Zusammenfassung des Elternabends „Suchtprävention in der Schule“ Gymnasium Norf 23.03.2009 Teil II Michael Weege Katharina Schmitz Mitarbeiter bei der Suchtkrankenhilfe der CaritasSozialdienste Rhein-Kreis Neuss GmbH Suchtstoffe illegal Stoffgebunden Legal Cannabis, MDMA (Ecstasy) Nikotin, Alkohol Halluzinogene (LSD) Medikamente Aufputschmittel Schnüffelstoffe Chrystal, Meth Stoffe in Pflanzen Opiate, Kokain u.a. u.a. Stoffungebunden Essstörungen Illegales Glücksspiel Exzessiver PC – Gebrauch, Kaufsucht u.a. Exzessiver PC - Gebrauch Begriffliche Klärung Zunächst wurde der englische Begriff ‚Internet Addiction Disorder’ vom New Yorker Psychiater Ivan Goldberg als „scherzhafte Scheindiagnose“erfunden. Allerdings widmete 1995 die Zeitung ‚New York Times’ dieser ‚neuen Sucht’ einen großen Bericht und rasch meldete sich eine große Anzahl ernsthaft von dem beschriebenen Phänomen Betroffener. Unter Stichwörtern wie beispielsweise Multiple Medienabhängigkeit, Internetsucht, Computersucht, oder Computerspielsucht, Online-Sucht, Cyberdisorder oder auch Net-Addiction wird sowohl in der Presse als auch in der Fachliteratur die exzessive Nutzung der ‚Neuen Medien’ diskutiert. Es gibt zurzeit noch keinen allgemein anerkannten Fachbegriff für die exzessive PC-/Mediennutzung. Auch die Aufnahme in das Diagnostikinstrument ICD 10 ist noch nicht erfolgt. Untersteilung: Onlineglücksspiel, Surfen, Chatten, Computerspiele Exzessiver PC - Gebrauch Warum sind gerade Computerspiele für Jugendliche so interessant? Für die individuellen Belohnungssysteme von Kindern und Jugendlichen erlangen Computerspiele darüber hinaus eine immer zentralere Bedeutung: Sie ermöglichen einen unmittelbaren, schnellen Erfolg (kein Belohnungsaufschub). Durch die konzeptuellen und technischen Gegebenheiten können Schwierigkeiten durch gestuften Levelanstieg und mögliche Wiederholung relativ schnell überwunden werden, so dass es kaum zu gravierender Frustration kommt. Relativ risikofreies, kommunikatives Agieren wird durch Anonymität und Teamwork erleichtert, soziale Anerkennung über Erreichtes ist schnell und leicht zu erhalten. Wunschidentitäten, die nicht mit den Problemen der realen Welt belastet sind, können angenommen werden. Exzessiver PC - Gebrauch Merkmale und Kriterien der Computer(spiel)sucht Einengung des Verhaltensmusters: Computerspielen als wichtigste Aktivität des Betroffenen (andauernde gedankliche Beschäftigung, auch verzerrte Wahrnehmung und Gedanken in Bezug auf das Computerspielen, unstillbares und unwiderstehliches Verlangen, Vernachlässigung sozial erwünschter Verhaltensweisen). Regulation von negativen Gefühlszuständen (Affekten): Durch die beim Computerspielen verspürte Erregung (Kick- oder Flow-Erlebnisse) oder Entspannung (‚Abtauchen’) werden negative affektive Zustände im Sinne einer vermeidenden Stressbewältigungsstrategie verdrängt. Toleranzentwicklung: Die gewünschte Wirkung des Computerspielens kann nur durch zunehmend häufigere oder längere Computerspielzeiten (möglicherweise auch durch immer extremere Spielinhalte) erzielt werden. Bei gleichbleibenden Spielzeiten bleibt der gewünschte affektregulierende Nutzen von Computerspielen aus. Exzessiver PC - Gebrauch Entzugserscheinungen: Bei verhindertem oder reduziertem Computerspielen treten diese in Form von Nervosität, innerer Unruhe und/oder vegetativer Symptomatik (Zittern, Schwitzen etc.) auf. Kontrollverlust: Das Computerspielverhalten kann in Bezug auf zeitliche Begrenzung und Umfang nicht mehr kontrolliert werden. Rückfall: Nach Zeiten der Abstinenz oder Phasen kontrollierten Computerspielverhaltens kommt es beim Bertoffenen zu einer Wiederaufnahme des unkontrollierten, exzessiven Computerspielens. Schädliche Konsequenzen: für Beruf, soziale Kontakte und Hobby aufgrund des exzessiven Computerspielens. Es kommt zu Isolation und zwischenmenschlichen Konflikten zwischen dem Betroffenen und der sozialen Umwelt bzw. zu innerpsychischen Problemen bei dem Betroffenen selbst. Exzessiver PC - Gebrauch Folgende Anzeichen können auf einen problematischen PC – Gebrauch hindeuten: • Ihr Kind verbringt zunehmend mehr Zeit mit dem Medium • Es zieht sich aus seinem sozialen Umfeld zurück • Es hat mangelndes Interesse an gemeinsamen Familienaktivitäten • Bestehende Freundschaften werden vernachlässigt • Häufige Müdigkeit bzw. chronische Übermüdung wegen Schlafmangel • Andere Interessen und Hobbys werden vernachlässigt Exzessiver PC - Gebrauch • Es kommt zu Problemen in der Schule (Verspätungen, Fehlzeiten, Leistungsabfall) •Übermäßiger Konsum wird geleugnet/verharmlost •Regeln und Zeiten für Medienkonsum werden nicht mehr eingehalten ( häufige Regelverstöße) • Häufige Stimmungswechsel (Aggressivität,Depressivität, Teilnahmslosigkeit) • Zunehmender Verzicht auf gemeinsame Mahlzeiten, statt dessen Konsum von Fast – Food, Süßigkeiten oder Chips ( evtl. Gewichtszunahme durch Bewegungsmangel und falsche Ernährung) Nikotin – Zigaretten und Shisha Suchtmittel: In Form von Zigaretten, Shisha, Zigarren, Pfeifentabak Art der Anwendung/Einnahme: Rauchen, seltener: Schnupfen von Tabak, Kauen von Tabakblättern Hinweise auf Missbrauch: Starke „Zigarettenfahne“, gelbliche Verfärbung der Zähne und der Fingerkuppen Wirkung: Stimulierende oder entspannende Wirkung auf das zentrale Nervensystem, Gefühl der Geborgenheit und Souveränität. Bei hohem Zigarettenverbrauch gegenteilige Wirkung: Lähmung von Nerven, Verengung von Blutgefäßen, Beeinträchtigung der Durchblutung aller Organe. Risiken: Gefahr der körperlichen und psychischen Abhängigkeit Langzeitfolgen: Durchblutungsstörungen der Herzkranzgefäße und äußeren Gliedmaßen durch Verengung/Verkalkung der Blutgefäße, erhöhtes Krebsrisiko Hinweis: Die Risiken des Shisharauchens werden oft unterschätzt, es ist vergleichbar schädlich, wie das Rauchen von Zigaretten, unter bestimmten Umständen noch schädlicher Partydrogen - Alkohol Suchtmittel: Alkoholische Getränke mit unterschiedlich hohem Alkoholgehalt Art der Anwendung/Einnahme: Trinken Hinweise auf Missbrauch: Regelmäßiges Trinken großer Mengen alkoholischer Getränke, „Alkoholfahne“, Konsum alkoholischer Getränke schon am Morgen häufige Wirkung: Hebt die Stimmung, wirkt entspannend, steigert das Selbstwertgefühl, heitere Stimmung oder aggressives Auftreten, Verlust der Kontroll- und Steuerungsfähigkeit (z.B. „Torkeln“ und „Lallen“); Nachlassen der Konzentrationsund Reaktionsfähigkeit (z.B. Fahruntüchtigkeit im Straßenverkehr) Risiken: Es können körperliche und psychische Abhängigkeit entstehen; Akute Gefahr: Alkoholvergiftung bei Überdosis (bei Kindern reichen schon relativ geringe Mengen hochprozentigen Alkohols) Langzeitfolgen: Schädigung innerer Organe, der Gehirnfunktion und des Nervensystems, Persönlichkeitsveränderungen, im fortgeschrittenen Stadium auch Wahnvorstellungen und Delirien Partydrogen – Chemische Drogen MDMA/Ecstasy Suchtmittel: Verarbeitung/Verbindung verschiedener chemischer Grundstoffe zu neuen Stoffen, die die Wirkung verschiedener Drogen nachahmen. Art der Anwendung/Einnahme: Schlucken, Spritzen oder Schnupfen Hinweise auf Missbrauch: Tabletten, Kapseln Wirkung: Je nach chemischer Zusammensetzung sehr unterschiedlich, aufputschende euphorisierende Wirkung, Halluzinationen, oft ähnlich der Wirkung von Halluzinogenen Risiken: Gefahr starker psychischer Abhängigkeit, je nach Grundstoff auch körperliche Abhängigkeit, ungewisse und unkontrollierte Zusammensetzung beinhaltet verschiedene Risiken: Dauer und Intensität des Rausches, Nebenwirkungen sind nicht abschätzbar Partydrogen - Amphetamine Suchtmittel: Amphetamine, Weckamine Art der Anwendung/Einnahme: Trinken, schlucken, teilweise auch Spritzen Hinweise auf Missbrauch: Hoher Verbrauch an Medikamenten, regelmäßiger Griff zur Tablette Wirkung: Je nach Medikament und Dosis leistungs- und stimmungssteigernde Wirkung über verstärkte Kontaktfreudigkeit, Rededrang, Einschränkung der Kritikfähigkeit und Konzentration bis hin zu euphorisieren und ekstatischen Gefühlen, Psychose und Sinnestäuschung möglich. Risiken: Psychische Abhängigkeit Achtung: Aufputschmittel steigern anfänglich die Leistungsfähigkeit. Auf Dauer genommen führen sie zu Unrast, Schlaflosigkeit oder gar zu Wahnvorstellungen Amphetamine, Designerdrogen, Ecstasy „Pep“(Amphetamine) Ecstasy Cannabis Suchtmittel: Die indische Hanfpflanze (Cannabis) liefert die Grundstoffe für Haschisch und Marihuana. Aus dem Harz wird Haschisch („Shit“), aus den getrockneten Blüten und Blättern wird Marihuana (Gras) hergestellt. Art der Anwendung/Einnahme: Rauchen vermischt mit Tabak, Trinken im Tee, Essen mit Speisen Hinweise auf Missbrauch: Heuähnlich riechende gepresste Platten, in Silberfolie eingewickelte erdähnliche Haschischbrocken. Wirkung: Abhängig von der Grundstimmung des Konsumenten, verstärkt euphorische wie auch depressive Grundstimmungen, Veränderung der Denkund Sinneswahrnehmungen, Entspannung, Bewußtseinserweiterung, verändertes Zeit- und Raumgefühl; Antriebsverlust und Ruhelosigkeit. Risiken: Bei längerem Gebrauch kann psychische Abhängigkeit eintreten, ebenso Depressionen, Nachlassen der Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit, erhöhtes Krebsrisiko; zahlreiche Inhaltsstoffe mit ungeklärter Wirkung, möglicher Auslöser für Psychosen Cannabis Marihuana Cannabis Haschisch Essstörungen Übersicht der Krankheitsbilder ICD-10 Diagnosen: • Anorexia nervosa (Magersucht) F50.1 • Bulimia nervosa (Ess-Brech-Sucht) F50.2 • Essattacken bei anderen psychischen Störungen (Binge- Eating, „Essattacken-Störung“) = „psychogene Adipositas“ F50.4 Magersucht das Gefühl von Autonomie, Reinheit und Kontrolle Diagnosekriterien nach ICD-10: • Untergewicht (BMI<17,5) • selbst herbeigeführter Gewichtsverlust (Erbrechen, exzessiver Sport, Abführmittel, Appetitzügler, Diuretiker) • Körperschemastörung • Endokrine Störung in Form der Amenorrhoe (Ausbleiben der Monatsregel) in 3 aufeinander folgenden Zyklen Körperliche Langzeitfolgen: • Absinken des Stoffwechsels, des Blutdrucks und der Körpertemperatur • Verlangsamung des Herzschlages (pathologische Befunde im EKG) • Verstopfung, Blähungen, Völlegefühl • Hormonelle Veränderungen führen zu: trockener Haut, brüchigem Haar, Ausbleiben der Monatsblutung, Flaumbildung, Osteoporose • Immunologische Dysfunktion (Anfälligkeit für Entzündungen) • Kreislaufbeschwerden • Pseudoathrophie des Gehirns • Sterberate: 10-15% Ess-Brechsucht „möglichst perfekt funktionieren“ Diagnosekriterien nach ICD-10: • häufige Fressattacken mit Kontrollverlust • selbst herbeigeführter Gewichtsverlust (Erbrechen, exzessiver Sport, Abführmittel, Appetitzügler, Diuretiker) • Kein Untergewicht Körperliche Langzeitfolgen: • Chronische Halsschmerzen, Speiseröhreneinrisse • angegriffenes Zahnfleisch und Zahnschmelzschäden • Störungen des Elektrolythaushalts, insbesondere Kalium- und Magnesiummangel • Nierenschäden und Herzrhythmusstörungen • Chronische Verstopfung • Vitaminmangel und Störungen des Mineralstoffhaushaltes (Haar- und Hautschäden) • Schlafstörungen, Müdigkeit • Nebenwirkungen von Appetitzüglern: Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen Binge Eating Disorder Essen als Belohnung, Trost und Schutz Diagnosekriterien nach DSM-IV: Wiederholte Episoden von „Fressattacken“ ohne die für Bulimia Nervosa charakteristischen regelmäßigen, einer Gewichtszunahme gegensteuernden Maßnahmen Körperliche Langzeitfolgen: •Erhöhter Blutdruck •Herz- und Gefäßerkrankungen •Stoffwechselerkrankungen (z. B. Diabetes) •Gelenkerkrankungen Psychologische Faktoren • Das Gefühl, über das eigene Leben nicht selbst entscheiden zu können Angst vor dem Erwachsenwerden, Verantwortung und dem weiblichen Körper • Wenn Schritt in die Autonomie nicht gelingt, ist dies eine Prädisposition für eine Essstörung: Essen als ein(ziger) Bereich, wo Autonomie gelebt werden kann! • Essstörung als „Lösung“ für einen Autonomie Abhängigkeits-Konflikt: • Versuch, Kontrolle über Körpergewicht auszuüben, vermittelt ein Gefühl von Autonomie und Sicherheit • Körpergewicht als wichtige Quelle für das Selbstwertgefühl Risikofaktoren für Essstörungen • Weibliches Geschlecht. • Ein Alter zwischen 15 und 35 Jahren. • Übergewicht • Eine Familie, in der Körpergewicht und Fitness als besonders wichtig erachtet werden • Das Vorliegen einer depressiven Störung • Opfer von sexuellem Missbrauch in Kindheit oder Teenageralter • Fehlende Vermittlung von genügend Selbstwertgefühl und Vertrauen in sich selbst in der Ursprungsfamilie. Fehlende Fähigkeit Gefühle zu erkennen bzw. angemessen mit ihnen umzugehen. Möglichkeiten für den Umgang mit Betroffenen Haben Sie Mut, Ihr Kind anzusprechen und es mit Ihrer Wahrnehmung der Veränderungen und Sorgen zu konfrontieren und ggf. zu einer Beratung/ Behandlung aufzufordern • Begegnen Sie dem Mädchen mit Verständnis und Respekt • Wenn Sie eine massive Gesundheitsgefährdung vermuten, sollte die Betroffene auf jeden Fall medizinische Hilfe in Anspruch nehmen • Geben Sie dem essgestörten Mädchen keinen Sonderstatus innerhalb der Familie • Nutzen Sie selber die Möglichkeit der (Angehörigen-) Beratung