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Editorial
Editorial
Ärzteschaft: Harmonie mit allen Instrumenten?
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
der Blick auf unsere Titelseite weckt vielleicht bei Ihnen Erinnerungen an ein besonders schönes Konzerterlebnis. Getreu
dem Motto: „Über Geschmack lässt sich
nicht streiten“, sehe ich es als zweitrangig
an, welchen Komponisten und welches
Stück das Orchester gerade spielt. Faszinierend ist doch, wenn sich im Zusammenspiel ganz unterschiedlichster Instrumente ein harmonischer Klang entwickelt.
Ich bin Musikliebhaberin, aber keine
Musikexpertin. Trotzdem scheint es nicht
schwer, das Erfolgsgeheimnis eines hervorragenden Orchesters zu erahnen.
Der Klangkörper sollte mit Interpreten
besetzt sein, die ihr Instrument erstklassig
beherrschen. Die besten von Ihnen werden, dort wo es passt, im Solo glänzen können. Bei bestimmten Passagen verlangt die
Partitur freilich, dass sich der erste Violinist
oder der Klaviervirtuose musikalisch zurücknehmen, an anderer Stelle müssen die
Streicher mal die Dominanz der Bläser dulden, u.s.w. Falsche, zu laute oder unpassende Töne im falschen Moment führen zu
Disharmonien, die den auf einen Ohrenschmaus erpichten Besucher verärgern.
Wenn sich der erhoffte Ohrenschmaus
einstellen soll, benötigt das Orchester
auch einen guten Mann am Dirigenten-
pult. Denn, was nützt es, wenn der erste
Violonist, der Klaviervirtuose, Streicher,
Bläser und die anderen Orchestermitglieder musikalisch glänzen – und es fehlt
ein „Maestro“, der die Einsätze vorgibt
und alles im Interesse der Partitur koordiniert?
Wir Ärzte sind zurzeit leider ein miserables Orchester. Sollten wir uns nicht wieder auf die Grundwerte unseres Berufes
besinnen – mit dem hippokratischen Eid,
den wir alle abgelegt haben? Dazu gehören sicher auch Standesbewusstsein
und Kollegialität. Jeder von uns, ob
niedergelassen oder klinisch tätig, ob
Hausarzt oder Facharzt, ist ein Teil des
großen Ganzen, in dem jeder seine Stärken hat.
Es betrifft also eigentlich elementare
Dinge, ohne deren Berücksichtigung gemeinsame Ziele für die Ärzteschaft nicht
erreichbar sind. Im „Orchester Ärzteschaft“ trüben für meinen Geschmack
allzu oft individualistisch gefärbte Disharmonien den Klang. Deshalb appelliere
ich an uns alle: Erinnern wir uns an die
einfachen Erfolgsrezepte eines guten
Orchesters. Harmonie statt Disharmonie
heißt in diesem Fall: Eine einig auftretende
und handelnde statt einer zerstrittenen
Ärzteschaft. Für unsere Patienten erreichen wir so sicher das Beste.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Es liegt mir fern, die schwierigen Probleme
(z. B. beim Honorar) durch die rosa Brille
zu betrachten. Aber, darf ich es so formulieren: Tut uns nicht hin und wieder ein
Quäntchen mehr Gelassenheit gut? Jetzt
wünsche ich Ihnen, Ihren Mitarbeitern und
den Familien, auch im Namen meines Vorstandskollegen Klaus Heckemann, noch
schöne und erholsame Urlaubstage.
Auf ein gutes, vertrauensvolles und verlässliches Miteinander
Ihre Stellv. Vorstandsvorsitzende
Ulrike Schwäblein-Sprafke
Glosse
Zippert zappt
17. Juni 2009, 04.00 Uhr
Die AOK will ihre 25 Millionen Versicherten zur Bewertung von Ärzten im Internet
aufrufen. Das Ganze nennt sich dann
„AOK-Arzt-Navigator“ und soll Patienten
vor allem als Entscheidungshilfe dienen.
Endlich kann man dann die wirklich wichtigen Informationen erhalten. Welche aktuellen Zeitschriften liegen im Wartezimmer
aus? Sind die Kreuzworträtsel und Sudokus
immer schon gelöst? Verschreibt der Arzt
KVS-Mitteilungen Heft 7-8/2009
alles, worum man ihn bittet, oder besteht
er auf Untersuchungen oder ähnlichem
Quatsch? Sind die Röntgenbilder in Farbe?
Hat der Arzt kalte Hände? Wie schnell
schreibt er einen krank? Wie ist die Qualität der Sprechstundenhilfen? Wie oft müssen sie zustechen, bis sie eine blutführende
Vene gefunden haben? Analog zu Restaurants soll es dann auch für Ärzte ein Bewertungssystem geben. Statt Kochmützen oder
Sternen werden Stethoskope verteilt. Im
Bewertungsprofil liest man dann: „Super-
mediziner. Gern wieder“, „Hier macht
Kranksein Spaß“. Oder auch: Patienten, die
sich von diesem Arzt behandeln ließen,
kauften auch „Doktor Schiwago“ (DVD),
„Dr. Jekyll and Mr. Hyde“ (ungek. Orig.)
und Franzbranntwein (Anstaltspackung).
Hans Zippert – Die Welt – vom 17. Juni 2009
(die Veröffentlichung erfolgt mit
freundlicher Genehmigung des Autors –
die Redaktion)
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