörende Spannungssignal wird auf dem Oszilloskop dargestellt und vermessen.
Frage 4:
- Warum enthält I(t) einen Gleichanteil I DC ?
Bei der Messung der Signale wird auffallen, dass sie von einem Rauschsignal kleiner Amplitude überlagert sind. Bei periodischen Signalen lässt sich dieser Rauschanteil durch Mittelwertbildung verringern.
Dazu wählt man die Betriebsart ERFASSUNG / ACQIRE → MITTELWERT, in der die Signale über 4,
16, 64 oder 128 Zeitintervalle der Länge ∆t gemittelt werden können. ∆t entspricht dabei der Breite des
auf dem Bildschirm angezeigten Zeitbereichs: ∆t = 10 × t e , wobei t e der eingestellte SEC/DIV-Wert ist.
Schalten Sie zwischen den Erfassungsmodi NORMALE ABTASTUNG und MITTELWERT um, variieren Sie die Zahl der Zeitintervalle, über die gemittelt wird und dokumentieren Sie die Änderungen in
den dargestellten Signalen.
Spule
Leuchtstoff
U~
Elektroden
Gas
Glimmstarter
Abb. 16: Blockschaltbild einer Leuchtstofflampe.
Frage 5:
- Abb. 16 zeigt das Blockschaltbild einer Leuchtstofflampe. Wie funktioniert die Lampe prinzipiell?
Worin besteht der wesentliche Unterschied zu einer Glühlampe?
3.6
Scheitel- und Effektivwert der Netzspannung
Mit einem hochohmigen Spannungsteiler wird die Netzspannung im Verhältnis 100:1 auf zwei Widerstände aufgeteilt (Abb. 17; Genauigkeit der Widerstände ± 1 %). 8
8
Zur Vermessung der Netzspannung wird ein Spannungsteiler statt eines Netztransformators benutzt, um die
Form der Netzspannung nicht zu verfälschen.
77
100 R1
Netzspannung
230 V ~
L
R1
CH 1
Abb. 17: Hochohmiger Spannungsteiler zur Teilung der Netzspannung mit Kontrolllämpchen L (rot).
Achtung:
 Beim Anschluss des Spannungsteilers an die Netzspannung muss unbedingt auf richtige Polung
geachtet werden! Bei richtiger Polung leuchtet das rote Kontrolllämpchen L auf, bei falscher Polung
nicht. In diesem Fall muss der Netzstecker umgedreht werden! Keinesfalls darf das Oszilloskop bei
falscher Polung angeschlossen werden!
 Aus Sicherheitsgründen ist ein Einsatz der beschriebenen Spannungsteilerschaltung nur durch
geschultes Personal zulässig (Gefahr der Berührung von Netzspannung bei falschem Einsatz der
Schaltung oder bei Leitungsbruch). Das Kabel am Widerstand R 1 darf daher erst angeschlossen werden, nachdem die Schaltung durch eine betreuende Person überprüft wurde!
Über dem kleineren Widerstand R 1 wird die Spannung abgegriffen, auf CH1 des Oszilloskops gegeben
und Form, Frequenz und Amplitude gemessen.
Frage 6:
- Wie groß ist die Amplitude (der Scheitelwert) der Netzspannung, wie groß ihr Effektivwert (sinusförmige Netzspannung vorausgesetzt)? Wie groß wäre der Effektivwert einer rechteckförmigen Wechselspannung gleicher Amplitude?
Frage 7:
- Welcher Strom (Effektivwert) fließt durch eine Heizplatte, die mit Wechselstrom betrieben wird und
deren Typenschild die Angabe „230 V / 1,5 kW“ trägt? Wie groß ist der Scheitelwert dieses Stromes?
3.7
Untersuchung eines gedämpften periodischen Spannungssignals
An den Eingang eines Signalformers wird eine Rechteckspannung angelegt (Frequenz 10 kHz, Amplitude
einige V). Dieser Signalformer wird als „Black Box“ behandelt, dessen Funktionsprinzip hier nicht interessiert. Wichtig ist nur, dass am Ausgang des Signalformers ein Spannungssignal vorliegt, dessen Verlauf dem einer gedämpften harmonischen Schwingung entspricht.
Frage 8:
- Der Spannungsverlauf U(t) einer gedämpften harmonischen Schwingung (siehe Abb. 18) mit der
Anfangsamplitude U 0 , der Kreisfrequenz ω und der Dämpfungskonstanten α lässt sich als Funktion
der Zeit t schreiben als:
(6) U ( t ) = U 0 cos (ω t ) e −α t
Die mit der Zeit abnehmenden Amplituden der Teilschwingungen seien U i (i = 1, 2, 3,…, s. Abb. 18).
Was für ein Funktionsverlauf ergibt sich, wenn die U i über i a) linear und b) halblogarithmisch aufgetragen wird? (Die i-Achse soll jeweils linear skaliert sein.)
Das Ausgangssignal des Signalformers wird an CH1 des Oszilloskops angeschlossen. Die Triggerung
und Zeitablenkung des Oszilloskops wird so eingestellt, dass eine gedämpfte Schwingung vollständig und
von einer weiteren der Anfang auf dem Schirm zu sehen ist. Anschließend werden folgende Signaldaten
gemessen:
78
a) Frequenz der gedämpften Schwingung,
b) Spannungsamplituden U i der ersten 5 Teilschwingungen.
Stellen Sie im Versuchsprotokoll U i als Funktion von i grafisch dar (linear und halblogarithmisch) und
vergleichen Sie Ihre Ergebnisse mit den Erwartungen gemäß Frage 8.
1,0
U1
U/ V
0,5
U2
0,0
-0,5
-1,0
0,0
0,2
0,4
0,6
0,8
1,0
t/s
Abb. 18: Gedämpfte harmonische Schwingung gem. Gl. (6). U 0 = 1V ist die Anfangsamplitude, U 1 und
U 2 sind die Amplituden der beiden nachfolgenden Teilschwingungen.
3.8
Dauer eines Lichtblitzes
Mit Hilfe eines Fotodetektors soll die Dauer des Lichtblitzes aus einem Foto-Blitzgerät ermittelt werden
(Taste M am Blitzgerät so oft drücken, bis die LED über 1/64 aufleuchtet). Der Blitz wird aus ca. (0,5 –
1) m auf den Fotodetektor gerichtet und ausgelöst. Das Signal des Fotodetektors wird mit dem Oszilloskop im SINGLE SEQ / SINGLE SHOT-Modus erfasst.
Da die Dauer des Lichtblitzes kurz ist (< 1 ms) und die Lichtintensität des Blitzes schnell ansteigt und
abfällt, muss ein schneller Fotodetektor verwendet werden. Darunter versteht man einen Detektor, der
Lichtimpulse mit kurzer Anstiegs- und Abfallzeit messen kann. Bei dem verwendeten Fotodetektor
erreicht man dies dadurch, dass man die Ausgangskontakte des Fotodetektors mit einem 50 Ω -Widerstand verbindet und die Spannung über diesem Widerstand misst. Man spricht in dem Fall von einem
50 Ω-Abschluss des Detektors 9. Der physikalische Grund für diese Beschaltung wird bei den späteren
Versuchen „Messung von Kapazitäten....“ und „Sensoren...“ klar werden.
Als Dauer des Lichtblitzes soll die 10%-Breite t b des aufgezeichneten Spannungsimpulses angegeben
werden, wie sie in Abb. 19 definiert ist. Eine Skizze bzw. ein Bildschirmfoto (vgl. Kap. 4) des
aufgezeichneten Impulses wird dem Protokoll beigefügt.
9
Ein 50 Ω-Abschluss lässt sich realisieren, indem man auf die BNC-Buchse des Fotodetektors ein T-Stück
aufsetzt. An einen Ausgang des T-Stücks schließt man einen 50 Ω-Widerstand an, an den anderen das
Verbindungskabel zum Oszilloskop.
79
U
U0
0,1 U0
t
tb
Abb. 19: Zur Definition der 10%-Breite t b eines Spannungsimpulses U(t) mit der Amplitude U 0 .
4
Anhang
Um ein Bildschirmfoto des Digital-Oszilloskops auf einem USB-Stick bzw. einer SD-Card zu speichern,
müssen folgende Tastenfolgen gedrückt werden:
Grundeinstellungen (müssen nur einmal vorgenommen werden):
SAVE/RECALL
Dateiformat
Verzeichnis auswählen
→ Aktion
→ TIFF
→ GPRnn 10
→ Bild speichern
→ Verzeichnis wechseln
Bild speichern:
Speichern / PRINT
→ TEKnnnn.TIF
nnnn ist die Bildnummer. Sie wird nach jedem Speichervorgang automatisch um 1 erhöht.
10
nn ist die Gruppennummer; Auswahl mit dem Drehknopf oben links.
80
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Praktikum im Modul Physik I für Studierende der Umweltwissenschaften
Sensoren für Kraft, Druck, Abstand, Winkel und Lichtintensität
Stichworte:
Sensor, Messwertaufnehmer, Linearität, Ansprechzeit, Messbereich, Auflösung, Rauschen, Dehnungsmessstreifen, piezoresistiver Effekt, Triangulation, HALL-Effekt, Halbleiter, pn-Übergang.
Literatur:
/1/ NIEBUHR, J.; LINDNER, G.: „Physikalische Messtechnik mit Sensoren“, Oldenbourg Industrieverlag,
München
/2/ SCHANZ, G. W.: „Sensoren“, Hüthig-Verlag, Heidelberg
/3/ HAUS, J.: „Optical Sensors“, Wiley-VCH, Weinheim
1
Einleitung
Als Sensoren bezeichnet man Messwertaufnehmer (auch Messgrößenaufnehmer), mit denen eine physikalische oder chemische Größe quantitativ erfasst werden kann. In den meisten Fällen wird der Wert w der
Größe in eine elektrische Spannung U oder einen elektrischen Strom I umgesetzt. Durch eine Kalibrierung
wird die Kalibrierfunktion U(w) bzw. I(w) bestimmt, mit der man aus einem gemessenen Spannungs- oder
Stromwert auf den zugehörigen Wert der Größe schließen kann. Zur Kalibrierung eines Kraftsensors wird
z.B. der Sensor unterschiedlichen, aber bekannten Kräften F i ausgesetzt und jeweils die zugehörige
Spannung U i gemessen. Anschließend wird U i über F i aufgetragen und mit Hilfe eines Fits eine
Kalibrierkurve durch die Messdaten gelegt.
Wichtige Kenngrößen von Sensoren sind:
 Linearität: Oftmals besteht ein linearer Zusammenhang zwischen dem tatsächlichen Wert der Größe w
und dem Ausgangssignal des Sensors, z.B. der Spannung U. Dann gilt:
=
U k w + U0




wobei k der Kalibrierfaktor ist und U 0 die Ausgangspannung des Sensors im Falle w = 0. Die Kalibrierkurve ist in diesem Fall eine Gerade, der Sensor arbeitet linear. Ist U 0 = 0, so besteht eine Proportionalität zwischen U und w. Dies ist der Idealfall für einen Sensor.
Ansprechzeit: Die Ansprechzeit gibt an, innerhalb welcher Zeit eine Änderung der Größe w zu einer
entsprechenden Änderung des Ausgangssignals führt.
Messbereich: Der Messbereich gibt den Wertebereich der Größe w an, der innerhalb festgelegter
Fehlergrenzen zu einer mit der Kalibrierfunktion beschreibbaren Änderung des Ausgangssignals führt.
Auflösung: Die Auflösung ist die kleinste Änderung der Größe w, die zu einer eindeutig messbaren
Änderung des Ausgangssignals führt.
Rauschen: Unter Rauschen versteht man die inhärenten, zufälligen Schwankungen des Ausgangssignals eines Sensors. Eine wesentliche Quelle für das Rauschen vieler Sensoren ist die Elektronik, die
zur Erzeugung des Ausgangssignals eingesetzt wird.
Seit es möglich ist, Sensoren in kompakter bzw. miniaturisierter Bauform herzustellen, oder gar in IC’s 1 zu
integrieren, haben sie in der modernen Messtechnik und in der industriellen Fertigung eine große Verbreitung gefunden. In diesem Versuch werden Sensoren für Kraft, Druck in Gasen, Abstand, Winkel und
Lichtleistung bzw. Lichtintensität behandelt.
1
IC: Integrated Circuit. Eine in einem Kunststoffgehäuse eingeschlossene integrierte elektronische Schaltung.
81
2
Theorie
2.1
Kraftsensor auf Basis eines Biegestabes
Mit den im Basispraktikum eingesetzten Kraftsensoren wird eine mechanische Kraft vom Betrag F in ein
dazu proportionales Spannungssignal U umgesetzt. Als Sensor dient ein Biegestab (s. Abb. 1). Durch die
Kraft F wird der einseitig gehaltene Stab elastisch verformt, es gilt das HOOKEsche Gesetz 2. Oben findet
eine Dehnung des Stabes statt, unten eine Stauchung. Dehnung und Stauchung sind proportional zu F = |F|.
Sie werden mit Dehnungsmessstreifen (DMS) in zu F proportionale Änderungen des elektrischen
Widerstandes der DMS umgesetzt. Die DMS sind zu einer Halbbrücke (Abb. 2) zusammen geschaltet 3. An
eine Brückendiagonale wird die Betriebsspannung U b angelegt, über der anderen Diagonalen wird die
Ausgangsspannung U gemessen. Da diese Spannung sehr klein ist (mV-Bereich), wird sie mit einem
Messverstärker verstärkt, der gleichzeitig auch die Betriebsspannung U b liefert. Die Ausgangsspannung
des Messverstärkers, U M , ändert sich linear mit F.
DMS
F
Abb. 1: Links: Prinzip der Kraftmessung mit einem Biegestab (grün), der links in einem Block (grau)
fixiert ist. Die Gewichtskraft F = G eines angehängten Gewichtes (blau) verursacht eine Biegung
des Stabes, die mit Dehnungsmessstreifen (DMS, gelb) gemessen wird. Die mechanischen
Begrenzungen (rot) verhindern eine Überdehnung des Stabes durch zu große Kräfte.
Rechts: Blick in das Gehäuse eines im Basispraktikum eingesetzten Kraftsensors. Die auf den
Biegestab aufgeklebten DMS sind so dünn, dass sie kaum erkennbar sind. Die Kabel sind die
Anschlussleitungen der DMS. Sie führen zur Anschlussbuchse links oben, an die der Messverstärker angeschlossen wird.
DMS
R
+
U
-
=Ub
R
DMS
Abb. 2: Halbbrücke mit zwei DMS gleichen Typs und zwei gleichen Widerständen R. Ein DMS wird
gedehnt, der andere gestaucht. U b ist die Betriebsspannung der Brücke, U die Ausgangsspannung,
die mit einem Messverstärker weiter verstärkt wird.
2
3
ROBERT HOOKE (1635 – 1703)
Vgl. Versuch „Messung ohmscher Widerstände…“.
82
2.2
Drucksensor auf Basis des piezoresistiven Effektes
Für die Messung von Druckänderungen in Gasen steht ein Drucksensor des Typs SENSORTECHNICS
HCLA12X5DB zur Verfügung. Es handelt sich dabei um einen Halbleiterdrucksensor, der auf dem piezoresistiven Effekt basiert. Darunter versteht man die Änderung des elektrischen Widerstandes eines Materials
(hier p-Silizium, p-Si; zur Bezeichnung vgl. Kap. 2.5.1) unter dem Einfluss mechanischer Spannungen.
Abb. 3 (links) zeigt den schematischen Aufbau eines solchen Sensors. In der Mitte einer gasdichten
Kammer befindet sich eine Si-Membran von einigen Mikrometern Dicke, die die Kammer gasdicht in zwei
Hälften teilt. Die obere Hälfte der Kammer wird über einen Schlauchanschluss mit einem Gasvolumen vom
Druck p 1 verbunden, die untere mit einem Gasvolumen vom Druck p 2 . Bei einer Druckdifferenz
∆p = p 2 – p 1 wölbt sich die Membran in Richtung der Kammer mit dem niedrigeren Druck. Am Rande der
Membran sind piezoresistive Si-Elemente angebracht, auf die infolge der Membranwölbung Kräfte ausgeübt werden. Diese führen zur Dehnung und damit zu einer Widerstandsänderung des Materials 4, die mit
Hilfe einer in dem Sensor integrierten Brückenschaltung in ein Spannungssignal gewandelt wird. Mit einer
ebenfalls bereits im Sensor enthaltenen integrierten Schaltung wird dieses Signal weiter verstärkt. Am
Ausgang des Drucksensors steht schließlich eine Spannung U zur Verfügung, die sich linear mit der
Druckdifferenz ∆p ändert. 5
p1
Anschlusskontakt
("Bonding Pad")
Si-Membran
p2
Piezoresistives
Si-Element
Abb. 3: Links: Schematische Darstellung eines piezoresistiven Drucksensors zur Messung eines
Differenzdruckes ∆p = p 2 – p 1 .
Rechts: Blick in das Gehäuse des im Basispraktikum eingesetzten Drucksensors. Innen rechts
befindet sich auf einer kleinen Platine der in einen IC integrierte Sensor. Rechts außen sind die
Schlauchanschlüsse zu erkennen (p 1 = p-, p 2 = p+).
2.3
Abstandssensor auf Basis der Triangulation
Zur Abstandsmessung wird ein Laserdistanzsensor eingesetzt (Typ BAUMER OADM 12U6460/S35), der
nach dem Prinzip der Triangulation arbeitet (s. Abb. 4 links). Aus einer Laserdiode gelangt ein kollimierter,
dünner Laserstrahl auf die Oberfläche eines Objektes O, deren Abstand zur Bezugsebene E im Sensor
gemessen werden soll. In einem bekannten seitlichen Abstand d vom Austritt des Laserstrahls befindet sich
der Mittelpunkt eines Objektivs L. Mit diesem Objektiv wird das vom Punkt C auf dem Objekt gestreute
Licht auf eine CCD-Zeile abgebildet 6. Es entsteht ein Bildpunkt A, der vom rechten Rand der CCD-Zeile
4
5
6
Der Effekt ist der Widerstandsänderung eines metallischen DMS bei Dehnung vergleichbar. Die mit einer
bestimmten Dehnung einhergehende Widerstandsänderung ist jedoch bei einem piezoresistiven Material erheblich
größer als bei einem metallischen DMS. Für Metalle ist k = 2 – 4, für Si ist k ≈ 100 (vgl. Versuch „Messung
ohmscher Widerstände…“).
Die elektrische Verbindung (engl. Bond) zwischen der integrierten Schaltung und den piezoresistiven Elementen
erfolgt über dünne Bonddrähte, die an den Bonding Pads angeschlossen sind.
CCD: Charged Coupled Device. Eine CCD-Zeile besteht aus einer zeilenförmigen Anordnung von z.B. 128 oder
512 (oder mehr) kleinen Fotodetektoren (Pixeln), die jeweils eine Breite von wenigen Mikrometern haben.
83
um die Strecke q entfernt ist. Der Abstand q variiert mit der Entfernung s zwischen E und O. Für das
Dreieck ABC (daher der Name Triangulation) gilt:
tan α =
(1)
d +q
s
Außerdem gilt mit der Entfernung p zwischen der Mittenebene der Linse und der Frontseite der CCD-Zeile
(Ebene E):
tan α =
(2)
q
p
Daraus folgt:
d +q q
=
s
p
(3)
→
s=
(d + q) p
q
In Kenntnis der Geräteparameter d und p lässt sich somit durch Messung der Größe q die Entfernung s
bestimmen.
Das Signal der CCD-Zeile wird von einem Mikroprozessor ausgelesen, der daraus die Größe q bestimmt
und mit den bekannten geometrischen Daten d und p in ein Spannungssignal U LDS umrechnet, das sich mit
s linear ändert. Dieses Signal steht am Ausgang des Laserdistanzsensors zur Verfügung.
d
CCD q
p
B
E
A
LD
L
s
α
O
C
Abb. 4: Links: Funktionsprinzip eines nach dem Prinzip der Triangulation arbeitenden Laserdistanzsensors (schematisch). Tatsächlich können Objektiv L und CCD-Zeile gegenüber der Horizontalen
verkippt sein, um innerhalb des Messbereiches des Sensors Verzerrungen bei der Abbildung des
Objektpunktes C zu minimieren.
Rechts: Foto des im Basispraktikum eingesetzten Laserdistanzsensors. Rechts unten befindet sich
das Anschlusskabel, über das die Betriebsspannung zugeführt und das Ausgangssignal abgeleitet
wird.
84
2.4
Winkelsensor auf Basis des HALL-Effektes
Für die Messung des Drehwinkels einer Achse wird ein Winkelsensor (Typ TWK-ELEKTRONIK PBA 12)
eingesetzt, der auf dem HALL 7-Effekt basiert. Wir werden seine Funktion hier nur schematisch beschreiben.
Eine detaillierte Behandlung des Hall-Effektes ist Vorlesungen späterer Semester vorbehalten.
Wir betrachten gem. Abb. 5 einen Quader aus einem geeigneten Halbleitermaterial (grau), der in vertikaler
Richtung von einem Magnetfeld B (blau) durchsetzt ist und in horizontaler Richtung von einem Strom I
durchflossen wird. Im mikroskopischen Bild wird der Strom durch den Transport positiver und negativer
Ladungsträger mit der Ladung ± q verursacht, die sich mit den Driftgeschwindigkeiten ± v bewegen. Aus
der Schule ist bekannt, dass auf bewegte Ladungen in einem Magnetfeld die LORENTZkraft 8 F wirkt, die
gegeben ist durch:
(4)
=
F q v×B
B
UH
I
Abb. 5: Zur schematischen Darstellung des Hall-Effektes. Bezeichnungen siehe Text.
Die Lorentzkraft bewirkt, dass sich in einer Anordnung gem. Abb. 5 die positiven Ladungsträger nach oben
und die negativen Ladungsträger nach unten bewegen. In Folge dessen entsteht zwischen den Kontakten
(schwarz) eine Hall-Spannung U H , für die gilt:
(5)
UH  B
Aus Gl. (4) ist ersichtlich, dass der Betrag der Kraft F von dem Winkel α zwischen v und B abhängt. Es
gilt:
(6)
=
F q=
v B sin α q v B⊥
wobei Β ⊥ die Komponente von B ist, die senkrecht auf v steht. Mit einer Änderung der Kraft F geht eine
proportionale Änderung der Hall-Spannung einher. Es gilt:
(7)
U H  B⊥
Gl. (7) bildet die Basis für den im Versuch eingesetzten Winkelsensor, dessen Funktionsprinzip schematisch in Abb. 6 dargestellt ist.
H2
α H1
SN
ASIC
U
Abb. 6: Schematischer Aufbau des im Versuch eingesetzten Winkelsensors. Bezeichnungen siehe Text.
Auf der Achse, deren Winkelstellung α gemessen werden soll, ist ein kleiner Permanentmagnet (rot/grün)
montiert. Bei Drehung der Achse dreht sich das von ihm erzeugte Magnetfeld B um den gleichen Winkel.
7
8
EDWIN H. HALL (1855 – 1938)
HENDRIK A. LORENTZ (1853 – 1928)
85
Dieses Feld durchsetzt zwei 9 Hall-Sonden H1 und H2. Je nach Orientierung von B liefern H1 und H2
unterschiedliche Hall-Spannungen, aus denen mit einem ASIC 10 die Ausgangspannung U des Winkelsensors erzeugt wird, die proportional zum Winkel α ist.
2.5
Fotodetektoren
Fotodetektoren dienen zur Detektion von Licht. Messbare Größen sind die Lichtleistung P L mit der Einheit
W (Watt) bzw. die Lichtintensität I L mit der Einheit W/m2. Aus der Vielzahl verschiedener Fotodetektoren
wollen wir uns hier auf die Fotodiode beschränken. Sie wandelt die Größen P L bzw. I L in einen elektrischen
Strom I um, der sich linear mit P L bzw. I L ändert. Bei Bedarf kann ein Strom-Spannungswandler den Strom
I in eine dazu proportionale elektrische Spannung U konvertieren.
Für ein detailliertes Verständnis der Funktion einer Fotodiode sind Kenntnisse aus dem Bereich der Festkörperphysik und Halbleiterphysik erforderlich, die erst in späteren Semestern erarbeitet werden. Deshalb
beschränken wir uns hier auf eine kurze Beschreibung der Grundlagen ihres Aufbaus und ihrer Funktionsweise.
2.5.1 Si-Halbleiter und pn-Übergang
Fotodioden werden überwiegend aus kristallinem Silizium (Si), einem Halbleiter, hergestellt. In reinem
(intrinsischem) Si ist jedes vierwertige Si-Atom von vier gleichen Nachbarn umgeben und mit diesen in
kovalenter Bindung verbunden (Abb. 7). Alle vier äußeren Elektronen des Si sind damit räumlich fixiert.
Si
Si
Si
Si
Si
Si
Si
Si
Si
Si
Si
Si
Abb. 7: Kristallstruktur von reinem Si. Die blauen Kreise stellen schematisch die an der kovalenten
Bindung beteiligten Elektronen dar.
Durch Dotierung von reinem Si mit fünfwertigen Atomen (Donatoren) entsteht n-Silizium (Abb. 8 links),
ein n-Halbleiter11. Für die kovalente Bindung des Donatoratoms mit den vier Si-Nachbarn werden nur vier
Elektronen benötigt, das fünfte Elektron (negativer n-Ladungsträger) ist deshalb nur sehr schwach an den
Rumpf des Donatoratoms gebunden. Es ist daher im Material nahezu frei beweglich.
Durch Dotierung von reinem Si mit dreiwertigen Atomen (Akzeptoren) entsteht p-Silizium (Abb. 8 rechts),
ein p-Halbleiter. In der kovalenten Bindung des Akzeptoratoms mit den vier Si-Nachbarn fehlt ein
Elektron. Dadurch entsteht ein Loch, das sich wie ein positiver Ladungsträger verhält (p-Ladungsträger).
Dieses Loch kann ein Elektron aus seiner Umgebung einfangen. Das eingefangene Elektron hinterlässt ein
neues Loch, das wiederum ein Umgebungselektron einfangen kann usw. Auf diese Weise kann das Loch
durch das Material wandern, es ist beweglich.
9
10
11
Zwei Hall-Sonden sind erforderlich, um das Vorzeichen einer Winkeländerung eindeutig bestimmen zu können.
Ein ASIC ist eine anwenderspezifische integrierte Schaltung (Application Specific Integrated Circuit).
Die typische Dotierungskonzentration in Silizium, das für den Bau von Fotodioden verwendet wird, liegt in der
Größenordnung von 1015 - 1017 Fremdatomen/cm3. Reines Si enthält ca. 0,5 × 1023 Si-Atome/cm3.
86
Si
Si
Si
Si
Si
Si
Si
Si
Si
Si
As
Si
Si
Si
B
Si
p
n
Si
Si
Si
Si
Si
Si
Si
Si
Abb. 8: Links: Kristallstruktur von n-Si, in dem einige vierwertige Si-Atome durch fünfwertige Atome
ersetzt sind, hier Arsen (As). Das fünfte Valenzelektron des As bildet einen beweglichen nLadungsträger.
Rechts: Kristallstruktur von p-Si, in dem einige vierwertige Si-Atome durch dreiwertige Atome
ersetzt sind, hier Bor (B). Das fehlende Valenzelektron des B, ein sogenanntes Loch, bildet einen
beweglichen p-Ladungsträger.
Bringt man einen p- und einen n-Halbleiter zusammen, so entsteht ein pn-Übergang (Abb. 9). In der Kontaktregion gibt es große Konzentrationsunterschiede der n- und p-Ladungsträger. Deshalb diffundieren
Löcher aus dem p-Si in das n-Si und rekombinieren dort mit den im Überschuss vorhandenen Elektronen.
Ebenso diffundieren Elektronen aus dem n-Si in das p-Si und rekombinieren dort mit den im Überschuss
vorhandenen Löchern. Dadurch entsteht eine von beweglichen Ladungsträgern entleerte Zone (depletion
zone), die sogenannte Sperrschicht S. In dieser Schicht lassen die diffundierten Elektronen positiv ionisierte
Donatoren zurück, die diffundierten Löcher negativ ionisierte Akzeptoren (Abb. 10). Diese Ionen heißen
Raumladungen, sie erzeugen in der Sperrschicht (Raumladungszone) ein elektrisches Feld E (built-in-Feld).
-
p-Si
n-Si
Abb. 9:
Entstehung eines pn-Übergangs durch
Kontakt zwischen zwei Schichten aus p-Si
und n-Si. In der Übergangszone kommt es
zur Diffusion von n-Ladungsträgern (blau)
in das p-Si und von p-Ladungsträgern (rot)
in das n-Si.
+
+
+
+
E
Abb. 10:
Nach Diffusion der p- und n-Ladungsträger
bleiben in der n-Schicht positiv ionisierte
Donatoren ⊕ zurück, in der p-Schicht negativ
ionisierte Akzeptoren (-). Es entsteht eine
Sperrschicht S (gelb), in der die Raumladungen ein elektrisches Feld E erzeugen. Die
realen Breitenverhältnisse der p-, n- und
Sperrschicht weichen von diesem Prinzipbild
erheblich ab.
2.5.2 Funktionsprinzip einer Fotodiode
Wir betrachten eine Fotodiode auf Basis eines pn-Übergangs gem. Abb. 10. Die Bestrahlung der Fotodiode
mit Licht führt zur Absorption von Photonen. Deren Energie reicht aus, um im Silizium Elektron-LochPaare durch inneren Fotoeffekt zu erzeugen. Dabei werden Elektronen aus dem Valenz- ins Leitungsband
gehoben und hinterlassen im Valenzband ein Loch. Die Zahl der erzeugten Elektron-Loch-Paare ist
proportional zur Zahl der absorbierten Photonen und damit zur Leistung P L bzw. Intensität I L des
einfallenden Lichtes.
87
Die Erzeugung von Elektron-Loch-Paaren findet im p-Bereich, im n-Bereich und in der Sperrschicht der
Fotodiode statt. Die in der Sperrschicht erzeugten Ladungsträger können durch das dort herrschende
elektrische Feld E direkt räumlich getrennt und beschleunigt werden (Abb. 11). Ladungsträger, die in der
p- und n-Schicht erzeugt wurden, müssen vor ihrer Rekombination durch Diffusion in die Sperrschicht
gelangen, bevor sie dort beschleunigt werden können.
Photon
p
n
S
E
Abb. 11: Erzeugung eines Elektron-Loch-Paares, hier durch Absorption eines Photons in der Sperrschicht
S einer Fotodiode. Durch das elektrische Feld E werden die Ladungsträger (Elektron und Loch)
getrennt und beschleunigt.
Verbindet man die Anschlusskontakte der p- und n-Schicht miteinander (Abb. 12 links und Mitte), so fließt
ein Fotostrom I, der sich aus einem Driftstrom (Photonenabsorption in der Sperrschicht) und einem
Diffusionsstrom (Photonenabsorption außerhalb der Sperrschicht) zusammensetzt und der sich linear mit
der Leistung P L bzw. Intensität I L des einfallenden Lichtes ändert. Dies ist die einfachste Betriebsart einer
Fotodiode 12.
A
p S n
K
I
I
- +
Us
I
Abb. 12: Links: schematische Darstellung einer pn-Fotodiode, deren Bestrahlung mit Licht zu einem
Fotostrom I führt. Schwarz: Anschlusskontakte der p-Schicht (Anode A) und der n-Schicht
(Kathode K). Mitte: zugehöriges Schaltbild. Der senkrechte Strich des Diodensymbols symbolisiert die Kathode K. Rechts: Schaltbild einer Fotodiode mit Sperrspannung U S .
Häufig werden Fotodioden mit einer von außen angelegten Sperrspannung U S zwischen Anode und
Kathode betrieben, die im Bereich einiger Volt liegt (Abb. 12 rechts). Dadurch wird die Sperrschicht S
verbreitert. Dies führt zu einer Verringerung ihrer Kapazität C (Analogie zum → Plattenkondensator).
Außerdem wird durch U S die elektrische Feldstärke E in der Sperrschicht vergrößert, wodurch die
Ladungsträger stärker beschleunigt werden. Beide Effekte führen zu einer Verringerung der Zeitkonstante
τ = RC 13 des Ausgangssignals der Fotodiode bis hinunter in den 10 ns-Bereich. Damit lassen sich auch
schnelle Änderungen von Lichtleistungen bzw. Lichtintensitäten registrieren.
12
13
Bei dieser Betriebsart wird oft auch von einem Fotoelement statt von einer Fotodiode gesprochen.
R ist der für das Zeitverhalten maßgebliche Widerstand in der äußeren Beschaltung der Fotodiode.
88
2.5.3 Technische Realisierung einer Fotodiode
Zur Herstellung einer Fotodiode startet man gem. Abb. 13 (links) mit einem Stück n-Typ-Si (bulk-Material),
das einige (10 – 100) µm dick ist. Auf das Material bringt man eine Maske aus SiO 2 auf. Die Maske
begrenzt die lichtempfindliche Fläche der Fotodiode auf den Bereich, der frei von SiO 2 ist. Anschließend
lässt man von oben durch Diffusion oder Ionen-Implantation dreiwertige Atome in das bulk-Material
eindringen, bis sich durch diese Dotierung in einer dünnen Schicht (Dicke im Bereich 1 µm), der p-Schicht,
ein Überschuss an p-Ladungsträgern gebildet hat. Zwischen dieser p-Schicht und dem n-Material bildet
sich eine ebenfalls dünne Sperrschicht S aus (Dicke ebenfalls im µm-Bereich). Schließlich werden die pund n-Schicht mit metallischen Anschlusskontakten versehen (Abb. 13 links und rechts) und die Frontseite
der Fotodiode bei Bedarf mit einer Antireflexschicht (AR) überzogen. Den Abschluss nach außen bildet in
der Regel ein Schutzglas (G).
AR
SiO2
A
G
p
S
n
K
Abb. 13: Links: Schematische Darstellung einer Si-Fotodiode im Querschnitt. Die Antireflexschicht (AR)
ist grün gezeichnet, die metallischen Anschlusskontakte schwarz. G ist ein Schutzglas.
Mitte: Foto einer Fotodiode (SIEMENS BPW 34) mit nach außen gebogenen Lötkontakten. Auf
der schwarzen lichtempfindlichen Fläche befindet sich unten rechts der Anschlusskontakt der
Anode A, der mit dem rechten Lötkontakt verbunden ist. Die „Fahne“ am linken Lötkontakt
markiert diesen als Anschlusskontakt der Kathode K.
Rechts: Vergrößerter Ausschnitt der Frontseite der Fotodiode unter dem Mikroskop. Unten rechts
auf der schwarzen lichtempfindlichen Fläche befindet sich der Anoden-Kontakt von ca.
0,25 × 0,25 mm2 Größe mit einem Gold-Anschlussdraht (Bond-Draht) von ca. 25 µm Durchmesser. Der Draht ist rechts mit dem nach außen geführten Anoden-Lötkontakt verbunden. Der
äußere Rand und Teile des Golddrahtes erscheinen unscharf, da auf die Ebene des AnodenKontaktes scharf gestellt wurde.
105
100
4
80
103
Srel / %
α / cm-1
10
102
101
100
0.4
60
40
20
0.5
0.6
0.7
0.8
λ / µm
0.9
1.0
1.1
0
0.4
0.5
0.6
0.7
0.8
0.9
1.0
1.1
λ / µm
Abb. 14: Links: Absorptionskoeffizient α von Silizium als Funktion der Wellenlänge λ (Datenquelle: A.
M. GREEN, Solar Energy Materials & Solar Cells 92 (2008) 1305–1310).
Rechts: Relative spektrale Empfindlichkeit S rel der Fotodiode SIEMENS BPW 34 als Funktion der
Wellenlänge λ. (Datenquelle: SIEMENS-Datenblatt.)
89
Als spektrale Empfindlichkeit S λ einer Fotodiode bei der Wellenlänge λ ist der Quotient aus Fotostrom I
und eingestrahlter Lichtleistung P L definiert:
Sλ
(8)
I
mit
[ Sλ ] A/W
=
PL
Je größer die Wellenlänge λ des Lichtes ist, mit dem die Fotodiode beleuchtet wird, desto kleiner ist der
Absorptionskoeffizient α (Abb. 14 links) und desto größer demnach die Eindringtiefe der Photonen. Kurzwelliges Licht wird zum großen Teil bereits im Schutzglas, der äußeren Antireflexschicht oder in der pSchicht absorbiert, langwelliges zum großen Teil erst in der n-Schicht. Je weiter entfernt von der Sperrschicht die Photonenabsorption stattfindet, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Ladungsträger
in die Sperrschicht diffundieren können, bevor sie rekombinieren. Solche Photonen können deshalb nur zu
einem geringeren Teil zum Fotostrom beitragen. Insgesamt ergibt sich damit eine von λ abhängige spektrale
Empfindlichkeit der Fotodiode, die nach oben durch die Bandlücke des Halbleitermaterials begrenzt ist (ca.
1,1 µm für Si). Abb. 14 (rechts) zeigt als Beispiel die relative spektrale Empfindlichkeit S rel (λ) der im
Praktikum eingesetzten Fotodiode.
3
Versuchsdurchführung
Achtung:
Beim Umgang mit Laserlicht muss darauf geachtet werden, dass weder der Laserstrahl direkt, noch
reflektierte Strahlen in die Augen gelangen. Es besteht die Gefahr der Netzhautzerstörung durch lokal
extrem hohe Intensitäten! Der Laserstrahl muss daher immer in einer Höhe unter ca. 1,2 m gehalten
werden!
Zubehör:
Digitaloszilloskop (TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B), Digital-Multimeter (AGILENT U1251B und FLUKE
112), 3 Netzgeräte (PHYWE (0 - 15 / 0 - 30) V), Kraftsensor (U-OL) mit Messverstärker (U-OL),
Gewichtssatz, Aluminium-Ring, Laborwaage, Drucksensor (SENSORTECHNICS HCLA12X5DB) auf
Grundplatte mit Absperrhähnen an Stativ, ERLENMEYER-Kolben mit geschliffenem Stopfen auf Tisch,
U-Rohr-Manometer (Wasserfüllung) mit Halterung und Ableseskala, Becherglas auf Scherentisch,
Schlauchmaterial, Laserdistanzsensor (BAUMER OADM 12U6460/S35), Feder mit Stange und Kugel
an Stativ, Becherglas mit Glycerin/Wasser-Gemisch (190 ml Wasser auf 1000 ml Glycerin),
Grundplatte mit Winkelsensor (TWK-ELEKTRONIK PBA 12) und Handrad, Fotodiode SIEMENS
BPW 34, Lochrasterplatine (8 × 5 cm2) zur Montage der Fotodiode mit Zubehör (50 Ω-Widerstand,
Kabel, Isolierband, Lötzinn), Lötstation, Abisolierzange, Abgreifklemmen, Helium-Neon-Laser auf
Dreieckschiene, Polarisationsfilter in THORLABS-Drehhalterung, U-Halter für Fotodiode, Reiter.
Hinweis:
Ausgewählte Kenndaten der eingesetzten Sensoren finden sich in Tab. 1 im Anhang (Kap. 4).
3.1
Kalibrierung eines Kraftsensors
Der an einem Stativ aufgehängte Kraftsensor soll mit Hilfe eines Gewichtssatzes kalibriert werden.
Zunächst wird der Kraftsensor mit dem Messverstärker verbunden, mit dem die Brückenspannung U auf
die Spannung U M verstärkt wird. Der Messverstärker wird über ein Netzgerät mit Betriebsspannung versorgt, die Dämpfung wird eingeschaltet. Für mindestens 5 Gewichte G im Bereich (0 - 100) mN wird die
Ausgangsspannung U M des Messverstärkers mit einem Voltmeter gemessen. Zur Berechnung von G = mg
aus den Massen m der Gewichte wird für die Erdbeschleunigung g der Wert für Oldenburg verwendet:
g = 9,8133 m/s2, der als fehlerfrei angenommen wird 14. Anschließend wird U M über G aufgetragen und die
Kalibrierkurve ermittelt. Da der Sensor linear arbeitet, ist die Kalibrierkurve eine Gerade, deren Parameter
mit Hilfe der linearen Regression bestimmt werden.
14
Wert nach http://www.ptb.de/cartoweb3/SISproject.php; der Fehler von 2×10-5 m/s2 wird vernachlässigt.
90
Schließlich wird ein Aluminiumring, der in einem späteren Versuch zur Messung der Oberflächenspannung
eingesetzt wird, an den Kraftsensor gehängt und die zugehörige Ausgangsspannung U M des Messverstärkers gemessen. Mit Hilfe der Kalibrierkurve wird daraus die Gewichtskraft G und die Masse m des
Rings bestimmt. Der Größtfehler von m ergibt sich aus dem Größtfehler von U M , die Fehler der Parameter
der Ausgleichsgeraden können vernachlässigt werden. Die Masse m wird zusätzlich mit einer Laborwaage
ermittelt (Fehler vernachlässigbar). Beide Messwerte werden miteinander verglichen.
3.2
Kalibrierung eines Drucksensors
Der Drucksensor wird kalibriert, indem zwischen seinen beiden Schlauchanschlüssen definierte Druckdifferenzen ∆p eingestellt werden und jeweils die zugehörige Ausgangsspannung U gemessen wird.
Der Schlauchanschluss mit der Kennzeichnung „-“ bleibt offen. Er steht dadurch in direktem Kontakt mit
der Umgebungsluft. Der Anschluss mit der Kennzeichnung „+“ wird mit dem Gasvolumen verbunden,
dessen Überdruck ∆p im Vergleich zum Umgebungsdruck gemessen werden soll. Für einen linearen
Betrieb des Sensors muss bei dieser Betriebsart ∆p ≥ 0 sein, d.h. der Druck am „+“-Eingang muss immer
größer sein als der Druck am „-“-Eingang. Die maximal zulässige Druckdifferenz beträgt
∆p = + 1,25 × 103 Pa, die bei einer Versorgungsspannung des Sensors von + 5 V (Netzgerät) in ein Spannungssignal von U = U 0 + 2 V umgesetzt wird (U 0 = 2,25 V) 15. Die Druckdifferenz ∆p = 0 Pa erzeugt eine
Spannung von U = U 0 + 0 V = U 0 . Für Druckdifferenzen zwischen 0 Pa und 1,25 × 103 Pa ergeben sich
Ausgangspannungen im Bereich U 0 ≤ U ≤ U 0 + 2 V 16.
Die für die Kalibrierung des Sensors benötigten Druckdifferenzen lassen sich mit einer Anordnung gem.
Abb. 15 einstellen. Das Luftvolumen in einem luftdicht verschlossenen ERLENMEYER-Kolben E ist über
ein Leitungs- und Schlauchsystem mit dem Drucksensor D und einem U-Rohr-Manometer M verbunden
(Hahn H 1 geöffnet, Hahn H 2 geschlossen). Der Druck p in diesem Volumen kann durch Variation des
Wasserstandes in E verändert werden. Diese Variation erfolgt durch Heben oder Senken eines mit Wasser
gefüllten Vorratsgefäßes V mit Hilfe eines Scherentisches S. V und E sind über einen beidseitig in das
Wasser eintauchenden Schlauch miteinander verbunden. Die Differenz zwischen dem Druck p in E und
dem Umgebungsluftdruck p L ,
∆p = p − pL
(9)
kann mit Hilfe des U-Rohr-Manometers gemessen werden. Sie ist bei einer Höhendifferenz h m im Manometer gegeben durch:
(10)
∆p =ρ m hm g
wobei ρ m die Dichte der Flüssigkeit im Manometer (hier Wasser) und g die Erdbeschleunigung ist (g wie
in Kap. 3.1). Für die Dichte ρ m von Wasser im Temperaturbereich von (20 ± 2) °C kann ein als fehlerfrei
angenommener Wert von 998 kg/m3 verwendet werden.
Frage 1:
Wie groß darf h m höchstens sein, damit die maximale Druckdifferenz des Sensors nicht überschritten
wird?
Für mindestens 5 verschiedene Druckdifferenzen (zugehörige Höhen h m ausmessen) wird die Ausgangsspannung U des Drucksensors D mit einem Voltmeter gemessen. U wird über ∆p (Gl. (10)) aufgetragen.
15
16
Man könnte den Sensor auch so betreiben, dass der Anschluss „+“ in Kontakt mit der Umgebungsluft steht und
am Anschluss „-“ ein Unterdruck herrscht. Die maximale Druckdifferenz wäre in diesem Fall ∆p = - 1,25 × 103 Pa,
die in ein Spannungssignal von U = U0 - 2 V umgesetzt wird.
U0 und U variieren mit der Betriebsspannung (nominell 5 V). Eine einmal eingestellte Spannung darf deshalb
während der Messung nicht verändert werden.
91
Für ∆p werden Fehlerbalken eingezeichnet, die sich aus dem Größtfehler der Höhen h m ergeben. Schließlich wird die Kalibrierkurve ermittelt und eingezeichnet. Da der Sensor linear arbeitet, ist die Kalibrierkurve
eine Gerade, deren Parameter mit Hilfe der linearen Regression bestimmt werden.
Hinweis zum Rauschen:
Das elektronische Rauschen des Drucksensors (s. Tab. 1 im Anhang (Kap.4)) führt zu Schwankungen
der Ausgangsspannung U, die sich mit Hilfe der Kalibrierkurve in ein Rauschen des Drucksignals
umrechnen lassen. Dieses Rauschen liegt unterhalb der Fluktuationen in den Druckwerten nach Gl.(10),
die sich aus der beschränkten Ablesegenauigkeit der Höhendifferenz hm ergeben. Es kann deshalb bei
den durchzuführenden Messungen vernachlässigt werden.
M
hm
H1
Wasser
pL
H2
-+
D
Luft,
Druck p
V
E
Wasser
S
Abb. 15: Anordnung zur Einstellung von Druckdifferenzen ∆p > 0 gegenüber dem Umgebungsluftdruck
p L . Einzelheiten siehe Text.
3.3
Abstandsmessung mit einem Laser-Distanzsensor
Mit einem Laser-Distanzsensor (Typ BAUMER OADM 12U6460/S35) soll das zeitliche Verhalten einer
gedämpften harmonischen Schwingung untersucht werden. Gesucht sind die Kreisfrequenz ω der
Schwingung und die Dämpfungskonstante α. Zur Messung beider Größen wird wie folgt vorgegangen.
An einer Feder ist gem. Abb. 16 über eine Stange S eine Kugel K befestigt, die zur Dämpfung ihrer
Bewegung in ein Becherglas B mit einem Glycerin-Wasser-Gemisch eintaucht. Die Stange S wird um
einige Zentimeter nach unten ausgelenkt und dann losgelassen (Messbereich des Sensors beachten, s.
Tab. 1 im Anhang (Kap. 4)). Kugel und Stange führen danach eine gedämpfte harmonische Oszillation
aus. Die Auslenkung aus der Ruhelage, x, lässt sich als Funktion der Zeit t durch folgende Gleichung
beschreiben:
(11)
x ( t ) = x0 e −α t cos (ω t )
Darin ist x 0 die Anfangsamplitude (d.h. die anfängliche Auslenkung der Kugel), ω die Kreisfrequenz der
Schwingung und α die Dämpfungskonstante. Zum Zeitpunkt des Loslassens der Stange sei t = 0.
92
LDS
Feder
s
R
S
K
B
Abb. 16: Messung des Verlaufs einer gedämpften harmonischen Schwingung mit einem Laserdistanzsensor LDS.
Die Auslenkung x(t) wird mit dem Laserdistanzsensor in ein Spannungssignal U(t) umgesetzt. Dazu ist an
der Stange S eine Reflektorscheibe R angebracht, auf die der Laserstrahl des Sensors gerichtet wird. Die
Ausgangsspannung des Sensors ist gegeben durch:
=
U ( t ) U 0 e −α t cos (ω t ) + U DC
(12)
Dabei ist U DC ein Gleichspannungsanteil, der vom Abstand zwischen dem Laserdistanzsensor LDS und der
Reflektorscheibe R in der Ruhelage der Kugel abhängt (s. Abb. 17).
7.0
6.5
U1
6.0
U2
U/ V
5.5
5.0
4.5
4.0
3.5
3.0
0.0
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
t/s
Abb. 17: Exemplarische Darstellung des Ausgangssignals des Laserdistanzsensors gem. Gl. (12). In
diesem Beispiel ist U 0 = 2 V und U DC = 5 V. Die Spannungen U i werden zu den Zeitpunkten t i
gemessen (hier t 0 = 0 s, t 1 = 0,2 s, t 2 = 0,4 s,…).
U(t) wird mit einem Digital-Oszilloskop im SINGLE-SEQ-Modus aufgezeichnet. Aus der aufgezeichneten
Kurve wird mit Hilfe der Zeit-Cursor die Frequenz f der gedämpften Schwingung ermittelt und daraus ω
berechnet. Zur Bestimmung der Dämpfungskonstante α werden die Amplituden U i der Teilschwingungen
zu den Zeiten t i (i = 0, 1, 2, …) mit Hilfe der Spannungs-Cursor gemessen (Abb. 17). Für U i und t i müssen
keine Fehler angegeben werden. U i wird über t i in einem halblogarithmischen Diagramm dargestellt (U i
auf logarithmischer Achse). Wird für die Skalierung der Ordinate der natürliche Logarithmus verwendet,
entspricht α der Steigung der Ausgleichsgeraden durch die Messwerte 17.
17
Hinweise zur linearen Regression in (halb)-logarithmischen Diagrammen im Kap. „Einsatz der Computer im
Basispraktikum Physik“ beachten („scheinbarer Fit“ bzw. „Apparent Fit“).
93
Durch Kalibrierung des Sensors ist es möglich, den Spannungsverlauf U(t) in die Größe x(t) umzurechnen.
Frage 2:
Wie müsste man vorgehen, um eine Kalibrierkurve zu erstellen?
Wegen des linearen Zusammenhangs zwischen U(t) und x(t) ergäbe sich für x(t) ein zu U(t) analoger
Funktionsverlauf. Deshalb soll hier auf die Kalibrierung und Umrechnung verzichtet werden.
Frage 3:
Wie ließe sich aus dem Verlauf von x(t) die Geschwindigkeit v(t) und die Beschleunigung a(t) gewinnen?
3.4
Messung des Übersetzungsverhältnisses mit einem Winkelsensor
Auf einer Grundplatte sind gem. Abb. 18 ein Handrad H und ein Winkelsensor W befestigt. Auf der Drehachse des Winkelsensors ist eine Scheibe mit einem O-Ring montiert, der gegen den Rand des Handrades
drückt. Die Ausgangsspannung U des Winkelsensors ändert sich bei einer vollständigen Umdrehung der
Achse des Winkelsensors linear zwischen U min (ca. 0 V) und U max (ca. 5 V).
Das Handrad wird einmal von β = 0° auf β = 360° (also um 2π) gedreht. Dadurch dreht sich W um den
Winkel α > 2π. Durch Messung von U min , U max , U β = 0° , U β = 360° mit einem Voltmeter sowie der Zahl n der
während der Änderung von β stattfindenden Spannungssprünge von U max nach U min wird das Übersetzungsverhältnis V = α/2π zwischen der Drehung des Handrades und der Drehung von W bestimmt. Eine
Fehlerangabe für V ist nicht nötig.
α
W
H
β
O-Ring
Abb. 18: Winkelsensor W mit O-Ring, der an den Rand eines Handrades H drückt. Bei Drehung des Handrades um den Winkel β dreht sich der O-Ring und damit die Achse von W um den Winkel α.
U
Umax
Uβ = 360°
Uβ = 0°
Umin
0°
360° β
Abb. 19: Ausgangsspannung U des Winkelsensors bei Drehung des Handrades aus Abb. 18 um β = 360°
(exemplarisch!). In der Handrad-Stellung β = 0° steht die Achse des Winkelsensors an beliebiger
Winkelposition, bei der der Winkelsensor die Spannung U β = 0° ausgibt.
94
3.5
Messungen mit einer Fotodiode
3.5.1 Linearität des Ausgangssignals einer Fotodiode
Ziel der Messung ist die Überprüfung des linearen Zusammenhangs zwischen dem Fotostrom einer Fotodiode und der einfallenden Lichtintensität.
Die Fotodiode vom Typ Siemens BPW 34 18 (Abb. 13) wird auf das obere Ende einer Lochrasterplatine
gelötet. Für die Anode und die Kathode werden Anschlusskabel hergestellt, an den Enden verzinnt und
angelötet. An den freien Kabelenden werden Abgreifklemmen angeschlossen, über die der Anschluss der
Fotodiode an ein Amperemeter (AGILENT U1251B) mit Hilfe von Laborkabeln erfolgt. Das untere Ende
der Platine wird mit Isolierband umwickelt und in einem U-Halter befestigt.
Zur Überprüfung der Linearität der Fotodiode muss sie mit Licht unterschiedlicher Intensität I L beleuchtet
werden. Unterschiedliche Lichtintensitäten sind mit einem Laser und einem idealen Polarisationsfilter
(kurz: Polfilter) einfach herzustellen. Wir verwenden einen Helium-Neon-Laser (λ ≈ 633 nm), der linear
polarisiertes Licht emittiert, d.h. das elektrische Feld E der Lichtwelle schwingt nur in einer Richtung.
Dieses Licht wird durch einen drehbaren Polfilter geschickt, der die Eigenschaft hat, nur eine Richtung des
E-Feldes einer Lichtwelle durchzulassen. Ist P die Durchlassrichtung des Polfilters, E die Richtung des
elektrischen Feldes der auf den Filter einfallenden Lichtwelle und α der Winkel zwischen E und P, so wird
nur die Komponenten E t von E durchgelassen, die parallel zu P liegt. Diese Komponente ist nach Abb. 20:
(13)
Et = E cos α
Die Intensität einer Lichtwelle ist bis auf einen Proportionalitätsfaktor k durch das Quadrat ihrer Amplitude
E = |E| gegeben. Ist I L die Intensität des Laserlichtes, so folgt demnach für die vom Polfilter durchgelassene
Intensität I P gem. Gl. (13) das Gesetz von MALUS 19:
(14)
=
I P k=
Et2 k E 2 cos 2 =
(α ) I L cos 2 (α )
Durch Drehung des Polfilters um den Winkel α lassen sich demnach hinter dem Polfilter unterschiedliche
Lichtintensitäten I P einstellen.
P
E
α
Et
Abb. 20: Durchgang einer linear polarisierten Lichtwelle mit dem elektrischen Feldvektor E durch einen
Polfilter mit der Durchlassrichtung P.
Hinter den auf einer Dreieckschiene stehenden Laser wird der Polfilter P und dahinter die Fotodiode FD
montiert. Die Fotodiode wird so ausgerichtet, dass der Laserstrahl sie mittig trifft.
18
19
BPW 34 ist eine PIN-Fotodiode, die etwas anders aufgebaut ist als eine in dieser Anleitung beschriebene pnFotodiode. Auf die Einzelheiten des Unterschieds beider Typen soll hier nicht weiter eingegangen werden, da er
für die hier durchzuführenden Versuche nicht relevant ist.
ETIENNE LOUIS MALUS (1775–1812). Die Absorption des Polfilters, die für E || P gemessen werden kann, wird
hier nicht berücksichtigt.
95
Zunächst muss die Orientierung von E der vom Laser emittierten Lichtwelle gefunden werden. Dazu wird
der Strom I der Fotodiode bei Änderung der Winkelstellung P des Polfilters gemessen. I ist minimal, wenn
E und P orthogonal zueinander stehen. In dieser Stellung ist α = 90°. Auf der Winkelskala des Polfilters
wird dann ein Wert β angezeigt. Da die Orientierung des Lasers in seiner Halterung beliebig sein kann, ist
i. A. β ≠ α.
Anschließend wird der Verschluss des Lasers geschlossen und der Dunkelstrom I D der Fotodiode gemessen. Danach wird der Verschluss wieder geöffnet und der Fotostrom I für verschiedene Winkel α gemessen
(α = (0, 10, 20,…,90)°), die sich mit Hilfe der Winkelskala am Polfilter einstellen lassen. Die Stromdifferenz
(15)
Iα= I − I D
ist proportional zur Lichtintensität I P . I α wird über cos2(α) aufgetragen und mit Hilfe der linearen Regression eine Ausgleichsgerade eingezeichnet. Anhand der Verteilung der Messpunkte um die Ausgleichsgerade lässt sich die Linearität der Fotodiode beurteilen. Zufällige Streuungen der Messpunkte um die Ausgleichsgerade sind auf die realen Eigenschaften des Polfilters zurückzuführen, systematische Abweichungen würden auf ein nichtlineares Verhalten der Fotodiode hindeuten.
3.5.2 Messung der Leistung von Laserlicht
Für die verwendete Fotodiode BPW 34 kann die spektrale Empfindlichkeit S λ bei der Wellenlänge
λ = 850 nm aus dem Datenblatt entnommen werden. Es ist S 850 nm = 0,62 A/W (ohne Fehlerangabe). In
Kenntnis der relativen spektralen Empfindlichkeit S rel für λ = 633 nm (Abb. 14 rechts) kann daraus die
spektrale Empfindlichkeit S λ für die Wellenlänge des Laserlichtes (λ ≈ 633 nm) bestimmt werden:
(16)
S633 nm = S850 nm
S rel ( 633 nm )
100
S rel in %
Zur Messung der Leistung P L des Laserlichtes wird der Polfilter aus dem Versuchsaufbau entfernt, die
Fotodiode direkt mit dem Licht des Lasers bestrahlt und der Fotostrom I 633 nm gemessen. Anschließend wird
der Verschluss des Lasers geschlossen und der Dunkelstrom I D gemessen. Die Differenz I = I 633 nm - I D ist
der Nettostrom, der für die Bestimmung von P L nach Gl. (8) benötigt wird. Für die Berechnung des Fehlers
von P L ist nur der Ablesefehler für S rel zu berücksichtigen. Zusätzlich zum Messwert wird die Nummer des
verwendeten Lasers angegeben.
96
4
Anhang
Größe
Typ
Messbereich
Kraft
U-OL
227/10
Auflösung
Ansprechzeit
Rauschen
(0 – 100) mN
< 0,5 ms
± 0,7 mV
(0 – 1250) Pa
0,5 ms
± 4 mV
20
< 0,9 ms
< ± 5 mV
0,35°
< 0,4 ms
< 0,5°
SENSORTECHNICS
Druck
HCLA
12X5DB
BAUMER
Abstand
TWKELEKTRONIK
PBA 12
Winkel
Lichtleistung
Tab. 1:
20
21
22
OADM
12U6460/S35
(16 – 120) mm
(0 – 360)°
(0,002 – 0,12) mm
SIEMENS
BPW 34
20 ns
21
NEP 22
4,1 × 10-14
W/Hz-1/2
Ausgewählte Kenndaten der eingesetzten Sensoren soweit verfügbar bzw. angebbar.
Je kleiner der Abstand zwischen LDS und Messobjekt, desto besser die Auflösung.
Abhängig von der Beschaltung.
NEP: noise equivalent power = rauschäquivalente Strahlungsleistung.
97
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Praktikum im Modul Physik I für Studierende der Umweltwissenschaften
Kraft, Impuls und Kraftstoß
Stichworte:
Kraft, Federkraft, HOOKEsches Gesetz, NEWTONsche Axiome, Impuls, Kraftstoß, harmonische
Schwingung, Abstandsgesetz für Kräfte
Literatur:
/1/ DEMTRÖDER, W.: „Experimentalphysik 1 – Mechanik“, Springer-Verlag, Berlin u.a.
/2/ MESCHEDE, D. [Hrsg.]: "Gerthsen Physik", Springer, Berlin
1
Einleitung
Dieser Versuch ist vor allem der quantitativen Messung von Kräften gewidmet. Im ersten Teil wird der
Zusammenhang zwischen Kraft und Auslenkung bei einer mechanischen, harmonischen Schwingung
untersucht. Der zweite Teil widmet sich dem Abstandsgesetz bei der Kraftwirkung zwischen zwei
Magneten. Im dritten und letzten Teil geht es um den Zusammenhang zwischen Kraft und Impuls bzw.
Kraftstoß.
2
Theorie
2.1
Harmonische Schwingung: Kraft und Auslenkung
Wir betrachten eine Anordnung gem. Abb. 1, wie wir sie in ähnlicher Form bereits im Versuch „Sensoren
für Kraft…“ kennen gelernt haben. An einem Kraftsensor S hängt eine Feder FE. Am unteren Ende der
Feder ist über eine Stange ST eine Kugel K befestigt. Zusätzlich ist an der Stange eine Reflektorscheibe R
montiert.
LDS
S
FE
R
ST
K
F0
0
x0
x
Abb. 1: Anordnung zur Messung der Kraft und der Auslenkung bei einer harmonischen Schwingung.
Bezeichnungen siehe Text.
In der Ruhelage der Kugel sind die nach unten gerichtete Gewichtskraft von ST, K und R und die nach
oben gerichtete Federkraft im Gleichgewicht. Der Mittelpunkt der Kugel befindet sich dann in der Ruhelage
bei x = 0. Durch eine zusätzliche senkrecht nach unten gerichtete Kraft F 0 wird die Kugel um die Strecke
98
x 0 nach unten ausgelenkt 1. Zur Zeit t = 0 wird die Kugel losgelassen und durch die Zugkraft F der Feder
nach oben beschleunigt. Für F gilt nach dem HOOKEschen Gesetz mit der Federkonstanten D:
F = − D x0
(1)
Anschließend führt die Kugel eine harmonische Schwingung in x-Richtung aus. Die Auslenkung aus der
Ruhelage, x(t), die mit einem Laser-Distanzsensor LDS gemessen werden kann, wird unter Vernachlässigung von Reibungseffekten durch folgende Gleichung beschrieben 2:
x ( t ) = x0 cos (ω t )
(2)
Darin ist ω die Kreisfrequenz der Schwingung, die gegeben ist durch:
ω=
(3)
D
m
m ist die für die Schwingung maßgebliche Masse, für die gilt:
m = mK + mST + mR +
(4)
1
mFE
3
m K , m ST , m R und m FE sind die Massen der Kugel, der Stange, der Reflektorscheibe und der Feder 3.
Die Geschwindigkeit v(t) der Kugel erhält man durch Differentiation von x(t) nach der Zeit:
v ( t ) = − x0 ω sin (ω t )
(5)
Die Beschleunigung a(t) erhält man durch Differentiation der Geschwindigkeit nach der Zeit:
a ( t ) = − x0 ω 2 cos (ω t )
(6)
Damit folgt für die Kraft F(t), die die Feder auf m ausübt:
− m x0 ω 2 cos (ω t ) =
− F0 cos (ω t )
F (t ) =
m a (t ) =
(7)
mit
(8)
F0 = m x0 ω 2
Frage 1:
- Die Kraft F(t) hat je nach Lage x(t) der Kugel ein positives oder negatives Vorzeichen. In welchem
Bereich wirkt die Feder als Zugfeder bzw. als Druckfeder?
1
2
3
Da F0 und alle weiteren betrachteten Kräfte nur in x-Richtung wirken, reicht eine Beschreibung mit skalaren
Größen.
Eine detaillierte mathematische Beschreibung der Schwingung erfolgt im späteren Versuch „Erzwungene
mechanische Schwingungen“.
Der Zusammenhang nach Gl. (4) wird im späteren Versuch „Erzwungene mechanische Schwingungen“ erläutert.
99
In der Ruhelage der Kugel misst der Kraftsensor S die Gewichtskraft G von FE, ST, R und K. Wird die
Kugel aus der Ruhelage mit der Kraft F 0 nach unten gezogen, misst S nach dem 3. NEWTONschen Axiom 4
actio = reactio die Kraft
FS =G + F0 =G − F ( t =0 )
(9)
mit F(t) nach Gl. (7). Nach dem Loslassen der Kugel misst S die Kraft
(10)
FS ( t =
) G − F (t )
Nach Abzug von G liefert S also F(t) nach Gl. (7) mit umgekehrtem Vorzeichen.
2.2
Abstandsgesetz für magnetische Kraft
Die Gravitationskraft F G zwischen zwei Massen m 1 und m 2 im Abstand r ist bekanntlich durch
das NEWTONsche Gravitationsgesetz gegeben:
(11)
FG = G
m1 m2
rˆ
r2
Dabei ist G die Gravitationskonstante und r̂ der Einheitsvektor in Richtung der Verbindungslinie der
Mittelpunkte beider Massen 5. Da die Kraft mit dem Quadrat des Abstandes r abnimmt, spricht man von
einem 1/r2-Gesetz.
Auch das COULOMB-Gesetz, das die Kraft F E zwischen zwei elektrischen Ladungen q 1 und q 2 im Vakuum
beschreibt, ist ein 1/r2-Gesetz. Es lautet:
(12)
FE =
1 q1 q2
rˆ
4πε 0 r 2
wobei ε 0 die elektrische Feldkonstante ist und r und r̂ analog zum Gravitationsgesetz definiert sind. Für
Ladungen mit ungleichen Vorzeichen ergibt sich eine anziehende Kraft, für Ladungen mit gleichen Vorzeichen eine abstoßende Kraft.
Auch für die Kraft zwischen zwei Magneten gilt unter bestimmten Bedingungen ein 1/r2 Gesetz. Wir
betrachten dazu gem. Abb. 2 zwei Stabmagneten, deren Längen groß gegenüber ihren Durchmessern sind.
Die „Stärke“ solcher Magnete kann man unter dieser Voraussetzung durch Polstärken P beschreiben, die
mit unterschiedlichen Vorzeichen am Nord- und Südpol des jeweiligen Magneten herrschen und als
punktförmig angenommen werden können 6. Die Kraft zwischen zwei Magneten wird dann durch folgendes
Gesetz beschrieben, das auch als COULOMBgesetz für Magnete bezeichnet wird:
(13)
FM =
µ0 P1 P2
rˆ
4π r 2
µ 0 ist die magnetische Feldkonstante und r und r̂ sind wiederum analog zum Gravitationsgesetz definiert.
Bei ungleichnamigen Polen ist die Kraft anziehend, bei gleichnamigen abstoßend.
4
5
6
ISAAC NEWTON (1643 – 1727)
Streng genommen gilt Gl. (11) nur für punktförmige Massen im Abstand r. Bei annähernd kugelförmigen Massen
mit symmetrischer Massenverteilung um den Mittelpunkt (z.B. beim System Erde und Mond) ergibt sich jedoch
der gleiche Zusammenhang. r beschreibt dann den Abstand beider Mittelpunkte.
Die magnetische Polstärke P wird in der Literatur unterschiedlich definiert. Hier ist die Größe mit der Einheit
[P] = A m gemeint.
100
P1
P2
r
Abb. 2: Zum Abstandsgesetz für magnetische Kräfte. P 1 und P 2 sind die Polstärken der Magnete, deren
Längen groß gegenüber ihren Durchmessern sind. r ist der Abstand beider Magnete, der zwischen
den Polen gemessen wird.
2.3
Impuls und Kraftstoß
Der Bewegungszustand eines Körpers der Masse m, der sich geradlinig mit gleichförmiger Geschwindigkeit v bewegt, wird mit dem Impuls
(14)
p = mv
beschrieben. Nach dem 1. NEWTONschen Axiom ist eine Änderung des Impulses nur möglich, wenn eine
Kraft F auf den Körper einwirkt. Die durch F bewirkte zeitliche Änderung des Impulses ist nach dem
2. NEWTONschen Axiom gegeben durch
(15)
F=
dp
dt
Gl. (15) kann man auch in der Form
(16)
dp = F dt
schreiben. Sie besagt, dass eine Kraft F, die während der Zeit dt auf einen Körper einwirkt, eine Impulsänderung dp verursacht. Das Produkt F dt wird auch als Kraftstoß bezeichnet. E gilt also:
Kraftstoß = Impulsänderung
K2
v1'
α
K1
v1
Abb. 3: Zum elastischen Stoß zweier Körper K 1 und K 2 .
Wir betrachten nun gem. Abb. 3 den elastischen Stoß eines Körpers K 1 der Masse m 1 mit einem ruhenden
Körper K 2 , dessen Masse m 2 sehr viel größer als m 1 ist. K 1 möge sich anfänglich geradlinig mit der
Geschwindigkeit v 1 auf K 2 zu bewegen (v 2 = 0) und unter dem Winkel α auf K 2 auftreffen. Nach dem Stoß
'
bewegt sich K 1 mit der Geschwindigkeit v1 von K 2 fort, wobei der Strich (‘) hier und i. F. Größen nach
'
dem Stoß kennzeichnet. Im Fall m 2 → ∞, der hier betrachtet werden soll, gilt v 2 → 0 . Der Impuls von K 1
vor und nach dem Stoß ist demnach:
101
(17)
p1 = m1 v1
p1' = m1 v1'
mit v1 ≈ v1' . Die kinetische Energie von K 1 ist also vor und nach dem Stoß nahezu gleich:
(17)
2
1
1
2
m1 v1 ≈ m1 v1'
2
2
Auf K 2 wird unter den genannten Voraussetzungen praktisch keine kinetische Energie übertragen.
Die Impulsänderung, die K 1 durch den Stoß erfährt, ist
(18)
∆p = p1' − p1 = m1 ( v1' − v1 )
Sie muss gleich dem Impuls sein, den K 2 aufnimmt:
(19)
∆p = p '2 = m2 v '2
Gl. (19) ist nicht im Widerspruch zur Tatsache, dass K 2 bei dem Stoß wegen v2' → 0 praktisch keine
kinetische Energie aufnimmt. Dies erkennt man gut aus dem Zusammenhang zwischen kinetischer Energie
und Impuls:
p '2 2
1
=
m2 v '2 2
2
2 m2
(20) =
Ekin,2
Für m 2 → ∞ geht die kinetische Energie demnach auch bei endlichem Impuls gegen Null.
Die Impulsänderung ∆p von K 1 muss dem gesamten (integralen) Kraftstoß entsprechen, den K 2 beim
Stoßprozess auf K 1 ausübt. Dieser Kraftstoß ist nach Gl. (16) gegeben durch:
τ
(21)
∆p =
∫ F ( t ) dt
0
Hierbei ist F(t) die während der Dauer τ des Stoßes wirkende Kraft. Sie sorgt zunächst für die Abbremsung
von K 1 von der Geschwindigkeit v 1 auf die Geschwindigkeit 0 und anschließend zu seiner Beschleunigung
'
auf die Geschwindigkeit v1 . Zum anschaulichen Verständnis des Stoßvorgangs kann man sich K 2 als Feder
vorstellen, die zunächst von K 1 zusammengedrückt wird, bis seine Geschwindigkeit 0 ist, und die sich
'
anschließend wieder entspannt und dabei K 1 auf die Geschwindigkeit v1 beschleunigt.
102
3
Versuchsdurchführung
Zubehör:
Kraftsensor auf DMS-Prinzip (Messbereich (0 – 5) N), Messverstärker für Kraftsensor, Gewichtssatz
zur Kalibrierung des Kraftsensors, 2 Netzgeräte (PHYWE (0 - 15 / 0 - 30) V), Digital-Oszilloskop
(TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C), Feder mit Kugel, Stange und Reflektorscheibe, Laserdistanzsensor (BAUMER OADM 12U6460/S35), Stabmagnete in Al-Halterungen mit Haltestangen, PVCAbstandsstück, Führung für Stabmagnet, Verschiebetisch, Luftkissenbahn, Schlitten für Luftkissenbahn
mit Blende und Al-Würfeln, Gabellichtschranke (BETA-SENSORIK GLS-30BP/R), Haken für
Kraftsensor, Stativ auf Grundplatte, Stativstangen, Stativsäule, Kreuzverbinder, Messschieber.
3.1
Kalibrierung des Kraftsensors
Der in den folgenden Versuchen eingesetzte Kraftsensor arbeitet nach dem gleichen Prinzip wie der Sensor,
der im Versuch „Sensoren für Kraft…“ eingesetzt wurde. Beide Sensoren unterscheiden sich lediglich in
ihrem Messbereich (hier: 5 N, vormals 100 mN). Aus diesem Grunde wird hier die Dämpfung am
Messverstärker ausgeschaltet. Die Kalibrierung des Sensors erfolgt mit mindestens fünf Massestücken im
Bereich m ≈ (50 – 500) g.
Die Ausgangsspannung U des Kraftsensors 7 wird mit dem Oszilloskop 8 gemessen. U wird über G = mg
aufgetragen, wobei für die Erdbeschleunigung g der Wert von g = 9,8133 m/s2 verwendet wird, der als
fehlerfrei angenommen werden kann. Durch die Daten wird eine Ausgleichsgerade gelegt, deren Parameter
für die spätere Umrechnung von Spannung in Kraft verwendet werden.
3.2
Kraft und Auslenkung bei einer harmonischen Schwingung
Mit einer Anordnung gem. Abb. 1 sollen die Kraft F(t) und die Auslenkung x(t) bei einer harmonischen
Schwingung gemessen werden. Zunächst werden die Massen der Feder und des Systems
Stange/Reflektorscheibe/Kugel durch Wiegen bestimmt. Anschließend werden alle Komponenten wie in
Abb. 1 an den Kraftsensor S gehängt, der an ein Stativ montiert wird. Am selben Stativ ist auch der LaserDistanzsensor LDS befestigt. Seine Höhe wird so justiert, dass die Reflektorscheibe bei der zu messenden
Schwingung innerhalb seines Messbereiches bleibt. Anschließend wird die Kugel mit der Hand etwa
20 mm möglichst senkrecht nach unten ausgelenkt und losgelassen.
Die Ausgangsspannung des LDS, U LDS (t), und die Ausgangsspannung des Kraftsensors, U S (t), werden mit
einem Speicheroszilloskop aufgezeichnet, das auf U LDS getriggert wird. Die Zeitablenkung des Oszilloskops wird so eingestellt, dass 5 – 10 Perioden der Schwingung auf dem Bildschirm sichtbar sind. Nach
dem Einschwingen wird im single-sequence-Modus ein typischer Schwingungsvorgang gespeichert und als
Bildschirmfoto dem Protokoll beigefügt.
Mit Hilfe der Zeitcursor wird die Periodendauer der Schwingung bestimmt und daraus die Kreisfrequenz
ω berechnet. Die Amplituden von U LDS (t) und U S (t) einer ausgewählten Teilschwingung werden mit Hilfe
der Spannungscursor gemessen. Mit dem als fehlerfrei angenommenen Kalibrierfaktor des LDS für Spannungsdifferenzen,
k = 0, 0962 V/mm
und den Daten aus der Kalibrierfunktion des Kraftsensors können aus beiden Größen die Schwingungsamplitude x 0 und die Kraft F 0 berechnet werden. Anschließend wird überprüft, ob der so gewonnene
7
8
Der Einfachheit halber wird hier und i. F. der Begriff „Ausgangsspannung des Kraftsensors“ verwendet, wenn die
Ausgangsspannung des mit dem eigentlichen Kraftsensor verbundenen Messverstärkers gemeint ist.
Da bei den folgenden Messungen die Spannung U jeweils mit dem Oszilloskop gemessen wird, erfolgt auch hier
die Messung von U mit dem Oszilloskop statt mit einem Multimeter, um Differenzen in den Messwerten durch
unterschiedliche Kalibrierungen von Oszilloskop und Multimeter zu vermeiden.
103
Messwert für F 0 mit dem Wert übereinstimmt, der sich aus den Messwerten für m, x 0 und ω nach Gl. (8)
ergibt.
Frage 2:
- Was können Gründe für eine mögliche Abweichung beider Größen sein?
3.3
Anziehungskraft zwischen zwei Magneten
Mit einer Anordnung gem. Abb. 4 soll die Gültigkeit des Abstandsgesetzes für die Anziehungskraft zwischen zwei Magneten nach Gl. (13) überprüft werden. Beide Magnete sind in Al-Hülsen gefasst, die auf
Stangen geschraubt werden. Zunächst wird nur der obere Magnet mit der Polstärke P 1 zusammen mit der
Stange an einen Kraftsensor S gehängt. Eine reibungsarme Führung A beschränkt seine Bewegung auf die
senkrechte Richtung. Die Ausgangsspannung U S,0 des Kraftsensors wird gemessen. Sie entspricht der Spannung für den Fall r → ∞. Aus U S,0 wird mit den Daten der Kalibrierfunktion die Gewichtskraft G von
Magnet und Stange berechnet, die später von allen anderen gemessenen Kräften subtrahiert werden muss.
ST
S
A
V
P1
P2
r
Abb. 4: Anordnung zur Messung der Anziehungskraft zwischen zwei Magneten mit den Polstärken P 1
und P 2 . Alle Komponenten sind an einem gemeinsamen Stativ ST befestigt, das eine exakt senkrechte Montage erlaubt. Übrige Bezeichnungen siehe Text.
Anschließend wird der untere Magnet mit der Polstärke P 2 mit einer Stange auf einem Verschiebetisch V
montiert, mit dem er in senkrechter Richtung bewegt werden kann. Zunächst wird er so justiert, dass die
Längsachsen beider Magnete exakt übereinander liegen. Danach wird mit einem PVC-Abstandsstück
(Länge l ≈ 20 mm, messen) ein definierter Abstand l zwischen beiden Magneten eingestellt, die zugehörige
Skalenposition des Verschiebetisches notiert und als s = l definiert. Anschließend wird der Verschiebetisch
in die Skalenposition s = 10 mm gebracht und U S (s) bestimmt. Danach wird s in Schritten von ca. 0,5 mm
Länge bis auf etwa s = 2 mm verringert und dabei jeweils U S (s) gemessen.
Die Werte von U S (s) werden mit den Daten der Kalibrierfunktion in Kräfte F G (s) umgerechnet. Nach
Subtraktion von G erhält man daraus die Kräfte F(s), die durch die magnetische Anziehung verursacht
werden:
(22)
=
F ( s ) FG ( s ) − G
Jede Kraft F, die auf den Biegebalken im Kraftsensor wirkt, führt gem. Abb. 5 am Angriffspunkt Q von F
zu einer kleinen Auslenkung d des Balkens in Richtung von F. d(F) lässt sich in guter Näherung durch ein
Polynom 2. Ordnung beschreiben:
104
(23)
d (=
F ) a1 F + a2 F 2
Die Parameter a 1 und a 2 sind den Unterlagen am Arbeitsplatz zu entnehmen. Unter Berücksichtigung der
Auslenkung d gilt für den tatsächlichen Abstand r zwischen den beiden Magneten bei einer Skalenposition
s am Verschiebetisch:
(24)
r= s − d
F(r) = F(s) wird doppelt-logarithmisch über r aufgetragen (Origin). In das Diagramm wird eine Ausgleichsgerade durch die Messdaten mit der festen Steigung -2 eingezeichnet. Bei Gültigkeit des nach Gl.
(13) erwarteten 1/r2-Gesetzes müssten alle Messwerte auf dieser Geraden liegen. Für kleine Abstände r
wird sich jedoch eine deutliche Abweichung der Messwerte von der Ausgleichsgeraden ergeben. Der Grund
dafür ist, dass bei kleinen r die Annahme punktförmiger Polstärken P nicht mehr gerechtfertigt ist.
Frage 3:
- Ab welchem Abstand r ist in guter Näherung eine 1/r2-Abhängigkeit gegeben?
Q
d
F
Abb. 5: Verformung des Biegebalkens im Kraftsensor bei Einwirkung einer Kraft F, die am Punkt Q
angreift. Q wird durch F um die Strecke d ausgelenkt.
3.4
Elastischer Stoß auf einer Luftkissenbahn
Auf einer Luftkissenbahn LK (Abb. 6), auf der sich ein aufgesetzter Schlitten nahezu reibungsfrei bewegen
kann, soll der Zusammenhang Kraftstoß = Impulsänderung bei einem elastischen Stoß quantitativ
untersucht werden. Da alle Bewegungen längs der Achse der Luftkissenbahn ablaufen, ist gem. Abb. 3
α = 0° und es reicht eine Betrachtung der skalaren Größen Geschwindigkeit (v) und Impuls (p).
LS
B
T
K2
AW
K1
LK
S
P
H
L
A
Abb. 6: Anordnung zur Messung von Impuls und Kraftstoß beim elastischen Stoß auf einer Luftkissenbahn LK. K 1 : Schlitten mit Blende B und zwei Al-Würfeln AW. S: Kraftsensor mit Spitze P an
Halterung H. T: Stahlträger-Unterbau für LK mit Stellfuß A. L: Länge des Messbereiches. LS:
Gabellichtschranke.
Der Schlitten K 1 mit der Masse m 1 wird mit der Hand auf die Geschwindigkeit v 1 beschleunigt. Er bewegt
sich anschließend auf den Kraftsensor S zu, der über eine starre Halterung H mit dem massiven StahlträgerUnterbau T von LK verbunden ist. Durch diesen Aufbau sind die in Kap. 2.3 definierten Bedingungen für
'
den Stoßpartner K 2 (bestehend aus S, H und T), nämlich m 2 → ∞ und damit v2 → 0, gewährleistet.
105
Die während des Stoßes zwischen K 1 und K 2 wirkende Kraft F(t) wird mit dem Kraftsensor S gemessen
und mit Hilfe eines Speicheroszilloskops aufgezeichnet.
Auf dem Schlitten ist mittig eine Blende B der Breite d angebracht, die beim Durchlaufen einer Gabellichtschranke LS diese für die Dauer t LS unterbricht. Durch Messung von d (Messschieber), t LS (Speicheroszilloskop) und m 1 (Laborwaage) lassen sich somit die Geschwindigkeiten und Impulse von K 1 vor und
nach dem Stoß bestimmen.
Hinweise zur Durchführung:
- Um eine präzise Messung von F(t) zu ermöglichen, ist der Kraftsensor mit einer Spitze P versehen, die
einen annähernd punktförmigen Kontakt mit einem am Schlitten montierten Aluminiumwürfel AW
ermöglicht 9. Vor Beginn der Messung muss der Sensor so ausgerichtet werden, dass der Würfel von der
Spitze mittig getroffen wird.
- Um zu verhindern, dass der Schlitten nach dem Anstoßen auf der Bahn weiter beschleunigt oder
gebremst wird, ist eine exakt waagerechte Ausrichtung der Bahn erforderlich. Diese lässt sich nicht über
ihre gesamte Länge erreichen, wohl aber über eine Strecke von L ≈ (10 – 15) cm Länge zwischen LS
und S, die für die Durchführung der Messung ausreichend ist. Die Ausrichtung der Bahn erfolgt
ausschließlich über das Verstellen des drehbaren Fußes A am Stahlträger. Bei eingeschalteter Luftzufuhr
muss A so justiert werden, dass der aufgesetzte Schlitten im Bereich L nicht beschleunigt wird.
- Der Schlitten K 1 darf nur so stark beschleunigt werden, dass F(t) immer kleiner als 5 N bleibt, da andernfalls der Messbereich des Kraftsensors verlassen wird. Die Geschwindigkeit v 1 des Schlittens darf also
nicht zu groß und damit t LS nicht zu klein werden. t LS > 120 ms ist ein guter Orientierungswert.
Abb. 7 zeigt ein typisches Oszilloskopbild nach einem Stoßvorgang. An CH1, auf den getriggert wird,
wurden die Signale U LS der Gabellichtschranke beim Hin- und Rücklauf des Schlittens erfasst, an CH2 das
Signal U S des Kraftsensors. Ein Bildschirmfoto des Oszilloskopbildes wird dem Protokoll beigefügt. Zur
Auswertung der Signale werden sie zunächst auf einer Compact-Flash-Karte oder einem USB-Stick (je
nach Gerätetyp) gespeichert und anschließend in das ASCII-Format konvertiert. Einzelheiten dazu siehe
Anhang (Kap. 4). Anschließend können diese Dateien in Origin importiert und dort weiter ausgewertet
werden.
Abb. 7: Oszilloskopbild der Signale der Gabellichtschranke LS (CH1, oben) und des Kraftsensors S
(CH2, unten).
9
Der Schlitten muss beidseitig mit gleichen Al-Würfeln versehen werden, um eine symmetrische Massenverteilung
zu gewährleisten.
106
Die Impulsbreiten t LS der Signale der Gabellichtschranke für den hin- und rücklaufenden Schlitten werden
entweder mit Hilfe der Zeitcursor am Oszilloskops bestimmt oder in Origin mit Hilfe des Tools
Datenkoordinaten (Data Reader) ermittelt. Die gesamte Impulsänderung des Schlittens gem. Gl.
(18) kann dann wie folgt berechnet werden:
(25)
∆ p=
 1
1 
p1 + p1' = m1 d 
+ ' 
 tLS tLS 
Für die Berechnung des Größtfehlers der Impulsänderung können m 1 und d als fehlerfrei angenommen
werden.
Zur Messung des Kraftstoßes wird das Integral in Gl. (21) durch eine Summe ersetzt:
(26)
=
∆p
∑ F ( t ) ∆t
i
i
Dabei sind F(t i ) die diskreten Messwerte des Kraftsensors zu den Zeitpunkten t i (Abtastpunkte des Oszilloskops), die sich mit Hilfe der Kalibrierfunktion aus den aufgezeichneten Spannungswerten U S (t i ) berechnen
lassen. Die Summe über die F(t i ) lässt sich mit dem Origin-Tool Spaltenstatistik einfach
ermitteln 10. ∆t ist der konstante Zeitabstand zwischen zwei aufeinander folgenden Messwerten zu den
Zeiten t i und t i+1 , der sich aus der eingestellten Zeitablenkung am Oszilloskop (x SEC/DIV) und der Zahl
der aufgezeichneten Messwerte (2.500) ergibt:
∆t 10 DIV × ( x SEC/DIV ) / 2500
(27) =
Es ist schwierig, Beginn und Ende des Kraftstoßes und damit seine Dauer τ exakt zu bestimmen. Deshalb
wird die Summe nach Gl. (26) nicht über τ, sondern über das gesamte aufgezeichnete Zeitintervall gebildet,
d. h. über alle mit dem Oszilloskop aufgezeichneten 2.500 Messwerte. Dabei ist folgendes beachten:
Außerhalb des Zeitintervalls τ sollte F(t i ) = 0 sein. Tatsächlich kann dort jedoch durch einen kleinen Offset
im Kraftsignal und durch elektronisches Rauschen F(t i ) ≠ 0 sein und somit bei Summation über viele t i
einen erheblichen Fehler verursachen. Deshalb wird zunächst der Mittelwert F 0 des Kraftsignals über das
Zeitintervall gebildet werden, das sicher vor Beginn des Stoßes liegt 11. Anschließend wird dieser Wert F 0
von allen Messwerten F(t i ) subtrahiert und erst danach die Summe nach Gl. (26) gebildet.
Um die Berechnung des Größtfehlers des Kraftstoßes nicht zu aufwändig zu machen, kann für jeden einzelnen Kraftwert F(t i ) ein Größtfehler von 5 mN angenommen und der Größtfehler von ∆t vernachlässigt
werden.
Abschließend wird überprüft, ob die Impulsänderung nach Gl. (25) dem Kraftstoß nach Gl. (26) entspricht.
Die Ursachen möglicher Abweichungen beider Größen werden diskutiert.
10
11
Im Menü Spaltenstatistik Haken bei Summe setzen.
Zellen in der Spalte mit den Werten für F(ti) markieren, für die ti vor dem Beginn des Stoßes liegt. Dann →
Spaltenstatistik, dort Haken bei Mittelwert setzen.
107
4
Anhang
Zur Speicherung von Daten des Oszilloskops auf USB-Stick oder Compact-Flash-Karte und anschließende
Konvertierung in ASCII-Daten sind folgende Schritte erforderlich:
Am Oszilloskop werden zu Beginn einmalig folgende Tasten gedrückt:
Grundeinstellungen:
SAVE/RECALL
Taste DRUCKEN
Verzeichnis wählen
→ Aktion
→ Alle speichern
→ Speichert alles
→ GPRnn auswählen → Verzeichnis wechseln → Zurück
Speichern:
SAVE / PRINT
Nach Betätigung der SAVE / PRINT–Taste werden vier Dateien im Unterverzeichnis ALLnnnn gespeichert,
wobei nnnn eine fortlaufende Nummer ist (beginnend bei 0000), die bei jeder Betätigung der Taste SAVE
/ PRINT um 1 erhöht wird. Die vier Dateien sind:
FnnnnTEK.SET
FnnnnTEK.TIF
FnnnnCH1.CSV
FnnnnCH2.CSV
ASCII-Datei mit Betriebsparametern des Oszilloskops
Bilddatei mit Bildschirmfoto
Daten von CH1 (u.a. Spannung U 1 als Funktion der Zeit t)
Daten von CH2 (u.a. Spannung U 2 als Funktion der Zeit t)
Für die quantitative Auswertung sind nur die beiden letzten Dateien von Bedeutung, die im CSV-Format
vorliegen. 12 Mithilfe des zur Verfügung gestellten Matlab-Skriptes GPRTools.m (auf Laufwerk Q:), dort
Option Tektronix CSV to ASCII, werden aus diesen Dateien die Signalverläufe U 1 (t) für CH1 und
U 2 (t) für CH2 extrahiert, in das ASCII-Format umgewandelt und anschließend im Verzeichnis ALLnnnn
unter folgenden Namen gespeichert:
FnnnnCH1_all.txt
FnnnnCH2_all.txt
Spalte 1: t, Spalte 2: U 1 (t) für CH1
Spalte 1: t, Spalte 2: U 2 (t) für CH2
Diese Daten können über Datei → Import → … in Origin importiert werden.
12
CSV ist die Abkürzung für character separated values. Dies bedeutet, dass einzelne Einträge in der Datei
(Zahlenwerte, Zeichenketten,…) durch ein definiertes Zeichen (englisch: character) voneinander getrennt sind.
Hier ist das Komma das Trennzeichen.
108
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Praktikum im Modul Physik I für Studierende der Umweltwissenschaften
Viskosität und Reynoldszahlen
Stichworte:
Reibung,
Reibungskraft,
Auftrieb,
Viskosität,
laminare
und
turbulente
Strömung, REYNOLDSzahl, STOKESsches Gesetz, BERNOULLIsches Gesetz, HAGEN-POISEUILLEsches
Gesetz
Literatur:
/1/ DEMTRÖDER, W.: „Experimentalphysik 1 - Mechanik und Wärme“, Springer-Verlag, Berlin u.a.
/2/ SCHENK, W., KREMER, F. (Hrsg.): „Physikalisches Praktikum“, Vieweg + Teubner Verlag, Wiesbaden
/3/ WALCHER, W.: „Praktikum der Physik“, Teubner Studienbücher, Teubner-Verlag, Stuttgart
1
Einleitung
Das NEWTONsche Gesetz „Kraft proportional Beschleunigung“ scheint vielen alltäglichen Erfahrungen zu
widersprechen. Betrachtet man beispielsweise die Bewegung von Körpern unter dem Einfluss von Reibung,
so trifft die Beschreibung „Kraft proportional Geschwindigkeit“ eher zu: um etwa beim Radfahren eine
konstante Geschwindigkeit einzuhalten, muss dauernd Kraft aufgewendet werden. Will man dauerhaft
schneller fahren, muss man dauerhaft schneller treten, was dauernd mehr Kraft erfordert.
Tatsächlich lassen sich viele mechanische Abläufe, bei denen Reibung eine Rolle spielt, mit dem Ansatz
„Kraft ~ Geschwindigkeit“ befriedigend beschreiben. Das gilt z.B. für den Einfluss der Reibung auf das
Fallen von Kugeln in Flüssigkeiten oder Gasen. Zwei wichtige Beispiele für solche Fallvorgänge sind das
Absetzen von Staubteilchen oder Wassertröpfchen (Nebel) aus der Luft und die Bewegung winziger
Öltröpfchen, wie sie im MILLIKANschen Versuch zur Bestimmung der Elementarladung zur Anwendung
kommen.
Dieser Versuch hat zum Ziel, aus der Beobachtung solcher Fallvorgänge und der Strömung von Flüssigkeiten durch Kapillaren die Viskosität einer Flüssigkeit zu bestimmen. Außerdem wird der Übergang von
einer laminaren in eine turbulente Strömung untersucht und die zugehörige REYNOLDSzahl bestimmt.
2
Theorie
2.1
Bestimmung der Viskosität mit der Kugelfallmethode nach Stokes
Wir betrachten gemäß Abb. 1 eine Kugel vom Radius r, die mit der Geschwindigkeit v durch eine unendlich
ausgedehnte Flüssigkeit gezogen wird. Um die Kugel zu bewegen, müssen Reibungskräfte überwunden
werden. Sie rühren daher, dass die direkt an die Kugel angrenzende Flüssigkeitsschicht an der Kugel haftet
und folglich mitbewegt werden muss. Die mitbewegte Schicht reißt die ihr benachbarte Flüssigkeitsschicht
mit, diese reißt wiederum ihre Nachbarschicht mit usw. Im Ergebnis entsteht infolge dieser Reibung um
die Kugel herum eine Flüssigkeitsströmung, deren Geschwindigkeit mit größer werdendem Abstand quer
zur Kugel abnimmt.
109
2r
V
Abb. 1: Bewegung einer Kugel durch eine Flüssigkeit.
Aus den NAVIER-STOKES-Gleichungen 1, mit denen Bewegungen von Flüssigkeiten beschrieben werden
können, lässt sich die Reibungskraft F R berechnen, die die Flüssigkeit einer Bewegung der Kugel mit der
Geschwindigkeit v entgegensetzt. Da die Vektoren F R und v längs der gleichen Achse orientiert sind, reicht
im Folgenden eine Betrachtung ihrer Beträge F R und v. Nach einer komplizierten Rechnung, die erst in
höheren Semestern nachvollzogen werden kann, ergibt sich, dass die Reibungskraft F R zur Geschwindigkeit
v und zum Kugelradius r proportional ist:
(1)
FR  v
FR  r
und dass gilt:
(2)
FR = 6πη rv
Die Konstante η heißt Viskosität (auch Koeffizient der inneren Reibung oder dynamische Zähigkeit). Ihre
SI-Einheit ist [η] = kg/(m⋅s) = N⋅s/m2 = Pa⋅s. Die alte CGS-Einheit, die noch in vielen Tabellenwerken
gebräuchlich ist, ist das POISE 2 (1 POISE = 1 p = 1 g/(cm⋅s)).
Gl. (2) ist das so genannte STOKESsche Gesetz. Es beschreibt die Bewegung der Kugel jedoch nur dann
richtig, wenn die durch die Kugelbewegung erzeugte Flüssigkeitsströmung laminar ist. Eine laminare
Strömung liegt dann vor, wenn die einzelnen Flüssigkeitsschichten glatt übereinander gleiten, also nicht
untereinander verwirbeln. Anschaulich bedeutet dies, dass sich glatte, zusammenhängende Stromlinien um
die Kugel herum ausbilden (Abb. 2). Im Gegensatz dazu spricht man von turbulenter Strömung, wenn die
Flüssigkeitsschichten untereinander verwirbeln. In diesem Fall ergeben sich verwirbelte Stromlinien (Abb.
3; siehe auch Abbildungen auf dem Titelblatt dieses Praktikumskriptes) und die aufzuwendende Kraft wird
oft proportional zu v2:
(3)
FR  v 2
Mit Hilfe der dimensionslosen REYNOLDSzahl 3 Re lässt sich abschätzen, ob eine Strömung laminar oder
turbulent verläuft. Sie ist gegeben durch:
(4)
Re =
ρ vl
η
Dabei ist ρ die Dichte der Flüssigkeit und l eine für den betrachteten Strömungvorgang charakteristische
Länge. In unserem Fall entspricht l dem Durchmesser der Kugel; im Falle einer Strömung durch ein Rohr
(vgl. Gl. (36)) entspricht l dem Rohrdurchmesser.
1
2
3
CLAUDE LOUIS MARIE HENRI NAVIER (1785 – 1836); GEORGE GABRIEL STOKES (1819 – 1903).
JEAN-LOUIS MARIE POISEUILLE (1799 – 1869).
OSBORN REYNOLDS (1842 – 1912)
110
Abb. 2: Laminare Strömung
eine Kugel.
um
Abb. 3: Turbulente Strömung um eine Kugel. Links
schematisch,
rechts
Originalaufnahme
von LUDWIG PRANDTL (1875 – 1953) 4.
Die REYNOLDSzahl hat eine anschauliche physikalische Bedeutung: sie ist proportional zum Quotienten
aus der kinetischen Energie E k eines Volumenteilchens mit der Kantenlänge l und der Reibungsenergie E R ,
die beim Verschieben des Teilchens um die Strecke l „verbraucht“ wird. Für das Beispiel eines kugelförmigen Flüssigkeitsteilchens (Masse m, Geschwindigkeit v, Dichte ρ, Durchmesser l) ergibt sich als kinetische
Energie:
(5) =
Ek
1
1
=
m v2
ρ π l 3 v2
2
12
Die Reibungsenergie ist das Produkt aus Reibungskraft (Gl. (2) mit r = l/2) und Strecke l:
(6)
ER = 3 π η v l 2
Der Quotient beider Größen ergibt bis auf die Konstante 1/36 die REYNOLDSzahl aus Gl. (4).
Eine Strömung verläuft laminar bei „kleinen“ und turbulent bei „großen“ REYNOLDSzahlen 5. Dabei sind
die Begriffe „klein“ und „groß“ jedoch nur als relative Angaben zu verstehen. Was „klein“ und was „groß“
ist, ist stark abhängig vom betrachteten Experiment. So verlaufen z.B. Rohrströmungen laminar für REYNOLDSzahlen Re < 2.000 - 2.500. Für fallende Kugeln in Flüssigkeiten muss Re < 0,2 sein /3/, damit die
Strömung nicht turbulent wird und das STOKESsche Gesetz gültig bleibt.
FA
FR
G
Abb. 4: Wirkende Kräfte auf eine fallende Kugel.
4
5
Quelle: PHYSIK JOURNAL 3.10 (2004) 31-37
Die Bedingungen für laminare oder turbulente Strömungen sind nach neueren Erkenntnissen erheblich komplexer,
als in diesem Text und in gängigen Lehrbüchern dargestellt, siehe z.B. B. HOF et al: „Finite lifetime of turbulence
in shear flows“, Nature 443 (2006) 59-62. Hierauf kann im Rahmen des Basispraktikums jedoch nicht eingegangen
werden.
111
Wir betrachten nun das Fallen einer Kugel mit der Masse m, dem Radius r und dem Volumen V in einer
unendlich ausgedehnten Flüssigkeit mit der Dichte ρ F und der Viskosität η. Auf die Kugel wirken drei
Kräfte (Abb. 4), die alle in vertikaler Richtung orientiert sind. Deshalb reicht die Betrachtung ihrer Beträge.
Die Kräfte sind die nach unten gerichtete Gewichtskraft G = mg (g: Erdbeschleunigung), die nach oben
gerichtete Auftriebskraft F A = ρ F Vg und die ebenfalls nach oben gerichtete Reibungskraft (Gl. (2))
F R = 6πηrv. Die resultierende Kraft F ist also:
(7)
F =G − FA − FR
Diese Kraft F beschleunigt die Kugel nach unten auf zunächst immer größer werdende Geschwindigkeiten
v. Mit v wächst jedoch auch F R , so dass F immer kleiner und schließlich gleich null wird. Von diesem
Zeitpunkt an gilt:
(8)
F =G − FA − FR =0
Die Kugel fällt von nun an mit der konstanten Geschwindigkeit v 0 .
Frage 1:
- Wie bewegt sich eine Gasblase, die am Boden eines Wasserglases freigesetzt wird (z. B. eine CO 2 -Blase
in einem Glas mit Mineralwasser)?
Setzen wir G, F A und F R mit v = v 0 in Gl. (8) ein, so erhalten wir:
(9)
mg − ρ F Vg − 6πη rv0 =
0
Wir setzen nun noch m = ρ K V (mit ρ K : Dichte des Kugelmaterials) sowie V =
4 3
πr und erhalten damit
3
aus Gleichung (9):
(10)
4 3
πr g ( ρ K − ρ F ) − 6πη rv0 =
0
3
Lösen wir diese Gleichung nach η auf, so erhalten wir
(11)
2
9
η = r2g
( ρK − ρF )
v0
Aus Gl. (11) folgt eine einfache Möglichkeit zur indirekten Messung von η, wenn ρ K und ρ F bekannt sind:
Man lässt Kugeln vom Radius r in der zu untersuchenden Flüssigkeit fallen und misst ihre Fallgeschwindigkeit v 0 nach Erreichen des Zustands F = 0.
Dabei taucht ein Problem auf: In der Regel haben wir es nicht mit unendlich ausgedehnten Flüssigkeiten
zu tun, sondern beispielsweise mit Zylindern vom Radius R, in denen das Fallen der Kugeln beobachtet
wird. In diesen Fällen muss die zusätzliche Reibung der von der Kugel mitgerissenen Flüssigkeit an der
Zylinderwand berücksichtigt werden. Sie führt dazu, dass die gemessene Geschwindigkeit v m kleiner ist als
die Geschwindigkeit v 0 im Falle der unendlich ausgedehnten Flüssigkeit. Da die Abweichung zwischen v 0
und v m vor allem durch das Verhältnis der Querschnittsflächen von Kugel und Zylinder bestimmt ist, kann
näherungsweise gesetzt werden:
(12)
r
vm ≈ v0 − k  
R
2
112
wobei k ein experimentell zu bestimmender Korrekturfaktor ist 6. Damit folgt:
2
(13)
r
v0 ≈ vm + k  
R
2.2
Bestimmung der Viskosität mit einem Kapillarviskosimeter nach UBBELOHDE
Durch eine senkrecht stehende Kapillare vom Radius r 0 strömt eine Flüssigkeit. Die Zeit ∆t, die ein Flüssigkeitsvolumen V benötigt, um durch die Kapillare zu fließen, wird durch die Viskosität η der Flüssigkeit
bestimmt. Je größer η, desto größer ∆t. Nach diesem einfachen Prinzip arbeiten Kapillarviskosimeter. Abb.
5 zeigt ein solches Kapillarviskosimeter nach UBBELOHDE, das in Kap. 3.2 und im Anhang 4.4 noch näher
beschrieben wird.
2
3
1
G
M1
V
B
M2
l
2r0
D
H
Abb. 5: Kapillarviskosimeter nach UBBELOHDE. Durch die Kapillare (rot) mit Radius r 0 und Länge l
strömt während der Zeit ∆t das Volumen V. Weitere Bezeichnungen siehe Kap. 3.2 und Anhang
4.4.
Die exakte Herleitung des quantitativen Zusammenhangs zwischen η und ∆t erfordert einigen Aufwand.
Die Herleitung ist im Anhang 4.4 dargestellt. Hier geben wir nur das Ergebnis wieder:
6
Gl. (13) ist ein für die verwendete Versuchsanordnung empirisch gefundenes Gesetz. Die vielfach verwendete
Korrektur nach LADENBURG (siehe z.B. /2/) liefert für diese Versuchsanordnung deutlich schlechtere Ergebnisse.
113
(14)
=
η K ρ ∆t
Hierbei ist ρ die Dichte der Flüssigkeit und K eine Apparatekonstante des verwendeten Viskosimeters, in
die u.a. das durchgeflossene Volumen V eingeht (Abb. 5).
Für die kinematische Viskosität υ = η/ρ mit der Einheit [υ] = m2/s erhält man:
(15)
υ= K ∆t
In Gl. (14) und (15) ist noch eine Korrektur anzubringen. Wenn nämlich die Flüssigkeit aus dem breiten
Vorratsgefäß B (Abb. 5) des Kapillarviskosimeters in die enge Kapillare eintritt, muss sie nach
dem BERNOULLIschen Gesetz 7 beschleunigt werden. Die dazu erforderliche Arbeit führt zu einem kleinen
Druckverlust, der eine Vergrößerung der Auslaufzeit ∆t bewirkt. Von den gemessenen Zeiten ∆t sind daher
Korrekturzeiten t k abzuziehen (HAGENBACHsche Korrektur), die von den Herstellern der UBBELOHDEViskosimeter als Apparatekonstanten mitgeliefert werden. Die endgültige Gleichung zur Bestimmung der
kinematischen Viskosität lautet daher:
(16)
υ= K ( ∆t − tk )
2.3
Laminare und turbulente Rohrströmung
Abb. 6 zeigt eine Anordnung, mit der der Übergang von einer laminaren in eine turbulente Strömung in
einem zylindrischen Rohr untersucht werden kann 8. Ein langes Plexiglasrohr vom Innendurchmesser d wird
von einer Flüssigkeit, hier Wasser, durchströmt. Das Wasser fließt aus einem Tank in das Rohr. Durch
einen Zulauf (Wasserhahn) strömt Wasser in den Tank nach. Ein Überlauf sorgt dafür, dass der
Wasserstand im Tank konstant bleibt, so dass am Einlauf in das Rohr immer der gleiche Druck herrscht.
Ein Vlies sorgt für eine Beruhigung des Wasserzulaufs. Mit einem Hahn H1 am Ende des
Rohres kann die Strömungsgeschwindigkeit v reguliert werden.
Zusätzlich zu dem Wasser aus dem Tank gelangt gleichzeitig ein dünner Strahl mit eingefärbtem Wasser
durch eine Düse mittig in das Rohr. Die Durchflussmenge durch die Düse kann mit einem Hahn H 2 variiert
werden. Der Strahl ist bei kleiner Strömungsgeschwindigkeit v als glatter Stromfaden in dem Rohr zu sehen.
Wird die Strömungsgeschwindigkeit durch Öffnen des Hahns H 1 langsam erhöht, beginnt der Stromfaden
ab einer bestimmten Geschwindigkeit v t zu verwirbeln und zeigt damit den Übergang von einer laminaren
in eine turbulente Strömung an. Durch Messen der Wasserdurchflussmenge pro Zeit bei dieser Stellung des
Hahns H 1 kann die Strömungsgeschwindigkeit v t bestimmt und die zugehörige REYNOLDSzahl Re
berechnet werden:
(17)
Re =
ρ w vt d
ηw
Dabei sind ρ w und η w die Dichte und Viskosität des Wassers.
Einzelheiten zur quantitativen Beschreibung der Wasserströmung durch ein Rohr sind im Anhang 4.3
dargestellt.
7
8
DANIEL BERNOULLI (1700 – 1782).
Nach Empfehlung von A. HEIDER, DEUTSCHES ZENTRUM FÜR LUFT- UND RAUMFAHRT (DLR), Göttingen.
114
Farbe
Überlauf
H2
Zulauf
H1
Ablauf
d
Düse
Vlies
Ablauf
Abb. 6: Anordnung zur Untersuchung des Übergangs von einer laminaren zu einer turbulenten Strömung
in einem Rohr vom Innendurchmesser d. Einzelheiten siehe Text.
3
Versuchsdurchführung
Zubehör:
6 Glaszylinder mit unterschiedlichen Durchmessern in justierbarem Gestell mit Wasserwaage, Stopfen
für die Zylinder mit mittig angebrachtem Loch, 2 l Behälter mit Glyzerin-Wasser-Gemisch, Stahlkugeln
(ca. 100 Stück mit d ≈ 2 mm), Pinzette, Analysenwaage (Genauigkeit 0,001 g), Laborwaage
(Genauigkeit 0,01 g), Bügelmessschraube, Messschieber, Stoppuhr, Thermometer (Genauigkeit 0,1 °C),
Magnet, UBBELOHDE-Viskosimeter (K ≈ 10-8 m2/s2) in Halterung und Wasserbad, Saugschlauch,
Ethanol, Strömungsrohr (d = (12,10 ± 0,05) mm) in Halterung mit Wassertank, Wasser mit
Lebensmittelfarbe, Messzylinder (100 ml und 1000 ml), Eimer, Feudel, Papiertuchrolle.
3.1
Bestimmung der Viskosität eines Glyzerin-Wasser-Gemisches mit der Kugelfallmethode
Hinweise:
- Die Mischungsverhältnisse der Glyzerin-Wasser-Gemische sind bei den einzelnen Versuchsaufbauten
nicht identisch. Da die Viskosität empfindlich vom Mischungsverhältnis und der Temperatur abhängt
(s. Kap. 4.1 und 4.2), muss jede Praktikumsgruppe den gesamten Versuch bei möglichst konstanter
Raumtemperatur mit dem Gemisch aus einem Vorratsbehälter durchführen!
- Der Arbeitsplatz muss sauber verlassen werden!
Mit einer Anordnung gemäß Abb. 7 soll die Fallbewegung von Stahlkugeln (d = 2r ≈ 2 mm) in einem
Glyzerin-Wasser-Gemisch mit dem Ziel untersucht werden, die Viskosität des Gemisches nach Gl. (11) zu
bestimmen. Um den Einfluss der Reibungseffekte an der Gefäßwand quantifizieren zu können (s. Gl. (13)
), kommen Glaszylinder mit unterschiedlichem Radius R zum Einsatz.
Zur Vorbereitung des Versuches müssen zunächst folgende Größen bestimmt werden:
(a) Dichte ρ F des Gemisches durch Wägung eines mit einem Messzylinder ermittelten Volumens auf der
Laborwaage.
(b) Mittlerer Radius r der Kugeln durch Messung des Durchmessers von mindestens 10 Kugeln mit der
Bügelmessschraube und anschließender Mittelwertbildung.
(c) Dichte ρ K des Kugelmaterials durch Wägung von n Kugeln (n ≥ 60) auf der Analysenwaage.
115
(d) Radien R der verwendeten Glaszylinder durch Messung der Innendurchmesser mit dem Messschieber.
(e) Temperatur des Gemisches. Da die Viskosität stark temperaturabhängig ist, macht die Angabe eines
Messergebnisses nur Sinn bei gleichzeitiger Angabe der Temperatur des Gemisches. Raumtemperatur
während des Versuchs so konstant wie möglich halten!
2R
2r
vm
s
Abb. 7: Messanordnung zum Kugelfallversuch in Flüssigkeiten. Die Kugeln vom Radius r fallen durch
den oberen durchbohrten Stopfen (grau). Dadurch soll gewährleistet werden, dass sie möglichst
zentral in die Flüssigkeit (beige) fallen, die sich in einem Zylinder mit dem Innenradius R befindet.
Nach diesen Vorbereitungen wird das Glyzerin-Wasser-Gemisch vorsichtig in sechs Glaszylinder mit
unterschiedlichen Radien R eingefüllt (Blasenbildung vermeiden! Flüssigkeitspegel muss unter der
Unterkante der Stopfen bleiben!). Anschließend werden die Zylinder im Gestell fixiert (Kunststoffschrauben vorsichtig festdrehen) und die Grundplatte des Gestells wird mit Hilfe einer integrierten Wasserwaage
waagerecht ausgerichtet. Die Zylinder stehen dann senkrecht. Danach lässt man je 10 Kugeln zentral in die
Zylinder fallen; zur Zentrierung wird ein passender, in der Mitte durchbohrter Stopfen benutzt (Abb. 7).
Mit der Stoppuhr bestimmt man die Fallzeit t für eine Fallstrecke s, die durch die beiden horizontal
angeordneten Haltebleche der Zylinder festgelegt ist (s mit dem Messschieber messen). Der Beginn der
Fallstrecke (also das obere Halteblech) liegt einige cm unter der Flüssigkeitsoberfläche.
Frage 2:
- Warum darf die Fallstrecke nicht an der Flüssigkeitsoberfläche beginnen?
Frage 3:
- Warum ist es wichtig, dass die Kugeln zentral in die Zylinder fallen?
Für jeden Glaszylinder wird die Sinkgeschwindigkeit
(18)
vm =
s
t
bestimmt, wobei t der Mittelwert der gemessenen Fallzeiten für die je 10 Kugeln ist. Anschließend wird
v m über (r/R)2 aufgetragen (mit Fehlerbalken für v m ) und eine Ausgleichsgerade durch die Messdaten
gezeichnet. Der Schnittpunkt der Geraden mit der v m -Achse ergibt die gesuchte Geschwindigkeit v 0 für
eine unendlich ausgedehnte Flüssigkeit (R → ∞).
116
Mit den experimentell gewonnenen Daten v 0 , r, ρ K und ρ F sowie der Erdbeschleunigung für Oldenburg
(g = 9,8133 m/s2, Fehler vernachlässigbar 9) wird die Viskosität η des Glyzerin-Wasser-Gemisches nach
Gl. (11) bestimmt und mit den Angaben aus Tab. 1 (Kap. 4.1) verglichen.
Nach Ende der Messung wird die Flüssigkeit vorsichtig (erneut Blasenbildung vermeiden!) aus den Glaszylindern durch ein Sieb in das Vorratsgefäß zurück gegossen, um die Kugeln aufzufangen. Die in den
Zylindern verbleibenden Kugeln werden mit einem Magneten herausgeholt. Die Kugeln werden in Wasser
gereinigt und mit Haushaltspapier getrocknet.
3.2
Bestimmung der kinematischen Viskosität mit dem Kapillarviskosimeter
Mit einem Kapillarviskosimeter nach UBBELOHDE soll die kinematische Viskosität von Ethanol bei Raumtemperatur bestimmt werden. Das Viskosimeter befindet sich in einem großen Wasserbad, das für die Dauer
des Versuchs für eine konstante Temperatur (messen!) innerhalb der Kapillare sorgt. Von der technischen
Assistenz wurde das Viskosimeter vor Versuchsbeginn senkrecht ausgerichtet und das Vorratsgefäß H über
das Rohr 1 (s. Abb. 5) zu etwa ¾ mit Ethanol gefüllt.
Rohr 3 wird mit dem Finger verschlossen. Mit Hilfe eines an Rohr 2 angeschlossenen Saugschlauches wird
die Flüssigkeit in Rohr 2 so weit hoch gesaugt, bis das Vorlaufgefäß G gefüllt ist. Anschließend werden
Rohr 2 und 3 geöffnet und die Zeit ∆t gemessen, in der der Flüssigkeitsspiegel von der Marke M 1 bis zur
Marke M 2 absinkt. Anschließend wird die Messung dreimal wiederholt. Aus den Messdaten und den
bereitliegenden Apparatekonstanten K und t k wird die kinematische Viskosität υ von Ethanol bei der im
Wasserbad herrschenden Temperatur bestimmt und mit dem Literaturwert verglichen.
3.3
Bestimmung der REYNOLDSzahl für den Übergang von laminarer zu
turbulenter Rohrströmung
Mit einer Anordnung nach Abb. 6 soll die REYNOLDSzahl für den Übergang von einer laminaren in eine
turbulente Rohrströmung bestimmt werden. Zunächst wird der Tankzulauf (Wasserhahn) so weit geöffnet,
dass der Wasserstand das Niveau der oberen Kante des Überlaufs während des Versuches gerade nicht
unterschreitet. Der Schlauch am Ablauf des Rohres wird in das Abflussbecken gelegt. Der Hahn H 1 am
Ende des Rohres wird langsam geöffnet, bis Wasser am Rohrende abfließt. Bei kleiner Strömungsgeschwindigkeit ist die Rohrströmung laminar. Anschließend wird der Hahn H 2 so weit geöffnet, dass in dem
Rohr ein dünner, glatter Stromfaden sichtbar wird. Danach wird der Hahn H 1 langsam weiter bis zu der
Stellung geöffnet, bei der die laminare in eine turbulente Rohrströmung umschlägt. Dies erkennt man daran,
dass der Stromfaden zu „zittern“ beginnt.
Um die Strömungsgeschwindigkeit v bei dieser Stellung des Hahnes H 1 zu messen, wird für eine mit der
Stoppuhr zu messende Zeit ∆t ein Messzylinder unter den Abflussschlauch des Rohres gehalten und das
ablaufende Wasser aufgefangen. Aus dem während der Zeit ∆t aufgefangenen Wasservolumen V, dem
Innendurchmesser d des Rohres sowie der Dichte 10 und der Viskosität η des Wassers (s. Anhang 4.2) lässt
sich v berechnen (s. Anhang 4.3, Gl. (20)) und damit schließlich die gesuchte REYNOLDSzahl Re
bestimmen.
9
10
Wert nach http://www.ptb.de/cartoweb3/SISproject.php; der Fehler von 2×10-5 m/s2 wird vernachlässigt.
Zur temperaturabhängigen Dichte von Wasser siehe Versuch „Oberflächenspannung...“.
117
4
Anhang
4.1
Viskosität von Glycerin
Glyzerin 11 (C 3 H 8 O 3 ) ist hygroskopisch, d.h. wasseranziehend. Lässt man es längere Zeit offen stehen, so
nimmt es aus der Umgebungsluft Feuchtigkeit auf, d.h. es entsteht ein Gemisch, dessen Wassergehalt im
Laufe der Zeit zunimmt. Dieses Gemisch hat eine andere Viskosität als reines Glyzerin. Zur Orientierung
seien für eine Temperatur von 20° C einige Daten genannt:
C3H8O3
Gew.-%
100
96
92
88
84
80
H2O
Gew.-%
0
4
8
12
16
20
η/
kg m-1s-1
1,76
0,761
0,354
0,130
0,071
0,048
Tab. 1: Viskosität von Glyzerin/Wasser- Gemischen bei 20°C 12.
Darüber hinaus ist die Viskosität stark temperaturabhängig. Für reines Glycerin gilt bei T = 20 °C:
η = 1,76 kg/(m s) (s.o.) und bei T = 25 °C: η = 0,934 kg/(m s) 13
4.2
Viskosität von Wasser
Abb. 8 zeigt die Viskosität η von Wasser als Funktion der Temperatur T. Der Verlauf der Daten lässt sich
im Temperaturbereich zwischen 10 °C und 35 °C in guter Näherung durch ein Polynom 4. Grades
beschreiben (T in °C) :
(19)
11
12
13
1,77721 - 0,05798 {T } + 0,00125 {T }2
η ≈
 -1,66039 ⋅ 10−5 {T }3 + 9,814 ⋅ 10−8 {T }4


kg
 10−3

ms

Weitere gebräuchliche Eigennamen von Glycerin sind Glycerol, Propan-1,2,3-triol u.a. Die Struktur wird durch
C3H5(OH)3 beschrieben.
Daten nach: WEAST, R. C. [Ed.]: „CRC Handbook of Chemistry and Physics”, 56th Ed., CRC Press, Boca Raton,
1975 - 1976. Alle Daten ohne Fehlerangaben.
LIDE, D. R. [Ed.]: "CRC Handbook of Chemistry and Physics on CD-ROM", Taylor & Francis, Boca Raton, FL,
2006. Daten ohne Fehlerangaben.
118
1,4
1,3
η / 10-3 kg m-1 s-1
1,2
1,1
1,0
0,9
0,8
0,7
0,6
10
20
30
40
T / °C
Abb. 8: Viskosität η von Wasser als Funktion der Temperatur T.
4.3
Laminare Rohrströmung
In diesem Anhang wird dargestellt, wie die Strömungsgeschwindigkeit v und ihr laterales Profil v(r) in
einem zylindrischen Rohr quantitativ berechnet werden kann. 14
Eine ideale Flüssigkeit ist inkompressibel und frei von inneren Reibungskräften. Wir betrachten gem. Abb.
9 eine solche Flüssigkeit, die durch ein sich verjüngendes horizontales Rohr strömt. Aus der Inkompressibilität der Flüssigkeit folgt, dass der Volumenstrom Q (durchströmendes Volumen pro Zeit) an jeder
Stelle des Rohres gleich sein muss. Sind A 1 die Querschnittsfläche des Rohres und v 1 die Strömungsgeschwindigkeit im Rohr auf der linken Seite und A 2 und v 2 die entsprechenden Größen auf der rechten Seite,
so bedeutet dies:
(20)
=
Q
∆V
= A=
A2=
v2 const.
1 v1
∆t
∆V
A1
A2
F1
F2
p2
p1
∆x2
∆x 1
Abb. 9: Strömung durch ein sich verjüngendes horizontales Rohr. Bezeichnungen siehe Text.
14
r ist der laterale Abstand von der Längsachse des Rohres.
119
Gl. (20) heißt Kontinuitätsgleichung.
Um ein Flüssigkeitsvolumen ∆V in der linken Rohrseite um ∆x 1 nach rechts zu bewegen, muss durch den
links herrschenden statischen Druck p 1 die Arbeit W 1 verrichtet werden:
(21)
W1 = F1 ∆x1 = p1 A1∆x1 = p1∆V
Die erforderliche Arbeit W 2 zur Bewegung des gleichen Volumens ∆V durch die rechte Rohrseite gegen
den statischen Druck p 2 ist gegeben durch:
(22)
W2 = F2 ∆x2 = p2 A2 ∆x2 = p2 ∆V
Aus dem Energieerhaltungssatz folgt, dass die Arbeitsdifferenz W 1 - W 2 zu einer Zunahme der kinetischen
Energie der Flüssigkeit (Dichte ρ) im rechten Teil des Rohres führen muss. Sind m die Masse und v 1 , v 2
die Geschwindigkeiten der Volumina ∆V, so folgt:
(23)
W1 − W2 = p1 ∆V − p2 ∆V =
1
1
1
1
m v22 − m v12 = ρ ∆V v22 − ρ ∆V v12
2
2
2
2
Nach Division durch ∆V und Umsortieren der Terme folgt schließlich:
(24)
1
1
1
const.
p1 + ρ v12 =+
p2
p + ρ v2 =
ρ v22 :=
2
2
2
Dies ist das BERNOULLIsche Gesetz. Es besagt, dass unter den genannten Annahmen die Summe aus statischem Druck p und Staudruck ½ρv2 an jeder Stelle des Rohres konstant sein muss.
Für ein senkrecht statt horizontal stehendes Rohr muss der von der Höhe h abhängige hydrostatische Druck
ρgh mit berücksichtigt werden (g ist die Erdbeschleunigung). Dann lautet das BERNOULLIsche Gesetz:
(25)
1
p + ρ v 2 + ρ gh =
const.
2
In einem horizontalen Rohr mit konstantem Durchmesser, das von einer idealen Flüssigkeit durchströmt
wird, sind Druck und Strömungsgeschwindigkeit im gesamten Rohr konstant. Bei einer realen Flüssigkeit
mit der Viskosität η treten jedoch Reibungskräfte zwischen Flüssigkeit und Rohrmantel und zwischen den
benachbarten Flüssigkeitsschichten auf. Diese Reibungskräfte bewirken, dass der Druck längs des Rohres
abnimmt und die Strömungsgeschwindigkeit entlang des Rohrquerschnitts, also in lateraler Richtung
variiert. Sie muss am Rohrrand null sein (denn dort haftet eine Grenzschicht der Flüssigkeit an der Wand)
und in der Mitte ihren maximalen Wert annehmen.
Zur quantitativen Beschreibung des transversalen Geschwindigkeitsprofils einer laminaren Rohrströmung
betrachten wir gem. Abb. 10 ein zylindrisches Rohr mit der Länge l und dem Radius r 0 , das in z-Richtung
von einer realen Flüssigkeit durchströmt wird. Innerhalb dieser Strömung betrachten wir einen koaxialen
Flüssigkeitszylinder mit dem Radius r und der Mantelfläche A = 2πrl. Nach dem NEWTONschen Reibungsgesetz ist die Reibungskraft F R zwischen diesem Flüssigkeitszylinder und der angrenzenden Flüssigkeitsschicht proportional zur Mantelfläche A und zum Geschwindigkeitsgefälle dv/dr; die Proportionalitätskonstante ist die Viskosität η. Es gilt also:
dv
dr
(26) =
FR η=
A
2π r l η
dv
dr
120
r0
F
z
r
p2
p
1
l
Abb. 10: Zylindrisches Rohr mit koaxialem Flüssigkeitszylinder vom Radius r. Links herrscht der Druck
p 1 , rechts der Druck p 2 . Übrige Bezeichnungen siehe Text.
Im stationären Fall (zeitlich konstante Strömungsgeschwindigkeit) muss die Reibungskraft F R für einen
Flüssigkeitszylinder mit dem Radius r gerade gleich der treibenden Kraft F sein, die durch das Druckgefälle
∆p = p 1 - p 2 verursacht wird, also:
(27)
F= π r 2 ∆p= 2π r l η
dv
dr
Daraus erhalten wir
(28)
d v ∆p
=
r
d r 2η l
bzw.
(29)
dv =
∆p
r dr
2η l
und schließlich durch Integration unter der Randbedingung v(r 0 ) = 0 das gesuchte Geschwindigkeitsprofil
v(r):
(30)
=
v(r )
∆p 2 2
( r0 − r ) ;
4η l
0 ≤ r ≤ r0
Das transversale Geschwindigkeitsprofil für eine laminare Strömung durch ein Rohr ist also parabolisch
(s. Abb. 11).
Zur Berechnung des Volumens V, das innerhalb der Zeit ∆t durch ein Rohr mit dem Radius r 0 strömt,
betrachten wir zunächst das Volumen dV, das innerhalb von ∆t durch einen Hohlzylinder mit dem Innenradius r und dem Außenradius r + dr (s. Abb. 12) fließt. Dieser Hohlzylinder hat die Grundfläche A und
die Länge ∆l. Der Volumenstrom ist bei kleinem dr demnach gegeben durch:
(31)
dV A ∆l
∆l
= = 2π r dr
∆t
∆t
∆t
121
0,0
0,2
v(r) / b.E.
0,4
0,6
0,8
1,0
-1,0
-0,8
-0,6
-0,4
-0,2
0,0
0,2
0,4
0,6
0,8
1,0
r / r0
Abb. 11: Links: Berechnetes parabolisches Geschwindigkeitsprofil einer laminaren Strömung durch ein
zylindrisches Rohr mit dem Radius r 0 . Rechts: Visualisierung eines parabolischen Geschwindigkeitsprofils in einem zylindrischen Plexiglasrohr (Durchmesser ca. 1 cm) mit Hilfe von eingefärbtem Kleister. 15
Da sich die Flüssigkeit gleichförmig (d.h. ohne Beschleunigung) durch das Rohr bewegt, gilt für die
Geschwindigkeit:
(32)
v=
∆l
∆t
Damit wird aus Gl. (31) unter Verwendung von Gl. (30):
dV
∆t
(33)
r dr v(r ) 2π r
= 2π
=
∆p 2 2
( r0 − r ) dr
4η l
A
dr
r
∆l
Abb. 12: Zur Definition geometrischer Größen eines Hohlzylinders.
Aus dieser Gleichung lässt sich durch Integration das Gesamtvolumen V berechnen, das innerhalb der Zeit
∆t durch das Rohr mit dem Radius r 0 fließt:
15
Bildquelle: T. GREVE: „Aufbau und physikalische Betrachtung eines Durchlaufreaktors zur Hydrothermalen
Karbonisierung“, Diplomarbeit, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Institut für Physik, AG Turbulenz,
Windenergie und Stochastik (TWiST), 2009.
122
r
π∆ p 0 2 2
r0 − r r dr
2η l ∫0
V
∆t
=
(34)
(
)
und damit
(35)
V=
π ∆p ∆t 4
r0
8η l
Dies ist das HAGEN-POISEUILLEsche Gesetz 16 für laminare Strömungen. Diese liegen vor, wenn
die REYNOLDSzahl Re, die in diesem Fall durch
(36)
Re=
ρ v 2 r0
η
(ρ: Dichte der Flüssigkeit; v : Mittelwert der Strömungsgeschwindigkeit
nach Gl. (30))
gegeben ist, kleiner als ca. 2.000 - 2.500 ist.
4.4
Kapillarviskosimeter
In diesem Anhang wird die Herleitung von Gl. (14) dargestellt.
Mit Hilfe des HAGEN-POISEUILLEschen Gesetzes (Gl. (35)) kann man die Viskosität von Flüssigkeiten
bestimmen. Dazu bedient man sich so genannter Kapillarviskosimeter. Abb. 5 zeigt ein Kapillarviskosimeter nach UBBELOHDE. Durch eine Kapillare mit dem Radius r 0 und der Länge l lässt man aus einem
Vorratsbehälter B, vor dem sich ein Vorlaufgefäß G befindet, ein definiertes Flüssigkeitsvolumen V
strömen, das durch das zwischen den Marken M 1 und M 2 eingeschlossene Volumen gegeben ist. Durch
Messung der Zeitdifferenz ∆t, in der der Flüssigkeitsspiegel von M 1 nach M 2 sinkt, lässt sich dann aus Gl.
(35) die Viskosität η bestimmen:
(37)
=
η
π ∆p r04
∆t
8lV
Die Druckdifferenz ∆p ist in diesem Fall gegeben durch den hydrostatischen Druck:
(38)
∆p (t ) =
ρ g h(t )
(ρ: Dichte der Flüssigkeit; g: Erdbeschleunigung)
Dabei ist h(t) die Höhendifferenz zwischen dem momentanen Stand des Flüssigkeitsspiegels im Vorratsgefäß B und dem unteren Ende der Kapillare. Dass dieses Ende der Kapillare die Referenzhöhe bildet, erreicht
man durch einen Trick: das Belüftungsrohr 3 (s. Abb. 5) sorgt dafür, dass im oben kugelförmig ausgebildeten Auslaufgefäß D Luftdruck herrscht. Dadurch läuft die Flüssigkeit in Form eines dünnen Films
an der Innenwand von D ab.
Infolge der Zeitabhängigkeit der Höhe h(t) (sinkender Flüssigkeitsspiegel) ist auch ∆p(t) zeitabhängig. Man
kann h(t) jedoch durch einen geeigneten Mittelwert ersetzen. Diese mittlere Höhe h ist gegeben durch:
16
GOTTHILF HEINRICH LUDWIG HAGEN (1797 – 1884)
123
(39)
1
h=
∆t
∆t
∫ h(t ) dt
0
Damit folgt aus Gl. (37):
π ρ g h r04
(40)
=
η
∆t
8l V
Die Größe
(41)
K=
π g h r04
8lV
ist eine Apparatekonstante und auf den Viskosimetern eingraviert ([K] = m2/s2; meistens in mm2/s2 angegeben). Damit ergibt sich für die Viskosität die einfache Beziehung aus Gl. (14):
=
η K ρ ∆t
124
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Praktikum im Modul Physik I für Studierende der Umweltwissenschaften
Oberflächenspannung, Minimalflächen und Kaffeeflecken
Stichworte:
WAALS-Kräfte, spezifische Oberflächenenergie, Oberflächenspannung, Minimalflächen,
Kapillarität, Kontaktwinkel, Kohäsion, Adhäsion, Abreißmethode, Blasendruckmethode.
VAN DER
Literatur:
/1/ DEMTRÖDER, W.: „Experimentalphysik 1 - Mechanik und Wärme“, Springer-Verlag, Berlin u.a.
/2/ EICHLER, H. J., KRONFELDT, H.-D., SAHM, J.: „Das Neue Physikalische Grundpraktikum“, Springer-Verlag, Berlin u.a.
/3/ WALCHER, W.: „Praktikum der Physik“, Teubner Studienbücher, Teubner-Verlag, Stuttgart
1
Einleitung
Viele werden sich noch an das Experiment aus der Kindheit erinnern, bei dem eine Stecknadel auf eine
Wasseroberfläche gelegt wurde und nicht versank. Oder an die Beobachtung von Insekten, die über die
Wasseroberfläche eines Teiches laufen können, ohne einzusinken. Beide Erscheinungen sind Folge der
Oberflächenspannung von Flüssigkeiten, um deren quantitative Messung es in diesem Versuch geht.
2
Theorie
Zwischen den Molekülen im Innern einer Flüssigkeit herrschen verschiedene Wechselwirkungskräfte, vor
allem die VAN DER WAALS-Kräfte elektrostatischen Ursprungs. Diese Wechselwirkungskräfte haben eine
sehr kurze Reichweite im Bereich von 10-9 m und bewirken den Zusammenhalt der Moleküle untereinander
(Kohäsionskräfte). Sie sind deutlich größer als die Wechselwirkungskräfte, die zwischen den Flüssigkeitsmolekülen und den Molekülen eines über der Flüssigkeitsoberfläche liegenden Gases (z. B. Luft)
auftreten (Adhäsionskräfte). Das führt zu der in Abb. 1 dargestellten Situation: Auf die Moleküle im Innern
der Flüssigkeit wirken gleich große Kräfte in alle Raumrichtungen, die sich in ihren Wirkungen gegenseitig
aufheben, die resultierende Kraft F R ist null. In einer dünnen Schicht an der Oberfläche der Flüssigkeit
verbleibt jedoch eine resultierende, ins Innere der Flüssigkeit gerichtete Kraft F R ≠ 0, die auf der
Flüssigkeitsoberfläche senkrecht steht.
Luft
Flüssigkeit
FR ≠0
FR =0
Abb. 1: Zur Entstehung der Oberflächenspannung von Flüssigkeiten, hier an der Grenzfläche zwischen
einer Flüssigkeit und Luft. F R : resultierende Kraft auf Flüssigkeitsmolekül.
Soll die Oberfläche der Flüssigkeit vergrößert werden, indem Flüssigkeitsmoleküle aus dem Innern der
Flüssigkeit an die Oberfläche gebracht werden, so muss gegen diese Kraft F R Arbeit geleistet werden; die
potentielle Energie der Moleküle wird erhöht. Hieraus lässt sich sofort ein wichtiger Schluss ziehen: da ein
125
Gleichgewichtszustand durch ein Minimum an potentieller Energie gekennzeichnet ist, nehmen Flüssigkeitsoberflächen ohne Einwirkung äußerer Kräfte Minimalflächen ein. Eindrucksvolle Minimalflächen
lassen sich einfach demonstrieren, indem z.B. unterschiedlich geformte Draht- oder Kunststoffgestelle in
Seifenwasser eingetaucht und anschließend herausgezogen werden. Die sich dabei ausbildenden Seifenhautlamellen zwischen den Drähten bzw. Stegen stellen Minimalflächen dar.
Die zur Vergrößerung der Flüssigkeitsoberfläche um den Betrag ∆A erforderliche Arbeit sei ∆W. Der Quotient beider Größen,
(1)
w =
∆W
∆A
heißt spezifische Oberflächenenergie oder Oberflächenenergiedichte, ihre Einheit ist [w] = J/m2.
Fg
Kraftmesser
L
σ
s
h
F
∆s
Abb. 2: Zur Definition der Oberflächenspannung.
Metallring
Flüssigkeitslamelle
Flüssigkeit
Abb. 3: Messung der Oberflächenspannung mit der
Abreißmethode.
Abb. 2 zeigt eine mögliche Anordnung zur Messung der spezifischen Oberflächenenergie. Zwischen den
Schenkeln eines dünnen, U-förmigen Drahtbügels (grau) mit der Breite L gleitet ein verschiebbarer Draht
(gelb), der sich anfänglich im Abstand s vom oberen Rand des Bügels befindet. Zwischen Bügel und Draht
befinde sich eine Flüssigkeitsoberfläche mit der Fläche 2 A = 2 L s , beispielsweise eine Seifenhautlamelle
(Faktor 2 wegen Vorder- und Rückseite der Oberfläche). Durch Einwirkung einer Kraft F wird der
verschiebbare Draht um die kleine Strecke ∆s verschoben und damit die Oberfläche um ∆A = 2L∆s
vergrößert. Die dazu erforderliche Arbeit ∆W ist mit F = |F|:
(2)
∆W = F ∆s
Mit Gl. (1) folgt daraus für die spezifische Oberflächenenergie
(3)
=
w
∆W
F ∆s
F
=
=
∆A 2 L∆s 2 L
Berücksichtigt man die Vektoreigenschaft der Kraft F, so erhält man die vektorielle Größe Oberflächenspannung σ :
(4)
σ =
−
F
2L
126
mit der Einheit [σ] = N/m = J/m2 1. Wie aus Abb. 2 ersichtlich, ist die Oberflächenspannung tangential zur
Oberfläche gerichtet. Der Betrag der Oberflächenspannung, σ = |σ|, ist identisch mit der spezifischen
Oberflächenenergie w: w = σ. In der Praxis gebräuchlich ist der Begriff der „Oberflächenspannung“ für den
Betrag σ ; so werden auch wir ihn im Folgenden verwenden.
2.1
Messung der Oberflächenspannung mit der Abreißmethode
Eine häufig verwendete Anordnung zur Messung der Oberflächenspannung von Flüssigkeiten gegen Luft
zeigt Abb. 3. Ein dünnwandiger zylindrischer Ring mit dem Radius r, der Wanddicke d und der Masse m
wird an einen Kraftmesser gehängt und in die Flüssigkeit eingetaucht. Anschließend wird der Ring durch
Absenken des Flüssigkeitsbehälters aus der Flüssigkeit herausgezogen. Dadurch entsteht zwischen Ring
und Flüssigkeitsoberfläche eine Flüssigkeitslamelle. Um den Ring in der Höhe h zu halten, ist die Kraft
F(h) erforderlich. Wir wollen annehmen, dass wir den Ring, ausgehend von der Höhe h, gerade noch um
ein kleines Stück ∆h bis auf die Höhe h 0 aus der Flüssigkeit herausziehen können, ohne dass die Lamelle
sich einschnürt und schließlich abreißt. Die hierfür erforderliche Arbeit ist
∆W
= F ( h0 ) ∆ h ,
(5)
durch die die Lamellenoberfläche um
∆A = 2 × 2 π r ∆h
(6)
vergrößert wird. Damit ergibt sich für die Oberflächenspannung:
=
σ
(7)
F ( h0 ) ∆h
F ( h0 )
∆W
=
=
4π r
∆A 2 × 2 π r ∆h
Mit Hilfe dieser Abreißmethode lässt sich durch Messen der maximalen Kraft F := F(h 0 ), bei der die
Lamelle sich noch nicht einschnürt und schließlich abreißt und des Ringradius r die Oberflächenspannung
σ von Flüssigkeiten gegen Luft bestimmen. Dabei ist zu beachten, dass der Kraftmesser die Gesamtkraft
Fg
F=
g
(8)
F + mg
anzeigt, wobei m die Masse des Ringes einschließlich Halterung und g die Erdbeschleunigung ist. Die in
Gl. (7) einzusetzende Kraft F ist also:
=
F Fg − mg
(9)
Soweit die Theorie. In der Praxis muss der mit Gl. (7) ermittelte Wert noch mit einem Korrekturfaktor f
multipliziert werden, den wir hier ohne Herleitung angeben und als fehlerfrei annehmen 2:
(10)
1
2
f =
0, 725 +
0,3607
d
0,
04534
0,839
σ
+
−
r
r2ρ g
Im Gegensatz zur Oberflächenspannung mit der Einheit N/m ist eine mechanische Spannung, z.B. die auf einen
Stab wirkende Zugspannung, als Kraft F pro Fläche A definiert, also σ = F/A mit der Einheit [σ] = N/m2.
nach KOSE, V. [Hrsg.]; WAGNER, S. [Hrsg.]: "KOHLRAUSCH - Praktische Physik Bd. 1", Teubner, Stuttgart,
1996
127
Dabei ist σ der Rohwert der Oberflächenspannung aus Gl. (7) und ρ die Dichte der Flüssigkeit. Der korrigierte Wert σ k der Oberflächenspannung ist dann:
(11)
σk = f σ
2.2
Messung der Oberflächenspannung mit der Blasendruckmethode
Eine andere Methode zur Messung der Oberflächenspannung ist in Abb. 4 dargestellt. Eine spitz angeschliffene Kapillare K mit kleinem Innenradius r taucht senkrecht in eine Flüssigkeit ein (Eintauchtiefe h), deren
Oberflächenspannung gegen Luft gemessen werden soll. Die Kapillare ist über einen Schlauch mit einer
Anordnung zur Änderung des Luftdruckes verbunden, die bereits aus dem Versuch „Sensoren...“ bekannt
ist. Der Luftdruck in der Kapillare kann mit dem Drucksensor D gemessen werden.
M
hm
H1
Wasser
pL
H2
K
B
-+
D
Luft,
Druck p
h
V
E
Wasser
S
Abb. 4: Aufbau zur Messung der Oberflächenspannung mit der Blasendruckmethode. Einzelheiten siehe
Versuch „Sensoren...“.
Um die Luft bis zur Öffnung der Kapillare zu treiben, muss zunächst der hydrostatische Gegendruck p F in
der Flüssigkeit überwunden werden, der durch
(12)
pF = ρ gh
gegeben ist, wobei ρ die Dichte der Flüssigkeit und g die Erdbeschleunigung ist. Wird der Luftdruck in K
weiter erhöht, so bildet sich an der Öffnung der Kapillare langsam eine in die Flüssigkeit gewölbte Luftblase vom Radius R aus (Abb. 5), deren Innendruck antiproportional zu R ist. Mit zunehmendem Druck
wird die Luft weiter aus der Kapillare getrieben und der Radius R der Luftblase demnach immer kleiner.
Im Falle R = r ist der Radius minimal und der Druck in der dann halbkugelförmigen Blase maximal. Nach
Überschreiten dieses Druckes wird die Blase größer und löst sich schließlich von der Kapillare. Der Druck
in der Kapillare bricht kurzzeitig zusammen und der Vorgang der Blasenbildung beginnt von neuem.
128
Luftzufuhr
2r
R >> r
R>r
R=r
R>r
Abb. 5: Luftblasen (grau, Radius R) an der Öffnung einer in Flüssigkeit eingetauchten Kapillare vom
Radius r. Die gestrichelten Linien markieren die gedachte Form einer freien Blase mit Radius R.
Sei ∆p der Überdruck gegenüber dem hydrostatischen Druck an der Kapillaröffnung, bei dem der Druck in
den Blasen maximal und ihr Radius gleich r ist. Ist ρ m die Dichte der Flüssigkeit im Manometer (hier
Wasser) und h m die im Manometer angezeigte Höhe, so gilt für ∆p:
(13)
=
∆p
( ρm hm − ρ h ) g
Damit lässt sich die Oberflächenspannung näherungsweise wie folgt berechnen:
(14)
2
r ∆p 
2r ρ g
1  rρ g  
1 −
σ =
−

 
2 
3∆p
6  ∆p  


Gleichung (14) stellt eine Näherungslösung dar, auf deren Herleitung wir verzichten wollen, da sie nicht
leicht nachzuvollziehen ist. An ihr haben schließlich so berühmte Physiker wie ERWIN SCHRÖDINGER, einer
der Begründer der Quantenmechanik, mitgewirkt! 3
Für kleine Kapillarradien r fallen die beiden letzten Glieder in Gl. (14) (Korrekturterme) nicht ins Gewicht
und wir können schreiben:
(15)
σ ≈
r ∆p
2
Der Vorteil dieser Blasendruckmethode gegenüber der Abreißmethode ist der, dass hier die Oberflächenspannung jeweils an einer frischen Oberfläche, nämlich der der Gasblase in der Flüssigkeit, gemessen wird.
Verunreinigungen der Flüssigkeitsoberfläche durch die umgebende Luft, die bei der Abreißmethode zu
Fehlern führen können, fallen hier also nicht ins Gewicht.
3
Vgl. E. SCHRÖDINGER: „Notiz über den Kapillardruck in Gasblasen“, Ann. Phys. 46.4 (1915) 413 - 418.
129
2.3
Physik in Kaffeeflecken
Gibt man einen Tropfen einer Flüssigkeit auf eine feste glatte Oberfläche, z.B. Wasser auf Glas, so stellt
sich bei nicht vollständiger Benetzung zwischen Flüssigkeit und Oberfläche ein bestimmter Kontaktwinkel
ein, der durch die Eigenschaften der beteiligten Materialien, insbesondere durch die Oberflächenspannung
der Flüssigkeit, bestimmt wird. Durch kleine Defekte in der Oberfläche kann der Rand des Tropfens auf
der Oberfläche fixiert werden. Enthält die Flüssigkeit einen gelösten Stoff, wie z.B. Kaffee in Wasser,
erfolgt die Fixierung des Tropfenrandes durch den gelösten Stoff selber, tritt also auch bei „perfekten“
Oberflächen auf 4. Die Fixierung des Tropfenrandes hat zur Folge, dass der Tropfen beim Verdampfen der
Flüssigkeit seine radiale Ausdehnung beibehält. Deshalb muss Flüssigkeit, die am Rand verdampft, aus der
Tropfenmitte nachgeliefert werden. Dies führt in dem Tropfen zu einer nach außen gerichteten „kapillaren
Strömung“ (Abb. 6), mit der der gelöste Stoff ständig an den Tropfenrand transportiert wird. Nach
vollständigem Abtrocknen des Tropfens befindet sich also am Tropfenrand deutlich mehr Kaffee als im
Innern. Der innen helle Kaffeefleck ist demnach von einem dunklen Rand umgeben.
Abb. 6: Links: Radiale kapillare Strömung in einem Flüssigkeitstropfen auf einer Glasoberfläche 5. Die
Strömung wurde durch Mehrfachbelichtung von kleinen Mikrokugeln (Durchmesser 1 µm)
sichtbar gemacht, die der Flüssigkeit beigemischt wurden. Rechts: getrockneter Kaffeefleck,
dessen höhere Kaffeedichte am Rand durch eine solche Strömung verursacht wird.
4
5
Vgl. R. D. Deegan: „Pattern formation in drying drops“, Phys. Rev. E 61.1 (2000) 475 - 485
Vgl. R. D. Deegan: „Capillary flow as the cause of ring stains from dried liquid drops“, Nature 389 (1997) 827 –
829.
130
3
Versuchsdurchführung
Zubehör:
Ring (r = 25,52 mm, d = 0,25 mm, jeweils fehlerfrei) mit Aufhängung, höhenverstellbare Plattform,
Kraftsensor auf DMS-Prinzip (U-OL, Messbereich 100 mN), Messverstärker für Kraftsensor (U-OL),
Gewichtssatz zur Kalibrierung des Kraftsensors, Kapillare (Innendurchmesser d = (2,07 ± 0,01) mm) in
Halterung an Höhenverstelleinheit (Ablesegenauigkeit 0,02 mm), Drucksensor (SENSORTECHNICS
HCLA12X5DB) auf Grundplatte mit Absperrhähnen an Stativ, ERLENMEYER-Kolben mit geschliffenem Stopfen auf Tisch, U-Rohr-Manometer (Wasserfüllung) mit Halterung und Ableseskala, Bechergläser, Scherentisch, Schlauchmaterial, Thermometer (Genauigkeit 0,1 °C), destilliertes Wasser, Seifenlauge, Kunststoffgestelle, Glasrohrgestell mit zwei Eintrittsöffnungen und zwei Austrittsöffnungen,
Objektträger, Zahnstocher, Aluminiumplatte, Rotwein, Ethanolbad, Bad mit destilliertem Wasser, Fön,
Stickstoffflasche, Haushaltstuchrolle, Netzgerät (PHYWE (0 - 15 / 0 - 30) V), PC mit
Messwerterfassungskarte (NATIONAL INSTRUMENTS PCI 6014 oder PCI 6221) und zugehörigem BNCAdapter (NATIONAL INSTRUMENTS BNC-2120).
3.1
Minimalflächen
Zielgröße
Skizzieren Sie bei der Vorbereitung auf den Versuch Ihre Erwartungen hinsichtlich der Minimalflächen,
die sich nach Eintauchen und Herausziehen der bereitliegenden Kunststoffgestelle 6 in Seifenlauge ergeben.
Vergleichen Sie Ihre Erwartungen mit den experimentell gefundenen Minimalflächen. Beachten Sie, dass
sich neben dem globalen (absoluten) Minimum auch so genannte lokale Minima einstellen können (Abb.
7).
globales Minimum
lokales Minimum
Parameter
Abb. 7: Globales Minimum einer Zielgröße als Funktion eines Parameters. Neben dem globalen Minimum existieren viele lokale Minima, von denen eines exemplarisch markiert ist.
3.2
Rotweinflecken
Geben Sie einige Tropfen Rotwein auf einen Objektträger. Ziehen Sie die Tropfen mit einem Zahnstocher
in interessante Formen und beobachten Sie, wie sich im Laufe des Praktikums durch Verdampfen der
Flüssigkeit die Fruchtfleischkonzentration innerhalb der Tropfen verändert. Um das Verdampfen der
Flüssigkeit zu beschleunigen, werden die Objektträger auf eine dünne Aluminiumplatte und dann auf den
Heizkörper gelegt.
3.3
Bestimmung der Oberflächenspannung mit der Abreißmethode
Hinweise:
- Die Haltefäden am Ring wurden vor Versuchsbeginn von der technischen Assistenz so justiert, dass der
Ring waagerecht hängt. Änderungen an diesen Einstellungen nur nach Rücksprache mit der technischen
Assistenz oder der/dem Betreuer/in!
6
Fotos der Gestelle finden Sie auf den Internetseiten des GPR.
131
- Der Ring darf auf keinen Fall mit den bloßen Händen angefasst werden, da sich sonst Fett- und Schweißrückstände bilden, die die Messergebnisse verfälschen. Halten des Ringes deshalb nur an den
Haltefäden!
Die Oberflächenspannung von destilliertem Wasser gegen Luft soll mit Hilfe einer Anordnung gem. Abb.
3 gemessen werden. Als Kraftsensor kommt ein Biegestab zum Einsatz, der bereits aus dem Versuch
„Sensoren…“ bekannt ist.
Zunächst wird der an einem Stativ aufgehängte Kraftsensor mit Hilfe eines Gewichtssatzes kalibriert. Für
mindestens fünf Gewichtskräfte G im Bereich (0 – 100) mN wird die Ausgangsspannung U M des Messverstärkers (Dämpfung ein) gemessen. Die Messung erfolgt mit Hilfe einer Datenerfassungskarte im PC 7
unter Einsatz des MATLAB-Skriptes DatenEinlesen.m (verfügbar unter Q:). Dabei handelt es sich um
eine umfangreichere und mit mehr Komfort zu bedienende Version des Skriptes, das beim Versuch
„Datenerfassung und –verarbeitung mit dem PC...“ zum Einsatz kam. Die grafische Oberfläche, die das
Skript generiert, ist selbsterklärend.
U M wird über G = mg aufgetragen und durch lineare Regression wird eine Kalibrierkurve (Ausgleichsgerade) ermittelt. Für g wird der Wert für Oldenburg verwendet: g = 9,8133 m/s2, der als fehlerfrei angenommen wird 8.
Der Ring wird gereinigt (in Ethanol schwenken und mit destilliertem Wasser abspülen; anschließend
mindestens eine Minute in destilliertes Wasser eintauchen und schwenken, trocknen mit Fön), an dem
Kraftsensor befestigt und sein Gewicht G bestimmt (U M messen, Umrechnung in G mit Hilfe der
Kalibrierkurve).
Anschließend wird ein Becherglas mit destilliertem Wasser auf die höhenverstellbare Plattform gestellt und
soweit angehoben, dass der untere Rand des Ringes etwa 5 mm tief in das Wasser eintaucht. In dieser
Position soll der Ring zu Beginn der Messreihe einige Minuten gehalten werden, um eine gute Benetzung
mit dem Wasser zu gewährleisten. Die Temperatur des Wassers wird direkt vor der Messung bestimmt; der
Temperaturfühler muss vor der Messung gereinigt werden (in destilliertes Wasser eintauchen und
schwenken).
Die Plattform wird nun langsam und vorsichtig (ruckfrei) nach unten bewegt, bis die Lamelle abreißt.
Während dieses Vorgangs wird die Ausgangsspannung U M des Messverstärkers bei einer Abtastfrequenz
von 0,5 kHz im PC aufgezeichnet. Die Zahl der aufzunehmenden Messwerte richtet sich nach der Dauer
des Experiments. 10.000 Messwerte, entsprechend einer Messzeit von 20 s, sind ein guter Anfangswert.
Nach Ende der Datenaufnahme werden die Daten im ASCII-Format gespeichert (Button Save Data) und
anschließend nach Origin importiert. Dort erfolgt die Umrechnung der Ausgangsspannungen U M (t) des
Kraftsensors in ein Kraftsignal F(t) mit den Daten der Kalibrierfunktion. Die Parameter der Kalibrierfunktion (Ausgleichsgerade) können dabei als fehlerfrei angenommen werden. F(t) wird grafisch dargestellt
und die maximale Kraft F g vor dem Abreißen der Lamelle abgelesen. Abb. 8 zeigt einen typischen Verlauf
von F(t). Zum Ablesen der Maximalkraft kann das Origin-Tool „Datenkoordinaten“ („Data
Reader“) 9 verwendet werden.
Die Messung wird mindestens fünfmal durchgeführt. Dem Protokoll wird eine exemplarische Kraftkurve
beigefügt. Für jeden Messwert von F g wird mit Hilfe der Gl. (7) bis (11) die Oberflächenspannung σ von
Wasser berechnet. Eine Fehlerangabe für jeden einzelnen Wert von σ ist nicht erforderlich. Die für die
7
8
9
Eingangs-Wahl-Schalter auf „FS“, Anschluss der Signalquelle an BNC-Buchse des Eingangskanals 0 (ACH 0
bzw. AI 0). Schiebeschalter über der BNC-Buchse von ACH 0 bzw. AI 0 auf BNC.
Wert nach http://www.ptb.de/cartoweb3/SISproject.php; der Fehler von 2×10-5 m/s2 wird vernachlässigt.
Das grafische Symbol des Tools Datenkoordinaten (Data Reader) ist
.
132
Berechnung des Korrekturfaktors (Gl. (10)) benötigte Dichte ρ des Wassers ist als Funktion der Temperatur
im Anhang 4.1 angegeben.
Schließlich wird der Mittelwert von σ und seine Standardabweichung berechnet und mit dem Literaturwert
für Wasser verglichen (Gl. (18) im Anhang 4.2).
2,2
Fg
F / a.u.
2,0
1,8
1,6
1,4
0
5
10
t / a.u.
Abb. 8: Exemplarischer Verlauf der Kraft F als Funktion der Zeit t bei der Bestimmung der Oberflächenspannung nach der Abreißmethode. F g ist die maximale Kraft vor Abreißen der Lamelle. Die
gepunkteten roten Linien markieren den Bereich des Größtfehlers ± ∆F g von F g , der durch das
Rauschen des Kraftsensors gegeben ist. „a.u.“ steht für arbitrary units (beliebige Einheiten).
3.4
Bestimmung der Oberflächenspannung mit der Blasendruckmethode
Hinweis:
Die Kapillare wurde vor Versuchsbeginn von der technischen Assistenz mit Ethanol gereinigt,
anschließend mit destilliertem Wasser durchgespült und in einem Stickstoffstrom getrocknet. Sie darf
im Metallbereich auf keinen Fall mit bloßen Händen angefasst werden, da sich sonst Fett- und
Schweißrückstände bilden, die die Messergebnisse verfälschen. Anfassen der Kapillare deshalb nur an
dem oberen PVC-Halter!
Die Oberflächenspannung von destilliertem Wasser gegen Luft soll mit Hilfe einer Anordnung gem. Abb.
4 gemessen werden. Im U-Rohr des Manometers befindet sich Wasser, dem zur besseren Benetzung des
U-Rohrs einige Tropfen Spülmittel zugesetzt sind. Das Becherglas B wurde bereits von der technischen
Assistenz gereinigt und bis etwa 1 cm unter der Oberkante mit destilliertem Wasser gefüllt. Die Temperatur
des Wassers soll gemessen werden. Vor der Messung wird der Temperaturfühler gereinigt (wie in Kap. 3.3
beschrieben).
Die Kapillare wird in die Halterung eingesetzt, senkrecht ausgerichtet und mit Hilfe der Höhenverstelleinheit h = 30 mm tief in das destillierte Wasser eingetaucht. Die Position der Höhenverstelleinheit, bei der
die Kapillare gerade in die Flüssigkeit eintaucht, lässt sich durch gleichzeitige Beobachtung der Kapillarenöffnung und ihres Spiegelbildes im Wasser auf ± 0,05 mm genau bestimmen, so dass auch die Eintauchtiefe h mit der gleichen Genauigkeit eingestellt werden kann.
Zunächst wird der Drucksensor kalibriert. Das geschieht nach dem gleichen Verfahren wie es in den Versuchen „Sensoren…“ und „Datenerfassung und –verarbeitung mit dem PC...“ kennen gelernt wurde.
Während der Kalibrierung wird der Verbindungshahn zwischen dem Luftreservoir im ERLENMEYERkolben
133
und der Kapillare geschlossen, der Verbindungshahn zum U-Rohr-Manometer geöffnet. Für mindestens
fünf Höhendifferenzen h m im Manometer im Bereich (0 – 80) mm wird die Ausgangsspannung U des
Drucksensors gemessen, der Druck p(h m ) berechnet, U über p aufgetragen und die Ausgleichsgerade durch
die Daten berechnet.
Die Messung der Ausgangsspannung des Sensors erfolgt wie bei der Abreißmethode (Kap. 3.3) mit Hilfe
einer Datenerfassungskarte im PC unter Einsatz des MATLAB-Skriptes DatenEinlesen.m.
Nach Abschluss der Kalibrierung wird der Hahn zum U-Rohr-Manometer geschlossen und der zur
Kapillare geöffnet. Der Scherentisch S unter dem Vorratsgefäß V wird anschließend langsam und vorsichtig
(möglichst ruckfrei) solange nach oben bewegt, bis Gasblasen aus der Kapillare austreten. Während dieses
Vorgangs wird die Ausgangsspannung des Drucksensors bei einer Abtastfrequenz von 1 kHz im PC
aufgezeichnet. Auch bei dieser Messung richtet sich die Zahl der aufzunehmenden Messwerte nach der
Dauer des Experiments. 20.000 Messwerte (entsprechend 20 s) sind ein guter Anfangswert.
Nach Ende der Datenaufnahme werden die Daten im ASCII-Format gespeichert (Button Save Data) und
anschließend in Origin importiert. Dort erfolgt die Umrechnung der Ausgangsspannungen U(t) des
Drucksensors in ein Drucksignal p(t) mit den Daten der Kalibrierfunktion. Die Parameter der Kalibrierfunktion (Ausgleichsgerade) können dabei als fehlerfrei angenommen werden. p(t) wird grafisch dargestellt
und der maximale Druck p m direkt vor dem Abreißen der Blasen abgelesen. Abb. 9 zeigt einen typischen
Verlauf von p(t). Zum Ablesen des Maximaldruckes kann wiederum das Origin-Tool „Datenkoordinaten“ („Data Reader“) verwendet werden.
pm
p / a.u.
3,4
3,2
0
5
10
15
t / a.u.
Abb. 9: Exemplarischer Verlauf des Druckes p als Funktion der Zeit t bei der Bestimmung der Oberflächenspannung nach der Blasendruckmethode. p m ist der maximale Druck vor Abreißen der Blasen. Die gepunkteten roten Linien markieren den Bereich des Größtfehlers ± ∆p m von p m , der
durch das Rauschen des Drucksensorsignals gegeben ist. Die Welligkeit des Druckanstiegs wird
durch ungleichmäßiges Anheben des Scherentisches verursacht.
Die Messung wird insgesamt mindestens fünfmal durchgeführt. Dem Protokoll wird eine exemplarische
Druckkurve beigefügt. Aus den Daten für p m wird der Mittelwert pm und seine Standardabweichung
berechnet. Aus pm , der Eintauchtiefe h sowie den Literaturdaten für g und ρ wird der Überdruck ∆p inkl.
Größtfehler gem. Gl. (13) bestimmt:
134
(16)
∆p =
( ρm hm − ρ h ) g =
pm − ρ hg
ρ wird aus Gl. (17) (Anhang 4.1) berechnet und als fehlerfrei angenommen. Für g wird der Wert für Oldenburg verwendet: g = 9,8133 m/s2, der ebenfalls als fehlerfrei angenommen wird. Die einzigen Größen, die
den Größtfehler der Druckdifferenz ∆p bestimmen, sind demnach der Größtfehler ∆h von h und die
Standardabweichung von pm .
Schließlich wird die Oberflächenspannung σ gem. Gl. (14) berechnet. Der Größtfehler von σ wird mit Hilfe
der Näherungslösung aus Gl. (15) bestimmt. Das Ergebnis wird mit dem Literaturwert (Gl. (18)) sowie mit
dem Messwert nach der Abreißmethode verglichen.
3.5
Innendruck in Gasblasen
Ein Glasrohrgestell gem. Abb. 10 wird mit den beiden Austrittsöffnungen in Seifenlauge getaucht und
anschließend herausgezogen. Durch Luftzufuhr an den Eintrittsöffnungen und geeignetes Öffnen und
Schließen der Hähne können an den beiden Austrittsöffnungen zwei unterschiedlich große Seifenblasen
aufgeblasen werden. Anschließend wird der Verbindungshahn zwischen beiden Blasen geöffnet.
Frage 1:
- Welche Blase wächst zu Lasten der anderen und warum? (Hinweis: beachte Gl. (15))
- Wie groß ist der Innendruck p in einer Gasblase vom Radius r, die von einer Seifenhautlamelle (Oberflächenspannung der Seifenlösung: σ) umgeben ist? 10
Abb. 10: Glasrohrgestell zur Demonstration des Innendruckes in Gasblasen.
10
Hinweis: Bei einer Luftblase in Wasser gibt es eine Grenzfläche zwischen Luft und Wasser. Bei einer Seifenblase
gibt es zwei Grenzflächen zwischen der Seifenlauge und Luft.
135
4
Anhang
4.1
Dichte von Wasser
Die Temperaturabhängigkeit der Dichte ρ von Wasser lässt sich durch folgendes Polynom beschreiben
(T in °C, Gültigkeitsbereich: -20°C < T < 110°C) 11:
(17)
 0,99975 + 8,42492 ⋅ 10-5 {T } -8,82693 ⋅ 10-6 {T }2
=
ρ 10 ⋅ 
 + 5,91004 ⋅ 10-8 {T }3 - 2,05642 ⋅ 10-10 {T }4

3
 kg

 m3

Der Verlauf dieser Funktion ist in Abb. 11 dargestellt.
1,01
1,00
ρ / 103 kg m-3
0,99
0,98
0,97
0,96
0,95
-40
-20
0
20
40
60
80
100
120
T / °C
Abb. 11: Dichte von Wasser als Funktion der Temperatur.
4.2
Oberflächenspannung von Wasser
Die Temperaturabhängigkeit der Oberflächenspannung σ von Wasser gegen Luft lässt sich durch folgendes
Polynom beschreiben (T in °C, Gültigkeitsbereich: 0°C < T < 100°C):
(18)
 0,07569 -1,49944 ⋅ 10-4 {T } + 1,97712 ⋅ 10-7 {T }2
σ =
 - 8,34217 ⋅ 10-9 {T }3 + 4,57847 ⋅ 10-11 {T }4

N

m

Der Verlauf dieser Funktion ist in Abb. 12 dargestellt.
11
Polynomfit an Daten aus WEAST, R. C. [Ed.]: „CRC Handbook of Chemistry and Physics“, 56th Ed., CRC Press,
Boca Raton; Fehler vernachlässigbar.
136
0,076
0,074
0,072
σ / N m-1
0,070
0,068
0,066
0,064
0,062
0,060
0,058
0
20
40
60
80
100
T / °C
Abb. 12: Oberflächenspannung σ von Wasser gegen Luft als Funktion der Temperatur T.
137
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Praktikum im Modul Physik I für Studierende der Umweltwissenschaften
Geometrische Optik, optische Abbildung und Aberrationen
Stichworte:
Linsenmacher-Gleichung, Abbildungsgleichung, GAUßscher Abbildungsbereich, BESSEL-Verfahren,
Vergrößerung, Sehwinkelvergrößerung, Blende, Pupille, sphärische Aberration, chromatische Aberration, optische Geräte, Lupe, Fernrohr, Okular, Objektiv.
Messprogramm:
Brennweitenbestimmung mit der BESSEL-Methode, Messung der chromatischen und sphärischen
Aberration einer Linse, Schärfentiefe, Sehwinkelvergrößerung mit einem Fernrohr.
Literatur:
/1/ HECHT, E.: „Optik“, Oldenbourg, München u. a.
/2/ BERGMANN-SCHÄFER: „Lehrbuch der Experimentalphysik - Band III Optik“, de Gruyter, Berlin
u. a.
1
Einleitung
Beim Entwurf und der Realisierung optischer Instrumente und Experimente hat die geometrische Optik
(Strahlenoptik) nach wie vor eine große praktische Bedeutung. Sie beruht auf vier Gesetzen, die sich aus
dem FERMATschen Prinzip ableiten lassen: der Geradlinigkeit der Lichtausbreitung, der Umkehrbarkeit
optischer Wege, dem Reflexionsgesetz und dem Brechungsgesetz. Neben soliden Kenntnissen der recht
elementaren theoretischen Grundlagen der geometrischen Optik sind vor allem praktische Erfahrungen im
richtigen Umgang mit einfachen optischen Komponenten nützlich, die in diesem Versuch gewonnen
werden. Sie zählen mit zu den Grundvoraussetzungen, die Studierende mitbringen müssen, die sich im
Laufe ihres Studiums mit moderner Optik bzw. Photonik befassen.
2
Theorie
Wir gehen davon aus, dass die theoretischen Grundlagen der geometrischen Optik noch aus der Schulzeit
bekannt sind. Wir werden uns daher im Folgenden darauf beschränken, die Punkte stichwortartig zu wiederholen, die für die Versuchsdurchführung direkt von Bedeutung sind. Auf die Herleitung der meisten
Formeln wird verzichtet, da sie ebenfalls als bekannt vorausgesetzt werden.
2.1
Vereinbarungen und Näherungen des Brechungsgesetzes
Wir halten zunächst einige allgemein übliche Vereinbarungen fest:
- Bei der Zeichnung und Beschreibung von Strahlengängen wird grundsätzlich eine Lichtausbreitung von
links nach rechts vorausgesetzt.
- Der Raum links von einem abbildenden optischen System (im einfachsten Fall besteht es aus nur einer
Linse) heißt Gegenstandsraum, der Raum rechts davon Bildraum.
- Die durch die Linsenmitte und die Brennpunkte der Linse verlaufende Achse heißt optische Achse. In
einem kartesischen Koordinatensystem ist dies die z-Achse. In den Abbildungen dieses Textes ist die
optische Achse immer als horizontale, strichpunktierte Linie gezeichnet.
Weitere Vereinbarungen ergeben sich aus Näherungen des Brechungsgesetzes (Abb. 1), das besagt: Tritt
ein Lichtstrahl aus einem Medium 1 mit der Brechzahl n 1 in ein Medium 2 mit der Brechzahl n 2 ein, z. B.
aus Luft in Glas, so gilt:
138
n1 sin α = n2 sin β
(1)
Dabei ist α der Winkel zwischen dem einfallenden Strahl und dem Lot auf die Oberfläche des Mediums 2
(Einfallswinkel) und β der Winkel zum Lot, unter dem sich der Strahl im Medium 2 weiter ausbreitet.
α
n1
β
n2
Abb. 1: Definition von Winkeln beim Brechungsgesetz.
Für sin α kann man mithilfe der Reihenentwicklung schreiben:
sin α ≈ α −
(2)
α3
3!
+
α5
5!
− ...
In der geometrischen Optik spielen zwei Näherungen dieser Reihenentwicklung eine große Rolle. In der
Theorie erster Ordnung beschränkt man sich auf so kleine Winkel α, dass nur der erste Term der Reihenentwicklung berücksichtigt werden muss, dass also näherungsweise gilt:
sin α ≈ α
Theorie erster Ordnung
Die Theorie dritter Ordnung berücksichtigt auch etwas größere Winkel, sodass näherungsweise gilt:
sin α ≈ α −
α3
3!
Theorie dritter Ordnung
Bei den folgenden Überlegungen werden wir uns, wenn nicht ausdrücklich anders angegeben, auf die
Theorie erster Ordnung (paraxiale Theorie) für dünne, sphärische Linsen beschränken. Das bedeutet:
- Wir werden nur enge Lichtbündel betrachten, die sich in der Nähe der optischen Achse und mit kleiner
Neigung (< 5°) gegen diese Achse ausbreiten (GAUßscher Abbildungsbereich).
- Wir werden davon ausgehen, dass die Linsen so dünn sind, dass ihre Hauptebenen in der Linsenmitte
zusammenfallen.
2.2
Abbildungseigenschaften von Linsen
Die Brennweite f einer sphärischen Linse 1 lässt sich unter den in Kap. 2.1 genannten Voraussetzungen
mithilfe der Linsenmacher-Gleichung berechnen:
(3)
 1
1
1 
=
(n − 1)  −
 R1 R 2 
f


Dabei ist gem. Abb. 2:
n: Brechzahl des Linsenglases; n hängt von der Wellenlänge λ des Lichtes ab.
R 1 : Krümmungsradius der linken Linsenoberfläche.
R 2 : Krümmungsradius der rechten Linsenoberfläche.
1
Eine sphärische Linse wird durch Flächen begrenzt, die die Form von Kugeloberflächen haben. Bei asphärischen
Linsen sind die Oberflächen von anderer Form.
139
Es ist:
R > 0 wenn die Oberfläche nach links gewölbt ist (d. h. der auf der optischen Achse liegende Punkt
der Linsenoberfläche befindet sich weiter links als die übrigen Oberflächenpunkte).
R < 0 wenn die Oberfläche nach rechts gewölbt ist (d. h. der auf der optischen Achse liegende Punkt
der Linsenoberfläche befindet sich weiter rechts als die übrigen Oberflächenpunkte).
R2
R1
n
Abb. 2: Zur Definition der Vorzeichen der Krümmungsradien einer sphärischen Linse aus Glas (grau) mit
der Brechzahl n. Im dargestellten Beispiel ist R 1 > 0 und R 2 < 0.
Frage 1:
- Wie groß ist die Brennweite einer plankonvexen Linse aus Glas (n = 1,5), deren sphärische Fläche einen
Krümmungsradius von R = 100 mm hat?
- Spielt es für die Brennweitenbestimmung nach Gl. (3) eine Rolle, ob bei einer plankonvexen Linse die
plane Linsenoberfläche rechts oder links liegt?
Wir betrachten gem. Abb. 3 die Abbildung eines oberhalb der optischen Achse liegenden Gegenstandes G
mit einer einzelnen Linse L in ein unterhalb der optischen Achse liegendes Bild B. Es gilt die GAUßsche
Linsengleichung (Abbildungsgleichung):
1 1 1
=
+
f
g b
(4)
Dabei ist:
g:
b:
Gegenstandsweite
g > 0: reeller Gegenstand links von der Linse; g < 0: virtueller Gegenstand rechts von der Linse
Bildweite
b > 0: reelles Bild rechts von der Linse; b < 0: virtuelles Bild links von der Linse
Die transversale Vergrößerung M (der Abbildungsmaßstab) ist gegeben durch:
h
b
b
1−
M =b =
− =
hg
g
f
(5)
mit
h b : Bildhöhe von optischer Achse aus gemessen.
h g : Gegenstandshöhe von optischer Achse aus gemessen.
h b,g > 0, wenn Bild bzw. Gegenstand oberhalb der optischen Achse liegen; h b,g < 0 sonst.
140
L
G
2f
2f
f
f
B
g
b
Abb. 3: Abbildung mit einer Linse L und Definition von Bezeichnungen. Bei dieser und den folgenden
Abbildungen ist die Brennweite f als Maß auf der optischen Achse eingetragen, deren Ursprung
in der Linsenmitte liegt.
Frage 2:
- Was bedeutet eine negative transversale Vergrößerung?
Bringt man zwei dünne Linsen mit den Brennweiten f 1 und f 2 dicht aneinander, so gilt für die Brennweite f
dieses 2-Linsensystems:
(6)
2.3
1
=
f
1 1
+
f1 f 2
Brennweitenbestimmung mit der BESSEL-Methode
Mit Hilfe von Gl. (4) lässt sich prinzipiell die Brennweite einer Linse experimentell ermitteln, indem für
eine scharfe Abbildung Gegenstands- und Bildweite gemessen werden. Die Messung dieser Größen ist
jedoch vor allem bei kleinen Brennweiten mit einer erheblichen Unsicherheit behaftet, da die Linsenmitte
als Bezugsgröße für b und g schwer auszumachen ist. In der Praxis bedient man sich deshalb zur Brennweitenbestimmung der sogenannten BESSEL-Methode (Abb. 4).
e>4f
G
B
d
Abb. 4: Anordnung von Gegenstand G und Bild B bei der BESSEL-Methode. Beim Abstand e > 4f zwischen G und B gibt es zwei Linsenpositionen (rot und blau) im Abstand d, bei denen eine scharfe
Abbildung erreicht wird.
Bei diesem Verfahren wird ausgenutzt, dass es bei einer konstanten Entfernung e > 4f zwischen Bild und
Gegenstand zwei Linsenpositionen gibt, die zu einer scharfen Abbildung führen. Bei einer Position findet
eine Vergrößerung (rot in Abb. 4), bei der anderen eine Verkleinerung (blau in Abb. 4) statt. Für beide
Positionen gilt
141
(7)
g +b=
e
Setzt man b nach Gl. (7) in Gl. (4) ein, so folgt:
(8)
1
1
1
+
=
g e−g f
Hieraus folgt für g:
(9)
g 2 − eg + ef =
0
Diese Gleichung liefert zwei Lösungen für g, die den beiden Linsenpositionen entsprechen:
(10)
g1,2
e
e2
=±
− ef
2
4
Der Abstand d beider Positionen ist
(11)
d = g1 − g 2 = 2
e2
− ef
4
der über eine Differenzmessung einfach ermittelt werden kann. Damit folgt schließlich für die gesuchte
Brennweite f:
(12)
2.4
=
f
1
d2 
 e − 
4
e 
Abbildungsfehler
Wir werden uns im Folgenden auf zwei besonders wichtige Abbildungsfehler beschränken, die sphärische
und die chromatische Aberration.
2.4.1
Sphärische Aberration
Die sphärische Aberration tritt auf, wenn bei der optischen Abbildung der paraxiale Bereich verlassen wird,
wenn die Theorie erster Ordnung also nicht mehr gilt.
Die Wirkung der sphärischen Aberration lässt sich recht anschaulich anhand der rechten Anordnung in
Abb. 5 für eine plankonvexe Linse verdeutlichen: parallele Strahlen, die von einem unendlich weit entfernten Gegenstandspunkt stammen, treffen je nach Abstand von der optischen Achse unter unterschiedlichen
Winkeln auf die brechende Linsenoberfläche. Bei einfachen sphärischen Flächen hat das zur Folge, dass
die gebrochenen Strahlen die optische Achse nicht in einem Brennpunkt, sondern in unterschiedlichen
Brennpunkten schneiden. Je größer der Abstand des einfallenden Strahls von der optischen Achse ist, desto
kleiner ist die Brennweite. Eine Rechnung ergibt, dass die Brennweite f näherungsweise mit h2 abnimmt,
wobei h der Abstand von der optischen Achse ist. Trägt man demnach f über h2 auf, ergibt sich in guter
Näherung eine Gerade mit negativer Steigung:
(13)
f ( h ) ≈ f0 − k h2
Dabei ist f 0 die Brennweite im paraxialen Bereich und k > 0 eine Konstante.
142
Abb. 5: Auswirkung der sphärischen Aberration bei unterschiedlicher Linsenorientierung.
Für eine Linse mit unterschiedlichen Krümmungsradien R 1 und R 2 lässt sich die sphärische Aberration
minimieren, indem die Linse so in den Strahlengang eingebracht wird, dass die Brechung auf beide
Grenzflächen möglichst gleichmäßig verteilt wird, d. h. indem versucht wird, an beiden Flächen möglichst
ähnliche Ablenkwinkel für die einzelnen Strahlen zu erreichen. Für die Abbildung unendlich weit entfernter
Gegenstände müsste also bei einer plankonvexen Linse eine Orientierung gem. der rechten Anordnung in
Abb. 5 gewählt werden. Sie führt zu deutlich kleineren Abbildungsfehlern als die linke Anordnung.
Die sphärische Aberration lässt sich auch dadurch minimieren, dass vor der Linse eine Blende angebracht
wird, die nur paraxiale Strahlenbündel durchlässt. Durch dieses Abblenden wird jedoch gleichzeitig das
Bild dunkler. Man sagt, das Abbildungssystem (hier: Linse plus Blende) wird lichtschwächer.
In einem hochwertigen Fotoobjektiv wird die sphärische Aberration durch Kombination mehrere Linsen zu
einem Linsensystem (Objektiv) minimiert. Je teurer das Objektiv, desto mehr Linsen enthält es. 10 oder
mehr Einzellinsen sind keine Seltenheit.
Im Praktikum setzen wir Einzellinsen ein, werden es also immer mit sphärischer Aberration zu tun haben.
2.4.2
Chromatische Aberration
Die chromatische Aberration wird durch die Abhängigkeit der Brechzahl n von der Lichtwellenlänge λ
verursacht. Mit n = n(λ) folgt nämlich aus Gl. (3) für f = f(λ):
(14)
f (λ ) =
1
R1 R2
n ( λ ) − 1 R2 − R1
Da n(λ) im Allgemeinen mit zunehmender Wellenlänge abnimmt (s. Tab. 1 und Abb. 6), nimmt f(λ) mit λ
zu. Das bedeutet, dass sich z. B. für rotes Licht eine größere Brennweite ergibt, als für grünes oder blaues
Licht.
Frage 3:
- Wie wirkt sich demnach die chromatische Aberration bei der Abbildung von Gegenständen aus, die mit
weißem Licht be- oder durchleuchtet werden?
n(λ) lässt sich in guter Näherung durch die SELLMEIER-Gleichung beschreiben:
(15)
λ2
n2 ( λ ) =
1 + B1 2
λ − C1
+ B2
λ2
λ 2 − C2
+ B3
λ2
λ 2 − C3
wobei die Koeffizienten B 1,…,3 und C 1,…,3 experimentell bestimmt werden. Wird λ in µm angegeben, so
lauten die Koeffizienten für N-BK7-Glas 2 (Fehler vernachlässigbar):
2
Die im Praktikum verwendeten Linsen sind aus N-BK7-Glas (Borkronglas). Daten aus SCHOTT AG: „Optisches
Glas – Datenblätter“, Mainz, 2008
143
B 1 = 1,03961212
C 1 = 0,00600069867 µm2
B 2 = 0,231792344
C 2 = 0,0200179144 µm2
B 3 = 1,01046945
C 3 = 103,560653 µm2
Oftmals ist eine Polynom-Darstellung von n(λ) einfacher zu handhaben. Statt Gl. (15) kann man in guter
Näherung auch schreiben:
(16)
n ( λ ) ≈ A1 + A2λ + A3λ 2 + A4λ 3 + A5λ 4
Wird λ in nm angegeben, so lauten die Koeffizienten A 1 bis A 5 für N-BK7-Glas (Fehler vernachlässigbar):
A 1 = 1,7403398
A 4 = -2,2633115×10-9 nm-3
λ / nm
365,0
404,7
435,8
480,0
486,1
546,1
587,6
589,3
632,8
643,8
656,3
706,5
852,1
A 2 = -1,1718506×10-3 nm-1
A 5 = 8,1271722×10-13 nm-4
n
1,53627
1,53024
1,52668
1,52283
1,52238
1,51872
1,51680
1,51673
1,51509
1,51472
1,51432
1,51289
1,50980
Tab. 1:
Brechzahl n(λ) für N-BK7-Glas. Fehler von n
und λ vernachlässigbar.
A 3 = 2,3962174×10-6 nm-2
1,540
Tabellendaten
Polynomfit
1,535
1,530
1,525
n
(17)
1,520
1,515
1,510
300
400
500
600
700
800
900
λ / nm
Abb. 6:
Grafische Darstellung der Daten aus Tab. 1 mit
Fit durch ein Polynom 4. Grades.
Auch die chromatische Aberration kann durch Kombination mehrerer Linsen zu einem Objektiv minimiert
werden, wenn die Linsen aus Gläsern mit unterschiedlicher Brechzahl bestehen.
Im Praktikum setzen wir Einzellinsen ein, werden es also auch immer mit chromatischer Aberration zu tun
haben.
2.5
Blenden und Pupillen
Dasjenige mechanische Element, welches das durch ein Abbildungssystem durchtretende Lichtbündel am
meisten begrenzt, heißt Aperturblende. Als Aperturblende kann sowohl eine Linsenbegrenzung selbst (z.
B. die Linsenfassung), als auch eine zusätzlich in den Strahlengang eingebrachte Blende (z. B. eine Irisblende) wirken.
Für die Konstruktion hochwertiger abbildender optischer Instrumente ist es von entscheidender Bedeutung,
die Lichtbündelbegrenzung durch die Aperturblende genau zu kennen. Das ist häufig recht kompliziert, da
bei solchen Instrumenten üblicherweise Linsensysteme mit bis zu 10 oder noch mehr Einzellinsen als
Objektive verwendet werden, bei denen die Aperturblende „mittendrin“ liegt.
Zunächst einmal ist es wichtig zu wissen, wie viel Licht vom Gegenstand durch die Aperturblende gelangen
kann, d. h. wie groß der Öffnungswinkel des eintretenden Lichtbündels ist, das überhaupt zur Abbildung
144
beitragen kann. Die Größe, die dieses Lichtbündel begrenzt, heißt Eintrittspupille - sie ist das vom
Gegenstandsraum aus betrachtete Bild der Aperturblende.
Nun kann es sein, dass ein Teil des Lichtes, das durch die Eintrittspupille gelangt, dennoch nicht zur Abbildung beiträgt, weil es z. B. an einer Stelle im Instrument abgeblockt wird, die hinter der Aperturblende
liegt. Daher ist es wichtig, auch die Lage der Austrittspupille zu kennen, die das austretende Lichtbündel
begrenzt - sie ist das Bild der Aperturblende vom Bildraum aus betrachtet.
Aperturblende
f
f
EP
AP
Aperturblende
f
f
AP
EP
Abb. 7: Zur Lage von Aperturblende, Eintrittspupille EP und Austrittspupille AP. EP und AP sind grau
dargestellt, wenn sie nicht mit der Aperturblende (schwarz) zusammen fallen. Oben: Aperturblende vor der Linse; unten: Aperturblende hinter der Linse.
Abb. 7 soll dies verdeutlichen. Wir betrachten das einfache Beispiel eines Abbildungssystems mit einer
Linse, bei der die Aperturblende entweder vor der Linse im Gegenstandsraum (oben) oder hinter der Linse
im Bildraum (unten) liegt. Damit ist jeweils eine der beiden Pupillen leicht zu konstruieren. Im ersten Fall
sieht man nämlich vom Gegenstandsraum aus direkt auf die Aperturblende. Das Bild dieser Blende, die
Eintrittspupille EP, ist demnach die Blende selbst. Im zweiten Fall gilt Analoges für die Austrittspupille
AP. Die Festlegung der Lage der jeweils anderen Pupille ist schon etwas schwieriger: Mithilfe geeigneter
Strahlen (Parallelstrahlen, Brennpunktstrahlen, Mittelpunktstrahl) muss jeweils das entsprechende Bild der
Aperturblende gefunden werden. Daraus wird deutlich, dass z. B. für hochwertige Objektive die Verhältnisse schnell kompliziert werden. Solche Objektive bestehen nicht selten aus 10 oder mehr Einzellinsen mit
einer einstellbaren Aperturblende z. B. zwischen der 4. und 5. Linse.
2.6
Schärfentiefe
Neben der Lichtbündelbegrenzung kommt der Aperturblende bei der optischen Abbildung eine weitere
wichtige Bedeutung zu: Sie bestimmt die Schärfentiefe (auch Tiefenschärfe) der Abbildung, d. h. die Tiefe
∆g des Gegenstandbereiches, der bei fester Bildweite b noch scharf abgebildet wird. Die dafür maßgebende
Größe ist der Aperturblendendurchmesser D (Abb. 8). Es ist in vielen Fällen üblich, diesen Durchmesser
nicht direkt anzugeben, sondern in Form der Blendenzahl F, die das Verhältnis von Brennweite zu
Aperturblendendurchmesser darstellt:
(18)
F=
f
D
145
Ein Objektiv mit einer Brennweite von 50 mm hat demnach bei einem Aperturblendendurchmesser von z.
B. 25 mm die Blendenzahl F = 2 (gelegentlich auch als „f / 2“ angegeben) und bei einem Aperturblendendurchmesser von z. B. 6,25 mm die Blendenzahl F = 8 („f / 8“).
Zur Berechnung des Schärfentiefebereiches betrachten wir gemäß Abb. 8 die Abbildung einer punktförmigen Lichtquelle Q mit einer Linse der Brennweite f auf den Sensor einer CCD-Kamera. Die Aperturblende
vom Durchmesser D ist hier durch die Begrenzung der Linse gegeben. Die räumliche Auflösung von CCDSensoren wird üblicherweise durch die Anzahl m von schwarz/weißen Linienpaaren gleicher Breite pro
Millimeter angegeben, die der Sensor noch aufzeichnen kann (typischer Wert: m = (100 – 200)/mm). Wir
definieren die Abbildung deshalb als scharf, solange das Bild von Q einen Durchmesser d < 1/m hat (Abb.
9).
b
d
CCD-Kamera
Q
B
D
L
∆b
Abb. 8: Zur Schärfentiefe bei der optischen Abbildung. Ist der Sensor (lila) der CCD-Kamera um die
Bildweite b von der Mitte der Linse L entfernt, ergibt sich ein scharfes Bild (Bildpunkt B) der
punktförmigen Lichtquelle Q. Rückt die Kamera um ∆b näher an die Linse heran (hier stark
übertrieben gezeichnet), ergibt sich ein verschmiertes Bild von Q mit dem Durchmesser d.
1/m
d
Abb. 9: Zur Definition der scharfen Abbildung für einen CCD-Sensor mit einer Auflösung von m Linienpaaren pro mm. Die grauen Quadrate stellen die Pixel dar. Der obere rote Bildpunkt ist per
Definition scharf, da sein Durchmesser d < 1/m. Der untere Bildpunkt ist unscharf, da d > 1/m.
Im Idealfall wird Q in einen Punkt B abgebildet, der den Abstand b von der Linse hat (Beugungseffekte
vernachlässigt). In diesem Abstand von der Linse wird der CCD-Sensor platziert. Ausgehend von dieser
Position kann man die Strecke ∆b berechnen, um die man den Sensor zur Lichtquelle hin verschieben darf,
um Q noch scharf abzubilden, d. h. die Bedingung d < 1/m einzuhalten (Abb. 9). Man erhält:
(19)
∆b<
f (1 −M )
Dm
Frage 4:
- Wie gelangt man zu diesem Resultat?
146
Statt den Sensor um ∆b zu verschieben, kann auch die Lichtquelle Q um ∆g nach links oder nach rechts
verschoben werden, sodass die Abbildung im o. a. Sinne gerade noch scharf ist. Die Größe 2 ∆g bezeichnet
man als Schärfentiefebereich.
2.7
Optische Geräte
2.7.1
Lupe
Eine Lupe soll von kleinen, in der Nähe des Beobachters befindlichen Gegenständen ein vergrößertes Bild
erzeugen, wenn die Bildgröße, die durch maximale Annäherung des bloßen Auges an den Gegenstand erreicht werden kann, nicht ausreicht.
Sei s die minimale Entfernung zwischen Auge und Gegenstand, bei der noch scharfes Sehen möglich ist
(Nahpunkt des Auges). Dann gilt für den Sehwinkel α 0 , d. h. den Winkel, unter dem der Gegenstand der
Höhe h 0 vom Mittelpunkt der Augenpupille aus gesehen wird (s. Abb. 10):
(20)
tan α 0 =
h0
s
Augenpupille
s
h0
G
α0
Abb. 10: Zur Definition des Sehwinkels α 0 .
Da wir uns gem. Kap. 2.1 auf den paraxialen Bereich beschränken, gilt tanα 0 ≈ α 0 und damit:
(21)
α0 ≈
h0
s
Wir bringen nun gem. Abb. 11 eine Sammellinse (Lupe) der Brennweite f vor das Auge und ordnen den
Gegenstand in einem Abstand g < f vor der Sammellinse an. In diesem Fall gilt gem. Gl. (4) b < 0, |b| > g.
Es entsteht also ein aufrechtes, virtuelles Bild des Gegenstandes mit der transversalen Vergrößerung
(Gl. (5))
(22)
h1
b
b
M = =1 − =1 +
h0
f
f
Für den Sehwinkel α 1 , unter dem das virtuelle Bild der Höhe h 1 gesehen wird, gilt im paraxialen Fall:
(23)
α1 ≈
h1
b+f
Die Sehwinkelvergrößerung M s ist definiert als:
147
(24)
M=
s
α1 h1 s
=
α0 h0 b + f
b
Augenpupille
h1
B
f
f
G
α1
Abb. 11: Zur Bildentstehung bei der Lupe.
Mit Gl. (22) folgt:
(25)
M=
M
s

b s
s
= 1 + 
b+f 
f  b+f
Wird der Gegenstand im Abstand g ≈ f vor der Linse angebracht, so geht b → -∞. In diesem Fall verlassen
die Lupe nahezu parallele Lichtbündel, die vom entspannten Auge (Akkommodation auf ∞) auf die
Netzhaut fokussiert werden. Für diese Bedingung (|b| → ∞) folgt aus Gl. (25) für alle praktischen Werte
von f << b :
(26)
b s

s
M s ≈ 1 +  ≈
f  b
f

Für das Durchschnittsauge mit einem Nahpunkt bei s = 250 mm gilt also:
(27)
2.7.2
Ms ≈
250 mm
f
(f in mm)
Astronomisches Fernrohr
Astronomische (KEPLERsche) Fernrohre dienen der Sehwinkelvergrößerung für die Beobachtung weit entfernter Objekte. Sie bestehen aus einer Sammellinse großer Brennweite f 1 , dem Objektiv, und einer Sammellinse kleiner Brennweite f 2 , dem Okular. Das Objektiv entwirft von dem Gegenstand ein reelles
Zwischenbild, das mit dem als Lupe eingesetzten Okular betrachtet wird (Abb. 12).
Wir bezeichnen mit g 1 und b 1 die Gegenstands- bzw. Bildweite bezogen auf das Objektiv und mit g 2 und
b 2 die Gegenstands- bzw. Bildweite bezogen auf das Okular.
148
Objektiv
Okular
α0
α1
B
g2
b1
f2
a
Abb. 12: Zur Bildentstehung beim astronomischen Fernrohr.
Da für die üblichen Anwendungen des astronomischen Fernrohrs g 1 → ∞ gesetzt werden darf, folgt b 1 ≈ f 1 .
Das Objektiv erzeugt also ein umgekehrtes reelles Zwischenbild B in der Nähe seiner hinteren Brennebene.
Dieses Zwischenbild wird mit dem Okular als Lupe betrachtet, d. h. g 2 ≈ f 2 und damit b 2 → - ∞. Das bedeutet für den Abstand a zwischen Objektiv und Okular:
(28)
a = b1 + g 2 ≈ f1 + f 2
Blicken wir mit dem entspannten Auge durch das Okular, so sehen wir ein umgekehrtes, virtuelles Bild des
Gegenstandes.
Für die Sehwinkelvergrößerung im paraxialen Fall gilt auch hier wie bei der Lupe M s = α 1 /α 0 , wobei α 0
der Sehwinkel ohne und α 1 der Sehwinkel mit Fernrohr ist. Daraus folgt mit Berücksichtigung der unterschiedlichen Vorzeichen3 von α 0 und α 1 für g → ∞:
(29)
3
α 1  hb   hb 
f1
≈ −
 :   =−
f2
α 0  f 2   f1 
Ms =
Wird in Abb. 12 der Winkel α1 gegen den Uhrzeigersinn und damit negativ gezählt, so muss α0 im Uhrzeigersinn
und damit positiv gezählt werden.
149
3
Versuchsdurchführung
Zubehör:
Dreieckschiene, Reiter, U-Halter, Stativmaterial, höhenverstellbarer Zeiger und Stativstange mit Spitze
als Justierhilfen, plankonvexe Linse (f ≈ 300 mm / ∅ ≈ 90 mm, N-BK7-Glas), Irisblende, Blendenbleche mit kreisförmigen Öffnungen (Durchmesser D = (11,1; 12,5; 14,3; 16,7; 20; 25) mm, Fehler
vernachlässigbar), Blendenbleche mit kreisringförmigen Öffnungen (mittlere Radien der Kreisringe
r = (7,1; 14,7; 19,5; 23,3; 26,6) mm, Fehler vernachlässigbar), Interferenzfilter (maximale Transmission
bei ca. (405, 450, 488, 515, 532, 577, 632, 670, 694) nm, Halbwertsbreite der Transmissionskurven ca.
10 nm), Messdia mit USAF 1951 Resolution Chart, Spaltblende (Breite ca. 0,2 mm) in Drehhalterung,
Halogenlampe mit Netzgerät und Kondensor, Mattscheibe, CCD-Kamera (DMK 21AF04) mit
Rohraufsatz als Streulichtschutz und IEEE-1394-(FireWire)-Schnittstelle, PC mit IEEE-1394Schnittstelle, x/y/z-Verschiebetisch für Kamera, Fernrohr mit f 1 = (1000 ± 10) mm und
f 2 = (100 ± 1) mm, Maßband, abwischbarer Filzstift, Messschieber, Taschenlampe, Werkzeug.
Hinweis:
Nach Beendigung der Versuche müssen alle Optiken mit den bereitliegenden Plastiktüten wieder abgedeckt werden.
Transmission / %
40
30
20
10
0
λmax
600 610 620 630 640 650 660 670
λ / nm
Abb. 13: Schematische Darstellungen zu verwendeten Versuchskomponenten. V.l.n.r.: Kreisblende, Kreisringblende, typische Transmissionskurve eines Interferenzfilters, USAF 1951 Resolution Chart.
3.1
Hinweise zur Versuchsanordnung
In den folgenden Versuchsteilen 3.1.1 (Messung der chromatischen Aberration) und 3.1.2 (Messung der
sphärischen Aberration) soll die Bestimmung der Linsenbrennweite f jeweils mit einer Anordnung gem.
Abb. 14 nach dem BESSEL-Verfahren erfolgen (s. Kap. 2.3). Diese Anordnung wird zunächst beschrieben.
Ein Objekt G (Messdia mit USAF 1951 Resolution Chart, einem definierten Strich- und Zahlenmuster, vgl.
Abb. 13) wird von hinten mit einer Halogenlampe HL beleuchtet, deren Kondensor K für ein möglichst
paralleles Lichtbündel sorgt. Direkt hinter dem Kondensor wird eine Mattscheibe MS angebracht, mit der
eine gleichmäßige und diffuse Ausleuchtung des Dias erreicht wird. Eine Irisblende B 1 zwischen MS und
G sorgt dafür, dass nur das Strich- und Zahlenmuster auf dem Dia beleuchtet und somit das Streulicht
minimiert wird. Mit einer Linse L (f ≈ 300 mm, ∅ ≈ 90 mm, plankonvex) wird das Muster auf dem Messdia
auf den Sensor einer CCD-Kamera abgebildet. Vor die Kamera wird ein Rohr ST montiert, mit dem der
Einfall von Streulicht auf den CCD-Sensor minimiert wird.
Die Kamera ist über eine FireWire-Schnittstelle (IEEE 1394) mit dem PC verbunden. Die Steuerung der
Bildaufnahme und die Bilddarstellung erfolgt über das Matlab-Skript BildEinlesen.m, dessen
Bildschirmoberfläche in Abb. 15 dargestellt ist. Nach dem Start des Skriptes wird die Kamera zunächst
initialisiert (Button Initialize Camera). Danach wird die Bildaufnahme gestartet (Start Live
Image) und die Parameter Exposure Time (Belichtungszeit) und Offset werden so eingestellt, dass
150
es zu keiner Unter- oder Übersteuerung im Bild kommt 4. Die Wertebereiche, innerhalb derer die Parameter
geändert werden können, werden links neben den Eingabefeldern angezeigt. Der Parameter Gain
(Verstärkung) bleibt auf dem niedrigst möglichen Wert.
Das Kamerabild wird im Matlab-Fenster BildEinlesen oben angezeigt, darunter ein Profilschnitt 5
längs der Bildzeile mit der im Feld Line No. eingestellten Nummer.
a
HL
K
MS
B
B1
L
G
CCD-Kamera
F
ST
e
Abb. 14: Versuchsanordnung zur Brennweitenbestimmung der Linse L. HL: Halogenlampe mit Kondensor
K, MS: Mattscheibe, B 1 : Irisblende, F: Interferenzfilter, G: Messdia mit Strichmuster, B: Blende
vor Linse L, ST: Rohr vor CCD-Kamera zur Streulichtminimierung, a: Apparatekonstante 6, e:
Abstand Messdia / CCD-Sensor.
Haben CCD-Sensor und Dia den festen Abstand e > 4f (für f ≈ 300 mm ist e ≈ 1300 mm eine gute Wahl),
so gibt es zwei Positionen der Linse L, bei denen eine scharfe Abbildung erfolgt. In einer Stellung findet
eine Vergrößerung statt, in der anderen eine Verkleinerung. Durch Aufsuchen dieser beiden Linsenpositionen und Messung ihres Abstandes d kann die Brennweite der Linse gem. Gl. (12) bestimmt werden.
Für den Versuchsteil 3.1.1 (chromatische Aberration) wird die Brennweite der Linse für verschiedene
Interferenzfilter F vor dem Messdia gemessen, für den Versuchsteil 3.1.2 (sphärische Aberration) für
verschiedene Kreisringblenden B vor der Linse.
Hinweise:
(1) Bei den folgenden Versuchen erzielt man nur dann gute Resultate, wenn der optische Aufbau sorgfältig
justiert wurde, d. h. alle Komponenten mittig zur optischen Achse ausgerichtet wurden. Abweichungen
von der optimalen Justage im mm-Bereich führen bereits zu deutlichen Verfälschungen der
Messergebnisse!
(2) Zur vertikalen Justage der optischen Komponenten dient ein höhenverstellbarer Zeiger als Justierhilfe,
zur horizontalen Justage (senkrecht zur optischen Achse) eine Stativstange mit Spitze.
(3) Die verschiedenen Blenden B (Abb. 13 links) müssen genau mittig vor die Linse L montiert werden.
Das erreicht man, indem die Blendenbleche jeweils so in den mit der Linse verbunden Blendenhalter
eingesetzt werden, dass die Markierung auf den Blendenblechen (Farbpunkt oder Gravur oder Loch)
nach rechts oben zeigt, wenn man aus Richtung der Halogenlampe auf die Blendenbleche schaut.
4
5
6
Eine Über- und Untersteuerung erkennt man daran, dass die maximalen und minimalen Grauwerte im Bild bei
geringer Variation der Parameter Exposure Time und / oder Offset unverändert bleiben. Um auf der sicheren
Seite zu sein, sollte der maximale Grauwert < 255 sein und der minimale Grauwert > 0.
Als Profilschnitt wird der Verlauf der Intensität I(p) in Grauwerten längs der Pixel einer Bildzeile bezeichnet (p:
Pixelnummer).
Die Apparatekonstante a = 9,6 mm (Fehler vernachlässigbar) ist die Entfernung zwischen der Außenkante des
Kameragehäuses (blau) und der Oberfläche des CCD-Sensors (lila).
151
Abb. 15: Bildschirmoberfläche nach Start des Matlab-Skriptes BildEinlesen.m, Initialisierung der
CCD-Kamera (Initialize Camera), Einstellung von Parametern (Set Camera Parameters, Set Profile Data, Set Profile Cursor) und Aufnahme eines Kamerabildes (Start Live Image, Stop Live Image). Das Kamerabild wird oben dargestellt, der zugehörige Profilschnitt unten. Grauwerte werden als „Digital numbers“ (DN) ausgegeben.
3.1.1
Chromatische Aberration
Für diesen Versuchsteil wird zur Minimierung der sphärischen Aberration eine Blende B mit einer kreisförmigen Öffnung (Kreisblende, s. Abb. 13) von 20 mm Durchmesser in den mit der Linse verbundenen
Blendenhalter eingesetzt. Vor das Messdia G werden nacheinander verschiedene Interferenzfilter F montiert und jeweils die Brennweite f der plankonvexen Linse nach dem BESSEL-Verfahren gemessen. Die
Wellenlänge für die maximale Transmission der Filter, λ max , (Abb. 13 Mitte) ist dem Aufdruck auf den
Filtern zu entnehmen. Sie kann als fehlerfrei angenommen werden. Die Interferenzfilter sind jeweils so
einzusetzen, dass diejenige Filterfläche, die silbrig reflektierend erscheint, zur Lichtquelle zeigt.
f wird über λ max grafisch aufgetragen; die Größtfehler von f werden in Form von Fehlerbalken eingezeichnet.
3.1.2
Sphärische Aberration
Für diesen Versuchsteil wird zur Minimierung der chromatischen Aberration ein Interferenzfilter F mit
λ max ≈ 530 nm vor dem Messdia G angebracht. In den mit der Linse verbundenen Blendenhalter werden
nacheinander fünf Kreisringblenden B (Abb. 13) mit unterschiedlichen mittleren Radien r eingesetzt und
jeweils die Brennweite der Linse nach dem BESSEL-Verfahren gemessen. r kann der Versuchszubehörliste
und dem Aufdruck auf den Kreisringblenden entnommen werden.
152
f wird grafisch über r2 aufgetragen; die Größtfehler von f werden in Form von Fehlerbalken eingezeichnet.
Aus einer Ausgleichsgeraden durch die Messwerte wird die Konstante k aus Gl. (13) und die Brennweite
f 0 bestimmt.
3.1.3
Schärfentiefe
Für diesen Versuch dient ein Spalt von ca. 0,2 mm Breite als Gegenstand G. Vor dem Spalt wird ein
Interferenzfilter F mit λ max ≈ 530 nm angebracht. Die Linse wird in die Position gebracht, bei der eine
Verkleinerung vorliegt. In den mit der Linse verbundenen Blendenhalter werden nacheinander Kreisblenden B mit dem Durchmesser D (siehe Versuchszubehörliste und Aufdruck) montiert. Für jeden Durchmesser D wird jeweils die Länge 2∆b des Bereiches bestimmt, innerhalb dessen die CCD-Kamera verschoben werden kann, ohne dass das Bild des Spaltes eine definierte Unschärfe überschreitet. Diese
Unschärfe wird wie folgt definiert:
Zunächst wird die Kamera für jede Blende B in die Position gebracht, bei der das Spaltbild senkrecht in der
Bildmitte liegt und scharf erscheint (Abb. 16 oben). Bei optimaler Einstellung hat der Profilschnitt durch
das Spaltbild die kleinste Breite.
Ein gängiges Maß für die Definition der Breite einer Kurve, das auch hier verwendet wird, ist die sogenannte Halbwertsbreite (Full Width at Half Maximum, FWHM). Ist I max die Intensität im Maximum der
Kurve und I min die Intensität im Minimum, so ist die Halbwertsbreite die Breite der Kurve auf „halber
Höhe“, also bei der Intensität
(30)
I FWHM =I min + ( I max − I min ) / 2
I max und I min werden durch das Matlab-Skript in dem Bereich des Profilschnitts ermittelt, der durch die
beiden vertikalen Cursor (blau in Abb. 16) begrenzt wird. Beide Werte werden zur Orientierung im Feld
Output Data in [R, L] als Max und Min ausgegeben. Im selben Feld erfolgt auch die Ausgabe der
Halbwertsbreite als Zahlenwert (FWHM) 7. Zusätzlich wird die Halbwertsbreite als Linie im Diagramm
angezeigt (magenta Linie im Profilschnitt).
Anschließend wird die Kamera mithilfe des Verschiebetisches auf das Objekt zugeschoben und die Position
gesucht, bei der das Spaltbild eine definierte Unschärfe erreicht. Als Maß für diese Unschärfe dient eine
Verbreiterung der Halbwertsbreite des Spaltbildes im Profilschnitt gegenüber der Scharfstellung um z. B.
20 % (Abb. 17). Ist diese Unschärfe erreicht, wird die zugehörige Position b 1 des Verschiebetisches
abgelesen. Danach wird die Kamera vom Objekt weg bewegt und die Position b 2 gesucht, bei der die
gleiche Unschärfe erreicht wird. Aus diesen Daten wird die Größe
2 ∆ b = b2 − b1
berechnet. Schließlich wird 2∆b mit Fehlerbalken über 1/D aufgetragen und eine Ausgleichsgerade durch
die Messdaten gelegt. Das Ergebnis wird mit den theoretischen Erwartungen (Proportionalität ∆b ~ 1/D,
Gl. (19)) verglichen.
7
Bei der Messung ist zu berücksichtigen, dass das Ausgangssignal der Kamera verrauscht ist (Photonenrauschen
sowie thermisches und elektronisches Rauschen). Das führt dazu, dass die gemessenen Intensitäten und
Halbwertsbreiten auch ohne Änderung der Versuchsbedingungen schwanken. Beispielsweise ist eine Schwankung
der FWHM um ± 0,5 Pixel durchaus typisch.
153
Abb. 16: Scharfes Spaltbild (oben) und zugehöriger Profilschnitt durch die Bildmitte (unten) im Bereich
der Pixel 250 (Left) bis 390 (Rigth) der ausgewählten Zeile Nr. 240 (Line No.). Die
magenta Linie markiert die Halbwertsbreite des Spaltbildes (FWHM = 15,4 Pixel). Die vertikalen
(blauen) Cursor (Left 280, Right 360) markieren den Bereich [L, R], innerhalb dessen der
maximale (Max) und minimale (Min) Grauwert bestimmt wird. Die horizontalen (roten) Cursor
sind hier ohne Bedeutung.
Abb. 17: Unscharfes Spaltbild (oben) und zugehöriger Profilschnitt durch die Bildmitte (unten). Die Halbwertsbreite im Profilschnitt ist gegenüber der Scharfstellung auf den Wert FWHM = 18,7 Pixel
angestiegen.
154
3.2
Sehwinkelvergrößerung mit einem Fernrohr
Mit zwei Linsen (f 1 = (1000 ± 10) mm, f 2 = (100 ± 1) mm) wird auf einer Dreieckschiene ein Fernrohr
aufgebaut (Abb. 12).
Hinweis:
Um vernünftige Ergebnisse zu erzielen, müssen beide Linsen auf einer gemeinsamen optischen Achse
mittig ausgerichtet werden. Die dazu erforderliche Justierung der Linsen in ihren Halterungen wurde
von der technischen Assistenz vor Versuchsbeginn durchgeführt und darf nicht mehr verändert werden!
Die Linsen werden also in ihren Halterungen auf die Dreieckschiene aufgesetzt und dort nur noch an
die richtigen Positionen geschoben.
Mit dem Fernrohr wird ein Gegenstand in großer Entfernung betrachtet, dazu wird das Fernrohr durch das
Laborfenster nach draußen gerichtet 8. Der Sehwinkel mit und ohne Fernrohr wird gemessen, die Sehwinkelvergrößerung bestimmt und das Ergebnis mit dem nach Gl. (29) erwarteten Resultat verglichen.
Zur Bestimmung des Sehwinkels α 0 ohne Fernrohr wird der Gegenstand mit bloßem Auge angepeilt (s.
Abb. 18). Vom Versuchspartner/in werden an der etwa l = 3 m vom Auge entfernten Laborfensterscheibe
zwei Markierungen angebracht, die scheinbar den gleichen Abstand s 0 voneinander haben wie zwei markante Punkte P 1 und P 2 des Gegenstandes. Für den Sehwinkel α 0 gilt dann in guter Näherung:
l
P1
α0
P2
s0
Auge
Laborfenster
Abb. 18: Zur Messung des Sehwinkels. Die Markierungen am Laborfenster (rote Punkte) haben scheinbar
den gleichen Abstand s 0 voneinander wie die Punkte P 1 und P 2 des mit dem bloßen Auge
angepeilten Objektes.
(31)
α0 ≈
s0
l
Anschließend wird die gleiche Prozedur mit dem Fernrohr zur Bestimmung des Sehwinkels α 1 wiederholt.
Diesmal blickt man mit einem Auge durch das Fernrohr auf den Gegenstand und mit dem anderen am
Fernrohr vorbei auf die Laborfensterscheibe in der Entfernung l. Wieder werden zwei Markierungen auf
der Laborfensterscheibe angebracht, die diesmal scheinbar den gleichen Abstand s 1 voneinander haben wie
die beiden durch das Fernrohr betrachteten Punkte P 1 und P 2 . Für den Sehwinkel α 1 gilt dann:
(32)
α1 ≈
s1
l
Daraus folgt für die Sehwinkelvergrößerung M s :
8
Der Gegenstand ist eine Aluminiumschiene mit zwei Markierungen, die an einer dem Laborfenster gegenüber
liegenden Hauswand angebracht ist.
155
(33)
α 1 l s1 s1
≈
=
α 0 l s0 s0
Ms =
156
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Praktikum im Modul Physik I für Studierende der Umweltwissenschaften
Fourieranalyse
Stichworte:
FOURIERreihe (trigonometrische Reihe), FOURIERkoeffizienten, FOURIERanalyse (FOURIERzerlegung,
harmonische Analyse), Amplitudenspektrum, Phasenspektrum, lineare Systeme, Übertragungsfunktion,
Grund- und Oberschwingungen, EULERsche Formeln, Abtasttheorem
Literatur:
/1/ HÄNSEL, H., NEUMANN, W.: „Physik - Mechanik und Wärmelehre“, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg u.a.
/2/ BRACEWELL, R. N.: „The Fourier Transform and its Applications“, McGraw-Hill, London u.a. (für
Fortgeschrittene)
/3/ EICHLER, H. J., KRONFELDT, H.-D., SAHM, J.: „Das Neue Physikalische Grundpraktikum“, Springer-Verlag, Berlin u.a.
1
Einleitung
Die FOURIERanalyse (nach JEAN-BAPTISTE-JOSEPH DE FOURIER, Abb. 1) ist ein wichtiges Werkzeug im
Bereich der Signalanalyse und -verarbeitung. Mit ihrer Hilfe kann ausgerechnet werden, aus welchen
harmonischen Signalen 1 unterschiedlicher Amplitude, Frequenz und Phasenlage ein periodisches Signal
zusammengesetzt ist. Im Folgenden beschränken wir uns auf die Analyse sogenannter Zeitsignale. Das sind
Signale wie z.B. eine Spannung U(t) oder ein Strom I(t), die sich mit der Zeit t ändern. Formal lassen sich
die folgenden Überlegungen jedoch auch auf Signale übertragen, bei denen sich eine physikalische Größe
mit dem Ort ändert, wie etwa die Intensität I(x) von Licht längs der Ortskoordinate x.
Abb. 1: JEAN-BAPTISTE-JOSEPH DE FOURIER (1768-1830) 2
Wir wollen als Beispiel für eine Anwendung der FOURIERanalyse ihre Bedeutung in der Systemtheorie zur
Beschreibung des Verhaltens linearer Systeme herausgreifen. Die Theorie linearer Systeme hat in der
Physik eine große praktische Bedeutung. Mit ihr kann das Verhalten vieler physikalischer Systeme beschrieben werden, ohne im Einzelnen wissen zu müssen, wie diese Systeme im Inneren aufgebaut sind. Wir
behandeln diese Systeme als „Kästen“ unbekannten Inhalts („Black-Boxes“), von denen wir wissen, dass
sie auf ein bestimmtes Eingangssignal e(t) mit einem bestimmten Ausgangssignal E(t) antworten:
1
2
Mit harmonischen Signalen sind in diesem Text sinusförmige Signale gemeint.
Quelle: GELLERT, W. et al. [Eds.]: „Kleine Enzyklopädie Mathematik“, VEB Bibliographisches Institut, Leipzig,
1969
157
Eingang
→
e(t)
Ausgang
lineares System
→
E(t)
Lineare Systeme erfüllen die Bedingung der Linearität (daher der Name): Eine Summe von Eingangssignalen führt zu einer entsprechenden Summe von Ausgangssignalen:
Eingang
(1)
f (t ) = ∑ e j (t ) →
Ausgang
lineares System
→
j
F (t ) = ∑ E j (t )
j
Beispiele solcher linearer Systeme sind:
- in der Akustik:
- in der Optik:
- in der Elektrotechnik:
das System Mikrophon → Verstärker → Lautsprecher,
das System Objektiv → Bildaufnehmer,
das System Sender → Nachrichtenübertragungsstrecke → Empfänger.
Nach dem FOURIER-Theorem, auf das wir in Kap. 2 noch detailliert eingehen werden, kann ein periodisches
Signal, also auch ein periodisches Eingangssignal f(t) eines linearen Systems, durch eine unendliche
Summe harmonischer Signale h n (t) ( n ∈  \ {0} ) mit unterschiedlichen Kreisfrequenzen ω n dargestellt
werden, die sich in ihren Amplituden c n und Phasen φ n unterscheiden können, aber nicht müssen:
∞
(2)
∞
f (t ) =
c0 + ∑ hn (t ) =
c0 + ∑ cn sin( ωnt + φn )
(c 0 : Konstante 3)
n 1=
n 1
=
Harmonische Signale werden von linearen Systemen unverzerrt übertragen, d.h. sie ändern bei der Übertragung allenfalls ihre Amplitude und Phasenlage, nicht jedoch ihre Form. Wir treffen nun die Annahme,
dass wir wissen, wie ein System auf harmonische Eingangssignale unterschiedlicher Frequenz reagiert, dass
wir also zu jedem harmonischen Eingangssignal h n (t) die Amplitude und Phasenlage des zugehörigen
harmonischen Ausgangssignals H n (t) kennen.
Verändert das System die Amplituden aller harmonischen Eingangssignale unabhängig von ihrer Frequenz
in gleicher Weise (z.B. Verstärkung um den Faktor 2) und werden alle harmonischen Eingangssignale um
mπ ( m ∈  ) in der Phase verschoben, so haben wir es mit einem idealen System zu tun. Aus der Linearität
des Systems (Gl. (1)) folgt dann sofort, dass ein periodisches Eingangssignal f(t), das sich nach
dem FOURIER-Theorem in eine unendliche Summe harmonischer Signale zerlegen lässt 4, unverzerrt durch
das System übertragen wird. Das Ausgangssignal F(t) ist gegenüber dem Eingangssignal f(t) lediglich um
einen konstanten Faktor (z.B. 2) verstärkt worden, es hat jedoch seine Form beibehalten.
Reale Systeme verhalten sich in der Regel anders. Bei ihnen kommt es je nach Frequenz ω n eines harmonischen Eingangssignals zu unterschiedlichen Verstärkungen V(ω n ) und zu unterschiedlichen Phasenverschiebungen ∆φ(ω n ) und damit zu einer Verzerrung des Ausgangssignals F(t) gegenüber dem Eingangssignal f(t).
3
4
c0 stellt den zeitunabhängigen Gleichanteil von f(t) dar, der zum Informationsgehalt des Signals nichts beiträgt.
Bei Formulierungen dieser Art ist in diesem Text der Gleichanteil des Signals (c0 in Gl.(2)) immer mit
eingeschlossen.
158
V(ω n ) heißt Amplituden-Übertragungsfunktion oder Amplitudenspektrum oder Frequenzgang und ∆φ(ω n )
Phasen-Übertragungsfunktion oder Phasenspektrum des Systems. Beide Funktionen zusammen beschreiben das so genannte Frequenzverhalten realer Systeme.
Wir gehen nun entsprechend unserer obigen Annahme davon aus, dass dieses Frequenzverhalten für ein
von uns untersuchtes System bekannt ist. In der Praxis ist dies oft der Fall, z.B. weil der Hersteller des
Systems entsprechende Daten mitgeliefert hat. Abb. 2 zeigt beispielsweise die Amplituden-Übertragungsfunktion einer PC-Soundkarte. Ihr können wir entnehmen, dass die Karte nur im Frequenzbereich zwischen
etwa ν = 200 Hz und ν = 10 kHz gute Übertragungseigenschaften hat, weil sie dort harmonische Signale
unabhängig von ihrer Frequenz gleichmäßig verstärkt (V(ν) = const.). Außerhalb dieses Frequenzbereichs
werden die Ein- und Ausgangssignale dagegen frequenzabhängig gedämpft, was zwangsläufig zu einer
Signalverzerrung führt, falls das Eingangssignal f(t) harmonische Komponenten mit entsprechenden
Frequenzen enthält.
In Kenntnis des Frequenzverhaltens eines linearen Systems können wir für ein periodisches Eingangssignal
f(t) berechnen, wie das Ausgangssignal F(t) aussehen wird. Wir müssen dazu lediglich wissen, aus welchen
harmonischen Signalen h n (t) das Signal f(t) gemäß dem FOURIER-Theorem zusammengesetzt ist. Dann
können wir für jedes dieser Signale h n (t) unter Kenntnis von V(ω n ) und ∆φ(ω n ) das zugehörige
Ausgangssignal H n (t) angeben und anschließend die H n (t) zum Ausgangssignal F(t) aufaddieren.
Die hierfür erforderliche Berechnung der Parameter (Amplitude, Phase, Frequenz) der harmonischen
Signale, in die sich ein periodisches Signal zerlegen lässt, heißt FOURIERzerlegung oder FOURIERanalyse
oder harmonische Analyse und ist Gegenstand dieses Versuches.
10
10
V / dB
0
0
-10
-10
20
50
100 200
500
1k
2k
5k
10k 20k
ν / Hz
Abb. 2: Amplituden-Übertragungsfunktionen einer PC-Soundkarte (YAKUMO Soundcard 16 MCD);
blaue Kurve: für Wiedergabe, rote Kurve für Aufnahme. 5
5
Verstärkungen werden in der Messtechnik häufig in der logarithmischen Größe Dezibel (dB) angegeben. Eine
Verstärkung um x dB entspricht einer linearen Verstärkung um den Faktor 10x/20.
159
2
Theorie
Im Folgenden werden wir auf mathematische Beweise verzichten, die in der angegebenen Literatur nachgelesen werden können, und uns auf die Darstellung der für den Versuch benötigten Zusammenhänge
beschränken.
2.1
Fourierreihe und Fourierkoeffizienten
Nach dem bereits in der Einleitung erwähnten FOURIER-Theorem lässt sich ein periodisches Signal f(t) mit
der Periodendauer T durch einen Gleichanteil und eine unendliche Summe harmonischer Signale darstellen,
deren Kreisfrequenzen jeweils ganzzahlige Vielfache von ω 0 = 2π/T sind. Man nennt diese harmonischen
Signale mit den Kreisfrequenzen
(3)
=
n ω0 : ωn ; n ∈  \ {0}
Oberschwingungen zur Grundschwingung mit der Grundkreisfrequenz ω 0 und bezeichnet die Summendarstellung als trigonometrische Reihe oder FOURIERreihe. Sie ist gegeben durch:
∞
(4)
f (t ) =
c0 + ∑  an cos ( nω0t ) + bn sin ( nω0t ) 
n= 1
Die Größen c 0 , a n = a(nω 0 ) und b n = b(nω 0 ) heißen FOURIERkonstanten oder FOURIERkoeffizienten. Ihre
Bestimmung ist Gegenstand der FOURIERanalyse. Man findet nach kurzer Rechnung (s. z.B. /1/), dass sie
sich aus dem Signal f(t) wie folgt berechnen lassen:
(5)
c0 =
1
T
T
2
∫T f ( t ) dt
−
2
T
2
(6)
an
2
f (t ) cos ( nω0t ) dt n 1, 2, 3, ...
=
T ∫T
−
2
T
2
(7)
bn
2
f (t )sin ( nω0t ) dt n 1, 2, 3, ...
=
T ∫T
−
2
Die Konstante c 0 ist der Mittelwert (Gleichanteil) des Signals f(t). Stellt f(t) z.B. eine zeitlich oszillierende
Spannung U(t) dar, entspricht c 0 dem Gleichspannungsanteil (DC-Anteil) des Signals.
Die Darstellung der FOURIERreihe gem. Gl. (4) lässt sich vereinfachen, wenn man folgenden Zusammenhang benutzt:
(8)
mit
an cos ( nω0t ) + bn sin ( nω0t ) =cn sin( nω0t + φn )
160
=
cn
(9)
an2 + bn2
und
(10)
 an 

 bn 
φn = arctan 
Damit wird aus Gl. (4) die so genannte spektrale Darstellung der FOURIERreihe:
∞
(11)
f (t ) =
c0 + ∑ cn sin( n ω 0 t + φ n )
n= 1
Ein periodisches Signal f(t) kann somit nach seiner FOURIERanalyse durch die Größen
(12)
c0
: Gleichanteil (Mittelwert des Signals f(t), s. Gl. (5))
c n = c n (nω 0 ) : Amplitudenspektrum
φ n = φ n (nω0 ) : Phasenspektrum
beschrieben werden. 6
Abb. 3: Oben (rot): anharmonisches, aber periodisches Signal f(t) mit der Periode T = 1 (in beliebigen
Einheiten) mit seinen harmonischen Komponenten h 1 (t) (Mitte, blau) und h 2 (t) (unten, blau).
Zwei Beispiele sollen die Verhältnisse verdeutlichen.
6
Die grafische Darstellung von cn über ωn heißt Amplitudenspektrum. Die grafische Darstellung von an über ωn
heißt Kosinusspektrum; die Darstellung von bn über ωn heißt Sinusspektrum.
161
Das erste Beispiel zeigt einen recht einfachen Fall. In Abb. 3 ist oben ein anharmonisches, aber periodisches
Signal f(t) = h 1 (t) + h 2 (t) mit der Periodendauer T = 1 (in beliebigen Einheiten) dargestellt. Es ist
zusammengesetzt aus den beiden darunter abgebildeten harmonischen Signalen: der Grundschwingung
h 1 (t) mit der Amplitude c 1 = 0,5 (in beliebigen Einheiten), der Kreisfrequenz ω 1 = 1×ω 0 = 2π/T und der
Phase φ 1 = π sowie der ersten Oberschwingung h 2 (t) mit der gleichen Amplitude c 2 = 0,5, der Kreisfrequenz ω 2 = 2×ω 0 und der Phase φ 2 = π/2. Eine FOURIERanalyse des Signals f(t) würde demnach liefern:
Gleichanteil:
c0
Amplitudenspektrum: c 1 = c 1 (ω 0 )
c 2 = c 2 (2ω 0 )
c m = c m (mω 0 )
Phasenspektrum:
φ 1 = φ 1 (ω 0 )
φ 2 = φ 2 (2ω0 )
φ m = φ m (mω 0 )
=0
= 0,5
= 0,5
=0
=π
= π/2
=0
∀m≥3
∀m≥3
Das Amplituden- und das Phasenspektrum, also c n (ω n ) und φ n (ω n ), sind in Abb. 4 dargestellt.
φn
π
π/2
cn
0,5
ω0 2ω0 3ω0 4ω0 ωn
ω0 2ω0 3ω0 4ω0 ωn
Abb. 4: Amplitudenspektrum (links) und Phasenspektrum (rechts) des in Abb. 3 oben dargestellten
Signals. In solchen Diagrammen werden üblicherweise statt Datenpunkten senkrechte Spektrallinien gezeichnet, die von der Abszisse bis zum jeweiligen Ordinatenwert reichen.
Deutlich komplexer ist die in Abb. 5 dargestellte Situation. Oben links ist ein anharmonisches, aber periodisches Signal f(t) mit der Periodendauer T = 1 (in beliebigen Einheiten) gezeigt, rechts daneben die
Grundschwingung mit der Kreisfrequenz ω 1 = 1ω 0 = 2π/T sowie darunter vier Oberschwingungen mit den
Kreisfrequenzen ω n = nω 0 , n = 2, 3, 4, 5, die alle unterschiedliche Amplituden und Phasenlagen haben.
Eine FOURIERanalyse würde hier den Gleichanteil c 0 = 0 sowie fünf Werte c n für das Amplitudenspektrum
und fünf Werte φ n für das Phasenspektrum liefern.
Frage 1:
- Versuchen Sie der Abb. 5 auf grafischem Wege die nötigen Daten zu entnehmen, um das Amplitudenund Phasenspektrum analog zu Abb. 4 zu skizzieren. Kontrollieren Sie mit Hilfe von Matlab, ob Ihre
Analyse richtig ist.
162
Abb. 5: Anharmonisches, periodisches Signal f(t) (oben links, rot) mit seinen fünf harmonischen Komponenten (oben rechts sowie Mitte und unten, blau). Abszisse: t, Ordinate: f(t) bzw. h n (t),
Periodendauer T = 1 (t und f(t) in beliebigen Einheiten)
2.2
Abtastung und Abtasttheorem
Wir wissen nun, wie man die FOURIERkoeffizienten a 0 , a n und b n und daraus die Größen c 0 , c n und φ n ,
also das Amplituden- und Phasenspektrum für periodische Signale f(t) berechnen kann. In der Praxis tritt
an dieser Stelle ein Problem auf: Bei den zu untersuchenden Signalen handelt es sich in der Regel nicht um
analytisch bekannte Signale, sondern um Messsignale mit kompliziertem zeitlichen Verlauf, die z.B. mit
einer Messwerterfassungskarte in einem Computer aufgezeichnet wurden. Solche Aufzeichnungsverfahren
liefern zu den äquidistanten Zeitpunkten t i (Zeitabstand ∆t) diskrete Funktionswerte y i = f(t i ). Man spricht
dann auch davon, dass das Signal f(t) mit der Abtastkreisfrequenz ω a = 2π/∆t an den Stellen t i abgetastet
wurde. Die FOURIERanalyse eines so abgetasteten Signals lässt sich natürlich nur näherungsweise
durchführen - denn auch das Signal selber ist ja nur näherungsweise (nämlich nur an den Stellen t i ) bekannt.
Wie eine FOURIERanalyse in einem solchen Fall durchgeführt wird, soll im Folgenden dargestellt werden.
Nehmen wir an, von dem Signal f(t) lägen 2m Messwerte (Abtastwerte) y i (i = 0, 1,..., 2m-1) zu den äquidistanten Zeitpunkten t i vor. Dann erhalten wir für die FOURIERkoeffizienten:
(13)
c0 =
1 2m− 1
∑ yi
2m i = 0
(14)
an =
1
m
2m− 1
∑
i= 0
 2π n i 
yi cos 
 n = 1, 2,..., m
 2m 
163
(15)
1
bn =
m
2m− 1
∑
i= 0
 2π n i 
yi sin 

 2m 
n = 1, 2,..., m-1
Aus 2m unabhängigen Funktionswerten gewinnen wir demnach m Koeffizienten a n , (m - 1) Koeffizienten
b n und eine Konstante c 0 , zusammen also m + (m - 1) + 1 = 2m unabhängige FOURIERkoeffizienten. Dies
ist vom Standpunkt des Informationsgehalts her auch verständlich: durch bloße Rechnung geht weder Informationsgehalt verloren, noch kommt neuer hinzu.
Die Frage, wie viel Funktionswerte man mindestens benötigt, um mit Hilfe der Gl. (13) - (15) die Kreisfrequenz ω s einer im Signal f(t) enthaltenen harmonischen Schwingung sicher bestimmen zu können, klärt
das so genannte Abtasttheorem (Samplingtheorem, SHANNON-Theorem 7). Es besagt, dass eine
Kreisfrequenz ω s dann noch sicher detektiert werden kann, wenn für die Abtastkreisfrequenz ω a gilt:
(16)
ωa > 2 ωs
Abtasttheorem
Mit anderen Worten: Die Kreisfrequenz ω s eines harmonischen Signals kann nur dann sicher bestimmt
werden, wenn für das Signal mehr als 2 Abtastwerte pro Periode vorliegen. Wird die Bedingung aus der
Ungleichung (16) verletzt, wird ein Signal mit der Kreisfrequenz ω s also „unterabgetastet“, so kommt es
zu falschen Resultaten (Aliasing-Effekten). Die FOURIERanalyse liefert in diesem Fall die falsche Kreisfrequenz ω f :
(17)
ω=
ωa −ωs
f
Das Signal mit der Kreisfrequenz ω s taucht demnach im Amplitudenspektrum unter dem „falschem
Namen“ ω f auf, daher die Bezeichnung „Alias“. Für ωs ≤ ωa ≤ 2ωs erscheint es im Spektrum gespiegelt
an der Achse ω = ω a /2.
Ist die Abtastkreisfrequenz ω a vorgegeben, so kann ein harmonisches Signal gem. Gl. (16) nur dann richtig
abgetastet werden, wenn für seine Kreisfrequenz gilt:
(18)
ωs <
ωa
2
Die Kreisfrequenz ω a /2 heißt NYQUIST-Frequenz 8.
Bei Einhaltung des Abtasttheorems bestimmt die Länge 2 m ∆t des Zeitintervalls, über das das Messsignal
abgetastet wurde, die Frequenzauflösung ∆f, d.h. die Genauigkeit, mit der Signalfrequenzen bestimmt
werden können:
(19)
∆f 
1
2 m ∆t
Dieser Aspekt der FOURIERanalyse kann jedoch im Basispraktikum nicht weiter vertieft werden.
7
8
CLAUDE ELWOOD SHANNON (1916 - 2001).
HARRY NYQUIST (1889 - 1976).
164
2.3
Praktische Hinweise
Die Berechnungen der FOURIERkoeffizienten bzw. des Amplituden- und Phasenspektrums sind recht aufwändig. Heute können sie jedoch selbst von Personal Computern sehr schnell durchgeführt werden und im
Falle großer Datenmengen lässt sich die Berechnung durch Einsatz spezieller Prozessoren noch
beschleunigen.
Es ist noch gar nicht so lange her, dass hier mühsame Handarbeit geleistet werden musste. So findet man
in einem Mathematikhandbuch aus dem Jahr 1969 den Hinweis (GELLERT, W. u.a. [Hrsg.]: „Kleine Enzyklopädie Mathematik“, VEB Bibliographisches Institut, Leipzig, 1969):
„Ein geübter Rechner braucht bei Benutzung einer elektrischen Rechenmaschine und unter Verwendung
spezieller Rechenschemata zur Durchführung dieser harmonischen Analyse mit 12 Punkten etwa 1/2
Stunde, mit 24 Punkten etwa 2 Stunden, mit 36 Punkten etwa 6 Stunden und mit 72 Punkten etwa 16
Stunden... Eine mittelschnelle elektronische Rechenmaschine bewältigt die Rechnung für 36 Punkte in
etwa 2 Minuten. Die Zeit, die erforderlich ist, um das Ergebnis auszudrucken, ist meist länger als die
Rechenzeit.“
Im vorliegenden Praktikumsversuch wird die FOURIERanalyse mit einigen 100 bis einigen 1000 Punkten
durchgeführt. Halten Sie sich also schon mal die Semesterferien frei - oder setzen Sie den bereitstehenden
PC ein, dann werden Sie ohne Probleme an einem Nachmittag fertig!
In der Praxis ist man häufig nur daran interessiert zu erfahren, welche Amplituden die harmonischen Signale
haben, die in einem periodischen Messsignal enthalten sind. Die Phasenlage der einzelnen Beiträge ist
oftmals unwichtig. Mit anderen Worten: das Amplitudenspektrum ist meistens von erheblich größerer
praktischer Bedeutung als das Phasenspektrum. Auch bei den durchzuführenden Versuchen werden wir uns
deshalb auf die Interpretation der Amplitudenspektren beschränken.
Hat man ein nicht-periodisches Signal f(t) vorliegen, das nur in einem Zeitintervall der Länge τ definiert ist
(z.B. ein Spannungsimpuls aus einem Fotodetektor), so kann man sich das Signal formal links und rechts
des Intervalls periodisch fortgesetzt denken (mit der „Periode“τ) und es ebenfalls mit einer FOURIERreihe
darstellen. Zwar werden durch eine so berechnete FOURIERreihe gem. Gl. (4) auch Funktionswerte
außerhalb des Definitionsintervalls τ dargestellt, diese können jedoch für die weiteren Betrachtungen
einfach ignoriert werden.
3
Versuchsdurchführung
Zubehör:
Digital-Oszilloskop, PC mit Messwerterfassungskarte (NATIONAL INSTRUMENTS 6014 PCI oder 6221
PCI) und zugehörigem BNC-Adapter (NATIONAL INSTRUMENTS BNC-2120), 2 Funktionsgeneratoren
(TOELLNER 7401 und AGILENT 33120A / 33220A), Additionsverstärker, Fotodiode mit integriertem
Verstärker und Lochblende (Durchmesser 1 mm), AC-Filter für Fotodiode, Glühlampe und Leuchtstofflampe in lichtdichtem Kasten, Mikrophon mit Vorverstärker, Stimmgabel, Netzgerät (PHYWE
(0 - 15 / 0 - 30) V).
3.1
Allgemeine Hinweise
3.1.1
Inbetriebnahme der Messwerterfassungskarte
Die Eingangs-Wahl-Schalter auf der Steckplatine der Messwerterfassungskarte müssen auf FS (Floating
Source) stehen. Der Anschluss der Signalquellen (Funktionsgenerator, Mikrophonverstärker usw.) erfolgt
grundsätzlich nur an die BNC-Buchse des Eingangskanals 0 (ACH 0 bzw. AI 0); der Schiebeschalter über
der BNC-Buchse von ACH 0 bzw. AI 0 muss auf BNC stehen.
165
3.1.2
Eingangsspannungsbereich der Messwerterfassungskarte
Der maximale Eingangsspannungsbereich der Messwerterfassungskarte beträgt ± 10 V; er darf nicht überschritten werden. Zur Kontrolle werden deshalb alle Eingangssignale der Messwerterfassungskarte
gleichzeitig am Oszilloskop dargestellt.
3.1.3
Software
Die folgenden Versuche werden mit Hilfe der MATLAB-Skripte Fourieranalyse.m bzw. Rekonstruktion.m durchgeführt (Skripte verfügbar unter Q:). Die Skripte melden sich mit selbsterklärenden
Fenstern. Textausgaben der Skripte, wie z.B. Tabellen mit Amplituden und Frequenzen von FOURIERkomponenten, erscheinen im Command Window. Sie können dort markiert und per „Copy and Paste“ in
andere Anwendungen übernommen werden (z. B. Word, Notepad-Editor u.a.).
3.1.4
Ausdruck und Speicherung von Grafiken
Die erzeugten Grafiken (Matlab Figures) können über → File → Print auf dem Drucker im
Basispraktikum ausgedruckt werden. Über → File → Save as kann eine Speicherung in verschiedenen
gängigen Grafikformaten erfolgen.
Details von Grafiken können mit Hilfe der Zoom-Funktion im Figure-Fenster vergrößert werden.
3.2
Abtasttheorem
Mit Hilfe des AGILENT-Funktionsgenerators wird ein sinusförmiges Zeitsignal U(t) ohne DC-Anteil mit
einer Frequenz von 140 Hz und einer Amplitude von 4 V erzeugt (Kontrolle der Einstellungen am Oszilloskop) und an den Eingang ACH 0 bzw. AI 0 der Messwerterfassungskarte gelegt. Mit Hilfe des Programms Fourieranalyse werden bei Abtastfrequenzen von (1.000, 500, 300, 200, 150, 120) Hz jeweils
1.000 Abtastwerte eingelesen und FOURIERanalysiert. Die Ergebnisse (Zeitsignale und Amplitudenspektren) werden ausgedruckt bzw. gespeichert.
Frage 2:
- Wie lassen sich die Ergebnisse unter Berücksichtigung von Gl. (16) bis (18) interpretieren?
3.3
Spektren der Signale eines Fotodetektors
Beim Praktikumsversuch zum Oszilloskop haben wir gesehen, dass der zeitliche Verlauf der Lichtintensität
einer am normalen Stromnetz betriebenen Glühlampe anders aussieht, als der Lichtintensitätsverlauf für
eine Leuchtstofflampe. Diesen qualitativen Befund wollen wir nun quantitativ untersuchen. Dazu wird eine
Fotodiode zunächst mit dem Licht einer mit Netzspannung betriebenen Glühlampe und anschließend mit
dem Licht einer ebenfalls mit Netzspannung betriebenen Leuchtstofflampe beleuchtet. Durch eine passende
Lochblende vor der Fotodiode wird verhindert, dass das Ausgangssignal des Fotodiodenverstärkers
(Zeitsignal U(t)) übersteuert. Mit Hilfe des bereitliegenden AC-Filters wird der Gleichspannungsanteil aus
dem jeweiligen Signal herausgefiltert (Kontrolle am Oszilloskop) und das Signal anschließend an den
Eingang ACH 0 bzw. AI 0 der Messwerterfassungskarte gelegt. Mit Hilfe des Programms Fourieranalyse werden von beiden Signalen bei einer Abtastfrequenz von 5 kHz jeweils 5.000 Abtastwerte eingelesen und FOURIERanalysiert. Die Ergebnisse (Zeitsignale und Amplitudenspektren) werden
ausgedruckt bzw. gespeichert.
Frage 3:
- Worin unterscheiden sich die Zeitsignale, worin ihre Amplitudenspektren? (Angaben über die absoluten
Amplituden der spektralen Anteile sind nicht von Bedeutung.)
166
3.4
Spektren von mit einem Mikrophon aufgezeichneten Schallwellen
Zunächst soll die Grundfrequenz einer Stimmgabelschwingung ermittelt werden. Dazu wird die Stimmgabel angeschlagen und die von ihr erzeugte Schallwelle mit Hilfe eines Mikrophons aufgezeichnet, indem
das untere Ende der Stimmgabel auf das Mikrophon aufgesetzt wird. Das Ausgangssignal des Mikrophons
wird mit dem bereitliegenden Verstärker verstärkt und dessen Ausgangssignal (Zeitsignal U(t)) an den
Eingang ACH 0 bzw. AI 0 der Messwerterfassungskarte gelegt. Mit Hilfe des Programms
Fourieranalyse werden bei einer Abtastfrequenz von 5 kHz 10.000 Abtastwerte eingelesen
und FOURIERanalysiert. Das Ergebnis (Zeitsignal und Amplitudenspektrum) wird ausgedruckt bzw. gespeichert.
Frage 4:
- Entspricht das Amplitudenspektrum den musikalischen Erwartungen?
Im zweiten Schritt wird versucht, den von der Stimmgabel erzeugten Ton (das a’) zunächst nachzusingen
und anschließend nachzusummen. Für beide Fälle sollen die akustischen Signale mit dem Mikrophon
aufgezeichnet werden und anschließend eine Auswertung wie bei der Stimmgabelschwingung erfolgen.
Frage 5:
- Worin unterscheiden sich die Ergebnisse von denen der Stimmgabelschwingung?
3.5
Spektrum eines Rechtecksignals, Gibbssches Phänomen
Das Rechtecksignal eines Funktionsgenerators (Zeitsignal U(t); Amplitude 4 V, Frequenz 50 Hz, kein DCAnteil) wird an den Eingang ACH 0 bzw. AI 0 der Messwerterfassungskarte gelegt. Mit Hilfe des Programms Rekonstruktion werden bei einer Abtastfrequenz von 10 kHz 10.000 Abtastwerte eingelesen
und FOURIERanalysiert. Das Ergebnis (Zeitsignal und Amplitudenspektrum) wird ausgedruckt bzw.
gespeichert und der Verlauf des Amplitudenspektrums wird mit den theoretischen Erwartungen verglichen.
Zu diesem Vergleich gehört auch eine tabellarische Gegenüberstellung der erwarteten und gemessenen
Amplitudenverhältnisse für die 10 Spektralkomponenten mit den größten Amplituden.
Hinweis:
Darstellungen der FOURIERanalyse eines Rechtecksignals finden sich in nahezu jedem Physiklehrbuch
oder z.B. im „Taschenbuch der Mathematik“ oder in den Online-Nachschlagwerken von WOLFRAM
RESEARCH (siehe http://www.uni-oldenburg.de/physik/lehre/praktika/literatur/). Die für den Vergleich
benötigten Messdaten werden im Command-Fenster von Matlab ausgegeben und können von dort in
eine eigene Anwendung kopiert werden.
Anschließend wird das Zeitsignal durch schrittweise Addition seiner FOURIERkomponenten rekonstruiert
(FOURIERsynthese). Auf diese Weise kann anschaulich gezeigt werden, wie das ursprüngliche Rechtecksignal Stück für Stück aus seinen FOURIERkomponenten zusammengesetzt werden kann, wenn bei der
Rekonstruktion immer mehr Oberschwingungen zur Grundschwingung hinzuaddiert werden. Das Ergebnis
der Rekonstruktion wird ausgedruckt bzw. gespeichert.
Bei der Betrachtung des rekonstruierten Rechtecksignals wird auffallen, dass es zu Über- und Unterschwingern kommt. Dieser Effekt heißt GIBBSsches Phänomen 9. Es tritt immer dann auf, wenn das eingelesene Signal eine Unstetigkeit aufweist, wie das Rechtecksignal an den Stellen des Übergangs vom unteren
zum oberen bzw. vom oberen zum unteren Signalpegel (s. Abb. 6). Die Überschwinger selbst
heißen GIBBSsche Höcker oder GIBBSsche Überschwinger. Je größer die Zahl N der Oberschwingungen
ist, die zur Synthese des Rechtecksignals verwendet werden, desto enger rücken die Extrema der Über- und
Unterschwinger zusammen, ihre Amplituden bleiben für große N jedoch gleich. Eine genaue, aber
9
JOSIAH WILLARD GIBBS (1839 - 1903)
167
aufwändige Rechnung ergibt, dass der größte Überschwinger eine Höhe von ca. 9 % der Amplitude des
Rechtecksignals hat, während die Höhe des größten Unterschwingers etwa 4,8 % der Amplitude beträgt.
Abb. 6: GIBBSsches Phänomen bei der FOURIERsynthese eines Rechtecksignals mit einer Amplitude von
1 V und einer Periodendauer von 2 s. Links N = 50, rechts N = 100.
3.6
Spektrum eines Sägezahnsignals und eines Dreiecksignals
Der unter Kap. 3.5 beschriebene Versuch wird mit einem Sägezahnsignal und anschließend mit einem
Dreiecksignal wiederholt (Amplitude der Signale jeweils 4 V, Frequenz 50 Hz, kein DC-Anteil; Abtastfrequenz 10 kHz, 10.000 Abtastwerte). Das Zeitsignal und das Amplitudenspektrum werden jeweils
ausgedruckt bzw. gespeichert und der Verlauf der Amplitudenspektren mit den theoretischen Erwartungen
verglichen. Darstellungen der Fourieranalyse beider Signale findet man ebenfalls in den unter Kap. 3.5
genannten Quellen.
Abschließend werden beide Signale aus ihren Spektren rekonstruiert, die Ergebnisse der Rekonstruktion
werden ausgedruckt bzw. gespeichert.
Frage 6:
- Bei welchem der Signale macht sich das GIBBSsche Phänomen bemerkbar und warum?
168
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Praktikum im Modul Physik I für Studierende der Umweltwissenschaften
Messung von Magnetfeldern
Stichworte:
Magnetfeld, magnetische Feldstärke, magnetischer Fluss, magnetische Induktion, Induktionsspannung,
magnetisches Moment, BIOT-SAVART-Gesetz, HELMHOLTZ-Spulen, Anti-HELMHOLTZ-Spulen
(MAXWELL-Spulen)
Messprogramm:
Homogenität des Magnetfeldes in HELMHOLTZ-Spulen, linear variierendes Magnetfeld in
Anti-HELMHOLTZ-Spulen, Horizontalkomponente des örtlichen Magnetfeldes, stationäres Magnetfeld
eines Hufeisenmagneten mit rotierenden Induktionsspulen.
Literatur:
/1/ DEMTRÖDER, W.: „Experimentalphysik 2: Elektrizität und Optik“, Springer, Berlin u.a.
/2/ TIPLER, P. A.: „Physik“, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg u. a.
1
Einleitung
Die Messung von magnetischen Feldstärken ist Gegenstand dieses Versuches. Wir werden uns auf zwei
einfache Messmethoden beschränken. Die eine Methode nutzt die Tatsache aus, dass ein magnetisierter
Körper, z. B. eine Magnetnadel, der mit beliebiger Orientierung in ein Magnetfeld eingebracht wird, in
diesem Feld ein Drehmoment erfährt. Die andere Methode benutzt die Tatsache, dass eine Änderung des
magnetischen Flusses in einer in das Magnetfeld eingebrachten Spule eine Spannung induziert. Nach
diesem Prinzip wurde beispielsweise bis in die 90er Jahre die auf Computer-Festplatten gespeicherte
Information ausgelesen. Heute arbeiten nur noch die Schreibköpfe der Festplatten induktiv, während für
das Auslesen der magneto-resistive Effekt genutzt wird, d. h. die Änderung des elektrischen Widerstandes
dünner magnetischer Schichten in Abhängigkeit von der Orientierung eines äußeren Magnetfeldes. Für die
Entdeckung dieses Effektes 1 erhielt PETER GRÜNBERG vom Forschungszentrum Jülich zusammen mit dem
Franzosen ALBERT FERT im Jahre 2007 den Nobelpreis für Physik.
Die Magnetfeldmessung mit einer HALL-Sonde wird in diesem Versuch nicht behandelt.
Eine Vorbemerkung zur Nomenklatur. Wer in den gängigen physikalischen Lehrbüchern zum Stichwort
Magnetfeld nachliest, wird feststellen, dass für die Bezeichnung von Magnetfeldern die Vektorgrößen B
und H verwendet werden. In der älteren Literatur heißt H magnetisches Feld und B magnetische Induktion
oder magnetische Flussdichte (zum Zusammenhang beider Größen s.u.). In neueren Lehrbüchern, wie z.
B. /1/ und /2/, wird B als magnetische Feldstärke oder Magnetfeld bezeichnet und H als magnetische
Erregung. Wir werden uns diesem Sprachgebrauch anschließen.
2
Theorie
An jedem Punkt der Erde herrscht ein bestimmtes Erdmagnetfeld (Abb. 1), das nach heutiger Erkenntnis
auf Konvektionsströme von Eisen im flüssigen Teil des Erdkerns („äußerer Kern“ in einer Tiefe zwischen
ca. 2.000 km und 5.000 km) zurückzuführen ist, die von der Schwerkraft angetrieben werden und wie ein
„Geodynamo“ wirken 2. Dieses Magnetfeld lässt sich nur im Freien, fernab von störenden Bebauungen usw.
messen. Innerhalb von Gebäuden wird dieses Magnetfeld teilweise abgeschirmt, teilweise überlagert durch
1
2
Der Effekt heißt Riesenmagnetowiderstandseffekt oder GMR-Effekt (vom Englischen: Giant Magnetoresistance).
Der Name rührt daher, dass die Widerstandsänderung bis zu 50 % betragen kann, also „riesengroß“ ist.
siehe z. B. CHRISTENSEN, U.; TILGNER, A.: Physik Journal 1.10(2002)41-47 und STEINLE-NEUMANN, G.: Physik
Journal 7.11(2008)27-32
169
Magnetfelder, die in dem Gebäude durch magnetisierte Materialien, elektrische Geräte usw. erzeugt
werden. Betrag und Richtung dieser Magnetfelder sind oft lokal so unterschiedlich, dass selbst innerhalb
eines Labors recht verschiedene resultierende Felder auftreten können.
Wir werden für die folgenden Überlegungen diese örtlichen Magnetfelder immer dann außer Betracht
lassen, wenn die Stärke eines zusätzlich erzeugten Magnetfeldes groß gegenüber der Stärke des örtlichen
Feldes ist.
Abb. 1: Stärke des Erdmagnetfeldes B im Jahre 2000 (Quelle: NASA Planetary Geodynamics Laboratory)
2.1
Erzeugung homogener Magnetfelder
Zur Erzeugung von Magnetfeldern stehen zwei einfache Methoden zur Verfügung. Zum einen können wir
ein Magnetfeld mithilfe eines vorher magnetisierten Körpers, z. B. eines Hufeisen- oder Stabmagneten an
einer bestimmten Stelle erzeugen. („Erzeugen“ bedeutet hier: Wir bringen das immer vorhandene Feld des
Magneten an den gewünschten Ort.) Die andere Methode besteht in der Erzeugung von Magnetfeldern
durch stromdurchflossene Leiter.
2.1.1 Magnetfeld eines stromdurchflossenen Leiters
Zur Berechnung des Magnetfeldes an einem Punkt P in der Umgebung eines dünnen stromdurchflossenen
Leiters betrachten wir Abb. 2. Jedes vom Strom I durchflossene Teilstück ds des Leiters erzeugt an P, der
sich im Abstand r von ds befindet, ein Magnetfeldelement dB, für das nach dem BIOT-SAVART-Gesetz gilt:
(1)
dB ( r ) =
µ 0 r × ds
I
4π
r3
Dabei ist µ 0 die international festgelegte magnetische Feldkonstante:
(2)
µ=
4π ⋅10−7
0
Vs
Am
170
I
ds
r
dB
P
Abb. 2: Zum BIOT-SAVART-Gesetz.
Die Einheit der magnetischen Feldstärke B ist nach Gl. (1) und (2):
(3)
B]
[=
Vs
= T
m2
mit 1 T = 1 TESLA
Früher war auch die Einheit GAUß (G) gebräuchlich: 1 T = 104 G.
3
B und H hängen in isotropen Materialien über die Beziehung
(4)
=
B µ=
H µ0 µ r H
zusammen, wobei µ die Permeabilität und µ r die materialabhängige relative Permeabilität ist. Sie ist für
diamagnetische Stoffe wie z. B. Wasser etwas kleiner als 1 (µ r < 1) und für paramagnetische Stoffe wie z.
B. Luft etwas größer als 1 (µ r > 1). Für ferromagnetische Stoffe kann µ r sehr große Werte annehmen
(µ r » 1): z. B. Eisen bis zu 10.000, Mu-Metall 4 zur Abschirmung magnetischer Felder bis zu 100.000.
Gemäß Gl. (3) und (4) ist die Einheit der magnetischen Erregung H:
(5)
[H] =
A
m
2.1.2 Magnetfeld eines stromdurchflossenen kreisförmigen Leiters
Wir wollen nun gem. Abb. 3 den Spezialfall eines stromdurchflossenen kreisförmigen Leiters S vom Radius
R betrachten und das Magnetfeld berechnen, das an einem Punkt P auf der z-Achse entsteht, die durch den
Kreismittelpunkt geht und senkrecht auf der Kreisfläche steht. Dazu müssen wir alle Magnetfeldelemente
dB aufintegrieren, die an P durch die vom gleichen Strom I durchflossenen Leiterelemente ds erzeugt
werden. Aus Gl. (1) folgt für B:
3
4
Einige Angaben zur Größenordnung und zu Grenzwerten: Das Erdmagnetfeld hat in unseren geografischen Breiten
eine Stärke von ca. 50 µT (vgl. Abb. 1; Horizontalkomponente ca. 20 µT). Um möglichen Gesundheitsgefahren
durch magnetische und elektrische Wechselfelder („Elektrosmog“) vorzubeugen, gelten nach der 26. Verordnung
zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (26. BImSchV) folgende Grenzwerte bei dauerhafter
Exposition durch niederfrequente magnetische (B) und elektrische (E) Felder (Effektivwerte): B = 100 µT und
E = 5 kV/m bei 50 Hz (gewöhnliches Stromnetz) sowie B = 300 µT und E = 10 kV/m bei 16⅔ Hz
(Bahnstromanlagen). Für hochfrequente Felder, die z. B. im Bereich des Mobilfunks maßgeblich sind (Frequenz
im Bereich von ca. (1 - 2) GHz), sind ebenfalls Grenzwerte festgelegt. Näheres dazu auf den Internetseiten des
Bundesamtes für Strahlenschutz: http://www.bfs.de/de/elektro/hff.
Mu-Metall ist eine Ni-Fe-Legierung mit Spuren anderer Metalle, z.B. 76 % Ni, 17 % Fe, 5 % Cu und 2 % Co.
171
(6)
B=
µ0
4π
I
∫
S
r × ds
r3
ds
r
dB
R
α
0
P
z
S
Abb. 3: Zur Magnetfeldberechnung für eine Kreisspule.
Jedes Feldelement dB steht senkrecht auf ds und r und bildet mit der z-Achse gem. Abb. 3 den Winkel α.
Wir können jedes Element in eine Komponente in z-Richtung und eine Komponente senkrecht dazu
zerlegen. Da es zu jedem Leiterelement ds ein entgegengesetzt gerichtetes Leiterelement - ds gibt, folgt
sofort, dass alle zur z-Richtung senkrechten Komponenten sich gegenseitig aufheben. Was bleibt, sind
resultierende Magnetfeldelemente parallel zur z-Richtung, deren Beträge gem. Abb. 3 gegeben sind durch:
B cos α dB
dBz d=
(7) =
R
r
Mit r ⊥ ds gilt
(8)
r × ds =
r ds
und somit für die z-Komponente von B nach Gl. (6) bis (8):
(9)
Bz =
µ0 R
I
4π r 3
∫ ds
S
Mit
(10)
∫ ds = 2πR
S
und
(11)
2
r=
R2 + z 2
erhalten wir schließlich für das resultierende Feld am Punkt P:
(12)
Bz= B=
µ0
2
IR
2
(R
2
+z
2
)
−
3
2
172
2.1.3 Homogenes Magnetfeld zwischen zwei HELMHOLTZ-Spulen
Wir wollen nun betrachten, wie das Magnetfeld zwischen zwei gleichen Spulen vom Radius R aussieht, die
vom gleichen Strom I in gleicher Richtung durchflossen werden und im Abstand d voneinander aufgestellt
sind (Abb. 4). Wir betrachten dazu das Magnetfeld im Mittelpunkt der Anordnung, für den wir z = 0 wählen.
Insbesondere interessiert uns die Frage, ob es einen Abstand d gibt, bei dem das Magnetfeld in der Umgebung dieses Punktes homogen ist. Zur Untersuchung auf Homogenität betrachten wir die Änderung des
Magnetfeldes B mit dem Ort z. Da diese Änderung durch die Ableitung von B nach z beschrieben wird,
schreiben wir für das Feld einer Spule den allgemeinen Ansatz einer TAYLOR-Reihenentwicklung um den
Punkt z = 0 hin:
(13)
B = B(0) + z
∂ B z2 ∂ 2B
+
+
∂ z 2! ∂ z 2
y
R
I
I
0
z
d
Abb. 4: Zur Anordnung von HELMHOLTZ-Spulen.
Das resultierende Feld beider Spulen ergibt sich dann aus der additiven Überlagerung zweier gemäß Gl.
(13) zu berechnender Felder.
Betrachten wir zunächst alle ungeraden Ableitungen. Am Beispiel der ersten Ableitung machen wir uns
klar, dass sie bei der Addition beider Felder aus Symmetriegründen verschwinden müssen: denn jeder
Änderung von B in ± z-Richtung durch eine Spule steht eine gleich große, aber entgegengesetzt gerichtete
Änderung durch die andere Spule gegenüber.
Für die Forderung nach Homogenität des Magnetfeldes reicht es daher zu verlangen, dass alle geraden
Ableitungen verschwinden. Wir definieren das Feld dann als homogen, wenn die 2. Ableitung verschwindet, wenn also gilt:
(14)
∂ 2B
=0
∂ z2
Setzen wir Gl. (12) in Gl. (14) ein, so finden wir die Position z = z 0 für eine Spule, bei der Gl. (14) erfüllt
ist:
(15)
z0 =
R
2
173
Bringen wir demnach zwei Spulen mit je n Windungen an die Positionen z = + R/2 und z = - R/2, also im
Abstand d = 2z 0 = R voneinander an, so erhalten wir in der Umgebung des Mittelpunktes der Anordnung
ein homogenes Magnetfeld, das wir durch Einsetzen von Gl. (15) in Gl. (12) und Multiplikation mit 2n
(2 Spulen mit je n Windungen) berechnen können:
3
(16)
nI  4  2
Bz = µ 0  
R 5
Zwei derart angeordnete Spulen heißen HELMHOLTZ-Spulen.
2.1.4 Magnetfeld zwischen zwei Anti-HELMHOLTZ-Spulen
Werden die beiden Spulen einer HELMHOLTZ-Anordnung in gegensinniger Richtung von Strom durchflossen (Anti-HELMHOLTZ-Spulen oder MAXWELL-Spulen), so ergibt sich ein Magnetfeld, das in der
Umgebung von z = 0 einen konstanten Feldgradienten hat: die Feldstärke ändert sich linear in z-Richtung;
sie ist 0 für z = 0. Magnetfelder mit konstantem Gradienten werden z. B. in magneto-optischen Fallen zur
Kühlung und Speicherung von Atomen eingesetzt.
2.2
Drehmoment im Magnetfeld
Wir betrachten eine Magnetnadel, die sich unter dem Winkel θ in einem Magnetfeld B befindet (Abb. 5).
Auf die Nadel wirkt das Drehmoment T, über das das magnetische Moment M der Nadel definiert ist:
(17)
T
= M×B
M
θ
N
S
B
Abb. 5: Magnetnadel mit magnetischem Moment M im Magnetfeld B (N: Nordpol, S: Südpol).
Für den Betrag T des Drehmoments gilt:
(18)
T = MB sin θ
Frage 1:
- Welche Einheit hat das magnetische Moment M? (Herleitung aus Gl. (18).)
Den Zusammenhang aus Gl. (17) können wir ausnutzen, um ein Messgerät für die magnetische Feldstärke
B aufzubauen. Dazu bringen wir eine reibungsarm aufgehängte Magnetnadel in das zu vermessende Magnetfeld. Aus der Gleichgewichtslage der Nadel können wir die Richtung von B ablesen. Zur Messung des
Betrages von B lenken wir die Nadel um einen kleinen Winkel θ gegenüber ihrer Gleichgewichtslage aus.
Lassen wir die Nadel anschließend los, so führt sie infolge des rücktreibenden Drehmomentes T eine
harmonische Schwingung um ihre Gleichgewichtslage aus. Ist J das Trägheitsmoment der Nadel, so gilt
174
bei Vernachlässigung der Reibung für diese Schwingungsbewegung die bekannte Bewegungsgleichung
(Differentialgleichung) 5:
(19)
J
d 2θ
= −T
dt 2
Setzen wir Gl. (18) in Gl. (19) ein, so erhalten wir für kleine Winkel θ:
(20)
J
d 2θ
= − MB sin θ ≈ − MBθ
dt 2
Diese Differentialgleichung wird bekanntlich durch die Funktion
(21)
θ= θ 0 ⋅ eiωt
gelöst, die eine Schwingung mit der Amplitude θ 0 und der Kreisfrequenz
(22)
MB
J
ω=
ω darstellt 6. Für die Periodendauer τ der Schwingung ergibt sich dann:
(23)
τ = 2π
J
MB
Sind demnach J und M bekannt (z. B. aus Vorversuchen in bekannten Magnetfeldern), so lässt sich aus der
Messung der Periodendauer τ gem. Gl. (23) die magnetische Feldstärke B bestimmen.
2.3
Messung von Magnetfeldern mit Induktionsspulen
Neben der in Kap. 2.2 beschriebenen Möglichkeit, aus der Kraftwirkung von Magnetfeldern auf Magneten
die magnetische Feldstärke zu bestimmen, gibt es weitaus praktikablere elektrische Messverfahren, von
denen wir die Induktionsmethode beschreiben wollen.
Wir betrachten gem. Abb. 6 eine Spule mit der Querschnittsfläche A, die sich in einem Feld B befindet. Der
magnetische Fluss φ durch die Fläche A ist per Definition:
(24)
φ = ∫ B dA
A
Ist das Feld B über die Fläche A homogen, so vereinfacht sich Gl. (24) zu:
(
=
φ BA cos ∠ ( B, A )
(25)
5
6
)
d2 x
=
− Fr [ =
− D x ] , mit dem die ungedämpfte harmonische Schwingung
dt 2
einer Masse m an einer Feder beschrieben wird (Fr: rücktreibende Kraft, D: Federkonstante, x:
Schwingungsrichtung).
D
Analog zu ω =
bei einer ungedämpften mechanischen Schwingung, vgl. Fußnote 5.
m
Analog zum HOOKEschen Gesetz m
175
B
A
U(t)
Abb. 6: Zur Definition des magnetischen Flusses.
Bekanntlich führt eine zeitliche Änderung des magnetischen Flusses durch die Spule dazu, dass in der Spule
eine Induktionsspannung U erzeugt wird. Hat die Spule n Windungen, so gilt:
(26)
U (t ) = − n
dφ
dt
Die Änderung des magnetischen Flusses φ kann verschiedene Ursachen haben. Zum einen kann sich die
magnetische Feldstärke selbst mit der Zeit ändern, z. B. periodisch mit der Kreisfrequenz ω b und der
Amplitude B 0 :
(27)
B = B0 cos ωbt
In diesem Fall gilt unter der Voraussetzung ∠(B,A) = 0° und damit cos (∠(B,A)) = 1 für den magnetischen
Fluss nach Gl. (25):
(28)
φ = B0 A cos ωbt
und damit für die Induktionsspannung nach Gl. (26):
=
U (t ) n=
ωb AB0 sin ωbt U 0 sin ωbt
(29)
mit
(30)
U 0 = nωb AB0
Gl. (30) bietet somit die Gelegenheit, mithilfe der Messung von U 0 und ω b bei bekanntem n und A die
Amplitude B 0 der magnetischen Feldstärke zu bestimmen.
Eine Änderung des magnetischen Flusses kann aber z. B. auch dadurch verursacht werden, dass eine Induktionsspule in einem stationären (also zeitlich konstanten) Magnetfeld B mit der Kreisfrequenz ω s gedreht wird. In diesem Fall gilt für den magnetischen Fluss gem. Gl.(25):
(31)
φ = BA cos ω s t
und für die Induktionsspannung gem. Gl. (26):
U (t ) n=
ω s BA sin ω s t U 0 sin ω s t
=
(32)
mit
(33)
U 0 = nω s BA
176
Mit Hilfe von Gl. (33) lässt sich demnach durch Messung von U 0 und ω s bei bekanntem n und A die Stärke
B des stationären Magnetfelds bestimmen.
3
Versuchsdurchführung
Zubehör:
HELMHOLTZ-Spulen (n = 100, R = (75 ± 2) mm) in Halterung, Netzgerät (PHYWE (0 – 30) V / 2 A),
Induktionsspule (n = 1500) an PVC-Stab, Halterung für Induktionsspule auf Dreieckschiene, Magnetnadel auf Nadelspitze, Induktionsspulen (n = 2.000, 5.000 und 8.000) mit Antriebsmotor und Netzgerät
(PHYWE (0 – 15) V / 5 A), Hufeisenmagnet, Digital-Speicheroszilloskop, Operationsverstärker auf
Steckplatine mit Bestückungszubehör und Netzgerät (PHYWE (0 - 15 / 30) V), Leistungstransistor
BD 139 mit 100 Ω Basis-Vorwiderstand auf Kühlblech, Funktionsgenerator (TOELLNER 7401), Stoppuhr, Amperemeter, Messschieber.
3.1
Homogenes Magnetfeld in HELMHOLTZ-Spulen
In diesem Versuchsteil soll der räumliche Verlauf und die Homogenität des Magnetfeldes zwischen
zwei HELMHOLTZ-Spulen vermessen werden, die in gleicher Richtung vom Strom I durchflossen werden.
Die Messung des Magnetfeldes erfolgt mit einer Induktionsspule mit n = 1500 Windungen. Die Spule
befindet sich an einem PVC-Stab und kann mit Hilfe einer auf einer Dreieckschiene montierten Halterung
in z- und x-Richtung verschoben werden (Abb. 7). Um in der Induktionsspule eine Spannung zu induzieren,
wird bei diesem Versuch gem. Gl. (27) mit einem magnetischen Wechselfeld gearbeitet, das durch Anlegen
eines Wechselstroms an die HELMHOLTZ-Spulen erzeugt wird.
y
x
2R
z
IS
HS
R
Abb. 7: Anordnung zur Messung des Magnetfeldes von HELMHOLTZ-Spulen (HS) mit einer Induktionsspule (IS).
Da der Strom, der durch die Spulen fließt, bis zu 1 A beträgt, können die Spulen nicht direkt an einen
Funktionsgenerator angeschlossen werden, der bei solchen Strömen überlastet wäre. Es muss daher
zunächst eine einfache Stromverstärkungsschaltung gem. Abb. 8 mit Hilfe eines OPs und eines Leistungstransistors (Typ BD139) aufgebaut werden. Der Transistor ist auf einem Kühlblech montiert und mit dem
100 Ω-Vorwiderstand für die Basis ausgestattet.
Der Funktionsgenerator FG liefert eine sinusförmige Wechselspannung U FG mit einer Frequenz von ca.
200 Hz und einer Amplitude von ca. 1 V. Mithilfe des DC-Offsets am Funktionsgenerator wird der
Arbeitspunkt des Transistors so eingestellt, dass an den HELMHOLTZ-Spulen eine möglichst unverzerrte
sinusförmige Wechselspannung anliegt (überprüfen mit dem Oszilloskop) und der am Netzgerät angezeigte
Strom durch die Spulen im Bereich 0,5 A liegt 7.
7
Die Spulen werden von einem Wechselstrom durchflossen. Die Anzeige des Netzgerätes zeigt wegen ihrer
Trägheit einen mittleren Wert an, der hier als Orientierungswert gilt.
177
Anschließend wird mit dem Oszilloskop die Amplitude der in der Induktionsspule induzierten Spannung
(Größenordnung einige 10 mV) gemessen. Dabei wird die Position der Induktionsspule in 5 mm-Schritten
in folgenden Bereichen variiert (s. Abb. 7):
a) -R ≤ z ≤ R
b) 0 ≤ x ≤ 1,5 R
(y = 0,
(z = 0,
x = 0)
y = 0)
+12V
R
R
FG ~
+
C
100 Ω
B
BD 139
E
HS
Abb. 8: Schaltung zur Erzeugung eines magnetischen Wechselfeldes in einer Anordnung von HELMHOLTZ-Spulen (HS) (R ≈ 620 Ω, Betriebsspannung des OPs nicht mitgezeichnet). Die farbigen
Punkte markieren die Anschlussbuchsen des Leistungstransistors BD 139.
Bei der Messung muss das Vorzeichen (und vor allem ein Vorzeichenwechsel) der induzierten Spannung
beachtet werden, das sich aus dem Vergleich ihrer Phasenlage mit der der Spannung an den HELMHOLTZSpulen ergibt. Mit Hilfe von Gl. (30) wird die jeweilige Amplitude B 0 der magnetischen Feldstärke berechnet. Dazu müssen der Innen- und Außendurchmesser der Induktionsspule zur Bestimmung ihrer mittleren
Querschnittsfläche A gemessen werden (Messung an Musterspule); ω b wird am Oszilloskop abgelesen.
Schließlich wird B 0 mit Fehlerbalken über der normierten Ortskoordinate x/R bzw. z/R aufgetragen. 8
Hinweis:
Das Digital-Speicheroszilloskop erzeugt ein eigenes Magnetfeld, das die Messung mit der Induktionsspule empfindlich stören kann. Deshalb muss zwischen Spule und Oszilloskop ein möglichst großer
Abstand von ca. (1 – 2) m eingehalten werden!
3.2
Messung der Horizontalkomponente des örtlichen Magnetfeldes
Mithilfe der unter 2.2 beschriebenen Methode soll die Horizontalkomponente B h des am Labor-Arbeitsplatz
herrschenden Magnetfeldes gemessen werden 9. Dazu wird mithilfe einer Magnetnadel, die in die Mitte
zwischen zwei HELMHOLTZ-Spulen gestellt wird, zunächst die Richtung dieser Horizontalkomponente
bestimmt (die HELMHOLTZ-Spulen sind dabei stromlos). Die Spulen werden danach so ausgerichtet, dass
die z-Achse in Richtung der Magnetnadel verläuft. Anschließend wird ein Gleichstrom I aus einem
Netzgerät an die HELMHOLTZ-Spulen angelegt, wodurch ein stationäres Magnetfeld B s (I) in z-Richtung
erzeugt wird, dessen Stärke und Vorzeichen vom Betrag und der Richtung von I abhängt. Das resultierende
Horizontal-Feld B r am Ort der Magnetnadel beträgt damit:
(34)
B=
Bh + Bs ( I )
r
Es gibt demnach einen Strom I 0 , bei dem B r verschwindet, wenn nämlich gilt:
8
9
B0 ist die Amplitude der Komponente von B, die parallel zu A steht, s. Gl. (25). Mit der Induktionsspule wird ein
Mittelwert von B0 über die Querschnittsfläche der Spule gemessen.
Für diese Messung müssen elektrische Geräte ca. (0,5 – 1) m vom Ort der Messung entfernt sein, damit die von
ihnen erzeugten Magnetfelder das Messergebnis nicht nennenswert beeinflussen.
178
(35)
Bh =
− Bs ( I =
I0 )
Den Strom I = I 0 findet man auf folgende Weise: Der Gleichstrom I durch die HELMHOLTZ-Spulen wird in
0,1 A-Schritten im Bereich 0,1 A ≤ I ≤ 0,6 A variiert. Für jede eingestellte Stromstärke (Messung mit
Amperemeter) wird die Magnetnadel um einen kleinen Winkel θ aus der Ruhelage ausgelenkt. Nach dem
Loslassen führt die Nadel eine periodische Schwingung aus, deren Periodendauer τ mit der Stoppuhr
gemessen wird (Mittelwert über 10 Perioden). Diese Messung wird für jede Stromstärke viermal durchgeführt. Aus den vier Messwerten für τ werden der Mittelwert τ und die Standardabweichung der Einzelmessung σ τ bestimmt.
Gem. Gl. (23) ist τ  B  I . Trägt man demnach τ − 2 (mit Fehlerbalken) über I auf, ergibt sich ein
linearer Zusammenhang zwischen beiden Größen. Mithilfe einer linearen Regression lässt sich somit die
−2
→ 0 , also τ → ∞ und damit Br → 0 geht.
Stromstärke I 0 ermitteln, bei der τ
2
−1
−1
Aus dem Wert für I 0 wird mit Gl. (16) die gesuchte magnetische Feldstärke B s = -B h berechnet (R siehe
Versuchszubehörliste). Dabei ist zu beachten, dass der gemessene Strom sich zu gleichen Teilen auf
beide HELMHOLTZ-Spulen aufteilt (Knotenregel).
3.3
Messung eines stationären Magnetfeldes mit Induktionsspulen
Das stationäre Magnetfeld eines Hufeisenmagneten zwischen seinen beiden Polen soll mit Induktionsspulen gemessen werden (Abb. 9). Die Induktionsspulen (n = 2000, 5000, 8000) werden jeweils auf der
Achse eines Motors befestigt, die mit einer Frequenz von ca. 50 Hz rotiert. 10 Die Anschlüsse der
Induktionsspulen sind mit Hilfe von Schleifkontakten (Kohlebürsten) mit zwei feststehenden Anschlusskontakten elektrisch verbunden. Die Amplitude U 0 der an diesen Kontakten abgreifbaren Induktionsspannung sowie die Rotationsfrequenz f s wird mit dem Oszilloskop gemessen (U 0 liegt im Bereich einiger V).
Aus diesen Messdaten und den geometrischen Daten der Spulen wird anschließend für jede Spule die magnetische Feldstärke B berechnet. Dabei wird für A jeweils die mittlere Querschnittsfläche einer
Spulenwindung eingesetzt und vorausgesetzt, dass B über diese Fläche homogen ist. Zur Ermittlung der
Fläche A muss der Außendurchmesser des leeren (d l ) und des umwickelten (d w ) Spulenkörpers bekannt
sein. d l wird an einer Musterspule mit dem Messschieber gemessen. Die Werte für d w werden bei Versuchsdurchführung bekannt gegeben.
Die für die unterschiedlichen Induktionsspulen ermittelten Werte für B werden voneinander abweichen.
Die Abweichungen lassen sich aus der Geometrie der Spulen erklären. Zum einen liefert die Rechnung mit
einer mittleren Querschnittsfläche nur eine Näherungslösung für B, zum anderen sind die Spulen herstellungsbedingt nicht gleichmäßig gewickelt. Bei genauem Hinsehen wird man feststellen, dass sich in der
Spulenmitte mehr Windungen befinden als an den Rändern. Die einzelnen Windungen liefern deshalb einen
unterschiedlichen Beitrag zum resultierenden Magnetfeld.
10
Die Drehzahlregelung des Motors erfolgt über seine Betriebsspannung, die einem Gleichspannungsnetzgerät
entnommen wird. Die Strombegrenzung am Netzgerät wird auf 5 A eingestellt.
179
N
A
ωs
U (t)
K
Motor
B
S
Abb. 9: Messung eines stationären Magnetfeldes B in einem Hufeisenmagneten mit einer rotierenden
Induktionsspule der Querschnittsfläche A. Die Induktionsspannung U(t) wird über Schleifkontakte (Kohlebürsten) K abgenommen.
180
Empfohlene Werte ausgewählter physikalischer Konstanten (Stand 2010)
Konstante
Atomare Masseeinheit
Symbol
u
Wert
1,660 538 921 (73)⋅10-27
Einheit
kg
Avogadro-Konstante
NA
6,022 141 29 (27)⋅1023
mol-1
Boltzmann-Konstante
k
1,380 6488 (13)⋅10-23
J/K
Elektrische Feldkonstante: 1/(µ 0 c2)
ε0
8,854 187 817...⋅10-12 As/(Vm)
-19
Elementarladung
e
Faraday-Konstante
F
Gravitationskonstante
G
Lichtgeschwindigkeit im Vakuum
c
Magnetische Feldkonstante: 4π⋅10-7
µ0
1,256 637 061…⋅10-6 Vs/(Am)
Molare Gaskonstante
R
8,314 4621 (75) J/(mol K)
Plancksche Konstante
h
6,626 069 57(29)⋅10-34
Js
Ruhemasse des Elektrons
me
9,109 382 91(40)⋅10-31
kg
Ruhemasse des Neutrons
mn
-27
1,674 927 351 (74)⋅10
kg
Ruhemasse des Protons
mp
1,672 621 777 (74)⋅10-27
kg
Standard-Erdbeschleunigung
g
9,80665
1,602 176 565 (35)⋅10
96 485,3365 (21)
1
Bemerkung
exakt
As
C/mol
6,673 84 (80)⋅10-11 m3/(s2kg)
2,99792458⋅108
m/s
m/s2
exakt
exakt
exakt (Definition)
Die in Klammern stehenden Zahlen geben die einfache Standardabweichung in Einheiten der letzten Dezimalen an.
Präfixe
Faktor
deci
10-2
centi
10
Symbol
Faktor
Name
Symbol
d
10
1
deka
da
c
102
hecto
h
10
3
kilo
k
6
mega
M
10
-3
milli
m
10
-6
micro
µ
10
10-9
nano
n
109
giga
G
12
tera
T
-12
pico
p
10
10-15
femto
f
1015
peta
P
a
18
exa
E
21
10
-18
10
1
Name
-1
atto
10
10
-21
zepto
z
10
zetta
Z
10-24
yocto
y
1024
yotta
Y
Quelle: Mohr, P. J.; Taylor, B. N.; Nevell, D. B.: "CODATA Recommended Values of the Fundamental Physical
Constants: 2010", Rev. Mod. Phys. 84(4), 1527-1605 (2012). Siehe auch:
http://physics.nist.gov/cuu/Constants/index.html.
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