Fünf Thesen zur Einrichtung eines Ausbildungsganges für eine psychoanalytische Sozialpsychologie• Der Unterrichtsplan für den Analytiker ist erst zu schaffen, er muß geisteswissenschaftlichen Stoff, psychologischen, kulturhistorischen, soziologischen ebenso umfassen wie anatomischen, biologischen und entwicklungsgeschichtlichen … Es ist bequem, gegen diesen Vorschlag einzuwenden, solche analytischen Hochschulen gebe es nicht, das sei eine Idealforderung. Jawohl, ein Ideal, aber eines, das realisiert werden kann und realisiert werden muß. Sigmund Freud 1926b, S. 288f G egenstand einer psychoanalytischen Sozialpsychologie ist das Verhältnis Individuum-Gesellschaft. Die psychoanalytische Sozialpsychologie ist diesem Verhältnis in gegenläufigen, aber ineinander verschränkten Fragerichtungen auf der Spur. Einmal unter der Frage nach der Art und Weise, in der in einer bestimmten Gesellschaft im Zuge subjektiver Bildungsprozesse in den Individuen historisch-spezifische unbewußte Inhalte, d. h. Lebensentwürfe, hergestellt werden, die vom gesellschaftlichen Konsens ausgeschlossen sind, und zum anderen unter der Frage, welche Rolle den gesellschaftlich produzierten, gleichwohl gesellschaftlich verpönten Lebensentwürfen bei Herstellung gesellschaftlicher Kulturgüter – wie Kunst, Rechtsprechung, Religion, Familie, Polizei, Parteien –, aber auch für Gräueltaten, die Menschen Menschen antun wie auch für die Gleichgültigkeit ihnen gegenüber – etwa der Indolenz gegenüber den Folterungen in mittel- und südamerikanischen Ländern, den medizinischen Experimenten an Geisteskranken und sozial Schwachen in den USA oder im Umgang mit gesellschaftlichen Minoritäten wie etwa Asylanten • Erschienen in: Zepf S (1990) Fünf Thesen zur Einrichtung eines Ausbildungsganges für eine psychoanalytische Sozialpsychologie. Erschienen in: Zepf S (ed) »Wer sich nicht bewegt – der spürt auch seine Fesseln nicht«. Frankfurt/M: Nexus, 235–242.