Deutsches Zentrum für Suchtfragen des Kindes

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Newsletter, 9. Juli 2014
Editorial
Hamburg, Juli 2014
der Behandlung jugendlicher Opfer sexueller Gewalt
erprobt und überprüft.
Sehr geehrte Damen und Herren,
3. Nutzen Jugendliche E-Zigaretten zur Raukurz vor den Sommerferien erreicht Sie unser neun-
cherentwöhnung? Welche Einstellungen und Kon-
zehnter Newsletter. Wie gewohnt berichten wir über
summuster finden sich bei Jugendlichen zum Thema
die Ergebnisse aktueller wissenschaftlicher Studien
E-Zigarette? Eine bevölkerungsweite repräsentative
und geben zusammenfassende Überblicke zu relevan-
Befragung finnischer Jugendlicher ging der Frage
ten Themen, die für das Verständnis von Sucht,
nach, welche Prädiktoren sich für den Konsum von E-
Suchtentwicklung und Suchtprävention, aber auch in
Zigaretten bestimmen lassen.
der alltäglichen Praxis von Bedeutung sind.
4. Riskanter Alkoholkonsum, riskanter Sex? MitIn unserer aktuellen Ausgabe berichten wir von die-
tels einer Befragung von Universitätsstudenten im
sen Themen:
Alter zwischen 17 und 25 Jahren wurde in Neuseeland
der Frage nachgegangen, ob riskanter Alkoholkonsum
1. Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem
unter jungen Menschen mit unerwünschten oder dys-
Alter der Eltern und psychiatrischen Diagnosen
funktionalen sexuellen Erlebnissen einhergeht.
der Kinder? Eine bevölkerungsweite Befragung in
Dänemark zwischen 1955 und 2006 sollte zu dieser
Wir freuen uns sehr über Ihr reges Interesse an un-
Frage Aufschluss geben.
serem Newsletter, das sich unter anderem in unseren
steigenden Leserzahlen ausdrückt: Aktuell wird unser
2. Können Risiken für Substanzmissbrauch und
Newsletter von 495 Abonnentinnen und Abonnenten
psychische Probleme bei jugendlichen Opfern
gelesen, weiteren Interessentinnen und Interessenten
sexueller Gewalt durch Familientherapie redu-
steht er auf unserer Homepage zum Download zur
ziert werden? In einer Studie mit 30 Jugendlichen
Verfügung.
im Alter von 12-17 Jahren wurde ein viel versprechender Ansatz zur Verbesserung der Erfolgsquote in
Newsletter DZSKJ – Wissenschaft für die Praxis | 09.07.2014
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Übrigens: Das Hamburger Basiscurriculum Jugend
Impressum
und Sucht ist erfolgreich gestartet. Die Auftaktveran-
Herausgeber: Deutsches Zentrum für Suchtfragen
staltung am 23. Mai 2014 war restlos ausgebucht.
des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ)
Das Curriculum richtet sich an Fachkräfte aus Schule,
Prof. Dr. Rainer Thomasius
Freizeiteinrichtungen sowie der ambulanten und sta-
c/o Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
tionären Jugendhilfe und vermittelt aktuelles Fach-
Martinistrasse 52
wissen und Handlungsoptionen rund um die Lebens-
20246 Hamburg
welten von konsumierenden und nicht-konsumieren-
Telefon: 040/7410-59307
den Jugendlichen. Die nächste Auftaktveranstaltung
E-Mail: [email protected]
findet voraussichtlich im ersten Halbjahr 2015 statt.
Erscheinungsweise vierteljährlich
Ausführliche
Informationen
finden
Sie
unter
www.basiscurriculum-hamburg.de.
Schließlich möchten wir Sie erneut auf unsere diesjährige DZSKJ-Fachtagung „Problematischer Cannabiskonsum und psychische Störungen im Jugendalter“
hinweisen, die am 23. September 2014 am Universitätsklinikum Eppendorf stattfindet. Wie in den vergangenen Jahren verbinden wir hochkarätige Hauptvorträge mit vielfältigen praxisorientierten Work-
Deutsches Zentrum für Suchtfragen
des Kindes- und Jugendalters
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Körperschaft des öffentlichen Rechts
Gerichtsstand: Hamburg
shops. Unter www.dzskj.de („Kongresse“) finden Sie
in den kommenden Wochen ein Tagungsprogramm
und das Anmeldeformular.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Monika Thomsen, Redakteurin
Prof. Dr. Rainer Thomasius, Ärztlicher Leiter DZSKJ
Newsletter DZSKJ – Wissenschaft für die Praxis | 09.07.2014
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Newsletter DZSKJ – Wissenschaft für die Praxis
1. Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Alter der Eltern und psychiatrischen Diagnosen der
Kinder?
Fragestellung
Ergebnisse
Es gibt eine Reihe von Studien, die belegen, dass die
Im Untersuchungszeitraum von Januar 1995 bis De-
Nachkommen älterer Väter ein erhöhtes Risiko haben,
zember 2011 erlitten 218.441 der untersuchten Per-
an neuropsychiatrischen Störungen (z.B. Schizophre-
sonen ihre erste psychische Störung und traten in
nie oder Autismus) zu erkranken. Ebenso konnten in
diesem Zusammenhang mit einer Psychiatrie in Kon-
Studien Hinweise gefunden werden, dass der Nach-
takt. Es zeigte sich, dass der Nachwuchs von Teena-
wuchs junger Mütter häufiger Verhaltensstörungen,
ger-Müttern das höchste Risiko hatte, irgendeine
Jugendkriminalität und Substanzmissbrauch aufweist.
psychische Störung zu erleiden. Bei Vätern spielte
insbesondere das höhere Alter (über 45 Jahre) eine
Ziel der Studie
Rolle. Hier zeigte sich der bereits aus der Literatur
McGrath und Kollegen (2014) gingen in ihrer umfas-
bekannte Zusammenhang mit Schizophrenie und
senden Bevölkerungsstudie der Frage nach, wie das
Autismus. In Bezug auf den Substanzkonsum und
Alter der Eltern bei der Geburt ihrer Kinder mit der
damit einhergehende psychische Störungen und Ver-
Auftretenswahrscheinlichkeit von psychischen Stö-
haltensprobleme war der Zusammenhang mit sehr
rungen bei ihrem Nachwuchs zusammenhängt. Ins-
jungen Müttern besonders deutlich, wie in Abbildung
besondere
nach-
1 zu erkennen ist. Separate Analysen für Alkohol und
gegangen werden, inwiefern es Unterschiede im Ein-
Cannabis ergaben, dass der Effekt für Cannabis be-
fluss des Alters der Eltern in Abhängigkeit vom Ge-
sonders deutlich ist.
sollte
der
differenziellen
Frage
schlecht der Eltern gibt.
Bewertung
Methoden
In der vorliegenden Studie wurden Zusammenhänge
In einer umfassenden Erhebung wurden 2.894.688
zwischen dem Alter der Eltern bei der Geburt ihrer
Personen eingeschlossen, die zwischen Januar 1955
Kinder und psychischen Störungen beim Nachwuchs
und Dezember 2006 in Dänemark geboren worden
untersucht und gefunden. Es konnte bestätigt wer-
waren und deren Eltern ebenfalls gebürtige Dänen
den, dass Kinder älterer Väter (über 45 Jahre) ein
waren. Erfasst wurden psychiatrische Diagnosen zwi-
erhöhtes Risiko haben, an einer Schizophrenie oder
schen Januar 1995 und Dezember 2011, welche über
an einer autistischen Störung zu erkranken. Zusätz-
das ICD-10 kodiert wurden, wobei nur das Erstauftre-
lich wurde deutlich, dass der Nachwuchs sehr junger
ten einer Störung für die Studie registriert wurde.
Mütter in besonderem Maß von psychischen und Ver-
Mittels loglinearer Poison Regression wurden Inzi-
haltensstörungen durch Substanzkonsum betroffen
denzraten (incidence rate ratios, IRRs) für jede psy-
ist. Dies trifft in abgeschwächter Form auch auf sehr
chische Störung gebildet. Diese wurden adjustiert für
junge Väter zu. Es muss darauf hingewiesen werden,
den Kalenderzeitraum und das Alter (jeweils bei Erst-
dass sich aus der berichteten Studie keine kausalen
auftreten der Störung) und das Geschlecht des
Schlussfolgerungen ableiten lassen.
Nachwuchses.
Newsletter DZSKJ – Wissenschaft für die Praxis | 09.07.2014
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Dr. phil. Monika Thomsen
Quelle:
McGrath, J. J., Petersen, L., Agerbo, E., Mors, O.,
Mortensen, P. B., & Pedersen, C. B. (2014). A comprehensive assessment of parental age and psychiatric disorders. JAMA Psychiatry, 71(3), 301-309.
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Abbildung 1. Inzidenzraten für psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen
(nach ICD-10) in Abhängigkeit vom Alter der Eltern
bei der Geburt des Kindes.
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Es handelt sich lediglich um Korrelationen, während
die diesen Zusammenhängen zugrunde liegenden
Faktoren nicht untersucht wurden. In zukünftigen
Studien dieser Art erscheint es daher angemessen,
weitere Faktoren in die Analysen mit aufzunehmen,
um Mediatoreneffekte aufzudecken. Im Falle der jungen Mütter ist eine Vielzahl an Risikofaktoren vorstellbar, die sich bereits in der Literatur als relevant
für die Entstehung von psychischen und Verhaltensstörungen durch Substanzkonsum erwiesen haben.
Neben psychosozialen und kulturellen Faktoren sollten hier auch biologische und genetische Faktoren in
Betracht gezogen werden.
In Bezug auf suchtpräventive Maßnahmen kann festgehalten werden, dass unabhängig von kausalen Faktoren der Nachwuchs sehr junger Mütter ein erhöhtes
Risiko für die Entwicklung von psychischen und Verhaltensstörungen durch Substanzkonsum hat. In der
Praxis sollte besonders darauf geachtet werden, junge Mütter in Hinblick auf die Gefährdung ihrer Kinder
zu sensibilisieren und sie in ihrer Erziehungskompetenz zu stärken.
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Newsletter DZSKJ – Wissenschaft für die Praxis
2. Können Risiken für Substanzmissbrauch und psychische Probleme bei jugendlichen Opfern sexueller Gewalt durch Familientherapie reduziert werden?
Fragestellung
konsum der Jugendlichen, zu familiären Risikofakto-
Jugendliche, die sexuelle Traumata erlebt haben,
ren hinsichtlich des Substanzkonsums (Family functi-
zeigen laut epidemiologischen Studien ein 6-fach
oning), zur psychischen Belastung und zu riskantem
erhöhtes Risiko, gleichzeitig an einer posttrauma-
Sexualverhalten der Jugendlichen (Abbildung 2). Die
tischen Belastungsstörung (PTBS) und an substanz-
Daten
gebundenen Störungen zu erkranken. Die häufig da-
Regressionsmodel (MRM) ausgewertet.
wurden
mittels
eines
Mixed-Effect-
mit einhergehenden Problemverhaltsweisen wie Substanzmissbrauch und riskantes Sexualverhalten erschweren die erfolgreiche Behandlung der betroffenen
jugendlichen Opfer sexueller Gewalt, so dass diese
häufig scheitern. Ein viel versprechender Ansatz zur
Verbesserung der Erfolgsquote scheint die Einbindung
der Familie in die PTBS-Behandlung zu sein. Danielson und Kollegen entwickelten eine integrierte und
familienbezogene Intervention zur gleichzeitigen Reduktion von psychischen, substanzgebundenen und
weiteren vorliegenden Störungsbereichen.
Ziel der Studie
Diese randomisiert, kontrollierte Studie zielt darauf
ab, die Durchführbarkeit der Risk Reduction through
Family Therapy (RRFT, Danielson, 2010) zu replizieren und die Wirksamkeit im Vergleich zu TAU
(treatment as usual) zu evaluieren.
Abbildung 2. Studienablauf, Haltequoten
Methoden
Für die Studie wurden 30 Jugendliche im Alter von
12-17 Jahren (MW=14,8 J.) in einer Klinik rekrutiert,
die mindestens einen sexuellen Missbrauch erlebt
hatten.
Die
Jugendlichen
und
ihre
berechtigten (72,6% leibliche Eltern,
Erziehungs-
17,1% andere
Familienmitglieder, 10,3% Betreuer) wurden randomisiert entweder der RRFT- oder der TAU-Bedingung
zugewiesen. Die Datenerhebung erfolgte zu vier
Messzeitpunkten (Baseline, Post, 3- und 6-Monatsfollow-up) und umfasste Angaben zum Substanz-
Newsletter DZSKJ – Wissenschaft für die Praxis | 09.07.2014
Das Programm RRFT orientiert sich an Leitlinien bzw.
an empirischen, evidenten Verfahren und beinhaltet 7
verschiedene
Behandlungskomponenten (u.a. Me-
thoden der Trauma-KVT sowie Psychoedukations- und
Präventionsstrategien). Die Jugendlichen und ihre
Eltern erhielten individuell und als Familie wöchentliche Sitzungen von 60-90 Min. Die mittlere Länge der
Behandlung betrug 23 Sitzungen (SD=13), wobei die
Jugendlichen im Durchschnitt 34 Wochen (SD=17)
behandelt wurden.
5/10
Ergebnisse
handlung hinaus verbessert, steht jedoch weiterhin
Sowohl von Seiten der Jugendlichen als auch aus der
aus.
Perspektive der Eltern konnten signifikante Behandlungseffekte nachgewiesen werden. So berichteten
Dipl. Psych. Andrea Haevelmann
Jugendliche aus der RRFT-Behandlung im Vergleich
zur TAU im Follow-up nach 6 Monaten weniger Sub-
Quelle: Danielson, C. K., McCart, M. R., Walsh, K., de
stanzkonsumtage und einen Abfall an depressiven
Arellano, M. A., White, D., & Resnick, H. S. (2012).
und internalisierenden Symptomen. Die Eltern gaben
Reducing substance use risk and mental health prob-
eine bedeutsame Reduktion der PTBS-Symptomatik
lems among sexually assaulted adolescents: a pilot
(UCLA-PTSD-P) ihrer Kinder an. Hingegen fanden sich
randomized controlled trial. Journal of Family Psycho-
im Selbstbericht der Jugendlichen keine Gruppen-
logy, 26(4), 628-635.
unterschiede hinsichtlich der PTBS-Symptome und
externalisierender Problembereiche, wobei in beiden
Gruppen eine Reduktion der Symptome erreicht wurde. Zudem gaben Eltern und Jugendliche der RRFTGruppe einen Anstieg an Familienzusammenhalt und
einen Rückgang an familiären Konflikten an, der sich
signifikant von der TAU-Gruppe unterschied.
Riskantes Sexualverhalten konnte in beiden Gruppen
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im Untersuchungszeitraum reduziert werden.
Bewertung
Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass
mittels RRFT sowohl Risiken für Substanzkonsum als
auch PTBS-Symptome und andere assoziierte Beschwerden effizient reduziert werden können und im
Vergleich zur Standardbehandlung einen zusätzlichen
Nutzen bringen. Allerdings ergab die Datenanalyse,
dass die Jugendlichen der RRFT-Gruppe zu Behandlungsbeginn deutlich höher beeinträchtigt waren als
die Jugendlichen der Standardbedingung, was aufgrund der geringen Stichprobengröße zu statistischen
Verzerrungen geführt haben könnte. Eine entscheidende Errungenschaft der berichteten Studie liegt im
Nachweis der Anwendbarkeit der RRFT und der Verbesserung der Jugendlichen in den untersuchten Outcome-Variablen. Ein Beleg, dass die RRFT die Versorgung von Jugendlichen mit PTBS und Substanzbezogenen Störungen nachhaltig über die Standardbe-
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3. Nutzen Jugendliche E-Zigaretten zur Raucherentwöhnung?
Fragestellung
sen, die im Sommer geboren waren, um den Alters-
Ursprünglich angedacht zur Raucherentwöhnung bzw.
unterschied eines Jahrgangs möglichst gering zu hal-
zur Reduktion von Passivrauchen und Geruchsbe-
ten. Der Rücklauf betrug 38% (N=3.535 von 9.398),
lästigung stellt die E-Zigaretten mittlerweile ein ei-
davon waren 39% männliche Teilnehmer.
genständiges Produkt auf dem Markt dar, dessen
Konsumfolgen für den Verbraucher bislang wenig
Ergebnisse
abschätzbar sind. Sie werden international als „elect-
85.3% der Befragten gaben an, E-Zigaretten zu ken-
ronic nicotine delivery systems” (ENDS) oder als
nen. Insgesamt 17.4% der Jugendlichen hatten E-
„personal vaporizer“ (PV) bezeichnet. Die immer stär-
Zigaretten bereits probiert. Von diesen äußerten
kere Verfügbarkeit von E-Zigaretten wird von vielen
8.3% vorher nie Tabakprodukte geraucht zu haben.
Stellen mit Sorge betrachtet. Obwohl E-Zigaretten in
Dennoch waren die probierten E-Zigaretten in 65,7%
Finnland nur in Apotheken erhältlich sind und Groß-
der Fälle nikotinhaltig. Als Bezugsquelle gaben 79.9%
teils der Verschreibungspflicht unterliegen, gibt es
der E-Zigaretten-Konsumenten Freunde an. Trotz
diverse Möglichkeiten, z.B. über das Internet in den
eines Werbeverbots für E-Zigaretten in Finnland hat-
Besitz von E-Zigaretten zu kommen. Die Autoren der
ten 10.5% der Befragten E-Zigaretten-Werbung ge-
Studie beschäftigten sich mit Einstellungen und Kon-
sehen, wobei die meisten (63.2%) als Quelle das
sumverhalten finnischer Jugendlicher gegenüber E-
Internet angaben (davon 21.8% allein auf Facebook).
Zigaretten.
Bei den 14- bis 18-Jährigen fanden die Autoren die
Bestätigung
ihrer
Hypothese,
dass
E-Zigaretten-
Ziel der Studie
Konsum mit sonstigem Tabakkonsum einher geht. Ein
Kinnunen et al. (2014) untersuchten in der vorliegen-
weiteres Ergebnis war, dass täglich Rauchende nach
den Studie die Daten einer repräsentativen Stich-
dem 1-2 maligen Konsum von E-Zigaretten zu 76,8%
probe von Jugendlichen in Finnland mit dem Ziel, ein
mit dem Rauchen aufhören wollten, während nach
umfassendes Bild zu den Einstellungen und der Nut-
mindestens 20 maligem Konsum von E-Zigaretten die
zung von E-Zigaretten zu präsentieren. Zudem wur-
Betroffenen nur zu 48,6% von dieser Absicht berich-
den die Hypothesen überprüft, dass der Konsum von
teten.
E-Zigaretten
Tabak-
Abbildung 3 stellt die signifikanten Prädiktoren („Risi-
konsums einher geht und der Einstieg in den jeweili-
kofaktoren“) für den E-Zigaretten-Probierkonsum bei
gen Konsum durch ähnliche Risikofaktoren begünstigt
den 12- bis 18-jährigen Befragten dar. Am häufigsten
wird.
konsumierten diejenigen, die bereits Tabakprodukte
mit
anderen
Varianten
des
benutzen, sei es täglich oder in höherer Dosis
Methoden
(Snus/Kautabak, Shisha). Auch die Schulleistungen
Die Daten wurden 2013 in einer bevölkerungsweiten
und die Art der besuchten Schule erwiesen sich als
repräsentativen Befragung finnischer Jugendlicher zu
Prädiktoren für den Probierkonsum von E-Zigaretten.
Gesundheit und Lebensstil erhoben. In die Quer-
Das
schnittsstudie wurden 12 bis 18-Jährige eingeschlos-
Probierkonsum wiesen die täglich Rauchenden sowie
Newsletter DZSKJ – Wissenschaft für die Praxis | 09.07.2014
höchste
7/10
Risiko
für
einen
E-Zigaretten-
die „Experimentierer“ auf (siehe Abbildung 3). Die
eigene Tabakkonsum und je häufiger der bisherige E-
Autoren deuten die Ergebnisse als Bestätigung ihrer
Zigaretten-Konsum, desto unwahrscheinlicher verfol-
Hypothese, dass ähnliche Risikofaktoren den Einstieg
gen die Betroffenen die Absicht, mit dem Rauchen
in den Konsum von Tabakprodukten und E-Zigaretten
aufzuhören. Zumindest im Jugendalter scheinen E-Zi-
begünstigen.
garetten daher nicht den angepriesenen Zweck zu erfüllen. Stattdessen werden sie als eine Art „gesündere Alternative“ zum Tabak angesehen, was aufgrund
Schulleistung
unter
Durchschnitt
Risiko ENDS zu
probieren (OR)
Besucht
Fachoberschule
/ 16-20 Jahre alt
ENDS bereits
probiert (in % )
der wenig kalkulierbaren Nebenwirkungen fatal ist.
Jeder zwölfte Jugendliche raucht laut Studienergebnissen die E-Zigarette ohne vorausgegangenen Tabakkonsum. Über das vermutlich hohe Risiko dieser
Gruppe im weiteren Verlauf auf Tabakprodukte zu
Raucht Shisha
wechseln, kann die vorliegende Querschnittsstudie
keine Aussagen machen.
Kaut Snus
Dr. phil. Peter-Michael Sack
Raucht täglich
Quelle
Kinnunen, J. M., Ollila, H., El-Amin, S. E.-T., Pere, L.
"Experimentiert"
A., Lindfors, P. L., & Rimpelä, A. H. (2014). Aware0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
ness and determinants of electronic cigarette use
Abbildung 3. Anteil 12- bis 18-Jähriger aus Finnland
mit bisherigem ENDS-Konsum (in %) und signifikant
erhöhtem Risiko, einen E-Zigarettenkonsum zu beginnen (in Odds Ratio/ OR).
among Finnish adolescents in 2013: a population-
Bewertung
Deutsches Zentrum für Suchtfragen
Während E-Zigaretten in Medien thematisiert werden
des Kindes- und Jugendalters
und im Alltag immer öfter zur Anwendung kommen,
findet sich bislang wenig fundierte Forschung zu den
Risiken, die mit dem Konsum einher gehen. Mit ihrer
Studie haben die Autoren einen Beitrag geleistet, um
based study. Tobacco Control.
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das Konsumverhalten und die Einstellung, insbesondere jugendlicher Nutzer zu erfassen. Bei den 14- bis
18-Jährigen fanden die Autoren die Bestätigung ihrer
Hypothese, dass E-Zigaretten- mit sonstigem Tabakkonsum einher geht. Zudem geben die Ergebnisse
der Befragung keinen Anhaltspunkt dafür, dass EZigaretten von den Jugendlichen zur Raucherentwöhnung eingesetzt wurden. Im Gegenteil, je stärker der
Newsletter DZSKJ – Wissenschaft für die Praxis | 09.07.2014
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Newsletter DZSKJ – Wissenschaft für die Praxis
4. Riskanter Alkoholkonsum, riskanter Sex?
Fragestellung
Annäherungsversuche sowie sexuelle Übergriffe. Auch
Alkoholkonsum und Sexualität werden in der westli-
erhoben wurden Informationen über Sexualpartner
chen Kultur und Werbung häufig aneinender geknüpft
und über das Trinkverhalten mittels des AUDIT-C.
und gemeinsam positiv dargestellt. Alkoholkonsum
wird unter anderem häufig dazu genutzt, die sexuelle
Ergebnisse
Annäherung an (potentielle) Partner zu erleichtern.
Mittels statistischer Datenanalyse wurde überprüft,
Gleichzeitig nimmt die allgemeine Steuerungsfähig-
wie häufig sexuelle Risikosituationen auftraten, die
keit ab, je stärker die Betroffenen unter Alkoholein-
von den Studienteilnehmern auf eigenen Alkoholkon-
fluss stehen.
sum zurückgeführt wurden: „Riskanten“ Sex innerhalb der letzten vier Wochen berichteten insgesamt
Ziel der Studie
5.5% der befragten Studenten (Männer mit 6.4%
Conner und Kollegen (2013) befragten Universitäts-
häufiger als Frauen mit 5.0%). 2.8% der Stichprobe
studenten in Neuseeland, um Hinweise dafür zu er-
gaben an,
halten, ob riskanter Alkoholkonsum unter jungen
genehme sexuelle Erfahrungen gemacht zu haben,
Menschen mit unerwünschten oder dysfunktionalen
während 7.1% sexuelle Erfahrungen hatten, die spä-
sexuellen Erlebnissen einhergeht.
ter bereut wurden. Die beiden letztgenannten Ergeb-
innerhalb der letzten vier Wochen unan-
nisse wiesen keine signifikanten GeschlechtsunterMethoden
schiede auf. Weiterhin wurden sexuelle Erfahrungen
Es wurden insgesamt 5770 Universitätsstudenten im
untersucht, die von den Studienteilnehmern auf den
Alter zwischen 17 und 25 Jahren befragt. Für die Ana-
Alkoholkonsum anderer Personen zurückgeführt wur-
lysen der vorliegenden Studie wurden jedoch nur die
den: von ungewollten sexuellen Annäherungsversu-
Daten der Studenten herangezogen, die angaben, in
chen berichteten insgesamt 12.5% der Stichprobe,
ihrem Leben schon mindestens einmal Geschlechts-
hiervon waren signifikant mehr Frauen (15.3%) als
verkehr gehabt zu haben, so dass für die Analysen
Männer (8.2%) betroffen (Abbildung 4). Von sexuel-
Daten von n = 2921 Personen verwendet wurden. Die
len Übergriffen berichten ebenfalls mehr Frauen
Datenerhebung erfolgte webgestützt mittels Fragebö-
(0.7%) als Männer (<0.1%).
gen. Erfasst wurden Variablen zum Trinkverhalten
Es ergab sich ein Zusammenhang zwischen erhöhtem
sowie sexuelle Erlebnisse innerhalb der letzten vier
Alkoholkonsum und der Partnerwahl: Studienteilneh-
Wochen vor Befragung. Als unsicherer, „riskanter“
mer mit erhöhtem Alkoholkonsum berichten von häu-
Sex wurden sexuelle Kontakte gewertet, in denen es
figer wechselnden Sexualpartnern und häufiger da-
mit einem/-r Partner/-in zu Geschlechtsverkehr kam,
von, Sex mit einer Person gehabt zu haben, die sie
mit dem/der keine feste Beziehung bestand, wenn
gerade erst oder kürzlich neu kennen gelernt hatten.
dabei kein Kondom verwendet wurde. Weiterhin er-
Das Benutzen eines Kondoms mit einem Partner, zu
fasst wurden sexuelle Erfahrungen, die man schon in
dem keine feste Beziehung bestand, war jedoch nicht
der Situation als unangenehm erlebte, sexuelle Erfah-
an erhöhte Alkoholkonsummuster geknüpft.
rungen, die man später bereute, ungewollte sexuelle
Newsletter DZSKJ – Wissenschaft für die Praxis | 09.07.2014
9/10
18,00
notwendig. Da sexuelle Aktivität häufig bereits vor
16,00
dem 17. Lebensjahr aufgenommen wird, ist es wich-
14,00
tig, auch jüngere Probanden in dieser Hinsicht zu
Prozente
12,00
Unerwünschte sexuelle
Annäherungsversuche
10,00
Sexuelle Übergriffe
8,00
untersuchen. Damit kann eine Grundlage dafür geschaffen werden, Informationen zum Zusammenhang
zwischen riskantem Alkoholkonsum und riskantem
6,00
Sexualverhalten in alkoholpräventive Maßnahmen zu
4,00
integrieren.
2,00
0,00
Männer
Frauen
Dr. phil. Christiane Baldus
Prävalenz in den letzten vier Wochen
Abbildung 4. Prävalenz sexueller Erfahrungen, die auf
den Alkoholkonsum anderer zurückgeführt wurden
Quelle:
Connor, J., Psutka, R., Cousins, K., Gray, A. & Kypri,
K. (2013). Risky drinking, risky sex: A national study
Bewertung
of New Zealand university students. Alcoholism:
Die vorliegende Untersuchung rückt einen Zusam-
Clinical and Experimental Research, 37 (11), 1971-
menhang in den Mittelpunkt, der zwar in Werbung
1978.
und Kultur allgegenwärtig ist, jedoch in der Forschung und der Suchtprävention bisher wenig Raum
findet: den Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum
und sexuellen Erfahrungen. Die Ergebnisse der vorliegende Studie geben Hinweise darauf, dass es im
Deutsches Zentrum für Suchtfragen
des Kindes- und Jugendalters
Erleben und Verhalten junger Menschen diesen Zu-
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
sammenhang gibt. Zudem verdeutlicht die Studie die
Körperschaft des öffentlichen Rechts
Relevanz der Thematik, die aus unterschiedlichen
Gerichtsstand: Hamburg
Gründen stärker in den Blickpunkt von jenen Akteuren rücken sollte, die sich für die Gesundheit junger
Menschen engagieren: Neben den unmittelbar gesundheitsrelevanten Risiken der Ansteckung mit sexuell übertragbaren Erkrankungen oder ungewollten
(evtl. frühen) Schwangerschaften gewinnen auch
ungewollte Erlebnisse an Bedeutung. Diese sind zum
einen unvereinbar mit dem Grundrecht auf sexuelle
Selbstbestimmung, ziehen jedoch auch zum Teil weit
reichende Folgen von persönlichem Unbehagen bis
hin zur sexuellen Traumatisierung nach sich. Um die
Situation in Deutschland bzw. in Europa zu Alkoholkonsum und ungewünschten sexuellen Erfahrungen
bzw. sexuellen Risiken besser einschätzen zu können,
ist Forschung zu diesem Zusammenhang auch hier
Newsletter DZSKJ – Wissenschaft für die Praxis | 09.07.2014
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