Online-Studium Psycho-Pathologie Lektion 16 ICD Kapitel F6 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen Das ist ein überaus wichtiges Kapitel, und zwar aus folgenden Gründen: • Persönlichkeitsstörungen sind dem Laien in der Regel völlig unbekannt, oder der Begriff wird total falsch verwendet. • Wer Persönlichkeitsstörungen erkennt, kann sich viel unnötiges Leiden ersparen. Persönlichkeitsstörungen hießen bei Sigmund Freud Charakterneurosen. Gemeint ist eine tief verwurzelte Störung der Persönlichkeit. Man könnte auch sagen „das PersönlichkeitsFundament ist gestört.“ Für den fortgeschrittenen Hypnotherapeuten ist das ein sehr wichtiges Kapitel, denn eine Persönlichkeitsstörung wird er nicht in wenigen Hypnotherapie-Sitzungen weg bekommen. Früher waren die Experten der Meinung, dass Persönlichkeitsstörungen nicht therapierbar seien. Heute gilt die Meinung, dass mit längerfristigen pädagogischen Maßnahmen (einer sogenannten NachErziehung) einiges erreicht werden kann. Immer vorausgesetzt, es besteht Krankheitseinsicht, was bei Persönlichkeitsgestörten leider nicht immer der Fall ist. Als Setting empfiehlt sich in der Regel ein längerer Aufenthalt in einer therapeutischen Gemeinschaft, mit guter Supervision, da (besonders bei Histrionikern und Borderlinern) der Therapeut oftmals unmerklich in das „System“ des Patienten hinein gezogen wird. Psychodynamisch nimmt man an, dass Persönlichkeitsstörungen durch einen deutlichen Unterbruch einer frühkindlichen Entwicklungsphase entstanden sind. ©2015 The California Institute of Life and Business Coaching, a division of Zimmermann+Partner, Gstaad/Los Angeles 92 Online-Studium Psycho-Pathologie Grafisch könnte man das Ganze so darstellen: Neurose Psychose Persönlichkeitsstörung Hat der Klient Krankheitseinsicht? Weiß er, dass etwas nicht stimmt? Funktioniert nur ein Teilbereich seiner Psyche nicht richtig? Hat er früher die Symptome oder extrem störenden Charaktereigenschaften nicht gehabt? Dann handelt es sich vermutlich um eine Neurose. Falls es nicht eine schwere Zwangsneurose oder eine dissoziative Störung ist, gilt für den nichtmedizinischen Therapeuten in der Regel „grünes Licht“. Leidet der Klient unter Realitätsverlust (Halluzinationen und Denkstörungen)? Unabhängig von der Krankheitseinsicht handelt es sich um eine Psychose. „Rotes Licht“ für den Nichtmediziner. Hat der Klient immer schon (meist mit Beginn in Kindheit oder Jugendalter) sehr ausgeprägte Charakterzüge gehabt, die zu Leid für die Mitmenschen und eventuell auch für sich selbst geführt hat? Besteht mäßige oder gar keine Krankheitseinsicht? Dann handelt es sich vermutlich um eine Persönlichkeitsstörung. „Gelbes Licht“ für den Nichtmediziner. Nur die Bereitschaft zu längerfristiger Begleitung kann helfen. ©2015 The California Institute of Life and Business Coaching, a division of Zimmermann+Partner, Gstaad/Los Angeles 93 Online-Studium Psycho-Pathologie Vorsicht: Unter einer Neurose kann auch eine Persönlichkeitsstörung liegen. Dann wird das Therapieren weitaus schwieriger. Beispiel: Eine einfache Zwangsneurose ist durch ein paar Sitzungen meist therapierbar; wenn darunter aber auch noch eine anankastische Persönlichkeitsstörung liegt, d.h. wenn der Klient „immer schon“ ein zwanghafter Charakter war, wird es schwieriger. Die einzelnen Persönlichkeitsstörungen F60 Die einzelnen Persönlichkeitsstörungen sind manchmal nicht klar gegeneinander abzugrenzen. So gibt es zum Beispiel viele Borderliner mit histrionischen und dissozialen Zügen. Die Diagnosekriterien können jederzeit im ICD-10 nachgelesen werden. Hier nur die Schwerpunkte der einzelnen Störungen zum schnelleren Merken: • paranoid „alle sind gegen mich" • schizoid „mich interessieren die Menschen nicht" • dissozial „ich habe kein Gefühl für die Gefühle anderer" • Borderline "Ich hasse dich, verlass mich nicht" • histrionisch „Ich setze alles daran, um im Mittelpunkt zu stehen“ • anankastisch (zwanghaft) „Ich nehme alles sehr genau" • ängstlich „Ich traue mich nicht“ • abhängig (dependent) „Ich brauche jemanden, der für mich sorgt“ • narzißtisch „Alles hat sich um mich zu drehen" ©2015 The California Institute of Life and Business Coaching, a division of Zimmermann+Partner, Gstaad/Los Angeles 94 Online-Studium Psycho-Pathologie Persönlichkeitsänderungen F62 Eine Persönlichkeitsstörung wurde frühkindlich oder im Jugendalter erworben, eine Persönlichkeitsänderung dagegen später im Leben, zum Beispiel als Folge einer extremen Belastung oder einer psychischen Erkrankung („Seit unser Haus gebrannt hat, ist er einfach nicht mehr derselbe“) Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle F63 Diese Kategorien sind wenig erklärungsbedürftig. Der Hypnotherapeut muss natürlich diese Begriffe kennen: Kleptomanie, Pyromanie, Trichotillomanie. Ebenso muss er wissen, dass nicht jeder Brandstifter ein Pyromane ist und nicht jeder, der sich die Haare ausreißt ein Trichotillomane. Wenn einer einen Brand legt, um in den Genuss der Versicherungssumme zu kommen, ist er kein Pyromane, denn er ist kein Brandstifter aus Leidenschaft für das Feuer. Auch wenn ein Schizophrener Stimmen hört, die ihm befehlen, einen Brand zu legen, wird das nicht als Pyromanie bezeichnet. Wenn jemand sich die Haare ausreißt, weil er eine Hautkrankheit hat, wird das nicht als Trichotillomanie bezeichnet. Bitte studiere dieses Kapitel im ICD, damit Du differentialdiagnostisch im Bild bist. ©2015 The California Institute of Life and Business Coaching, a division of Zimmermann+Partner, Gstaad/Los Angeles 95 Online-Studium Psycho-Pathologie Sexuelle Störungen Bei den Sexualstörungen unterscheiden wir zwischen: • Störungen der Geschlechtsidentiät F64 Hier solltest Du den Unterschied zwischen Transsexualismus und Transvestitismus studieren. • Störungen der Sexualpräferenz F65 Bitte auch hier sicherstellen, dass Du die einzelnen Begriffe kennst: Fetischismus, Exhibitionismus, Voyeurismus, Pädophilie, Sadismus, Masochismus, Sadomasochismus, Frotteurismus, Nekrophilie, Sodomie. Auch wichtig zu wissen: Fetischismus ist nur dann als Störung zu klassifizieren, wenn ohne den Fetisch kein Orgasmus mehr möglich ist, oder wenn der Fetisch wichtiger wird als der Sexualpartner. • Störungen der Sexualorientierung F66 Wichtig zu wissen: Im DSM-III wurde Homosexualität noch als Störung klassifiziert. Nach langen Debatten einigte man sich im DSM-IIIR darauf, das nur noch dann zu tun, wenn die Sexualorientierung vom Betroffenen als ich-dyston, also also nicht zum Ich passend, empfunden wird. Die meisten Homosexuellen empfinden ihre Orientierung als ich-synton, obwohl sie auch heute noch oft unter der gesellschaftlichen Nicht-Akzeptanz zu leiden haben. Was man aber nicht übersehen darf: Die überkandidelten, extrem tuntenhaften Homosexuellen leiden oft unter einer histrionischen Persönlichkeitsstörung (Gutes Filmbeispiel: Das „Weibchen“ im Film „La Cage aux Folles / Ein Käfig voller Narren“) ©2015 The California Institute of Life and Business Coaching, a division of Zimmermann+Partner, Gstaad/Los Angeles 96 Online-Studium Psycho-Pathologie Andere Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen F68 F68.0 Auch Renten-Neurose genannt. Eine oft durch sekundären Krankheitsgewinn (z.B. Aussicht auf eine Rente) bedingte Entwicklung körperlicher Symptome. F68.1 Artifizielle Störung (hieß früher „Münchhausen-Syndrom“) Die artifizielle Störung ist zu unterscheiden vom Simulieren (Z76.5). Der Simulant täuscht bewusst Krankheiten vor, um sich einen (meist finanziellen) Vorteil zu ergattern. Der Münchhausen-Patient täuscht Krankheiten vor, um in den Genuss der Pflege zu kommen. Dabei schreckt er vor selbstschädigendem Verhalten nicht zurück. Typisch ist zum Beispiel das Misshandeln der eigenen Haut mit Säure, das Spritzen von Insulin, ohne dass eine Diabetes vorliegt, das Einnehmen von Schilddrüsenhormonen etc. Schwerwiegende operative Eingriffe werden von diesen Patienten geduldig ertragen; über Besserungen scheinen sie sich nicht besonders zu freuen. Eine Variante davon ist das sogenannte Münchhausen-by-ProxySyndrom, das leider im ICD nicht unter den psychischen Störungen, sondern unter Z61 „Kindsmisshandlung“ klassifiziert wird. Hier fügt z.B. eine Mutter ihrem Kind absichtlich Schaden zu, aber nicht in erster Linie, um ihm zu schaden, sondern damit das Kind in den Genuss ärztlicher Pflege kommt und sie sich im medizinischen Umfeld bewegen darf. Laut Statistik sind besonders oft Frauen in Pflegeberufen davon betroffen. ©2015 The California Institute of Life and Business Coaching, a division of Zimmermann+Partner, Gstaad/Los Angeles 97