12.11.2013 AG Staatsorganisationsrecht – Fall 2 FB Grundkurs Öffentliches Recht I Staatsorganisationsrecht – Fall 2 WS 2013/2014 AG Staatsorganisationsrecht – Fall 2 Allgemeines I. Allgemeinheit der Wahl • • Wahlrechtsgrundsätze, Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG • Unmittelbarkeit der Wahl • • keine indirekte bzw. mittelbare Wahl (durch dazwischengeschaltete Instanzen) Wähler muss durch Wahlverfahren vor dem Wahlakt erkennen können, welche Personen zur Wahl stehen und wie sich Stimmabgabe auf (Miss-)Erfolg auswirkt Freiheit der Wahl • • 12.11.2013 Wahlrecht steht grundsätzlich allen Staatsbürgern zu kein unberechtigter Ausschluss der Staatsbürger von der Teilnahme an der Wahl Einschränkungen nur aus zwingenden Gründen Ausübung des Wahlrechts ohne Zwang oder sonstige unzulässige Beeinflussung von außen Schutz durch strafrechtliche Vorschriften 2 Wiss. Mit. Annika Schmidl 1 12.11.2013 AG Staatsorganisationsrecht – Fall 2 Allgemeines I. Geheimheit der Wahl • Wahlrechtsgrundsätze, Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG Gewährleistung, dass nur Wähler selbst von seiner Wahlentscheidung Kenntnis hat Gleichheit der Wahl • Zählwertgleichheit: jeder Wähler hat die gleiche Stimmen- • anzahl, jede abgegebene Stimme zählt als eine Stimme (one man one vote) Erfolgswertgleichheit: jede Stimme hat das gleiche Gewicht bei der Zusammensetzung des Parlaments, also die gleiche rechtliche Erfolgschance diese Fragen hat der Gesetzgeber (Art. 38 Abs. 3 GG) zu regeln und Wahlrechtsgleichheit bedeutet für die gesetzliche Ausgestaltung des Wahlsystems eine unterschiedliche regulative Wirkung 3 12.11.2013 Wiss. Mit. Annika Schmidl AG Staatsorganisationsrecht – Fall 2 Allgemeines I. II. Art. 38 GG • Wahlrechtsgrundsätze, Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG Wahlsystem in Deutschland • über die Wahlrechtsgrundsätze hinaus keine Vorgaben des Grundgesetzes zum Wahlsystem Gesetzgeber zur näheren Ausgestaltung ermächtigt, Art. 38 Abs. 3 GG Bundeswahlgesetz Wahl des Bundestags „nach den Grundsätzen einer mit der Personalwahl verbundenen Verhältniswahl“ (§6 Abs. 1 S. 2) • • 12.11.2013 relative Mehrheitswahl: mit Erststimme Wahl des Direktkandidats (in 299 Stimmkreisen) Verhältniswahl: mit Zweitstimme Wahl einer von mehreren durch die politischen Parteien vorgeschlagenen Landeslisten o wie viele Sitze eine Partei im Bundestag erhält, hängt alleine vom Anteil der Zweitstimmen ab (§ 6 Abs. 2 BWG) o von diesem Anteil wird die Zahl der für eine Partei anfallenden Direktkandidaten abgezogen (§ 6 Abs. 4 BWG); der Rest wird mit Listenkandidaten besetzt Bundestagswahlrecht: Grundcharakter der Verhältniswahl 4 Wiss. Mit. Annika Schmidl 2 12.11.2013 AG Staatsorganisationsrecht – Fall 2 Allgemeines I. II. Wahlrechtsgrundsätze, Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG Wahlsystem in Deutschland 12.11.2013 Quelle: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/ba/Pers.Ver.Wahl.v4.svg 5 Wiss. Mit. Annika Schmidl AG Staatsorganisationsrecht – Fall 2 Sicherstellung der Erfolgswertgleichheit Allgemeines I. II. Wahlrechtsgrundsätze, Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG Wahlsystem in Deutschland Abhängigkeit vom Wahlsystem • Mehrheitswahl: Stimmenmehrheit im Wahlkreis entscheidet über gewählten Kandidaten; andere Stimmen bleiben ohne Auswirkung auf die Zusammensetzung des Parlaments („erfolglos“) dafür gleich große Stimmkreise erforderlich • Verhältniswahl: jeder Wähler gleichen Einfluss auf Zusammensetzung des Parlaments, da die Anzahl der Stimmen verhältnismäßig auf die zu vergebenden Sitze umgerechnet werden exakte mathematische Umrechnung der Stimmen erforderlich 12.11.2013 Bundeswahlrecht hat Grundcharakter der Verhältniswahl und daher muss Erfolgswertgleichheit durch möglichst exakte mathematische Umrechnung des Wahlergebnisses erfolgen 6 Wiss. Mit. Annika Schmidl 3 12.11.2013 AG Staatsorganisationsrecht – Fall 2 Aufbau der Normenkontrolle Gutachten Obersatz: Der Antrag hat Aussicht auf Erfolg, wenn er zulässig (A.) und begründet (B.) ist. A. Zulässigkeit Obersatz: Es müssen alle Sachurteilsvoraussetzungen nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG i.V.m. § 13 Nr. 6, §§ 76 ff. BVerfGG vorliegen, damit das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht durchgeführt werden darf. B. Begründetheit Obersatz: Der Antrag ist begründet, wenn § 6 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 BWG formell und/oder materiell verfassungswidrig ist. 7 12.11.2013 Wiss. Mit. Annika Schmidl AG Staatsorganisationsrecht – Fall 2 Zulässigkeit des Antrags A. Zulässigkeit Der Antrag der Landesregierung L auf abstrakte Normenkontrolle ist zulässig, wenn die Sachurteilsvoraussetzunge nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG i.V.m. § 13 Nr. 6, §§ 76 ff. BVerfGG vorliegen. 12.11.2013 8 Wiss. Mit. Annika Schmidl 4 12.11.2013 AG Staatsorganisationsrecht – Fall 2 Zuständigkeit des BVerfG A. Zulässigkeit I. Zuständigkeit des BVerfG Die Zuständigkeit des BVerfG ergibt sich aus Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG i.V.m. § 13 Nr. 6 BVerfGG. 12.11.2013 05.11.2013 9 Wiss. Mit. Annika Schmidl AG Staatsorganisationsrecht – Fall 2 A. Zulässigkeit I. Zuständigkeit des BVerfG II. Antragsberechtigung Antragsberechtigung, Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG i.V.m. § 76 Abs. 1 BVerfGG Bundesregierung Landesregierung ¼ der Mitglieder des Bundestags hier: Landesregierung L (+) 12.11.2013 10 Wiss. Mit. Annika Schmidl 5 12.11.2013 AG Staatsorganisationsrecht – Fall 2 Antragsgegenstand, Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG i.V.m. § 76 Abs. 1 BVerfGG A. Zulässigkeit I. Zuständigkeit des BVerfG II. Antragsberechtigung III.Antragsgegenstand Bundesrecht oder Landesrecht jedoch nur geltende Normen hier: § 6 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 BWG als Bundesgesetz (+) 11 12.11.2013 Wiss. Mit. Annika Schmidl AG Staatsorganisationsrecht – Fall 2 A. Zulässigkeit I. Zuständigkeit des BVerfG II. Antragsberechtigung III.Antragsgegenstand IV.Antragsgrund Antragsgrund, Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG i.V.m. § 76 Abs. 1 BVerfGG Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG: Meinungsverschiedenheiten/Zweifel über die Vereinbarkeit des Gesetzes mit dem Grundgesetz § 76 Abs. 1 Nr. 1 BVerfGG: Antragsteller muss Norm für nichtig halten (P) Antragsteller hat nur Zweifel an Verfassungsmäßigkeit der Regelung und hält diese nicht auch für nichtig 12.11.2013 • grds. nach § 76 Abs. 1 Nr. 2 BVerfGG kein Antragsgrund • jedoch geht Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG als Norm des Grundgesetzes, das über dem einfachen Gesetzesrecht steht, vor (Geltungsvorrang des Verfassungsrechts) • es genügen damit Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes, da einfaches Recht (§ 76 BVerfGG) Verfassungsrecht (Art. 93 GG) nicht verdrängen kann • hier: L hält 5 %-Klausel für verfassungswidrig und nach beiden Regelungen liegt Antragsgrund vor 12 Wiss. Mit. Annika Schmidl 6 12.11.2013 AG Staatsorganisationsrecht – Fall 2 Form, § 23 Abs. 1 BVerfGG A. Zulässigkeit I. Zuständigkeit des BVerfG II. Antragsberechtigung III.Antragsgegenstand IV.Antragsgrund V. Form und Frist schriftlich und mit Begründung Frist eine Frist ist nicht einzuhalten 13 12.11.2013 Wiss. Mit. Annika Schmidl AG Staatsorganisationsrecht – Fall 2 Ergebnis A. Zulässigkeit I. Zuständigkeit des BVerfG II. Antragsberechtigung III.Antragsgegenstand IV.Antragsgrund V. Form und Frist VI.Ergebnis 12.11.2013 Der Antrag der Landesregierung auf abstrakte Normenkontrolle ist zulässig. 14 Wiss. Mit. Annika Schmidl 7 12.11.2013 AG Staatsorganisationsrecht – Fall 2 Obersatz: Der Antrag ist begründet, wenn § 6 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 BWG formell und/oder materiell verfassungswidrig ist. A. Zulässigkeit I. Zuständigkeit des BVerfG II. Antragsberechtigung III.Antragsgegenstand IV.Antragsgrund V. Form und Frist VI.Ergebnis I. Formelle Verfassungsmäßigkeit 1. Gesetzgebungskompetenz a. Geschriebene Kompetenzen: Art. 70 ff. GG b. Ungeschriebene Kompetenzen B. Begründetheit 2. Gesetzgebungsverfahren, Art. 76 ff. GG II. Materielle Verfassungsmäßigkeit Gesetz darf inhaltlich nicht gegen Bestimmungen des Grundgesetzes verstoßen 15 12.11.2013 Wiss. Mit. Annika Schmidl AG Staatsorganisationsrecht – Fall 2 A. Zulässigkeit B. Begründetheit Obersatz: Damit das Gesetz formell verfassungsmäßig ist, müsste die Gesetzgebungskompetenz gegeben sein und das Gesetzgebungsverfahren eingehalten worden sein. I. Formelle Verfassungsmäßigkeit 12.11.2013 16 Wiss. Mit. Annika Schmidl 8 12.11.2013 AG Staatsorganisationsrecht – Fall 2 Grundsatz des Art. 30, 70 I GG A. Zulässigkeit Länder haben das Recht zur Gesetzgebung, soweit das GG nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse verleiht B. Begründetheit I. Formelle Verfassungsmäßigkeit 1. Gesetzgebungskompetenz 1. Spezielle Kompetenzgrundlagen des Bundes a) Art. 71-74 GG ausschließliche Gesetzgebung, Art. 71, 73 GG konkurrierende Gesetzgebung, Art. 72, 74 GG b) Weitere wie Art. 4 Abs. 3, 21 Abs. 3, 38 Abs. 3 GG 2. Ungeschriebene Kompetenzen kraft Natur der Sache: Materie kann begriffsnotwendig nur durch Bundesgesetz geregelt werden (bspw. Nationalfeiertag) kraft Sachzusammenhangs und Annexkompetenz: Materie kann verständigerweise nicht geregelt werden, ohne dass zugleich eine nicht ausdrücklich zugewiesene andere Materie geregelt wird 12.11.2013 3. Hier: Art. 38 Abs. 3 GG 17 Wiss. Mit. Annika Schmidl AG Staatsorganisationsrecht – Fall 2 A. Zulässigkeit B. Begründetheit Von der Beachtung der Vorschriften des Gesetzgebungsverfahrens ist mangels entgegenstehender Angaben im Sachverhalt auszugehen. I. Formelle Verfassungsmäßigkeit 1. Gesetzgebungskompetenz 2. Gesetzgebungsverfahren 12.11.2013 18 Wiss. Mit. Annika Schmidl 9 12.11.2013 AG Staatsorganisationsrecht – Fall 2 Obersatz: Damit das Gesetz materiell verfassungsmäßig ist, dürfte § 6 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 BWG inhaltlich nicht gegen Bestimmungen des Grundgesetzes verstoßen. A. Zulässigkeit B. Begründetheit I. Formelle Verfassungsmäßigkeit 1. Gesetzgebungskompetenz 2. Gesetzgebungsverfahren § 6 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 BWG könnte vorliegend verstoßen gegen II. Materielle Verfassungsmäßigkeit den Grundsatz der Wahlgleichheit (Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG) und den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien (Art. 23, Art. 3 Abs. 1 GG) 19 12.11.2013 Wiss. Mit. Annika Schmidl AG Staatsorganisationsrecht – Fall 2 a) Anwendungsbereich A. Zulässigkeit B. Begründetheit I. Formelle Verfassungsmäßigkeit 1. Gesetzgebungskompetenz 2. Gesetzgebungsverfahren II. Materielle Verfassungsmäßigkeit Obersatz: Es müsste der Anwendungsbereich des Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG eröffnet sein. Es ist zunächst zu klären, was unter der „Gleichheit der Wahl“ zu verstehen ist. Zählwertgleichheit (s.o.) Erfolgswertgleichheit (s.o.) 1. Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG a) Anwendungsbereich 12.11.2013 20 Wiss. Mit. Annika Schmidl 10 12.11.2013 AG Staatsorganisationsrecht – Fall 2 b) Eingriff in die Erfolgswertgleichheit (Verletzung) A. Zulässigkeit Obersatz: § 6 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 BWG könnte in den Anwendungsbereich der Gleichheit der Wahl eingreifen. B. Begründetheit I. Formelle Verfassungsmäßigkeit 1. Gesetzgebungskompetenz 2. Gesetzgebungsverfahren durch 5 %-Klausel bleiben alle Wählerstimmen, die auf die Parteien entfallen, die weniger als 5 % der Stimmen für sich gewinnen könnten, unberücksichtigt es werden zahlreiche Wählerstimmen bei der Umrechnung in Parlamentssitze nicht berücksichtigt damit: Eingriff in die Wahlrechtsgleichheit durch Verletzung der Erfolgswertgleichheit dies stellt eine Ungleichbehandlung im Verhältnis zu den Stimmen dar, die für Parteien abgegeben wurden, die bei der Sitzverteilung berücksichtigt wurden. II. Materielle Verfassungsmäßigkeit 1. Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG a) Anwendungsbereich b) Eingriff 21 12.11.2013 Wiss. Mit. Annika Schmidl AG Staatsorganisationsrecht – Fall 2 c) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung A. Zulässigkeit B. Begründetheit I. Formelle Verfassungsmäßigkeit 1. Gesetzgebungskompetenz 2. Gesetzgebungsverfahren Obersatz: Der Eingriff in die Wahlrechtsgleichheit könnte jedoch gerechtfertigt sein. Dazu müsste eine Durchbrechung des Wahlrechtsgleichheitssatzes möglich sein. II. Materielle Verfassungsmäßigkeit 1. Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG a) Anwendungsbereich b) Eingriff c) Rechtfertigung 12.11.2013 22 Wiss. Mit. Annika Schmidl 11 12.11.2013 AG Staatsorganisationsrecht – Fall 2 aa) Grundsätzliche Möglichkeit einer Durchbrechung der Wahlgleichheit A. Zulässigkeit B. Begründetheit I. Formelle Verfassungsmäßigkeit 1. Gesetzgebungskompetenz 2. Gesetzgebungsverfahren eine ausdrückliche Ausnahme ergibt sich weder aus Art. 38 GG noch aus anderen Verfassungsbestimmungen daher Ermittlung durch Auslegung II. Materielle Verfassungsmäßigkeit 1. Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG a) Anwendungsbereich b) Eingriff c) Rechtfertigung aa) Grundsätzliche Möglichkeit einer Durchbrechung der Wahlgleichheit 12.11.2013 23 Wiss. Mit. Annika Schmidl AG Staatsorganisationsrecht – Fall 2 Auslegung A. Zulässigkeit B. Begründetheit I. Formelle Verfassungsmäßigkeit 1. Gesetzgebungskompetenz 2. Gesetzgebungsverfahren Vergleich mit Mehrheitswahlrecht • dort viel größere Ungleichheiten, da im Extremfall bis zu 49,9 % der Stimmen „erfolglos“ sein können • ein solcher „a maiore ad minus“-Schluss jedoch unzulässig, da jedes Wahlsystem isoliert betrachtet werden muss II. Materielle Verfassungsmäßigkeit 1. Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG a) Anwendungsbereich b) Eingriff c) Rechtfertigung aa) Grundsätzliche Möglichkeit einer Durchbrechung der Wahlgleichheit 12.11.2013 Rechtfertigung aus personalisiertem Verhältniswahlrecht selbst • e.A.: streng formale Behandlung der Wahlrechtsgleichheit und daher grds. keine Durchbrechung möglich • a.A.: Vergleich der Wahlrechtsgleichheit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz der Bürger (Art. 3 Abs. 1 GG) und Durchbrechung möglich bei Vorliegen eines vernünftigen, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst irgendwie einleuchtenden Grunds • a.A.: kein Rückgriff auf Art. 3 Abs. 1 GG, da Strukturunterschiede zum Wahlgleichheitsgrundsatz; jedoch folgt aus Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG kein absolutes Differenzierungsverbot und Eingriffe sind aus „zwingenden Gründen“ möglich 24 Wiss. Mit. Annika Schmidl 12 12.11.2013 AG Staatsorganisationsrecht – Fall 2 Auslegung A. Zulässigkeit B. Begründetheit I. Formelle Verfassungsmäßigkeit 1. Gesetzgebungskompetenz 2. Gesetzgebungsverfahren Gründe, die für die dritte Ansicht sprechen • kein Vorrang eines einzelnen Verfassungsartikels und einzelne Artikel sind im Licht aller übrigen Artikel auszulegen • zudem kein Vergleich mit Art. 3 Abs. 1 GG wegen Strukturunterschieden: Art. 3 Abs. 1 GG sieht selbst Ausnahmen vor und Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG ist stärker formalisiert • Ergebnis: Durchbrechung der Wahlrechtsgleichheit aus zwingenden Gründen gerechtfertigt II. Materielle Verfassungsmäßigkeit 1. Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG a) Anwendungsbereich b) Eingriff c) Rechtfertigung aa) Grundsätzliche Möglichkeit einer Durchbrechung der Wahlgleichheit 12.11.2013 25 Wiss. Mit. Annika Schmidl AG Staatsorganisationsrecht – Fall 2 bb) Durchbrechung aus zwingenden Gründen A. Zulässigkeit B. Begründetheit I. Formelle Verfassungsmäßigkeit 1. Gesetzgebungskompetenz 2. Gesetzgebungsverfahren II. Materielle Verfassungsmäßigkeit 1. Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG a) Anwendungsbereich b) Eingriff c) Rechtfertigung aa) Grundsätzliche Möglichkeit einer Durchbrechung der Wahlgleichheit bb) Durchbrechung aus zwingenden Gründen 12.11.2013 Definition der „zwingenden Gründe“ • „zwingende Gründe“ ergeben sich aus einer Gesamtschau des GG • in Art. 3 Abs. 2 und 3, Art. 21 Abs. 2 GG genannte Punkte keine „zwingenden Gründe“ im Verständnis des Art. 38 GG • Wahrung der Funktionsfähigkeit des Parlaments als zwingender Grund, um regierungsfähige Mehrheiten bilden zu können Verhältnismäßigkeit der 5 %-Klausel als das zur Erreichung der zwingenden Gründe eingesetzte Mittel • das zur Erreichung der zwingenden Gründe eingesetzte Mittel muss geeignet, erforderlich und angemessen sein. • legitimes Ziel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Bundestags • Geeignetheit (+) 26 Wiss. Mit. Annika Schmidl 13 12.11.2013 AG Staatsorganisationsrecht – Fall 2 • Erforderlichkeit: es darf kein milderes, genauso wirksames Mittel geben o Mittel wie Unterschriftenquoren sind nicht genauso wirksam o weitere Mittel greifen der Wählerentscheidung vor und sind damit nicht milder o Höhe der Zugangshürde liegt in der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers (ein gerichtlicher Eingriff würde gegen das Gewaltenteilungsprinzip verstoßen) o hier: Erforderlichkeit (+) • Angemessenheit: Abwägung zwischen der vorgenommenen Belastung (Eingriff in Erfolgswertgleichheit) und dem bezweckten Erfolg (Funktionsfähigkeit des Parlaments) A. Zulässigkeit B. Begründetheit I. Formelle Verfassungsmäßigkeit 1. Gesetzgebungskompetenz 2. Gesetzgebungsverfahren II. Materielle Verfassungsmäßigkeit 1. Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG a) Anwendungsbereich b) Eingriff c) Rechtfertigung aa) Grundsätzliche Möglichkeit einer Durchbrechung der Wahlgleichheit bb) Durchbrechung aus zwingenden Gründen o überragende Bedeutung der Funktionsfähigkeit für Zusammenleben in Gesellschaft o damit keine völlig unangemessene Benachteiligung der Wähler, die ihre Stimme einer Partei gegeben haben, die an der 5 %-Hürde scheitert 12.11.2013 27 Wiss. Mit. Annika Schmidl AG Staatsorganisationsrecht – Fall 2 a) Anwendungsbereich A. Zulässigkeit B. Begründetheit Obersatz: Es müsste der Anwendungsbereich des Art. 21 Abs. 1 S. 2 GG eröffnet sein. I. Formelle Verfassungsmäßigkeit 1. Gesetzgebungskompetenz 2. Gesetzgebungsverfahren Garantie der Freiheit der Parteigründung • daraus folgt die Anerkennung des Mehrparteiensystems und damit die Freiheit der Betätigung als Partei, insb. auch die Freiheit zur Mitwirkung an Wahlen • daraus folgt eine Chancengleichheit der Parteien (diese ergibt sich auch aus der demokratischen Gleichheit) II. Materielle Verfassungsmäßigkeit 1. Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG a) Anwendungsbereich b) Eingriff c) Rechtfertigung aa) Grundsätzliche Möglichkeit einer Durchbrechung der Wahlgleichheit bb) Durchbrechung aus zwingenden Gründen 2. Art. 21, Art. 3 Abs. 1 GG 12.11.2013 b) Eingriff 5 %-Klausel beeinträchtigt Chancengleichheit politischer Parteien. c) Rechtfertigung Sperrklausel gerechtfertigt, da sie verhältnismäßig zur Erreichung des zwingenden Grundes der Funktionsfähigkeit des Parlaments 28 eingesetzt wurde (s.o.). Wiss. Mit. Annika Schmidl 14 12.11.2013 AG Staatsorganisationsrecht – Fall 2 Endergebnis A. Zulässigkeit B. Begründetheit I. Formelle Verfassungsmäßigkeit 1. Gesetzgebungskompetenz 2. Gesetzgebungsverfahren § 6 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 BWG ist formell und materiell verfassungsmäßig. Die abstrakte Normenkontrolle wäre daher zulässig, jedoch unbegründet. II. Materielle Verfassungsmäßigkeit 1. Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG a) Anwendungsbereich b) Eingriff c) Rechtfertigung aa) Grundsätzliche Möglichkeit einer Durchbrechung der Wahlgleichheit bb) Durchbrechung aus zwingenden Gründen 2. Art. 21, Art. 3 Abs. 1 GG C. Endergebnis 12.11.2013 29 Wiss. Mit. Annika Schmidl 15